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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ~iber abrufbar.
Dissertation Universit~it Heidelberg, 2006, u.d.T. Marius Busemeyer: Die Bildungsfinanzen der USA im intranationalen und internationalen Vergleich
1. Auflage November 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Britta GShrisch-Radrnacher Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehrnen von Springer Science+Business Media. www.duv.de
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Das Werk einschliel~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gesch~itzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustirnrnung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesondere fiJr Vervielf~iltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnarnen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesern Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahrne, dass solche Namen irn Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher von jedermann benutzt werden d~irften. Umschlaggestaltung: Regine Zirnrner, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scher~litz Gedruckt auf s~iurefreiern und chlorfrei gebleichtern Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-6062-7 ISBN-13 978-3-8350-6062-3
Vorwort
Wie jeder Autor weil3, ist der erste Satz eines Buches oder Textes oft der schwerste. Dies gilt umso mehr fiir ein Vorwort, denn hier steht der Schreiber vor der Herausforderung, alle diejenigen in gebiihrender Weise dankend und lobend zu erw/ihnen, die beim Zustandekommen des vorliegenden Werkes geholfen haben. Auch in meinem Fall ist das eine groBe Zahl von Personen, die mich in den letzten Jahren nicht nur beruflich, sondem auch pers6nlich unterstiitzt haben. Zuerst geb/ihrt den Betreuem meines Dissertationsvorhabens, Prof. Manfred G. Schmidt und Prof. Uwe Wagschal vom Institut fiir Politische Wissenschaft der Universit/it Heidelberg, Dank. Das Heidelberger IPW ist flit mich sowohl w/ihrend der Studienzeit und besonders in der Promotionsphase zur zweiten Heimst/itte geworden. Ein Grund dafiir liegt auch in der positiven Arbeitsatmosph/ire, die in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gef'6rderten Forschungsprojekt ,,Bildungsausgaben im internationalen Vergleich", aus dem diese Dissertation hervorgegangen ist, herrschte. Daher sei an dieser Stelle auch in besonderer Weise meinen Projektkollegen Rita Nikolai und Frieder Wolf gedankt, die das Vorankommen meines Teilprojektes mit Rat und Tat unterst/itzt haben, so wie ich hoffentlich zum guten Gelingen ihrer Teilprojekte habe beitragen k6nnen. Danken m6chte ich auch den anderen Angeh6rigen des Lehrstuhls Schmidt, Tobias Ostheim, Reimut Zohlnh6fer und Inge Zimmermann ftir fachliche und administrative Unterstiitzung. Ein besonderes Lob geht auch an die wissenschaftlichen Hilfskr~ifte in unserem Projekt, die durch fleiBige Recherchearbeit und unermiidliche Ausdauer beim Eingeben von Bildungsausgabendaten zum Gelingen des Projektes beigetragen haben: Falk Bartscherer, Julia Schulz, Benjamin Scheuermann, Saskia Groh und Urs Biircky. Bedanken m6chte ich mich auch bei den Finanzgebem, die die Durchfiihrung dieses Projektes /iberhaupt m6glich gemacht haben: die Deutsche Forschungsgemeinschaft, aber auch die Studienstiftung des Deutschen Volkes, die Harvard Universit/it und die Haniel-Stiftung, die mich w/ihrend meines zweij/ihrigen Studien- und Forschungsaufenthaltes an der Kennedy School of Government als McCloy-Fellow finanziell unterstiJtzt haben. In diesem Zusammenhang m6chte ich auch Marius Spiecker gen. D6hmann von der Studienstiftung danken, der die Parallelit/it von Promotion und Master-Studium in unb/irokratischer Weise unterstiitzte. Weiterhin m6chte ich mich bei einer Anzahl von Leuten bedanken, die meinen akademischen Weg und / oder dieses Projekt in der einen oder anderen Form
VI
Vorwort
begleitet haben: Jim Alt, Ben Ansell, Frank Castles, Pepper Culpepper, Michael Dauderst/idt, Andreas Esche, Jens Hainmiiller, Peter Hall, Gunther Hega, Torben Iversen, Christian Kellermann, Bernhard Kittel, Wolfgang Merkel, Herbert Obinger, Thieg Petersen, Matthias Ritter, John Ruggie, Mary Ruggie, Ole Wintermann, Nico A. Siegel und Theda Skocpol. Besonders danken m6chte ich auch meinen neuen Arbeitgebern, Wolfgang Streeck und Kathleen Thelen, sowie dem Max Planck Institut ftir Gesellschaftsforschung ffir die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur zur Fertigstellung dieses Werkes. Ein pers6nlicher Dank gilt meinen Freunden und meiner Familie, die unabdingbaren sozialen Beistand leisteten. Der gr6gte Dank von allen gilt dabei Anna Lorent, die an entscheidenden Wegkreuzungen an meiner Seite stand, unz/ihlige Versionen des Manuskripts mit Adleraugen Korrektur gelesen hat und sich zu meinem gr6ftten Glfick nicht von meiner intensiven Besch/iftigung mit Bildungsfinanzen hat abschrecken lassen, so dass ich mich inzwischen zur Zunft der verheirateten M/inner z/ihlen darf. Ihr m6chte ich dieses Buch widmen.
Marius R. Busemeyer
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................ V Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. VII Tabellenverzeichnis ............................................................................................ IX Abbildungsverzeichnis .................................................................................... XIII Einleitung ................................................................................................... 1
1. 2. 2.1
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen ......... 21 Historischer 0 b e r b l i c k fiber die Entwicklung der amerikanischen Bildungsfinanzierung ............................................................................ 24
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2
Vor dem amerikanischen Biirgerkrieg: Kolonialerfahrung und C o m m o n School Movement ........................................... 24 Nach dem Biirgerkrieg: Die Universalisierung der Sekundarbildung ..................................................................... 37 Die Nationalisierung der Bildungspolitik: Die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg ........................................................... 51 Die 1980er Jahre und danach ................................................ 65
Die Bildungsfinanzen der USA im intranationalen Vergleich ............. 79 oo
2.2.1
2.2.2 2.2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4.
Uberblick fiber Verlauf und Variation der Bildungsausgaben und die Funktionsweise des US-amerikanischen Fiskalf6deralismus ................................................................. 79 Offentliche Bildungsausgaben im intranationalen Vergleich .............................................................................. 114 Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im USamerikanischen Bildungssystem ........................................... 147
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen ..................... Historischer 0 b e r b l i c k ....................................................................... Die amerikanische Hochschullandschaft heute .................................. Synthese: Zur Erkl~imng der hohen Privatausgaben im Terti/irsektor
161 162 185 217
Quantitativer Vergleich der B ildungsausgaben in OECD-L/indem: Statistische Analyse und Ergebnisse ...................................................... 221 4.1 Die Bildungsausgaben der OECD-L~inder im intemationalen Vergleich unter besonderer Beriicksichtigung der Position der USA 223 4.2 Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgaben ............................ 234
lnhaltsverzeichnis
VIII
4.2.1 4.2.2 4.3 4.4
,
6.
Befunde der QuerschnittsanalyseJ~r 21 OECD-Liinder ...... Befunde der kombinierten Liings- und Querschnittsanalyse ............................................................. Determinanten der privaten Bildungsausgaben .................................. Zwischenfazit: Zusammenfassung der Befunde des internationalen Vergleichs ...........................................................................................
234 237 298 306
Fazit und Ausblick: Die Bildungsausgaben im K a m p f u m knappe Mittel ......................................................................................... 313 5.1 Abgleich der Befunde aus dem internationalen und US-intranationalen Vergleich ............................................................. 313 5.2 Schlussfolgerungen und Ausblick ...................................................... 316 Literaturverzeichnis ............................................................................... 323
Anhang ............................................................................................................. Anhang A - Details zu verwendeten statistischen_Methoden, Variablendefinitionen und Datenquellen .......................................................... 1. Details zu verwendeten statistischen Methoden .................................... 2. Variablendefinitionen und -quellen ftir deninternationaleVergleich ..... 3. Anmerkung zu verwendeten Datenbereinigungsverfahren (Interpolation) ........................................................................................ 4. Variablendefinitionen u n d - q u e l l e n ftir den US-intranationalen Vergleich ................................................................ Anhang B - Zus~itzliche Tabellen und Daten ................................................... Kapitel 2 ....................................................................................................... Kapitel 3 ....................................................................................................... Kapitel 4 .......................................................................................................
363 364 364 368 372 373 375 375 388 393
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1:
Bildungsausgaben in den US-Bundesstaaten pro Schiiler in laufenden Preisen ......................................................................... 42
Tabelle 2.2:
Relativer Anteil der lokalen und der gliedstaatlichen Ausgaben und Einnahmen am ,state-local'-Sektor ....................................... 84
Tabelle 2.3" lJberblick fiber durch direktdemokratische Entscheidungsverfahren auferlegte Beschr/inkungen der Steuerautonomie der Bundesstaaten ............................................................................... 89 Tabelle 2.4:
Prozentuale Verteilung der Einnahmequellen fiir die Finanzierung /Sffentlicher Prim/ir- und Sekund/irschulen in den Gliedstaaten, 2000-01 ........................................................................................ 93
Tabelle 2.5:
Variation der Ausgaben fiir Primar- und Sekundarschulwesen, 2000 .......................................................... 97
Tabelle 2.6:
Relative Verteilung in Prozent der Gesamtausgaben Rir verschiedene Bereiche in den einzelnen Regionen, Haushaltsjahr 2002 ..................................................................... 102
Tabelle 2.7:
Bedeutung der Grundsteuer und der von unabh~ingigen Schuldistrikten erhobenen Steuem fiir die lokale Finanzierung der Bildung ....................................................................................... 108
Tabelle 2.8:
Ergebnisse der multivariaten Analyse, abh/ingige Variable: Bildungsausgabenquote, 2000 .................................................... 138
Tabelle 2.9:
Ergebnisse der multivariaten Analyse, abh/ingige Variable: Bildungsausgaben pro Sch/iler ................................................... 143
Tabelle 3.1:
Einnahmequellen der privaten Not-for-Profit terti~iren Institutionen ............................................................................... 192
Tabelle 3.2:
Top 15 der Institutionen mit den grSl3ten Spendeneinnahmen, 2004 .......................................................... 193
Tabelle 3.3:
Zahlenm/il3iges Verh/iltnis der 5ffentlichen und privaten Institutionen der hSheren B ildung in den Bundesstaaten, 2002-03 ............................................................. 203
X Tabelle 3.4:
Tabellenverzeichnis Anteil der Ausgaben ~ r Hochschulen an den gliedstaatlichen Gesamtausgaben, Haushaltsjahr 2002 ........................................ 206
Tabelle 3.5" Offentliche Pro-Kopf-Ausgaben und 6ffentliche Ausgabenquote ffir 6ffentliche und unabhfingige Hochschulen in den Bundesstaaten, Haushaltsjahr 2004 ............................................ 208 Tabelle 3.6:
Verteilung der Einkfinfte yon 6ffentlichen terti/iren Institutionen (Abschluss-verleihend) nach Bundesstaaten, 2000-01 ............... 212
Tabelle 4.1:
Ergebnisse der Querschnittsanalyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten, 1970-1999 ........................................ 235
Tabelle 4.2:
,,Basismodell" aus der kombinierten L~ings- und Querschnittanalyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten, 21 OECD L/inder, 1980-2002 ......................................................... 237
Tabelle 4.3:
Gepoolte Zeitserienanalyse der 6ffentlichen Bildungsausgaben (in % des BIP), 1980-2002, 21 OECD-L/inder ................................ 251
Tabelle 4.4:
Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote: Alternative Modellspezifikationen, 1980-2002, 21 OECD-L/inder ...................................................................... 265
Tabelle 4.5:
Machtressourcen und Parteieneffekte in den 1980er Jahren, 19801989, 19 OECD-L/inder ............................................................. 277
Tabelle 4.6:
Ver/indemng der Bildungsausgabenquote, 5-Jahres-PeriodenDurchschnitte, von 1980 bis 1999 .............................................. 283
Tabelle 4.7:
Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiiler, 1980-2002, 21 OECD-L/inder .................................................... 286
Tabelle 4.8:
Determinanten der sektoralen 6ffentlichen Bildungsausgaben, 1991-2001 .................................................................................. 292
Tabelle 4.9:
Ergebnisse der Querschnittsanalyse der privaten Bildungsausgabenquoten, 2001 .................................................. 301
Tabelle A2.1: Beispiele fiir die Ungleichheiten im kalifornischen System der Bildungsfinanzierung vor der Serrano-Entscheidung, 1968-69; Quelle: California Supreme Court Opinion in Serrano v. Priest, August 1971 ............................................................................... 375 Tabelle A2.2: Ungleichheiten in der Verteilung der Bildungsausgaben auf Distrikte in den Bundesstaaten ................................................... 376
Tabellenverzeichnis
XI
Tabelle A2.3: Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgaben (nur gliedstaatliche Ebene) in Prozent des pers6nlichen Einkommens ......................................................... 377 Tabelle A3.1" lJbersicht fiber Einnahmequellen 6ffentlicher State Universities. ................................................................................................... 388 Tabelle A3.2: Die 50 Universit~iten mit den gr6Bten Kapitalausstattungen, in tausend Dollar, 2001 .................................................................. 389 Tabelle A4.1: Korrelationen zwischen den Bestimmungsfaktoren des Basismodells ..............................................................................
393
Tabelle A4.2: Fisher-Tests zu Nicht-Stationarit~it ............................................ 394 Tabelle A4.3: Das Basismodell in verschiedenen Spezifikationen ................... 396
Abbildungsverzeichnis
Grafik 2.1:
Relativer Finanzierungsanteil der Bundes-, der gliedstaatlichen und der lokalen Ebene in der Finanzierung des Primar- und Sekundarschulwesens ................................................................... 52
Grafik 2.2:
Ausgaben fiir Bildungsinstitutionen in den USA in % des BIP... 80
Grafik 2.3:
Ausgabenquoten fiir verschiedene Politikfelder in den USBundesstaaten ............................................................................... 82
Grafik 2.4:
Die US-Bundesstaaten steigen auf zum wichtigsten Bereitsteller von allgemeinen, 6ffentlichen Dienstleistungen: Anteil der 6ffentlichen Dienstleistungen, die von der jeweiligen Regienmgsebene zur Verftigung gestellt werden ......................... 83
Grafik 2.5:
Bildungsausgaben in den USA in laufenden Preisen in Mio. $.. 104
Grafik 2.6:
Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen (2001) und Bildungsausgaben (2000) ........................................................... 119
Grafik 2.7:
Einfluss von Interessengruppen (2002) und Bildungsausgaben (2000) ........................................................... 124
Grafik 2.8:
Dominierende politische Kultur und Bildungsausgaben (2000). 127
Grafik 2.9:
Zusammenhang zwischen Staatsausgaben- (abziiglich Bildungsausgaben) und Bildungsausgabenquote, R2=0,22 ........ 129
Grafik 2.10: Zusammenhang zwischen Ungleichheit der Verteilung der Bildungsressourcen und Pro-Schiiler-Ausgaben (2000) ............. 131 Grafik 2.11: Bundesmittel (2001) und Bildungsausgaben (2000), R2=0,23... 132 Grafik 2.12: Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Gesamtbildungsausgaben (2000/01) und Bildungsausgabenquote (2000), R2-0,50 ........... 134 Grafik 2.13: Zusammenhang zwischen der Anzahl der 6ffentlich Besch/iftigten (2000) und der Bildungsausgabenquote (2000), R2=0,39 .......... 136 Grafik 3.1:
Ausgaben fiir postsekund/ire B ildungsinstitutionen in den USA in Mio. $, laufende Preise ............................................................... 187
XIV
A b b ildungsverzeichnis
Grafik 3.2:
Entwicklung der Pro-Student Einnahmen (Vollzeitfiquivalente) an privaten und 6ffentlichen terti~iren Bildungsinstitutionen, in konstanten (2000-2001) Preisen ................................................. 188
Grafik 3.3:
Entwicklung der Einkommensquellen der terti~iren Bildungseinrichtungen ............................................................... 190
Grafik 3.4:
Entwicklung der Einkommensquellen fiir 6ffentliche terti/ire Einrichtungen ............................................................................. 191
Grafik 3.5:
Durchschnittliche Studiengebfihren (Tuition und weitere Gebtihren) und Unterkunftskosten je vollzeitfiquivalentem Student in tertifiren Abschluss-verleihenden Institutionen (Undergraduate) ................................................... 196
Grafik 3.6:
Relative Verteilung der Finanzierungsquellen zur Unterstfitzung von Studenten (,,student aid"), Angaben in Mrd. Dollar, 2000.. 198
Grafik 4.1:
Offentliche und private Bildungsausgaben in % des BIP, 2002.223
Grafik 4.2:
Offentliche und private Ausgaben ffir Prim~ir-, Sekundfir- und nicht-terti~ire, post-sekund/ire Bildung, 2002 ............................. 225
Grafik 4.3:
Offentliche und private Ausgaben fiir Bildung im Terti~irbereich in % des BIP, 2002 ......................................................................... 226
Grafik 4.4:
Ausgaben pro Schiller / Student (in Vollzeit~iquivalenten), 2002 ............................................................................................ 228
Grafik 4.5:
Ausgaben ffir Bildung pro Schiller / Student relativ zum BIP pro Kopf, 2002 ................................................................................. 230
Grafik 4.6:
H6he der Geh~ilter im oberen Sekundarbereich nach 15 Jahren Erfahrung relativ zum BIP pro Kopf, 2003 ................................ 231
Grafik 4.7:
L/ingsschnittbetrachtung der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten, 1970-2002 ........................................ 233
Grafik 4.8:
Zusammenhang zwischen 6ffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben, 2001, R1=0,33 .................................................. 245
Grafik 4.9:
Zusammenhang zwischen Bildungsausgabenquote und Etatisierungsgrad (Staatsausgabenquote minus Bildungsausgabenquote), 2002, R2=0,21 ................................... 247
Grafik 4.10: Die Entwicklung der 6ffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben in USA, Deutschland, Schweden ................................................... 253
Abbildungsverzeichnis
XV
Grafik 4.11: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher Bildungsausgabenquote und Sozialausgaben fiir den Bereich "Familie", 2001, R~=0,39 ........ 255 Grafik 4.12: Der ,,Aufholprozess der Bildungsausgaben", R2=0,68 ............... 260 Grafik 4.13: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher B ildungsausgabenquote und Frauenerwerbsbeteiligung, 2001, R2=0,32 ................................. 266 Grafik 4.14: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher B ildungsausgabenquote (2001 ) und Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten (19452001), R2-0,34 ........................................................................... 273 Grafik 4.15: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher B ildungsausgabenquote (2001) und Regierungsbeteiligung konservativer Parteien (19452001), R2=0,27 ........................................................................... 274 Grafik 4.16: Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und BIP pro Kopf, 2001, Rz=0,32 ............................................................................. 287 Grafik 4.17: L/ingsschnitt-Vergleich der privaten Bildungsausgabenquote in ausgew/ihlten OECD-L/indem, 1988-2001 ................................ 298 Grafik 4.18: Private Ausgaben fiir einzelne Bildungssektoren (in Prozent des BIP), 2002 .................................................................................. 299 Grafik A2.1: Ver/indemng der Zusammensetzung der bundesstaatlichen Haushalte .................................................................................... 378 Grafik A2.2: Reale und nominale Entwicklung der gliedstaatlichen Haushalte. ................................................................................................... 378 Grafik A2.3: Verlauf der Bundeszuschfisse an Gliedstaaten (in Prozent der Bundesausgaben) .............................................................................. 379 Grafik A2.4: Prozentuale Ver/indemngen der Ausgabenkategorien in den Haushaltsjahren 2001 und 2002 ................................................. 380 Grafik A2.5: Verteilung der Ausgabenanteile in den Haushalten der Bundesstaaten ............................................................................. 380 Grafik A2.6: Relative Zusammensetzung der Einnahmequellen ~ r Ausgaben ftir Primar- und Sekundarschulwesen der Bundesstaaten im Haushaltsjahr 2002 ..................................................................... 381 Grafik A2.7: Prozent-Anstieg der B ildungspartizipation im Primar- und Sekundarschulwesen, vor allem in den stidwestlichen Staaten.. 381
XVI
A bbildungsverzeichnis
Grafik A2.8: Zusamenhang zwischen Bildungsausgabenquote und Pro-KopfEinkommen, R2=0,32 ................................................................. 382 Grafik A2.9: Dominanter Wirtschaftssektor und Bildungsausgabenquote ...... 383 Grafik A2.10: Zusammenhang zwischen Anteil der Schiller an der Bev61kerung und Bildungsausgabenquote, R2=0,21 ........................................ 384 Grafik A2.11: Zusammenhang zwischen Medicaid-Ausgaben pro Empfiinger und Bildungsausgaben pro Schiller, R2=0,38 ............................. 385 Grafik A2.12: Zusammenhang zwischen den durchschnittlichen Monatsverdiensten der 6ffentlichen Angestellten und den ProSchtiler-Ausgaben, R2=0,37 ....................................................... 386 Grafik A2.13: Dimensionen staatlicher Intervention in US-Bundesstaaten ..... 387 Grafik A3.1: Zahl der Terti/irinstitutionen, die ihre Ttiren geschlossen haben.390 Grafik A3.2: Prozentanstieg der Bildungspartizipation in terti/iren Bildungsinstitutionen ................................................................. 390 Grafik A3.3: Entwicklung des Anteils am Familieneinkommen, der ftir Studiengebiihren an 6ffentlichen Institutionen aufgewendet werden muss, nach Einkommensquintilen gegliedert ............................. 391 Grafik A3.4: Entwicklung des Anteils am Familieneinkommen, der fiir Studiengebiihren an privaten Institutionen aufgewendet werden muss, nach Einkommensquintilen gegliedert ............................. 391 Grafik A3.5: Entwicklung des Anteils der Netto-Einnahmen durch Studiengebtihren an den Gesamteinnahmen 6ffentlicher State Universities ................................................................................ 392
1.
Einleitung
Diese Arbeit besch~iftigt sich mit der Analyse der Dynamik und Geschichte der Bildungsfinanzierung in den USA sowie mit der Ermittlung der Determinanten der 6ffentlichen, privaten und sektoralen Bildungsausgaben im internationalen Vergleich der wirtschaftlich entwickelten OECD-Staaten unter besonderer Berficksichtigung der Position der Vereinigten Staaten. Die USA nehmen im intemationalen Vergleich der Bildungsausgaben der OECD-Staaten eine gewisse Sonderstellung ein. So liegen sie mit 5,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben im Jahr 2002 zwar genau im Durchschnitt der hier untersuchten 21 etablierten OECDDemokratien (OECD 2005: 178). Die privaten Bildungsausgaben liegen mit 1,9 Prozent des BIP aber fiber dreimal so hoch wie der OECD-21-Durchschnitt (0,7 Prozent) (ebd.). Durch die stark fiberdurchschnittlichen Privatausgaben setzen sich die USA im Vergleich der 21 etablierten OECD-Staaten bei den Gesamtbildungsausgaben an die Spitze. Wenn man sich die Verteilung der Ausgaben auf die einzelnen Bildungssektoren anschaut, so wird offensichtlich, dass die hohen Ausgaben in den USA vor allem auf den Hochschulbereich zuriickzufiihren sind: Dort sind die privaten Ausgaben mit 1,4 Prozent des B IP mehr als dreimal so hoch wie der OECD-Durchschnitt (0,3 Prozent) (ebd.: 185). Insofem nehmen die USA eine besondere Position im intemationalen Vergleich ein: Sie haben eine der, insgesamt betrachtet, h6chsten Bildungsausgabenquoten und insbesondere stark fiberdurchschnittliche private Ausgaben im terti~iren Bildungsbereich bei einer lediglich durchschnittlichen 6ffentlichen Bildungsausgabenquote. Wesentliche Teile dieser Arbeit sind der Beantwortung dieses Puzzles gewidmet. Im Einzelnen behandelt die Arbeit insgesamt drei unterschiedliche, aber miteinander zusammenh/ingende Fragestellungen: 1.
2.
Intranationaler Vergleich: Welche Faktoren erld/iren die Variation der Bildungsausgaben im Vergleich der 50 US-Bundesstaaten? Welchen Beitrag kann eine historische Betrachtungsweise fiir das bessere Verst/indnis der Dynamik und Funktionsweise des US-amerikanischen Systems der Bildungsfinanzierung liefern? Wie funktioniert dieses System heute? Intemationaler Vergleich: Welche Bestimmungsfaktoren erkl/iren die Variation der 6ffentlichen, sektoralen und privaten Bildungsausgaben im Vergleich von 21 wirtschaftlich entwickelten und etablierten demokratischen OECD-Staaten? Wie werden die Befunde des intranationalen Vergleichs da-
2
Einleitung durch best/~tigt bzw. relativiert? Was ist die Position der USA im intemationalen Vergleich der Bildungsausgaben? Beitrag der Fallstudie zur Erkl~irung der Position der USA im internationalen Vergleich: Welchen Beitrag kann eine qualitativ-historische Untersuchung des Hochschulbildungswesens, angereichert um empirische Daten aus der aktuellen Periode, zu einem besseren Verst~indnis der Position der USA im internationalen Vergleich leisten?
