Frank Köhler Die drei ???
Die blutige Botschaft
revised by AnyBody
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Frank Köhler Die drei ???
Die blutige Botschaft
revised by AnyBody
Fan Story Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Grußwort von Alfred Hitchcock Willkommen, Krimi-Freunde! Falls ihr bereits die Bekanntschaft mit den drei ??? gemacht habt, dann braucht ihr dieses Vorwort nicht zu lesen. Blättert einfach zum nächsten Kapitel weiter und das Abenteuer kann beginnen. Diesmal haben es die drei schlauen Bengel mit wahrhaft schattenhaften Gestalten zu tun. Es geht um schnöden Mammon, den zu erhaschen sich nicht nur die drei fixen Jungs an die Fahne geheftet haben. Ärger bleibt also auch diesmal wieder nicht aus, obwohl... Aber ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten! Dafür obliegt es mir, den Lesern unter uns einige Informationen zukommen zu lassen, die bisher noch nicht das Vergnügen hatten, auf die drei Detektive zu treffen. Die drei Fragezeichen - ein Name, der zum Hinterfragen geradezu einlädt, findet ihr nicht auch? Wie dem auch sei: es handelt sich dabei um drei bemerkenswert neugierige Burschen, die auf eigene Faust ein Junior-Detektivbüro eröffnet haben. Ihr Aufgabenfeld sind entflogene Vögel, verschwundene Wertgegenstände und vermißte Personen. Doch wer sind denn nun diese drei geheimnisvollen Jugendlichen? Das will ich euch sagen: da hätten wir zum einen Justus Jonas, ein nicht nur gebildeter und wohlbeleibter Junge, sondern mindestens genau so nervtötend wie schlau! Seine Intelligenz und seine besondere Art der Ausdrucksweise, die nicht nur seine Kollegen verwirrt, hat ihm den Rang des Ersten Detektivs eingebracht - er ist also so etwas wie der Chef des Unternehmens. Als nächster wäre dann Peter Shaw zu nennen, Zweiter Detektiv, groß, sportlich das genaue Gegenteil zu Justus Jonas. Eine weitere Eigenschaft Peters währe die - zum Teil durchaus berechtigte - Vorsicht, die der Junge an den Tag legen kann. Dritter im Bunde ist Bob Andrews, der Ruhepol zwischen seinen beiden ungleichen -2-
Freunden Justus und Peter und dank seiner Belesenheit für Recherchen und Archiv zuständig. Zusammen bilden die Buben ein schlagkräftiges Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem Ungeklärten den Kampf anzusagen. Ach ja: und sollte euch in diesem Buch ein stattlicher Mann mit erhobenen Zeigefinger begegnen: seid aufmerksam! Manch ein Ratschlag oder Hinweis könnte Licht ins Dunkel bringen...Doch genug der einleitenden Worte: es gilt, ein Vermögen zu finden! Alfred Hitchcock
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Ein nächtlicher Besucher Die Abenddämmerung senkte sich langsam auf Rocky Beach herab und hüllte die Stadt in eine Vielzahl von Lichtern und Schatten. Es war heiß gewesen, selbst für kalifornische Verhältnisse. Wer immer die Möglichkeit gehabt hatte, vergnügte sich den Tag über an den nahegelegenen Stränden oder Strandbädern, oder suchte zumindest irgendwo Schutz vor der Sonne. Und auch jetzt noch lagen die Straßen leer und verlassen in der versinkenden Sonne. Eine friedliche, fast unnatürliche Stille beherrschte die Umgebung. »Du Just, können wir nicht langsam mal Schluß machen?« stöhnte Peter Shaw gelangweilt. »Wir sitzen schon den ganzen Abend hier herum, und nichts passiert. Der Dieb kommt ja Heute doch nicht mehr...« Justus Jonas blickte kurz zu seinem Detektivkollegen, der genau wie er selbst - in dem Wirrwarr des Gerümpels, hinter dem die beiden Jungen Schutz gesucht hatten, kaum auszumachen war. »Peter, ein guter Detektiv versteht es, sich in Geduld zu fassen. Du tust ja so, als ob wir hier schon weis Gott wie lange ausharren würden, was nun wirklich nicht den Tatsachen entspricht. Außerdem hat bisher noch keine Aktion des unbekannten Besuchers den Tatbestand des Diebstahls rechtfertigen können. Halte dich also bitte mit Verdächtigungen dieser Art zurück, so das wir unbefangen den Fall weiterverfolgen können. Peter seufzte herzzerreißend, sparte sich aber lieber einen Kommentar. Doch auch Justus war mit dem Verlauf des neuen Falles der drei Detektive nicht zufrieden - was er aber dann doch noch nicht zugeben wollte. Das heißt: wenn es überhaupt ein Fall war -4-
- sicher war das nämlich noch nicht. Seit Tagen machte ein Unbekannter das Gelände des Gebrauchtwaren-Center Titus Jonas unsicher. Scheinbar schlich sich die Person in der Nacht auf den Schrottplatz, um hier... ja, was eigentlich? Aus welchem Grund kam der Unbekannte heimlich hierher? Diebstahl mußten die drei ??? nach einer eingehenden Kontrolle ausschließen: übermäßig wertvolle Sachen hatte Justus Onkel zur Zeit eh nicht auf dem Schrottplatz, aber auch die wertlosen Dinge schienen diesen Fremden nicht zu interessieren, denn es war alles noch an seinem Platz. Justus Onkel Titus Jonas sah deshalb auch keinen Grund, der Sache weiter nachzugehen - er vermutete hinter der ganzen Angelegenheit einen Kinderstreich... oder aber ein vagabundierender Habenichts hatte sich ein gemütliches Plätzchen für die Nacht gesucht. Da sowohl Mr. Jonas als auch sein Angestellten Kenneth die Person bei ihrer nächtlichen Wanderschaft gestört hatte, vermutete der Inhaber des Altwahrengeschäfts, das nun der ganze Spuk vorbei seien würde - wer schlich sich schon auf ein Gelände, wenn er doch immer wieder erwischt wurde? Obwohl: erwischt war da ja nun ei- gentlich gar nicht das richtige Wort... gesehen hatte ihn niemand so genau - nur einen Schatten, der immer wieder blitzschnell verschwand, sobald er merkte, das er entdeckt worden war. Und eben dies wurmte Justus Jonas. Ein mysteriöser Fremder, der aus sich auf dem eigenen Schrottplatz herumtrieb... das mußte doch zu klären sein! Und... was, wenn dieser Fremde vielleicht DOCH noch einmal auftauchen würde? Nachdem Justus, Peter und Bob den ganzen Tag auf dem Platz Arbeit für Just´s Tante Mathilda erledigt hatten - oder besser erledigen mußten: Tante Mathilda war immer sehr erfinderisch, wenn es darum ging, die drei Freunde zu beschäftigen - nahmen sie gleich nach einem ausgiebigen Abendessen ihre Spähposten auf dem Gelände ein, um den geheimnisvollen Besucher auf frischer Tat zu stellen. -5-
Wenn er denn kommen sollte... Justus Jonas wischte sich den Schweiß von der Stirn. An heißen Tagen wie diesem litt er aufgrund seines Übergewichtes besonders stark... zumindest körperlich... geistig war er aber wie immer voll auf der Höhe. Und das bewies er auch gleich. »Zugegeben: irgend etwas auf dem Platz scheint das Interesse bei jemanden geweckt zu haben... jemand, der dieses ›irgend etwas‹ nicht auf normalem Wege in seinem Besitz bringen will oder kann. Was aber nicht bedeutet, das diese Person eine kriminelle Handlung zu begehen gedenkt«, fand Justus in seine üblichen Art zurück. Justus Jonas liebte es, sich kompliziert auszudrücken. Eine Fähigkeit, die seine Freunde Peter und Bob manchmal in den Wahnsinn treiben konnte. Doch nicht nur das: Justus war auch sehr neugierig! Schon allein das war ein Grund, die drei Detektive auf den Plan zu rufen, als ihnen Justus Onkel Titus Jonas so ganz nebenbei von dem nächtlichen Besucher erzählte. Und nun lagen sie hier abwechselnd auf der Lauer um das Rätsel um den unbekannten Besuchers zu lösen. Doch die anfängliche Begeisterung über den neuen Auftrag den sie sich aber diesmal selber geben mußten, da niemand außer den drei Jungs ein besonderes Interesse an dem abendlichen Besucher zeigte - erlosch doch recht schnell. Der Eindringling ließ sich nicht mehr blicken... seit zwei Tagen schlugen sich die drei Detektive vergeblich die Nacht um die Ohren. Und hätte Justus Jonas nicht beharrlich darauf bestanden, die Beobachtung weiter fortzusetzen, hätten die drei Fragezeichen wohl schon längst aufgegeben. »Also kein Dieb. Trotzdem hast du meine Frage noch nicht beantwortet«, harkte Peter genervt nach. »Und außerdem... Mensch, Justus, der Kerl kommt doch sowieso nicht.« Justus schwieg. »Also: ich glaube ja gar nicht mehr, das hier ein Dieb -6-
herumschleicht - wahrscheinlich war es wirklich nur ein Landstreicher - genau, wie dein Onkel es auch vermutet. Laß uns doch aufhören«, gab Peter nicht auf und warf seinem vollschlanken Freund dabei durchdringende Blicke zu. »Was befugt dich zu der Annahme, das es ein Kerl, also ein Mann ist?« fragte Justus interessiert. »Genau so gut käme auch eine Frau als Täter in Frage. Und wenn es ein Landstreicher ist, dann... dann will ich das einfach wissen!« meinte er trotzig. Peter fauchte wütend: »Erst kein Verbrecher, und jetzt sprichst du selbst von ›Täter‹. Justus entscheide dich mal. Und außerdem: ich hör immer Täter? Was bitte schön soll denn dieser Täter überhaupt für eine schändliche Tat begangen haben?« »Gewagte Satzstellung, Zweiter«, meinte Justus trocken. Doch langsam begann auch er, nachdenklicher zu werden. Denn: zugegeben, Peters Frage war durchaus berechtigt. Weder war etwas gestohlen worden, noch war sonst etwas ungewöhnliches geschehen. Ein Grund auch, warum Titus Jonas der Sache nicht nachgehen wollte. War es am Ende wirklich nur ein Landstreicher, der einen Platz zum Schlafen suchte und bald weiterziehen würde... oder schon gezogen war? »Mensch Justus: als wir beschlossen haben, Detektive zu werden, hatte ich eigentlich gedacht, das -« Doch ein leises Zischen von Justus lies den Zweiten Detektive verstummen. Justus hatte etwas bemerkt! »Aha... wußte ich doch, das sich Beharrlichkeit auszahlen würde«, flüsterte der Erste Detektiv triumphierend »dort hinten... Peter... siehst du die Gestalt da bei der Werkstatt?« Peter schaute in die Richtung, die ihm sein Freund mit dem Finger zeigte und kniff die Augen zusammen, um in der nun doch rasch einsetzenden Dunkelheit des beginnenden Abends -7-
etwas zu erkennen. Tatsächlich. Da war jemand! Die Gestalt schlich gebückt am Zaun entlang - immer darauf bedacht, im Schatten der Abgrenzung zu bleiben - und nahm Kurs auf den kleinen Schuppen, in dem Titus Jonas allerlei Gerümpel aufbewahrte. »Den schnappe ich mir«, zischte Peter gepreßt und bevor Justus noch etwas unternehmen konnte, sauste der Zweite Detektiv davon. Just blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen - weniger elegant und weniger schnell... um bei der Wahrheit zu bleiben: Justus Jonas stolperte über das Gerümpel, das den beiden bisher als Tarnung gedient hatte, und fiel unsanft auf den Hosenboden. »Verflixt«, schimpfte Justus, sprang aber gleich wieder auf um seinem Freund Peter zur Hilfe zu eilen. Doch das war nicht mehr nötig: die Schattengestalt hatte die beiden Jungen von Weitem kommen sehen. Als sich Peter ihm pfeilschnell näherte, sprintete der nächtliche Eindringling auch schon los in Richtung Ausgang. Peter versuchte noch, ihn einzuholen doch da war die Gestalt auch schon verschwunden. Enttäuscht kehrte der Zweite Detektiv zu seinem Freund zurück. »Hast du... erkennen könne, wer... wer es war?« fragte Justus schwer schnaufend - die Rennerei hatte den gewichtigen Jungen doch ziemlich außer Atem gebracht. »Nein, verdammt. Der Typ war einfach zu schnell«, fluchte Peter »Also hast du erkannt, das es ein Mann war?« »Ja... nein... gesehen hab ich nur seinen Schatten«, erklärte Peter niedergeschlagen, »aber so schnell kann doch nur ein Mann rennen.« Justus schüttelte mitleidig den Kopf. »Peter, wie oft muß ich dir noch sagen, das ein Detektiv sich allein auf Fakten verläßt. -8-
Vermutungen helfen uns nicht weiter. Wobei ich anmerken möchte, das die Art der beschleunigten Fortbewegung nicht nur eine Domäne der Männer ist!« bemerkte Justus streng. Peter stieß wütend die Luft aus, blieb aber ruhig. Eine Streitdebatte mit Justus Jonas - nein: da stand er ja schon von Anfang an auf verlorenem Posten. Aber... die Vorstellung, er... Peter Shaw... die Sportskanone von Rocky Beach... im Wettlauf geschlagen... von einem MÄDCHEN? Da war Justus aber gewaltig auf dem Holzweg, wenn er so etwas glaubte... dachte zumindest der Zweite Detektiv. »Was ist denn hier los?« erklang die Stimme Bob Andrews, der plötzlich aus der Dunkelheit der Umzäunung an die beiden Freunde herantrat. Bob war im Haus der Familie Jonas gewesen um für die drei Detektive etwas zum Trinken zu holen - ein Tribut an die immer noch herrschende drückende Hitze des vergangenen Tages. Von dem eben hier vorgefallene n hatte er deshalb nichts mitbekommen. »Der nächtliche Besucher war da«, erklärte Justus abwesend und knetete sich sein Unterlippe - das machte er immer, wenn er nachdachte. »Und während du dir in der Küche den Magen vollgeschlagen hast, ist er uns entwischt «, stichelte Peter, der immer noch enttäuscht darüber war, das ihm der Eindringling entkommen konnte. »Ich -«, begann Bob erbost, wurde dann aber sofort von Justus unterbrochen. »Kollegen, das hilft uns doch nicht weiter. Fakt ist, das die Person weg ist, welchem Umstand das zu verdanken ist, dürfte im Moment wirklich nebensächlich sein! Viel mehr würde mich interessieren, was das Bild hier zu suchen hat?« »Klar ist der Typ weg, weil Justus mal wieder -«. Peter stockte. »Bild? Was für ein Bild denn?« fragte er irritiert, während sich Justus bückte, um etwas aufzuheben. -9-
»Dieses Bild, Peter!« Triumphierend hielt Justus den gefundenen Gegenstand hoch. »Scheinbar hat die Person es bei ihrer überstürzten Fluch verloren.« Bob rückte näher an Justus heran und schaute ihm neugierig über die Schulter. »Was soll denn das jetzt mit dem Bild. Viel wichtiger ist doch, das der Kerl entkommen ist. Dabei hätte ich ihn fast gehabt«, schmollte Peter immer noch. »Und wenn das Bild nur einfach so hier herumliegt?« bemerkte Bob. »Bob, du solltest die Geschäftspraktiken des Hauses Jonas nun wirklich gut genug kennen, um zu wissen, das hier nicht einfach ›irgend etwas‹ herumliegt!« meinte Justus beleidigt, besonders streng die letzten Worte betonend. »Was der Gebrauchtwarenhandel Jonas kauft, und weiterzuverkaufen gedenkt, wird immer mit der notwendigen Sorgfalt behandelt.« Justus war sehr stolz auf das Geschäft seine Onkels, und nahm es deshalb auch immer persönlich, wenn jemand den Schrottplatz seiner Familie abwerten wollte - ob absichtlich oder nicht. Dann konzentrierte er sich wieder auf das Bild. Ein einfacher Holzrahmen in der Größe eines Schulheftes faßte ein Bild ein, das eine schwarze Katze auf rotem Grund zeigte, die einen Katzenbuckel machte und dabei fauchte, wie ein zu klein geratener Löwe. Der Rahmen des Bildes war an einer Seite beschädigt, so das die Leinwand fast herausfiel. »Das hat dieser Eindringling ganz bestimmt aus Mr. Jonas Schuppen dort drüben entwenden wollen. Ist es denn wertvoll, Just?« Justus antwortete nicht - er war ganz vertieft in die Betrachtung des Fundstückes. -10-
»Nie im Leben ist das ´was wert. Und dafür der ganze Aufwand?« bemerkte Peter enttäuscht. »Zugegeben, auch wenn es ein sehr schönes Bild ist, vermag ich noch nicht recht nachzuvollziehen, warum unser geheimnisvolle Besucher dafür eine Verbrechen begehen will«, stimmte Justus seinem Freund nachdenklich zu. »Auch, wenn ich kein anerkannter Kunstexperte bin, so denke ich nicht, das hier ein -« Plötzlich schwieg Justus, doch keinem seiner Freunde fiel das auf. »Und was machen wir jetzt?«, mischte sich wieder Bob ein. »Ich bin dafür, das wir -«, begann Peter, doch diesmal wurde er von Justus Jonas unterbrochen. »Mannomann«, rief der Erste Detektive überrascht, und weckte die Neugierde der beiden anderen Jungen. »Seht Euch das mal an, Kollegen.« Justus blickte seinen Freunde freudig entgegen - er hatte etwas entdeckt! Nun sahen auch Peter und Bob, was den gewichtigen Jungen so aus der Fassung gebracht hatte: Justus hatte das Bild aus dem Rahmen gelöst und hielt plötzlich einen Bogen Papier in der Hand, der sich scheinbar hinter der Leinwand befunden hatte. »Was hast Du denn da, Just?« fragte Peter neugierig und auch Bob blickte gespannt auf das Blatt Papier, auf das Justus wie verzaubert starrte. Erkennen konnten die beiden Freunde nicht viel - dafür hielt Justus es zu ungünstig. Der Erste Detektiv antwortete nicht. Er ging einen Schritt zur Seite und drehte sich etwas, damit die Beleuchtung des Schrottplatzes besser auf das gefundene Schriftstück fiel. Dabei schien er interessiert zu lesen - seine Freunde hatte er vollkommen vergessen. So ergriff Peter Shaw die Gelegenheit und warf von der Seite einen Blick auf das Fundstück. Mit einer auffallend -11-
geschwungener, altertümlichen Handschrift hatte dort jemand eine längere Nachricht auf dem bereits stark vergilbten Pergament hinterlassen, und... Der Junge zuckte zusammen und wurde bleich. »Mein Gott, Just... das... das ist ja Blut!« entfuhr es dem Zweite Detektiv entsetzt. Nun konnte sich auch Bob nicht mehr halten und trat an die Seite seiner Freunde, um auch einen Blick auf den Zettel zu werfen. »Keine vorschnellen Behauptungen«, entgegnete Justus gelassen - nun wieder ansprechbar. »Zugegeben: anfangs dachte ich auch an Blut, doch nach einer eingehenden Prüfung wage ich zu behaupten, das dies keinesfalls Blut ist, mit dem eine handschriftliche Nachricht auf dem Papier hinterlassen wurde.« »Wie kommst du darauf, Justus?« fragte Bob, der immer noch verzweifelt versuchte, einen Blick auf das gefundene Dokument zu erhaschen. »Nun. In Anbetracht der Tatsache, das dieses Schriftstück doch schon ein erhebliches Alter vorzuweisen hat, dürfte die Schrift vermutlich nur aus, zugegeben ungewöhnlicher, aber ganz normaler roter Tinte bestehen - um die Wichtigkeit der hinterlassenen Botschaft wohl noch zu unterstreichen, vermute ich«, antwortete der Erste Detektiv, der seine erste Überraschung nun endgültig überwunden hatte und wieder in seinem gewohnten Ausdrucksweise zurückfiel. »Versteh ich nicht. Was hat das denn mit dem Alter zu tun?« entgegnete Peter immer noch nervös. »Ich glaube doch, das daß Blut ist. Wir sollten den Brief zur Polizei bringen. Mit Mördern möchte ich nichts zu tun haben!« Peter Shaw neigte dazu, manchmal etwas überängstlich zu reagieren, auch wenn er selbst es gerne als ›reine Vorsichtsmaßnahme‹ bezeichnete... was allerdings Ansichtssache war und nicht immer auf besonders -12-
viel Verständnis bei seinen Freunden stieß. »Mensch Peter, eingetrocknetes Blut wird doch mit der Zeit braun. Das weis doch jeder«, meinte Bob, dem das Verhalten seines Freundes wieder einmal etwas auf die Nerven ging. »Korrekt, Bob. Blut nimmt mit der Zeit eine stark bräunliche Farbe an. Und dieser Zettel ist unzweifelhaft schon länger in dem Bild versteckt. Somit hätte die Schrift auch nicht mehr diese tiefrote Farbe haben können, wenn es sich tatsächlich um Blut handeln würde«, stimmte Justus seinem Freund zu. »Na ja... vielleicht habt ihr ja recht«, gab Peter kleinlaut von sich, »aber was steht denn nun auf dem Papier? Lies doch ma l vor, Just.« »Laß uns erst einmal in die Zentrale gehen. Dort ist das Licht besser«, machte Justus Jonas es spannend. Die drei Jungen begaben sich auf dem schnellsten Wege in ihre Zentrale, einem alte ausgedienten Campinganhänger, den ihnen Justus Onkel Titus Jonas vor langer Zeit überlassen hatte. Der Anhänger war über und über mit Schrott und Gerümpel umgeben, den die drei Detektive zum Schutz vor ungewollten Eindringlingen - wie zum Beispiel Justus Tante Mathilda Jonas, die die drei Jungs immer mit Arbeit vollbepackte, sobald sie die Freunde nur sah - aufgeschichtet hatten. Keiner außer den drei Detektiven wußte noch etwas von dem Campinganhänger selbst die Familie Jonas und deren Angestellte Patrick und Kenneth schienen ihn vergessen zu haben. Und die drei Freunde taten alles, um diesen Zustand zu bewahren - hatten sie doch schon verschiedenste Geheimgänge zu ihrer Zentrale angelegt, damit niemand sehen konnte, wenn sie den Anhänger betraten. Diesmal nahmen sie den Gang III zur Zentrale: dessen Eingang einfach aber geschickt innerhalb des Schutthaufens versteckt lag. Weitere Geheimgänge lagen zum Teil unter der Erde oder sogar im Dach des Campers versteckt. Doch die waren Heute nicht nötig: der Schrottplatz lag ruhig und einsam -13-
in der Dunkelheit des nun schon weit fortgeschrittenen Abends und somit war der Geheimgang vor ungewollten Beobachtern bestens geschützt. Justus schaltete das Licht an und ließ sich auf einen Bürosessel plumpsen. Der Sessel, wie auch alle anderen Dinge in der Zentrale stammten vom Schrottplatz Titus Jonas und waren somit schon stark gebraucht, zum Teil sogar beschädigt. Doch da Justus ein recht geschickter Handwerker war, waren alle Gegenstände voll gebrauchsfähig. Er hatte auch dafür gesorgt, das die Zentrale sowohl einen Strom-, als auch einen Telefonanschluß hatte. Kurz und gut: das geheime Büro der drei Freunde bot alles, was Jungdetektive für ihre Arbeit brauchten. Sogar ein Fotolabor war vorhanden! Wie immer, wenn die drei Jungen sich in der Zentrale befanden, meldete sich auc h Blackbeard zu Wort. Blackbeard kurz Blacky - war ein Papagei, den die drei Fragezeichen bei einem früheren Fall kennen gelernt hatten. Sie hatten den Vogel behalten, der nun eine Art Maskottchen war. Ein sehr wortgewaltiges Maskottchen, denn Blacky konnte sehr gut sprechen. Er schnappte alles auf, was er hörte und gab es meist zum unpassendsten Zeitpunkt wieder von sich. Besonders gefürchtet war sein gewaltiger Wortschatz an Schimpfworten! »Just, was ist denn nun. Lies vor«, drängte Peter Shaw ungeduldig und setzte sich auf einem der noch freien Stühle. Auch Bob Andrews nahm gespannt Platz. »Also... ich weis nicht, was ich davon halten soll«, spannte Justus die beiden Freunde weiter auf die Folter. »Justus Jonas... leg endlich los!« sagte Peter nun schon im drohendem Tonfall. »Ja, Justus, mach es nicht so spannend«, pflichtete ihm Bob bei. »Gut«, begann Justus »also... hier steht: -14-
Ich gratuliere dem glücklichen Finder. Mit diesem Brief hält er doch die Möglichkeit in Händen, ein reicher Mann zu werden. Mein ganzes Vermögen ist mit diesen Worten verbunden, doch allein der gesunde Menschenverstand soll über Wohl und Wehe entscheiden. Menschenverstand und Scharfsinn - etwas, das meine liebe Verwandtschaft gewiß nicht zu besitzen vermag. Und da ich nicht vorhabe, diesen degenerierten und geldbesessenen - Justus stockte. »Mannomann.... gar nicht so einfach zu lesen bei dieser seltsamen Schnörkel-Schrift... also... äh... - geldbesessenen Leuten auch nur einen Pfennig zukommen zu lassen, habe ich mein Vermögen sicher versteckt, in der Hoffnung, das es eines Tages einem Menschen die Möglichkeit gibt, das zu tun was immer er mag - Kunstverstand und Geschmack hat er ja schon durch den Erwerb diese Bildes bewiesen. Und wenn es ihm gelingt, die richtigen Schlüsse zu ziehen, so beweist er, das er drei der Fähigkeiten besitzt, die ich am meisten schätze und das soll belohnt werden. Wohl denn, frisch ans Werk!« »Vermögen... das klingt echt gut«, unterbrach Peter seinen Kollegen und grinste. »Und es geht noch weiter. Doch vorher: unterschrieben ist der Brief mit ›Thomas Masterson‹... kennt jemand von euch den Namen?« »Nie gehört«, meinte Peter übermütig, der sich in seiner Phantasie schon im Geld schwimmen sah. »Doch«, überlegte Bob Andrews, »sagen tut mir der Name schon etwas... aber ich komm einfach im Moment nicht drauf.« »Geht mir genau so, Bob«, gab Justus ehrlich zu. »Doch es geht noch weiter Kollegen. Und nun kommt der Teil des Briefes, dem wir besondere Aufmerksamkeit zollen sollten «, begann der Erste Detektiv, wurde aber von Peter unterbrochen. »Steht da etwas von dem Geld?« -15-
Peter war in seinem Feuereifer nicht zu bremsen, was ihm einen zornigen Blick seiner Kollegen einbrachte. Ein Vermögen! Und sie hatten weder einen Klienten, für den sie dieses Vermögen finden sollten noch sonst jemanden, der ihnen den Besitz streitig machen konnte. Irgendwie hatten die drei Detektive es bisher noch nie geschafft, ›in die eigene Tasche zu arbeiten‹. Schon des öfteren hatten sie Schätze aufgespürt... doch was ihnen dann blieb, war nur das Wissen, wieder ein Rätsel gelöst zu haben. Reich waren sie mit ihrem Detektivbüro wirklich noch nicht geworden. Doch nun... Peter grübelte freudig. Mensch: wenn da nicht mindestens ein neues Fahrrad für den Zweiten Detektiv bei ´rauspringen würde, dann wollte er nicht mehr Peter Shaw heißen... und Peter Shaw war schon ein klasse Name, den der sportliche Junge nicht so einfach hergeben wollte. Justus wiederum hatte ganz andere Sorgen. Er las weiter vor. »Also... hier steht: Erst eins dann drei und dann den Rest. Zwei nach Zwei und dann die Drei, und auch die Null ist mit dabei, doch - alt oder nicht - mit 60 ist alles vorbei. Lies die Zeiten, da muß ich lachen. Es ist spät und ich bin müde. Ri Ra Rutsch und klopf auf Holz. Mein Schutz macht es vor, doch ohne L. Lies aufmerksam, dann kannst du mich finden, doch zieh die dreckigen Schuhe aus! Interessant, Kollegen... sehr interessant.« »Tote reden nicht«, fühlte sich Blackbeard berufen, auch etwas zu dem Fall vorzutragen, doch wie immer wurde der schwarze Vogel von den drei Detektiven ignoriert. »Kollegen: das hört sich nach einem Fall für die drei Fragezeichen an«, meinte Justus sehr zufrieden. -16-
Peter wiederum gefror sein breites Grinsen auf den Lippen. Plötzlich sah er gar nicht mehr so glücklich aus und man merkte ihm an, das er von dem eben Gehörten kein Wort verstanden hatte. Waren damit seine Träume vom schnellsten, teuersten und einfach nur besten Fahrrad von ganz Rocky Beach gestorben? Auch Bob schaute etwas irritiert aus der Wäsche. Nur Justus Jonas lächelte still vor sich hin. Justus liebte die geistige Herausforderung, und bisher hatte er noch jedes Rätsel geknackt. »Nein«, jammerte Peter entsetzt und richtete sich in seinem Sessel steif auf. »Nicht schon wieder so ein Wirrwarr aus unlogischen Unsinn. Warum muß sich eigentlich alle Welt immer wieder so orakelhaft ausdrücken?« Man sah Peter an, das er enttäuscht war - wußte er doch, das er in ihren bisherigen Fällen bei der Entschlüsseln von codierten Texten nicht gerade besonders gut abgeschnitten hatte. Und man konnte Peter Shaw auch wirklich verstehen: nicht zum erstem Mal kamen den drei ??? diese Art von Botschaften in die Finger. Bereits in früheren Fällen hatten sich Personen aus den verschiedensten Beweggründen ähnlicher Rätselverse bedient, um die eigentliche Nachricht zu verschlüsseln - sie also nicht jedem zugänglich zu machen, der sie durch Zufall las. Scheinbar hatten sich alle Rätselsteller und Geheimniskrämer dieser Welt irgendwann einmal in Rocky Beach getroffen. Und mit deren Hinterlassenschaften mußten sich nun Justus, Bob und vor allem der arme Peter Shaw herumschlagen. Das konnte doch einfach kein Zufall mehr sein - so vermutete Peter in Momenten wie diesem immer wieder aufs Neue. Doch Justus riß den verstimmten Jungen aus seiner weltumspannenden Verschwörungstheorie. »Einspruch, Zweiter«, meinte der dickliche Junge. »Erstens kann es nie schaden, wenn wir unsere grauen Zellen ein wenig anstrengen. Und zweitens: auch, wenn uns der Sinn dieser -17-
Botschaft im Moment noch fremd ist, wage ich die Behauptung, das sie nicht ohne jeglicher Logik ist. Wie sollte denn sonst ein Rätsel aufgebaut sein, wenn nicht verschlüsselt?« Peter schwieg lieber, wußte er doch, das Justus - wie so oft Recht hatte. »Rekapitulieren wir noch einmal«, setzte Justus eine Rede an, und Blacky krächzte ihm zustimmend zu, »ein Unbekannter verschafft sich Zugang zum Schrottplatz von Onkel Titus. Bemerkenswert ist auch, das er diesen Weg nicht nur einmal antritt: er war bereits mehrere Male hier. Wir stören den Unbekannten, der daraufhin die Flucht ergreift - also nicht erkannt werden möchte. Und dieser Unbekannte verliert bei seiner planlosen Flucht ein Bild mit einem Rätselbrief, der dem glücklichen Finder Hinweise auf eine nicht näher genannte, aber anscheinend durchaus reichliche Summe Geld verspricht.« »Von Geld war nicht die Rede, Just«, mischte sich Bob wieder ein, »der Schreiber sprach von Reichtum. Es könnte sich auch um was anderes, wertvolles handeln.« »Richtig, Bob. Also: etwas, das für den Finder durchaus von Wert sein könnte. Nun stellen sich mir natürlich einige brennende Fragen.« »Einige Fragen?« warf Peter Shaw spöttisch ein. »Der ganze Fall ist eine einzige Frage!« »Erstens«, begann Justus wieder, »wer ist die Person, die das Bild verloren hat. Zweitens: weis diese Person von dem Rätselbrief aus dem Katzenbild und wenn ja - woher. Drittens: wer ist dieser Thomas Masterson und warum stellte er dieses Rätsel. Viertens: was hat es mit den Rätseln auf sich. Habe ich etwas vergessen?« »Also, eine Frage könnte ich vielleicht schon beantworten«, sagte Peter. »Ich glaube schon, das der Dieb von dem Brief -18-
weis. Doch vielleicht hat er nicht so genau gewußt, wo er das Bild mit dem Brief zu finden hat - sonst... ja: sonst wäre er bestimmt nicht so oft hier aufgetaucht! Er hat irgendwie erfahren, das es hier auf dem Gelände ist und schlich herum, um es zu suchen. Und dort hinten im Schuppen, wo Mr. Jonas ja allerlei Sachen aufbewahrt, wurde er dann fündig. Woher hat dein Onkel das Bild eigentlich?« »Das gilt es erst noch eingehender zu klären. Soweit ich weis, hat Onkel Titus vor einigen Tagen einen größeren Einkauf Kunstbilder vom Trödelmarkt getätigt. Dabei war ich allerdings nicht«, gab Justus zu und schaute dabei auf seine Armbanduhr. Dann meinte er: »In Anbetracht der Tatsache, das wir morgen einen vollen Terminkalender haben, was die Lösung diese Falles betrifft, schlage ich vor, das wir für Heute Schluß machen, um ausgeschlafen an die ganze Sache zu gehen. Ihr stimmt mir doch zu, das wir diesen Fall übernehmen?« »Hoppla! Hast du das gehört, Bob? Wir werden auch mal gefragt, ob ein Fall von den drei Fragezeichen übernommen werden soll. Bisher hat Just das doch immer allein entschieden«, wunderte sich Peter, doch die Überraschung war eher gespielt und spöttisch gemeint. Justus überhörte das und auch Bob Andrews dachte eher praktisch. »Just, Peter, ich schlage vor, das wir unsere Kräfte teilen. Ich muß morgen früh sowieso wieder in die Bibliothek, da werde ich mal nach diesem Thomas Masterson forschen. Vielleicht bekomme ich ja was raus. Ihr beide fragt Mr. Jonas nach der Herkunft des Bildes aus. Gegen Mittag treffen wir uns dann wieder in der Zentrale. Einverstanden, Kollegen?« Bob Andrews arbeitete aushilfsweise in der Bibliothek von Rocky Beach und saß damit an der Quelle zu vielen Informationen, die den drei Detektiven schon oft hilfreich waren. »Verstanden«, meinte Blackbeard und schnappte sich eine Erdnuß aus seinem Futternäpfchen. -19-
»Exzellent, Bob. Das gleiche wollte ich auch gerade vorschlagen«, stimmte auch Justus Jonas freudig bei, während Peter nur müde nickte. »Gut, dann machen wir für heute Schluß. Ist auch schon ziemlich spät geworden«, bemerkte Peter. »Ich... äh... ich werde den Brief mit auf mein Zimmer nehmen, um noch ein wenig über die gestellten Rätsel nachzudenken«, gestand Justus, als die beiden anderen Jungen schon im Aufbrechen waren. »Typisch Justus Jonas«, konnte Peter sich nicht verkneifen. Sonderbar - sehr sonderbar. Ist euch aufgefallen, wie zufällig unsere drei Freunde in diesen Fall gestolpert sind? Zufälle gibt es: ein Rätsel, das den drei Detektiven auf heimatlichen Grund in die Hände fällt... und dazu noch eine mysteriöse Schattengestalt im Suchrausch, die auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit von den Bengeln gestört wird und daraufhin die Flucht ergreift. Besonders mutig scheint sie ja nicht zu sein, diese Schattengestalt... das verheißungsvolles Schreiben auf der Flucht zu verlieren erscheint mir doch etwas tölpelhaft! Oder hatte sie vielleicht einen anderen Grund, nicht erkannt werden zu wollen?