Der methodische Anspruch dieser Arbeit ist es, verschiedene Analyseebenen und Untersuchungstechniken miteinander zu kombinieren. So wird besonderes Schwergewicht gelegt auf die Erg~inzung des quantitativen, statistischen Vergleichs durch eine historisch angereicherte, empirische Fallstudie. AuBerdem wird Wert gelegt auf die Kombination des intemationalen mit dem USintranationalen Vergleich. Ein solches Unterfangen verspricht, gr6Beren Aufo schluss fiber die Bestimmungsfaktoren der Bildungsausgaben zu geben.
Oberblick iiber den Stand der Forschung Die Analyse der Bildungspolitik ist bislang nicht nur, aber vor allem vonder deutschen Politikwissenschaft vemachl/issigt worden (Reuter 2002). Das f'fillt dann besonders auf, wenn man auf den inzwischen betr~ichtlichen Stand der Forschung in Nachbardisziplinen wie der ()konomie (Timmermann 2002) und der Soziologie (Allmendinger / Aisenbrey 2002) blickt. Es fiillt auch auf im Hinblick auf die Intensit~it, mit der die Politikwissenschaft die Sozialpolitik in Struktur, Prozess und Auswirkungen unter die Lupe genommen hat. Der Stand der Forschung bei der Analyse der Bildungsausgaben kann durch die Betrachtung vier unterschiedlicher Arten von Studien in wenigen S~itzen zusammengefasst werden. Erstens gibt es eine Reihe von deskriptiv-vergleichenden Studien, die meist aus der Perspektive eines Landes geschrieben sind (F~irber 2000; WeiB 1999; Hetmeier / WeiB 2001; Klemm 2003 (alle aus der Perspektive Deutschlands); Glennerster 2001 (UK); Nelson 1992, 1996 (USA)). Vereinzelt finden sich auch gr6Ber angelegte, deskriptiv-vergleichende Studien (Heynemann 2001; O'Higgins 1988). Zweitens finden sich Studien, in denen die Analyse der Bildungsausgaben zwar eine Rolle spielt, aber nicht ausschlieBlich im Zentrum der Betrachtung steht. Hierbei geht es zum Beispiel um die Erforschung der Effekte der Fiskalpolitik auf das langfristige Wirtschaftswachstum (Nijkamp / Poot 2004), der Mittelkonkurrenzen zwischen Bildungs- und Milit/~rausgaben (Mintz / Huang 1991) oder der Erforschung der Triebfaktoren der Bildungskosten (Landon 1999). Drittens sind Arbeiten zu nennen, die fiber die rein deskriptive Betrachtung der Bildungsausgaben hinaus in die statistische Tiefenanalyse der
Einleitung
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Determinanten einsteigen. Allerdings, und diese unterscheidet diese Studien von der n~ichsten Kategorie, handelt es sich bei denen in der Untersuchung betrachteten unabh~ingigen Variablen zumeist um eher kurzfristig wirkende Umweltparameter des sozio-6konomischen Umfeldes (,,sources") urtd nicht um tiefer liegende Kausalit~itsprozesse abbildende, politische und institutionelle Variablen (,,causes"). 1 Beispiele fiir diese Arten von Studien, bei denen unter anderem das Pro-Kopf-Einkommen, die Bildungspartizipation 2 oder die H6he der StudiengebiJhren als Determinanten der B ildungsausgaben identifiziert werden, sind Hanushek / Rivkin 1996, Femand6z / Rogerson 1997, Morgan / Kickham et al. 2001 und Ram 1995. Die vierte Kategorie der Studien, die sich mit der Erforschung der Bildungsausgaben besch~iftigt haben, beinhaltet Arbeiten, die sowohl sozio-6konomische ,,sources" als auch politisch-institutionelle ,,causes" beriicksichtigen. Ein frfihes Beispiel ist die Studie von Cameron und Hofferbert (1974), die den Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und F6deralismus betrachtet. Vetoer (1979) legte einen Most-Dissimilar-Cases-Vergleich zur Untersuchung der Bildungsausgaben in 102 L~indem vor. Besonders zu wiirdigen sind auBerdem die Arbeiten von Castles, der sich direkt (Castles 1989, 1998) und indirekt (Castles 1982; Castles / Marceau 1989; Castles / McKinlay 1979) mit der Untersuchung der Bildungsausgaben besch~iftigt hat. Er hebt die Bedeutung des Faktors Religion, aber auch die Wichtigkeit parteipolitischer Variablen hervor. Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Bildungsausgaben und der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung ist von einigen fortgeffihrt worden (Garrett / Lange 1991; Boix 1997, 1998). Hokenmaier (2002) und Hega / Hokenmaier (2002) verwenden das Castles-Modell als Ausgangspunkt fiir eigene Untersuchungen der Bildungsausgaben. Andere besch~iftigen sich mit der Analyse der Wirkung einzelner unabh~ingiger Variablen wie der Globalisierung (Kaufman / Segura-Ubiergo 2001), der demographischen Zusammensetzung der Bev61kerung (Poterba 1997) oder dem Einfluss direktdemokratischer Entscheidungsverfahren (Santerre 1989, Sass 1991). In jiingerer Zeit hat sich vor allem Manfred G. Schmidt eindringlich mit der Analyse der Bestimmungsfaktoren der B ildungsausgaben besch~iftigt (Schmidt 2002d, 2003a, 2004). Der von Schmidt dabei verwendete theoretische und methodische Ansatz ist die ,Blaupause' ~ r die in dieser Arbeit gew~ihlte Vorgehensweise.
1Vgl. zur Unterscheidung zwischen den oberfl~ichlich wirkenden ,,sources" und den tiefer liegenden ,,causes" Olson (1982: 4). 2 Prinzipiell ist darunter die Anteil der Schiller / Studenten an der jeweils relevanten A1tersgruppe zu verstehen.
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Diese Arbeit beleuchtet das Thema der Bildungsfinanzen in den USA aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: erstens durch eine quantitative Analyse der Determinanten der Bildungsausgaben im inter- und US-intranationalen Vergleich und zweitens durch eine historisch-institutionalistische Betrachtung der Genese und Dynamik der US-amerikanischen Systems der Bildungsfinanzierung.
Theoretischer Blickwinkel L" Inter- und intranationaler Vergleich Der quantitative Teil dieser Arbeit greift zurfick auf etablierte Theorien der international vergleichenden Staatst/itigkeitsforschung (Schmidt 1993, 2001; Castles 2002; Siegel 2002) sowie, in erg/inzender Weise, auf etablierte Erkl/irungsmodelle aus dem intranationalen Vergleich der US-Bundesstaaten (Kapeluck 2001; Garand / Baudoin 2004). Zur Erkl/irung der Variation der Ausgaben greift der Schmidt'sche Theorienkatalog auf sechs Denkschulen zuriick, deren Bedeutung ftir die vorliegende Fragestellung des inter- und intranationalen Vergleichs der Bildungsausgaben im Folgenden kurz dargelegt werden soll. An erster Stelle ist hier die Lehre vom Politikerbe zu nennen. Richard Rose (Rose 1990; Rose / Davis 1994) und andere (Wildavsky 1964) haben auf die enormen Tr/igheitsmomente staatlicher Ausgabenpolitik hingewiesen. Die H6he der Ausgaben der Vorperiode, so die These, pr/igen zu einem grol3en Teil auch die aktuellen Ausgabengr613en. Das Politikerbe bestimmt jedoch nicht nur das Niveau der heutigen Ausgaben, sondern auch dessen Veriinderungsrate. Insbesondere ist hier ein gewisser Nachzfigler-Effekt (Catch up) zu erwarten, d.h. Staaten die zu friiheren Zeiten wenig fiir Bildung ausgegeben haben, haben in der Folgeperiode h6here Wachstumsraten zu verzeichnen als diejenigen, die bereits recht friih ein hohes Ausgabenniveau erreicht haben. Dahinter steht die These einer Konvergenz der Ausgaben der verschiedenen Lander fiber die Zeit hinweg. Zweitens ist auf die Bedeutung von Einflussfaktoren aus dem sozio6konomischen, demographischen und sozio-kulturellen Umfeld aufmerksam gemacht worden. Hierbei rficken Variablen wie der wirtschaftlichen Wohlstand, Wirtschaftswachstum und die demographische Zusammensetzung der Bev61kerang in den Mittelpunkt der Betrachtung (Z611ner 1963; Wilensky 1975, 2002). Im Falle der Sozialpolitik besteht eine relativ enge Verbindung zwischen den Ausgaben und dem Wirtschafiswachstum. Hohe Arbeitslosenzahlen erh6hen die Zahl der Leistungsempf'~inger und belasten die Sozialkassen. Bei der Bildungspolitik ist der Zusammenhang allerdings eher indirekter Natur. Das Primar- und Sekundarschulwesen h/ingt weniger stark von kurzfristigen Schwankungen der
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wirtschaftlichen Konjunktur ab. Hier geht es eher um die konstante Bereitstellung einer bildungspolitischen Grundversorgung. Der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung, gemessen am Pro-KopfBruttoinlandsprodukt (BIP), ist eine weitere, in der sozio-6konomischen Schule beliebte Variable. Das Wagner'sche Gesetz (Schmidt 1998: 161), vom National6konomen Adolph Wagner zur Analyse der Sozialausgaben gepr/igt, geht dabei von einem positiven Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes und der 6ffentlichen Ausgabenquote (Staatsquote) aus, d.h. je reicher ein Land, desto mehr, relativ zur Wirtschaftskraft, gibt es fiir Soziales, Bildung und andere 6ffentliche Giiter aus. Im Unterschied zu den Sozialausgaben, die bis spat ins 20. Jahrhundert hinein eine starke Wachstumsdynamik entfaltet haben, haben sich die Bildungsausgabenquoten in den entwickelten Industrienationen schon relativ friih stabilisiert. Der Wachstumstrend war hier insgesamt auch schw/icher ausgepr/igt. Die Bildungsexpansion hat sich, nachdem eine universale Primar- und Sekundarbildung zum integralen Bestandteil des Konzeptes des modernen, westlich gepr/igten Nationalstaates geworden war (Meyer / Ramirez / Soysal 1992), nach dem Zweiten Weltl~ieg vor allem im post-sekund~iren Sektor abgespielt. Starkes Wirtschaftswachstum in der ersten Nachkriegszeit konnte hier fiir die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen sorgen, ohne dass der Anteil der Bildungsausgaben am BIP insgesamt stark gewachsen ware. Castles (1989: 441-442) kann in seinen Analysen die Giiltigkeit des Wagner'schen Gesetzes bei den Bildungsausgaben nicht nachweisen. Dies wiirde darauf hindeuten, dass die Bildungsausgaben schon relativ friih an diese ,,S/ittigungsgrenze" gestol]en sind. Eine positive Assoziation allerdings ware Beleg dafiir, dass das Wachstumspotential der post-sekund/iren Bildungsexpansion, von der angenommen werden kann, dass sie in den wirtschaftlich entwickelten Staaten durch die ErschlieBung neuer Nachfragegruppen (wirtschaftlich Schwache, Frauen) schneller voranschritt, so groB ist, dass auch der relative Anteil der Bildungsausgaben am BIP ansteigt. Das demografische Umfeld spielt sicherlich als Determinante der Bildungsausgaben eine ungemein wichtige Rolle. Die Demografie definiert ,,latente Gruppen" (Olson 1992), die zu einem gewissen Grad durch objektiv zuschreibbare, gemeinsame Interessen bestimmt werden. In diesem Zusammenhang ist es sehr hilfreich, den politischen Prozess nicht aus der herk6mmlichen Perspektive als politischen Kampf zwischen Interessengruppen, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverb/inden und anderen bekannten politischen Akteuren zu begreifen. Vielmehr macht die Perspektive der ,,generational politics" (Heclo 1988) darauf aufmerksam, dass politische Konflikte auch zwischen Generationen ausgetragen werden k6nnen. Im Zuge der in der OECD-Welt zu beobachtenden Bev61kerungsalterung beschr~inken die Leistungsanspriiche der Bev61kerungsgruppe der
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Rentner in zunehmendem Mal3e den fiskalischen Spielraum der 6ffentlichen Sozialversicherungssysteme (Pampel / Williamson 1988, 1989). Die Gruppe der Alteren wird aul3erdem zu einer wahlpolitisch entscheidenden und m~ichtigen, stillen Vetomacht (Pecchenino / Utendorf 1999), die die Sicherung der gew/ihrten Ansprfiche vor die aktive Zukunftsvorsorge stellt (Kielmansegg 2001). Die junge Generation der Schiller und Studenten, die vor allem in den Genuss von Bildungsleistungen kommen sollen, ist politisch schwach. Sie ist gr6Btenteils nicht wahlberechtigt und daher auf die stellvertretende Wahmehmung ihrer Interessen durch die Eltern angewiesen. Diese haben zwar ein gewisses Interesse an der Aufrechterhaltung eines Mindestmal3es an Humankapitalinvestitionen zur Sicherstellung der langfristigen 6konomischen Grundlagen des Systems und zur Sicherung ihrer zuldinftigen Rentenanspriiche. Die stellvertretende Wahmehmung der Interessen der Jungen kann allerdings schnell in Konflikt kommen mit anderen, konkreten Bedfirfnissen der erwerbst~itigen Generationen, wie zum Beispiel die Grol3zfigigkeit der Leistungen aus Arbeitslosen- und Krankenversicherung. Poterba (1997) hat in einem Vergleich der US-Bundesstaaten eine negative Assoziation zwischen dem Anteil der Uber-65-J/ihrigen und den Bildungsausgaben nachgewiesen. In unserem Fall kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Niveau der Bildungsausgaben in weniger starkem MaBe von dem Bev61kerungsanteil der *lteren abh~ingt als die Veriinderung derselben. Die wichtigsten Grundpfeiler der Rentenversicherungen wurden vor allem in der ersten H~ilfte des 20. Jahrhunderts und der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. In dieser Periode der allgemeinen Expansion der Staatsausgaben ist es nicht zu einer direkten Finanziemngskonkurrenz zwischen Bildungs- und Sozialpolitik gekommen, von daher wird das Niveau der Bildungsausgaben vor allem von anderen Faktoren beeinflusst. Eine positive Assoziation zwischen dem Bev61kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen und den Bildungsausgabenquoten wiirde iiberpessimistischen Hypothesen aus der Schule der ,,generational politics" widerlegen, denn es k6nnte nachgewiesen werden, dass Staaten mit einer relativ jungen Bev61kerung auch relativ mehr far Bildung ausgeben. 3 Drittens sind institutionalistische Ans/itze zu nennen. Im Rahmen einer statistisch-quantitativen Analyse kommt institutionellen Faktoren vor allem in der Querschnittsdimension eine hohe Erkl/imngskrafl zu. Lohnend ist somit vor allem ein Vergleich des Policy-Outputs unter verschiedenen institutionellen 3 Die kausale Richtung dieses Zusammenhangs ist allerdings nicht hundertprozentig klar: Ein positive Assoziation zwischen den beiden Variablen k6nnte auch belegen, dass es den Staaten, die viel in Bildung investieren, gelingt, dadurch hohe Geburtsraten und daher eine relativ junge Bev61kerung zu bewirken.
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Bedingungen sowie die Analyse der Wechselwirkung zwischen institutionellen und akteursbezogenen Variablen wie zum Beispiel die parteipolitische Zusammensetzung von Regierungen. Die verfassungs- und gewohnheitsrechtlich kodifizierte Stellung der zentralstaatlichen Regierung, die durch den Grad der Auspr~igung der konstitutionellen Vetostruktur (Czada 2003: 176-177) bzw. die Zahl der institutionalisierten Mehrheitsbegrenzer wesentlich bestimmt wird, ist eine aus der Sozialausgabenforschung bekannte Variable (Hicks / Swank 1992; Huber / Ragin / Stephens 1993; Schmidt 2000: 352-353; Huber / Stephens 2001a, b; Kittel / Obinger 2003: 30). F6deralismus, Bikameralismus, ein starkes Verfassungsgericht, eine unabh/ingige Zentralbank, Direktdemokratie oder EU-Mitgliedschaft- dies sind die institutionalisierten Veto-Positionen, die von in diesen Theorien gebr/iuchlichen Makro-Indices erfasst werden. 4 Aus der Erforschung der Sozial- und Staatsausgaben ist bekannt, dass eine ausgepr/igte Vetostruktur die Expansion des Wohlfahrtsstaates tendenziell gebremst hat (Obinger / Wagschal 2000; Schmidt 2002a: 181-182) und umgekehrt die Konzentration von politischer Macht in den H/inden der Zentralregierung die Expansion beschleunigt hat (Hicks / Swank 1992: 661-662). Diese Zusammenh~inge k6nnen dadurch erkl/irt werden, dass in Staaten, in denen der Zentralregierung eine groBe Steuerungsmacht zukommt, die Expansion der 6ffentlichen Ausgaben nicht durch Vetospieler wie regionale Gebietsk6rperschaften, Direktdemokratie oder eine starke Verfassungsgerichtsbarkeit gebremst wurde. 5 4 An dieser Stelle wird geme die von George Tsebelis entwickelte Vetospieler-Theorie ins Spiel gebracht (Tsebelis 2000, 2002). Diese 1/isst sich jedoch nur begrenzt in einer international vergleichenden, quantitativen Analyse anwenden. Dabei ist u.a. ein Nachteil darin zu sehen, dass die Veto-Spieler-Theorie bei der Analyse und Definition der Vetospieler die institutionelle und die akteursbezogene Perspektive vermischt: Zwei Bedingungen miissen erfiillt werden, damit ein kollektiver Akteur zum Vetospieler wird: Zum einen muss er rechtlich (d.h. institutionell) dazu in die Lage versetzt werden, ein wirksames Veto einzulegen. Dies ist mit der Idee des konstitutionellen Vetopotentials gemeint. Zum Zweiten muss der betreffende Akteur aber auch die (politische) Motivation haben, sein Veto tats/ichlich einzulegen. Ob ein Akteur zum Vetospieler wird oder nicht, h/ingt also von den institutionellen Kapazit/iten und dem politischen Willen ab. Im Rahmen einer international vergleichenden Studie w/ire also eine Jahr-um-Jahr-Erfassung der tats/ichlichen Vetospieler in einem politischen System notwendig (konstitutionelles Vetopotential minus neutralisierte Veto-Positionen auf Grund gleichlaufender politischer Motivation, siehe deutscher Bundesrat). Dies fiihrt ein nicht unbetr/ichtliches Element der Willkfir und Unsicherheit in die Variablendefinition ein. Von daher erscheint es sinnvoller, sich auf die rein institutionelle Dimension (Auspr/igung der konstitutionellen Vetostruktur) zu beschr/inken. 5 Neuere Studien weisen allerdings darauf hin, dass in Zeiten des wohlfahrtsstaatlichen Rfickbaus eine ausgebaute Vetostruktur keine ausgabenmindemden, sondern eher stei-
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Im Falle der Bildungspolitik k6nnte die konstitutionelle Vetostruktur jedoch eine andere Wirkung haben, denn Bildung ist ja im Vergleich zur Sozialpolitik ein traditionell starker durch lokale und regionale Politik bestimmtes Politikfeld. In wohlfahrtsstaatlichen Nach~gler-Landem wie den USA oder der Schweiz war die politische Auseinandersetzung um die Errichtung des Sozialstaates immer auch ein Kampf der oberen Regierungsebene um Kompetenzen auf Kosten der unteren Ebene. Im Unterschied zur Sozialpolitik k6nnte der Bildungsstaat in f'6deralistischen Landem bereits frfiher auf lokaler und regionaler Ebene institutionalisiert gewesen sein, so dass die Wahrung der Autonomie der unteren Regierungsebenen weiterhin mit hohen durchschnittlichen Ausgaben einhergeht. Ein negativer Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und institutioneller Vetostruktur k6nnte sich allerdings dadurch ergeben, dass der ausgabensteigernde Effekt einer Zentralisierung der fiskalischen Kompetenzen in den Handen der zentralstaatlichen Regierung so grol3 war, dass der Ausbau des 6ffentlichen Bildungsstaates vor allem als Korrelat der Errichtung eines universalistischen Wohlfahrtsstaates und als integraler Bestandteil der allgemein vorherrschenden Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt betrachtet werden kann. In Bezug auf die privaten Bildungsausgaben mfisste demnach eine andere Beziehung gelten: Wenn eine ausgebaute Vetostruktur die 6ffentlichen Ausgaben im Zaum halt, dann ist zu erwarten, dass durch eine h6here Beteiligung der privaten Hand ein Teil der Bildungsnachfrage befriedigt wird, wenn eine entsprechende, demographisch oder 6konomisch bedingte Nachfrage nach Bildung besteht. ()konomische F6deralismustheorien (Kirchgassner 2001; Kirchgassner / Pommerehne 1997) gehen bei der Variable F6deralismus generell von einem ausgabenmindemden Effekt aus. Dies k6nne zuriickgeffihrt werden auf den Wettbewerb zwischen den regionalen Gebietsk6rperschaften (Wettbewerbsthese), die sich in ihren Steuerforderungen gegenseitig fiberbieten, oder auf die bessere Anbindung der politischen Klasse an die lokalen Praferenzen (Dezentralisierungsthese). Eine genauere Betrachtung der t'6deralistischen Lander f'6rdert allerdings zu Tage, dass es auch enorme Unterschiede gibt zwischen diesen Landem hinsichtlich der tatsachlichen fiskalischen Autonomie, die den unteren Regierungsebenen eingeraumt wird (Braun 2000). Klassisch ist die Unterscheidung zwischen Systemen des Trenn- (USA) und Verbundf'6deralismus (Deutschland). gernde Effekte haben k6nnte (Siegel 2002; Huber / Stephens 2001a). Dies lfige daran, dass die Auswirkungen einer starken Vetostruktur nicht per se gegen die Ausgabensteigerung gerichtet sind, sondern einfach den Handlungsspielraum der Zentralregierung derart beschrfinke, dass deren Handeln weniger effektiv und daher mit starker Verz6gerung relevant wird. Genau wie die Staaten mit starker Vetostruktur in den Ausbauphase Nachziigler waren, so sind sie es auch in der Riickbauphase mit der Wirkung, dass ihre Sozialausgaben relativ betrachtet weniger zuriick geschnitten werden.
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Aber auch fiber diese Unterscheidung hinaus ist die Erfassung der fiskalischen lokalen Autonomie eine wichtige Sache. Die Betrachtung von Ausgabenanteilen der einzelnen Regierungsebenen reicht dabei nicht aus (Stegarescu 2004: 1), da Ausgaben auf der lokalen Ebene von oben mandatiert sein k6nnen. Insofern ist vor allem die Frage in den Mittelpunkt zu stellen, ob lokale Einheiten steuerpolitisch relevante Entscheidungen (z.B. fiber Steuers~itze und Bemessungsgrundlage) selbst treffen k6nnen und ob sic Steuereinnahmen selbst erheben und verwalten (ebd.: 6). Stegarescus Indikatoren zeigen, dass die tats~ichliche fiskalische Autonomic in konstitutionell f'6deralistischen Staaten wie Deutschland und Osterreich geringer ist als in konstitutionell unitarischen Staaten wie in Skandinavien, den Niederlanden oder GroBbritannien. In Bezug auf die B ildungsausgaben ist davon auszugehen, dass sich konstitutionell f'6deralistische von unitarischen Staaten nicht per se in der Gesamth6he der Ausgaben unterscheiden, auch wenn sich Unterschiede hinsichtlich der innerstaatlichen Variationsbreite ergeben (Cameron/Hofferbert 1974). Eine hohe fiskalische Autonomic der lokalen Gebietsk6rperschaften k6nnte jedoch einen positiven Effekt auf die Gesamth6he der Ausgaben haben, wie Landon (1999) im Fall Kanada nachweisen konnte. Lokale Einheiten befinden sich bei der Bildungspolitik nicht in einem ,,race to the bottom", sondem vielmehr in einem Uberbietungswettbewerb: Auf lokaler Ebene stehen den Individuen reale Exit-Optionen zur Verfiigung, und ein Umzug von einer Lokalit/it in die andere, weil es dort bessere Schulen gibt, ist eine reale Option. Wenn die Lokalit/iten frei fiber ihre Steuern verfiigen k6nnen, ist es flit sie rational, unter Ausnutzung der ,,fiscal illusion" dem W/ihler m6glichst gute Schulen zu bieten, auch wenn dieser sich nicht immer der Tatsache bewusst ist, dass seine Steuem letzten Endes daftir bezahlen mfissen. Insofem ist zwischen den Indikatoren der fiskalischen Dezentralisierung und den B ildungsausgaben von einem positiven Zusammenhang auszugehen. Von besonderer Bedeutung sind auBerdem Variablen, die den Grad der Programm- und Finanzierungskonkurrenz zwischen der B ildungspolitik und anderen Ausgabenfeldern messen. Ein GroBteil der Ausgabenforschung verfiigt fiber die Schw/iche, dass sie die Wechselbeziehungen zwischen Politik- und Ausgabenfeldern zu Gunsten der isolierten Betrachtung eines einzelnen Ausgabenbereiches vemachl~issigt. Daher soll in dieser Arbeit das Verh/ilmis der Finanzierungskonkurrenz (Lepenies 2003) zwischen Bildungs- und Sozialpolitik eine wichtige Rolle spielen. 6 Dabei ist die Unterscheidung zwischen der Querschnitts-
6 An dieser Stelle ist wichtig zu betonen, dass die im Rahmen einer quantitativen Analyse ermittetten Assoziationen zwischen verschiedenen Ausgabenfeldem eine andere Aussagequalit~it hinsichtlich der Kausalit~it haben als dies bei anderen unabh~ngigen Variablen der Fall ist. Ausgabenparameter, auch wenn sic unterschiedliche Politikfelder betreffen,
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und der L~ingsschnittdimension von enormer Bedeutung. Im Querschnitt betrachtet, zeigt sich im Vergleich der westlichen Wohlfahrtsstaaten ein eigentfimliches Ausgabenmuster, das die in den einzelnen Welten der Wohlfahrtsstaatlichkeit (Esping-Andersen 1990) vorherrschenden sozial- und bildungspolitischen Priorit/iten eindrficklich widerspiegelt. Die kontinentaleurop/iischen, so genannten konservativen Wohlfahrtsstaaten geben im Vergleich zu den restlichen OECDDemokratien relativ wenig ftir B ildung, aber umso mehr ffir transferintensive, kompensierende Sozialpolitik aus. In der liberalen, vomehmlich angels/ichsischen Welt k6nnen wir nahezu ein Spiegelbild dieses Musters identifizieren: Relativ hohe Ausgaben ffir Bildung, besonders wenn man sowohl 6ffentliche als auch private Quellen beriicksichtigt, aber relativ niedrige Ausgaben ftir Sozialpolitik. Die Staaten der sozialdemokratischen, vornehmlich skandinavischen Welt hingegen sind sowohl bei den Sozial- als auch bei den Bildungsausgaben internationale Spitzenreiter (Kohl 1981; Hega / Hokenmaier 2002; Hokenmaier 2002; Allmendinger / Leibfried 2003; Leibfried 2003). Diese Ausgabenmuster geben den Stellenwert der Bildung (Chancengleichheit) gegeniiber der prim/Jr kompensierenden und ausgleichen Sozialpolitik (Gleichheit der Outcomes) wieder. Der Stellenwert der Bildung, so die These, ist somit vor allem in den Staaten gering, in denen die 6ffentlichen finanziellen Ressourcen durch aufw/indige 6ffentliche Sozialversicherungssysteme ffir Rente und / oder Arbeitslosigkeit stark belastet werden. In den universalistischen Sozialstaaten Skandinaviens hingegen ist der Wohlfahrtsstaat durch die aktive F6rderung von Familienpolitik sowie die ausgepr~igte Bemiihungen zur Besch~ifligungsf'drderung von Frauen und anderen ehemals vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Bev61kerungsgruppen der Bildung insgesamt positiver gesinnt. Eine wichtige Variable hierbei ist auf3erdem die Zahlungsbereitschaft des Wahlvolkes, die zum Teil auch durch Regierungshandeln beeinflusst werden kann. Andere Auswirkungen der Finanzierungskonkurrenz zwischen sozialpolitischen Ausgabenfeldern zeigen sich vor allem in der L/ingsschnittdimension. Mit dem Anbrechen der Ara der ,,New Politics of the Welfare State" (Pierson 1994, 1996, 2001) und dem sie begleitenden fiskalischen Klima der Knappheit und Austerit/it hat sich die Konkurrenz der Ausgabenbereiche um die knappen 6ffentlichen Mittel weiter versch/irft. Die Bildungspolitik zieht dabei, zumindest in einigen Staaten, den Kfirzeren. Der Erhalt der sozialpolitischen Errungenschaften wird durch m/ichtige Interessengruppen wie Gewerkschaften oder Sozialverb/inde sowie autonome Sozialversicherungsinstitutionen verteidigt. Die Gr6f3e und politische Macht der Sozialstaatsklientel von Arbeitlosen und Sozialhilfeemp-
h~ngen oft kausal yon den gleichen Bestimmungsfaktoren ab (politisch-institutionell, sozio-6konomisch).
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f~ingem fiber Rentner bis hin zu den Leistungsempf'~ingern der 6ffentlichen Krankenversicherungen ist betr/ichtlich. Zwar ist auch die Gr613e der Bildungsklientel und ihrer Abh/ingigen (Lehrer, Schiller, Eltern, Studenten) nicht unbetr/ichtlich. Im Unterschied zu den Sozialstaatsklientelgruppen verftigen sie aber nicht nur fiber ein geringeres Organisationspotential, sondern auch fiber ein geringeres Konfliktpotential (Offe 1973: 25), d.h. sie k6nnen zur Durchsetzung ihrer Ansprfiche kaum mit dem Entzug yon ftir die Gesellschaft lebenswichtigen Ressourcen drohen. 7 Eine hohe Staatsverschuldung, gemessen am gesamten Schuldenstand oder der Zinslastquote (Zinszahlung in Prozent des BIP), intensiviert den Kampf um knappe Mittel. Wenn die These, dass die Bildungsausgaben diesen Kampf verlieren, stimmt, dann mfisste sich zwischen den Indikatoren der Staatsverschuldung und den Ausgaben eine negative Assoziation nachweisen lassen. An vierter Stelle sei die Parteiendifferenzlehre (Schmidt 1982, 1996) diskutiert. Die These, dass die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung auch im Policy-Output und -Outcome einen Unterschied macht, ist vor allem seit Anfang der 1980er Jahre in der Sozialausgaben- und Staatst/itigkeitsforschung popular geworden (Castles 1982; Schmidt 1982; Hibbs 1977, 1988; Cameron 1984, 1985). Die Standardthese ist dabei, dass linke Regierungen insgesamt ausgabenfreudiger sind als bfirgerliche (Cameron 1978, 1985: 237; EspingAndersen 1985: 235; Kohl 1981: 324; Schmidt 1982; Castles 1982: 71). Aber auch die St~irke und der Grad der Zersplitterung der Oppositionsparteien spielen eine Rolle (Hicks / Swank 1992). In L/indem mit zwei Sozialstaatsparteien (wie Deutschland) lassen sich bfirgerliche Regierungen zudem von ihren Parteikonkurrenten ,,anstecken" und geben mehr aus als ihre konservativen Kollegen in anderen L/indem (Huber/Stephens 2001a: 313; Wilensky 2002: 239; Schmidt 1998: 168). In jfingerer Zeit 1/isst sich ein Abnehmen der Erkl~irungskraft der parteipolitischen Variablen beobachten (Huber/ Stephens 2001a: 212; Kittel/ Obinger 2003: 35; Stephens / Huber et al. 1999:184), welches zum Teil sicherlich auch durch die durch die fiskalische Austerit~it erzeugte generelle Abnahme des fiskalpolitischen Handlungsspielraums erkl/irt werden kann. In Bezug auf die Bildungsausgaben l~isst sich die These aufstellen, dass linke (bfirgerliche) Regierungen mehr (weniger) ausgeben ffir Bildung (Schmidt 2002d: 13; Castles 1998: 180; 1989: 441). Prinzipiell ist aber davon auszugehen, 7 Studentenstreiks m6gen ftir Schlagzeilen sorgen, sind aber ansonsten weitgehend ineffektiv. Verbeamtete Lehrer diirfen nicht streiken. Schiiler verftigen nicht fiber das notwendige politische Bewusstsein und die entsprechenden Organisationsf'~ihigkeiten. Eltern nehmen die Interessen ihrer Kinder nur stellvertretend wahr und werden im Zweifelsfall ihre eigenen sozialpolitischen Interessen an die erste Stelle setzen.
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dass Klassengrenzen in der Bildungspolitik eine weniger ausgepr~igte Rolle spielen als beispielsweise in der Wirtschaftspolitik (Schmidt 2003a: 11). Die Wahlklientel linker Parteien, d.h. die unteren Einkommensschichten und die abh~ingig besch~iftigte Arbeitnehmer, haben ein Interesse am Ausbau 6ffentlicher B ildungsm6glichkeiten, welche ftir sich und ihre Kinder die soziale Aufw~irtsmobilit~it absichern. Die Unterstfitzergruppen bfirgerlicher Parteien, die oberen Einkommensschichten, haben ein st~rkeres Ifiteresse daran, ihren Steuerbeitrag zu minimieren. Sie k6nnen es sich zudem besser leisten, Bildung fiber private Ausgaben zu finanzieren. Ein etwas komplizierteres Bild zeigt sich ftir die Mitteparteien: Die christdemokratische Parteifamilie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich, zumindest was die gesamte Ausgabenh6he angeht, von den gener6sen Sozialdemokraten kaum unterscheidet (Wilensky 1981: 354; 2002: 239). Bei den Bildungsausgaben sind allerdings gr613ere Unterschiede zwischen diesen beiden Parteifamilien zu erwarten. Erstens geh6rt die Bildung nicht zum Kernbereich christdemokratischer Programmatik. Den Christdemokraten geht es weniger um die Schaffung von Aufstiegsm6glichkeiten als um die Wahrung des ontologischen Ganzen und dem Platz des Einzelnen darin. Zweitens sind die Christdemokraten auf die Wahrung und F6rderung privater Bildungsm6glichkeiten (z.B. katholische Schulen) bedacht. Auch dies dfirfte ihre Ausgabenbereitschaft ffir das 6ffentliche Bildungswesen d~impfen. Auch von den Mitgliedern der liberalen Parteifamilie ist ein lediglich moderates Engagement bei den Bildungsausgaben zu erwarten. Prinzipiell passt die F6rderung der B ildung gut in die meritokratische liberale Philosophie. Allerdings wird auch gerne privaten vor 6ffentlichen L6sungen die Vorfahrt gew~ihrt. Von den Liberalen und Christdemokraten ist insofern nur ein moderates Engagement bei den Bildungsausgaben zu erwarten. Auf der anderen Seite k6nnten vor allem in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs die Ausgaben steigen, wenn die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verftigung stehen. Ffinftens m6chte ich eingehen auf die Machtressourcentheorie. Mancur O1son hat in seiner Theorie der Gruppen ein interessantes Paradox angesprochen (Olson 1982: 47-48): Je m~ichtiger eine Interessenorganisation ist, desto gr613er wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht ausschliel31ich ihre Eigeninteressen verfolgt, sondern auch das (wirtschaftliche) Gemeinwohl im Blick hat (Crouch 1985: 108). Kleine Gruppen mit begrenzten Interessen (,,special interest organizations" ) sind in der politischen Auseinandersetzung auf die Durchsetzung ihrer Eigeninteressen bedacht und vernachl~issigen dabei die gesamtgesellschaftliche Perspektive (,,rent-seeking"). Wenn eine Interessengruppe aber nicht nur ein Spezialinteresse, sondern einen Grol3teil der Bev61kerung vertritt (,,encompassing organizations"), dann zwingt sie ihre Mitgliedstruktur gleichsam dazu, auch
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das Gemeinwohl im Blick zu haben. Bezogen auf den Fall der Bildungsausgaben 1/isst sich nun argumentieren, dass die Verbindung zwischen Machtressourcen und Ausgaben komplexer ist als auf den ersten Blick vermutet (vgl. auch Schmidt 2004:17). In politischen Systemen, in denen die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbiinde Olsons ,,encompassing organizations" am n~ichsten kommen (z.B. Skandinavien), ist davon auszugehen, dass die Bereitschaft zur T/itigung von umfassenden Investitionen in den/Sffentlichen Bildungsstaat h6her ist, weil auch die dadurch erreichbare langfristige Absicherung der wirtschaftlichen Leistungsf~ihigkeit des Systems st/irker im aufgekl/irten Eigeninteresse (dem Gemeinwohl) dieser Organisationen liegt. Umgekehrt sind schwache Gewerkschaften aufgrund ihrer prek/iren politischen Macht nicht in der Lage, umfassende sozialpolitische Leistungskataloge fiir ihre Mitglieder fiber die reinen Lohnverhandlungen hinaus zu erk/impfen (Beispiel USA). Dadurch bleibt jedoch auch der fiskalpolitische Handlungsspielraum erhalten. Aul3erdem k6nnen in Systemen mit schwachen Gewerkschaften die Interessen der Mittel- und Oberklassen st/irker zum Tragen kommen, denen starker an einem Ausbau der 6ffentlichen und privaten B ildungsinstitutionen als an der Errichtung eines umverteilenden Sozialstaates gelegen ist. In Staaten mit mittelstarken Gewerkschaften hingegen sind diese stark genug, um fiir die Errichtung umfassender sozialer Sicherungssysteme einzutreten, die vor allem die unmittelbaren Lebensrisiken ihrer Mitglieder absichem sollen (Rente, Arbeitslosigkeit, Unfall- und Krankenversicherung). Die prinzipiell begrenzten/Sffentlichen Haushaltsmittel werden dadurch an kostspielige Sozialversicherungsprogramme gebunden und stehen nicht fiir Investitionen in den Bildungsstaat zur Verfiigung. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass linke Machtressourcen (ausgebaute korporatistische Institutionen und Verhandlungsstrukturen zwischen Staat und Sozialpartnem, Regierungsbeteiligung linker Parteien) ausgabenf'6rderlich sind, rechte Machtressourcen (Regierungsbeteiligung Konservativer und Abwesenheit von Korporatismus und Konzertierung) ausgabenmindemd. Bei den privaten B ildungsausgaben ist von einer negativen Assoziation auszugehen: Die Staaten mit schwachen linken Machtressourcen verfiigen fiber h6here private Ausgaben, w/ihrend sich die Staaten mit starken (,,encompassing") linken Machtressourcen durch niedrige private und hohe 6ffentliche Ausgaben ausweisen. Auch die Frauenerwerbsquote ist eine wichtige Variable. Hier ist zu erwarten, dass eine starke positive Assoziation zu den Ausgaben besteht. Allerdings ist deren kausale Richtung weitgehend unklar. Ein ausgebauter Bildungsstaat gew~ihrt Frauen vor allem durch den terti/iren Sektor verbesserte Zugangschancen zum Arbeitsmarkt. Verst~irkte Investitionen in die f~hkindliche Erziehung und die Vorschulbildung erm6glichen ebenfalls die Frauenerwerbsbeteiligung. Allerdings ist, wie wir aus den skandinavischen L~indem wissen, der B ildungssektor
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for einen nicht unbetr/ichtlichen Teil der Frauen ein wichtiger Arbeitgeber. Die Nachfrage nach Bildung k6nnte auch von einer h6heren Frauenerwerbsquote angetrieben werden, weil viele der Beschfiftigungsm6glichkeiten im Dienstleistungsbereich jenseits des Bildungssektors wissens- und humankapitalintensiv sind. Insofern ist von einer kausalen Wechselbeziehung zwischen den beiden Variablen auszugehen: Hohe 6ffentliche Ausgaben fOr Bildung haben Frauen die M6glichkeit gegeben, sich notwendige Qualifikationen anzueignen. Eine hohe Frauenerwerbsquote kann dann wiederum die Ausgabenh6he fOr Bildung in die H6he treiben, wenn ein Grol3teil der neuen Jobs im Bildungsdienstleistungssektor angesiedelt ist. Abschliel3end spielt vor allem als Bestimmungsfaktor der privaten B ildungsausgaben der Anteil der im industriellen Sektor Beschiifiigten an der Gesamtbeschiifiigung eine wichtige Rolle. Die privaten Bildungsausgaben in OECDStaaten stellen im Wesentlichen neben den Aufwendungen fiir private Schulen im Prim/Jr- und Sekund/irbereich sowie fOr private Universit/iten und Hochschulen die Ausgaben fOr berufliche Bildung auf der betrieblichen oder fiberbetrieblichen Ausbildung dar. Von daher sind die privaten Ausgaben vor allem in den L/indem, die fiber ein teils privat, teils 6ffentlich finanziertes duales System der Berufsausbildung verfOgen (Deutschland, Schweiz), hoch (Schmidt 2004). Insofern ist auch zwischen dem Anteil der im industriellen Sektor Besch/iftigten und den privaten Ausgaben (im Aggregat) eine positive Beziehung zu erwarten. Schlie131ich leisten sechstens auch internationalen Faktoren (Globalisierung) einen Beitrag zur Erkl/irung von Staatst/itigkeit. Von den Globalisierungstheoretikern werden zwei gegens/itzliche Thesen fiber den Zusammenhang zwischen Internationalisierung und 6ffentlichen Ausgaben in Stellung gebracht: Die Effizienzthese geht von einem ausgabenmindernden Einfluss aus, da der Wettbewerb zwischen den Nationen um das mobile Kapital den Steuerwettbewerb zwischen Staaten anheize und dadurch den fiskalpolitischen Spielraum nachhaltig begrenze (Garrett 2001: 6; Kaufman/Segura-Ubiergo 2001: 556). Die Kompensationsthese hingegen geht davon aus, dass besonders kleine und offene Volkswirtschaften, die gezwungen sind, die Bedingungen des Weltmarktes so zu akzeptieren wie sie sind, auf einen ausgebauten Wohlfahrtsstaat angewiesen sind, da nur so die durch den versch/irften 6konomischen Wettbewerb erzeugten sozialen Zerwfirfnisse in den Griff zu bekommen sind (Cameron 1978; Rodrik 1997). Linksdominierte Regierungen haben, seitdem der Keynesianismus als wirtschaftspolitischer Ansatz sich als nicht mehr durchsetzungs- und durchfohrungsf~ihig erwiesen hat, 6ffentliche Investitionen in das Humankapital als Instrument zur St/irkung der Wettbewerbsf'~ihigkeit erkannt (Boix 1997). Wenn diese These zutrifft, ist besonders zwischen den 6ffentlichen Ausgaben for das post-
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sekundfire Bildungswesen und Globalisierungsindikatoren (zur Offenheit der Volkswirtschaft) eine positive Assoziation zu erwarten.