-20-
Das Geheimnis des Katzenbildes »Nein Justus. Ich bin mir absolut sicher, das ich dieses Bild nicht erstanden haben«, sagte Titus Jonas bestimmt. Justus und Peter schauten sich überrascht an. Sie hatten Justus Onkel Titus das Bild mit der buckligen Katze gezeigt, doch dieser hatte es nicht wiedererkannt. Wie auch, wenn er es noch nie gesehen hatte? »Doch nun erzähl mal Justus: wie kommt ihr Buben eigentlich darauf, das ich das Bild kennen müßte?« »Ach nur so, Onkel Titus«, gab Justus abwesend von sich und knetete dabei an seiner Unterlippe herum - Just dachte angestrengt nach! »Na gut, ihr Beiden. Ich muß jetzt auch wieder los. Die Geschäfte, ihr versteht schon. Ach ja, Justus, denk daran, das ich dich heute Nachmittag zum Abladen brauche.« Mr. Jonas lächelte den Freunden noch einmal zu und verschwand dann in Richtung seine Kleinlasters. Doch das bekamen die Detektive gar nicht mehr mit, sie schlenderten außer Hörweite und blieben dann stehen. »Just, sag mal spinn ich? Dein Onkel kennt das Bild gar nicht, das ist doch unmöglich! « regte sich Peter auf. Doch der Erste Detektiv antwortete nicht. »Justus... hallo? Hörst du mir überhaupt zu?« Justus Jonas schaute seinen Freund nachdenklich an. »Peter... erinnere dich an gestern Abend... der Eindringling. Was genau hast Du gesehen?« »Was soll das denn jetzt?« begann Peter aufgeregt, verstummte aber, als er Justus strengen Blick bemerkte. »Gut, gut... also: wir saßen in unserem Versteck... dann hast du die Gestalt als erstes bemerkt... ich bin hinüber gelaufen, -21-
doch da rannte sie schon weg. Dabei hat sie wohl das Bild verloren«, überlegte der Zweite Detektiv, »mehr war eigentlich nicht, oder?« »Überlege genau, Peter«, meinte Justus plötzlich aufgeregt. »Wo war der nächtliche Besucher genau, als wir ihn sahen?« »Na, am Zaun. Er war doch auf dem Weg zum Lagerschuppen deines Onkels«, sagte Peter nach kurzem Überlegen. Dann stockte er, als ihm bewußt wurde, was er da gerade gesagt hatte. Und auch Justus Augen leuchteten auf. »Genau: auf dem Weg zum Schuppen! Ich hatte bisher angenommen, das diese Person in den Schuppen eingedrungen ist und das Bild entwenden wollte. Doch das geht gar nicht, denn dieses Bild lag ja nicht im Schuppen. Und die Gestalt war auch nicht am Schuppen gewesen. Verflixt, warum ist mir das gestern nicht schon aufgefallen!« Justus ärgerte sich: solche Unaufmerksamkeit mochte er gar nicht - nicht bei anderen, und schon gar nicht bei sich selbst! »Mensch Just, willst du damit sagen, das der Dieb das Bild selbst mitgebracht hat? Das ergibt doch gar keinen Sinn.« Justus überlegte. »Entweder hat er das Bild tatsächlich mitgebracht - dann ist die Frage: warum hat er das getan. Oder aber ein anderer hat das Bild mitgebracht und hier verloren. Und der Besucher gestern hat es nur gesucht. Doch warum hat dieser andere es hier gelassen. Sind es nicht nur eine, sondern zwei Personen, die hinter dem Brief von Thomas Masterson her sind? Sehr merkwürdig, das Ganze«, rätselte der Erste Detektiv weiter. Bob kam mit seinem Fahrrad um die Ecke gefahren und grinste die Beiden an. »Jungs, ich hab wichtige Neuigkeiten für euch«, strahlte er. »Wir auch für dich«, meinte Peter. »Das Bild dürfte nämlich -22-
gar nicht hier sein. Justs Onkel kennt es gar nicht, und aus dem Schuppen ist es auch nicht.« »Bitte?« fragte Bob Andrews überrascht. »Kollegen, laßt uns erst einmal in die Zentrale gehen. Dort besprechen wir dann alles weitere«, schlug Justus vor. Gesagt, getan. Nachdem sich die drei Jungen versichert hatten, das sie unbeobachtet waren, drangen sie in ihr Büro ein. »Also«, legte Bob los, als er sein Notizheft aufgeschlagen hatte, »Thomas Masterson war vor einigen Jahren eine ziemlich bekannte Persönlichkeit hier in Rocky Beach. Deshalb war uns der Name auch irgendwie bekannt, Just. Masterson war ein wohlhabender Mann, der sein Geld mit Aktien gemacht hatte. Er zog nach Rocky Beach und kaufte ein Haus in der Barring Road, piekfeine Adresse wie ihr wißt.« Justus und Peter nickten zustimmend - die Barring Road war eine der Villenviertel am Rande von Rocky Beach, dessen Grundstücke sich nur gut begüterte Menschen leisten konnte. »Aber noch etwas ist sehr interessant, Kollegen: Masterson gründete hier in Rocky Beach eine eigenständige Zeitung etwas hochtragend die ›Weekly Times‹ genannt. Die ›Times‹ kam - wie der Name schon andeutet - einmal die Woche heraus. Doch nach zwei Jahren ging diese Zeitung auch schon pleite.« »In Rocky Beach passiert halt nicht so viel, das eine eigene Zeitung rechtfertigen würde«, warf Justus ein der sich dunkel an das Zeitungsblatt erinnern konnte. »Stimmt, Just. Die umliegenden Zeitungen haben ja alle einen Lokalteil in ihren Blättern, der auch Rocky Beach mit beinhaltet. Was also sollte Masterson schreiben, das nicht auch schon woanders erschien? Und besonders die Artikel über die ansässigen Bildhauer und Maler - ein Steckenpferd des -23-
kunstinteressierten Mastersons und Hauptbestandteil der Berichterstattung in der ›Weekly Times‹ - schienen wohl eher wenige zu interessieren. Tja... die Auflagen des Blattes sanken, bis Masterson einen Schlußstrich zog, und sie auflöste. Danach zog er sich vollständig aus dem Zeitungsgeschäft zurück, und richtete sein Augenmerk auf die örtliche Kunstszene. Vom alten Potter z.B. hat er einige Dinge gekauft, die er in seinem Garten ausgestellt haben soll.« Der alte Potter war ein ortsansässiger Künstler, der meistens mit Ton, aber auch auf anderen Ebenen arbeitet. Noch bemerkenswerter war aber sein Erscheinungsbild: der alte Mann hatte nicht nur eine Schwäche für weite, weiße Gewänder die ihm mitsamt seines langen weißen Bartes immer das Aussehen eines Späthippies verliehen, er zog es auch vor, ohne Schuhwerk - sprich Barfuß - aufzutreten... im wahrsten Sinne des Wortes! Die meisten Bewohner von Rocky Beach hielten den alten Potter für einen Sonderling, der ein erimitenähnliches Leben führte. Doch mit der Zeit hatten sie ihn akzeptiert und der Mann wurde zu einer stadtbekannten Berühmtheit - nicht nur durch sein Auftreten sondern auch durch seine Keramikkenntnisse. Justus kannte den Mann persönlich, da der alte Mann ab und zu auf dem Schrottplatz der Familie Jonas nach brauchbaren Materialien für seine Kunstwerke suchte. »Vor einigen Jahren«, setzte Bob seinen Vortrag weiter fort, »erkrankte Masterson schwer an einer Knochenkrankheit und verstarb nur wenig später. Danach gab es noch einen ganz schönen Rummel um die Erbschaft. Den Verwandten wurde eröffnet, das von dem angeblichen Vermögen des Verstorbenen nichts mehr da wäre... und so weiter, und so weiter. Wir kennen das ja: die Verwandtschaft will Geld sehen, und da kein Testament vorhanden war, stürzten sich alle auf das wenige, was noch greifbar war.« »Klar gab es kein Geld, das hat Masterson ja versteckt«, bemerkte Peter. -24-
»Das Haus von Masterson war der einzige Besitz, den er zurückgelassen hat. Die Verwandtschaft stritt sich um das Anwesen und ging vor Gericht... bisher ist aber noch kein Urteil über die Besitzansprüche gefallen und das Haus steht seitdem leer.« »Was konntest du genau über die Verwandtschaftsverhältnisse von Thomas Masterson herausbekommen, Bob? Im Brief wird ja auch angedeutet, das dort etwas im Argen lag«, wollte Justus wissen, als Bob in seinem Notizheft zu blättern begann. »Ja... stimmt, Just. Darüber hab ich auch noch was. Mrs. Largen wußte etwas darüber, ihr wißt doch: Mrs. Largen putzt ab und zu mal zur Aushilfe in der Bibliothek.« »Au backe,« stöhnte Peter auf, »Largen... doch nicht etwa die Mutter von Henriette Largen?« »Stimmt, Peter. Genau DIE Mrs. Largen!« Henriette Largen kannten die drei Jungen noch aus der Schule. Das Mädchen war einige Klassen über ihnen gewesen und wurde von ihren Mitschülern nur ›Henriette, der Feldwebel‹ genannt. Dieser Name brachte ihr das Verhalten ein, das sie des öfteren an den Tag gelegt hatte - sie liebte es z.B., sich bei den Lehrern anzubiedern und vor allem die Jüngeren zu schikanieren! Damit machte sie sich natürlich bei ihren Schulkameraden nicht gerade beliebt - um es mal vorsichtig auszudrücken. Nach ihrer Schulzeit hatte sie einige Zeit als Alfred Hitchcocks Sekretärin gearbeitet. Aber selbst der berühmte Filmregisseur hatte das Mädchen nicht lange an seiner Seite gedulden. Seitdem jobbte sie als Verkäuferin in einem kleinen Schmuckgeschäft in Los Angeles. Wie wahr, wie war. Ich kann mich noch sehr gut und mit Schrecken an dieses aufdringliche Frauenzimmer erinnern! »Im Gegensatz zu Henriette ist ihre Mutter aber echt nett nicht so überheblich und eingebildet wie die Tochter. Mrs. -25-
Largen war übrigens damals in der ›Weekly Times‹ auch als Putzfrau angestellt, und kann sich noch ganz gut an Masterson erinnern, der die Zeitung ja leitete. Also: Masterson hat außer seiner Schwester und ihrer Familie noch einen Sohn, der aber unverheiratet ist. Mastersons Frau verstarb bei der Geburt von John Masterson, so der Name des Sohnes. Wie Mrs. Largen mir berichtete, war das Verhältnis zwischen Vater und Sohn nicht gerade das Beste, sie hatte den jungen Mann selbst kurz kennen gelernt und bezeichnet ihn als Taugenichts, der vom Geld seines Vaters lebte. Die gleiche Meinung hatte wohl auch irgendwann Masterson Senior. Als der dann seinem Sohn das Geld strich, gab es einen riesigen Krach, danach verschwand John Masterson. Und auch die Schwester von Thomas Masterson Lydia - verstand sich nicht all zu gut mit ihrem Bruder. Scheinbar warf sie ihm vor, das er sie nicht an seinem Reichtum beteiligt hat. Thomas Masterson hielt nur wenig Kontakt zu seiner Familie.« »Wer kann es ihm verdenken«, meinte Peter mitfühlend. »Die Verwandtschaft ist erst nach Mastersons Tod wieder in Erscheinung getreten. Und sie streiten sich nun schon seit Jahren um den letzten Besitz des Verstorbenen, verstehen sich also wohl auch untereinander nicht besonders. Scheint ein ziemlich gieriges Volk zu sein«, beendete Bob seine Ausführungen. »Welche Meinung hat den Mrs. Largen über Thomas Masterson gehabt. Hast du das auch gefragt, Bob?« wollte Justus Jonas noch wissen. »Natürlich, Just. Also: sie meinte, das Thomas Masterson ein netter, vielleicht etwas schusseliger alter Herr gewesen war. Wenn er nicht gerade seine Lesebrille suchte - er war stark weitsichtig - oder man ihn nicht auf seinen Familie ansprach, soll er wohl sehr umgänglich und hilfsbereit gewesen sein.« »Klar, bei so einer Verwandtschaft wäre ich auch -26-
durchgedreht«, sagte Peter. »Also können wir davon ausgehen, das die rätselhafte Botschaft durchaus der Schlüssel zum angegebenen Reichtum sein könnte«, murmelte Justus nachdenklich. »Oder hast du Hinweise über den Verbleib des verschwundenen Vermögens finden können, Bob?« »Aber klar doch«, brachte Bob lachend heraus, doch als seine Freunde ihn überrascht ansahen, meinte er schnell: »Natürlich nicht! Hey, die Anwälte der Hinterbliebenen versuchen das Rätsel um das verschwundene Vermögen schon seit Jahren zu klären. Meinst du, ich setzte mich mal eben für ein paar Stunden in die Bücherei und schon ist das Rätsel gelöst? Justus, ich bin vielleicht in Recherchen ganz gut... aber so gut nun auch wieder nicht.« Justus nickte abwesend. Er besah sich den gefundenen Briefbogen noch einmal eingehend. »Wie sieht es denn mit dieser Zeitung, der ›Weekly Times‹, aus? Ist die noch irgendwo verfügbar?« fragte der Erste Detektiv plötzlich aufgeregt. »Klar, Just, in der Bibliothek liegen im Keller noch alle Ausgaben herum. Die werden wohl aus stadthistorischen Gründen aufgehoben, glaube ich. Wieso, Erster?« »Willst du jetzt etwa Zeitung el sen?« gab Peter Shaw von sich, irritiert über das plötzliche Interesse des Freundes. »Nun Kollegen, Lesen bildet bekanntlich. Und die Kunstszene hat mich schon immer interessiert. Wichtiger ist aber vielleicht noch: ich denke, das ich die ersten beiden Rätsel aus dem Brief schon gelöst habe«, sagte Justus stolz. »Doch bevor ich mir sicher bin, möchte ich dort noch etwas nachschlagen.« »Na, dann auf in die Bibliothek!« Ich hoffe, euch ist bei der Fülle an Informationen nicht entgangen, das die Herkunft des Bildes nicht geklärt wurde. Ein -27-
fähiger Detektiv würde nun wahrscheinlich versuchen, den Täterkreis des Bildersuchers auf dem Gelände der Familie Jonas einzuschränken... viele Namen wurden genannt - war der richtige darunter? Mir scheint, das dieser Thomas Masterson schon ein seltsamer Geselle gewesen sein muß: sein Vermögen zu verstecken, damit es seinen verhaßten Verwanden nicht in die Hände fällt. Wäre es da nicht leichter gewesen, sie einfach zu enterben und sein Vermögen z.B. einer gemeinnützigen Organisation zu spenden? Aber die Welt ist von vielen wunderlicher Menschen bevölkert - warum sollte Rocky Beach da eine Ausnahme machen? Zu Bedenken erscheint mir dennoch, das der Tod Mastersons bereits einige Jahre zurückliegt... und nun taucht plötzlich sein »letzter Wille« in dem Katzenbild auf... Zufall? Ach ja: das englische Wort für ›Zeit‹ ist übrigens ›Time‹ - dies für diejenigen, die in der englischen Sprache nicht so bewandert sind.
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Alte Zeitungen und merkwürdige Bekanntschaften »Na toll, und was sollen wir jetzt hier?« Peter schaute etwas unentschlossen auf die vielen Zeitungsbögen, die Bob gerade auf dem Tisch ausbreitete. Die drei Detektive befanden sich im Kellergeschoß der Bibliothek. Nur durch den bestimmten Zuspruch von Bob Andrews und der Tatsache, das er als Aushilfe der Bibliothek auch Zugang zu den Kellern des Gebäudes hatte, war es den Freunden überhaupt gelungen, die Erlaubnis zur Einsicht in das Archiv zu bekommen. Die gesamten Ausgaben der Weekly Times lag nun vor ihnen. »So Just, nun leg mal los«, meinte auch Bob, während er sich den Staub, der den alten Zeitungen anhaftete, von der Kleidung klopfte. »Was hat die Zeitung mit dem Rätsel zu tun?« »Den Rätseln Bob, es sind mehrere Rätsel auf dem Papier«, verbesserte Justus altklug, »und das ist auch die Lösung des ersten Rätsels. Erinnert euch, Kollegen. Das erste Rätsel lautete: ›Erst eins, dann drei und dann den Rest‹.« Bob schlug sich an die Stirn. »Justus, du hast Recht! Damit ist die Reihenfolge der Rätsel gemeint, genauer: die Reihenfolge, in der die Rätsel gelöst werden sollen. Wenn man es erst einmal weiß, ist das eigentlich glasklar.« Justus und Bob zwinkerten sich zu. »Nun macht mal nicht so einen Aufstand. Das hab ich ja jetzt auch kapiert. Was aber hat das mit der Zeitung zu tun?« schmollte Peter, der sich etwas ausgeschlossen fühlte. Er fürchtete, das nun die heiße Phase der Rätselauflösungen begann - ein Zeitpunkt, bei dem er sich schon in den früheren Fällen der drei Fragezeichen immer sehr unwohl fühlte. Gegen Justus Jonas mußte sich jeder normale Mensch immer klein und dumm -29-
vorkommen was die Denkarbeit anbetraf. Da war der Erste Detektiv einfach unschlagbar. »›Lies die Zeiten, da muß ich lachen‹, so lautet das dritte Rätsel - also das zweite in unserer Reihenfolge. Lies die Zeiten bisher dachte ich, das damit eine Uhr, oder genauer: eine oder vielmehr mehrere spezielle Uhrzeiten gemeint wäre. Doch mit dem Lachen ergab das keinen Sinn. Lachen kann man ja zu jedem Zeitpunkt«, erklärte Justus. »Lies die Zeiten... Kollegen: damit ist die Times gemeint, da gehe ich jede Wette ein.« Peter und Bob nickten. »Gibt es eine humorige Seite oder Serie in dieser Zeitung? Irgend etwas, das einem zum Lachen bringen könnte?« »Woher soll ich das wissen, Just? Ich kenne die Zeitung genau so wenig wie du«, antwortete Bob, doch Justus hatte sich schon auf den Stapel Papier vor ihm gestürzt. Er blätterte eine Ausgabe durch, nahm sich dann die nächste vor, blies erst den Staub von dem Papier, las dann kurz und griff wieder zur nächsten Zeitung. Und mit jeder neuen Zeitung, die er nahm, schaute er nachdenklicher drein. Peter wedelte den aufgewirbelten Staub bedingt durch Justus wilder Suchaktion mit beiden Händen von sich - viel nützte es aber nicht. Die drei Jungen befanden sich nun mal in dem Teil der Bibliothek, der nicht für Besucher zugänglich war - und da wurde halt nicht so sehr auf Sauberkeit geachtet. Gerade weil die Keller der Stadtbibliothek trocken und geräumig waren schließlich wurden hier zum Teil geschichtlich wertvolle Papiere gelagert - fand der Staub von Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten immer wieder Platz zum Ausbreiten. Und in dem eh schon spärlichen Licht - die einzigen Beleuchtung dieses Raumes war nur eine einzelne Lampe an der Decke, die eher vergeblich versuchte, Licht ins Dunkel zu bringen - sahen die Staubwolken direkt unheimlich aus. Fast wie aufkommender Nebel. -30-
Langsam begann sich der Zweite Detektiv Sorgen zu machen, aber nicht so sehr wegen der nur schattenhaft beleuchteten Umgebung, sondern um seine Sportlerlunge. Doch diese Gefahr ließ sich doch abwenden, und Peter Shaw wußte auch schon, wie. »Just, ich glaube, wir befinden uns da auf dem Holzweg. Masterson kann doch nicht davon ausgehen, das der Finder des Rätselbriefes die gesamten Ausgaben der Weekly Times auftreiben kann. Oder will, das wäre normaler Weise auch ziemlich umständlich «, meinte der Zweite Detektiv. Soweit so gut, aber dann konnte er sich doch ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als er meinte: »Außerdem sagst DU doch immer, wir sollen uns auf Fakten verlassen, Chef - ein wildes Drauflosraten oder - suchen bringt doch nichts. Oder irre ich mich da?« Justus blicke auf, dann runzelte er die Stirn. Peter grinste stillvergnügt in sich hinein. Das hatte gesessen! Doch Justus schluckte Peters Vorwurf kommentarlos herunter. Eigentlich hatte der Zweite Detektiv ja Recht. Obwohl: ihm, Justus Jonas seine eigenen Weisheiten so frech unter die Nase zu reiben war schon ein dickes Ding. Was soll’s, dachte sich der vollschlanke Junge, griff in seine Hosentasche und holte den Rätselbrief mit der blutroten Schrift heraus, den er vorsorglich eingesteckt hatte. Der Erste Detektiv las angestrengt nach, während er auf seiner Unterlippe kaute, ein Zeichen, das sein Gehirn auf Hochtouren lief. »Das nächste Rätsel müßte dann Aufschluß darüber geben, welche Ausgabe denn genau gemeint ist«, murmelte er nachdenklich. »Stimmt, das würde die Suche erleichtern. Wie war das noch mal: lies doch bitte noch einmal vor, Erster«, verlangte Bob. »›Zwei nach Zwei und dann die Drei, doch auch die Null ist mit dabei‹«, zitierte Just aus dem Brief. -31-
»Zwei nach Zwei... hm... ist damit vielleicht die zweite Ausgabe nach der zweiten, also die Vierte Ausgabe gemeint? Und mit der drei, das wäre dann die siebte Ausgabe der Zeitung. Aber die Null...?«, grübelte Peter. »... könnte die zweite Ziffer sein, also die 70!« vollendete Bob triumphierend und stürzte sich auf die Ausgaben auf dem großen Holztisch, um die Richtige herauszusuchen. Das Blatt war schnell - aber auch mit der Nebeneffekt, das es jetzt in dem Raum noch mehr staubte - gefunden. Bob Andrews schüttelte das Papier, dann blätterte er interessiert in der Zeitung herum. Doch schon nach kurzem Suchen schaute der Junge wieder enttäuscht auf. »Was ist, Bob. Hast du was gefunden?« fragte Peter voller Eifer. »Wußtet ihr, das der damalige Bürgermeister von Rocky Beach einmal ohne Hosen in einem Nachtlokal erwischt wurde? Das ist nämlich da einzige, was an halbwegs Lachhaftem in diesem Käseblatt steht«, brummte Bob Andrews, während er die Zeitung an Justus weitergab. »Wie... was?« stotterte Peter. Justus überflog kurz die gereichte Ausgabe, legte sie dann aber auf den Tisch zurück. »Muß wohl damals ein ziemlicher Skandal gewesen sein«, meinte er grinsend. »Aber mit unserem Fall hat das wohl nichts zu tun. Peter, deine Kombination war beeindruckend, aber falsch! Das nächste Rätsel bezieht sich nämlich auch auf die Zeitung: ›Doch - alt oder nicht - mit 60 ist alles vorbei‹. Ich denke, die Zwei und die Zwei bedeutet zweiundzwanzig. Die Drei und die Null bedeuten dreißig, was aber keinen Sinn ergibt, also umgedreht nulldrei. Wie alt war Thomas Masterson eigentlich, und wenn er das 60 Lebensjahr erreicht hat, in welchem Jahr war oder wäre das gewesen?« erkundigte sich Justus neugierig. -32-
»Just, was erzählst du denn da?« fragte Peter verwirrt, doch Bob schien es scheinbar verstanden zu haben. Er wühlte noch einmal auf dem Tisch suchend herum. »Peter, die beiden Rätsel beziehen sich wie du selbst bereits vermutet hast, auf eine spezielle Ausgabe der Times. Nur muß man die Zahlen nicht zusammenziehen, sondern hintereinander lesen - zumindest fast. Zwei und zwei bedeutet zweiundzwanzig, der zweiundzwanzigste Tag des Monats. Drei und Null bedeutet März, weil es keinen 30 Monat im Jahr gibt, also umgedreht nulldrei - im Schreiben heißt es: ›Und auch die null ist mit dabei‹ was also nicht unbedingt heißen muß, das sie hinter der drei kommt«, sagte Just geduldig. »Und das mit der 60 und dem Geburtstag ist die Jahreszahl. Schon kapiert, Erster«, meinte nun auch Peter Shaw. Die Beiden blickten abwartend auf ihren suchenden Freund. Doch... Bob Andrews fand die richtige Zeitung nicht. Selbst, als er sich jedes Exemplar gesondert vornahm: die gesuchte Ausgabe war nicht darunter! Justus schaute seinem Freund beim Durchwühlen der Zeitungsstapel gespannt zu, als diese aber ergebnislos verlief, ließ der Erste Detektiv seine Blicke durch den schlecht beleuchteten Raum schweifen. »Sind das auch wirklich alle Zeitungen der Weekly Times?« fragte er zweifelnd. Bob nickte traurig. »Zumindest alle Zeitungen, die in dem Fach lagen. Warte mal: ich sehe noch mal nach.« Bob Andrews verschwand aus dem Lichtkreis der kleinen Deckenlampe und ging zu den Regalen. Das dafür vorgesehene Fach war leer - die Zeitungen lagen ja jetzt alle auf dem Tisch. Unentschlossen blickte Bob über die Nachbarregale. Er wühlte einige Sekunden ziellos in den verschiedenen Fächern herum, lachte dann aber plötzlich fröhlich auf und winkte mit einem weiteren Zeitungsblatt. »Just, du hattest Recht. Hier ist noch eine! Ist wohl falsch -33-
eingeordnet worden.« »Und?« meinte Peter Shaw gespannt. »Es ist die Zeitung!« rief der Junge lachend und trat zurück zu den wartenden Freunden. »Genau die, die wir suchen.«. Dann reichte er das Blatt an Justus weiter, der sie eifrig ergriff. Der dicke Junge wollte manierlich den Staub vom Papier pusten aber das war nicht nötig. Seltsamer Weise war das Blatt staubfrei. Na, egal: Justus Jonas blätterte die Ausgabe schnell durch und warf immer wieder einen prüfenden Blick auf die aufgeschlagenen Seiten. Dann stockte er zufrieden. »Kollegen, wir sind einen Schritt weiter«, erhob der Erste Detektiv stolz seine Stimme und bewies damit, das er etwas entdeckt hatte. »Hier«, hielt er die Zeitung seinen Freunden vor die Nase, »der Comic-Strip. Der ist in den anderen Ausgaben nicht drin gewesen - also hier neu. Ist zwar nicht besonders lustig, aber immerhin - das müßte es sein.« Der Cartoon zeigte - einfach gezeichnet und in nur wenigen Bildern - eine Figur, die verzweifelt versuchte, einen übergroßen Koffer in ein Schließfach zu bekommen. »Stimmt, Just. Besonders lustig ist das wirklich nicht«, stimmte Peter zu, mußte dann aber lauthals niesen. Dieser verdammte Staub! Der hatte sich zwischenzeitlich doch wirklich im ganzen Raum ausgebreitet. Und sich damit auch in Peter Shaws Nase verirrt. »Aber genau das, was wir suchen, Kollegen«, freute sich wiederum Bob. »Seht hier: diese Figur... also: ich habe ein Bild von Masterson bei meinen Nachforschungen gesehen. Die Figur in dem Comic sieht genau so aus, wie Thomas Masterson - die Ähnlichkeit ist verblüffend! Und hier, auf diesem Bild lacht die Figur. Wenn es das nicht ist, fresse ich einen Besen samt Stiel!« Justus schaute einen Augenblick verwundert auf - sowohl über den unerwarteten Gefühlsausbruch seines Freundes als auch über dessen seltsame Essgewohnheiten irritiert - dann -34-
senkte er aber den Blick wieder auf die gefundene Zeitung. »Hmm, die Figur lacht also über das Schließfach. Das müßte dann wohl der nächste Hinweis sein. Und, Kollegen: dieses Schließfach steht am Busbahnhof Hilton Square in Rocky Beach!« »Ja, Just«, stimmte ihm Peter zu. »Könnte hinkommen. Die Werbetafel von Krusty- Burger da im Hintergrund. Den Laden gibt es ja nun wirklich schon ewig. Und hier: die Schließfächer selbst... da, der Riß an der Wand. Den kenne ich. So sieht unser Busbahnhof aus - nein, das ist garantiert unser Busbahnhof!« »Worauf warten wir dann noch, Freunde?« lachte Bob. »Wie es weitergeht, können wir auch dort klären.« »Und die Zeitung nehmen wir sicherheitshalber mit«, sagte Justus bestimmt. Bob Andrews wollte instinktiv widersprechen - denn erlaubt war es eigentlich nicht, Bibliothekseigentum ohne Genehmigung mitzunehmen - aber als er den entschlossenen Blick seines Freundes sah, blieb er lieber still. Justus Jonas hatte einen ziemliche Dickkopf: was er einmal beschlossen hatte, lies er sich nicht mehr ausreden. Außerdem konnte Bob die Zeitung ja später wieder zurückbringen. »Dann mal los, Kollegen!« Justus, Peter und Bob räumten die anderen Zeitungen in das dafür bestimmte Fach, gingen dann wieder ins Obergeschoß und traten aus der Bibliothek auf die Straße hinaus. Sie gingen an dem Gebäude entlang auf eine kleine Seitengasse zu, in der sie ihre Fahrräder abgestellt hatten. Da die wenigen Parkplätze an der Straßenseite mit Autos besetzt war, und die drei Jungs mit Ihren Rädern den Bürgersteig nicht versperren wollten, war die dunkle Hinterhofeinfahrt bei ihrer Ankunft der einzige Abstellplatz gewesenen. Und weil es in dieser Gasse recht finster war, bemerkten die drei Detektive die dunkle Gestalt, die neben ihren Fahrrädern -35-
stand, auch erst, als es schon zu spät war... »Da seid ihr ja endlich!« Die Stimme, rauh und leise - mehr ein Flüstern - lies die Jungen zusammenzucken! Peter, der vorangegangen war, blieb wie versteinert stehen, so das die beiden nachfolgenden Freunde ihn fast umgerannt hätten. Die Drei schauten etwas verängstigt in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war. Viel zu sehen war nicht, die Gestalt hielt sich so geschickt im Schatten des Gebäudes, das nur ihre Umrisse zu erkennen war. »Gebt mir sofort den Brief her, sonst muß ich... na, ja: ihr versteht schon...« Die rauhe Stimme klang befehlend und drohend. Dennoch verblieb die Gestalt im Schutze der Dunkelheit. Zufall oder Absicht? »Wer - wer sind Sie?« fragte Peter stotternd, blieb aber im ausreichendem Abstand zu dem Unbekannten. Auch Justus und Bob war die ganze Sache nicht geheuer - sie blinzelten angestrengt in die Dunkelheit, um etwas von ihrem seltsamen Gesprächspartner zu erkennen. »Halt´s Maul, Großer. Ihr habt das Bild, dann habt ihr auch den Brief. Also: raus damit! Oder habt ihr ihn etwa noch gar nicht gefunden?« Die Frage lies die drei Detektive erneut zusammenzucken. Wer immer der Mann war, er wußte von den Rätseln! Trotzdem versuchte Justus, den Unwissenden zu spielen, als er meinte: »Ich weis nicht, wovon Sie sprechen. Wir waren gerade im Begriff, dem Heimweg anzutreten, nachdem wir in der Bibliothek Informationsmaterial für unsere Hausaufgaben gesammelt haben. Und nun -« Der dunkle Mann lachte heiser. »Quatsch hier nicht blöd ´rum, Dicker. Aber... hm... Information ist gut: du da -«, die -36-
Gestalt zeigte auf den Ersten Detektiv, »- bist Justus Jonas. Du da -«, er zeigte auf Peter, »- bist Peter Shaw und der Kleine da in der Ecke ist Bob Andrews. Ich weis, wer ihr seid und ich weis, wo ihr wohnt. Also: macht mir ja keinen Ärger!« Nun waren die drei Fragezeichen endgültig irritiert. Woher wußte der Mann ihre Namen, woher von dem Rätsel und woher, das sich der Zettel im Besitz der Jungen befand? Diese Fragen stellte sich auch Justus - auch, wenn er sich äußerlich nichts anmerken lies. Ganz im Gegensatz zu Peter und Bob, denen anzusehen war, das sie sich am liebsten aus dem Staub gemacht hätten. »Wenn ich nun um den Brief bitten dürfte!« Obwohl als Bitte ge meint, merkte man der dunkeln Gestalt an, das sie den letzten Satz eher als Befehl ansah. Und genau so hatten es die drei Jungen auch verstanden. »Warum sollten wir das tun?« fragte Justus trotzig. Das heißt: es sollte trotzig klingen, aber der unheimliche Auftritt des Mannes hatte auch an dem Ersten Detektiv seine Spuren hinterlassen - Justus fühlte sich mehr als unwohl. Wieder lachte die Gestalt leise und flüsterte: »Nun, zugegeben: eine gute Frage. Warum solltet ihr Rotzbengel mir den Brief geben? Hmm, nennen wir es einfach einen Akt der Höflichkeit. Hey, Langer: nicht vergessen - ich weis, wo ihr wohnt!« Beim letzten Satz schien die Gestalt Peter Shaw ins Auge gefaßt zu haben, der kurz davor war, sein Heil in der Flucht zu suchen. Dem Zweiten Detektiv war das ganze Gespräch überhaupt ziemlich unheimlich, und wenn Gefahr im Verzug war - besonders, wenn diese Gefahr nicht genau zu definieren war - zog es der Junge vor, den Stadtort zu wechseln. »Rette sich wer kann«, murmelte der Junge leise, aber eindringlich vor sich hin und spannte alle Muskeln - doch was immer er sich davon erhofft hatte, es traf nicht ein. -37-
Die Schattengestalt lenkte die Aufmerksamkeit der Jungen wieder auf sich. »Ich bin es gewohnt, zu bekommen, wonach ich verlange, auf die eine... oder auf die andere Art.« Diese Bemerkung war nun wirklich ganz klar eine Drohung! Spätestens jetzt brach auch Justus der Angstschweiß aus. Fieberhaft überlegte er, was er nun tun sollte. Eine Flucht kam nicht in Frage - scheinbar schien die Gestalt sehr viel über die drei Fragezeichen zu wissen - also auch, wo die drei Jungen wohnten. Und nach Justus Einschätzung war der Mann durchaus gewaltbereit - zumindest, um seine Forderung durchzusetzen. Also würden die Detektive nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familien in Gefahr bringen. Das konnte und wollte der Erste Detektiv nicht zulassen. Resigniert griff Justus Jonas in seine Hosentasche, und holte den Zettel heraus. Eine Hand tauchte aus dem Schatten heraus, und nahm den Zettel fordernd entgegen. »Her damit, Dicker«, flüsterte die Schattengestalt gierig, dann schien sie sich den Text des Zettels durchzulesen, denn sie blieb einige Zeit reglos stehen. Bereist nach Sekunden, die den drei Jungs aber wie Stunden vorkamen, meinte Peter stotternd: »Ja... äh... dann... dann können wir ja jetzt gehen, oder?« Die Frage klang wie eine Bitte, Peter war hochgradig nervös! »Wohin immer ihr wollt«, flüsterte die Gestalt amüsiert und trat einen Schritt weiter in den Schatten des Gebäudes, weg von den Fahrrädern der Jungen. Justus, Peter und Bob sprangen auf ihre Räder und wollten gerade wie durchtrainierte Leistungssportler in die Pedale treten, als der Mann wieder an Justus heran trat - immer noch darauf bedacht, im Schatten zu bleiben. Justus erschreckte sich fast zu Tode, doch da beugte sich die Gestalt auch schon nach vorne -38-
und... reichte den Rätselzettel an den Ersten Detektiv zurück, den dieser überrascht annahm. »Viel Glück, Fettsack«, flüsterte die rauhe Stimme noch, und verschwand dann schnell in den dunklen Tiefen des Hinterhofes. Und auch die drei Detektive hatten nur noch eins im Sinn: weg... nur weg hier! Mir war bisher gar nicht bewußt, das Rocky Beach immerhin im sonnigen Kalifornien gelegen - so viele dunkle Ecken zum Verstecken bietet. Ist der Schottplatzbildersucher zum zweiten Mal aufgetaucht? Doch wenn ja: wie läßt sich sein jetziges aggressives Verhalten mit der übereilten Flucht vom Tag vorher vereinbaren? Und warum will diese Gestalt unter allen Umständen unerkannt bleiben? Befürchtet der Unbekannte vielleicht, das man aus seinem Aussehen Rückschlüsse auf sein Handeln ziehen könnte? Vorerst scheint nur ein sicher: die drei Fragezeichen bekommen Konkurrenz ins Sachen Rätsellösung!
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Lagebesprechung in der Zentrale Peter radelte wie ein Weltmeister. Und auch Bob stand ihm in Nichts nach. Nur der gewichtige Justus hatte leichte Mühe, seinen beiden Freunden zu folgen. So kam es auch, das der Erste Detektiv als letzter in der Zentrale der drei Detektive ankam und sich schwer atmend auf einen der Stühle niederlies. Wie bereits seine Kollegen kurz vorher wurde auch er freudig von dem Papagei Blackbeard begrüßt. Der arme Vogel war bei Zeiten sehr einsam in der Zentrale und freute sich immer über etwas Gesellschaft. Doch zurück zu Justus, der - sobald er wieder zu Luft gekommen war - meinte: »Kollegen, wir haben ein Problem!« Peter lachte gereizt auf. »Ein Problem, Justus? Ich denke nicht. Bob und ich haben schon entschieden, das wir die Rätsel Rätsel sein lassen... wir sind raus aus dem Fall!« Auch Bob nickte zustimmend. »Just, die Sache ist eine Runde zu groß für uns.« Justus Jonas konnte seine Freunde verstehen. Auch ihm hatte der Unbekannte einen riesigen Schrecken eingejagt. Doch sein Verstand arbeitet wieder auf vollen Touren. Er war noch lange nicht bereit, den Fall Blutige Botschaft so einfach aufzugeben. »Kollegen«, meinte er besänftigend, »ich gebe ja zu, das daß Zusammentreffen mit dieser mysteriösen Person auch mich etwas aus der Fassung gebracht hat. Dennoch bin ich dafür, das wir weitermachen. Schon allein, weil wir die Hälfte der Rätsel bereits entschlüsselt haben. Die Gestalt vorhin - so unheimlich sie auch gewesen ist - hat uns doch gar nichts getan.« -40-
»Noch nicht, Just«, meldete sich wieder Peter, »und du brauchst gar nicht weiter zu reden, Erster. Ich weis, was jetzt kommt: ›Wir übernehmen jeden Fall‹ und so... vergiß es! Ich mache nicht mehr mit. Auch wenn ihr mich jetzt wieder für einen Angsthasen haltet... gut: bin ich halt ein Angsthase! Damit kann ich leben. Und genau das hab ich vor: LEBEN, verstehst du?« regte sich der Zweite Detektiv weiter auf. Justus und Bob merkten sofort, das es Peter diesmal wirklich Ernst meinte. Trotzdem versuchte es Justus noch einmal, seinen Freund zu beschwichtigen: »Peter, du brauchst -«, doch Peter lies ihn gar nicht erst ausreden. »Spar dir die Worte. Macht, was ihr wollt - ich bin weg!« Peter warf seinen Freunden noch einen zornigen Blick zu, und war verschwunden. Justus und Bob hörten ihn draußen auf sein Fahrrad aufsitzen, dann radelte der Zweite Detektiv hastig davon. »Weg - Weg«, krächzte Blacky empört und flatterte wild umher. »Na, den wären wir wohl fürs Erste los«, stellte auch Justus trocken fest. »Just, ich weis, was du jetzt denkst. Aber Peter hat diesmal wirklich Recht. Es hat keinen Sinn, wenn wir weitermachen. Das würde wahrscheinlich ein erneutes Zusammentreffen mit diesem Finsterling mit sich ziehen. Darauf kann ich echt verzichten.« »Was wollt ihr eigentlich? Der Mann hat bekommen, was er wollte. Er hat uns auch gar nicht verboten, den Fall weiter zu verfolgen, ja er hat mir sogar den Brief zurückgegeben und wünscht uns viel Erfolg«, meinte Justus wütend. »Außerdem hat er uns doch nun wirklich rein gar nichts getan, oder? Ich finde, Peter übertreibt mal wieder maßlos. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns von jedem Bösewicht sofort einschüchtern lassen würden?« -41-
»Ja... gut. Justus, du hast ja Recht«, stimmte ihm Bob schnell zu und hob die Hände zu einer abwehrender Geste, etwas überrascht vom unerwarteten Wutausbruch seines Freundes. »Jetzt, wo der erste Schreck erst einmal überwunden ist, sehe ich die Sache ja ähnlich. Aber trotzdem: wir sollten auf der Hut sein, was diesen Typen betrifft.« Justus Jonas atmete tief aus, nickte dann und knetete seine Unterlippe - er dachte angestrengt nach. »Sehr mysteriö s, das Ganze«, murmelte er dabei. »Laß uns noch einmal zusammenfassen, was wir über den Fall wissen, Erster«, sagte Bob. »Also: wir stellen eine Gestalt, die unaufgefordert nächtens auf dem Schrottplatz eindringt. Die Gestalt flieht und zurück bleibt ein Bild mit einem Rätselbrief. Dieser Rätselbrief verspricht dem Finder ein nicht näher genanntes Vermögen. Und dann taucht wieder ein Schattenmann auf und nimmt uns den Brief ab.« »Und gibt ihn uns sogleich wieder«, überlegte Justus laut weiter. »Gut, wer ist die Gestalt auf dem Schrottplatz gewesen?« Beide überlegten, dann meinte Bob: »Könnte es der Typ gewesen sein, den wir gerade getroffen haben? Die Person gestern wollte ja auch unerkannt bleiben.« »Ich denke nicht. Auf mich machte der Mann von vorhin nicht den Eindruck, als ob er sich von zwei Jugendlichen in die Flucht schlagen lassen würde wie die Person vom Tag vorher. Also gibt es noch einen zweiten Unbekannten in diesem Fall.« Bob nickte zustimmen. »Unbekannter Nr.1 kam auf den Schrottplatz«, rätselte Justus weiter, »und dann war das Bild der buckligen Katze plötzlich da. Ich glaube nicht, das er es mitgebracht hat. Scheinbar schien er es zu suchen, das würde auch erklären, das er immer wieder hier auftauchte - er wußte einfach nicht, wo genau es sich auf -42-
dem Platz befindet. Als er es fand, kamen wir ihm dazwischen.« »Stimmt, Just. So könnte es gewesen sein«, gab ihm Bob recht, »könnte es dann nicht vielleicht sein, das irgend jemand das Bild über den Zaun geworfen hat. Nah genug lag es ja?« »Interessant, Bob. Das würde einen Sinn geben. Vermutung: der Unbekannte Nr.1 - nennen wir ihn vorerst der Einfachheit halber den Bildersucher - hat das Bild aus irgend einem Grund über den Zaun geworfen - vielleicht war er auf der Flucht, und durfte damit nicht erwischt werden. Und da er gerade zufällig am Gebrauchtwaren- Center Jonas vorbei kam - vielleicht war er auch in Eile - warf er es über den Zaun, um es später wieder abzuholen. Deshalb das mehrmalige Erscheinen: er wußte ungefähr, wo das Bild sein müßte, aber nicht genau. Zeit zum genauen Suchen hatte er nicht - immer wieder kam ihm jemand dazwischen. Wie zuletzt auch wir: als er uns dann kommen sah, rannte er weg. Vielleicht dachte er, daß er immer noch verfolgt werden würde.« »Und Unbekannter Nr.2 weis auch von dem Bild und seinem Inhalt. Vielleicht ist er der Grund, warum der Bildersucher das Bild hier verstecken mußte?« vermutete Bob Andrews weiter. »Korrekt. Nr.2 bekam irgendwie heraus, das daß Bild in unserem Besitz ist. Vielleicht hat er uns auch beobachtet. Das würde erklären, warum er uns in der Gasse aufgelauert hat. Also ist anzunehmen, das der Bildersucher und Unbekannter Nr.2 nicht zusammenarbeiten - verschiedene Personen sind sie gewiß. Was wissen wir noch über diese erste Person?« »Ich bin Blackbeard der Pirat«, meinte Blacky stolz und versuchte damit, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch wieder einmal wurde er ignoriert. »Besonders mutig scheint der Bildersucher nicht zu sein. Oder er befürchtet Schwierigkeiten. Vielleicht hat er das Bild unrechtmäßig in seinen Besitz -43-
gebracht? Obwohl: wahrscheinlich geht es gar nicht mehr um das Bild. Der Schattenmann interessierte sich ja auch nur für den Brief. Auch, wenn er ihn uns gleich wieder zurückgab... wichtig war ihm nur der Inhalt. Mehr fällt mir nicht ein.« »Könnte sein, Bob«, pflichtete ihm der Erste Detektiv wieder bei, »und mehr ist wohl auch wirklich nicht bekannt. Die zweite Person - der Schattenmann - weis von dem Rätsel, weis, das wir den Brief haben und scheint doch etwas skrupelloser zu sein. Er hat uns zwar nicht direkt bedroht, aber schon allein sein Auftreten läßt vermuten, das er durchaus gewillt ist, Gewalt anzuwenden. Da er von uns weis - also vom Aufenthaltsort des Briefes - muß er auch den ersten Unbekannten kennen.« »Weiter scheint er recht gut über uns informiert zu sein. Er weis immerhin, das wir Detektive sind!« sagte Bob eindringlich »Dann wollte auch er unerkannt bleiben, obwohl ich denke, das er uns mit seinem finsteren Auftreten nur einschüchtern wollte was ihm ja auch bestens gelungen ist.« »Stimmt, Just. Aber das er uns den Brief zurückgab, finde ich schon sehr merkwürdig. So, als ob er wollte, das wir weitermachen.« Justus Jonas nickte zustimmend: »Bemerkenswert auch die Stimme. Klang nicht so, als ob er sie verstellen würde. Scheinbar hat er Probleme im Halsbereich.« »Also müssen wir Ausschau halten nach einem Flüsterer, der so gut wie alles über uns weis, wir aber rein gar nichts von ihm. Nicht gerade beruhigend«, meinte Bob niedergeschlagen. »Ich denke, wir sollten uns einfach wieder auf die Rätsel konzentrieren. Halten wir einfach die Augen offen, damit uns so ein Zwischenfall wie vorhin nicht noch einmal passiert«, sagte Justus abschließend und stand auf. »Also, laß uns aufbrechen. Die Schließfächer warten.« »Und was ist mit Peter?« fragte Bob Andrews »Der wird sich schon wieder einkriegen. Ich gehe jede Wette ein, das sich der -44-
Zweite Detektiv spätestens Übermorgen wieder blicken läßt. Du kennst doch Peter: er ist zwar übervorsichtig, aber mindestens genau so neugierig wie wir.« »Stimmt«, pflichtete Bob seinem Freund bei, »also los: auf zum Busbahnhof.« Blackbeard krächzte enttäuscht, als sich die beiden Freunde zu ihrem neuen Ziel aufmachten. Der Busbahnhof von Rocky Beach lag in der Innenstadt. Er diente den verschiedenen Buslinien als Anlaufpunkt, um von dort aus in alle umliegenden Stadtteile und die angrenzenden Städte zu fahren. Eigentlich war es nur eine etwas größere Bushaltestelle mit angegliederten Busdepoes im hinteren Bereich, während in dessen dazugehörigem Gebäude Cafés, Kioske, Aufenthalts- und Warteräume untergebracht waren. Unter anderem auch ein Raum mit Schließfächern, in denen die Reisenden ihre Wertsachen verstauen konnten. Und genau diesen Bereich suchten die zwei Detektive zielstrebig auf. Justus, der die Zeitungsausgabe der ›Weekly Times‹ unter seinem Hemd versteckt hatte, holte sie umständlich heraus, und blätterte bis zu der Seite mit dem Comic- Strip. Dann lief er durch die Gänge des Raumes, bis er den im Cartoon angegebenen Ort fand. »Das hier müßte es sein«, murmelte er, während er noch prüfend auf die Zeichnungen schaute. Bob schaute auch kurz auf das Zeitungsblatt, um sich selbst davon zu überzeugen, ob die Angaben richtig waren. Dann nickte er, und meinte: »Könnte hinkommen, Just. Nur... welches Schließfach ist denn nun genau gemeint? Die sehen ja alle gleich aus, und allein auf dieser Seite sind mindestens 10 von der gleichen Art!« Justus grinste siegessicher: »Hier, schau mal genau hin. Die einzige Zahl, die man in dem Zeitungscomic genau lesen kann, -45-
ist die 56. Damit ist dann dieses hier gemeint.« Dabei zeigte er auf eines der Schließfächer vor ihm. »OK... nur... äh... Just? Ich glaub, wir haben da was übersehen.« Justus, der immer noch in Gedanken auf die Zeitung sah, schaute irritiert auf. »Wie... was...?« stotterte er. »Na Erster, wie willst du denn jetzt da ´rann kommen?« fragte Bob niedergeschlagen. Justus rüttelte an dem Schließfach. »Zu«, brummte er überflüssiger Weise. »Verflixt, daran hab ich ja gar nicht gedacht.« »Klar ist es zu, was dachtest du denn? Was meinst du: sollen wir das Schloß knakken?« »Bist du wahnsinnig, Bob?« flüsterte Justus nun merklich leiser und schaute sich unsicher um. »Jeden Moment kann doch jemand um die Ecke kommen. Dann sind wir ganz schön aufgeschmissen. Es währe nicht gerade besonders hilfreich für unseren Ruf als seriöse Detektivagentur, wenn wir beim Einbruch entdeckt werden würden, oder? Irgendwas müssen wir übersehen haben. Es muß doch noch einen anderen Weg geben, an den Inhalt des Schließfaches zu kommen.« »Sollen wir vielleicht Abends wiederkommen? Dann ist doch hier nicht so viel los.« Justus grübelte wieder. Bob kannte das schon: wenn Just in Gedanken war, hatte es keinen Sinn mit ihm zu reden - er hörte gar nicht zu. Also wartete der Junge ab. Justus Jonas griff plötzlich in seine Hosentasche, und holte den Rätselbrief heraus. »Jede, der die Rätsel bis zu diesem Punkt gelöst hätte, stände doch nun genau vor dem gleichen Problem wie wir jetzt. Das... ja das hat Masterson bestimmt vorausgesehen. -46-
Also muß das nächste Rätsel Aufschluß über das weiter Vorgehen geben.« Wie zur eigenen Bestätigung nickte er, dann las er wieder in dem Brief und zitierte. »›Es ist schon spät und ich bin müde‹.« Dann schwieg der Erste Detektiv wieder. Auch Bob Andrews dachte angestrengt nach, kam aber zu keiner Lösung. Nach ein paar Minuten gab er auf und sagte: »Just, ich komm einfach nicht drauf.« Und auch Justus kam zu keinem Ergebnis. Entmutigt verließen die beiden Jungen das Bahnhofsgebäude und gingen wieder zu ihren Fahr rädern. Beim Aufsitzen meinte Justus: »Bob, ich würde vorschlagen, das wir fürs Erste Schluß für Heute machen. Ich muß sowieso noch Onkel Titus auf dem Schrottplatz helfen. Und danach wäre es wohl schon zu spät, der Bahnhof schließt ja um 23 Uhr. Außerdem brauche ich noch ein wenig Zeit zum nachdenken, wir sollten jetzt nicht zu übereifrig werden.« »Gut. Schluß für Heute. Morgen kann ich aber erst wieder ab Mittag dabei sein: ich muß doch in die Bibliothek.«, erinnerte Bob Andrews seinen vollschlanken, und im Moment ziemlich niedergeschlagen aussehenden Freund. Justus reichte ihm traurig die Ausgabe der Weekly Times, die sie sich ›ausgeliehen‹ hatten. »Die brauchen wir wohl nicht mehr. Leg sie lieber wieder zurück, bevor wir noch Ärger bekommen.« Bob nickte, und die beiden Freunde traten den Heimweg an. Ich finde, Justus hat da einen sehr entscheidenden Satz gesagt: ›Wir sollten jetzt nicht zu übereifrig werden‹. Könnte es nicht sein, das genau dieser Eifer den Blick für bestimmte -47-
Bereiche des Falles trüben könnte? Mir scheint, die drei Jungen versteifen sich zu sehr auf die Lösung der Rätsel und vernachlässigen dabei Naheliegendes. Aber wenn man müde ist oder es auch eher spät wird, dann ist es wohl besser, wenn man nach Hause geht um neue Kraft zu schöpfen - meint ihr nicht? Wie gut kennt ihr euch eigentlich mit den Gebräuchen von Schließfächern aus? Speziell die Nutzungsmöglichkeiten im Bezug auf die Zeit erscheint mir doch eher als begrenzt. Wie seht ihr das?