Theoretischer Blickwinkel II." Historischer lnstitutionalismus und Pfadabhiingigkeit Der theoretische Analyserahmen der Fallstudie USA wird gebildet durch die Forschungsschule des historischen Institutionalismus, die in jiingerer Zeit von Wissenschaftlern wie Paul Pierson, Kathleen Thelen, Eric Schickler, Theda Skocpol und anderen aus der institutionalistischen Okonomie in die Politikwissenschaft iibertragenen Ideen von der Pfadabh~ingigkeit sozialer Prozesse (Pierson 2000; Thelen 2003; Schickler 2001; Steinmo / Thelen 1992; Amenta / Skocpol 1989) in den Mittelpunkt stellen. Die Langzeit-Betrachtung sozialer und politischer Prozesse fiihrt zur Wiederentdeckung des Historischen, welches durch die quantitative Neuausrichtung der Politikwissenschaft und damit einhergehenden Datenbeschrfinkungen in jiingerer Zeit leicht in den Hintergrund gedr~ingt werden kann (Pierson 2003). Langfristig wirkende Kausalit~itsprozesse sind nun einmal ,,Big, Slow-Moving and ... Invisible" (ebd.), aber trotz ihrer Unsichtbarkeit eben alles andere als bedeutungslos. In gewisser Weise muss auch, trotz aller Bemiihungen um ausfiihrliche Betrachtung der L/ingsschnittdimension und die fiir eine komplexe multivariate Analyse beachtliche Dauer der untersuchten Zeitperiode (1970-2002), der internationale Vergleich des zweiten groBen Teils dieser Arbeit als eine Analyse von eher kurzfristig wirkenden Determinanten betrachtet werden. Hinzu kommt, dass viele kausale Entwicklungen in der kurzen Frist lediglich inkrementale Wirkung entfalten, langfristig aber ein enormes Wirkungspotential entwickeln k6nnen. Eine geringfiigige Kurs/inderung, die heute unbedeutend erscheint, kann in einem langfristigen Rahmen (50, 100 Jahre) zu einer durchaus beachtlichen Kursabweichung fiihren. Viele dieser inkrementalen Kurs~inderungen, zumal wenn sie sich noch nicht direkt in starken Ausgaben~inderungen niederschlagen, fallen durch das recht grobe Sieb der Aggregatdatenanalyse und tauchen nicht auf dem Radarschirm des Analysten auf, was allerdings nichts an ihrer kausalen Bedeutung /indert. Dieses Ph~inomen kann im schlimmsten Fall zu verzerrten (biased) Schlussfolgerungen fiihren. Von Bedeutung ist zum Beispiel die unterschiedliche kausale Wirkungsweise von 6konomischen und politischen Prozessen. Fluktuationen im Konjunkturzyklus, in der Inflationsrate oder in der Zahl der Arbeitslosen haben starke Auswirkungen in der kurzen Frist, denn sie beeinflussen in direktem MaBe die Zahl der Anspruchsberechtigten, die H6he der zur Verffigung stehenden staatlichen Steuereinnahmen oder in mehr indirekter Weise die H6he der Zinsen. Im Unterschied dazu entfalten viele politische Prozesse ihre kausale Wirkung erst in der
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langen Frist. Eine Ver/indemng der parteipolitischen Zusammensetzung einer Regierung beispielsweise kann zwar auch direkte kurzfristige Auswirkungen haben (Aufstocken / Reduzierung existierender Ausgabenprogramme), bei entsprechendem Erfolg und entsprechender Regierungsdauer ist aber zu erwarten, dass die langfristig wirkende Schaffung / Eliminierung von Ausgabenprogrammen in viel st/irkerem Mage das ftir die Nachfolgeregierungen hinterlassene Politikerbe pr/igt (Rose 1990). Dieser Effekt muss auch in statistischen Analysen berticksichtigt werden, in denen h6here Signifikanzniveaus und gr6f3ere Parametersch/itzwerte von 6konomischen Variablen eher deren kurzfristiges Korrelationspotential mit der abh/ingigen Variablen anzeigt als deren tats/ichliche kausale Wirkung im Vergleich zu politischen Variablen. Die Erfassung langfristig wirkender Kausalit/itsprozesse und besonders die Auswirkung inkrementaler Kurs/inderungen auf die Richtung des resultierenden historischen Entwicklungspfades kann nur durch die historische Betrachtung makrosozialer Prozesse geleistet werden. Der Kern der Idee der Pfadabh/ingigkeit ist, dass kleine Richtungs/indemngen an kritischen Stellen (critical junctures) in der historischen Entwicklung einen positiven Feedback-Prozess in Gang setzen, der die Fortsetzung des eingeschlagenen Pfades fiber die Zeit hinweg noch wahrscheinlicher werden lassen. Der Charakter dieses Feedback-Prozesses steht im Kontrast zu negativen Feedback-Prozessen, wie sie aus der neoklassischen Volkswirtschaftslehre bekannt sind. Nach dieser Lehre werden Abweichungen vom Marktgleichgewicht dadurch unwahrscheinlicher, weil sie negative Kosten erzeugen, zum Beispiel in der Form von niedriger Nachfrage bei steigenden Preisen. Dieser Mechanismus macht eine Abweichung vom langfristigen Gleichgewichtspfad unwahrscheinlich. Im Unterschied dazu wird beim positiven Feedback-Mechanismus die kurzfristige Abweichung vom ursprtinglichen Gleichgewicht verst/irkt und so in eine langfristige Kurs/indemng transformiert. Die Wirkungsweise dieses Mechanismus ist nicht erkl/irbar ohne die Anerkennung der Bedeutung von Institutionen. Wenn die inkrementale Kurs/indemng (Abweichung vom Gleichgewicht) das Errichten neuer Institutionen zum Ziel hat und diese fiir die beteiligten Akteure in besonderem Mage Nutzen bringen oder durch eine starke hierarchische Steuerungsinstanz die Beteiligung der betroffenen Akteure erzwungen werden kann, dann wird das langfristige l)berleben des neuen institutionellen Arrangements dadurch gesichert, dass durch die bereits get/itigten Investitionen der Akteure (auch, aber nicht notwendigerweise in Form von materiellen Ressourcen) die Kosten des Verlassens des eingeschlagenen institutionellen Pfades (,,exit costs") fiber die Zeit hinweg ansteigen und der relative Nutzen, auf dem Pfad zu bleiben, ebenfalls ansteigt (Pierson 2000:251). In anderen Worten, der urspriingliche positive Feedback-Mechanismus instituti-
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onalisiert einen neuen langfristigen Gleichgewichtspfad, der wiederum durch sekund/ire negative Feedback-Prozesse stabilisiert wird. Der Schliissel zur Anwendung der Theorie der Pfadabhfingigkeit liegt in der Identifizierung der kritischen Wegkreuzungen (critical junctures), jene Zeitpunkte institutioneller Fluidit/it, in denen inkrementale Kurs/inderungen jene langfristigen kausalen Wirkungen entfalten k6nnen. Die historische Perspektive zielt auf die ex post-Identifizierung dieser Weichenkreuzungen ab, aber rein theoretisch k6nnte die Pfadabh/ingigkeit auch zur Prognose und Vorhersage der wahrscheinlichen Verlaufsformen von sozialen Prozessen herangezogen werden. Bislang besteht allerdings keine Klarheit dariiber, welche Kriterien von Bedeutung sein k6nnten, die einen Zeitpunkt zu einer Critical Juncture transformieren. In Bezug auf makrosoziale Prozesse, die in ihrer Wirkung gesamte Gesellschaften oder gar den Globus umfassen, gibt es sicherlich relativ wenige und eher leicht zu identifizierende Zeitperioden sozialen Umbruchs (z.B. Weltkriege, Industrialisierung), in der in den entwickelten Demokratien die wesentlichen Institutionen des modernen Wohlfahrtsstaates gepr/igt wurden. In der Abhandlung der Geschichte der amerikanischen Bildungsfinanzierung wird ein besonderes Augenmerk gerichtet auf die Bedeutung yon Critical Junctures wie dem amerikanischen Biirgerkrieg, der Industrialisierung um die Jahrhundertwende von 19. ins 20. Jahrhundert, der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die seit den 1980er Jahren einsetzende Phase der Globalisierung. Allen diesen Critical Junctures ist gemein, dass i.iberkommene institutionelle Regime herausgefordert und zumindest teilweise transformiert werden, dass Handlungsspielr~iume er6ffnet werden, die fiir lange Zeit davor als geschlossen galten, und dass dadurch Akteurshandeln in diesen Perioden gr6fSere Bedeutung zukommt als in Perioden institutioneller Stabilitfit. Wie Thelen (2003: 213) zu Recht erwfihnt, findet Akteurshandeln in diesen kritischen Perioden jedoch nicht vollkommen unabh~ingig von dem vorher gefundenen institutionellen Hintergrund statt, sondem dieser pr~igt zu einem gewissen Grad auch die Neuausrichtungen der Politik (,,bounded innovation", nach M. Weir (ebd." 220)). Uberkommene institutionelle Regime m6gen Einiges yon ihrer Kraft eingebiil3t haben, sic sind jedoch nicht sofort und vollst~indig der Belanglosigkeit verschrieben. Thelens These findet in der Untersuchung der Geschichte der amerikanischen Bildungsfinanzierung an mehreren Stellen Unterstiitzung, wie weiter unten zu sehen sein wird. Zu Recht weist Thelen aber auch darauf hin, dass eine rein institutionalistische Perspektive zur Erkl~irung der zu beobachtenden Entwicklung nicht ausreicht, wenn sic nicht durch die Betrachtung yon Akteurshandeln ergfinzt wird (Pontusson 1995; Mayntz / Scharpf 1995; Scharpf 200a). Hierbei geht es um die Erfassung der Einbettung der Akteure in einen institutionellen Kontext, der zwar
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die Strategien und das Handeln der Akteure pr~igt, aber nicht in ,,kryptodeterministischer" Weise bestimmt (Mayntz / Scharpf 1995: 45). Im Unterschied zu institutionalistischen Ans~itzen der Rational-Choice-Variante, bei denen die Pr~iferenzen der Akteure quasi exogen vorgegeben sind, geht das Erkl~irungsmodell des historischen Institutionalismus davon aus, dass nicht nur das strategische Handeln, sondern auch die Pr~iferenzen, Ziele und handlungsleitenden Normen der Akteure vom institutionellen Umfeld gepr~igt, also zumindest teilweise endogen sind (Steinmo / Thelen 1992: 8-9). Scharpfs Modell des ,,akteurszentrierten Institutionalismus" (Scharpf 2000a; Mayntz / Scharpf 1995) stellt eine gelungene Konkretisierung der zentralen Ans~itze des historischen Institutionalismus dar und soll daher in der Fallstudie als heuristisches Instrument zur Erkl~irung und Beschreibung politischer und historischer Prozesse herangezogen werden. Dem historischen Abriss der Geschichte der amerikanischen B ildungsfinanzierung im Prim~ir- und Sekundarschulwesen (Kapitel 2.1) und im Hochschulwesen (Kapitel 3.1) liegt folgendes Erkl/imngsschema zu Grunde: Es wird dargestellt, wie das Handeln relevanter politischer Akteure (Siedlergruppen, Grol3kapitalisten, Universit/itsverwaltungen, gliedstaatliche Regierungen, Bundesregierung) gepr/igt ist durch Eigenschaften des institutionellen Kontexts, in dem sie sich finden. Dieser Kontext ist vor allem durch die Auswirkungen sozio6konomischer Prozesse (Industrialisierung, Besiedlung des Westens, Internationalisierung von Wirtschaft und Bildungssystem, Kalter Krieg) bestimmt. Besondere Relevanz erf~ihrt Akteurshandeln in Perioden gesellschaftlichen Umbruchs wie dem amerikanischen B/irgerkrieg oder der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Insofern soll diesen Perioden besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Relevanz der Handlungen der betreffenden Akteure ergibt sich augerdem durch den Bezug auf die Institutionen der Bildungsfinanzierung, denn dies ist der Hauptaugenmerk der Studie. Im Fall des Primar- und Sekundarschulwesens kann die Geschichte der Bildungsfinanzen nachgezeichnet werden als Geschichte der Entwicklung der Institution der lokalen B ildungsfinanzierung, die in Grundziigen bereits in der Kolonialzeit ausgepr~igt war und daraufhin in vielf'~iltiger Weise herausgefordert wurde, weil sich die Interessen der entscheidenden Akteure, durch einen Wandel des institutionellen und sozio-6konomischen Umfeldes bedingt, ver/indert haben. Dieses Spannungsverh/iltnis zwischen instimtionellem Wandel und historischer Pfadabh/ingigkeit ist daher der rote Leitfaden dieses historischen Abrisses. Beim Hochschulwesen ist ebenfalls ein Wechselverh~iltnis zu beobachten zwischen der etablierten Tradition der Autonomie der Universit~iten und Colleges und dem institutionellen Kontext, der einen scharfen Wettbewerb zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen, aber auch innerhalb des 6ffentlichen Sektors erzeugt. Der rote Leitfaden ist hier das Spannungsverh/iltnis zwischen dem Anspruch der S icherung der Autonomie und der Reali-
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tat des Wettbewerbs, der nicht nur zu einer grofSen Diversit~it des Bildungsangebotes geffihrt hat, sondem auch zu einer gewissen Abh~ingigkeit der Universit~iten von 6ffentlichen und privaten Zuschiissen.
Uberblick fiber die Arbeit Die Arbeit gliedert sich wie folgt: In zwei grol3en Teilen wird zun~ichst eine detaillierte Fallstudie zu den Bildungsfinanzen in USA durchgeffihrt (Kapitel 2 und 3), bevor ich mich dem intemationalen Vergleich der Bildungsausgaben in etablierten OECD-Demokratien aus dem Blickwinkel der USA n~ihere (Kapitel 4). Das zweite Kapitel behandelt den intranationalen Vergleich der (6ffentlichen) Bildungsausgaben in den USA. Der besondere Schwerpunkt ist hierbei das Primar- und Sekund~irschulwesen. Im ersten Unterkapitel (2.1) wird zun~ichst die historische Entwicklung des US-amerikanischen Systems der Bildungsfinanzierung dargestellt. Als eindrucksvolles Beispiel ftir Pfadabh~ingigkeit kann gezeigt werden, dass die amerikanische Tradition der lokalen B ildungsfinanzierung bis in die Anf~inge der Vereinigten Staaten und die Kolonialzeit zuriickreicht. Erst im Laufe der zweite H~ilfte des 20. Jahrhunderts ist sie emsthaft herausgefordert und in ihrer Bedeutung durch das zunehmende Engagement der USBundesstaaten und der US-Bundesregierung zuriickgedr~ingt worden. Kapitel 2.2 stellt danach zun~ichst die Besonderheiten des US-amerikanischen Fiskalf'6deralismus vor und pr~isentiert daraufhin die Analysen zu den Determinanten der Bildungsausgaben im intranationalen Vergleich der US-Bundesstaaten. Kapitel 2.3 schliel31ich beschreibt stilisierend die Institutionen des US-amerikanischen bildungspolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses auf lokaler Ebene und diskutiert im Anschluss die jiingsten Entwicklungen, Ver~indemngen und Herausforderungen desselben. Das dritte Kapitel besch/iftigt sich mit der Untersuchung der Geschichte und der inneren Dynamik des US-amerikanischen Hochschulwesens. Der besondere Anspruch dieses Kapitels ist es, einen Beitrag zur Erkl/imng der Position der USA im intemationalen Vergleich zu leisten, da vor allem der Terti~irsektor dabei eine wesentliche Rolle spielt. Nach einem historischen Abriss in Kapitel 3.1 befasst sich Kapitel 3.2 mit dem Zustand der amerikanischen Hochschullandschaft heute und beschreibt ein deskriptives Konzept zur Erkl/imng der enormen Dynamik, den dieser Bildungssektor in den USA entwickelt hat. Kapitel 3.3 tr~igt die Befunde aus 3.1 und 3.2 zusammen, um den Beitrag der Fallstudie zur ErkHirung der Position der USA im intemationalen Vergleich deutlich zu machen. Kapitel 4 schlieBlich ist vor allem dem intemationalen Vergleich der Bildungsausgaben in wirtschaftlich entwickelten und etablierten OECDDemokratien gewidmet. Dieses Kapitel beginnt zun/ichst mit einer deskriptiven
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Analyse der Variation der Bildungsausgaben im intemationalen Vergleich, bei der die Sonderstellung der USA nochmals deutlich herausgearbeitet wird. Die anschlieBenden Unterkapitel pr~isentieren die Ergebnisse einer quantitativen statistischen Analyse der 6ffentlichen, sektoralen und privaten Bildungsausgaben. In Kapitel 5.1 schlieBlich werden die Befunde aus dem intranationalen und dem internationalen Vergleich miteinander abgeglichen. Dieses Vorgehen erlaubt die Identifizierung von Bestimmungsfaktoren, die sowohl im inter- als auch im intranationalen Vergleich relevant sind. Des Weiteren gibt es auch Aufschluss fiber Befunde, die in Abh/ingigkeit von der gew/ihlten Analyseebene unterschiedlich ausfallen. Kapitel 5.2 schlieBlich fasst thesenartig zusammen und gibt Ausblicke auf die wahrscheinliche zukiinftige Entwicklung der Bildungsfinanzen in den USA und in den untersuchten OECD-Staaten.
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Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
In den folgenden beiden Kapiteln wird in Erg/inzung zur Untersuchung der Stellung der USA im intemationalen Vergleich eine detailliertere Fallanalyse durchgefiihrt. Diese Analyse soil vor allem bei der Beantwortung von zwei Fragen hilfreich sein: Zum Ersten geht es darum, die Stellung der USA im intemationalen Vergleich besser zu verstehen. Zum Zweiten soil aber auch eine Betrachtung der intrastaatlichen Variation der Bildungsausgaben innerhalb der Vereinigten Staaten vorgenommen worden, d.h. wir 6ffnen die ,,Black Box" USA, um besser zu verstehen, welche dynamischen Prozesse und welche Variationsbreite auf Mikro- und Mesoebene sich hinter den vonder OECD und anderen intemationalen Organisationen bereitgestellten Aggregatdatenvariablen verbergen. Aggregatdaten (wie z.B. die Angabe der nationalen B ildungsausgaben in Prozent des BIP) sind Durchschnittswerte, die bessere Vergleichbarkeit von Variablen und Fallen herstellen sollen, dieses Ziel aber zwangsweise nur unter Verlust von Informationen erreichen k6nnen. Verloren gehen k6nnen zum Beispiel Daten fiber die Verteilung der Ausgaben fiber Regierungsebenen hinweg (Bund, Gliedstaaten, Lokalit/iten), Variationen der Ausgaben zwischen Gliedk6rpem auf derselben Regierungsebene (Gliedstaaten, Schuldistrikte) oder, als Kombination der beiden vorangegangenen Aspekte, Unterschiede zwischen Gliedk6rpem auf derselben Regierungsebene in der Beteiligung anderer Regierungsebenen (zum Beispiel die Variation in der Beteiligung der Gliedstaatenregierungen an der lokalen Finanzierung der Bildung oder das je nach Bundesstaat variierende finanzielle Engagement der Bundesebene). Alle soeben genannten Dimensionen sollen im Folgenden n~iher beleuchtet werden. Bei der folgenden Analyse sollen drei Beobachtungsperspektiven eine besonders wichtige Rolle spielen. Wie bereits im einleitenden Abschnitt durchscheinen mag, geht es erstens darum, dem f'6deralistischen Charakter der USA bei der Untersuchung der Bildungsfinanzen besonderes Schwergewicht zukommen zu lassen. Die Aggregation von Daten auf nationalem Niveau ist bei den Bildungsausgaben mit st/irkeren Informationsverlusten verbunden als im Fall der Sozialausgaben, da in der Bildungspolitik in so gut wie allen Staaten den lokalen und gliedstaatlichen Regierungsebenen eine gr613ere Bedeutung zukommt als im Falle der Sozialpolitik, deren Institutionalisierung off mit der Schaffung eines vergleichsweise zentralisierten Wohlfahrtsstaates auf nationaler Ebene verbun-
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den war (zum Beispiel durch die Schaffung nationaler, st/irker nach beruflichen als nach territorialen Kriterien segregierter Sozialversicherungen). Der f'dderalistische Charakter der USA erfordert daher die Analyse der intranationalen Variation der B ildungsausgaben, d.h. der Variation der Ausgaben auf derselben Regierungsebene innerhalb eines Nationalstaates. Die besondere Beriicksichtigung des F6deralismus-Faktors er6ffnet allerdings auch neue Potentiale zur Erkl/irung der Stellung der USA im internationalen Vergleich. Zweitens ist die Untersuchung der privaten und 6ffentlichen Bildungsausgaben und ihrer Wechselbeziehungen im intranationalen Vergleich eine ebenso wichtige Dimension wie im internationalen. Wie wir bereits in der Einleitung in der deskriptiven Betrachtung der amerikanischen B ildungsausgaben gesehen haben, spielen private Ausgaben vor allem im terti~iren Bereich eine im internationalen Vergleich herausstechende Rolle. Daher soll die Beantwortung dieser Frage im Mittelpunkt des Kapitels 3 stehen. Aber auch im Prim/Jr- und Sekund~irbereich sind Privatausgaben von Bedeutung. Wenngleich der Anteil der in privaten Institutionen eingeschriebenen Schfilem mit ungef~ihr 10 Prozent in etwa dem in Deutschland entspricht, so ist bemerkenswert, dass die Finanzierung privater Institutionen in den USA der Doktrin einer starken Trennung zwischen Staat und Religion in einem viel st~irkeren Mage unterworfen ist als in einigen L~ndem Kontinentaleuropas, in denen der Katholizismus noch recht stark ist (Belgien, Deutschland, Frankreich). Zu diesem Punkt weiter unten mehr. Drittens soll zur Beantwortung der anfangs gestellten Fragen eine Betrachtung der historischen Entwicklung der Bildungsfinanzen in den USA vorgenommen worden. Dies verbessert vor allem das Verst/indnis der teilweise komplement/iren, teilweise substitutionellen Wechselbeziehungen zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen in allen Bildungssektoren. Es erm6glicht augerdem ein besseres Verst/indnis der Bedeutung des F6deralismus in der Institutionalisierung der amerikanischen Bildungs- und Sozialpolitik. Nicht zuletzt ist die weiterhin stark verankerte Institution der lokalen Bildungsfinanzierung schwerlich ohne einen Rtickblick in die Geschichte der Vereinigten Staaten zu verstehen, in der die Institutionalisierung von Politiken des Ofteren Hand in Hand gehen mit der Schaffung der ftir ihre Umsetzung und weitere Entwicklung notwendigen Regierungsinstitutionen. 8 Eine komplette Rekonstruktion der Geschichte der amerikanischen Bildungspolitik sprengt den Rahmen dieser Arbeit, daher soll bei dem folgenden historischen Abriss vor allem die Frage der Bildungsfinanzen im Vordergrund stehen. In gewisser Weise kann daher die Ge8 Wie zu sehen sein wird, eilt die Entwicklung von Policies in manchen F/illen gar der Institutionalisierung der notwendigen Steuerungs- und Administrationskapazitfiten voraus, ein Prozess, der dem kontemporfiren Beobachter des europ/iischen Integrationsprozesses nicht fremd sein diirfte.
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schichte der amerikanischen Bildungsfinanzierung erz/ihlt werden als Nachzeichnung der Entwicklung der Institution der lokalen B ildungsfinanziemng und ihren wiederholten Herausforderungen von den Anffingen in der Kolonialzeit fiber die Entstehung der ersten gliedstaatlichen Initiativen im Verlauf des 19. Jahrhunderts und der zunehmenden Bedeutung der Bundesebene im 20. Jahrhundert. Zum besseren Oberblick: Nach dem angeldindigten historischen lJberblick besch/iftigt sich dieses zweite Kapitel im Anschluss mit der Darstellung der Variationsbreite der B ildungsausgaben im Primfir- und Sekund/irbereich. Dabei werden die Variation der Ausgaben zwischen Bundesstaaten, die Bedeutung der privaten Ausgaben, die unterschiedlichen staatlichen Finanzierungsmechanismen, Verteilung und Modalitfiten der Steuererhebung zur Bildungsfinanzierung und die Auswirkungen jfingster Reformanstrengungen wie zum Beispiel die vielfach gerichtlich angeordneten Finanzreformen ausfiihrlicher erl/iutert. Im Anschluss wird das Augenmerk auf die Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in der Bildungsfinanzierung gerichtet, wobei vor allem die Stellung der lokalen Schulausschfisse (school boards) diskutiert wird. Anschliel3end wird eine quantitative Analyse der Bestimmungsfaktoren der Variation der B ildungsausgaben auf der Ebene der Bundesstaaten vorgenommen. Das dritte Kapitel besch~ifligt sich mit der Hochschulbildung in den USA: In diesem Kapitel steht, wie bereits erw~ihnt, die Frage, wie es in den USA gelingen kann, vor allem im privaten Sektor, aber auch zu einem bemerkenswerten Ausmal3 im 6ffentlichen Sektor, eine im internationalen Vergleich exzeptionelle Ausgabenh6he zu erreichen. Auch hier wird zunfichst ein kurzer historischer Uberblick gegeben. Im zweiten Unterkapitel wird starker auf die Rolle der gliedstaatlichen und Bundes-F6rdemng ffir die amerikanische Hochschullandschaft eingegangen unter besonderer Berficksichtigung der unterschiedlichen Verh/iltnisse in privaten und 6ffentlichen Institutionen. Des Weiteren wird kurz eingegangen auf die Bedeutung der ,,For-Profit-Education" und die Unterschiede zu klassischen privaten Bildungsinstitutionen sowie auf die Finanzkrise in der Bildungspolitik, die seit der zweiten H/ilfte der 1990er Jahre die amerikanischen Gliedstaaten ergriffen hat.
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2.1
Historischer Uberblick fiber die Entwicklung der amerikanischen Bildungsfinanzierung
Diescs Unterkapitel widmct sich dcr historisch-institutionalistischcn Analyse der Entwicldung dcr Institution dcr lokalen Bildungsfinanzicrung. Wic zu sehcn scin wird, hatte sich dicsc Institution bcrcits in dcr Kolonialzcit in Grundziigcn etablicrt, ist in den folgendcn Pcriodcn abcr durch viclf'filtigc Intcrcsscn herausgcfordcrt wordcn, was langfristig zum institutioncllen Wandcl diescr USamcrikanischcn Tradition der Bildungsfinanzicrung beigctragcn hat.