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Wieder vereint Am nächsten Mittag ging Justus mit schnellen Schritten auf die Zentrale der drei Detektive zu. Er hoffte, das Bob schon vorbeigekommen war, damit sie weiter an ihrem Fall arbeiten konnten. Den ganzen gestrigen Abend und den halben Tag danach hatte sich der Erste Detektiv den Kopf zerbrochen, was es mit dem derzeitigen Rätsel auf sich hatte - zu einer Lösung war er aber nicht gekommen. Vielleicht aber hatte Bob mehr Glück gehabt? Die beiden Freunde hatten sich ja seid dem Mißerfolg am Busbahnhof nicht mehr gesehen: Justus war ganz und gar mit dem Abladen und Katalogisieren von Onkel Titus neuesten Gebrauchtwaren-Errungenschaften ausgelastet, und auch Bob war mit seiner Aushilfsarbeit bei der Bücherei beschäftigt. Justus Jonas warf einen kurzen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, das ihn niemand beobachtete, dann ging er durch den geheimen Gang, der versteckt in der Schrottwand um die Zentrale lag. Verwirrt schaute er auf die Person, die sich vor ihm auf einem Stuhl lümmelte. »Na endlich«, stöhnte Peter Shaw genervt auf, »ich dachte schon, ihr laßt euch hier überhaupt nicht mehr blicken.« Dann grinste der Zweite Detektiv seinen Freund an. »Peter, was machst du denn hier?« fragte Justus sowohl überrascht als auch erfreut. »Was soll das denn heißen? Soweit ich weis, bestehen die drei Fragezeichen immer noch aus dir, Bob und mir. Also, was wundert dich so, das ich hier bin?« meinte Peter trotzig, schaute dann aber etwas verlegen zu Boden. Doch er fand sofort wieder zur alten Selbstsicherheit zurück: »Und, wie weit seid ihr noch gekommen?« fragte er schnell. -49-
Justus merkte, das Peter sein gestriges Verhalten - so verständlich es auch gewesen war - doch etwas peinlich war, und beschloß, nicht weiter darauf einzugehen. Peter war zwar zeitweise etwas übersensibel, trotzdem ein sehr verläßlicher Freund. Justus hatte ihn halt nur nicht so schnell zurück erwartet... DAS er zurückkommen würde, daran hatte es für den Ersten Detektiv nie einen Zweifel gegeben. Während der Junge seinen Freund aufklärte und dabei gleichzeitig auch Blackbeards Futternapf auffüllte - aber erst, nachdem ihn der schwarze Vogel mit wüsten Beschimpfungen und anderen unschönen Worten daran erinnert hatte - traf auch Bob in der Zentrale ein. Er grinste Peter kurz zu, schloß sich dann aber sofort dem Gespräch an. »... und dann habt ihr einfach aufgehört?« fragte Peter abschließend. »Ja, Just mußte noch arbeiten und ich mußte auch nach Hause, war ja auch schon recht spät«, meinte Bob. Während Peter sich von Justus den Rätselbrief geben lies, fragte Bob neugierig, ob Just schon des Rätsels Lösung gefunden hatte. Justus Jonas verneinte deprimiert und schaute wütend auf seine Freund Peter, als dieser auflachte. Und Blacky lachte einfach mal mit - wie eigentlich alle Papageien war er ein ziemlich fröhliches Kerlchen. »Was gibt es denn da zu lachen, Kollege?« fragte der Erste Detektiv gereizt und meinte damit natürlich den sportlichen Peter und nicht den sprachbegabten Vogel - auch wenn Blacky sehr klug war, so war er doch kein eingeschriebenes Mitglied der Detektei ›Die drei Fragezeichen‹. »Freunde, ich weis gar nicht, was ihr wollt. Ist doch ganz einfach«, lachte Peter triumphierend weiter. Justus und Bob schauten sich irritiert an. -50-
Peter genoß es, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen - er grinste seine Freunde frech an. »Justus Jonas, jetzt enttäuscht du mich aber. Wo ist denn dein messerscharfer Verstand geblieben?« stichelte Peter Shaw amüsiert weiter während er sich ganz interessiert seine Fingernägel ansah. Der Zweite Detektiv tat absichtlich so desinteressiert, als ob er nur rein zufällig anwesend war - auf der Durchreise sozusagen - und ihm das Ganze eigentlich nun wirklich gar nichts angehen würde. »Peter, mach hier nicht den Affen!« zischte Bob Andrews wütend und auch Justus nickte wild. »OK«, meinte der Zweite Detektiv beschwichtigend, konnte sich aber nicht verkneifen, noch einmal siegessicher zu grinsen. »Also, was habt ihr gestern gemacht, als ihr nicht mehr weiter wußte... was mich übrigens gar nicht wundert, weil ich ja nicht dabei war, um -« »Du warst ja nicht dabei, weil du mal wieder die Hosen voll hattest, Zweiter«, konnte sich Bob den Kommentar nicht verkneifen. »Hose voll«, krächzte Blackbeard fröhlich. Peter überhörte das würdevoll. Er freute sich diebisch, seinen Freund Justus beim Grübeln zu beobachten. Doch als er merkte, das sein letzter Hinweis dem Ersten Detektiv auch nicht weiterhalf, löste er die ganze Sache auf. »Na ist doch glasklar. Bob hat mich selbst darauf gebracht. ›Es ist spät und ich bin müde‹, richtig? Und was tut man, wenn man müde ist und es spät wird... na? Man geht nach... na? NACH HAUSE!« Justus schlug sich an die Stirn. Auch Bob Andrews lachte erleichtert auf. »Verflixt! Das könnte hinkommen«, rief er freudig. »Kann, Bob, KANN... nicht könnte«, genoß Peter seinen -51-
Triumph. »Thomas Masterson lebte doch hier in Rocky Beach. Wo noch mal genau?« fragte Justus Jonas hastig. Die Frage war an Bob Andrews gerichtet, der ja für Recherchen und Archiv zuständig war. Bob griff in eine Schublade, und zog seine Notizen von gestern noch einmal zu Rate, die er dort abgelegt hatte, dann meinte er: »Barring Road, das Villenviertel. Hausnummer... Moment ... da... ja: Hausnummer 13.« »Drei Rosen und die 13«, war Blacky wieder in seinem Element. »Dann aber nichts wie hin, Kollegen«, rief Peter übermütig, »da das Haus laut deinen Angaben leer steht, Bob, können wir uns da sicherlich ganz ungestört umsehen. Wäre doch gelacht, wenn wir die restlichen Rätsel nicht auch lösen würden.« Justus und Bob schauten sich verständnislos an. Solch einen Tatendrang von ihrem Freund hatten sie eigentlich nach der gestrigen Begegnung mit dem Schattenmann nicht mehr vom Zweiten Detektiv erwartet. Doch sie ließen sich von der Euphorien Peters anstecken. »Auf die Räder, Kollegen!«
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Das Haus an der Barring Road Die drei Detektive standen an der schweren Eingangstür zur Villa von Thomas Masterson und schauten sich interessiert um. Der Park, durch den sie gekommen waren, wirkte verwahrlost. Auf dem Weg sproß zwischen dem Kies Unkraut hervor, die Rasenfläche war schon seit längerem nicht mehr gemäht worden und auch das Laub vom Herbst lag noch herum. Die Ziersträucher, die mitsamt der Bäume das Grundstück vom Nachbaranwesen trennten waren verwildert. Die Villa selbst befand sich in einem ähnlichen Zustand. Den drei Fragezeichen entging nicht, das an vielen Stellen der Verputz abblätterte. Vor nicht alt zu langer Zeit mochte der Wohnsitz Mastersons ein imposanter Bau gewesen sein. Das Haus wies immer noch typische Merkmale des Jugenstils auf, eine Stilrichtung, die in Amerika zur Zeit der Jahrhundertwende sehr beliebt gewesen war. Doch der Verfall war unübersehbar: zwar wies die Vorderfront noch die prägenden Schlangenlinien auf, und die Fenster zierten Verschnörkelungen mit Medusenhäuptern und anderen Masken, aber da der Großteil abgebröckelt war, benötigte man einige Phantasie, um die einstige Pracht dieses Bauwerkes zu erahnen. »Mensch... ziemlich traurig, der Anblick«, meinte Bob bedauernd. »Und um dieses Haus streiten sich die Erben des alten Masterson schon seit Jahren?« gab Peter zweifelnd vo n sich. »Es geht wohl nicht so sehr nur um das Haus, Peter. Eher um das Grundstück. Das müßte in dieser Lage eine Menge Geld einbringen«, vermutete Bob Andrews. »Vielleicht auch wegen der Statue dort drüben«, sagte Peter, und zeigte auf die Figur eines altertümlichen Mannes am -53-
Auffahrtsweg. »Könnte die Arbeit vom alten Potter sein.« Bob blickte seinen Freund zweifelnd an. »Hä? Woher willst du das denn wissen? Bist du jetzt unter die Kunstkenner gegangen?« »Stand doch in deinen Recherchen, Kollege. Du scheinst nicht ganz auf der Höhe zu sein«, grinste Peter Shaw frech. Seit seinem - fand er zumindest - phänomenalen Rätselbeitrag schwebte der großgewachsene Junge auf Wolke Sieben - im Moment traute er sich so ziemlich alles zu. Außerdem... er hatte ja in der Zeit, als er in der Zentrale auf seine Freunde warten mußte, Bobs Notizen sehr eingehend studiert, und wußte somit genau Bescheid. Doch das verschwieg der Zweite Detektiv lieber! »Na, du Superhirn: dann sag mir doch mal, wen die Statue denn darstellen soll?« brummte Bob, und wies seinen Freund damit in die Schranken. »Superhirn? Das ist doch eher Justus Gebiet. Also Just -«, dann stockte der Zweite Detektiv, und sah sich verblüfft um. »Just, wo bist du überhaupt?« »Justus! Justus Jonas... wo steckst du denn nun schon wieder?« meinte nun auch Bob lautstark, dem das Verschwinden des Ersten Detektivs ebenfalls entgangen war. Beide Jungen sahen sich suchend um. War Justus um das Haus gegangen um durch eines der verhangenen Fenster zu sehen? Nein, war er nicht, denn plötzlich öffnete sich die schwere Eingangstür, und Justus steckte seinen Kopf nach draußen. »Seit ihr wahnsinnig, hier so herum zu brüllen!« fauchte er und schaute seine Freunde strafend an. »Nun kommt schon rein, bevor die ganze Nachbarschaft auf euch aufmerksam wird.« Die beiden Jungen traten durch die Tür, die Justus dann -54-
schnell wieder schloß. »Ganz nebenbei, Bob: erwähnte ich schon, das du meiner Tante Mathilda immer ähnlicher wirst - die gleiche Wortwahl hast du ja schon«, gab der dickliche Junge etwas säuerlich von sich. Peter grinste und Bob schaute beschämt zu Boden. »Sag mal Just: wie hast du denn die Tür aufbekommen?« interessierte sich der Zweite Detektiv. »Die Tür war offen - nur angelehnt. Seht euch das mal an, Kollegen. Hier... Aufgebroche n!« Dabei zeigte der Erste Detektiv auf die schwere Holztür, die am Rahmen starke Spuren von Gewaltanwendung aufwies. Die Jungen rückten näher zusammen, und besahen sich den Schaden. »Sieh aus, wie mit einem Brecheisen aufgehebelt.« »Freunde, ich hab da eine Theorie«, begann Bob verschwörerisch und die Freunde hörten ihm gespannt zu. »Das Bild mit der Katze hing in diesem Haus. Der Unbekannte wußte von dem Rätseltext und verschaffte sich Zutritt zu dem Haus - er brach das Schloß auf um es zu entwenden.... na ja, oder so.« »Reichlich gewagt, deine Vermutungen«, trug Peter zu dem Gespräch bei, während Justus nur nachdenklich mit dem Kopf nickte. »Möglich«, brummte er dabei, entschied sich dann aber doch anders. »Aber dann hätte doch bestimmt schon jemand bemerkt, das hier was nicht stimmt«, meinte der wohlbeleibte Junge. »Na ja, eigentlich ist das im Moment auch eher unwichtig«, dachte Bob dann laut weiter. »Wir sollten uns trennen, und das Haus genauer in Augenschein nehmen.« Die Freunde waren einverstanden. Justus sah sich prüfend um. Die drei Detektive standen in der Eingangshalle - obwohl das Wort ›Halle‹ nicht so ganz -55-
angebracht war - dafür war der Raum nicht groß genug. Eine edel aussehenden Holztreppe an der gegenüberliegenden Wand führte in den ersten Stock. Außer der Eingangstür führten noch zwei augenblicklich verschlossenen Türen weiter ins Innere des Hauses - wohin, das mußten die Jungen erst noch feststellen. Unterhalb des Treppenganges stand ein großer, rechteckiger Gegenstand. Was es war, konnten die drei Jungen nicht genau erkennen, da es mit einem vormals weißen Laken abgedeckt war. Zwei große, verhangene und schon stark verschmutzte Fenster an der Seite der Eingangstür spendeten nur ein gedämpftes Licht. Der Parkettboden wirkte stumpf, die Tapete rollte sich schon von einigen Ecken der Wand ab. Überhaupt sah der Raum ziemlich verwahrlost aus - nicht, das er besonders unaufgeräumt aussah... er sah einfach verlassen und verstaubt aus. Seid Thomas Mastersons Tod - und der lag ja nun schon Jahre zurück - schien niemand mehr hiergewesen zu sein. »Bob, du gehst ins Obergeschoß. Peter, du nimmst dir den Keller vor und ich schaue mich hier mal gründlich um«, teilte Just ihre Kräfte auf. »Das war ja klar«, maulte Peter auf, »ich darf mal wieder in den Keller während ihr euch hier eine schöne Zeit macht. Da unten ist es bestimmt stockdüster, feucht und kalt. Aber mit mir kann man es ja machen. Langsam frage ich mich echt -« »Auf geht’s, Kollegen«, unterbrach ihn Just fröhlich, und die beiden Jungen ließen Peter einfach stehen. Bob begab sich zu der Holztreppe und bestieg die morschen Treppenstufen, die sich unter jedem Schritt des Jungen lautstark zu Wort meldeten. Justus schaute prüfend unter das Laken des eckigen Gegenstandes und entdeckte einen kleinen Schrank, den er sogleich öffnete - leer. Dann drückte er die Klinke einer der Türen herunter, sie öffnete sich knarrend, und Just verschwand dahinter. »Tolle Freunde hab ich«, meinte Peter mehr zu sich selbst. -56-
Dann, als er aber merkte, das ihm sowieso niemand mehr zuhörte, begab er sich auf die Suche nach einem Zugang zum Keller. Die aufgebrochene Tür - ein Hinweis auf die Aktivität mindestens einer Person, die mit den drei Jungdetektiven im Wettstreit steht? Was weis sie... und was hat ihr der gewaltsame Einbruch in das Haus des Thomas Masterson gebracht? Wie es mir scheint, lassen unsere drei Freunde wieder einmal etwas die gebührende Vorsicht vergessen, die in diesem Fall angebracht währe! Ein verlassenes Haus, eine aufgebrochene Tür, wer weis, was die drei ??? dort noch für Überraschungen erwartet... Bob ging die steile Holztreppe zum ersten Stockwerk hinauf, und warf einen neugierigen Blick nach vorne. Die Treppe endete in einem Gang, der bis an die entgegengesetzte Hauswand reichte. Das einzige Fenster auf dieser Seite spendete wenig, aber genügend Licht von Außen. An den Seiten des Ganges zweigten links und rechts jeweils vier Türen ab, die alle geschlossen waren. Außer einer Truhe unter dem Fenster war der Flur leer, abgesehen von dem Kronleuchter unter der Decke und den Wandleuchten. Auch hier wirkte alles sehr vernachlässigt. Das Zimmermädchen hat wohl gerade Urlaub, dachte der Dritte Detektiv spöttisch. Bob nahm sich die Tür vor, die ihm am nächsten lag. Sie war nicht verschlossen, und so trat der Junge in einen Raum ein, dem Besitzer wohl als Schlafzimmer be- nutzt hatte. Ein großes Bett stand an der einen Wand, gegenüber ein Schrank - beide mit großen Tüchern abgedeckt. Bob nahm das verstaubte Tuch vom Schrank, und öffnete ihn - leer. Prüfend klopfte der Junge an der Rückwand des Schrankes -57-
vielleicht war da ja ein Geheimgang oder sonst irgend etwas. Doch er fand keinen Hinweis darauf. Auch das Bett bot nichts interessantes, so das Bob das Zimmer wieder verließ. Doch der nächste Raum auf der anderen Seite des Flures bot schon mehr sehenswertes: scheinbar hatte der Besitzer des Hauses diesen Raum zu seinem Kunstzimmer umfunktioniert. Überall standen - zum Teil mit Tüchern verhängt - Skulpturen, Büsten und andere Kunstgegenstände im Zimmer verteilt, an den Wänden hingen viele Bilder in unterschiedlichen Größen. Neugierig blickte Bob Andrews durch den Raum. Dabei viel ihm auch sofort die Lücke zwischen zwei Bildern an der Wand seitlich von ihm auf - dort fehlte ein Bild! Bob sah das, weil die Tapete des Zimmers dort etwas heller war, als an den übrigen Stellen. Wenn ein Bild sehr lange nur ein an einer Stelle hing, ohne bewegt zu werden - und nah an der Wand - dann schütze es die dahinter liegende Tapete vor Staub und allen anderen Witterungsbelastungen, da ja dort kein Schmutz hinkam. Somit blieb der Umriss des Gegenstandes auf der Tapete erhalten, wenn man diesen Schutz dann wegnahm wie hier: ein etwa rechteckiger Fleck, wahrscheinlich hing hier eine ganze Weile irgendein Bild. Ein Bild? Bob Andrews besah sich die freie Stelle und verglich sie im Geiste mit dem Bild, das die drei Jungen gefunden hatten. Die Größe könnte hinkommen, vermutete der Junge. Und als er sich die Nachbarbilder ansah, war er sich sicher: das Katzenbild hatte bis vor kurzem hier gehangen! Denn die beiden Bilder rechts und links - ein Wolf oder Schäferhund, der seine Zähne drohend fletschte und auf der anderen Seite das seltsames Schattengebilde einer scheinbar menschenähnlichen Person - waren im gleichen Stil wie das Katzenbild gemalt. Da war es doch sehr wahrscheinlich, das die Katze einmal dazugehört hatte, bis sie jemand wegnahm. -58-
Bob überlegte. Sollte er seine Freunde rufen? Der Junge entschied, damit noch etwas zu warten - erst wollte er das Stockwerk mit seinen Zimmern noch genauer untersuchen. Bob Andrews durchsuchte den Raum nun eingehender. Er schaute hinter die Bilder und klopfte auch die Statuen und Büsten genau ab, fand aber keine Besonderheiten. An einer Wand schloß ein kleiner Eichenschreibtisch an, dem sich Bob nun widmete. Die einzige Schublade lies sich leicht öffnen und Bob sah neugierig hinein - leer. Neben dem Schreibtisch hatte noch ein Papierkorb seinen Platz gefunden - auch hier schaute der Junge interessiert rein. Er fand einen Bogen zerknülltes Papier, glättete ihn und las den Text, der darauf stand. Doch auch das brachte ihn nicht weiter: Thomas Masterson - so war das Blatt zumindest unterschrieben und auch die eigen- willig geschwungene Schrift, die Bob ja schon vom Rätselbrief her kannte, lies keinen anderen Schluß zu - hatte hier vermerkt, das er die Bestellung von Kunstgegenständen aus Hollywood kündigen wollte, da sie seinen Ansprüchen nicht genügen würde. Dabei hatte er sich verschrieben, und den bisherigen Brief - so vermutete Bob - in den Abfalleimer geworfen. Bob Andrews steckte den fehlerhaften Brief ein. Wer weis: vielleicht konnte Justus damit noch etwas anfangen? Damit hatte er diesen Raum gründlich erforscht. Bob ging wieder hinaus auf den Flur, um ein anderes Zimmer aufzusuchen. Geradezu unnatürliche Stille umfing ihn. Die wenigen Geräusche von draußen erreichten nur leise und gedämpft das Ohr des Jungen - dafür waren die Mauern des -59-
Hauses einfach zu dick. Und mitsamt des diffusen Tageslichtes, das durch das verschmutzte Fenster fiel, schlich sich auch eine eigenartige Stimme in das Haus... irgendwie... ja, irgendwie unheimlich. Auch war es hier sehr viel kühler als draußen. Oder kam das dem Jungen nur so vor? Bob Andrews war froh, das die drei Fragezeichen die Hausdurchsuchung am helllichten Tage vornahmen - auch, wenn man im vorherrschenden Dämmerlicht eher auf den späten Abend schließen konnte. Nachts - also wenn es hier wirklich stockduster sein müßte - hätte der Junge bestimmt nicht das Verlagen danach gehabt. Die Tür schräg gegenüber führte in ein großes Bad mit blauen Kacheln. Eigentlich war alles in diesem Raum blau - sowohl das Waschbecken, wie auch die Badewanne, die mit einem blauen, zugezogenen Vorhang umgeben war, das nur die Keramikunterseite unten herauslugte. Auch die Kosmetikschränke waren blau. Doch eins war klar: dieser Raum - wie auch die beiden vorherigen - war schon lange nicht mehr benutzt worden. Zwar lag kein übermäßiger Staub herum, die Wände zeigten aber überall Verwitterungen. Die Tapete wellte sich an einigen Ecken und unterha lb des Waschbeckens waren sogar einige Kacheln von der Wand geplatzt und lagen darunter - weggeräumt hatte sie keiner. Und auch die wenigen Kosmetikgegenstände wie Handtuchhalter und Wandspiegel sofern sie nicht abgedeckt waren - machten einen ungepflegten und vernachlässigten Eindruck. »Na ja, wem es gefällt«, meinte Bob zu sich selbst, als er das blaue Bad skeptisch betrachtete, und wollte sich gerade wieder umdrehen, um seine Suche in einem anderen Zimmer fortzusetzen, als er eine Bewegung aus den Auge nwinkeln wahr nahm. Der Vorhang... hatte er sich nicht bewegt? Und das, obwohl Bob weder in der Nähe des Stoffvorhanges -60-
stand, noch das ein Luftzug durch die Tür oder dem einzigem, und dazu noch verschlossenen Fenster des Bades geweht war! Bob Andrews stockte und runzelte die Stirn. Aber... wie sollte denn dann...? Dann wurde es schlagartig dunkel... Da scheint wohl genau das eingetreten zu sein, was ich bereits zuvor befürchtet habe - die drei Buben sind nicht allein im Haus! Wie es weitergeht, werdet ihr ja bestimmt gleich erfahren, eines möchte ich aber trotzdem noch anmerken: der Charakter eines Menschen soll angeblich prägend für seine Handschrift sein! Peters Suche nach dem Keller war schnell von Erfolg gekrönt: er fand eine Tür in der ehemaligen Küche - eine zweite führte in den Flur des Hause, aus dem er gerade kam, und die dritte war eine Hintertür zum Garten, wie er prüfend feststellte. Der Junge öffnete die quietschende Tür, und sah schaudernd auf eine Steintreppe, die in die Tiefe führte und schon nach wenigen Metern von der Finsternis verschluckt wurde... Peter Shaw stellte sich auf den Anfang der Treppe und blinzelte nervös in die sich vor ihm ausbreitende Dunkelheit sehen konnte er nicht viel, der Keller war so dunkel wie in einer mondlosen Nacht. Nicht ein Lichtschein - ausgenommen das wenige Licht, das aus der Küche durch die geöffnete Tür fiel erleuchtete den geradezu hermetisch abgeschlossenen Raum. Der kräftige Junge zog seine Lampe aus der Hosentasche und knipste sie an - die drei Detektive hatten sich vor ihrem Aufbruch zum Haus des Thomas Masterson in weiser Voraussicht mit Taschenlampen versorgt. Leider, so fand Peter nun, denn so hatte er leider keinen gewichtigen Grund mehr, nicht in den Keller gehen zu müssen. Der kleine Lichtkreis leuchtete den Boden des Kellers ab, auf dem jede Menge Gerümpel gestapelt war - von Kartons über Holzkisten bis zu alten Möbeln war alles vertreten. Nicht -61-
besonders einladend, fand der Zweite Detektiv. Trotzdem richtete Peter den Strahl der Taschenlampe auf die neben ihm liegenden Wände, auf der Suche nach einem Lichtschalter. Er fand einen kleinen Kippschalter, betätigte ihn... nichts... es blieb dunkel! »Wäre auch zu schön gewesen«, brummte Peter enttäuscht. Da... was war das? War dort unten nicht gerade ein leises, schleifendes Geräusch erklungen? Hatten sich die Schatten nicht irgendwie... bewegt? Peter fröstelte. Ihm zog nun wirklich überhaupt nichts mehr in diesen dunklen Bereich... Unentschlossen stand der Junge immer noch auf dem oberen Treppenabsatz und überlegte. Jede Faser seine Körpers schrie nach Umkehr. Und doch wußte Peter: wenn er jetzt zu seinen Freunden zurückkehren würde, würden sie ihn nur auslachen - erst recht nach seinem gestrigen Auftritt. Belügen kam aber schon gar nicht in Frage! Sicherlich: er könnte zwar seinen Kollegen erzählen, das er den Keller durchsucht hatte, aber nichts brauchbares entdecken konnte OHNE den Keller je betreten zu haben - aber das schloß Peter Shaw sofort wieder aus seinen Gedanken aus. Man konnte ja eine Menge über den Zweiten Detektiv sagen, aber ein Lügner war er nicht! Außerdem: vielleicht war da unten ja... ja... ja, was? Was suchten die drei Fragezeichen überhaupt? Peter hatte ganz vergessen, zu fragen, wonach er eigentlich Ausschau halten sollte. Egal! Es half alles nichts: jetzt war er schon mal hier, dann konnte er sich auch mal umsehen, so dachte Peter Shaw mutig... doch der Mut verflog genau so schnell, wie er gekommen war. Zögernd, sehr zögernd und den Lichtstrahl seiner kleinen Lampe überallhin schwenkend, trat Peter den Weg in den fensterlosen Keller an. Unten angekommen, besah er sich das umliegende Gerümpel im Scheine des Lichtkegels genauer, sorgfältig und doch immer -62-
auf dem Sprung, diese Aktion sofort abzubrechen, sollte Gefahr drohen. Pappkarton - zum Teil bis in Höhe der Hüfte - und Sperrholzkisten, allesamt leer. Peter vermutete, das sie dem damaligen Eigentümer wohl als Umzugsverpackung gedient hatten und bestimmt schon seit Jahren hier herumstanden. Der ganze Keller machte auf den Zweiten Detektiv einen eher vernachlässigten Eindruck - nicht nur, weil das ganze Haus unbewohnt und leer stand: dieser Keller schien noch nie besonders oft benutzt worden zu sein. Natürlich sah Peter bedingt durch die Dunkelheit nur kleine Teile des eigentlichen Raumes, doch je länger er sich hier aufhielt, desto mehr festigte sich sein Eindruck. Der Zweite Detektiv besah sich nun die herumstehenden Möbelstücke, die wohl von seinem Besitzer ausrangiert wurden, als er sie nicht mehr brauchte - so vermutete Peter zumindest. Doch auch hier fand er keinen Anhaltspunkt. Nach einem weiteren, flüchtigen Blick durch den finsteren Raum beschloß Peter, die Suche abzubrechen - hier war bestimmt nicht interessantes zu entdecken. Erleichtert drehte sich der Junge sich Richtung Treppe herum, als von oben aus der Küche plötzlich lautes Getrampel erklang - irgend jemand war dort oben! Dann sah der Zweite Detektiv mit Schrecken wie die Kellertür auf dem obersten Absatz der Treppe knallend zufiel, und damit auch das bißchen Licht von dort schlagartig erlosch. Und in den Schatten, die seiner Lampe hervorrief, begann sich plötzlich etwas zu bewegen...
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Eine neue Spur Nachdem Peter auf seinem Weg zur Küche wieder außer Sichtweite war, setzte auch Justus Jonas seine Suche gewissenhaft fort. Der Flur, in dem sich der Junge befand, bot außer mehreren Türen nicht viel zum Erkunden, so das der Erste Detektiv sich gleich in einem der angrenzenden Zimmer umsah. Die wenigen Möbelstücke, die in dem Raum standen, waren alle mit weißen Stofflaken abgedeckt. Neugierig schaute Justus Jonas darunter, fand aber auch hier keinen Anhaltspunkt für das Versteck eines Schatzes - wie immer er auch aussehen mochte. Der Junge deckte einen der Sessel ab, und setzte sich hin. Justus dachte angestrengt nach, zog dann den Zettel mit den Rätseln aus der Tasche und las leise vor sich hin »Ri Ra Rutsch... und klopf auf Holz«, las er nachdenklich. »Holz... Rutsch... hmmm.« Was konnte es damit auf sich haben? Plötzlich erklang von der Treppe im Flur ein wildes Gepolter, dann fluchte eine Stimme laut auf! Justus sprang wie von der Tarantel gestochen auf, und rannte zurück in den Flur. Er sah gerade noch einen großen Schatten, der in der Tür zur Küche verschwand. Sofort nahm der Erste Detektiv die Verfolgung auf. Eine Tür fiel krachen ins Schloß, eine andere wurde aufgerissen - dann war auch Justus Jonas endlich in der Küche angekommen und sah wieder die verschwommenen Umrisse des Fliehenden durch das verdreckte Küchenfenster, der in dem verwilderten Garten des Grundstückes floh, die abgrenzenden Bäume erreichte und verschwand. Doch gerade, als der Junge die flüchtende Gestalt weiter verfolgen wollte, erreichten gedämpfte und eindeutig panische Schreie sein Ohr. Unentschlossen blieb Justus stehen und lauschte. -64-
Und da polterte es auch schon wild an eine der drei Türen die einzige, die noch verschlossen war. »Rauslassen... macht auf, verdammt!« klang es gedämpft, aber eindeutig panisch von innen. Peter, das war doch Peter... und er schien sich in Gefahr zu befinden! Schnell war Justus an besagter Tür, und öffnete sie hastig, da fiel ihm sein Freund auch schon in die Arme. Gehetzt sah ihn Peter an und der Junge schien seine Freund im ersten Moment gar nicht zu erkennen, dann aber löste er sich aus dem Griff und knalle blitzartig die Kellertür wieder ins Schloß. »Peter, was ist denn los?« fragte Justus erschrocken. Peter Shaw atmete tief durch, dann aber redete er schnell und aufgeregt los. »Just, da unten ist ein MONSTER! Und zwar eins von der ganz gemeinen Sorte... es... es hat mich angegriffen... und dann ging auch noch die Tür zu. Mannomann, hatte ich einen Schiß.« Peter wischte sich über die schweißbedeckte Stirn, lehnte sich erschöpft an die Küchenwand und atmete tief ein. Langsam beruhigte sich der Zweite Detektiv wieder, scha ute aber immer noch scheu zu der geschlossenen Tür, durch die er gerade gestolpert war. »Monster? Was für ein Monster?« Justus Frage klang eher zweifelnd. »Weis ich doch nicht«, gab Peter erbost schnaufend zu. »Es hat sich mir nicht vorgestellt!« Als er Justus kritischen Blick bemerkte, meinte er schnell: »Und will es auch gar nicht wissen! Plötzlich ist es über mich hergefallen, und die Tür war zu. Dort unten ist es dunkel wie in einem Grab. Kannst ja selber runtergehen, wenn du mir nicht glaubst!« »Genau das hab ich vor«, gab Justus entschlossen von sich. Der Zweite Detektiv vergaß vor Schreck beinahe zu atmen. »Bist du lebensmüde?« fragte er entsetzt und hob abwehrend die -65-
Hände. Da erst fielen ihm die kleinen, blutigen Striemen auf, die quer über beide Arme gezogen waren. »Mein Gott, ich... ich bin ja verletzt!« Peter starrte fassungslos auf seine zerkratzten Arme und verzog das Gesicht. Dabei schluckte er schwer. Justus warf kurz einen prüfenden Blick auf seinen Freund und dann - noch eher Peter den gewichtigen Jungen aufhalten konnte - riß der Erste Detektiv die Tür auf... Peter blieb fast der Atem stehen! Er erwartete jeden Moment, das sich irgend etwas sehr Großes und Böses auf seinen Freund stürzen würde. Instinktiv ballte er die Fäuste, um seinem Kollegen beizustehen, wenn es nötig war... Doch da lachte Justus schon auf und zeigte grinsend auf etwas, das scheinbar vor ihm auf der Treppe war. Und diese Etwas kam auch schon in das Blickfeld des Zweiten Detektivs... schaute aus seinen grünlich leuchtenden Augen auf den wie starr stehenden Jungen und spitze die Ohren. Es war... eine KATZE! Aufatmend entspannte sich Peter Shaw. Eine kleine, getigerte Katze hatte ihn angegriffen - wahrscheinlich eben so erschrocken über die plötzliche Dunkelheit im Keller gewesen wie er. Vielleicht hatte er sie auch unbewußt getreten, als er in dem finsterem Zimmer herumgestolpert war - denn gesehen hatte er sie vorher nicht. Das Tier miaute den Zweiten Detektiv vorwurfsvoll an, rieb sich dann an Justus Hosenbein. Der Erste Detektiv nahm die Katze auf den Arm, kraulte sie hinter dem Ohr und sah dann auf Peter. »Na, wie ein Monster sieht dieses süße Kätzchen nun wirklich nicht aus.« »Ha, ha«, meinte Peter humorlos, »möchte dich mal sehen, wenn du in der Finsternis dort unten auf dieses Biest getroffen wärest.« -66-
»Gut, ich bezweifle ja gar nicht, das es mir ähnlich ergangen währe. Aber ein Blick auf deine sogenannte›Verletzung‹hat mich davon überzeugt, das dort unten - wenn überhaupt - nur ein äußerst kleines Monster sein Unwesen treiben könnte«, meinte Justus spöttisch, während er das Kätzchen weiter kraulte. Peter stöhnte gequält auf: zum einen, weil er wieder einmal Opfer seiner überschäumenden Vorstellungskraft geworden war - er hatte sich nämlich wirklich in der Finsternis des Kellers in einem zwar heldenhaften, aber dennoch lebensbedrohenden Zweikampf mit dem König aller Unholde persönlich gesehen. Zum anderen aber auch, weil die kleinen Schrammen an den Armen langsam anfingen, weh zu tun. Es war zwar nur ein leichtes Brennen, aber trotzdem unangenehm. Das kleine Kätzchen glitt vom Arm des Ersten Detektivs und blickte sich um. Dabei schaute sie stolz auf das kunstvolle Kratzwerk, das sie auf den Armen des großen Jungen hinterlassen hatte und miaute zufrieden. Mit erhobenen Schwanz stolzierte sie wie ein siegreicher Kriegsherr durch den Raum immer mißtrauisch von Peter beobachtet - und ließ sich vor der Tür zum Garten nieder. Justus beobachtete das Tier amüsiert, dann meinte er: »Peter, du solltest wirklich nicht so viele Horrorfilme sehen. Auch, wenn ich die Anregung der Phantasie für eine durchaus lobenswerte Sache halte, denke ich -«. Justus stockte. »Wo ist eigentlich Bob? Bei dem Radau müßte er doch eigentlich schon längst herunter gekommen sein, schon allein um nachzusehen, was hier los ist, oder?« »Wenn da mal nichts passiert ist«, meinte Peter und schaute wieder merklich nervöser in den Flur. »Peter, du siehst dich mal im Garten um, wir hatten nämlich Besuch. Ich schau mal, wo Bob abgeblieben ist.« »Besuch? Was für einen Besuch?« »Na, dachtest du, ich hätte dich im Keller eingeschlossen?« -67-
Justus wartete gar nicht auf eine Antwort seines Freundes. Er ging schnellen Schrittes aus dem Raum zur Treppe, die ins Obergeschoß führte. Die Katze fauchte Peter strafend an, als der ihr zögernd näher kam, verlor dann aber das Interesse und lief hinter Justus Jonas her, so das der Zweite Detektiv ganz allein in der Küche zurückblieb. Peter Shaw beschloß - vor allem, da nun der Weg nach Draußen nicht mehr von dem krallenbewaffneten Pelzknäul bewacht wurde - im Garten nach dem Rechten zu sehen. Er öffnete die Hintertür und trat in den verwilderten Park. Währenddessen machte sich Justus Jonas auf die Suche nach dem vermißten Freund. »Bob? Boooob? Bist du da oben?« rief der Erste Detektiv am Fuße der Treppe angekommen. Keine Antwort... Justus ging zum Treppenabsatz und stutze. Eine Treppenstufe war eingebrochen und hatte dabei das Geländer beschädigt. Und in einer der beschädigten Geländersprossen steckte ein kleiner, verchromter Schlüssel. Just stoppte und nahm ihn nachdenklich auf. »Holz... Rutsch... das ist dann wohl das, was wir suchen«, brummte er, doch dann siegte seine Sorge über den verschollenen Freund, und Justus eilte weiter die Treppe hoch. »Bob? Alles in Ordnung?« rief Justus Jonas besorgt, als er im ersten Stockwerk angekommen war. Das Verschwinden seines Freundes machte ihm Sorgen. Und das erst recht, weil sich bis eben eine vierte Person in dem leerstehenden Gebäude aufgehalten hatte. Und diese Person schien von oben - also aus diesem Teil des Hauses gekommen zu sein. Justus lauschte, doch wieder kam keine Antwort... Der Erste Detektiv warf einen kurzen Blick durch die Tür, die ihm am nächsten lag - scheinbar wurde es vor längerer Zeit als -68-
Schlafzimmer genutzt. Doch das Zimmer war leer. Ein paar Schritte weiter lag auf der anderen Gangseite ein zweites Zimmer... und noch etwas lag da... BOB! Justus blieb fast das Herz stehen, als er seinen Freund und Kollegen ohnmächtig am Boden erblickte. Doch Bob kam gerade wieder zu sich, als der wohlbeleibte Junge auf ihm zustürzte. Er sah sich etwas verwirrt um, verzog dann aber sofort schmerzverzerrt sein Gesicht und rieb sich den Hinterkopf. »Bob! Mensch, Bob: was war hier los? Bist du in Ordnung?« fragte Justus atemlos und kniete sich neben den verletzten Jungen. »Mal abgesehen davon, das eine ganze Gruppe Haschemitenfürsten in meinem Schädel Rumba tanzt, bin ich OK.« Stöhnend richtete sich Bob Andrews auf, sorgsam gestützt von seinem Freund. Justus sah sich Bobs Hinterkopf genauer an, konnte aber nichts außer einer großen Beule entdecken. »Was war los?« fragte der Erste Detektiv noch einmal. »Wüste ich selber gerne. Ich hab mich hier nur umgesehen, dann wurde es plötzlich dunkel. Irgend jemand hat mir mächtig eins übergezogen.« Bob stöhnte immer noch herzzerreißend, schien sich aber langsam wieder zu erholen. »Kannst du gehen, Bob? Ich glaube, wir sollten hier ganz schnell verschwinden.« »Klar kann ich gehen... ach was: rennen! Genau das sollten wir nämlich tun. Irgend etwas stinkt hier nämlich ganz gewaltig nach Gefahr.« »Dann los - ein taktischer Rückzug wäre wohl wirklich angebracht«, stimmte ihm Justus zu und die beiden Jungen begaben sich wieder nach unten. Peter kam gerade durch die Hintertür ins Haus zurück. Er sah sofort, das etwas passiert war und fragte besorgt nach, als er -69-
Bobs unsichere Schritte bemerkte. »Später, Peter. Laß uns erst einmal einen Standortwechsel vornehmen«, sagte Justus schnell. »Das ist keine schlechte Idee. Draußen rennt eine ältere Dame herum und ruft lautstark nach einem ›Morle‹ - wahrscheinlich die Katze von vorhin«, meinte der Zweite Detektiv und sah sich suchend um. »Wo ist das Luder eigentlich abgeblieben? Na, egal. Auf jeden Fall ist es besser, wenn uns die Frau hier nicht erwischt.« Die drei Detektive verließen fluchtartig das verlassene Haus. Sie nahmen den direkten Weg zurück zu ihrer Zentrale auf dem Schrottplatz von Titus Jonas. Dort angekommen, bekam Bob Andrews erst einmal einen kühlenden Umschlag für seine Beule. Dann beratschlagten die drei Fragezeichen weiter, wie sie nun vorgehen sollen. »Hast du noch gesehen, wohin unser unfreundliche Hausbesucher entschwunden ist, Peter?« fragte Justus auch gleich los. »Nein - keinen gesehen. War da überhaupt jemand?« »Wer meinst du wohl, hat mir eins übergezogen?« knurrte Bob gereizt, bereute es aber sofort wieder, weil heftige Bewegungen einen wahren Wirbelsturm in seinem Kopf auslösten. Ruhig sitzen und sich nicht aufregen, das war nun wohl genau das Richtige. »Und wer hat dich im Keller eingeschlossen?« erinnerte auch Just seinen Freund Peter. »Mit hundertprozentiger Sicherheit habe ich jemanden gesehen.« »Gut, gut«, beschwichtigte Peter seine Freunde, »da war also jemand. Die Katzenliebhaberin war es wohl nicht - die sah nicht so aus, als würde sie hoffnungsvolle Jungdetektive verhauen. Also war jemand anderer im Haus gewesen. Und ich vermute, aus dem gleichen Grund wie wir: er hat sich in dem Gebäude umgesehen - hat vermutlich auch vorher das Haustürschloß -70-
aufgebrochen - dann hat er uns bemerkt und ist geflohen. Und Bob hatte einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Bob, wie geht es dir denn jetzt? Alles wieder in Ordnung?« »Alles in Ordnung. Mir brummt zwar noch etwas der Schädel, aber ich bin OK«, sagte Bob mit Nachdruck. Gelogen war das wirklich nicht: dem Jungen ging es von Minute zu Minute besser. »Gut, dann sollten wir wieder zum Haus zurück. Wenn der Kerl dort vielleicht noch herum schleicht, wird er mitbekommen haben, das wir abgezogen sind. Vielleicht sucht er ja jetzt weiter. Der soll mir mal zwischen die Finger kommen!« Peter war sauer stinksauer sogar! Wenn jemand seinen Freunden Schaden zufügte, nahm der Zweite Detektiv das immer sehr persönlich. Und Peter meinte es auch so, wie er es sagte: Peter Shaw war vielleicht in manchen Dingen etwas furchtsam - vor allem, wenn er die Anwesenheit von Drachen, Monstern und sonstigen Horror- Gestalten befürchtete - aber er war beileibe kein Feigling. Schon gar nicht, wenn er so wütend war wie jetzt! Justus schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, das wir zum Haus zurückkehren sollten. Außerdem brauchen wir uns dort auch nicht mehr umzusehen. Ich habe schon gefunden, was wir gesucht haben«, sagte er stolz und zeigte seinen Freunden den Schlüssel, den er bei der Treppe gefunden hat. »Bei seiner überstürzen Fluch ist unser unfreundliche Besucher wohl über eine beschädigte Treppenstufe gestolpert. Dabei hat er das Geländer eingedrückt... denn genau da hab ich diesen Schlüssel gefunden. ›Ri Ra Rutsch und klopf auf Holz‹... Rutsch - damit ist das Treppengeländer gemeint. Haben wir ja früher auch immer gemacht: auf dem Treppengeländer hinab zu rutschen. Und ›klopf auf Holz‹: die Treppe ist aus Holz. Hätten wir das Geländer abgeklopft, dann währe uns -71-
bestimmt der Hohlraum aufgefallen, in dem der Schlüssel steckte. Und - haltet euch fest - dieser Schlüssel trägt die Aufschrift ›56‹ - die Nummer des Schließfachs am Busbahnhof.« »Da hat uns der Schläger ja einen richtigen Gefallen getan«, wunderte sich Peter. »Wohl eher unfreiwillig. Nur: wer war das denn? Schon eine Ahnung?« Justus grübelte nach. »Bisher haben wir zwei Verdächtige: den Schattenmann vor der Bibliothek und den Bildersucher. Der Schattenmann kommt nicht in Frage - der würde wohl nicht so überstürzt fliehen. Es käme also zur Zeit nur der nächtliche Schrottplatzbesucher in Frage. Vielleicht löst er die Rätsel auf eigene Rechnung und wurde im Haus von uns unvorbereitet überrascht. Da er immer noch unerkannt bleiben möchte, schlug er Bob nieder und ergriff die Flucht. Das ist aber nur eine vorläufige und sehr vage Vermutung.« »Der Schattenmann will doch auch unerkannt bleiben, oder? Also: ich finde, der Schlag auf Bobs Kopf paßt besser zu unserm Flüsterer«, erinnerte Peter und rieb sich die Nase. »Just, Peter: wenn der Unbekannte - wer immer es auch sein mag - die Rätsel ebenfalls löst, dann sollten wir uns aber rann halten. Nicht, das er uns noch voraus ist«, ermahnte Bob die beiden Freunde. Justus nickte und zog die Stirn in Sorgenfalten. »Voraus ist uns diese Person sicherlich schon. Erinnert euch: die Zeitung!« Finster sah er seine Freunde an. »Die Zeitung?« fragte Bob verständnislos. »Die Zeitung im Archiv der Bibliothek«, erinnerte Justus seine Kollegen an ihre erste Rätsellösung. »Sie war falsch eingeordnet gewesen. Da war vor uns schon jemand im Keller der Bibliothek gewesen! Und der hat dann aus Versehen oder in Eile die Ausgabe falsch abgelegt.« -72-
»Kann es nicht sein, das jemand von den Angestellten -«, wollte Peter einwerfen, aber Justus schüttelte den Kopf. »So, wie es im Keller aussah, geht dort nicht besonders oft jemand herunter - zumindest nicht in diesen Bereich des Archivs, oder?« Bob Andrews nickte zustimmen. Justus redete nach dieser Bestätigung weiter. »Die Zeitung war falsch eingeordnet worden. Und dennoch hat Bob sie sehr schnell gefunden - so als ob sie erst kurz vorher jemand dort abgelegt hat, oder?« Nun nickte Bob wieder. »Stimmt. Sie lag obenauf - nur eben im falschen Regal. Ist mir vorher gar nicht so aufgefallen.« »Macht mal keine Panik. Gut: ist uns bei der Klärung der Rätsel jemand anscheinend voraus - na und? Wir haben doch den Schlüssel zum Schließfach. Der wüste Schläger ist erst einmal Schachmatt gesetzt«, versuchte Peter zu beruhigen. »Eile ist dennoch angebracht. Wer Jugendliche niederschlägt, fühlt sich auch berufen, ein Schließfach zu knacken. Schließlich ist er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Mastersons Haus eingedrungen - auch nicht gerade mit dem Gesetzt in Einklang zu bringen«, meldete sich der Erste Detektiv wieder, war aber merklich nachdenklicher geworden. Irgend etwas schien ihn zu belasten. Doch davon merkten seine Freunde nichts. »Dann mal los. Nichts wie hin zum Busbahnhof. Bob, du bleibst erst einmal hier und kurierst dein Schädelbrummen aus«, gab Peter befehlend von sich - er machte sich doch noch Sorgen um den Gesundheitszustand seines Freundes. »Wir schauen nach, was im Schließfach ist und kommen dann sofort in die Zentrale zurück, versprochen!« Bob nickte zustimmend - so hundertprozentig fit fühlte er sich wirklich noch nicht. Justus und Peter verließen die Zentrale durch einen ihrer Geheimgänge und stiegen auf die Räder. -73-
Neue Fakten und alte Bekannte Die beiden Freunde hielten vor dem Busbahnhof von Rocky Beach und stiegen von ihren Rädern. Nachdem sie ihre Fahrräder an einem Fahrradständer fest gekettet hatten, betraten sie das Gebäude durch die große Glastür. Wie eigentlich immer herrschte hier ein zwar geschäftiges, aber dennoch gemäßigtes Treiben. Die wenigen Menschen saßen in den verschiedenen Cafés und Schnellimbissen, andere schauten sich die Auslagen der kleinen Buchhandlung an und wieder andere saßen einfach nur dort herum, wo die Stuhlreihen zu einem Wartebereich für die Reisenden untergebracht waren. Besonders voll war es aber dennoch nicht. Dafür war es hier angenehm kühl - die Klimaanlage lief auf vollen Touren. Justus sah sich kurz prüfend um, dann zog es ihn aber auch gleich zum Eingang des abgetrennten Raumes, in dem die Schließfächer untergebracht waren. Er brannte darauf, den Inhalt ihres Faches zu erforschen. Doch Peter, der bisher ergeben hinter seinem Freund hergestiefelt war, zog den vollschlanken Jungen eilig am Arm hinter eines der Tafeln, an denen die An- und Abfahrtszeiten der verschiedenen Buslinien aufgelistet waren. »Peter, was soll das?« fragte Justus leise und sah sich unsicher um - wohl wissend, das Peter für dieses Verhalten sicherlich einen guten Grund hatte. Und der wurde dem Ersten Detektiv sofort bewußt, als Peter ihm zuflüsterte: »Just, dort hinten... an der Säule... rate mal, wer da herumlungert?« Justus tat so, als würde er in dem Aushang vor ihm lesen und drehte sich dann langsam zu dem angegebenen Punkt um. Hinter einer der Säulen, die der Eingangshalle ein künstlerischen Aussehen geben sollten, stand halb versteckt ein schlaksiger Jugendlicher mit auffallend großer Nase. -74-
Der Jugendliche versuchte, so unauffällig wie möglich zu wirken. Die Betonung lag auf ›versuchte‹, denn dabei stellte er sich nicht besonders intelligent an. Er sah zwar mal hierhin, dann dahin: man sah aber sehr genau, das sein Interesse allein einem bestimmten Bereich des Bahnhofs galt - den Eingang zu den Schließfächern! Die beiden Freunde, die sich noch im Eingangsbereich des Busbahnhofes befanden - auch etwas durch die Informationstafel verdeckt - hatte er jedoch noch nicht bemerkt. »Was macht denn der hier?« flüsterte Justus Jonas unfreundlich, nachdem er sich wieder zu seinem Freund Peter umgedreht hatte. »Was der hier macht, ist doch wohl deutlich zu sehen, Just. Fragt sich nur, warum er es macht?« Justus dachte nach. Wo immer auch Skinner Norris - denn um den handelte es sich bei dem Jugendlichen, der eine so traurige Figur als Beobachter abgab - auftauchte, gab es Ärger. Skinny war der Erzfeind der drei Fragezeichen, dem es immer wieder aufs Neue Spaß machte, den Freunden ins Handwerk zu pfuschen. Normaler Weise trat der Jugendliche immer mit ein paar Freunden auf, die er sich mit Geld und Geschenken gefügig gemacht hatte - Skinnys Eltern waren recht wohlhabend. Und wann immer sich die Gelegenheit ergab, versuchte der junge Norris, die Freunde aus reinem Zeitvertreib zu verspotten. Doch nicht nur das: ab und zu trat er auch in Erscheinung, um Justus, Peter und Bob in Schwierigkeiten zu bringen - nicht unbedingt absichtlich: allein sein Auftreten sorgte meistens schon für Unannehmlichkeiten. Skinny war so ziemlich der unsympathischste Mensch, den die drei Detektive kannten... Und nun stand er dort so ›rein zufällig‹ herum? »Verflixt! Irgend jemand hat ihm wahrscheinlich den Auftrag gegeben, uns auszuspionieren. -75-
Der wartet doch bestimmt auf uns. Jetzt wird mir einiges klar«, fluchte Justus gereizt. Peter lachte leise auf. »Warten? Auf uns? Gut, dann soll er auch genau das bekommen «, meinte er dann grinsend. Justus verstand nicht, was Peter damit meinte, so das ihm der Zweite Detektiv zuflü sterte: »Just, du wartest hier. Ich geh ganz auffällig an Skinny vorbei und lenke seine Aufmerksamkeit auf mich - das heißt: wenn der Blödmann mich überhaupt sieht. Dann locke ich ihn weg, und du schnappst dir den Inhalt unseres Schließfaches. Wir treffen uns dann in der Zentrale wieder.« Kaum hatte Peter dies gesagt, schlenderte er auch schon los, warf einen prüfenden Blick zum Schnellimbiß, ging einige Schritte weiter, sah sich kurz die Auslagen der Buchhandlung an und spazierte dann weiter in den hinteren Bereich des Busbahnhofs, wo die Busdepoes lagen. Unbewußt mußte Justus schmunzeln, als er beobachtete, wie der Zweite Detektiv an Skinny vorbeiging. Wenn es um Skinner Norris ging, war Peter Shaw mit Feuereifer dabei - besonders gut leiden konnte er den Jugendlichen wirklich nicht. Und Skinnys Schauspieltalent war noch erbärmlicher als seine Fähigkeiten als Spähposten: als er Peter bemerkte, tat er so, als ob er in einem der Schaufenster neben ihm etwas mächtig interessantes entdeckt hätte - so abrupt, das es einfach auffallen mußte. Doch Peter verhielt sich so, als ob er Skinner gar nicht sehen würde - er bummelte weiter und verschwand im hinteren Teil des Bahnhofes. Nachdem er außer Sichtweite war, ging ihm auch der neugierige Skinny Norris hinterher - die Beute hatte angebissen. Als die Beiden nicht mehr zu sehen waren, machte sich Justus auf zum Schließfach. Da der Erste Detektiv genau wußte, wo sich das Gesuchte -76-
befand, dauerte es nicht lange, das Justus Schlüssel zum Einsatz kam - er paßte! Justus Jonas drehte den Schlüssel und die kleine Klappe ging fast wie von allein auf. Neugierig schaute der Junge in das nun geöffnete Fach. Darin lag ein kleines, in Leder eingebundenes Buch, das der Erste Detektiv gleich an sich nahm. Nachdem Justus einen kurzen Blick über die Schulter geworfen hatte - um sicher zu gehen, das ihn niemand beobachtete - schlug er das Büchlein auf. Mit kleiner, eckiger Schrift war dort auf mehreren Seiten Adressen von verschiedenen Leuten eingetragen - das Buch schien also jemanden als Adressen- und Notizbuch gedient zu haben. Justus hatte fürs Erste genug gesehen. Er steckte das neue Fundstück in seine Hosentasche, und verließ schnellen Schrittes den Schließfachbereich. Im Eingangsbereich des Bahnhofs schaute sich der Junge nach seinem Freund Peter um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Also ging Justus zu seinem Fahrrad zurück und bemerkte, das Peter Shaws Fahrrad ebenfalls noch dort stand - Peter war also noch in der Nähe. Justus beschloß zu warten, nach einigen Minuten gab er es aber auf - die Freunde hatten sich ja in der Zentrale verabredet. Also schwang sich der Erste Detektiv auf sein Rad, und fuhr los Richtung Gebrauchtwaren-Center Titus Jonas.