2.1.1
Vor dem amerikanischen Biirgerkrieg: Kolonialerfahrung und Common School Mo,,ement Bildung hatte in den ersten Jahren der Kolonialzeit sicherlich noch nicht die Bedeutung, die sie zu sp/iteren Zeitpunkten einnehmen sollte. Die freie Verfiigbarkeit von Land und Arbeitskraft er6ffneten dem Einzelnen M6glichkeiten, fiir die das Erlangen eines formellen Bildungsabschlusses noch keine notwendige Voraussetzung war (Church 1976: 7). Gefragt waren Untemehmergeist, Durchsetzungskraft und W a g e m u t - nicht die Erlangung von Kenntnissen fiber die Geschichte der R6mer oder das Erlemen einer ,,toten Sprache". Was den Stellenwert der Bildung und die Unterrichtsinhalte in der Kolonialzeit angeht, finden sich daher widersprtichliche Befunde. Einerseits wird dem Protestantismus (vor allem auch dem Calvinismus) durch seine Wertsch/itzung des Individuums und der pers6nlichen Verantwortung vor Gott (siehe auch Kapitel 4.3.2) eine die Bildungsexpansion unterstiitzende Wirkung zugeschrieben (Dresselhaus 1997: 198; Kaestle 1983: 3). Andererseits waren die friihen Siedler viel zu sehr mit der Bew/iltigung des harten Alltags besch/iftigt, als dass sie sich selbst oder ihren Kindem einen dauemden Schulbesuch h/itten g6nnen k6nnen. Im Jahre 1800 lag die durchschnittliche Schulbesuchszeit pro Jahr bei ungef~ihr ftinf Monaten (Ignas 1981: 5). Die Institution der lokalen Schuldistrikte allerdings hat bereits in der Kolonialzeit ihren Ursprung genommen. Bereits zur damaligen Zeit wurden Schuldistrikte als rechtliche Einheiten getrennt von der allgemeinen Lokalverwaltung eingerichtet, die in ihrer Gr6ge begrenzt waren durch die maximal tolerierbare L/inge des Schulweges der Kinder (Church 1976: 9). Die Entscheidung, die Verwaltung der Schulen einer eigenen administrativen Einheit zu iibertragen, die zudem in sp/iteren Jahren noch fiber eine eigene, von der allgemeinen Lokalpolitik losgel6ste demokratische Legitimation verftigen sollte, kann sicherlich als eine fiir den Charakter des amerikanischen Bildungssystems folgenschwere Wahl bezeichnet werden. Nach 1750, als die D6rfer zunehmend bev61kerungsreich wurden, ist den Schuldistrikten weithin das Recht zur Steuererhebung im
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Rahmen gesetzter Grenzen zugestanden worden (ebd.: 9). Bereits in Kolonialzeiten ist die lokale Grundsteuer (property tax) als wesentliche Einnahmequelle zur Finanzierung der Bildung institutionalisiert worden, obwohl bereits in dieser friihen Periode die Defizite dieser Finanzierungsmethcde vor allem ftir innerst/idtische Schulen offensichtlich wurden (Ignas 1981: 7). Ein weiteres Erbe dieser Zeit, das bis heute fortwirkt, ist das Vorrecht der lokalen Schuldistrikte, die Schulkinder innerhalb eines Distriktes einer bestimmten Schule und einer bestimmten Klassenstufe zuzuteilen (Ignas 1981: 1). Dieses hochgradig institutionalisierte Vorrecht hat erst mit der School Choice-Bewegung gegen Ende des 20. Jahrhunderts seine Nemesis gefunden. Die Proliferation der lokalen Schuldistrikte wurde auch dadurch begfinstigt, dass die nach der amerikanischen Revolution einsetzende Ausweitung der Bildungspartizipation auch in den l~indlichen Gegenden vielfach das Bedfirfnis der Errichtung eigener Bildungsinstitutionen geweckt und die Lossagung v o n d e r Kontrolle der r/iumlich entfemteren st/idtischen Einrichtungen ermutigt hat (Kaestle 1983" 26). 9 Zwischen 1750 und 1835 bekam die Einrichtung der Schuldistrikte auf der lokalen und gliedstaatlichen Ebene auch ihre rechtliche Anerkermung (ebd.: 27). Aus einer vergleichenden Perspektive ist die enorme Stabilit/it der Institution der lokalen Bildungsfinanzierung und Schulverwaltung fiber die Jahrhunderte hinweg erstaunlich. Wie im Fall der Terti/irbildung noch starker offensichtlich werden wird, hat auBerdem der Wettbewerb zwischen S iedlergruppen, die entlang ethnischer und / oder religi6ser Konfliktlinien (cleavages) getrennt waren, auch im Primar- und Sekundarschulwesen die quantitative Expansion der Bildungseinrichtungen begfinstigt. Die Quaker beispielsweise waren ~ihnlich wie die Lutheraner sehr auf eine ,,behfitete", auf den religi6s gepr~igten Familienhaushalt aufbauende und ausgerichtete Erziehung bedacht und standen der Unterbringung ihrer Kinder in ,,gemischten" Schulen kritisch gegenfiber (Cremin 1976:20-21). Das Schulgeb/iude (das ,,little red school house") in der Kolonialzeit hatte, da es oft das einzige 6ffentliche Geb/iude in der Gemeinde war, neben der Funktion als Erziehungs- und B ildungsanstalt auch die Funktion eines sozialen Sammlungspunktes, wo politische Debatten und andere soziale Versammlungen abgehalten wurden (Church 1976" 11; Kaestle 1983" 185). 1~ Wenngleich heute die Schule vieles von ihrer sozialen Funktion eingebiiBt haben mag, so ist doch 9 Dazu ein Zitat eines Einwohners des Lancaster County aus der damaligen Zeit: "Whenever a neighborhood felt the need of a schoolhouse, one was erected at some point convenient to those who contributed towards its erection. The patrons selected trustees, whose duty it was to take charge of the school property and to select a teacher for the school." (nach Kaestle 1983: 27) 10 ,,Both literally and symbolically the school and the schoolhouse stood at the center of the community." (Church 1976:11)
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immer wieder zu vernehmen, dass die Schule neben den Kirchen weiterhin ein zentraler Ort sozialer Zusammenkfinfte und Netzwerke ist. Die Kehrseite der Einbindung der Schule in lokale soziale Netzwerke war, dass die Aufgabe der Erziehung und Bildung der Kinder nicht vollst/indig und unhinterfragt der Institution Schule fibergeben wurde. Vielmehr standen Schule, Haushalt und Kirche in einem engen Beziehungsgeflecht, in dem die Arbeitsteilung zwischen den Institutionen noch nicht zu stark ausgepr/igt war (Cremin 1976: 12). Im Unterschied zu den Verh~lmissen in England, von wo die Kolonisten die Modellform einer Dorfgemeinschaft mitgebracht hatten, wurden in den Kolonien soziale Funktionen, die in den Mutterl~indern von der Grof3familie fibernommen wurden, von der Nachbarschaflsgemeinschaft ausgefibt (ebd.: 12). Die Vernetzung zwischen Schule, Haushalt und Kirche ist auch bestimmend fiir das Verh/iltnis zwischen 6ffentlichen und privaten Einrichtungen in der Funktion der Bildung und Erziehung der Kinder. l ~ e r die Zeit hinweg ist der Einfluss des Haushalts und der Kirchen durch den steigenden Einfluss der Schulen ged/impfl worden, aber die Kirchen hatten durch die Sonntagsschulenbewegung, die Grfindung eigener Colleges und Bibelgemeinschaften allerdings gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wieder an Boden gewonnen (Cremin 1976: 55-56). Die starke religi6se Motivation der frfihen S iedler hat auch zu einer Verwischung der Grenzen zwischen dem Offentlichen und dem Privaten beigetragen: Einerseits waren die Siedler auf eine starke Trennung zwischen Kirche und Staat bedacht (Dresselhaus 1997: 197), gepr/igt von der Erfahrung der Verfolgung durch staatliche Institutionen in Europa (Dichanz 1991:15). Andererseits waren diese Menschen durch die Tiefe ihrer religi6sen l)berzeugungen zu einer riskanten lJberfahrt fiber den Atlantik gebracht worden, hatten also ein starkes Bedfirfnis, ihre Religion zu praktizieren, und dies nicht im stillen K/immerlein, sondern in der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Daher haben Haushalte oder die Gesellschaft Funktionen fibemommen, die in Europa von staatlichen Institutionen ausgefiihrt wurden. Da in den frfihen Jahren der Kolonialphase staatliche Institutionen zudem noch nicht so stark waren wie im absolutistischen Europa, glich das Schul- und Erziehungswesen weniger einem einheitlichen, integrierten System, sondern einer Vielzahl von lokal organisierten Einrichtungen, die zwar in ihrer Gesamtheit die Heterogenit/it der amerikanischen Einwanderergesellschaft widerspiegelten, dabei aber stets auf die Wahrung ihrer Autonomie bedacht waren, da jede Einrichtung fiir sich die jeweiligen Wertevorstellungen der sie tragenden, in sich nach ethnischen oder religi6sen Kriterien relativ homogenen lokalen Gemeinden angenommen hatte. Der Unterricht fand teilweise in fremden (nicht-englischen) Sprachen statt, die Unterrichtsinhalte waren bestimmt durch die B/icher, die die Eltern ihren Kindern mitgaben (Kaestle 1983:17). Die frfihen Schulinstitutionen,
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die sich aus den Anstalten und Einrichtungen zur Kinderverwahrung in den frfihen Siedlungen entwickelt hatten, konnten daher nicht eindeutig als 6ffentliche oder private Institutionen bezeichnet werden (Jorgenson 1987: 1). Einerseits hatten sie durch ihre Offenheit und allgemeine Zug/inglichkeit fiir die Mitglieder einer Gemeinde Merkmale einer 6ffentlichen Institution, andererseits spiegelten sie in mehr oder weniger eindeutiger Weise die Wertevorstellungen der sie tragenden ethnischen oder religi6sen Gemeinde wider. Dieser Mischcharakter der Bildungsinstitution war auch an deren Finanzierungsweise abzulesen: Freiwillig zu besuchende Schulen (und auch die frfihen Colleges), sowohl religi6se als auch nicht-religi6se, wurden finanziert sowohl durch 6ffentliche Zuschiisse der Gemeinden und Einnahmen aus Grundsteuem als auch durch private Beitr~ige der Eltem in Form von Schulgeld (Jorgenson 1987" 4; Kaestle 1983" 13; Nasaw 1979" 34; Vinovskis 1993: 47). 11 Eine andere Einnahmequelle waren Einnahmen aus Lotterien, die bis in die 1830er Jahre auf der lokalen Ebene eine wesentliche Rolle in der Finanzierung von Brticken-, StraBen-, Gef~ingnis- und Gerichtshausbauprojekten spielten und auch heute noch einen Beitrag zur Bildungsfinanziemng leisten (Jorgenson 1987: 4). In New York und Connecticut wurde im Jahre 1795 auch der Versuch gestartet, die Schulen durch Zuschiisse von der gliedstaatlichen Ebene zu unterstiitzen. In New York wurde aber recht schnell offensichtlich, dass die erzielten Einnahmen aus Landverk~iufen dafiir nicht ausreichten, so dass man bereits wenige Jahre danach zur Einfiihrung einer Grundsteuer iiberging (Kaestle 1983: 10). In Connecticut wurde ein permanenter Fonds aus den Einnahmen aus Landverk~iufen im Westen eingerichtet, der durch Einnahmen aus Grundsteuem und zus~itzlichen freiwilligen Abgabenerh6hungen in den Schuldistrikten erg/inzt wurde und daher von l~ingerer Dauer war (ebd.: 11). Erst 1821 allerdings wurden die ersten privaten in rein 6ffentliche Schulen umgewandelt (Dresselhaus 1997: 199). Das Verfassungsgericht von Massachusetts hat im Jahre 1868 eine allgemeine Definition einer 6ffentlichen Schule gepr/igt: Eine solche Schule ist denmach 1. ,,supported by general taxation", 2. ,,open to all free of expense", und 3. ,,under the immediate control and superintendence of agents appointed by the voters of each town and city" (Jorgenson 1987: 7). Die amerikanische Definition einer 6ffentlichen Schule unterscheidet sich vom gLngigen europ~iischen, oder genauer gesagt: preuBischen, Verst/indnis dadurch, dass die 6ffentliche Finanzierung der Schule nicht ausreicht, um diese Einrichtung als 6ffentliche Institution anzuerkennen. Vielmehr wird auch auf die
11 Auch in Bezug auf die klassenbezogene Zusammensetzung der Schulbev61kerung waren die Unterschiede zwischen 6ffentlichen und privaten Schulen nicht so groB, wie man leichthin annehmen mochte (Nasaw 1979: 34).
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Wahrung der Offenheit des Zugangs geachtet sowie auf die direktdemokratische Legitimation der die Schuleinrichtungen verwaltenden Regierungseinheiten. In der Kolonialzeit wurde neben der Errichtung der Institutionen der lokalen Bildungsfinanzierung und der lokalen Schulverantwortung ein weiteres Politikerbe institutionalisiert, dessen Auswirkungen sich bis heute nachweisen lassen: W/ihrend in den Neuengland-Staaten relativ frfih ,,one room schools" fiir alle eingeffihrt wurden und die Tradition der lokalen Selbstverwaltung und des direktdemokratisch gepr/igten ,,town government" stark ausgepr/igt war, blieb die Erziehung der Kinder (vor allem der WeiBen) in der aristokratisch gepr/igten Gesellschaft der Sfidstaaten vor allem Privatlehrern vorbehalten (Dichanz 1991: 20), oder wandernde Schulmeister boten den Gemeinden vor Ort ihre Dienste an, wobei die generell geringere Sch/itzung der Bildung dadurch zum Ausdruck kam, dass der Unterricht, im Gegensatz zu den adretten ,,little red school houses" in Neuengland, oft in ,,old-field schools", Blockh/itten-artigen Geb/iuden auf Brachfl/ichen am Rande der Gemeinde, abgehalten wurde (Kaestle 1983: 13). Generell waren im Stiden Afro-Amerikaner, Frauen, Indianer und arme WeiBe an der Schulerziehung weniger beteiligt (Kaestle 1983: 4). Noch heute ist die Rolle der lokalen Schulausschtisse in den Stidstaaten im Verh/iltnis zu gliedstaatlichen Institutionen relativ schwach ausgepr/igt, wie im Weiteren auch an der Verteilung der Finanzierungslasten abzulesen sein wird. B is im Zuge des 19. Jahrhunderts die Bewegung zur Institutionalisierung der Schulpflicht die Gliedstaaten erfasste, war das Besuchen einer Schule freiwillig und stand Kindern aus allen famili/iren Hintergrtinden often, Kinder aus/irmeren Familien sind allerdings h/iufiger der Schule ferngeblieben (Church 1976: 13), sei es, weil sie in st/irkerem Mal3e zum Verdienen des Lebensunterhalts des famili/iren Haushaltes beitragen mussten (hohe Opportunit/itskosten) oder sei es, weil sie sich die Schulgebiihren, die vor allem in den post-prim/iren Institutionen anfielen, nicht leisten konnten. Die Situation in st/idtischen Schulen war allerdings eine andere als in 1/indlichen. Die Finanzierung dieser Schulen basierte weniger auf der Untersttitzung aus 6ffentlichen Quellen, sondern zu einem st/irkeren Mal3e auf den Beitr/igen der Eltern, so dass die vorhandenen 6ffentlichen Institutionen zu einem h6heren Grad von Mittelklassekindern besucht wurde, w/ihrend die Oberschichten g~inzlich indie private Erziehung in eigenen Schulen oder durch Tutoren wechselten (Kaestle 1983: 30). Die Kinder der niederen Schichten wurden in kirchlich verwalteten, vom Charakter her aber nicht-sektiererischen Armenschulen unterrichtet. Erst im Zuge der ersten H/ilfte des 19. Jahrhunderts wurden, besonders in groBen St/idten wie New York, wo auf private Initiative von protestantisch ge-
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pr~igten Mittel- und Oberschichten hin die Free School Society 12 gegriindet wurde (Smith 1967: 681-683), die ehemaligen Armenschulen durch organisatorische, p/idagogische und finanzielle Reformen in zunehmendem Mal3e den privaten und den 6ffentlichen Gebiihrenschulen iiberlegen (ebd.: 57). 13 In New York City fielder Anteil der Schiller, der Privatschulen besuchte, daher von 62 Prozent im Jahre 1829 auf 18 Prozent im Jahre 1850, in Salem von 58 Prozent (1827) fiber 56 Prozent (1837) auf 24 Prozent im Jahre 1846 (Kaestle 1983: 116). Die Doppelbelastung der Eltem durch die mit den fortschreitenden Reformen in der MiRe des 19. Jahrhunderts eingeftihrte 6ffentliche Besteuerung auf der einen und den privat zu erbringenden Schulgebiihren auf der anderen Seite war auf Dauer nicht nachhaltig und hat langfristig die 6ffentlichen Schulen begiinstigt (Nasaw 1979" 83). In den Frontierstaaten des mittleren Westens und des Westens, in denen die lokalen Regierungseinrichtungen noch nicht so stark institutionalisiert waren wie in den friihen S iedlerstaaten Neuenglands, kam der privaten Initiative bei der Errichtung und Betreibung yon Schulen eine besondere Bedeutung zu. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts beispielsweise kam es zur Griindung der Sonntagsschulenbewegung. TM W~ihrend in sp/iteren Jahren Sonntagsschulen vor allem der religi6sen Erziehung dienten, so hatten sic in der Kolonialzeit mehr die Funktion der Bereitstellung von Allgemeinbildung und waren darin in den ein-
12 Die Free School Society wurde von relativ wohlhabenden Mannem gegriindet, die Quaker spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Gesellschaft sah es als eine 6ffentliche Pflicht an, ftir die Kinder der niederen Schichten zu sorgen. Im Jahre 1825 benannte sich die Gesellschaft um in Public School Society, was den Aufstieg der ehemaligen Armenschulen zu allgemeinen 6ffentlichen Grundschulen widerspiegelte (Church 1976: 157, 161). 13 Beispielsweise wurde in diesen Schulen das System der ,,Lancasterian education" eingefiihrt, in dem durch die Etablierung eines stark autorit~ir gepr/igten Unterrichtsablaufes eine gr6Bere Zahl von Schfilem unterrichtet werden konnte, was die Kosten erheblich reduzierte (Smith 1967: 683-684). Die New Yorker Public School Society zum Beispiel installierte eine angepasste Variante des Lancaster-Plans und schuf eine ,~anterhierarchie, beginnend mit dem Studenten, dem Aufseher (,monitor'), dem Oberaufseher (,monitor general'), dem Lehrerassistenten (,assistant teacher'), dem Lehrer, dem Schuldirektor (,principal'), dem Schulratsassistenten (,assistant superintendent') und dem Schulrat. Beim Unterrichten wurde das Modell einer modemen Fabrik nachgeahmt: ,,Like the manager of a cotton mill, the superintendent of schools could supervise employees, keep the enterprise technically up to date, and monitor the uniformity and quality of the product." (Tyack 1974:4 l) 14 Innerhalb weniger Jahre wurden mehrer Assoziationen gegriindet, die sich der Einrichtung von Sonntagsschulen widmeten: die American Home Missionary Society (1825), die American Bible Society (1816), die American Tract Society (1825), die American Education Society (l 816) und die American Sunday School Union (1824) (Church 1976: 42-43)
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samen Lokalit/iten der Frontierstaaten oft die einzigen Institutionen (Church 1976: 42-43, 78; Jorgenson 1987: 11). Der Unterricht musste sonntags stattfinden, weil die Kinder an allen anderen Tagen der Woche arbeiten mussten (Jorgenson 1987: 11). Die praktischen Beschr/inkungen des Lebens im Westen machten auch zu sp/iteren Zeitpunkten die Sonntagsschulen, die allgemeinen Schulen und die religi6sen Schulen, die ebenfalls aus praktischen Griinden fiir alle Kinder often waren, zu ,,fluiden, fast austauschbaren Institutionen" (Jorgenson 1987: 53), denn oft waren die Schiller und sogar der Lehrer in den Sonntagsschulen dieselben Personen, die auch die allgemeinen Schulen besuchten. Das einzelne Kind konnte daher die Arbeit, die Familie, die Kirche, die Freizeit und die Schule als ein ,,organisch verbundenes Netzwerk aus menschlichen Beziehungen" wahrnehmen (Tyack 1974:15). Die Finanzierung der Sclmlen im Mittleren Westen wurde zun/ichst fiber die Verpachtung von L/indereien versucht, was aber aufgrund der freien Verfiigbarkeit von Land nicht die notwendige Einnahmeh6he sichern konnte. Die ersten Versuche zur Einfiihrung einer Finanzierung fiber die Grundsteuer waren auBerdem relativ ineffektiv, da sie den Lokalit/iten die Erhebung der Steuer nicht zur Pflichtauflage machten, sondern als freiwillige Mal3nahme belieBen. Erst mit der Zentralisierung von bildungspolitischer Verantwortung auf gliedstaatlicher Ebene, die entlang paralleler Linien wie im Nordosten verlief, gelang der Durchbruch fiir ein 6ffentlich finanziertes Bildungssystem (Kaestle 1983:184, 186). Zur Mitte des 19. Jahrhunderts kam es in den ganzen Vereinigten S taaten zu einer Wiederbelebung des Interesses an den 6ffentlicher Bildung und Erziehung. Ffir diese Periode der Mobilisierung wird allgemein hin die Bezeichnung ,,Common School Movement" (Allgemeinschulen-Bewegung) verwendet, obgleich es sich nicht um eine nationale, zentralisierte Bewegung handelte, sondern vielmehr um eine von den Staaten Neuenglands und New York ausgehende Serie von gliedstaatlichen und lokalen Bewegungen und Mobilisierungsversuchen. ~5 Die Ziele des Common School M o v e m e n t waren die Bereitstellung einer frei zug~inglichen und kostenfreien Prim~irbildung fiir jedes (weiBe) Kind, die Schaffung eines angemessen ausgebildeten Lehrerk6rpers und die Institutionalisierung 15 "In every city, town, and village, there were men and women of property, social standing, and unblemished reputation who coordinated the campaigns for school taxation. They were joined by a network of local politicians (mostly Whigs), clergymen, merchants, manufacturers, and professionals. [...] Towards this end they utilized every available media: they spoke out at district meetings; they bombarded the newspapers with stories about the sorry state of the local schools and the need for reform; they established their own organizations, lyceums, and lecture series to spread the word; and they arranged district and regional conventions that gave the more prominent reformers a platform from which, in the style of the revivalist preacher, they could assail the community for its indifference to the one institution that could save its soul and property." (Nasaw 1979:51)
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einer gewissen Kontrolle der Regierungen der Gliedstaaten fiber die lokalen Distrikte (Church 1976: 55-56; Jorgenson 1987: 20). Mit der Errichtung einer Rolle fiir Gliedstaaten in der Bildungspolitik sollte eine Zentralisierung der Politik, aber auch der Finanzen einhergehen, ein erster Versuch, die gr6bsten Schw/ichen eines vollst~indig dezentralisierten, unkoordinierten lokalen Schulsystems in den Griff zu bekommen (Kaestle 1983:111).16 So war zum Beispiel das Unverm6gen der lokalen Institutionen die so genannten ,,Fabrik-" oder Arbeiterkinder trotz erlassener Schulpflichtgesetze zum Besuch einer Schule zu bewegen, ein Argernis (ebd.: 107). Die St~irkung der gliedstaatlichen Ebene in der Bildungspolitik ging einher mit der Einrichtung von Ministerien, Schulausschfissen (state education boards) und Schulaufsehern (state superintendents) auf der gliedstaatlichen Ebene, vor allem in den Staaten des Nordostens und des Mittleren Westens (Kaestle 1983: 105-106). Des Weiteren ging mit dem Fortschreiten der Bewegung auch eine quantitative Expansion der Bildungsausgaben einher: Zwischen 1840 und 1860 vervierfachten sich die Ausgaben, w/ihrend die Bev61kerung sich lediglich verdoppelte (Church 1976: 57). Im Jahre 1860 gaben die USA 0,8 Prozent ihres BIP fiir Bildung aus, lagen damit allerdings noch hinter Deutschland (1,0 Prozent), aber vor Frankreich (0,4 Prozent) und England (ebd.: 58). Die Idee der Einrichtung einer kostenfreien Grundausbildung fi.ir alle Kinder sollte vor allem den unteren Klassen die Bildungspartizipation erm6glichen, ohne dass sie das Stigma des Besuches einer Armenschule ertragen mussten (Church 1976: 60). Der Arbeiterfiihrer Robert Dale Owen hatte diesen Gedanken bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts in New York propagiert (Dichanz 1991: 51), vermochte allerdings mit seinem radikalen Vorschlag zur Einrichtung eines nationalen Systems von Internaten fiir alle Kinder im Alter zwischen zwei und sechzehn Jahren noch nicht einmal in Arbeiterkreisen die notwendige Unterstiitzung zu finden (Kaestle 1983: 144). Horace Mann, jener Reformer, der wesentlich den Charakter und Erfolg des Common School Movements gepr~igt hat, hat diesbezfiglich in den 1830er Jahren sogar von einem Recht auf Bildung gesprochen 17 (Dresselhaus 1997: 203) und somit bereits 50 Jahre bevor in Deutschland,
16 Oder wie Kaestle in pr~ignanten Worten formuliert: ,,America had schools, but, except in large cities, America did not have school systems." (Kaestle 1983: 62) 17 ,,Ich glaube an die Existenz eines groBen, unsterblichen, unver~inderbaren Naturgesetzes, oder eines einer natiirlichen Ethik folgenden Prinzips, eines Prinzips, das vor allen menschlichen Einrichtungen existiert und das sich jeglichem menschlichen EinfluB entzieht, - eines Prinzips g6ttlichen Ursprungs, ablesbar aus den Wegen der Vorsehung, so wie sich diese in der Ordnung der Natur und der Geschichte der Menschheit widerspiegeln, eines Prinzips, welches das absolute Recht auf Erziehung eines jeden Menschen, der geboren wird, begriindet, und das selbstverst/indlich auch die sich daraus ergebende
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dem Pionierstaat der Sozialpolitik, die ersten Sozialversicherungen errichtet wurden, die Idee von sozialpolitischen Grundrechten gedacht, wie sie im 20. Jahrhundert von T.H. Marshall auch in der akademischen Welt popularisiert wurde (Marshall 1964). Nach Meinung des Historikers Lawrence A. Cremin war das Hauptmerkmal des amerikanischen B ildungssystems, das fiir ihn die Oftenheit der B ildungsinstitutionen fiir Kinder mit verschiedensten familifiren Hintergfiinden (klassenbezogen oder ethnisch) ist, bereits vor der Amerikanischen Revolution in Gmndzfigen ausgepr~igt und hat durch die Revolution und die zunehmend expansive Einwanderung nochmals eine Verstfirkung erfahren (Cremin 1976: 44): ,,More people and more diverse groups of people had access to more institutions and more diverse institutions subject to more popular and more diverse popular control." (ebd.: 31) Nicht zuletzt hat auch die Ausweitung der Wahlberechtigung auf die gesamte weif3e, mfinnliche Bev61kerung die Demokratisiemng der Bildung beflfigelt (Kaestle 1983: 72). 18 Auch die Arbeiterbewegung unterstfitzte in den 1830er Jahren die Bemfihungen der Errichtung 6ffentlich finanzierter, egalitfir geprfigter Bildungsinstitutionen, wurde allerdings sp~iter unter dem Einfluss der Gewerkschaflen (trade unions) zu einer der 6ffentlichen und der politischen Sph~ire eher abgeneigten Kraft (ebd.: 138, 140). Wer waren die Schulrefomer, die als Initiatoren des Common School Movement gelten k6nnen? Es handelte sich vor allem um konservativ geprfigte Mitglieder der oberen Klassen und Mittelklassen (,,men and women of wealth, property, and social standing ''19) (Jorgenson 1987: 20; Kaestle 1983: 78), wie etwa Banker, Industrielle, Kirchenm/~nner, Anwfilte, etablierte Kaufm~inner oder Grof3bauern, die 6konomisch progressiv waren und die Bedeutung der Bildung zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der nationalen Wettbewerbsf'~ihigkeit frfih erkannten. In sozialen Fragen aber waren sie eher konservativ gepr~igt und betonten die Wichtigkeit der Morallehre in den Schulen (Church 1976: 61-62, 69). 20 Insofern war ein Ziel des Common School Movement auch, einen ad~iquaten Ersatz zu finden fiir den Wegfall der sozialen Kontrollmechanismen, die noch in den pr~i-urbanen und pr~i-industriellen kleinen und stabilen Gemeinschaften existiert hatten. Die Expansion der B ildungspartizipationschancen auf die ~irmeren Schichten war somit nur zum Teil eine Reaktion auf die verbreiteten
Pflicht einer jeden Regierung auferlegt, dafor Sorge zu tragen, dab die M6glichkeiten for diese Erziehung fOr alle zur VerfOgung stehen." (zitiert nach Dichanz 1991: 28) 18 ,,If the republic was to have universal white male suffrage, it need universal white education." (Kaestle 1983: 72) 19Nasaw 1979: 30. 20 Letzteres gilt vor allem fOr die Schulen in Grol3st~idten, die durch den Verlust der Sozialisierungsfunktion der lokalen Gemeinschaft als besonders dem sozialen Verfall ausgesetzt betrachtet wurden (Church 1976: 73).