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Ungereimtheiten Justus und Bob saßen in der Zentrale vor dem gefundenen Buch, als Peter dort eintraf. Die drei Anwesenden - Justus, Bob und Blacky - begrüßten den Zweiten Detektiv, der auch sofort zu berichten begann: »Also Kollegen. Skinny ist schon ein seltsamer Typ. Erst schleicht er mir hinterher, als ob ich die Juwelen der Königin von Timbuktu dabei hätte, und dann - als er bemerkte, das ich ihn gesehen habe - haute er ab, als wären alle Teufel hinter ihm her. Kann mir das mal einer erklären? Skinny ist doch sonst nicht so schreckhaft.« Justus schien zu überlegen, er knetete mal wieder seine Unterlippe. »Vielleicht dachte er, du hättest ihn noch nicht erkannt. Er nahm wohl an, das du bemerkt hattest, das du verfolgt wurdest und hoffte, durch seine Flucht doch noch unerkannt zu bleiben«, vermutete Bob. »Hat er vielleicht bemerkt, das du ihn nur weglocken wolltest?« fragte Justus. »Na klar: der Spinner macht sich so unauffällig aus dem Staub, das er dabei fast alle ihm entgegenkommenden Leute umrennt. Bob: Skinny Norris ist zwar blöd, aber so blöd nun auch wieder nicht«, meinte Peter spöttisch. »Und Just: Skinny ist sofort zum Ausgang gerannt. Er hat gar nicht bei den Schließfächern halt gemacht. Das hätte er doch bestimmt getan, wenn er unsere List durchschaut hätte, oder?« Justus schwieg wieder und beäugte mißtrauisch das kleine Büchlein auf dem Tisch. Nun wurde auch Peter aufmerksam auf den Gegenstand: »Das Teil war in dem Schließfach? Und... was steht drin?« Bob nickte. »Ist wohl so eine Art Adreßbuch - sicher das von -78-
Masterson. Jedenfalls stehen eine Menge Namen mit Anschriften und Te lefonnummern drin. Aber sonst ist eigentlich nichts besonderes an dem Buch - zumindest ist mir bisher nichts aufgefallen.« Justus schwieg weiter - er schien gerade gedanklich eine schwere Nuß zu knacken. »Zeig mal her«, forderte Peter von Bob. Der reichte ihm das Buch und Peter begann zu blättern. Säuberlich und in eingrenzenden Tabellen gezwängt waren dort einige Namen und Adressen in ungewöhnlich kleiner, einfacher Schrift mit der Hand eingetragen worden. »Da braucht man ja fast eine Lupe«, bemerkte der Zweite Detektiv, las aber sofort interessiert weiter. Die Namen sagten dem Zweiten Detektiv auf den ersten Blick aber nicht viel und so schlug er Seite um Seite um, bis er am Ende des kleinen Notizbuches angekommen war. Dann nahm Peter den Einband näher unter die Lupe, fand aber auch dort nichts Auffälliges und legte es wieder auf den Tisch zurück man sah ihm an, das er genau so schlau wie vorher war. »Masterson schien ja eine Menge Freunde gehabt zu haben... aber wie bringt uns das jetzt weiter? meinte Peter und rümpfte die Nase. Doch er erhielt keine Antwort: Bob sah genau so hilflos auf das Büchlein wie er selbst und Justus... Justus blieb stumm. »Just, hast du eine Idee?« Peter hatte bemerkt, das Justus sich eigentlich seit seinem Eintreffen recht still verhalten hatte - ziemlich untypisch für seinen Freund. »Sag mal, Bob: Masterson war doch Brillenträger, oder?« wollte Justus Jonas plötzlich wissen. Bob schaute seinen Freund überrascht an. Mit so einer Frage hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Ja... äh... weitsichtig, soweit ich weis. Er brauchte ja eine Lesebrille. Aber wie kommst du denn jetzt darauf?« antwortete der für Recherchen und Archiv zuständige Detektiv dann. »Kollegen: ein Bild mit einer Rätselbotschaft, das rein -79-
zufällig in unserem Wirkungsbereich auftaucht; zwei mysteriöse Gestalten, die sich nicht zu erkennen geben wollen; Skinnys seltsames Verhalten... irgend etwas stimmt doch hier nicht!« Peter und Bob sahen sich verwirrt an. »Wieso? Ist doch genau so ein verzwickter Fall wie immer: ein Rätsel, ein paar Unbekannte und so weiter. Oder bist du sauer, weil du mal nicht sofort durchblickst, Just?« wollte Peter wissen. »Peter, denk doch mal nach. Ein Bild mit Rätsel, das genau dann hier in Erscheinung tritt, als wir gerade nichts zu tun haben. Ein Eindringling, der mehrfach hier auftaucht, um ein Sache zu suchen, die nur einige Schritte vom Eingang entfernt liegt - also leicht zu finden ist, oder? Ein unheimlicher Finsterling, der auch plötzlich auftaucht, uns zwar Angst einjagt, aber sonst nichts Großartiges gemacht hat. Und genau diese Person scheint bestens über uns Bescheid zu wissen. Und Skinny Norris steckt auch noch mit in der Sache, will aber nichts mit uns zu tun haben - wo er doch sonst jede Möglichkeit nutzt, uns zu verhöhnen. Also, irgendwie gibt mir das zu denken.« »Versteh ich immer noch nicht. Skinny hängt mit drin - OK. Aber vielleicht hat er sich wieder einmal anheuern lassen, um uns eins auszuwischen. Du kennst doch Skinny: wenn der eine Möglichkeit hat, uns zu schaden, dann macht er sofort mit«, meinte Peter wieder. Auch Bob nickte: »Stimmt, Peter. Es ist wohl so, das irgend jemand - vielleicht einer der beiden Unbekannten - Skinny nach uns ausgefragt hat. Das ist uns ja schon des öfteren passiert. Das würde zumindest erklären, warum Unbekannter Nr.2 - der Schattenmann - so viel über uns weis. Und dann hat er irgendwann Skinny Norris beauftragt, uns zu beschatten. Ist doch günstig für diesen Schattenmann: er bleibt unerkannt, muß uns nicht andauernd nachlaufen und weis trotzdem über jeden -80-
unserer Schritte Bescheid. Und Skinnys wilde Flucht... vielleicht dachte er wirklich, wir hätten ihn noch nicht erkannt. Was nutzt ein Beobachter, wenn die zu Beobachtenden ihn kenne? Also legte er Wert auf Anonymität und floh vor Peter.« Justus schien das nicht zu überzeugen. »Und rennt dabei Passanten um? Kollegen, ich will es anders ausdrücken: wir finden ein Bild, das laut Anschein schon seit Tagen auf dem Gelände herumliegt, richtig? ›Seit Tagen‹, weil der Bildersucher hier so oft auftauchte. Denkt nach, Freunde: was haben wir gemacht, als Onkel Titus uns von dem mysteriösen Besucher erzählte?« Peter und Bob taten, wie ihnen befohlen: sie dachten, wenn auch mit Stirnrunzeln nach. Doch das dauerte Justus Jonas zu lange, so das er sich selbst die Antwort gab: »Wir haben den ganzen Schrottplatz nach Hinweisen untersucht - wir dachten ja erst, der Eindringling hätte etwas gestohlen. Als sich das als nicht richtig herausstellte, suchten wir nach Spuren... und wir fanden wieder nichts. Der einzige Beweis für das Vorhandensein des nächtlichen Eindringlings waren die zufälligen Beobachtungen von Onkel Titus und Kenneth an den betreffenden Abenden, richtig?« Seine beiden Freunde nickten zustimmen Justus sah Peter und Bob eindringlich an. »Kollegen: glaubt ihr nicht, das wir bei unseren Geländeuntersuchungen dann nicht schon viel früher das Bild hätten finden müssen? Peter war sprachlos und auch Bob runzelte verwirrt die Stirn. »Also«, machte der Erste Detektiv weiter, »wurde das Bild doch von dem nächtlichen Besucher am Auffund-Tage mitgebracht! Warum, frage ich euch nun? Mir fällt nur ein logischer Grund ein - die Person wollte, das wir das Bild finden. Aufgetaucht ist sie nämlich seit unserem nächtlichen Bilderfund hier nicht mehr. Und dann noch etwas: wir waren ja übereingekommen, das der Bildersucher und der Schattenmann -81-
gegeneinander arbeitenden Parteien angehören, richtig? Wer war dann dieser Unbekannte im Hause Mastersons? Der einzige, von dem wir wissen, das er die Rätsel kennt, ist unser unfreundliche Zwischenfall an der Bücherei. Der Schattenmann war es aber bestimmt nicht, der uns im Haus überraschte. Der hätte dich nicht niedergeschlagen, Bob. Der währe doch wohl eher lachend oder zumindest prahlend aus dem Haus gegangen. Auch, wenn er vorerst unerkannt bleiben wollte: so weit würde er dann doch nicht gehen, oder?« Bob nickte, und rieb sich dabei unbewußt über die Beule an seinem Hinterkopf, die nur noch leicht schmerzte. Justus hatte sich richtig in Rage geredet, so das er nicht zu stoppen war: »Und der Bildersucher? Der käme schon eher in Frage... aber warum kennt der plötzlich den Rätseltext? Er suchte doch das Bild mit dem Brief - so schien es zumindest. Er hat ihn zwar gefunden, aber sofort wieder verloren. Zeit, sich das Schreibstück durchzulesen, hatte er bestimmt nicht - dafür war es auch zu dunkel. Folglich kann er den Inhalt des Briefes gar nicht kennen. Wenn er es aber war, der dich in Mastersons Haus niedergeschlagen hat... was hatte er dann dort zu suchen? Oder kennt er den Brief von Thomas Masterson doch? Was wiederum nicht erklären würde, warum er dann andauernd hier auftauchte.« »Er hat das Bild doch hier versteckt, um es später wieder abzuholen«, erinnerte Bob seinen Kollegen. »Falsch, Bob! Wir VERMUTEN nur, das er es hier versteckt hat... auf der Flucht vor seinen Widersachern. Bei näherem Nachdenken ist das aber völliger Blödsinn! Ein Bild hier verstecken... OK, das würde bei der Flucht nur behindern - wenn die Person überhaupt auf der Flucht war. Aber einen Brief? Den hätte die Person doch einfach eingesteckt, oder? Wenn es also nicht der Brief war, der den Bildersucher immer wieder zu uns lockte, was war es dann?« -82-
»Bildersucher.... sagt der Name doch schon: er wollte das Katzenbild haben. Vielleicht ist das Bild doch wertvoller, als wir dachte?« meldete sich nun auch der mehr als verwirrte Peter wieder zu Wort. »Nein, Peter. Ich habe es Onkel Titus gezeigt, der kennt sich ja mit solchen Sachen aus und kann das deshalb besser beurteilen. Onkel Titus meinte, das dieses Bild materiell nicht von großem Wert sein kann - es ist keine Antiquität und auch nicht von einem bekannten Künstler. Mehr als ein paar Dollar springen beim Verkauf sicherlich nicht heraus.« Die drei Jungen schwiegen, diese neuen Gesichtspunkte mußten sie erst einmal verarbeiten. Allein Blacky krächzte vergnügt vor sich hin. Bob brach zuerst das Schweigen: »Vielleicht ist das Bild ein wichtiger Bestandteil des Rätsel - ohne das Ding kann man die gesamten Texte nicht vollständig entschlüsseln? Der Bildersucher bemerkte seinen Fehler, als er das Gemälde hier hinterließ... er brauchte es aber nun wieder und versuchte es zu holen. Just, ich bin inzwischen auch davon überzeugt, das der Mann das Bild hier ablegte. Er wußte, das wir uns mit Feuereifer auf die Rätsel stürzen würden, wollte also ganz bewußt, das wir die Rätsel für ihn lösen. Er kam alleine mit dem Text nicht weiter, und hörte dann irgendwie von uns - vielleicht durch Skinny Norris. Skinny gab ihn die Infos über uns, und die Beiden verbündeten sich. Dann kam er hierher, und legte das Bild ab... zu früh, wie es scheint.« »Das klingt logisch«, vermerkte Peter. »Der Bildersucher brauchte jemanden, der ihm bei der Entschlüsselung der Rätsel weiterbringen konnte. Offiziell konnte er ja nicht zu uns kommen: wenn er uns beauftragt hätte, die Botschaft zu entschlüsseln, hätten wir ihn bestimmt gefragt, woher das Bild kommt - oder hätten selbst herausgefunden, das es aus einem Diebstahl stammte. Dann hätten wir bestimmt den Fall -83-
abgelehnt, oder ihn an die Polizei weitergeleitet. Also mußte er es anders versuchen. Er legte das Bild hier ab, wir fanden es und schon kam die ganze Sache ins Rollen. Vorher hat Skinny ihm alles über uns gesagt, und die Beiden arbeiten seitdem zusammen.« »Dann sind es aber alle Drei, denn Unbekannter Nr.2 - der Schattenmann vor der Bibliothek - weis auch von unserer Detektivtätigkeit.« Justus rieb sich an der Nase. »Gut... zugegeben: das könnte möglich sein. Aber irgendwie schmeckt mir die Sache trotzdem nicht! Wenn man uns die Rätsel gab, um sie für sich selbst lösen zu lassen, wie paßt dann der Schläger aus Mastersons Haus in das ganze Bild - der war ja VOR uns im Haus? Und Skinny: er beobachtet den Bereich der Schließfächer am Bahnhof. Weis er, das ein Teil des Rätsels genau in diesem Bereich gelöst werden kann - und wenn ja, warum blieb er untätig und holte sich das Notizbuch nicht selber?« Der Dritte Detektiv schlug sich an die Stirn. »Mensch... das hab ich ja ganz vergessen: in dem Haus von Thomas Masterson gibt es einen Raum - eine Art Kunstzimmer, in dem verschiedene Gegenstände zusammengetragen wurden - in dem Bilder hängen, die wohl vom gleichen Maler wie unser Katzenbild sind. Und eins fehlte dort, als ich mir das Zimmer genau ansah. Die Größe des fehlenden Bildes könnte mit dem Unserem identisch sein... also hat vielleicht die bucklige Katze mal dort gehangen, bevor sie bei uns auf dem Schrottplatz auftauchte. Und die Person, die das Bild dort geklaut hat, dachte vielleicht, das sie im Haus noch weitere Hinweise finden würde. Damit wäre doch erklären, warum der Strolch, der mich niedergeschlagen hat, dort herumgeisterte«, sagte Bob. Auch Peter, der dem Gespräch seiner Freunde gespannt zugehörte, meldete sich wieder: »Und Skinny... er hatte ja -84-
keinen Schlüssel für das Schließfach. Vielleicht wo llte er das Schloß ja irgendwann aufbrechen, wenn im Bereich der Schließfächer nicht so viel Betrieb war... dann hätte er halt nur zu warten brauchen und den Eingangsbereich der Fächer im Auge behalten müssen - was er ja auch tat. Sicherlich lösen unsere Gegner weiterhin auf eigene Faust die Rätsel - sicher ist sicher - und vielleicht warten sie gleichzeitig auch darauf, das sie uns bei Gelegenheit die Beute abjagen können, je nachdem, wer schnell ist, die Botschaft Mastersons zu entschlüsseln.« »Nein Kollegen, ich bleibe dabei: hier ist etwas oberfaul! Da währe zum Beispiel noch -«, meinte Justus dickköpfig, wurde aber sofort unterbrochen. »Just, hör doch auf, immer neue Rätsel aufzustellen. Lösen wir doch erst einmal die Alten, bevor mir bei dem vielen Nachdenken noch der Kopf platzt«, jammerte der Zweite Detektiv. Justus schwieg. Vielleicht hatte Peter ja recht, und er sah nur Gespenster. »Also: ›Mein Schutz macht es vor, doch ohne L‹. So ein Blödsinn«, las Peter Shaw laut aus dem Rätselbrief vor und gab auch gleich einen Kommentar von sich, nachdem er das gefundene Notizbuch noch einmal genau untersucht hatte. Dann schwiegen die drei Jungen - jeder hing seinen Gedanken nach. Bob Andrews und Peter Shaw beäugte das kleine Lederbuch mißtrauisch, dann den Zettel mit der Rätselbotschaft - sie fanden keine rechte Lösung. Justus schwieg - er war immer noch in seinen Grübeleien verstrickt und schien nicht recht bei der Sache zu sein. Nervös knetete er mit den Fingern seine Unterlippe. Doch plötzlich lachte Peter auf: »Kollegen, wir haben hier ein Notizbuch mit Namen und Anschriften. Und das Rätsel gibt ganz bestimmt den Hinweis auf eine weiter Spur. Schutz... ohne L...« Dann blätterte er wie wild das kleine Büchlein durch, seufzte aber sofort enttäuscht auf. -85-
»Was hast du denn, Peter?« fragte Bob neugierig. »Ich dachte, ich hätte einen Einfall gehabt. Das Buch ist aus Leder. Leder schützt das Buch. Leder ohne L... ich dachte, das würde einen Namen ergeben, den man im Buch finden kann. Klarer Fehlschuß! So einen Name sucht man in dem Buch vergebens «, meinte Peter resignierend. Justus blicke auf - Peter hatte ihn aus seinen Überlegungen gerissen. »Brillant kombiniert, Zweiter! Mit einem kleinen Fehler: mit Schutz ist nicht das Buch gemeint. Dieser Schutz bezieht sich doch auf den Brief mit den Rätseln. Es heißt ja: ›MEIN Schutz‹, also der Schutz dessen, worauf das Geschriebene steht. Also ist das Bild gemeint - da war der Brief ja schließlich drin. Bild... ohne L... gibt es den Namen ›Bid‹ in dem Buch?« Peter blätterte erneut das Buch durch, mußte aber wieder den Kopf schütteln - das war es also auch nicht. Doch Justus gab sich nicht geschlagen, er hatte schon eine neue Vermutung: »Hm... ›Mein Schutz macht es vor‹... was macht das Bild? Als Gegenstand nichts... aber der Inhalt! Denn das Bild zeigt eine Katze... in ›Katze‹ ist kein ›L‹ drin, schwarze Katze geht auch nicht. Aber ›Buckel‹: die Katze macht ja einen Buckel«, rätselte der dickliche Junge weiter »Buckel ohne L... BUCKE! Und einen Bucke gibt es in dem Buch, das weis ich genau.« Justus Jonas hatte ein sehr gutes Gedächtnis. Was er einmal las, merkte er sich - oder behielt es zumindest im Kurzzeitgedächtnis. Und der Name Bucke war ihm schon vorher aufgefallen. Der stand nämlich in dem kleinen Notizbuch auf der letzten Seite, abgegrenzt von den anderen... so, als ob der Schreiber gerade diesen Namen besondere Aufmerksamkeit schenken wollte. Diesmal schnappte sich der Erste Detektiv das lederne Buch, und blätterte eine bestimmte Seite auf: »Hier, Bucke... James Bucke... Harlington Road 43... Seaside. -86-
Treffer, Kollegen!« »Super, Just. Dann hätten wir fast alles Rätsel gelöst«, meinte Bob fröhlich. Dabei lächelte der Junge die Freunde freudig an. Doch nur Peter grinste zurück - Justus war nach seinem Rätselbeitrag wieder seltsam ruhig geworden und blickte verwirrt auf das kleine Notizbuch in seinen Händen - knackte er bereits das letzte Rätsel? »Ja, worauf warten wir dann noch, Freunde? Auf, auf: das Vermögen des Thomas Masterson rückt in greifbare Nähe. Wir verständigen Morton - der fährt uns bestimmt sofort dorthin«, lachte Peter Shaw kühn und griff zum Telefon. Justus Jonas hatte vor einiger Zeit den ersten Platz in einem Preisausschreiben gewonnen: 30 Tage lang durften sie in einem sündhaft teuren Rolls Royce herumkutschieren. Dieser Wagen beinhaltete auch eine Fahrer - Morton eben. Das war nicht nur beeindruckend - wenn die drei Jungen so ausgestattet zu ihren Klienten fuhren - sondern auch sehr sinnvoll: die drei Detektive hatten ja keinen Führerschein - dafür waren sie noch zu jung. Nachdem die 30tägige Frist beendet war, fand sich zum Glück ein Sponsor, der den weiteren Gebrauch des Wagens finanziell sicherte - August August, ein ehemaliger Klient, dem die drei Freunde einmal sehr hilfreich wa- ren. Also konnten die drei Fragezeichen auch weiterhin auf den Wagen und vor allem auf Morton, der den drei Jungen ein guter Freund geworden war, zurückgreifen. Nachdem der Anruf erledigt war - Morton versprach, sofort zu kommen - stürmten Peter und Bob übermütig los und waren schon halb aus der Zentrale raus, als Justus meinte: »Freunde, geht allein zu der Adresse. Ich hab etwas anderes vor - mir ist da gerade so eine Idee gekommen. Aber seid ja vorsichtig und achtet auf alles, was ungewöhnlich sein könnte. Seht euch erst einmal um und berichtet mir dann, ob euch etwas seltsames -87-
aufgefallen ist. Und vor allem: haltet Ausschau nach Skinny oder den anderen Beiden - wer immer sie auch sein mögen.« Peter und Bob waren überrascht. Justus Jonas, der große Denker in Team der Juniordetektive entzog sich freiwillig der Aufklärung eines Rätsels - das war schon ein Hammer! Doch die beiden Freunde ließen sich von dem seltsamen Verhalten ihres Freundes nicht aufhalten. Nachdem sie Justus Jonas noch einmal versprochen hatten, vorsichtig zu sein, krochen Peter und Bob durch einen der Geheimgänge - der unterirdisch verlegt war und in der Werkstatt des Schrottplatzes endete - wieder ins Freie, um dort auf Morton zu warten. Justus wiederum begab sich in den kleinen Raum, der gleich an das Büro der drei Fragezeichen angrenzte - er hatte noch etwas zu klären... Na? Habt ihr dieses Kapitel heil überstanden? Eine Menge Informationen, eine Menge Vermutungen, nicht wahr? Es gehört zum Alltag eines Detektivs, Theorien aufzustellen und sie bei Bedarf auch wieder zu verwerfen - was uns die drei Freunde ja gerade auf bemerkenswerter Weise bewiesen haben. Konntet ihr allen Vermutungen von Jonas-Junior folgen? Wenn nicht, seid nicht traurig: Justus versteht es blendend, seinen Gegenüber schwindlig zu reden - ein Grund auch, warum seine Freunde immer die Augen verdrehen, wenn der stämmige Junge zu einer seiner berüchtigten Reden ansetzt. Justus Jonas ist aber auch immer wieder aufs neue für eine Überraschung gut: Er, der sich in vielen Fällen schon als spezialbegabter Rätselfuchs ausgezeichnet hat, läßt seine Kollegen allein einer heißen Spur nachgehen. Oder verfolgt er diese Spur doch selbst weiter... nur auf eine andere, speziellere Art?
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Begegnungen »Sieh mal Peter... hier müßte es sein.« Bob Andrews schaute noch einmal prüfend in sein Notizbuch, in dem der für Recherchen und Archiv zuständige Detektiv vorsorglich die Adresse von James Bucke eingetragen hatte, dann schaute er wieder auf. »Ziemlich einsame Gegend«, bemerkte Peter Shaw und sah durch das Autofenster auf das sich ihm bietende Bild der Umgebung. Die Harlington Road war eigentlich mehr eine Art Küstenstraße mit an den Seiten gepflanzter Bäume, an dem im größeren Abstand auf der rechten Seite ab und zu mal ein kleines Haus mit Vorgarten auftauchte. Da diese Straße außer dem Gezwitscher vereinzelter Vögel, dem Rascheln der Bäume und Büsche und dem Gebrumme gelegentlich vorbeifahrender Autos in einer geradezu entspannenden Ruhe lag, konnte man bei genauerem Hinhören den Pazifischen Ozeans hören, das links der Straße einige Meter tiefer gegen die Steilküste schlug. Möwen zogen hier und da ihre Bahnen. Das Blaue des Meeres, das Grün der Pflanzen und die geschmackvollen Häuser gingen in eine farbliche Harmonie über, die der Umgebung einen besonderen Reiz verlieh. Eine wirklich schöne Wohngegend, wenn man die Einsamkeit und Ruhe liebt, so fand zumindest Bob. Der silberfarbene Rolls Royce hielt fast lautlos vor dem Haus mit der Nummer 43, einem kleinen, zweistöckigen Flachdachgebäudes mit Balkon. Der Vorgarten - eine größere Rasenfläche mit einem kleinen Steinweg, der von der Straße zum Haus hinüber führte - wurde von einer hüfthohen Hecke umzäunt, der aber wohl mehr Blickfang denn ernsthafte Umzäunung war, um z.B. unliebsame Besucher abzuhalten. Im Garten selbst tollten zwei Kleinkinder ausgelassen herum, die nun aber neugierig aufsahen, als der schwere Wagen vor ihrem -89-
Haus hielt. »Wir währen da, die Herrschaften«, meldete Morton überflüssiger Weise, doch wie immer die Etikette einhaltend. Morton war mit Leib und Seele Chauffeur. Und ebenso Brite immer darauf bedacht, den Anstand zu wahren. Seine Einstellung war: wer so ein vornehmes Auto wie einen Rolls Royce fuhr, mußte dementsprechend auch die nötige Würde und gute Manieren mitbringen - eine Denkensweise, die sehr positiv bei seiner zum größten Teils älteren und vermögenden Kundschaft ankam. Peter und Bob stiegen aus und begaben sich zur Fahrerseite des Wagens. »Prima, Morton. Dann holen Sie uns bitte wie vereinbart in zwei Stunden wieder ab. Bis dahin müßten wir eigentlich hier fertig sein«, meinte Bob. »Sehr wohl, die Herrschaften«, sagte Morton würdevoll, »ich wünsche den Herrn Detektiven viel Erfolg.« Morton lächelte noch einmal freundlich, dann fuhr der Wagen an und verschwand bald hinter einer Kurve. Peter, der dem Rolls Royce nachdenklich hinterher sah, meinte zu seinem Freund: »Schade, das Morton nicht mehr Zeit hat. Mir währe es lieber gewesen, wenn wir einen Erwachsenen dabei gehabt hätten, wenn wir diesen Bucke aufsuchen. Wer weis, was jetzt wieder für Gefahren auf uns lauen.« »Also: vorerst sieht es so aus, als ob die einzige Gefahr von diesen beiden gemeingefährlichen Wickelbabys ausgehen würde, die da im Garten wahrhaft schändliche Dinge tun«, flüsterte Bob Andrews im verschwörerischen Ton und machte ein bitterernstes Gesicht. Peter knurrte: er fühlte sich von seinem Kollegen auf den Arm genommen. Doch Bob grinste nur und setzte gerade zu einer noch viel spöttischeren Bemerkung an, als eines der Kinder, die inzwischen zum Heckenzaun gerannt kamen, ihn ansprach. -90-
»Schöööön... Brummbrumm... schööön«, strahlte das kleine Mädchen, und ihr noch jüngerer Bruder nickte wild mit dem kleinen Kopf. »Ja, meine Kleine. Das ist ein Rolls Royce, ein sündhaft teurer Wagen, mit einer Spitzenleistung von -«, wollte Peter erklären, wurde aber wütend von Bob unterbrochen, »- der von unserem Chauffeur gefahren wird, der Brite ist und rosa Unterwäsche trägt... sag mal: spinnst du, Peter? Als ob die Knirpse wissen wollen, was eine Rolls Royce unter der Haube hat, du Trampel!« Die beiden Kinder kicherten. Natürlich hatten sie kein Wort von dem verstanden, was ihnen die beiden Detektive sagen wollten - sie fanden es aber höchst lustig, wie der große Junge sich mit dem kleineren Jungen stritt. »Also«, versuchte es Bob diesmal selbst, »wer seid ihr Beiden denn?« Bob hatte seiner Stimme extra einen weichen Klang gegeben damit er die Kinder nicht verschreckte. »Tina«, meinte das Mädchen stolz, »und Timmy.« Dabei zeigte sie auf den kleinen Jungen, der wiederum erneut heftig nickte. »Also: Tina und Timmy. Hallo, ihr Beiden. Ich bin Bob«, dabei zeigte der Jugendliche auf sich, »und das ist mein Freund Peter.« Peter Shaw lächelte etwas gequält - mit kleinen Kindern konnte der Zweite Detektiv nicht besonders gut umgehen. Er wußte dann nie, was er machen sollte und wurde dementsprechend immer etwas nervös. »Bob«, kicherte die kleine Tina, »Bobobob«. Sie fand den Namen wohl irgendwie ulkig. Timmy hingegen hatte das Interesse an den Neuankömmlingen schon wieder verloren. Der Junge hatte einen Käfer auf dem Rasen entdeckt, den er einfach unbedingt genauer untersuchen mußte! »Richtig«, bestätigte Bob Andrews, der sich vom Kichern des Mädchens nicht aus der Ruhe bringen lies. »Sag mal, Tina: ist -91-
deine Mama oder dein Papa Zuhause?« Tina nickte, dann schüttelte sie wieder den Kopf, dann nickte das Mädchen wieder und lächelte verlegen. Bob und Peter schauten sich irritiert an: was hatte das denn nun zu bedeuten? Doch bevor die Detektive Nachfragen konnten, hörten sie vom Haus her eine strenge, weibliche Stimme: »Tina, komm sofort ins Haus!« Bob und Peter schauten auf und entdeckten an der nun geöffneten Haustür eine junge Frau, die zornig zu den beiden Jungen herüber schaute. »Und ihr verschwindet von hier! Und sagt eurem Freund, das ich die Polizei rufe, wenn er sich hier noch einmal blicken läßt. Das gleiche gilt auch für euch«, rief sie wütend. Tina rannte auf ihren kleinen Beinen pfeilschnell zu der Frau und auch der kleine Timmy tauchte wieder auf - die Kinder verschwanden ins Haus. »Verzeichen sie, Mrs... äh... wir wollten doch nur -«, versuchte Bob Andrews zu erklären, wurde aber gleich von der Frau unterbrochen: »Ach, haut endlich ab.« Dann knalle sie die Tür zu. »Aber hallo, mit welchem Fuß ist die denn heute aufgestanden?« knurrte Peter gereizt. »Da stimmt doch was nicht«, vermutete Bob und schaute seinen Freund verwirrt an. »Haben wir irgendwas falsch gemacht?« fragte er dann selbstzweifelnd. »Quatsch! Wir haben uns doch nur mit den Kindern unterhalten. Diese streitsüchtige Henne ist bestimmt die Mutter von den Knirpsen. Ob das Mrs. Bucke war?« »Keine Ahnung. Aber wer immer das war: die Dame ist nicht gerade gut auf uns zu sprechen.« Peter schaute suchend auf das kleine Gartentor, das in der -92-
Hecke eingelassen und der Zugang zum Haus war. Er suchte ein Namensschild und eine Klingel - beides fand er sogleich. »Sieh mal, Kollege: zwei Namensschilder. Sieht wohl so aus, als ob Mr. Bucke nicht allein wohnt«, machte der Zweite Detektiv seinen Freund aufmerksam. »Dann müßte die Gewitterziege wohl Marian She lford heißen - so steht es zumindest hier.« »Also eigentlich ist es mir ziemlich egal, wie die Dame heißt. Viel mehr würde mich interessieren, was die Frau gegen uns hat«, brummte Bob Andrews ungehalten, holte dann aber doch sein kleines Notizbuch heraus und schrieb sich den Namen auf schon allein, um Justus Wissensdurst zu stillen, wenn die drei Detektive wieder zusammenkamen. »Soll ich mal klingeln?« fragte Peter nicht gerade begeistert. »Das hat wohl im Moment keinen Sinn. Die Frau schien mir so, als ob sie kurz davor währe, uns mit dem Besen eins überzuziehen. Fragt sich nur, was wir jetzt machen? Morton ist wohl noch eine Weile unterwegs, bis er uns wie vereinbart wieder abholt.« »Wir könnten uns ja die Gegend mal genauer ansehen«, meinte Peter Shaw tatendurstig. »Stimmt eigentlich. Vielleicht kriegen wir in der Nachbarschaft heraus, warum uns die Frau so angekeift hat«, stimmte ihm Bob zu und schaute sich suchen um. »Da hinten... das Haus da liegt am nächsten. Schließlich müssen wir ja irgendwo anfangen.« Die beiden Freunde gingen in Richtung des angegebenen Hauses, das einige Meter vom Grundstuck Buckes entfernt lag. Doch schon nach wenigen Schritten blieb Pe- ter wie erstarrt stehen. Er schaute kurz angestrengt zu einer bestimmte Stelle, dann drehte er sich abrupt um und schaute zum Meer hinaus - in genau die entgegengesetzten Richtung. -93-
Bob, der das seltsame Benehmen seines Freundes nicht verstand, wollte gerade Nachfragen, als Peter zischte: »Bob, da hinten ist jemand! Der Typ beobachtet uns.« Bob drehte sich instinktiv in die Richtung, in die Peter gerade noch so gebannt gestarrt hatte, wurde aber von dem Zweiten Detektiv an der Schulter zurückgezogen. »Nicht hinsehen! Ich glaub, der Kerl hat noch nicht bemerkt, das ich ihn gesehen habe.« Nun schaute auch Bob ›interessiert‹ auf das Meer hinaus. Peter wiederum tat so, als ob er seine Freund etwas erklären würde: er zeigte auf das bewegte Wasser hinaus, dessen Wellen sich schäumend weit unter ihnen am Felsen brachen, und machte Gesten mit den Händen. In Wirklichkeit aber flüsterte er: »Na klasse, und was machen wir jetzt?« Bob überlegte. Wer war dieser neugierige Mensch - einer ihrer Gegner im Fall Blutige Botschaft? Und wenn ja: wer? Und vor allem: wie und vor allem: warum kam er hierher? Peter machte sich die gleichen Gedanken: »Kollege, wenn das unser nächtlicher Besucher ist, dann wird er wohl die Flucht ergreifen, wenn wir ihm zu nahe kommen. Und wenn das diese Flüstertüte ist, die uns vor der Bibliothek aufgelauert hat, dann sollten besser wir IHM nicht zu nahe kommen!« »Und wenn das einfach jemand ist, der sich nur rein zufällig für uns interessiert?« meinte Bob zweifelnd. »Justus meinte, wir sollten kein Risiko eingehen - ein Rat, den ich nur zu gerne befolge! Gut, das unser Pummelchen nicht dabei ist. Der würde jetzt bestimmt ohne Rücksicht auf Verluste auf den Typen zugehen und ihn anquatschen. Aber ohne mich! Weist Du, was wir jetzt machen? Wir machen uns aus dem Staub. Wir sind bestimmt schneller als der.« -94-
»Hey, selbst wenn das der Schattenmann ist... das hier ist eine öffentliche Straße, wo jederzeit jemand vorbeikommen kann. Der Mann - wer immer es auch ist - wird doch wohl nicht das Risiko eingehen, uns hier zu bedrohen.« Peter schaute seinen Freund wütend an: »Klar... so öffentlich ist die Straße, das ich irgendwie keine einzige Menschenseele erblicken kann - du vielleicht? Nein... kein Risiko... wer immer das ist, wir müssen ihn loswerden. Also... diese Richtung«, der Zweite Detektiv schaute auffordernd die Straße entlang, »und zwar pronto!« Dann lief der sportliche Junge los und Bob blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen...
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Justus forscht nach Justus war mit sich und der Welt zufrieden. Nachdem seine beiden Kollegen mit Morton abgezogen waren, hatte sich der dicke Junge in das Fotolabor der drei ??? zurückgezogen. Dem Ersten Detektiv war nämlich etwas sehr entscheidendes aufgefallen: die Beweisstücke, die ihm vorlagen, hatten... unterschiedliche Schriftarten! Justus hatte die ganze Zeit schon gegrübelt, was es damit zu bewerkstelligen hatte. Der Rätseltext auf dem Pergament aus dem Katzenbild hatte eine zwar schöne, aber altertümliche und schwer zu lesende Schreibschrift gehabt - eine, wie sie z.B. viele ältere Leute in ihrer Jugend gelernt hatten und immer noch bevorzugten. Diese Schrift stimmte überein mit der Schrift, die Bob im Hause Mastersons im Papierkorb gefunden hatte. Schön und gut... aber warum waren dann die Adressen in dem Notizbuch, das die drei Jungen aus dem Schließfach bekommen hatten - und das wohl augenscheinlich auch zu Thomas Mastersons Besitz gehörte - in sehr kleinen DRUCKBUCHSTABEN verfaßt? Ein Mensch, der Notizen - wie hier die Adressen seiner Freunde - aufschrieb, würde das doch bestimmt in seiner ihm eigenen Handschrift tun. Vor allem, wenn ihm bewußt war, das diese Notizen eigentlich nur für ihn selbst von Nutzen sein würde. Und dann würde man es nicht so aufschreiben, das man es selbst nur schwer entziffern konnte - Masterson war Brillenträger und hätte mit der winzigen Schrift bestimmt so seine Probleme gehabt. Weiterhin würde diese Person die Druckschrift - wenn nicht gerade ein Bestandteil seiner natürlichen Schrift - doch bestimmt nur benutzen, wenn er sichergehen wollte, das auch andere Menschen das -96-
Geschriebene ohne Probleme lesen könnte, so vermutete der Erste Detektiv weiter. Gut, zugegeben: eine kleine Ungereimtheit in diesem Fall vielleicht hatte die Tatsache der unterschiedlichen Schriftarten keinerlei Bedeutung. Aber der Fall hatte zu viele dieser ›kleinen‹ Ungereimtheiten, das Justus einfach übermäßig mißtrauisch wurde. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht, das konnte Justus Jonas fast riechen. Dann fielen ihm immer mehr dieser Merkwürdigkeiten auf. Ein Zettel, der jahrelang sicher in der Hülle eines Bildes steckte - also vor Witterungsschäden wie Staub und trockener Luft bestens geschützt war... konnte der so stark vergilben wie dieser Rätseltext es war? Und das Notizbuch... es muß ja dann ebenso lange in dem Schließfach zugebracht haben wie der Rätseltext in dem Bild. Warum sah es eigentlich aus wie neu? Denn das kleine Büchlein wies keinerlei Schäden des Alters auf. Der Text aus dem Mülleimer Masterson wies da schon stärkere Merkmale von natürlicher Alterung auf... aber so auffallend, wie bei dem Rätseltext war das bei dem Zettel nun auch wieder nicht ausgeprägt. Das mit dem Schließfach hätte den dicklichen Jungen sowieso gleich stutzig machen müssen: der Gebrauch so eines Schließfaches beschränkte sich in Amerika auf höchstens einen Monat. Wer also sein Gepäck - oder was auch sonst - länger als einen Monat in dem Schließfach ließ, mußte es dann, wenn er Glück hatte, aus dem Fundbüro abholen. Denn das Fach wurde nach der abgelaufener Zeit unverzüglich geleert. Die Bahnhofsgesellschaft hatte dies beschlossen, nachdem immer wieder Leute ihr Gepäck in die Schließfächer gesteckt hatten, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Und sie hatten damit gleichzeitig die Fächer für andere Kunden unbenutzbar machte - schließlich sah es ja so aus, als ob das -97-
Fach gerade im Gebrauch war. Eine Zeituhr im Inneren der Schließtür prüfte immer nach, wie lange das betreffende Aufbewahrungsfach schon ohne Unterbrechung genutzt wurde... überschritt man diese Zeit, mußte man halt seinem Gepäck hinterherlaufen. Denn dann würde das Fach geleert werden, um es anderen, neuen Kunden wieder zugänglich zu machen. Wie also konnte Masterson sein Notizbuch - wenn es seines war - dann so lange unbemerkt am Bahnhof lagern? Justus war fest entschlossen, Licht in die Angelegenheit zu bringen, nachdem Peter und Bob nach Seaside aufgebrochen waren. Er begab sich wie gesagt sofort in das Labor der drei Detektive, einem Raum im Camper, den die Freunde zu einem Fotolabor umgebaut hatten. Dort lagerte Justus auch einige Chemikalien, die der Junge ab und zu brauchte - z.B. für die Spurensicherung - und die dieser nun an dem Pergament ausprobierte. Justus, der nicht nur ein gescheiter Kriminologe sondern auch ein begeisterter Hobbychemiker war, wußte, das man Papier auch auf künstlichen Wege altern lassen konnte - in dem man das Papier z.B. bestimmten Witterungsbeständen in konzentrierter Form aussetzten würde. Und ob das geschehen war, konnte man prüfen. Das genau tat der Erste Detektiv... und fand genau das, was er vermutet hatte: der Rätseltext war beileibe nicht so alt, wie er aussah. Und Justus stellte noch mehr fest: die blutrote Tinte, mit der die Nachricht auf dem Schriftstück hinterlassen wurde, war nicht mehr als ein paar Tage alt! Justus Jonas fand noch Spuren von nicht getrockneter Tinte - mikroskopisch klein, aber ausreichend, um den Jungen davon zu überzeugen, das dieser Text unmöglich von dem schon vor Jahren verstorbenen Thomas Masterson sein konnte. Justus - zufrieden mit seiner unfehlbaren Spürnase - nahm sich nun nacheinander den fehlerhaften Brief aus dem Mülleimer Mastersons und dann das Notizbuch aus dem -98-
Schließfach vor. Bei dem Brief konnte er nichts ungewöhnliches vermerken: das Schriftstück schien tatsächlich das vermutete Alter aufzuweisen - zumindest fanden Justus Chemikalien nichts gegenteiliges. Das Notizbuch wiederum war ein glatter Volltreffer: wieder zeigte die chemikalische Flüssigkeit, die der Erste Detektiv auf eines der Blätter träufelte, die charakteristische Färbung, die bewies, das der Zell- stoff in dem Papier nicht besonders alt sein konnte. Also hatte Masterson auch mit diesem Fundstück rein gar nichts zu tun. Justus Jonas saß grübelnd über den Papieren. Jetzt, nachdem sich gerade die beiden entscheidenden Beweisstücke als Fälschung herausgestellt hatten, ergabt sich für den dicken Jungen ein völlig ne uer Gesichtspunkt: wer fälschte die Handschrift von Thomas Masterson und somit auch die ganze Rätselbotschaft? Wer lockte die drei ??? auf eine falsche Spur? Und vor allem, warum dann das Ganze? Ablenkung? Gab es den versteckten Schatz vielleicht doch... und ein Unbekannter hatte nur eine falsche Spur gelegt, um in aller Ruhe die richtigen Rätsel zu lösen? Aber warum wurden dann die drei Jugendlichen in diese Rätselspiel mit hineingezogen? Denn ohne den nächtlichen Schrottplatzbesucher hätten die drei Detektive wohl nie von ihrem jetzigen Fall erfahren. Oder aber... war dieser Fall vielleicht gerade FÜR SIE gedacht? Gab es gar kein verstecktes Vermögen? Wer konnte einen Grund haben, die drei ??? so an der Nase herumzuführen? Wer mochte... Justus stockte in seinen Überlegungen. Ein Name schoß ihm durch den Kopf! Aber... wie sollte der... obwohl: denkbar wäre es schon... aber der ganze Aufwand, nur um -. Da wurde Justus Jonas von einer ihm nur allzu vertrauten Stimme aus seinen Grübeleien gerissen. »Justus... Justus Jonas? -99-
Justus... wo steckst du denn schon wieder?« Tante Mathilda! »Verflixt. Währe auch zu schön gewesen, wenn man hier mal die nötige Ruhe hätte, um seinem Tagwerk nachzugehen«, brummte der Erste Detektiv verärgert. Immer, wenn Tante Mathilda rufend über den Schrottplatz lief, war Arbeit angesagt. Und Bob und Peter waren noch unterwegs, es würde also alles an Justus Jonas hängen bleiben. Stöhnend fügte sich der dicke Junge seinem Schicksal, kroch durch einen der Geheimgänge aus der Zentrale ins Freie und tauchte dann hinter seiner nach ihm suchenden Tante auf. »Was gibt es denn, Tante Mathilda?« fragte Justus ganz unschuldig - innerlich wohl wissend, was die resolute Frau von ihm wollte. Doch er irrte sich. »Da bist du Bengel ja«, lachte Mathilda Jonas erleichtert auf. »Justus, da ist Besuch für euch. Wo sind denn die beiden anderen Faulpelze?« Suchend sah sich Justus Tante nach Bob und Peter um. »Die sind unterwegs«, antwortete der Erste Detektiv automatisch. »Besuch? Für mich?« »Ja, ja, dieser furchtbare Junge ist da. Wußte gar nicht, das seine Familie wieder in der Stadt ist«, lies Tante Mathilda verlauten und ging schnellen Schrittes zum Büro des Gebrauchtwaren-Centers zurück - sie hatte einen neuen Kunden entdeckt, der winkend an der Tür zum Büro stand. Neugierig folgte ihr Justus ein Stück des Weges, bog dann aber zum Eingang ab... und blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, WER da am Tor zum Schrottplatz auf ihn wartete...
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Auflösung, mal anders Bob schaute immer wieder hinter sich. Er wollte sich selbst davon überzeugen, das ihnen niemand folgte. Doch der Junge konnte niemanden entdecken. Auch Morton schaute hin und wieder in den Rückspiegel, kam aber zu dem selben Ergebnis. Scheinbar hatten sie ihren Verfolger abgehängt. »Was für ein Glück, das wir Ihnen begegnet sind, Mr. Morton. Wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre die ganze Sache wohl nicht so glimpflich für uns ausgegangen «, meinte Peter Shaw glücklich, und lümmelte sich in den bequemen Rücksitz des Rolls Royce. »Kaum, als ich einige Kilometer angefahren war, bekam ich den Anruf über das Autotelefon, das meine anstehende Verpflichtung abgesagt wurde. Ich dachte mir sogleich, das es besser wäre, nach Seaside zurückzufahren, um wieder zur Verfügung zu stehen. Einen anderslautenden Auftrag habe ich ja derzeit nicht«, sagte Morton freundlich. Zum Glück hatte der Chauffeur so gedacht: er hatte die flüchtenden Jungen auf der Straße schon von Weitem bemerkt und sofort im Wagen aufgenommen. Der mysteriösen Verfolger der zwei Jungen - der hinter ihnen hergehetzt war, als Peter und Bob einen kleinen Sprint hingelegt hatten - hatte sich seitdem nicht mehr blicken lassen. Trotzdem fuhr Morton auf dem Heimweg zum Schrottplatz der Familie Jonas einige Umwege, um sicher zu gehen, das ihnen auch wirklich niemand folgte. Was aber bei genauerer Betrachtung eigentlich unnötig war, da der Bösewicht ja wohl wußte, wo der Treffpunkt der drei Detektive lag. Wie sonst hätte er die Spur des teuren Wagen aufnehmen können? Denn die beiden Freunde rechneten stark damit, das ihnen die Gestalt von Rocky Beach nach Seaside -101-
gefolgt ist. Geachtet hatten sie in Vorfreude auf die Klärung des letzten Rätsels bei der Hinfahrt nicht auf den Straßenverkehr... und hatten einen ihre Gegner damit wohl mit sich geführt. Ein schwerer Fehler, wie sich nachträglich herausgestellt hatte, aber das war den beiden Jungen jetzt egal. Geschehen ist geschehen ändern lies sich der Vorfall sowieso nicht mehr. Hauptsache, sie konnten Justus Jonas über die letzten Vorfälle aufklären. Was dann kommen sollte, konnten die drei Freunde wieder im Team beschließen. Vor dem Tor zum Gebrauchtwaren-Center verabschiedeten sich die Jungen von ihrem Chauffeur, der während der Fahrt über das Autotelefon bereits wieder einen neuen Auftrag bekommen hatte und somit nicht mehr verfügbar war. Dann begaben sich Peter und Bob auf dem schnellsten Wege zu ihrer Zentrale, wo sie ihren Chef Justus vermuteten. Sie kamen allerdings nicht weit, denn Tante Mathilda fing sie bereits nach wenigen Metern ab. »Da seid ihr Lausejungen ja wieder.« »Au weiha«, murmelte Peter, der wieder das schlimmste vermutete, »na, das kann ja heiter werden.« Doch Mathilda Jonas wollte gar nicht, wie Peter Shaw eigentlich vermutet hatte, die beiden Neuankömmlinge mit Aufräumarbeiten versorgen. »Justus ist oben auf seinem Zimmer. Wenn ich euch sehe, soll ich euch Bescheid sagen... was ich hiermit getan habe. Ihr Schlingel heckt doch schon wieder was aus, oder?« fragte sie neugierig. »Aber nein, Mrs. Jonas«, meinte Bob unschuldig, doch Tante Mathilda winkte auch schon ab. »Na los, rauf mit euch«, meinte sie lachend. Und das taten die beiden Freunde auch: sie begaben sich auf das kleine Zimmer ihres Freundes und Chefdenkers und klopften artig an. »Herein«, kam es gedämpft von innen, Bob griff an die Türklinke und drückte sie herunter. Die Tür öffnete -102-
sich und unverhofft sahen sich Bob und Peter ihrem Erzfeind Skinner Norris gegenüber! »Was macht der denn hier?« fragte Bob Andrews überrascht, als er den ersten Schrecken erst einmal überwunden hatte. Der für Recherchen und Archiv zuständige Detektiv hatte wirklich mit allem gerechnet, aber das Justus Jonas und Skinny Norris so friedlich nebeneinander auf engsten Raum saßen, schien ihn vorher doch eher undenkbar gewesen zu sein. Peter Shaw hielt sich mit einem Kommentar noch zurück. Er schaute den großen Jugendlichen aber sehr feindselig an. »Kollegen: Skinny steckt in Schwierigkeiten«, erklärte Justus. »Schwierigkeiten? Der Typ ist eine einzige Schwierigkeit!« konnte sich der Zweite Detektiv nun doch nicht mehr zurückhalten. Er ging drohend auf Skinny zu, doch da stellte sich Justus Jonas in den Weg. »Beruhige dich, Zweiter. Hör dir erst einmal an, was er zu sagen hat.« Dann schaute er Skinner auffordernd an. Skinny, der ebenfalls aufgesprungen war, fauchte gereizt: »Sagen? Ich? Noch mal... alles? He, ich bin doch kein Erzähler!« »Skinny... du bist hier, weil du Hilfe brauchst. Wir haben dich nicht gerufen. Also: leg los«, meinte der Erste Detektiv streng, doch als er merkte, das der Jugendliche auf stur geschaltet hatte, erklärte er dessen Dasein lieber selbst. »Also... zu allererst: der Fall ›Blutige Botschaft‹ ist eine Finte unseres Freundes hier und somit für uns gestorben...« Das war eine Bombe - Peter und Bob waren sprachlos! Justus zum Glück weniger. »Unser lieber Skinner hat sein Oberstübchen gewaltig in Wallungen gebracht, um uns einen getürkten Fall aufs Auge zu drücken, damit wir uns bis auf die Knochen blamieren. Tja... und das Ganze ist wohl gewaltig in die Hose gegangen. Bei deinem Intelligenzquotienten eigentlich kein Wunder, Skinny«, stellte Justus trocken fest. -103-
Skinny verzog wütend sein Gesicht, verhielt sich aber weiter ruhig. »Mal langsam, Just. Was ist denn nun eigentlich los?« wollte Bob Andrews es genau wissen. »Skinny?« forderte Justus den Jungen mit der auffallend großen Nase noch einmal auf, die Geschichte selbst zu erzählen, doch der schwieg weiter. »Na gut, mache ich es halt. Also: Skinny schien wohl mal wieder Langeweile gehabt zu haben. Er kam auf die glorreiche Idee, uns eins auszuwis chen und bastelte sich ein geheimnisvolles Rätsel zusammen, mit dem er uns in die Irre führen wollte - was ihm ja beinahe gelungen wäre.« »Da muß man ja echt krank im Kopf sein, um sich so einen Blödsinn auszudenken«, knurrte Peter, der sich in der Gegenwart von Skinner Norris - ohne ihn schwerstens die Leviten lesen zu dürfen - absolut unwohl fühlte. »Warum gerade Thomas Masterson? Woher kennst du den denn überhaupt? Die ganze Sache hat doch bisher echt prima zueinander gepaßt«, wunderte sich Bob. Nun ergr iff auch der Mittelpunkt dieses Gesprächs endlich einmal das Wort. »Masterson hatte mal geschäftlich mit meinem Dad zu tun. Der alte Spinner wollte Dad ein paar seiner verstaubten Klamotten andrehen. Dad fand natürlich sofort heraus, das da kein Geld zu ho len war, aber die Beiden waren seitdem befreundet. Masterson hatte dann kurz vor seinem Tod meinen Vater gebeten, auf sein Haus achtzugeben, warum auch immer. Da wir ja unsere Hazienda hier haben, übernahm unser Verwalter auch die Verwaltung dieser Bruchbude, nachdem der alte Knabe den Löffel abgegeben hat.« »Und das wohl eher mit wenig Arbeitseifer - so wie das Anwesen aussieht. Aber ganz schön raffiniert: so kamst du natürlich ohne weiteres an den Schlüssel zum Haus, hast das Bild geklaut und den Rätselzettel herein geschmuggelt. Gar nicht mal so dumm«, mußte Justus zugeben. -104-
»Und durch den Schriftwechsel zwischen meinem Dad und dem alten Spinner hatte ich auch genug Briefe, mit denen ich die Handschrift Mastersons nachmachen konnte. Ihr Blödmänner seid ja auch sofort darauf reingefallen!« Skinny lachte gehässig. Dieses Lachen brachte Peter Shaw auf die Palme - es fehlte nicht mehr viel, und er würde sich den Jugendlichen mal gehörig zur Brust nehmen! Vorerst aber blieb er noch ruhig... auch, wenn es ihm sehr schwer fiel. Justus meldete wieder zu Wort: »Gut, du hattest also ein Motiv, auch wenn es vermuten läßt, das du ein wenig an Verfolgungswahn leidest. Du hattest einen Plan, aber wie lief denn die Ausführung nun genau?« »War doch ganz einfach. Da ihr immer wieder wie die Bluthunde auf solche blöden Rätsel anspringt, habe ich mir diesen bescheuerten Text ausgedacht. Dann habe ich mir dieses scheußliche Bild aus der Bude von Masterson geholt und den Brief darin versteckt und den Bilderrahmen kaputt gemacht, damit ihr Blindfische den Zettel überhaupt findet. Dann habe ich die Spuren mit dem Schließfach ausgelegt. Das mit der Zeitung war ja ganz einfach weil euer Kleiner ja in der Bibliothek arbeitet. Ich hab den Schlüssel versteckt und so... und als ich mit allem fertig war, habe ich meinem Kumpel Cody gesagt, das er das Bild auf eurem Schrotthaufen verstecken soll- te. Doch der blöde Kerl versteckte es wohl zu gut. Ich wartete einen Tag ab, doch nichts passierte. Wenn man nicht alles selber macht! Ich also hin zum Schrottplatz und hab das Bild woanders versteckt. Doch ihr Blödmänner habt es immer noch nicht gefunden! Ich also nochmals hin -« »- und dabei haben wir dich erwischt und in die Flucht geschlagen«, erinnerte sich Bob an den nächtlichen Schrottplatzbesucher, der also Skinner Norris gewesen war. »Als Langstreckenläufer bist du ja bekannt. Du hast ja oft genug bewiesen: wenn du die Hose voll hast, holt dich auch eine -105-
Rakete nicht mehr ein«, spottete Peter und fing sich dabei einen zornigen Blick von Skinny ein. »Und das alles soll dir ganz alleine eingefallen sein? Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Oder hat sich nicht viel mehr dein Busenfreund Cody die ganze Sache ausgedacht und du warst lediglich nur Helfershelfer? Irgendwie will mir nicht in den Kopf, das du geistige Nullnummer -«, überlegte Bob Andrews laut, wurde aber von Skinny Norris mit einem wütenden: »Halts Maul, du Zwerg!« unterbrochen. »Ich muß auch zugeben, das diese ganze Geschichte wirklich höchst intelligent eingefädelt worden ist«, machte sich wieder der Erste Detektiv bemerkbar, »wären da nicht einige kleine Merkwürdigkeiten aufgetreten. Die Sache mit den unterschiedlichen Schriften z.B. oder das mit dem Schließfach.« »Schließfach... Schriften? Was meinst du, Just?« fragte Bob neugierig - die beiden Freunde konnten ja noch nichts von den neuesten Erkenntnissen wissen, die Justus vor kurzem erst gemacht hatte. »Erkläre ich euch später, Kollegen«, meinte der dickliche Junge knapp. Doch auch Peter wollte noch etwas wissen: »Gut.... Fall dahin... Rätsel gelöst... was aber hat die Schnabelnase denn dazu bewegt, uns freiwillig die Wahrheit zu sagen? Schlechtes Gewissen, Skinny?« Peter und Skinner gifteten sich mit Blicken an, dann aber senkte der große Jugendliche betreten den Blick zu Boden. »Tja, Freunde«, meinte nun wieder Justus, »unser lieber Skinny hat da wohl den Mund etwas zu voll genommen. Er hat überall in seinem Bekanntenkreis herumgetönt, was er mit uns vorhatte. Scheinbar hat irgendwann irgend jemand von diesem angeblich versteckten Vermögen Wind bekommen und wollte nun an das Geld. Und das mit der ausgedachten Geschichte -106-
wollte ihm wohl keiner glauben«, Justus unterbrach sich selbst, in dem er zu dem schweigsamen Skinny herüber schaute. »Scheint wohl so, als ob selbst deine Freunde dir so eine Geistestat nicht zutrauten«, stellte er trocken fest und erntete einen Blick, der Menschen töten konnte. »Um es abzukürzen: Skinny bekam weniger netten Besuch von zwei Unbekannten, die wissen wollte, wo das nichtexistente Vermögen denn nun sei.« »Die haben mich echt bedroht!« meldete sich Skinner aufgebracht. »Die haben mir sogar angedroht, mich zu foltern oder so ein Kram. Ich hab den Blödmännern immer wieder gesagt, das es gar nichts zu holen gäbe... das ich mir das alles nur ausgedacht hätte und so. Die haben mir kein Wort geglaubt. Dann haben ich ihnen halt gesagt, das ich nichts genaueres wüßte... und das Rätsel hatte ich ja auch gar nicht mehr... und -« »- und dann hast du denen gesagt, wer die Rätselbotschaft gerade hat - nämlich wir!« vollendete Justus. Peter schnappe wütend nach Luft: »Soll das etwa heißen, DU hat uns diesen finsteren Flüsterer auf den Hals gehetzt?« Peter brauste auf, er konnte vor Wut nur noch die Fäuste ballen. »Du verdammter Feigling! Du lieferst uns ans Messer um deinen Hals aus der Schlinge zu ziehen?« »Was sollte ich denn machen, verdammt? Die Typen hätten mir alle Knochen gebrochen, wenn ich denen nicht verraten hätte, wer den Text hat!« Bob schaute Skinner Norris zornig an: »Na klar. Und bevor die Finsterlinge dir etwas tun, sollen sie doch lieber uns den Hals umdrehen, was?« »Beruhigt euch, Kollegen«, versuchte Justus Jonas zu beschwichtigen. »Geschehen ist geschehen... und außerdem: genutzt hat es ihm ja nicht viel. Die Verbrecher sind ja immer noch hinter ihm her - stimmt’s, Skinny?« »Ja, verdammt. Einer von denen wartet schon seit gestern vor -107-
der Hazienda meines Dads auf mich. Ich hab letzte Nacht sogar im Auto schlafen müssen, weil ich nicht nach Hause kann!« »Armer Kerl«, meinte Bob wenig überzeugend. Der für Recherchen und Archiv zuständige Junge hatte keinerlei Mitleid. Dafür hatte sich Skinny einfach zu viel geleistet. »Und euch beobachten sie auch«, lies sich Skinny nicht aus der Ruhe bringen. »Ich wollte euch ja eigentlich schon viel früher Bescheid sagen, aber immer, wenn ich in eurer Nähe war, tauchten diese Typen plötzlich auf. Am Busbahnhof hätte ich es fast geschafft. Ich wußte ja von der Rätseln her, das ihr da früher oder später auftauchen mußtet. Ich sah euch dann, doch da tauchte auch einer dieser Brutalos auf.« »Ach, deshalb hast du plötzlich das Weite gesucht«, erinnerte sich Peter Shaw an den Zwischenfall am Bahnhof. »Und jetzt bist du doch aus reiner Nächstenliebe das Risiko eingegangen, uns aufzusuchen? Wie selbstlos, Skinny«, spöttelte Bob Andrews. Justus, der das Gespräch interessiert verfolgt hatte, meldete sich wieder zurück: »Nächstenliebe? Eher Selbstschutz - die Verbrecher kommen wohl mit dem Rätsel nicht mehr weiter und halten sich nun an den, der nach ihren Vermutungen am meisten über dieses Versteck wissen müßte: Skinner Norris.« »Na klasse: und jetzt sollen wir wohl Skinny aus der Patsche helfen?« fragte Bob abweisend. »Das kann er sich von der Backe schmieren! Die Suppe, die er sich da eingebrockt hat, soll er schön alleine auslöffeln«, brauste Peter wieder auf. »Kollegen«, lies Justus niedergeschlagen verlauten, »die Leute, die Skinny bedrohen, bedrohen leider auch uns. Ihm glauben sie nicht, das es kein Geld zu finden gibt... warum sollten sie also uns glauben. Sie vermuten, das Skinny etwas -108-
weis, was sie noch nicht wissen: wo nämlich das Geld ist. Und sie vermuten wohl weiter, das Skinny mit uns unter einer Decke stecken würden. Bisher haben sie uns ja größtenteils in Ruhe gelassen, es ist aber nur noch eine Frage der Zeit, bis auch wir die Zudringlichkeit dieser Leute zu spüren bekommen! Ob wir wollen oder nicht: wir sitzen in dem gleichen Boot wie Skinny bildlich gesprochen.« »Ich helfe doch keinem Typen, der mir fast den Schädel einschlägt«, erinnerte Bob seine Freunde an die unfreundliche Begegnung im Hause Thomas Mastersons, die für den Jungen mit mächtigen Kopfschmerzen endete. Skinny schaute irritiert auf, doch Justus war schneller: »Bob, das war bestimmt nicht Skinny, der dich niedergeschlagen hat. Erinnere dich: die Haustür war aufgebrochen - Skinny wiederum hatte doch einen Schlüssel. Wahrscheinlich war es also einer der Verbrecher gewesen, der wohl in dem Haus nach weiteren Hinweisen gesucht hat, vermute ich.« »Wenn ich dich niedergeschlagen hätte, dann lägest du jetzt im Krankenhaus!« gab Skinner Norris frech grinsend an, doch keiner der drei Detektive nahm diese Bemerkung besonders ernst. Skinner war halt ein Großmaul: selbst jetzt, als alles gegen ihn sprach konnte er seine große Klappe nicht halten. Die Jugendlichen hingen ihren Gedanken nach. Während Justus seine Unterlippe knetete und auch Bob angestrengt nachdachte, gifteten sich Skinny und Peter weiter mit Blicken weiter an. Eins war klar: die beiden ungleichen Jungen würden bestimmt nie gute Freunde werden - warum auch? Doch Justus Jonas löste die angespannte Atmosphäre in dem kleinen Zimmer. »Kollegen: ich glaube, ich habe einen Plan!« Skinny Norris scheint wirklich ein zutiefst mißgünstiger Mensch zu sein, findet ihr nicht auch? Warum macht er unseren Freunden immer so sehr das Leben schwer? -109-
Doch diesmal ist er weit über das Ziel hinaus geschossen. Der Jugendliche hetzt Kriminelle auf die Spur der drei Fragezeichen - das ist schon ein starkes Stück! Wenn ihr mich fragt, dann gehört dem frechen Jungen gehörig der Hosenboden verhauen... allein, ob dies jetzt noch was nützen würde, wage ich dann doch eher zu bezweifeln. Der Fall ›Blutige Botschaft‹ hat sich ja damit ziemlich unbefriedigend in Schall und Rauch aufgelöst. Doch was hecken die Buben nun wieder aus?