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Bem/ihungen zur Demokratisierung der Bildung, es ging den Reformern vielmehr auch darum, durch die 6ffentlichen Schulen ein gewisses Mal3 an Kontrolle fiber die Erziehung der Kinder der unteren Schichten zu erlangen, so dass die ,,Erziehungsfehler" der /irmeren Haushalte korrigiert und zukiinftiger sozialer Unfrieden zwischen den mittleren und den Arbeiterschichten pr/iventiv verhindert werden konnten (Nasaw 1979:11, 17; Tyack 1974: 69, 72). 21 In der zweiten H/ilfte des 19. Jahrhunderts wurden die Allgemeinschulen auch zunehmend zum Instrument der Assimilierung und Amerikanisierung neuer Einwanderungsstr6me aus Irland, Siid- und Osteuropa (ebd.: 82). Weiterhin geh6rten auch der Schutz der Eigentumsrechte und die generelle Neuausrichtung der Bildung und Erziehung auf die Bed/irfnisse einer sich formierenden industriellen Gesellschaft zum Wertefundus der Bewegung (Kaestle 1983: 76-77). Die Rolle der Gesch/iftsleute wurde auch deutlich in der sich in den diversen lokalen Reformgruppierungen etablierenden Arbeitsteilung zwischen den Reformpolitikem auf der einen und den kapitalistisch gesinnten B/irgerschichten auf der anderen Seite, die der Bewegung die notwendigen materiellen Ressourcen zur Verfiigung stellen konnten (Nasaw 1979: 45). Das Common School Movement hatte auch eine religi6se Dimension: Im Zuge des l 9. Jahrhunderts kam es in paralleler Weise im Rahmen des so genannten ,,Second Awakening" (Jorgenson 1987: 24, 33) unter Fiihrung der Baptisten und Methodisten im Siiden sowie bereits existierender, Religionsgruppen iibergreifender (,,6kumenischer") Agenturen im Norden und Westen zu einer gewissen Vereinheitlichung und Koordinierung der einzelnen protestantischen Sekten unter dem Dach des ,,Evangeiicism" (Cremin 1976: 48-49), welches am besten als den ver/inderten Umst/inden des kolonialen Amerika angepasste und modifizierte Form eines mehrheitsffihigen und gem/iBigten Protestantismus angesehen werden kann. Im Zuge der Institutionalisierung der Bildungseinrichtungen in den Frontierstaaten des Westens hat somit auch die Verbreitung und Absicherung eines neuen Glaubenscredos eine Rolle gespielt (Nasaw 1979: 26), um den Einfluss des Katholizismus im Allgemeinen zu d/impfen: ,,The outcome [of the organizing movement of Evangelicism, MRB] was a vast educational campaign to save the West from sin in general and Roman Catholicism in particular." (Cremin 1976: 48-49) Das Common School Movement propagierte jedoch in seiner 6ffentlichen Rhetorik die Losl6sung der 6ffentlichen Schulen vom Einfluss religi6ser Sekten, stellte sich gegen die 6ffentliche Subventionierung von religi6sen Schulen, betonte stattdessen die Rolle der 6ffentlichen Schulen in der Verbesserung der sozialen Ordnung und Moral und bereitete damit wesentliche 21 "The young would be taught to vote right and to pray right, to distinguish the responsible citizen from the demagogue, the false from the true, in matters of state and church." (Nasaw 1979: 40)
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Reformbestrebungen des Progressive Movement zu Anfang des 20. Jahrhunderts vor (Jorgenson 1987: 20). Der Anstrich der S/ikularit/it war allerdings in gewisser Weise nur scheinbar, denn das Ziel mancher Reformer war es, im Zuge der Vereinheitlichung der protestantischen Religionsstr6mungen in den Schulen das Unterrichten grundlegender protestantischer Wertvorstellungen zu betreiben, die zunehmend in der breiten Mittelklasse Verankerung fanden. Unterstfitzung in diesem Unterfangen fanden die Reformer in der Nativistenbewegung und der ,,Nichtswisser-Partei" (Know Nothing Party), so benannt, weil deren lokale Fundamente in Geheimbfinden bestanden, deren Mitglieder Fragen zu den Anfiihrern dieser Vereinigung immer mit der Antwort, ,,sie wfissten nichts", begegneten (Jorgenson 1987: 71). Die Nativisten waren vor allem gegen die Verbreitung des Katholizismus und fiir eine Eind/immung der Einwanderungsstr6me, von denen sie eine Unterwanderung amerikanischer, protestantisch gepr/igter Werte beftirchteten. Die Hauptziele der teilweise brutal gefiihrten Nativistenkampagnen auf lokaler und gliedstaatlicher Ebene waren die Durchsetzung der Verpflichtung des Lesens der protestantischen Version der Bibel in den Schulen (Kaestle 1983: 98) sowie die Verweigerung von 6ffentlichen Zuschfissen an sektiererische (d.h. katholische) Schulen (Jorgenson 1987: 69). Die Vereinheitlichungsbewegung des ,,Second Awakening" hat aul3erdem dazu gefiihrt, dass die Theologie der amerikanischen Variante des Protestantismus weniger wichtig wurde, dafiir die christliche Botschafl zunehmend Angeh6rigen des einfachen Volkes in verst/indlicher Weise nahe gebracht werden sollte und dadurch die l ~ e r n a h m e und Verfestigung yon allgemeinen Prinzipien des Protestantismus in die Wertebasis der Mittelklasse begfinstigt wurde (ebd.: 2526, 134-135). Dadurch entstand eine enge Verbindung zwischen Amerikanismus / Patriotismus und Protestantismus (Smith 1967: 680), wodurch die Katholiken zeitweise in eine verd/ichtige, in Ans/itzen staatsfeindliche Ecke gedr/ingt wurden. 22 Dennoch waren die Katholiken diejenige Religionsgruppe, denen es am nachhaltigsten gelungen ist, eine grol3e Zahl an unabh/ingigen, auBerhalb des 6ffentlichen Systems stehenden Schulen zu errichten. 23 Wie wir weiter unten 22 ,,In such a climate of opinion, it was natural for Protestants to assume that religion should be taught in the schools and that Americanism should be reinforced in the churches. The Bible thus became a symbol of a way of life as much as a source of truth and a means of salvation. Those who opposed this view were enemies of the state." (Jorgenson 1987: 135) 23 Dies gelang vor allem in den gr6Beren St/idten: In New York City beispielsweise war Bischof Hughes ein ausgesprochen starker Verteidiger der Unabh/ingigkeit der katholischen Schulen. Die Position der Katholiken wurde auch dadurch gest~irkt, dass ihr Anteil an der Bev61kerung zwischen 1790 und 1907 von 1 auf 17 Prozent anstieg (Tyack 1974:
86).
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sehen werden, stellen katholische Schulen auch heute noch den gr6Bten Anteil an Privatschulen dar. Die Expansion der katholischen Schulen wurde auch teilweise dadurch begiinstigt, dass verschiedene nationale Immigrantengruppen ihre eigenen katholischen Schulen griinden wollten (Kaestle 1983:166). Die Etablierung eines evangelikalen Konsenses fiber die Unterrichtsinhalte und die Aufgabe der 6ffentlichen Schulen hat allerdings die protestantisch gepr~igten Mittelschichten dazu ermutigt, ihre Kinder zunehmend in 6ffentliche Schulen zu schicken, was ebenfalls zu der graduellen Zuriickdr/ingung der privaten Schulen, vor allem in den groBen St/idten, beigetragen hat (Smith 1967: 687). 24 Die Konflikte zwischen protestantisch gepr~igten 6ffentlichen Schulen und katholischen Schulen flammten wiederum auf gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem es den Katholiken gelungen war, in den Indianerreservaten einen iiberproportionalen Anteil an 6ffentlicher Finanzierung fiir ihre Schulen zu sichern, und augerdem der Zustand der allgemeinen 6ffentlichen Schulen, den Bastionen des Mainstream-Protestantismus, zunehmend in die Kritik geriet (ebd.: 147, 149, 159-160). Wie weiter unten noch zu sehen sein wird, ist die Frage der Verbindung zwischen Kirche und Staat in den 6ffentlichen Schulen auch im 20. Jahrhundert einer der zentralen Konfliktpunkte, der eine Vielzahl von Gerichtsurteilen und Auseinandersetzungen begriindet hat. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts setzte augerdem der Prozess der Einfiihrung der Schulpflicht auf Gliedstaatenebene ein, in dem Massachusetts (1852) und New York (1853) eine Pionierrolle iibernahmen. Dieser Prozess schritt in den folgenden Jahrzehnten allerdings zun~ichst schleppend voran (bis 1870 hatten nur 6 Prozent aller Gliedstaaten eine Schulpflicht eingefiihrt) und gewann erst gegen 1890 an Fahrt (Meyer / Tyack / Nagel / Gordon 1979: 596). Massachusetts hatte bereits mit der Verabschiedung eines Gesetzes im Jahre 1647, in dem festgelegt wurde, dass jede Dorfgemeinschaft mit mehr als hundert Familien eine Schule einzurichten habe, eine Pionierfunktion iibernommen 25 (Ignas 1981: 5). Im Jahre 1789 wurde die Gesetzeslage dann weiter versch~irft, indem man nun alle Dorf24 "An evangelical consensus of faith and ethics had come so to dominate the national culture that a majority of Protestants were now willing to entrust the state with the task of educating children, confident that education would be "religious" still. The sects identified their common beliefs with those of the nation, their mission with America's mission." (Smith 1967: 687) 25 In Massachusetts wurde im Jahre 1848 mit der Quincy School auch die landesweit erste Schule gegriindet, die nicht eine One-Room-School war, sondem in der jeder Lehrer in einem eigenen Klassenraum Schiller unterschiedlicher Klassenstufen unterrichtete (Marshall / Tucker 1992:17). Im Zuge der Common School Bewegung hat dann die Einrichtung der nach Klassenstufen strukturierten Schule (,graded school') eine schnelle Verbreitung gefunden, und eine achtj/ihrige Grundschulausbildung ist zum Standard geworden (Tyack 1974: 45).
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gemeinschaften und St/idte mit mehr als fiinfzig Familien dazu verpflichtete, ftir mindestens sechs Monate im Jahr eine Grundschulausbildung zur Verfiigung zu stellen, und St/idte mit mehr als 200 Familien zur Errichtung einer Sekundarschule (grammar school), l]ber die tats/ichliche Effizienz dieses Gesetzes besteht allerdings Unklarheit, da die gliedstaatlichen Regierungsinstitutionen noch nicht fiber die entsprechenden Implementationskapazit/iten verfiigten (Kaestle 1983: 13). 26 Nach und nach fiJhrten alle Staaten eine Schulpflicht ein, Mississippi war im Jahre 1918 der letzte (Church 1976: 59). Es gibt allerdings keine nationale Schulpflicht auf Bundesebene, und aul3erdem ist zu erw/ihnen, dass in fast allen Staaten den Eltern die M6glichkeit einger/iumt wird, ihre Kinder zu Hause in Eigenregie zu unterrichten (Homeschooling). Wenngleich die Expansion der Bildungseinrichtungen in den USA im Zuge des Common School Movement beachtlich war und im Unterschied zu Europa weder eine m/ichtige Aristokratie noch autorit/ire Kircheninstitutionen die Expansion der Bildung verhindern konnten, wuchs mit den ansteigenden Finanzierungsbed/irfnissen der reformierten Allgemeinschulen auch der Widerstand der Steuerzahler, vor allem in den 1/indlichen Gegenden, die in Referenden gegen h6here Steuern abstimmten (Nasaw 1979: 58), ,,sticking to their ramshackle schoolhouses, old-fashioned slates, short sessions, and tattered family textbooks" (Kaestle 1983: 122). In gewissem Sinne machten die von den Reformern des Common School Movement vorgeschlagenen Anderungen am Schulwesen auch die ErschlieBung neuer 6ffentlicher Einnahmequellen notwendig: "The campaign for the common schools - through the later 1830s and 1 8 4 0 s - was no more and no less than a campaign for public taxation." (Nasaw 1979:15) Wohingegen die Gegner der Schulreformen die Einfiihrung der Eigentumsbesteuerung als unzu1/issigen Eingriff in das Naturrecht auf Privateigentum geif3elten, so propagierten die Reformer das Argument, dass die Besteuerung zur Schulfinanzierung die Eigentfimer nicht ihres Besitzes beraube, sondern dessen Bestand dadurch langfristig sichere, dass die Gefahr von Arbeiterunruhen durch eine strenge Sozialisierung von deren Kinder in den 6ffentlichen Schulen wirksam im Griff gehalten werden k6nne (Nasaw 1979: 52-53). Weitere Gegner der Bewegung waren jene Gruppen wie deutsche Einwanderer oder religi6se Gemeinschaften (Lutheraner, Katholiken, Kongregationalisten, 26 Derthick (2001: 14-15) erw~hnt als weiteres Beispiel ein Gesetz in Massachusetts aus den spfiten 1820er Jahren, das recht detailliert die Pflicht der Stfidte, Schulen zu errichten, darlegt; des Weiteren, die F~cher, die unterrichtet werden sollen, die Zahl der Lehrer pro Haushalt, die Qualifikationsanforderungen an Lehrer und die moralischen Inhalte des Unterrichts. Die einzige Form von Kontrolle jedoch, die die gliedstaatliche Regierung bei den Schuldistrikten durchsetzen konnte, waren Berichte fiber die Zahl der Schulen und die entsprechenden Ausgaben.
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Mermoniten, reformierte Protestanten), die die Zentralisierung der Kontrolle fiber die Bildungseinrichtungen ablehnten und anstelle dessen die Involvierung der Eltern und der lokalen Gemeinde betonten (Vinovskis 1993: 47). Damit verbunden war eine gewisse Ablehnung der Schulfinanzierung fiber die Eigentumsteuer und stattdessen eine Prfiferenz ftir die Erhebung von Schulgebfihren, die in Rhode Island im Jahre 1852 immerhin noch 10 Prozent der Einnahmen der 6ffentlichen Schulen ausmachten, ebenfalls 10 Prozent in Connecticut (1856), 15 Prozent in Michigan (1850), aber bis zu 40 Prozent in New York towns (Kaestle 1983:149). Orestes Brown, ein prominenter Gegner der Schulreformen aus Massachusetts, verglich die Zentralisierungsbemfihungen der Reformer mit der Errichtung autorit/irer Staatsstrukturen nach preufSischem Vorbild, die ~ r die amerikanische Demokratie, die die autonome Rolle der Haushalte in der Erziehung ihrer Kinder anerkennt und schfitzt, nicht zul~issig seien. 27
2.1.2
Nach dem Biirgerkrieg: Die Universalisierung der Sekundarbildung Das Common School Movement hat in den Jahrzehnten vor dem Bfirgerkrieg, vor allem in der Periode zwischen 1830 und 1850, die Universalisierung der Prim/irbildung, zumindest fiir Weil3e und vor allem in den Staaten des Nordostens und m. E. im Mittleren Westen, vorangetrieben. Nach dem Bfirgerkrieg wurde in ~ihnlicher Weise die Universalisierung der Sekundarausbildung betrieben, wieder getragen von einer von den aufsteigenden Mittelklassen dominierten Bewegung, dem Progressive Movement, und wieder mit einer egalit~iren, demokratisierenden Tendenz, die sich in der Institution der High School wieder finden l~isst. Bevor n/iher auf das Progressive Movement eingegangen werden soil, ist zun/ichst noch von den teilweise vergeblichen Bemfihungen zu berichten, das Common School Movement, das seinen Ausgangspunkt in den Staaten des Nordostens genommen hatte, nach dem Bfirgerkrieg auch in die Sfidstaaten und die Staaten des Westen zu tragen. Wie weiter oben bereits erl/iutert wurde, war die Bildungssituation, was die Verbreitung der allgemeinen Schulbildung, den Anteil der Bev61kerung, der lesen konnte, und die Gleichheit der Verteilung der Bildungschancen zwischen weiBen einerseits und afro-amerikanischen und indi-
27 "A govemment system of education in Prussia is not inconsistent with the theory of Prussian society, for there all wisdom is supposed to be lodged in the government. But the thing is wholly inadmissible here ... because, according to our theory, the people are supposed to be wiser than the government. [...] To entrust, then, the government with the power of determining the education which our children shall receive is entrusting our servant with the power to be our master." (Orestes Brown nach Nasaw 1979: 64)
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anischen Bev61kerungsgruppen andererseits betrifft, in den Sfidstaaten schlechter als in den reicheren Staaten des Nordostens. Nach dem gewonnenen Bfirgerkrieg machten sich daher Bildungsreformer und Erzieher aus dem Norden daran, den Sfiden in Sachen Bildung zu missionieren (Church 1976: 125). Philantropische Organisationen aus den Nordstaaten finanzierten die Grfindung von Schulen und Colleges fiir Schwarze in den Sfidstaaten (ebd.: 132). Zum H6hepunkt der bildungsmissionarischen Bewegung um das Jahr 1868 herum sind sogar Lehrer als ,,Missionare" in den Sfiden gepilgert, bevor sie auf wachsenden Widerstand der etablierten weif3en Klassen der Sfidstaaten stief3en (ebd.: 136). Die enthusiastischen Nordstaatler schreckten auch nicht davor zurfick, die Institutionen der Bundesebene einzuschalten, um dem Sfiden die Bildung nahe zu bringen: 1867 wurde das Bundesministerium fiir Bildung gegfiindet (Department o f Education), 1869 allerdings herabgesmft auf den Grad eines Bfiros im Innenministerium, was hernach wenige Kompetenzen inne hatte, sondern mehr als Informationsbfiro in Schulfragen diente, bis erst im Jahre 1979 unter Carter dem Bildungsminister wieder Kabinettsrang zuerkannt wurde (Church 1976: 127; Dichanz 1991: 30). 28 Bei der Bewertung dieser Bemfihungen ist allerdings zu beachten, dass, was die Ausgaben fiir Bildung angeht, die Sfidstaaten eigentlich eine gr6f3ere Anstrengung unternahmen als die Nordstaaten: Im Jahre 1840 gab der Sfiden 0,45 Prozent seines Bruttoregionalproduktes fiir Bildung aus, damit ungef'~ihr so viel wie der Norden. Im Jahre 1860 waren die Ausgaben auf 0,99 Prozent des Bruttoregionalproduktes angestiegen und lagen damit fiber dem nationalen Durchschnitt von 0,8 Prozent. Weft die Sfidstaaten im Vergleich zu den Nordstaaten allerdings eine sehr viel geringere wirtschafiliche Leistung erbrachten, waren die Pro-Schfiler-Ausgaben ftir Bildung dennoch wesentlich niedriger (Church 1976: 121). 29
28 Im Jahre 1870 fand auch der erste Versuch statt, im US-Reprisentantenhaus eine Gesetzesvorlage zu verabschieden, die die bildungspolitischen Kompetenzen der Bundesebene erweitert hitte. George F. Hoar (Republikaner aus Massachusetts) schlug in seinem Entwurf vor, ein nationales Bildungssystem zu schaffen und dem Prfisidenten die Autoritilt zu tibertragen, fiber die Angemessenheit der gliedstaatlichen Schulsysteme zu befinden. Weiterhin sollte der Prisident einen nationalen Schulrat (Superintendent) und damit eine Schulaufsicht installieren. Es sollten Steuern auf der Bundesebene zur Finanzierung der Bildung zur Errichtung von Gebiuden und zur Herstellung von Schulbfichem erhoben werden. Der Entwurf scheiterte letztlich an der Stirke der Position, die die Wahrung der Rechte der Gliedstaaten befiirwortete (vgl. Jorgenson 1987:138). 29 Diese Unterscheidung zwischen Bildungsanstrengung (Ausgaben fiir Bildung in Prozent der Wirtschaftsleistung) und der H6he der absoluten Bildungsausgaben (als ProSchtiler-Werte) wird uns weiter unten bei dem Vergleich der Ausgaben in den USBundesstaaten wieder begegnen.
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Zwischen 1890 und 1915 war der H6hepunkt des Common School Movements in den Siidstaaten (Church 1976:147). Die Bewegung wurde im Wesentlichen getragen von Akademikem, Sozialarbeitern und Angeh6rigen der professionellen Mittelklasse aus den Siidstaaten, zum Teil aber auch unterstiitzt durch philanthropische Organisationen aus dem Norden. Der Besuch der neu gegriindeten Allgemeinschulen im Siiden wurde zwar verpflichtend gemacht, die Institutionen waren allerdings von Anfang an segregiert, d.h. es gab getrennte Schulen fiir WeiBe und Afro-Amerikaner. Finanziert wurde die Expansion durch staatliche Gelder, fortschreitend abnehmende philanthropische Zuschiisse aus dem Norden und durch von den Gliedstaaten (und nicht den Lokalit/iten wie im Norden) erhobene Grundsteuem, die dann wiederum an die Counties und Schuldistrikte umverteilt wurden (Church 1976:142). 30 Ein Schulbericht aus Virginia aus dem Jahre 1914-15 belegt, dass die Diskriminierung der Schwarzen dabei nicht iJberwunden wurde: So wurden ftir Lehrer, die weiBe Kinder unterrichteten, im Schnitt 13,46 Dollar pro Kind ausgegeben, w~ihrend der Betrag fiir afroamerikanische Kinder lediglich 1,55 Dollar betrug (Church 1976:148). In den Nordstaaten begann, nachdem das Common School Movement mehr oder weniger erfolgreich die Universalisierung der Grundschulbildung durchgesetzt hatte, 31 die Universalisierung der Sekundarausbildung und die Entstehung der Institution der High School. W/ihrend des 19. Jahrhunderts gab es bereits einige wenige Sekundarschulen in Form von Latin Schools oder privaten Akademien, die aber weniger fiir den Besuch von Kindem aus den unteren Schichten gedacht waren, sondem vor allem von den Eliten als Mittel angesehen wurden, sich von den Massen abzuheben (Church 1976:155). Die protestantische Mittelklasse dominierte daher auch die 6ffentlichen Sekundarschulen: Diese Institutionen waren nach Church ,,militantly middle class, militantly Protestant, and militantly nativist, as well as ruralistic, antimaterialistic, and impractical" (Church 1976: 155). Die ,Impraktikabilit~it' der Sekundarschulen bestand im Wesentlichen darin, dass ihr Curriculum nicht auf die bemflichen Bediirfnisse der unteren Klassen ausgerichtet war, deren Kinder zudem meist mit dem Arbeiten anfangen 30 Die Ausgaben zur Bildungsfinanzierung hatten z. T. auch eine diskriminatorische Funktion: So hatten die Counties mit einem groBen Anteil an Afro-Amerikanem, und dies waren tendenziell die l/indlichen Berggegenden, in denen die weiBen GroBgrundbesitzer eine Vorrangstellung genossen, einen Vorteil. Die Bildungsgelder wurden ,,gerecht" verteilt, indem sie genau zur H~ilfte zwischen schwarzen und weiBen Schulen aufgeteilt wurden. Dadurch waren die Pro-Kopf-Ausgaben in den Bezirken, in denen es relativ weniger weiBe Kinder gab, ftir WeiBe wesentlich h6her (Church 1976:144-145). 31 Dies kann zum Beispiel an dem hohem Grad der Lesef'~ihigkeit der Bev61kerung ablesen: Im Jahre 1840 konnten ungef'~ihr 90 Prozent der Bev61kerung lesen. Im intemationalen Vergleich war dieser Wert lediglich mit Schottland und Deutschland vergleichbar (Fishlow 1966: 418).
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mussten, bevor sie das entsprechende High School-Alter erreicht hatten, l]'blich war vielmehr das Unterrichten von klassischen Sprachen wie Latein und Griechisch sowie Geschichte und Philosophie, welches die Schiller vor allem auf den sp~iteren Besuch eines Colleges vorbereiten sollte, die zum damaligen Zeitpunkt haupts/ichlich das klassische ,,liberal arts"-Curriculum unterrichteten. Die treibende Kraft hinter dem Aufstieg und der Offnung der High Schools waren die unteren Schichten der Mittelklasse, die sich in einem Statuswettbewerb mit den oberen Schichten der Mittelklasse und der Oberklasse sahen (Church 1976:184). Dem Geist der Zeit entsprechend (siehe unten), wurde die Rhetorik der Inklusivit~it, der Demokratisierung und des Universalismus genutzt, um den Zugang zu den High Schools durch Festlegung der Aufnahmekriterien zu formalisieren und damit ffir die untere Mittelklasse zu 6ffnen (ebd.: 184). Das Ziel dieser Unternehmungen war, die 6ffentliche High School auf Kosten der privaten Akademien, die als Hort der Oberklassen angesehen wurden, als allgemeine Form der Sekundarausbildung zu etablieren, sich dabei weiterhin im Status genfigend von den Arbeiterklassen abzusetzen, die sich den Besuch der Sekundarschulen auf Grund der hohen Opportunit/itskosten kaum leisten konnten (ebd.: 184). Die rechtlichen Voraussetzungen zur Errichtung yon 6ffentlichen High Schools wurden 1874 geschaffen, als der Oberste Gerichtshof von Michigan im Kalamazoo Case entschied, dass den Gemeinden und insbesondere den lokalen Schulausschfissen das Recht zukommt, zur Errichtung und Betrieb von 6ffentlichen Sekundarschulen die entsprechenden Steuem zu erheben (Dichanz 1991: 52).
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Mit der Zeit jedoch nahm die Heterogenit/it der lokalen Gemeinschaften 32 zu, und die 6ffentlichen Schulen konnten nicht mehr als natiirliche Verl~ingerung der Interessen der Mehrheit in der Lokalit/it alleine funktionieren, ohne die Interessen der diversen Minderheiten, die zuvor 6ffentlicb, e Schulen des Ofteren als aufgezwungenes Instrument der Assimilierung betrachtet hatten, starker zu beriicksichtigen ( C o l e m a n / H o f f e r 1987: 14). Dies hat die tats/ichliche Universalisierung der High Schools bef'6rdert. Im Jahre 1900 waren bereits mehr Schiller in 6ffentlichen als in privaten Sekundarschulen eingeschrieben (Fishlow 1966: 420). Der Ausgabenanteil der 6ffentlichen Institutionen an den Gesamtbildungsausgaben stieg von 47 Prozent im Jahre 1850 fiber 65 Prozent (1870) auf 79 Prozent im Jahre 1900 an (ebd.: 420). Nach Angaben des US Bureau o f the Census nahm die Zahl der Schiller, die einen Abschluss an einer privaten oder 6ffentlichen Sekundarschule absolvierten, von 16.000 im Jahr 1870 (ungef~ihr 2 Prozent der Altersgruppe der 17j/ihrigen) fiber 43.371 1890 (3,5 Prozent) auf 94.883 (6,4 Prozent) im Jahre 1900 zu (Tyack 1974: 57). Nach vergleichbaren Angaben nahm auBerdem zwischen 1890 und 1920 der Anteil der 14- bis 17-J/ihrigen, die eine Sekundarschule besuchten, von 6,7 Prozent auf 32,3 Prozent zu, die 6ffentliche High School verdr/ingte die sekund/ire Privatschule und wurde zunehmend zum integralen Bestandteil des Bildungssystems, welcher Schiilern unter Vernachl~issigung ihres sozialen, 6konomischen oder intellektuellen Hintergrundes zur Verfiigung stand (Heidenheimer 1973: 320). Nach Angaben des US Commissioner o f Education 32 Cremin gibt ein eindrucksvolles Beispiel, wie selbst in einer GroBstadt wie New York noch lange Zeit in sich homogene und nach auBen abgeschlossenen lokale Gemeinschaften nebeneinander, und weniger miteinander, existiert haben und dabei auch auf die Wahrung der Autonomie ihrer Erziehungs- und Bildungseinrichtungen bedacht waren: "Even in eighteenth-century Dedham, one could live one's early years within a cluster of white families dominated by a revivalist pastor and only later enter into significant association with other sorts of children and adults in a district school. And indeed in nineteenthcentury Macoupin County, one could live to adulthood largely within the confines of a world bounded by Lutheran households, a Lutheran church, and a Lutheran school. And neither eighteenth-century Dedham nor nineteenth-century Macoupin was isolated or insulated: they were both in continuing communication with external cultural and religious institutions committed to education. In twentieth-century New York, however, both the power of what we might call the subconfigurations of education and the range and extent of the external influences had increased. One could grow up on the Lower East Side within a network of institutions that was referred to as the New York Kehillah (the Hebrew world "kehillah" means "community") and have little to do with the outside world until going to the public library, or taking a job, or being drafted into the army; and if one didn't go into the library, or worked in an all-Jewish factory, or managed to avoid military service, one could live one's entire life in the kehillah, aware of external influences only as intrusions." (Cremin 1976:118)
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William T. Harris aus dem Jahre 1898 stieg die Zahl der in 6ffentlichen Schulen eingeschriebenen Schiller zwischen 1870 und 1898 von 7 Millionen auf 15 Millionen an, was bedeutete, dass 1898 71 von 100 Kindern im Alter zwischen 5 und 18 Jahren in einer oder anderen Schulform eingeschrieben waren (Tyack 1974: 66). Zwischen 1890 und 1918 wurde im Durchschnitt mehr als eine neue High School an jedem Tag des Jahres gebaut, die Schfilerzahl an High Schools stieg um 711 Prozent, wfihrend die allgemeine Bev61kerungszunahme lediglich 68 Prozent betrug (ebd.: 183). Jahr
Alle Staaten Standardabweichung Alle n6rdlichen und westlichen Staaten Urbane Mittlere Liindliche Border States Siidstaaten
1870 9,3 5,0 (37) 10,8 (19) 14,3 (6) 9,1 (8) 8,3 (5) 7,3 (5) 5,8 (8)
1880 8,1 5,0 (38) 10,2 (21) 12,4 (6) 8,7 (8) 9,9 (6) 6,0 (5) 3,3 (8)
1890 11,9 6,7 (43) 15,8 (25) 17,7 (6) 13,0 (8) 14,1 (6) 7,1 (6) 4,2 (10)
1900 14,2 7,7 (45) 18,1 (28) 24,1 (6) 14,8 (9) 16,5 (6) 9,0 (6) 4,5 (10)
1910 28,6 14,6 (46) 36,7 (28) 43,1 (6) 31,2 (9) 34,2 (6) 16,2 (6) 11,2 (10)
1920 74,3 31,5 (48) 93,9 (30) 96,7 (6) 91,2 (9) 85,8 (7) 48,4 (6) 31,6 (10)
1930 68,6 25,8 (48) 82,3 (30) 84,6 (7) 80,1 (9) 77,1 (7) 57,0 (6) 32,4 (10)
Tabelle 2.1: Bildungsausgaben in den US-Bundesstaaten pro Schiiler in laufenden Preisen, Quelle: M e y e r / Tyack / Nagel / Gordon 1979: 594; US Office of Education 1870-1930. Anmerkungen." Zellenwerte sind Durchschnittswerte, Werte in Klammem ist die Fallanzahl. Staaten werden gez~ihlt, sobald sie den Vereinigten Staaten beigetreten sind. Siidstaaten." Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Louisiana, Mississippi, North Carolina, South Carolina, Texas, Virginia; N6rdliche und westliche Staaten um 1870." Kalifornien, Connecticut, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Maine, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Nebraska, New Hampshire, New Jersey, New York, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, Wisconsin; um 1930." Colorado, Idaho, New Mexico, North Dakota, South Dakota, Utah, Vermont, Washington, Wyoming. Urbane Staaten: Staaten, in denen mehr als 33 Prozent der Bev61kerung in Stfidten mit mehr als 2.500 Einwohnem leben; Mittlere: zwischen 15 und 33 Prozent der Bev61kerung leben in Stfidten mit mehr als 2.500 Einwohnern; Liindliche." weniger als 15 Prozent der Bev61kerung leben in St~idten mit mehr als 2.500 Einwohnem.
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Die Tabelle 2.1 zeigt den Verlauf der Entwicklung der (6ffentlichen) ProSchiiler-Bildungsausgaben in den US-Bundesstaaten in laufenden Preisen und dokumentiert die eindrucksvolle Expansionsbewegung. Es f'~illt allerdings auf, dass die Pro-Sch(iler-Ausgaben in den Siidstaaten deutlich hinter denen der nfrdlichen und westlichen Staaten zuriickbleiben. Weiterhin setzt der Expansionstrend in den Siidstaaten deutlich sp/iter ein (um 1910), wohingegen die Expansion in den n6rdlichen und westlichen Staaten bereits um 1890 einsetzt. Aul3erdem stiegen die Ausgaben in den n6rdlichen und westlichen Staaten st~irker an: Das Ausgabenniveau um 1930 ist ungef'~ihr achtmal so hoch wie das Niveau im Jahre 1870, wohingegen in den Siidstaaten lediglich eine Versechsfachung der Ausgaben zu beobachten ist. Erwartungsgem/il3 sind die Pro-Kopf-Ausgaben in den n6rdlichen und westlichen Staaten mit hfherem Urbanisierungsgrad h6her als in den 1/indlichen Staaten, wenngleich die Expansionsbewegung unabh~ingig vom Urbanisierungsgrad in gleicher St~irke voranschreitet. Die generelle Bildungspartizipation (enrolment rates) war nach Meyer et al. (1979: 596) allerdings in landlichen Gebieten h6her als in st~idtischen, im Gegenzug war die durchschnittliche jLlarliche Besuchsdauer niedriger. 33 Der Grad der Variation in den Ausgaben zwischen den Bundesstaaten nimmt nicht zu, sondem eher leicht ab: Im Jahre 1870 betrug der Variationskoeffizient (Standardabweichung geteilt durch Durchschnitt) etwas mehr als 50 Prozent, im Jahre 1930 ist er deutlich unter 50 Prozent gesunken. Dies kann als Beleg fiir einen gewissen Aufholprozess in den Ausgaben der Siidstaaten gelten. Auch wenn die Verbreitung der allgemeinen Schulpflicht in Preul3en bereits ungef~ihr ein Jahrhundert friiher erfolgte (Heidenheimer 1973:319), konnte das Bildungssystem der USA auch im internationalen Vergleich um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert durchaus eine Vorreiterrolle beanspruchen: Die Expansion der Sekundarausbildung befand sich bis 1870 auf ungef'~ihr demselben Niveau wie in Europa, baute jedoch nach 1890 einen deutlichen Vorsprung gegeniiber Europa aus, so dass der Anteil der relevanten Altersgruppe, der eine Sekundarschule besuchte, im Jahre 1928 ungef'~ihr Rinfmal so hoch war wie in Europa (Heidenheimer 1973: 320). In den Vereinigten Staaten wurden im Jahre 1900 pro Schiller 16,78 Dollar aufgewendet, w~ihrend in Deutschland der Betrag lediglich 13,57 Dollar und in Frankreich gar nur 12,79 Dollar ausgegeben wurden. Lediglich das Vereinigte Kfnigreich reichte mit 16,50 Dollar an die USA heran (Fishlow 1966: 433). Auch gemessen am Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lagen die USA mit ungef'~ihr 2 Prozent vome, 33 Im Jahre 1900 betrug die durchschnittliche j/ihrliche Besuchsdauer in den St~idten der North Central Region (ungef'~ihr dieselbe L/indergruppe, die auch mit den n6rdlichen und westlichen Staaten gemeint ist) 29,7 Tage, w~ihrend sie auflerhalb der St~idte lediglich 25,1 Tage betrug (Fishlow 1966: 428).
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Deutschland kam um 1900 auf 1,9 Prozent, Frankreich und Grol3britannien jeweils auf 1,3 Prozent (Fishlow 1966: 429, 432). Auffallend ist weiterhin, dass die hohe Bildungsbeteiligung der Bev61kerung zu einem vergleichsweise gfinstigen Preis erzielt werden konnte (Fishlow 1966: 434): Die Lehrergehfilter waren in den USA relativ gesehen deutlich niedriger als in Frankreich, Deutschland oder Grof3britannien, was zum Teil auch an der st/irkeren Verwendung von weiblichen Lehrkrfiften lag 34 (Heidenheimer 1973: 321). In den Vereinigten Staaten verdiente ein Lehrer im Schnitt ungef~ihr das 1,3-fache des allgemeinen Durchschnittseinkommens und lediglich 60 Prozent des Durchschnittseinkommens 6ffentlicher Angestellter (Heidenheimer 1973: 321), w/~hrend ein Lehrer im Deutschen Reich das 3-fache des allgemeinen Durchschnittseinkommens verdiente (Fishlow 1966: 434). Die nordamerikanischen Sekundarschulen waren weniger ,,high-standard and high-status institutions" wie in Europa, sondern des tgfteren mit Grundschulen in einem gemeinsamen Gebfiude untergebracht (Heidenheimer 1973:321).35 Weiterhin ist schon zum damaligen Zeitpunkt die lokale Finanzierungsweise in Kontrast zum Zentralismus Preul3ens und Frankreichs oder auch Grol3britanniens 36 auff~illig. Dass dennoch die erforderlichen Ressourcen aufgebracht werden konnten, liegt nach Fishlow und anderen an dem weit verbreiteten Grundkonsens zur F6rderung der Bildung (Fishlow 1966: 435; Nasaw 1979:81; Tyack 1974: 68). 37
34 Der Anteil weiblicher Lehrkrfifte am Gesamtlehrpersonal stieg von 59 Prozent (1870) fiber 70 Prozent (1900) auf 86 Prozent (1920) an (Marshall / Tucker 1992:18). Weibliche Lehrkr~ifte wurden wesentlich schlechter bezahlt als Mfinner, was schlieNich dazu fiihrte, dass unter der Fiihrung von Margaret Haley zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Chicago Teachers' Federation (CTF) gegriindet, die in Koalition mit der Arbeiterbewegung und radikalen Reformen eine Verbesserung der Stellung der weiblichen Lehrkrfifte anstrebte (Tyack 1974: 258-260). Hier ein kleiner ljberblick fiber die w6chentlichen Verdienste mfinnlicher und weiblicher Lehrkrfifte (ebd.: 62): Jahr
1870
1880
1890
1900
1910
1920
Mfinner Frauen
$ 35 $12
31 12
33 13
32 14
36 17
61 36
35 Im Jahre 1920 waren die Ausgaben ffir Sekundarschulen in den USA lediglich zweimal so hoch wie ffir Grundschulen, wfihrend dieses Verhfiltnis in Europa zwischen 2.5:1 und 5:1 lag (Heidenheimer 1973: 321). 36 In Grol3britannien sind beispielsweise mit dem Balfour Act von 1902 2568 vormals autonome lokale Schulausschfisse abgeschafft und die Bildungskompetenzen auf regionale Verwaltungseinheiten fibertragen worden (Heidenheimer 1973: 327). 37 "Local finance sufficed in the United States, although it could not be relied on elsewhere, in part because the consensus in favour of education had evolved gradually within American local communities themselves." (Fishlow 1966: 435) Eine weitere Stimme zum
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Die Expansion der Sekundarausbildung wurde auch durch die Aktivit~iten von Interessengruppen wie den Gewerkschaften unterstiitzt, die im Unterschied zu ihren europ/iischen Genossen nach Heidenheimer zu einem gr6Beren Grad die Substituierbarkeit von sozialpolitischen MaBnahmen durch Ausweitung der Chancen zur Bildungspartizipation akzeptierten (Heidenheimer 1973: 322). Parallel zur Expansion der Sekundarausbildung und dazu in einer gewissen Wechselbeziehung stehend, entwickelte sich emeut eine m/ichtige soziale Reformbewegung, die nicht nur die Politik, sondern auch das Bildungssystem nachhaltig beeinflussen sollte: das Progressive Movement. Ahnlich wie beim Common School Movement handelte es sich bei dem Progressive Movement nicht um eine national zentralisierte, homogene und unitarische Bewegung, sondern vielmehr um eine Vielzahl von lokalen und regionalen Bewegungen und Mobilisierungsversuchen, die aufgrund ihres ubiquit/iren Auftretens und der gleichgerichteten Reformbemiihungen eine gesamtgesellschaftliche Erscheinungsform annahmen. Im Hinblick auf die Bildungspolitik ist allerdings die Unterscheidung zwischen dem politischen Progressive Movement, das vor allem in der Zeitperiode um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert den H6hepunkt seines Einflusses erreichte, und einem sekund/iren Progressive Movement im Bildungssektor wichtig, das zeitlich erst in den 1920er Jahren entscheidenden Einfluss gewann, in den sp~iten 1930er und 1940er Jahren die gesamte Bildungsprofession umfasste, um dann in den 1950er Jahren wieder rasch an Einfluss zu verlieren. Das politische Progressive Movement war eine Bewegung, die sich die weitere Demokratisierung auf die Flaggen geschrieben hatte und eine gewisse paternalistische Sympathie fiir die eingewanderten Armen hatte (und hierin dem Common School Movement ~hnlich war). Weiterhin traten die Reformer vehement gegen die in den St/idten verbreitete Korruption auf, die als Konsequenz aus der vorm/ichtigen Stellung der Parteiorganisationen (z.B. die ,Parteimaschine' der Demokraten in Chicago), die regelm/iBig ihre Mitglieder und Unterstiitzer durch Posten in Verwaltung und Politik entlohnte (spoils system), angesehen wurde. Es ging den Reformern auch um die Eind/immung der ungeziigelten Reichtumsvermehrung der neuen Kapitalistenklasse von Industriekapit/inen. Andererseits war das Progressive Movement aber auch ein Wegbereiter fiir die Errichtung einer auf die neue industrielle Produktion ausgerichteten Gesellschaftsform, in der Rationalit/it und Effizienz als angeblich wertneutrale Leitla'iterien Tradition und Cliquenwirtschaft in Verwaltung, Wirtschaft und Politik verdr/ingen sollten (vgl. Berube 1994: 1). Als politische Ziele propagierte das
Charakter des amerikanischen Bildungskonsenses: "We have a love affair with schooling but a deeply rooted distrust of truly educated people." (Marshall / Tucker 1992: 13)
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Progressive Movement die Einffihrung von direktdemokratischen Kandidatenwahlk~impfen (Primaries), von Referenden und direktdemokratischen Abwahlverfahren (Recall) sowie die Einffihrung der Direktwahl der Mitglieder der USSenats, die zuvor von den Kongressen der jeweiligen Gliedstaaten gew~ihlt worden waren. Die Anh~inger des Progressive Movement waren allerdings trotz ihrer progressiven Grundausrichtung in ihrem Paternalismus und ihrer Blindheit gegeniiber Rassenfragen und der Diskriminierung nicht-weiBer Bfirger in einigen Punkten weiterhin der traditionalistischen Gesellschaftsordnung verhaftet (Berube 1994:10). Jkhnlich wie die Anh~inger des Common School Movement waren die Initiatoren des Progressive Movement Anh~nger der protestantisch gepr~igten Mittelklasse: ,,native-born Protestant middle class who were young and college educated" (Berube 1994: 1). Der Vormarsch der Demokratisierungsbewegung und ihr Frontalangriff auf die etablierten Institutionen des von den Parteien institutionalisierten ,spoils system' betrafen auch die Regierungsinstitutionen des Bildungssystems: die lokalen Schulausschfisse. Hier waren wieder in besonderer Weise die Grogst~idte betroffen. Vor der Reformperiode wurde die Schulpolitik von Schulausschfissen gemacht, die unterhalb der Regierungsebene der Stadtregierung auf Stadtteilbasis (,wards') installiert waren. Der ,,war against the wards" (Nasaw 1979: 108), jener ,,Wettbewerb der uneigennfitzigen und aufgekl~irten Bfirger gegen die Macht der Korruption, Ineffizienz und Ignoranz", 38 wurde gek~impft von einer Koalition aus Mittelklasse-Reformern und Gesch~iftsleuten, die sich bereits in dem Common School Movement als erfolgreich erwiesen hatte: ,,If the middleclass reformers provided the infantry for the antimachine crusade, business would provide the heavy artillery and general leadership." (ebd.: 108) Durch die Zentralisierung der Schulaufsicht, die Abschaffung der ,ward boards' und das Abhalten von Schulwahlen auf der Ebene des gesamten Stadtgebietes anstelle der kleineren ,wards' erhoffte man sich eine gewollte Privilegierung der ,,erfolgreichen M~inner", d.h. haupts~ichlich der Gesch~iftsleute, denn diese verffigten fiber bessere M6glichkeiten, die notwendigen finanziellen Ressourcen ~ r eine stadtweite Wahlkampagne zu mobilisieren (Nasaw 1979:109; Marshall / Tucker 1992:16). Mit der Eliminierung der ,ward boards' einher ging eine Reduzierung der durchschnittlichen Gr6f3e der st~dtischen Schulausschiisse von 21,5 Mitgliedern im Durchschnitt der 28 gr6gten St~idte im Jahre 1893 auf 10,2 im Jahre 1913 (Marshall/Tucker 1992: 16; Tyack 1974: 127). Ein gewiinschter Nebeneffekt war dabei die Zuriickdr~ingung des Einflusses neuer Immigrantengruppen: W~hrend in der Periode vor 1890 die meisten Immigranten aus Nord- und Westeuropa kamen, stammten die Mitglieder der neuen
38Tyack 1974:167.