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Die ganze Geschichte »Euer Verwalter scheint eine echte Niete zu sein, Skinny«, stellte Peter Shaw fest, als er seinen Blick über den verwahrlosten Zustand des vor ihm ausbreitenden Parks streiften. »Hey. Mach mal halblang. Der alte Masterson ist doch schon tot. Den juckt das ganz bestimmt nicht mehr«, gab Skinner Norris von sich. Die vier Jugendlichen standen im Vorgarten des Hauses, das einst Thomas Masterson gehört hatte. Der alte Masterson konnte froh sein, das er den Verfall seines einstigen Wohnsitzes nicht mehr mitbekam. Die Villa war wirklich nur noch ein Zerrbild alter Tage, das einstmals stolze Haus glich nun mehr einer Ruine. Wenn die gute Lage - sprich, das teuere Grundstück nicht wäre, würde sich wohl keiner mehr für die Villa interessieren. »Trotzdem, ihr habt die Verantwortung für den Nachlas Mastersons übernommen. Was werden die Erben sagen, wenn sie ihren Besitz in diesem Zustand vorfinden? Wenn das mal nicht Ärger gibt.« »Ist mir doch egal«, meinte Skinny abweisend. »Was hat denn mein Dad davon, wenn die Bruchbude im 1a-Zustand ist? Kostet doch nur Kohle.« »Kommt, laßt uns rein gehen«, sagte Bob Andrews, der sich unbehaglich umsah. Justus öffnete die massive Haustür - da sie ja aufgebrochen war, stand sie noch immer offen. Die Jugendlichen gingen in das Wohnzimmer - oder besser gesagt: in das ehemalige Wohnzimmer. Skinny schaute sich angeekelt um - der ganze Staub und Dreck schien ihn wohl jetzt auch nicht mehr so ganz zuzusagen. Er streifte ein Abdecklaken -111-
von einem Ledersessel und flegelte sich auf die Sitzgelegenheit. »Mach’s dir nur bequem«, kommentierte Bob das Verhalten spöttisch. Skinny grinste den für Recherchen und Archiv zuständigen Jungen nur wölfisch an, blieb aber ruhig. »Gut, da wir ja jetzt wohl etwas Zeit haben, währe genau der richtige Moment, um noch ein paar Dinge zu klären. Ich hab da nämlich noch ein paar Fragen«, meldete sich der Erste Detektiv wieder zu Wort. Skinny schaute ihn mißtrauisch an: »Fragen, was denn für Fragen?« »Nun, mich würde z.B. mal interessieren, wie diese ganze Sache denn nun genau seinen Anfang nahm.« Skinner Norris schaute sich unbehaglich um. Man konnte ihm ansehen, das er schätzungsweise eine Menge Dinge lieber tun würde, als den drei Detektiven Rede und Antwort zu stehen. Aber da er die Hilfe der drei Jungen brauchte, fügte er sich in sein Schicksal und begann zu erzählen. »Also gut. Angefangen hat alles eigentlich nach der Sache mit den Bildern, die ihr mir damals geklaut habt. Und -« »Bitte?« schaute Peter überrascht auf. »Verdrehst du da nicht ein wenig die Tatsachen, Skinny?« stellte Justus Jonas gelassen fest, »DU wolltest die Bilder klauen, wenn ich dich daran erinnern darf. Wir haben nur dafür gesorgt, das sie dem rechtmäßigen Besitzer zugeführt worden sind«, spielte der Erste Detektiv auf einen zurückliegenden Fall der drei Fragezeichen an, in denen Gemälde eine wichtige Rolle gespielt hatten. Schon damals - wie so oft - waren die drei Detektive mit Skinner Norris zusammengestoßen, wie immer auf gegnerischen Seiten. »Na und? Jedenfalls gehörten die Bilder mir! Als ich sie los -112-
war, war ich natürlich mächtig sauer auf euch. Das schrie nach Rache! Ein Fall, der euch bis auf die Knochen blamiert, das wäre genau das richtige. Also hab ich mir was ausgedacht. Rätsel mußten drin sein, da seid ihr ja ganz scharf drauf. Mein Vater erwähnte letztens, das die Gerichtsverhandlung über den Nachlaß Mastersons bald anstehen würde, das brachte mich auf die Idee mit dem Haus. Das Käseblatt des ollen Spinners fiel mir ein, also mußte ich in die Bücherbude, um mir in der Zeitung was passendes raus zu suchen. Die wollten mich erst gar nicht an die Papierfetzen dran lassen... na ja, für mich kein Problem. Wenn die Knete stimmt, tun die Leute alles!« grinste Skinny überheblich. Justus und Bob sahen sich stirnrunzelnd an. Man konnte genau sehen, was sie von den Prahlereien Skinnys hielten - und das war nicht besonders positiv. Also war es wahrscheinlich auch Skinny gewesen, der die betreffende Zeitung im Bibliothekskeller in das falsche Regal zurückgelegt hatte zuzutrauen war diesem Dummkopf doch wirklich alles. Peter Shaw hegte auch keine besonders freundlichen Gedanken dem schlaksigen Jugendlicher gegenüber: er überlegte gerade, wie Skinner Norris wohl ohne Kopf aussehen würde und malte sich dann dieses Bild in Gedanken genüßlich aus. Doch das störte Skinner nicht im geringsten. Langsam fand er gefallen daran, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. »Also hatte ich den Ort - Mastersons Haus - und ich hatte die Zeitung. Der Rest war eigentlich kinderleicht. Mein Vater kennt auch Mr. Bucke, also konnte ich den auch um einen ›kleinen Freundschaftsdienst‹ bitten«, redete der Jugendliche weiter. Gefällt mir gar nicht, wie er das mit dem ›kleinen Freundschaftsdienst‹ betont, dachte Justus Jonas mißtrauisch, sparte sich aber eine betreffende Frage, weil er Skinny nicht in -113-
seinem Redeschwall stören wollte. Und Skinny tat ihm den Gefallen: »Und das alles hätte ja auch prima geklappt wenn nicht diese Schlampe von Haushälterin Shelford oder wie die heißt - den Affen gemacht hätte.« »Moment mal... Shelford... Marian Shelford? Die Frau ist die Haushälterin von Mr. Bucke?« fragte Bob überrascht. »Wer ist denn das?« fragte wiederum Justus zurück, der mit diesem Namen nichts anfangen konnte. »Eine Frau, die im Haus von Mr. Bucke wohnt. Wir haben sie getroffen, als wir nach Seaside gefahren sind. Aber viel Reden konnten wir mit ihr nicht, sie hat uns sofort verjagt, als sie uns sah. Mich hat echt gewundert, warum die so schlecht auf uns zu sprechen war. Denn wir haben ja gar nichts gemacht, was sie so auf die Palme bringen konnte.« »Also keift die Zicke immer noch ´rum?« grinste Skinny frech. »Die soll sich mal nicht so aufregen: ich wollte doch nur das -«, Skinner Norris stockte, »- äh... ach, egal. Ich mußte halt dort etwas erledigen. Der olle Bucke war aber leider genau einen Tag vorher auf Geschäftsreise gegangen. Und die blöde Ziege wollte mich da einfach nicht ´reinlassen. Selbst mit Kohle war da nichts zu machen. Also bin ich in die Bude eingestiegen, hab... äh, etwas ›Nettes‹ für euch hinterlegt, und wollte gerade wieder die Fliege machen, als die dumme Kuh doch plötzlich vor mir stand, als ich abdüsen wollte. Hat ´rumgeschrien wie eine Bekloppte, was mir denn einfallen würde und so. Ich hab sie dann einfach stehen lassen und hab einen Abflug gemacht. Sie hat ja nicht mitbekommen, was ich da gemacht habe, also war mein Plan nicht in Gefahr.« »Deshalb war also die Dame so schlecht auf uns zu sprechen«, vermutete Peter Shaw, »sie dachte, das wir zu dir gehören würden! Mrs. Shelford befürchtete wohl, das wir das gleiche wie du noch einmal vorhätten. Skinny, sobald das hier beendet ist, fahren wir sofort noch einmal nach Seaside und -114-
klären das. Mit einem wie dir will ICH nicht in einen Topf geworfen werden!« Skinner grinste nur überheblich. Peter kochte innerlich. Nachdem ihm Justus zum Weiterreden mahnte, kam Skinny diese Aufforderung auch wieder nach - er fühlte sich sichtlich wohl mit dem, was er angerichtet hatte. »Die Hauptarbeit war also erledigt. Dann noch in das Notizbuch vom alten Bucke, la g da so herum, da hab ich es mir mal eben ausgeliehen, seinen eigenen Namen ´reingeschrieben, und das Teil in das Schließfach legen, den Schlüssel verstecken... fertig war ich. Das mit dem Bild lief zwar anfangs nicht ganz so gut - ihr Kindergartenschnüffler seid aber auch zu blöd - aber als ihr es endlich hattet, konnte die Show beginnen. Aber dann tauchten plötzlich diese beiden Typen auf, die mich nach dem Geld ausfragten. Ich dachte erst, das währe ein Scherz und habe ihnen von dem Vermögen erzählt, das Masterson versteckt hat. Als ich aber merkte, das die das alles für bahre Münze genommen haben, wollte ich ihnen erklären, was Sache war - zu spät, sie glaubten mir kein Wort mehr. Tja... und den Rest wißt ihr ja schon«, beendete Skinny seinen Redefluß. »Na ja. Ein paar Fragen hätte ich da schon noch«, meldete sich der Erste Detektiv wieder, »z.B. was die ganze Sache eigentlich sollte?« Skinny schaute den dicklichen Jungen verständnislos an. »Ich meine: warum das Ganze? Warum wolltest du uns eins auswische n? Warum machst du uns immer wieder aufs neue Schwierigkeiten? Was haben wir dir eigentlich getan?« Skinny stieß verächtlich die Luft aus. »Was das soll? Ihr geht mir einfach auf den Geist, das ist alles!« »Und weil wir dir auf den Geist gehen, machst du dieses -115-
ganze Spektakel? Und tauchst immer da auf, wo du uns Schwierigkeiten machen kannst? Steckt da nicht vielleicht noch mehr dahinter?« fragte Justus eindringlich. »Weis nicht, was du meinst«, knurrte Skinny gereizt. »Ich denke eher, das du NEIDISCH bist, Skinny. Und da deine verbalen Attacken meistens gegen mich gerichtet sind, schlußfolgere ich, das du auf MICH eifersüchtig bist«, meinte Justus Jonas gelassen. »Halt’s Maul, Fettsack!« zischte der Jugendliche wütend. »Stimmt, ich bin etwas übergewichtig. Und trotzdem habe ich mehr Freunde als du. Ist es nicht genau das, was dich schon seit Jahren wurmt?« Skinny schwieg. »Genau das ist es doch, oder? Ich bin dick, bin nicht besonders sportlich, habe nicht besonders viel Geld... und dennoch habe ich nicht nur Freunde, sondern auch zwei besondere Freunde - Peter und Bob. Die Beiden würden für mich durch´s Feuer gehen, und ich auch für sie. Das ist es doch, was dich so nervt: der kleine Dicke vom Schrottplatz hat Freunde, und der große, stinkreiche Skinner Norris geht leer aus. Keiner will was mit dir zu tun haben, ist es nicht so? Keiner, den du nicht vorher mit Geld gefügig gemacht hast. Ohne das Geld deines Vaters wärest du sicherlich -«, doch da unterbrach Peter Shaw seinen sichtlich erregten Kollegen. »Still, ich glaube, ich habe da was gehört!« zischte der Junge leise...
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Ein riskanter Schachzug Peter schlich gebückt zu einem der verhangenen Fenster und spähte vorsichtig durch die verschmutzte Glasscheibe. »Was ist? Sind es die Beiden?« flüsterte Bob nervös. »Zwei... ja, zwei. Mehr kann ich nicht erkennen.« »Sieht so aus, als ob unsere Freunde angekommen wären«, vermeldete Justus Jonas merkwürdig emotionslos. »Ok, Kollegen. Alle auf ihre Posten.« Justus verschwand lautlos in die Eingangshalle des Hauses, während Bob die Küche aufsuchte - Peter und Skinny blieben, wo sie waren und der Zweite Detektiv beobachtete weiter die Gestalten vor der Haustür. Die beiden Männer sahen sich unschlüssig um, da öffnete Justus die Haustür, sah die Männer überrascht an und versuchte dann ins Haus zurück zu flüchten. Doch einer der beiden Männer war schneller, er stieß die Tür auf und erwischte den flüchtenden Jungen am Arm. Der Erste Detektiv hing hilflos im Griff und konnte nicht mehr wegkommen, also fügte er sich seinem Schicksal und blieb ruhig. »Hab ich dich, du Bengel... noch einmal entkommt ihr mir nicht«, hörte der Erste Detektiv das rauhe, triumphierend Flüstern des Mannes. Justus schaute den Mann ängstlich an. Der Flüsterer! Das war er also. Er bemerkte die kleine Narbe am linken Auge, die dem Unbekannten mitsamt seiner langen, schwarzen Haare und dem großen, goldfarbenen Ohrring im linken Ohr irgendwie das unheimliche Aussehen eines wilden Piraten gaben. Der andere Mann sah dagegen fast schon harmlos aus: blonde, kurze Haare, schmächtige Gestalt, ein durchschnittliches Gesicht - in einer großen Menschenmenge würde dieser Kerl bestimmt nicht weiter auffallen, so -117-
unauffällig, wie seine Erscheinung war. »Was wollen Sie - wer sind Sie?« stotterte Justus Jonas eingeschüchtert. »Halt’s Maul, Dicker«, zischte der ihn festhaltende Mann. »Wo sind deine Freunde?« »Ich -«, begann der Erste Detektiv, wurde aber sofort von dem Piraten-Mann unterbrochen: »He... ihr Jungen! Kommt her, ich hab hier euren Freund. Wenn ihr nicht sofort aus euren Verstecken kommt, dann ergeht es ihm schlecht!« Der Mann sah sich suchend in der Eingangshalle um, da traten auch schon Peter und Bob wie reuige Sünder in den Raum. »Sieh an, da haben wir ja die Schlauberger«, meinte der Blonde spöttisch. »Wo ist denn der andere - Skinny, oder wie der heißt?« »Der ist abgehauen, als er Sie gehört hat«, meinte Peter leise. Der Pirat schaute sich mißtrauisch um. »Jim, sieh mal nach. Ich trauen den Kindern nicht.« Der mit Jim angesprochene verschwand durch die Tür, kehr te aber bald wieder zu der Gruppe zurück. »Der ist wirklich weg, Silver«, gab der Blonde von sich. »Macht aber nichts, wir haben ja die drei anderen«, knurrte er dann. »Und jetzt mal Klartext: wo ist das Geld?« Drohend sah der Mann die drei Jungen nacheinander an. Bob und Peter senkten betroffen den Blick, nur Justus schaute zurück. »Nun... was ist? Wir können aber auch andere Seiten aufziehen!« flüsterte gefährlich leise der Mann, in dessen Griff Justus Jonas wie ein Kartoffelsack hing. Justus seufzte niedergeschlagen auf, dann meinte er: »Im Keller. Wir haben herausgefunden, das -« -118-
Doch da unterbrach ihn Silver mit einer heftigen Handbewegung. »Geschenkt. Will ich nicht wissen. Also: wo denn da genau?« »In der Truhe unter der Treppe... in einem Geheimfach. Wir haben es gerade erst entdeckt, das Fach steht noch offen.« Der Pirat grinste überheblich, dann nickte er seinem Partner auffordern zu. »Jim? Worauf wartest du? Du kennst dich doch hier aus, oder? Sieh nach! Ich bleib hier bei unseren jungen ›Freunden‹. Wenn sie gelogen haben, dann wird es ihnen schlecht bekommen!« Dabei grinste er noch teuflischer. Jim warf den Jungen noch einen mißtrauischen Blick zu, dann verschwand er wieder - diesmal in Richtung Küche, um dort den Keller zu betreten. Die Jungen und Silver warteten. »Sie haben uns also vor der Bibliothek aufgelauert«, versuchte Justus die Wartezeit zu überbrücken. »Richtig, Schlauberger«, spottete der Piratenmann und grinste. »Aber warum? Wollten -«, versuche Justus Jonas noch mehr in Erfahrung zu bringen, doch der Mann verstärkte den Würgegriff. Der Erste Detektiv schwieg dann doch lieber und schaute seine Freunde nervös an. Die Sekunden vergingen wie Minuten, die Minuten wie Stunden... doch nichts geschah... Langsam wurde auch Silver nervös. Immer wieder sah er ungeduldig in Richtung Küche und erwartete jeden Moment, das sein Kumpan wieder auftauchen würde, natürlich - wie er zumindest hoffte - mit viel, mit sehr viel Geld in den Händen. Doch der blonde Mann ließ sich einfach nicht mehr blicken... »Verdammt«, fluchte Silver gereizt, »da stimmt doch ´was nicht! Wenn ihr Gören uns reinlegen wollt, dann -« -119-
Justus unterbrach den Mann. Mit ängstlich zitternder Stimme meinte er: »Das Geld IST im Keller! Wir haben es doch selbst gesehen. Wenn Ihr Freund mit dem Geld verschwindet... da können wir doch nichts für!« Justus schaute den Mann mit der Narbe trotzig an. Der wiederum schüttelte den gewichtigen Jungen, der immer noch in dem eisenharten Griff hin, wild durch. »Halt’s Maul, Fettsack!« zischte er gereizt. Doch langsam schienen die Worte, die Justus scheinbar so sorglos ausgesprochen hatte, zu wirken. Sollte Jim wirklich mit dem Geld durchgebrannt sein? Silver wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Schon längst hatte er ein paar Mal nach seinem Partner gerufen. Doch es erfolgte keine Antwort... »Der ist weg«, meldete sich nach einiger Zeit leise Bob Andrews. Der Junge versuchte, jede ruckartige Bewegung vermeidend, damit der eh schon nervöse Silver nicht in einer Kurzschlußaktion noch Justus etwas antun konnte. »Los, du da, Langer... sieh mal nach, was da los ist«, befehligte Silver dem Zweiten Detektiv. Peter sah seine Freunde fragend an, doch als der Verbrecher ihn drohend anzischte, verschwand Peter Shaw in Richtung Küche. Wieder wartete die nun nur noch aus drei Leuten bestehenden Gruppe auf ein Zeichen. Und wieder blieb alles still... unheimlich still... Aufkommender Wind strich um das Haus und verfing sich in den Pflanzen und Bäumen im verwilderten Park. Das Rauschen klang leise an das Ohr der Wartenden und zerrte an ihren Nerven. Denn sonst war kein Geräusch zu hören. Stille... Nun war es mit der Selbstbeherrschung des Mannes endgültig vorbei. Er kaute sich nervös auf der Lippe herum, dann sah er -120-
Bob auffordern an. »Los, Kleiner. Sieh nach, was da los ist!« brummte er und nickte hektisch. »Nein, ich denk ja nicht dran!« meinte Bob entschlossen. »Ich bin doch nicht blöde. Wahrscheinlich wartet Ihr Freund nur im Keller, um uns da unten fertigzumachen. Keine Zeugen hinterlassen, und so. Ich -« »GEH!« schrie Silver den Jungen an, »oder...?« Dabei verstärkte er den Haltegriff um Justus noch, so das der gewichtige Junge gequält aufstöhnte. Bob schaute Justus mitfühlend in die Augen, und als der kraftlos nickte, machte sich auch der Dritte Detektiv auf die Suche - aber eher zögernd und sich nach allen Seiten absichernd. »Peter? Peter, bist du in Ordnung?« rief er noch besorgt, dann war auch er verschwunden. Bob Schritte verklangen, dann kehrte wieder Stille in dem verlassenen Haus ein. Die beiden Zurückgebliebene n warteten... Silver, der nun vor Aufregung stark schwitzte, murmelte unverständliches vor sich hin. Plötzlich lockerte er den Griff, der Justus festhielt, und der Erste Detektiv kam frei. Justus Jonas blieb aber an seinem Platz stehen - er wollte den Verbrecher nicht unnötig aufregen. Der Kerl ist in seiner momentanen Stimmung zu allem fähig, so vermutete der dicke Junge. »Du bleibst hier. Und keine Tricks!« drohte Silver dem eingeschüchterten Justus. »Wenn ich wiederkomme, und du bist weg, dann werde ich deinem Onkel und deiner Tante einen kleinen Besuch abstatten, verstanden?« Justus nickte schnell, er fügte sich ganz seinem Schicksal. Silver sah sich noch kurz unentschlossen um, dann griff er an seinen Gürtel und zog ein großes Messer aus einer Hosentasche. »Na warte, Jim. Wenn du mich reinlegen willst, dann mußt du aber früher aufstehen«, flüsterte er gepreßt, so das Justus Mühe -121-
hatte, ihn richtig zu verstehen. Gebückt schlich der Mann durch die Tür, und verschwand aus dem Blickfeld des Ersten Detektivs. Nun war es an Justus, in der Halle nervös zu warten. Gebannt und völlig starr stand der alleingelassene Junge in der Eingangshalle und lauschte. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch keinen konnte er richtig greifen. Die Ruhe in dem Haus zerrte an den Nerven... Verdammt, da ist was schiefgelaufen, flüsterte der kleine Mann in Justus Kopf immer wieder, bis es der dicke Junge nicht mehr aushielt. Zögernd machte Justus den ersten Schritt. Was auch immer geschehen war: er würde es sehr bald wissen...
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Alfred Hitchcock hat noch einige Fragen »Und? Was geschah dann?« fragte Alfred Hitchcock neugierig. »Wie seid ihr aus den Fängen dieses Verbrecherduos entkommen. Und was geschah denn nun wirklich im Hause Thomas Mastersons?« Justus grinste den wohlbeleibten Regisseur freudig an. »Nun: das, was passieren sollte. Alles lief nach Plan - auch, wenn ich zugeben muß, das es Momente gab, wo selbst mir Zweifel an meinen Berechnungen kamen.« »Na, toll! Und das sagst du erst jetzt?« meinte Peter überrascht. Der Zweite Detektiv saß mit seinen beiden Freunden im Büro Alfred Hitchcocks, das sich auf dem UniversumFilmgelände befand. Der Regisseur hatte gespannt dem berichtenden Monolog des Ersten Detektivs zugehört, der nur ab und zu von Kommentaren seiner Kollegen unterbrochen worden war. Das lange Reden und Erklären hatte den dicken Jungen durstig gemacht. Er griff sich das Glas mit Fruchtsaft - den ihnen Mr. Hitchcock angeboten hatte - und trank in kurzen, gierigen Schlucken. Dann schaute er wieder seinen Freund Peter an, der immer noch auf eine Antwort wartete - ebenso wie Alfred Hitchcock. »Peter, mein Plan war sicherlich so wohldurchdacht wie immer. Doch bei jedem Plan, der einen menschlichen Faktor beinhaltet - also unberechenbar und unsicher ist - muß mit Komplikationen gerechnet werden. Ich gebe zu, das mir Zweifel kamen, als ich allein in der Halle stand. Was sich ja zum Glück im nachhinein als unbegründet erwies.« »Was, Jonas-Junior, WAS ist denn nun noch genau passiert?« Mr. Hitchcock wurde langsam ungeduldig. »Nun, das muß ich etwas weiter ausholen -«, begann der Erste Detektiv, was ihm einen strafenden Blick des Regisseurs -123-
einbrachte. Alfred Hitchcock wußte, das sich Justus Jonas gerne selbst Reden hörte und deshalb auch für seine ausufernden Reden bekannt, aber auch gefürchtet war. Justus deutete diesen Blick richtig, und hob beschwichtigend die Hände: »Aber ich mache es kurz. Wir wollen Ihre wertvolle Zeit nicht länger als nötig in Beschlag nehmen.« »Wofür ich euch sehr dankbar wäre«, brummte Mr. Hitchcock. Justus nickte würdevoll. »Also: wie wir durch Skinny Norris wußten, verfolgten uns die beiden Männer schon seit einiger Zeit. Peter und Bob hatte ja schon ein BeinaheZusammentreffen mit einem von ihnen in Seaside wahrscheinlich war das dieser Silver gewesen. Wie aber sollten wir die Männer dingfest machen? Zur Polizei gehen und eine Anzeige machen kam nicht in Frage. Die drei Fragezeichen also wir - bezweifelten einfach, das dieser Schritt zum gewünschten Erfolg führen würde. Wenn die Polizei versuchen würde, die Männer aufzuspüren, dann könnte -« Peter verlor die Geduld - kurz vor Alfred Hitchcock, der ebenfalls schon mißbilligend die Augenbrauen zusammenzog. »Laß gut sein, Just. Jetzt erzähle ich mal weiter, sonst sitzen wir morgen noch hier.« Mr. Hitchcock atmete erleichtert auf und konzentrierte sich nun ganz auf den Zweiten Detektiv. »Also, das war so: wir hatten Angst, das die beiden Männer untertauchen würden, wenn wir die Polizei benachrichtigten. Dann wäre ja keinem von uns geholfen. Aber irge ndwie mußten wir sie schließlich überführen, sonst würden wir die Verbrecher wohl nie loswerden. Justus hatte den Plan, das wir die beiden Männer dorthin locken sollten, wo sie den wenigsten Schaden anrichten konnten - also in das leerstehende Haus Mastersons. Da wir ja auf Schritt und Tritt beobachtet wurden, war das ganz einfach: wir begaben uns zusammen mit Skinny in die Villa, und -124-
die Verbrecher zogen hinter uns her. Für sie mußte es ja nun so aussehen, als ob Skinny und wir gemeinsame Sache machen würden. Die Idee mit Justus als Geisel der Männer hatte unseres Pummelchens -« Justus wiederum unterbrach nun ihn, und das sehr aufgebracht: »Um sie in Sicherheit zu wiegen. Überlegenheit bewirkt bei dieser Sorte Menschen ein starkes Sicherheitsgefühl. Habe ich eigentlich schon erwähnt, das ich in diesem Monat schon einen Gewichtsverlust vermelden konnte?« fragte der Erste Detektiv, dem der Kosename ›Pummelchen‹ immer wieder aufs Neue auf die Palme brachte. Peter grinste. »Jaaaa, ein ganzes Pfund. Du stehst quasi schon am Rande der Unterernährung!« meinte er spöttisch lachend. Justus schmollte... und Alfred Hitchcock grollte! »Bob? Siehst du vielleicht eine Möglichkeit, endlich Licht ins Dunkel bringen? Deine Kollegen scheinen heute nicht ganz gewillt zu ein, mir Rede und Antwort zu stehen.« »Gerne, Mr. Hitchcock. Also: wir lockten die Leute in das verlassene Haus. Was Just und Peter aber noch nicht erzählt haben, ist, das wir vorher Kommissar Reynolds doch noch Bescheid gesagt haben. Der wartete nämlich mit seinen Männern im Keller des Hauses auf die beiden Verbrecher. Keller deshalb, weil es dort stockfinster ist. Da konnte sich die Polizei prima verstecken. Die Vermutung, das die beiden Verbrecher Gewalt anwenden würden, um an ihr Ziel zu gelangen - mein Niederschlag im Hause Mastersons hat das ja leider bewiesen - machte diesen Schritt notwendig. Trotzdem war es natürlich ein ziemliches Risiko. Um die Gefahr so gering wie möglich zu halten, spielten wir - besonders Justus - die eingeschüchterten Jungen, von denen gewiss keine Gefahr ausging. Und das haute ja wunderbar hin. Wir hatten zwar vorgehabt, mit den Verbrechern -125-
gemeinsam in den Keller zu gehen, aber das je- der einzelnd dort hinunter ging, machte die Sache ja noch viel leichter für die Polizei. Sie hatten keinerlei Schwierigkeiten, die Männer zu überwältigen.« Mr. Hitchcock nickte. »Also, so war das also. Aber was geschieht nun? Besonders kriminell haben sich die beiden Unholde ja eigentlich nicht verhalten. Der Niederschlag Bobs, also Körperverletzung; Bedrohung: sicherlich keineswegs Kavaliersdelikte. Aber eine längere Haftstrafe zieht das wohl nicht mit sich. Ich bezweifle doch stark, das die Polizei genug Beweise in der Hand hat, um sie auf längere Zeit dingfest zu machen, oder?« »Doch, das hat sie«, meinte Justus schnell, bevor jemand anderer antworten konnte. »Die beiden Männer werden nämlich in Kalifornien wegen verschiedener Straftaten von der Polizei gesucht. Der eine, der sich selbst ›Silver‹ nannte, aber mit wirklichem Namen Hank Driller heißt, war bereits vorher wegen mehrerer Diebstahlsdelikte auffällig geworden und tauchte unter, bevor ihn die Gerichtsbarkeit unseres Staates belangen konnte. Und auch der mit ›Jim‹ angesprochene Jim Tronie war aktenkundig und wurde strafrechtlich verfolgt. Hier in Rocky Beach begingen sie zwar - soweit ist zumindest mein momentaner Wissensstand - kein Verbrechen, dafür aber werden sie wohl für die vorangegangenen Straftaten erst einmal hinter Schloß und Riegel kommen.« Justus grinste zufrieden. »Ein imaginäres Rätsel, das zwei Verbrechern zur Falle wird. Sehr interessant «, grübelte Alfred Hitchcock nachdenklich und rieb sich über die Nase. Dann schaute er wieder auf. »Aber was hat denn der eigentliche Übeltäter des Falles ›Blutige Botschaft‹ für eine Rolle in eurem Plan gespielt?« Peter schnaufte wütend. »Gar keine. Zumindest keine Große. Skinny mußte einfach nur bei uns sein, wenn sich die Falle für -126-
die Verbrecher schließen sollte. Um sicher zu gehen, das auch alle Unholde sich in dem Haus einfinden würden. Doch der alte Feigling verlor die Nerven und haute tatsächlich ab, als die Männer in die Villa kamen!« »Ein nicht nur äußerst mißgünstiger, sondern auch unehrenhafter junger Mann«, stellte der Regisseur fest. »Für euren ›Freund‹ Skinner Norris scheint die ganze Sache ja äußerst glimpflich ausgegangen zu sein?« »Eben nicht!« meldete sich wieder Bob Andrews, und plötzlich fingen die drei Jungen wie auf Kommando zu grinsen an. »Was? Nicht? Erzählt, meine Freunde!« drängte Mr. Hitchcock neugierig. Peter lachte schadenfroh auf: »Also: die ganze Sache war für uns mit der Festnahme der beiden Verbrecher eigentlich beendet. Nicht so für Skinny. Der Gute hat nämlich ganz vergessen, das da noch ein Rätsel aus seiner Botschaft war, das wir allerdings nicht gelöst hatten. Die Sache mit dem Schuheausziehen.« »Stimmt«, nickte auch Justus, der sich immer noch ein Grinsen nicht verkneifen konnte. »›Lies aufmerksam, dann kannst du mich finden, doch zieh die dreckigen Schuhe aus‹, so lautete das letzte Rätsel. Damit meinte Skinny, das er etwas im Safe von Mr. Bucke versteckt hatte. Der befand sich im Fußboden dessen Hauses, im Arbeitszimmer unter einem roten Teppich. Deshalb war Skinny ja auch ungefordert dort eingedrungen und brachte damit Mrs. Shelford so gegen sich auf. Nun, Skinny hat dieses ›Etwas‹, was er dort hinterlegte ganz vergessen. Jemand anderer aber machte doch recht schnell Bekanntschaft damit!« »Und was ist dieses ›Etwas‹? Und vor allem: wer machte damit Bekanntschaft - was auch immer das bedeuten soll?« fragte Alfred Hitchcock aufmerksam. -127-
Das Grinsen der Jungen wurde noch breiter. Diesmal antwortete Bob: »Dieses ›Etwas‹ war eine Art Sprengkörper, der an der Klapptür des Safes von Skinny angebracht wurde. Wer auch immer die Stahlklappe öffnen würde, dem stände eine besondere Überraschung bevor.« Mr. Hitchcock war fassungslos. »Ein Sprengkörper? Ja, ist denn dieser Norris- Junge vollkommen übergeschnappt?« regte sich der Regisseur auf. »Keine Panik, Mr. Hitchcock«, beschwichtigte Peter Shaw den aufgebrachten Mann, »kein richtiger Sprengkörper! Nur so eine Art Feuerwerkskörper, der bei der Auslösung des Kontakts durch das Öffnen der Klappe hochgehen würde. Und dabei gleichzeitig das Pulver freisetzten würde, das in dem Sprengkörper eingeschlossen war. JUCKPULVER!« »Juckpulver?« fragte Mr. Hitchcock ungläubig und verständnislos. »Juckpulver«, bestätigte Justus Jonas, »und zwar eine ganz besonders hartnäckige Sorte. Wer auch immer damit in Berührung kommen würde, hätte einige unangenehme Stunden vor sich. Eine wahrhaft teuflischer Sache, mit der uns Skinny einen Streich spielen wollte: das Juckpulver sowieso, aber auch der Knall des Feuerwerkskörpers, der bestimmt Mrs. Shelford alarmiert hätte. Die gute Frau hätte sicherlich die Polizei alarmiert. Und da wir ja laut Skinnys Plan wohl mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eher unaufgefordert in die Wohnung von Mr. Bucke eingedrungen wären, würden wir spätestens dann wohl gewaltig in der Tinte sitzen« »Nur, das WIR den Safe nun gar nicht geöffnet haben«, grinste Bob. »Sondern Mr. Bucke persönlich, der sinniger Weise wenig später von seiner Dienstreise zurückkam«, vollendete wieder der Erste Detektiv den angefangenen Satz. -128-
Mr. Hitchcock lachte auf: »Und der arme Mann öffnete nichtsahnend seine Safe?« »Genau«, meinte Justus. Wieder grinsten die drei ??? wie auf Kommando und selbst der bekannte Regisseur könnte sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen.. »Soweit mir zu Ohren gekommen ist, war Mr. Bucke nicht besonders erfreut von diesem Vorfall. Skinny hat mächtig Ärger bekommen. Wenn ich es recht mitbekommen habe, zieht Skinnys Vater sogar in Erwägung, seinen Sohn in eine Kadettenschule zu schicken«, meinte Peter mit einem schadenfrohen Glitzern in den Augen. »Na, ob diese disziplinarische Maßnahme dem Jungen noch Zucht und Ordnung beibringen können, wage ich doch eher zu bezweifeln«, meinte Mr. Hitchcock lachend. »Aber, was ist mit euch? Seid ihr denn nicht betrübt, das sich der Fall ›Blutige Botschaft‹ so schnell in Wohlgefallen hat auflösen müssen. Ein richtiger Fall war es ja eigentlich bei genauerem Besehen nicht?« Justus schüttelte den Kopf. »Zugegeben: dem Maßstab der gewohnten Kriminalfälle folgte dieser Fall nicht. Doch ich bin durchaus zufrieden mit dem Geschehenen. So sind wir doch zumindest eine gewisse Zeit lang Skinny Norris los. Selbst, wenn ihm nicht besagtes Internat drohen sollte: der gute Skinny wird sich wohl für die nächste Zeit etwas zurückhalten müssen.« »Na, wenn das kein durchschlagender Erfolg ist«, bestätigte ihm der berühmte Regisseur und das heiter Lachen der Anwesenden erfüllte den Raum. Kommt Zeit, kommt Rat. So, wie ich den jungen Norris einschätze, wird der nicht lange stillhalten. Eine Schlacht ging -129-
verloren. Doch scheint mir, das Skinner nicht gewillt ist, den Krieg gegen die drei Fragezeichen damit zu beenden. Was meint ihr? Wandelt sich der freche Junge irgendwann doch noch zu einem integrierten Mitglied der Gemeinschaft, oder bleibt er das, was ihm scheinbar am meisten gelegen ist: der Erzfeind der drei Detektive? Mein Rat: haltet immer die Augen offen. Und traut zumindest vorerst keinem Jugendlichen mit auffallend großer Nase, schon gar nicht, wenn der auf den Namen ›Skinner‹ hört und in Rocky Beach beheimatet ist.
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