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Immigrationswelle, die zwischen 1901 und 1910 ihren H6hepunkt fand, vor allem aus Ost-, Mittel- und Siideuropa (Ralph/Rubinson 1980: 945). Von den einheimischen Amerikanern wurden diese neuen Gruppen als besonders ,amerikanisierungsbediirftig' eingestuft (ebd.: 945). Die Mitarbeit in den ,ward boards' stellte fiir Immigranten oft die einzige M6glichkeit dar, auf die Erziehung ihrer Kinder in den 6ffentlichen Bildungsinstitutionen einen Einfluss zu nehmen (Nasaw 1979:106), von denen sie zunehmend beffirchteten, dass in ihnen den Kindem amerikanische Werte aufgedr/ingt wiirden (Ralph / Rubinson 1980: 949). 39 Die von den Reformem so stark kritisierten Parteimaschinen hatten aul]erdem dazu beigetragen, Konflikte zwischen Gruppen in den pluralistischen Gesellschaften der amerikanischen Grol3st/idte auf friedvolle Weise zu regeln (Tyack 1974: 94). Die sich formierende industrielle Gesellschaft und die Bildungsexpansion bedingten und befruchteten sich gegenseitig: Das steigende Bildungsniveau war einerseits eine Antwort auf die zunehmende Nachfrage nach gebildeten und ausgebildeten Arbeitskr~iften, andererseits hat es diese Nachfrage auch selbst erzeugt (Cremin 1976: 87). W/ihrend vor 1890 der High School-Abschluss im Allgemeinen nicht, sondem nur fiJr die White-Collar-Berufe wie Lehrer und Buchhalter erforderlich war, stieg durch die Zunahme dieser Dienstleistungsberufe und der allgemeinen Bildungspartizipation auch der Wert eines Sekundarabschlusses (Nasaw 1979: 120), was wiederum den Anreiz zum Besuch einer Sekundarschule erh6hte. Hinzu kommt, dass die Verwaltungsmodernisierer des Progressive Movement sich die Wirtschaftsunternehmen zum Vorbild nahmen und durch die 13bertragung von betriebswirtschaftlichen Management-Ans/itzen auf die Verwaltung von Bildungsinstitutionen deren Efflzienz und Rationalit/it zu steigern suchten (Tyack 1974: 126)4~ "Disgusted with the corruption and apparent chaos of ward politics, and believing that the illiterate and dirty immigrants would ruin America if democracy went too far, the reformers were determined to run their government institutions in the same orderly and efficient way in which they thought business was run." (Marshall / Tucker 1992:15) Auch die mit dem Pro-
39 So ist es nicht verwunderlich, dass in dieser Zeit neben der Expansion der 6ffentlichen Institutionen auch wieder vermehrt private Schulen gegriindet und besucht wurden, die fiir die Erziehung der Kinder der katholischen, griechisch-orthodoxen und lutheranischen Einwanderer zustfindig waren (Ralph / Rubinson 1980: 946). a0 "They wanted to make of school administration a science- and here was a ready-to-use body of literature on business efficiency to adapt to the schools." (Tyack 1974:143-144)
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gressive Movement einsetzende Reform des Curriculums der Sekundarschulen richtete sich an den Bediirfnissen der Industriegesellschaft a u s . 41 Die progressive Bewegung, die im Anschluss an die Hochzeit des politischen Progressive Movement den Bildungssektor erfasste, pr~igte ein neues Idealbild einer auf das Wohl des Kindes hin orientierten Erziehung, die anstelle von rfidem Auswendiglernen kritisches Denken, Individualismus, Selbstverwirklichung und Kreativit~it f'6rdern sollte (Berube 1994: 13). Gleichzeitig ging es aber auch um die Oberwindung der traditionellen, altmodischen Formen der Erziehung und Bildung, um der Verwendung der wissenschaftlichen Methode und der Bfirokratisierung Vorschub zu leisten (Tyack 1974: 28, 126). John Dewey, die Gallionsfigur der Bewegung, pl~idierte fiir eine neue Form der Erziehung, die anerkannte, dass Intelligenz nicht nur eine erbliche, sondem auch eine durch die soziale Umwelt vermittelte Eigenschaft ist (Berube 1994: 36). Im Jahre 1919 wurde die Progressive Education Association (PEA) als Zusammenschluss von Bildungsreformern aus den Verwaltungen, den Bildungsinstitutionen und der Politik gegriindet, die im Jahre 1938 mit 10.440 den H6chststand ihrer Mitgliederzahl aufzuweisen hatte (Berube 1994: 20). Das Progressive Education Movement beinhaltete auch die weitreichende Einfiihrung von Intelligenztests, die dazu dienen sollten, die Kinder in die fiir sie ,am besten geeigneten' Bildungswege einzuordnen (Ravitch 2000: 130). Kritiker sahen darin einen Versuch, die Schulen zur Reproduzierung der allgemeinen gesellschaftlichen Ordnung der Ungleichheit einzusetzen, andere wiederum lediglich ein Ausdruck des vorherrschenden Glaubens in die Rolle der Wissenschaft und der Schulen im Prozess der Modemisierung (Cohen / Rosenberg 1977:113,125). Des Weiteren trieb die Koalition aus progressiven Bildungsreformem und Gesch~iftsleuten die bereits oben erw~ihnte Reform des Curriculums voran. Das klassische Curriculum der Sekundarschulen des 19. Jahrhunderts wurde als nicht mehr zeitgem~iB und in dem S inne als undemokratisch empfunden, weil es lediglich den Interessen der kleinen Oberschichten-Minderheit zu Gute k~ime, die ihre Ausbildung am College fortsetzen wollte und dabei die Bediirfnisse der unteren und mittleren Schichten auf eine Ausbildung, die besser auf ihre sp~itere Position auf dem Arbeitsmarkt zugeschnitten sein k6nnte, vernachl/issige, obwohl einige der /irmeren Familien, nachdem sie den Zugang zu Institutionen der h6heren Bildung erk/impft hatten, auf die Verfiigbarkeit traditioneller Bildung fiir ihre Kinder bestanden (Nasaw 1979:118, 126). Das reformierte Curriculum jedoch sollte lediglich einige grundlegende F/ihigkeiten in der beruflichen und allgemei-
41 "In a remarkably short time, America performed a herculean task as it built a school system on the industrial mass-production model to fit the needs of a smokestack economy." (Marshall / Tucker 1992: 13)
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nen Ausbildung beinhalten und den Schiilern vor allem Disziplin beibringen, um sich in die bestehende gesellschaftliche Ordnung einftigen zu k6nnen (Marshall / Tucker 1992: 20; Ravitch 2000: 125; Tyack 1974: 126). 42 Zur Befriedigung der Ausbildungsanforderungen des maschinisierten Industrialismus reichte die Vermittlung von generalisierten F~ihigkeiten (general skills) vollkommen aus, das Lehrlings- und Ausbildungssystem, das sich im 19. Jahrhundert in Anlehnung an europfiische Vorbilder entwickelt hatte, war bereits wieder auf dem absteigenden Ast (Nasaw 1979: 93, 98). Der demokratische Impetus der damaligen Expansionswelle verschfirfte somit das Dilemma der Frage, ob den von nun an verst~irkt in die Sekundarschulen str6menden Angeh6rigen der unteren Schichten in ,,idealistischer" Weise das Beschreiten desselben Bildungsweges wie den oberen Schichten erm6glicht werden sollte oder ob in ,,realistischer" Weise diese M6glichkeit von vorneherein verneint und anstelle dessen eine bessere Vorbereitung dieser Schichten auf ihre wahrscheinliche sp~itere gesellschaftliche Position am Arbeitsmarkt betrieben werden sollte (Nasaw 1979: 130). 43 Die Vorreiter des Progressive Movement jedenfalls kritisierten den gegen Ende des 19. Jahrhunderts von einem renommierten ,,Committee of Ten" vorgelegten Bericht zur Reform des Sekundarschulcurriculums, der im Wesentlichen die Beibehaltung des traditionellen, akademischen Lehrplanes empfahl, in sch~irfsten T6nen als elitistisch und altmodisch (Ravitch 2000: 48). In ihrem ,,Kreuzzug ftir soziale Effizienz" (ebd.: 76) wurde die Demokratisierung des B ildungssystems dahingegen verstanden, dass jedem Bildungsteilnehmer das Erlangen derjenigen Ffihigkeiten erm6glicht werden sollte, die ihm nach Abschluss der Ausbildung am meisten nutzen wiirden,
42 Im Jahre 1918 wurde yon der Commission on the Reorganization of Secondary Education der National Education Association (NEA) ein Bericht zu den ,,Cardinal Principles of Secondary Education" ver6ffentlicht. Dieser Bericht empfahl die Einrichtung von unterschiedlichen Bildungswegen ffir die unterschiedlichen Schiilergruppen (Ravitch 2000: 123). Die Hauptziele der Sekundarausbildung wurden nicht in Form von zu erreichenden Wissensgegenst/inden definiert, sondern in Form von sieben allgemeinen Prinzipien: "1. Health. 2. Command of fundamental processes. 3. Worthy home membership. 4. Vocation. 5. Citizenship. 6. Worthy use of leisure. 7. Ethical Character." (ebd.: 124) 43 David Snedden, einer der Reformer, driickte zum Beispiel seine Vorliebe fiir das Vorbild der europ~iischen Bildungssysteme aus, die schon zu einem friihen Zeitpunkt die Aufteilung der Kinder in unterschiedliche Schulformen (Volksschule, Gymnasium) vornahmen und so in demokratischer Weise den Realit~it des urbanen Proletariats besser gerecht wurden. Dekan James Earl Russell vom Teacher's College in New York City sah ebenfalls die Aufgabe der neue 6ffentlichen Schulen nicht in der Erziehung der Kinder zu 6konomischer Selbst~indigkeit, sondern in der D~impfung ihrer Erwartungen (Nasaw 1979: 131-132).
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und nicht solche, die altmodische und nicht anwendbare Kenntnisse zum Inhalt hatten. Die innere Organisation der High Schools, die bis heute im Wesentlichen iiberdauert hat, ist schlieBlich als Kompromiss zwischen den Anh/ingem des traditionellen Curriculums und den radikaleren, berufsbildungsorientierten Reformem zu Stande gekommen (ebd.: 156-157). Die Einrichtung verschiedener Bildungswege (,tracks') soll je nach Interessenlage auf den sp/iteren CollegeBesuch (,academic track') oder den direkten Berufseinstieg (,vocational track') vorbereiten. Im Endeffekt k6nnte dies langfristig, so zumindest Diane Ravitch, die soziale MobilitS.t der unteren Klassen beschrS.nkt haben (Ravitch 2000:15) Die National Association of Manufacturers (NAM), die die Interessen der Gesch/ifiswelt und darin vor allem die der kleineren Unternehmen vertrat, koalierte 1910 zusammen mit der American Federation of Labor (AFL), um die Einrichtung von Kursen zur beruflichen Ausbildung an den High Schools voranzutreiben, nachdem sie zuvor die Gewerkschaflen beschuldigt hatten, das traditionelle Lehrlingssystem zur Beschr/inkung des Arbeitsangebots und damit zum Herauftreiben der L6hne zu missbrauchen (Nasaw 1979:123). 1917 wurden mit dem Smith-Hughes Act finanzielle Mittel der Bundesebene bereitgestellt zum Zwecke der F6rderung der beruflichen Bildung an High Schools. Die gegen den Einfluss der politischen Parteien gerichteten Reformen der Progressive Era haben auch in der Schulpolitik zu einer generellen DePolitisiemng beigetragen. Nicht nur die Schulverwaltungen wurden zunehmend durch Experten besetzt, sondern auch die direkt zu wS.hlenden Mitglieder der Schulausschiisse waren in zunehmendem MaBe von der allgemein lokalen Politik isoliert, so dass dadurch die demokratische Legitimationsbasis des Systems geschw~icht wurde (Marshall / Tucker 1992: 24). Die Autorit~it der lokalen School Boards war denn auch am Anfang nicht unumstritten. 44 Streitigkeiten um Kompetenzen und Finanzen zwischen den Boards und den allgemeinen Stadtparlamenten waren an der Tagesordnung (Tyack 1974: 88). Auch die Schulr/ite (Superintendents), die von den Schulausschtissen eingesetzt wurden, mussten sich erst in Machtk/impfen gegen etablierte Schulrektoren und Schulmeister durchsetzen (ebd.: 92).
44 Die School Boards mussten ebenfalls mit anderen Ausschfissen, denen von den allgemeinen Stadtparlamenten Kompetenzen ftir 6ffentliche BaumaBnahmen oder Polizeifunktionen iibertragen worden waren, Kompetenzstreitigkeiten austragen. In Nashville zum Beispiel hatte bis zum Jahre 1891 der Ausschuss ffir 6ffentliche Bauten die alleinige Kontrolle fiber die Instandhaltung der Geb/iude (also auch der Schulen) und die Ernennung der Hausmeister. In Buffalo wurden die Hausmeister, ebenso wie die Lehrer, vom Biirgermeister ernannt, der Stadtrat kaufte die Grundstiicke ftir die Schulen, die daraufhin vonder Abteilung ftir 6ffentliche Bauten errichten wurden (Tyack 1974: 88).
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Zusammenfassend kann die Zeitperiode zwischen dem Ende des Biirgerkrieges und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als eine Periode der Bildungsexpansion vor allem im Sekund~irbereich verstanden werden. Die grundlegenden Charakteristika der Unterrichtsorganisation in den High Schools, die Stabilisierung der Schulausschiisse und deren depolitisierter Charakter als wichtige Institutionen der Schulpolitik, das beginnende bildungspolitische Engagement der gliedstaatlichen Regierungen und der Bundesebene sowie der Ausbau des Bildungsvorsprungs der USA im internationalen Vergleich sind weitere wichtige Stichpunkte.
2.1.3
Die Nationalisierung der Bildungspolitik." Die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg Die Entwicklung der Bildungsfinanzen und der Bildungspolitik im Allgemeinen ist in der Zeitperiode nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch zwei grol3e Trends bestimmt: Zum Ersten findet eine quasi-lineare Fortsetzung des Universalisierungs- und Expansionstrends statt, der schon durch die Universalisierung der Prim~irschulen in dem Zeitalter des Common School Movement und der Sekundarschulen unter dem Einfluss des Progressive Movement begonnen hatte. In zunehmendem Mal3e wird nun die Bildungspartizipation im terti~iren Bildungssektor Schichten und Bev61kerungsgruppen zug~inglich gemacht, die bislang vom Genuss der h6heren Bildung weitestgehend ausgeschlossen waren. Diese Entwicklung wird jedoch nicht wie in den beiden anderen Fallen von einer breiten Bewegung getragen, sondern hat andere Griinde, die ich in Kapitel 3, das der Analyse der Terti~irbildung gewidmet ist, n~iher erl~iutem m6chte. Die zweite groBe Entwicklung der Nachkriegsperiode ist die zunehmende Nationalisierung der Bildungspolitik und der Bildungsfinanzen, die sich konkret darin ~iuBert, dass die Bedeutung der lokalen Ebene in der Bildungsfinanzierung relativ betrachtet abnimmt, w~ihrend die Rollen der gliedstaatlichen Regierungen und der Bundesregierung zunehmen. Die Nationalisierung der Bildungspolitik hat jedoch auch dariiber hinaus stattgefunden (Cremin 1976: 107-108) und ist insofern mehr als lediglich eine ,,Federalisierung" (eine Zunahme der Bedeutung der Bundesebene) 45. Zum Beispiel etablierte sich ein nationaler Markt ftir Schulund Lehrbiicher, wenngleich die Entscheidung dariiber, welche Lehrbiicher eingesetzt werden, weiterhin lokalisiert bleibt. Vor allem ist aber auch eine nationale bildungspolitische Politik-Arena entstanden, auf der neben den nationalen politischen Institutionen (Kongressabgeordnete, Bundesgerichte, Pr~isident) auch
45 ES hat ein ,,far more national scope than the federal govemment sponsored" (Cremin 1976:108).
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zunehmend national organisierte Assoziationen und Bewegungen far die Verfolgung ihrer bildungspolitischen Ziele k/impfen (Cibulka 2001: 19). Die Grafik 2.1, in der die Finanzierungsanteile der Bundes-, der gliedstaatlichen und der lokalen Ebenen far das Primar- und Sekundarschulwesen relativ zueinander fiber den Verlauf des 20. Jahrhunderts dargestellt sind, belegt diese Entwicklung.
90,0 80,0 ~ ........&.............................................................................................................................. 70,0 60,0
Anteil der Bundesebene
~ . . , .
~ 5o,o
9-,ll--Anteil der Gliedstaaten
.
o 40,0 30,0 20,0 10,0
9 II
""
Anteil der Iokalen Quellen
0,0
Jahr
Grafik 2.1:
Relativer Finanzierungsanteil der Bundes-, der gliedstaatlichen und der lokalen Ebene in der Finanzierung des Primarund Sekundarschulwesens, Quelle: National Center for Education Statistics, Digest of Education Statistics 2005, Tabelle 156.
Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die lokale Ebene in der Finanzierung des Primar- und Sekundarschulwesens in der Zwischenkriegszeit noch eine sehr dominante Rolle eingenommen hat. Ober 80 Prozent der Ausgaben kamen aus lokalen Quellen, unter 20 Prozent aus gliedstaatlichen Quellen und die Rolle der Bundesregierung beschdinkte sich im Wesentlichen auf die bereits erw/ihnte Bereitstellung von Zuschfissen far berufsbildende Kurse in den High Schools auf der Grundlage des Smith-Hughes-Gesetzes aus dem Jahre 1917. Nicht erst nach, sondern eigentlich schon w/ihrend des Zweiten Weltkrieges ist ein starkes Ansteigen der Finanzierungsanteile der Gliedstaaten und der Bundesregierung zu verzeichnen, wobei sich der Anteil der Gliedstaaten schon relativ frfih (ca. 1947) auf einem Niveau um die 40 Prozent einpendelt, w~ihrend der Anteil der Bundesregierung in der Nachkriegsperiode auf Kosten eines abnehmenden Anteils der
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lokalen Ebene weiter ansteigt und Mitte der 1970er Jahre bei ungef'fihr 10 Prozent seinen Hfhepunkt findet. Mit Beginn der 1980er Jahre allerdings findet eine weitere Expansion des Finanzierungsanteils der Gliedstaaten bei einem gleichzeitigen leichten Zuriickgehen des Bundesanteils statt, so dass heute die Gliedstaaten mit ca. 50 Prozent Finanzierungsanteil die wichtigsten Geldgeber geworden sind, gefolgt von den lokalen Finanzierungsquellen (ca. 43 bis 44 Prozent) und der Bundesregierung, deren Anteil sich bei ca. 6 bis 7 Prozent eingependelt hat. Der RiJckgang der Bedeutung der Bundesregierung in der Finanzierung der Bildung darf allerdings nicht dariiber hinwegt/iuschen, dass der Einfluss von politischen Akteuren auf der Bundesebene durch den vermehrten Einsatz von regulativer Politik ansteUe reiner Ausgabenpolitik zur Beeinflussung der bildungspolitischen Entscheidungen auf den unteren Ebene seit den 1980er Jahren eher zugenommen, zumindest aber nicht wesentlich abgenommen hat. Insgesamt zeigt sich eine Tendenz, nach der die Dominanz der lokalen Regierungseinheiten in der Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts, und hier vor allem in der zweiten H/ilfte, in zunehmendem Mal]e durch gliedstaatliche Regierungen und die Bundesregierung herausgefordert worden ist, wenngleich im Verh~iltnis zu anderen Politikfeldem die Bildung weiterhin eine auf der lokalen Ebene verwurzelte Regierungsaufgabe bleibt (Derthick 2001: 17). Die folgenden beiden Unterkapitel versuchen eine Erklfirung fiir die Variation in den relativen Finanzierungsanteilen in der Bildungspolitik zu geben. Dabei geht es darum, sowohl die sozio-6konomischen und politischen Triebfaktoren hinter der Expansion der Finanzierungsrolle der Gliedstaaten und der Bundesebene zu identifizieren wie auch die institutionellen Mechanismen, die eine solche Expansion erst erm6glicht haben. Die bildungspolitische Entwicklung in den USA im Verlauf des 20. Jahrhunderts kann auch als Geschichte des fortw/ihrenden Kampfes um die Autonomie der Institution der lokalen Bildungsfinanzierung erz~ihlt werden. Wie an der Entwicklung der relativen Finanzierungsanteile abzulesen ist, haben wires hier mit einer deutlichen Schw/ichung der lokalen Institutionen zu tun. Im intemationalen Vergleich jedoch erscheint diese Institution, die sich in der weiterhin dominierenden Stellung der Schuldistrikte manifestiert, als auBerordentlich stabil und stark verfestigt (,highly entrenched'). Insbesondere ist in der nun folgenden Nacherz~ihlung dieses politischen Kampfes um die lokale Bildungsfinanzierung die Frage zu beachten, inwiefem die Stellung der lokalen Institutionen dadurch unterminiert wurde, dass dem Bildungssektor insgesamt immer mehr Funktionen aufgebiirdet wurden, die er in der Anfangszeit nicht zu ertiillen hatte. Zum Beispiel wird der Bildung in den USA nicht nur die Aufgabe der Erziehung und B ildung der Kinder angetragen, sondern auch die Verminderung von Ungleichheiten zwischen Arm und Reich und zwischen verschiedenen
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Rassen, die Integration von Kindern mit speziellen Bildungsn6ten (wie etwa die Bildung fiir behinderte Kinder) oder gar die Sicherung der nationalen Wettbewerbsf~ihigkeit und die Verteidigung der Nation. Lokale Institutionen k6nnten durch solche Funktionsanforderungen tiberfordert worden sein, so dass sich vermehrt Gliedstaaten und die Bundesebene in die Bildung einmischten, um diesen ,demands' nach~kommen. Da es im Zuge des 20. Jahrhunderts augerdem zu einer generellen Expansion der Bildungsausgaben gekommen ist, k6nnte sich der relative Anteil der lokalen Ebene verringert haben, ohne dass sich ihr absoluter Beitrag im gleichen Mage verringert h/itte. An den Bildungssektor sind einfach vermehrt neue Forderungen gestellt worden, die st/irker durch gliedstaatliche und Bundes-Politiken abgearbeitet worden sind, was die relative Bedeutung dieser h6heren Regierungsebenen langfristig vergr6gert hat. Im Folgenden soll weiterhin argumentiert werden, dass, was die institutionellen Mechanismen angeht, die diese Expansion und die graduelle Unterminierung der lokalen Ebene erst erm6glicht haben, uns das Modell eines ,,institutional layering" (Schickler 2001, Thelen 2003, Pierson 2004, Hacker 2004) sehr gut weiterhelfen kann. In diesem Modell, das in gewissem Sinne als Sub-Modell der Pfadabh/ingigkeitstheorie verstanden werden kann, wird der Prozess der Entwicklung neuer Politiken und damit neuer Institutionen als ,,a tense layering of new arrangements on top of preexisting structures" (Schickler 2001: 15) beschrieben. Der Grund, warum neue Institutionen den alten quasi ,aufgepfropfl' werden und das iiberkommene institutionelle Regime nicht gleich g/inzlich abgeschafft wird, liegt darin, dass die politischen Kosten eines von augen (also extern) induzierten institutionellen Wandels zu hoch sind (Pierson 2004:156). Dies gilt insbesondere im Fall der Bildungspolitik. Die Institution der lokalen Bildungsfinanzierung, und hier insbesondere die Rolle der Schuldistrikte und der School Boards, hat eine lange Geschichte und ist daher gem/ig der Lehre der Pfadabh/ingigkeit hochgradig institutionalisiert. Die von Pierson als ,Konversionskosten' (ebd.: 156) bezeichneten Kosten, die bei einem von innen (also intern) induzierten Wandlungsprozess anfallen, sind im Falle der Bildungspolitik ebenfalls hoch. Lokale Schuldistrikte k6nnten mit der Abarbeitung der an sie von einer sich von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelnden sozio-6konomischen Umwelt herangetragenen Forderungen (,demands') tiberlastet werden. Darauf folgt, dass ein vollkommenes Scheitern der lokalen Institutionen die Gefahr mit sich br/ichte, dass diese ihre Legitimit/it fiir autonomes Policy-Making g/inzlich einbiil3ten. Ein gewisses MaB an Einmischung von h6heren Regierungsebenen ist also zu tolerieren, solange die klassischen Aufgaben der School Boards (Steuern erheben, Wahl des Superintendent, Schulauf-
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sicht) weitestgehend intakt bleiben. 46 Arnold Heidenheimer hat ,,the unwillingness and/or inability of higher-level and intermediary governmental authorities to monitor adequately the performance of social services wholly or jointly financed from federal and state revenues" (Heidenheimer 1973: 330) scharf kritisiert und betont. Im Unterschied zu Deutschland, wo ca. 80 bis 90 Prozent des lokalen Regierungshandelns durch den Staat mandatiert sind, miissten in den USA die lokalen Regierungseinheiten starker von der Bundesebene motiviert und angehalten werden, bestimmte Programme zu initiieren. Das lokale Regierungshandeln in den Vereinigten Staaten h/inge also in viel st~irkerem Mal3e von der lokalen Initiative ab (ebd.: 330). Weil die Rolle der Bundesebene im verflochtenen System der Bildungspolitik insgesamt prek/irer und einem h6heren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt ist als im Falle der Gliedstaaten, ist das Modell des ,,institutional layering" vor allem zur Beschreibung der Einmischung der Bundesebene in der Bildungspolitik besonders gut geeignet. Eine graduelle Ausweitung der Bedeutung der Bundesebene wurde durch die Einrichtung von Programmen mit begrenztem Regelungsund Finanzierungsauftrag zur Bearbeitung bestimmter gesellschaftlicher Problemlagen, die aul3erdem einen gewissen Bezug zu nationalen politischen Fragen haben, fiir deren Bearbeitung die Legitimit~it der Bundesregierung anerkannt wird, erreicht (Elmore 1990). Die Institution der lokalen Bildungsfinanzierung wurde dabei im Wesentlichen vorerst nicht angetastet, sondern lediglich mit finanzieller Unterstiitzung der Bundesregierung um einige Funktionsbereiche erweitert. Langfristig jedoch hat dies eine finanzielle Abh~ingigkeit der lokalen administrativen Einheiten von den Bundesgeldern begr/indet, was wiederum der Bundesregierung den verst~irkten Einsatz von regulativer Politik in Form von administrativen und politischen Auflagen, die fiir den Empfang des finanziellen Segens zur Voraussetzung gemacht wurden (Konditionalit~it), erm6glichte. Im Falle der Erweiterung der Rolle der gliedstaatlichen Regierungen stellt sich die Lage etwas komplizierter dar. Wie wir im n~ichsten grol3en Unterkapitel 46 Ein Beispiel ftir die kulturell und politisch weiterhin bedeutsame Idee der lokalen Bildungsfinanzierung findet sich in einem Richtspruch des U.S. Supreme Courts (Miliken v. Bradley, 1974), in dem es um die Verschmelzung verschiedener Schuldistrikte in Detroit ging zum Zwecke des Ausgleichs von Rassenungleichheiten. Das Gericht hielt eine solche Fusion ftir nicht verfassungsgem~iB, weil die Institution der lokalen Autonomie ,,has long been thought essential both to the maintenance of the community concern and support for public schools and to quality of the educational process" (zitiert nach Ravitch 1983: 178) Ein anderes Beispiel ist die San Antonio v. Rodriguez-Entscheidung aus dem Jahre 1973, in der der U.S. Supreme Court die bestehenden Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung zwischen Schuldistrikten aufgrund von unterschiedlichen Grundsteuerbemessungsgrundlagen fiir nicht verfassungswidrig befand und anstelle dessen auf die Rechte der lokalen und gliedstaatlichen Regierungseinheiten verwies (Derthick 2001: 24).
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sehen werden, sind auch heute noch die Unterschiede im F inanzierungsanteil der Gliedstaaten in der Bildungspolitik erheblich. So ist in den Staaten des Sfidens die Rolle der lokalen Bildungsinstitutionen, die schon immer im Vergleich zu den Staaten des Nordostens relativ prek/ir war, weiter zurfickgedr~ingt worden, w~ihrend in den Neuengland-Staaten, die fiber eine lange Tradition der lokalen Selbst-Regierung (,self-government') verffigen, die Rolle der lokalen Ebene in der Finanzierung immer noch relativ groB ist. Die Ausweitung der F6rderprogramme der Bundesebene hatte ftir die meisten gliedstaatlichen Regierungen jedoch den positiven Nebeneffekt, dass die Verwalmngsanforderungen der Bundes-Programme den Aufbau von Planungs- und Evaluiemngskapazit~ten auf gliedstaatlicher Ebene ebenfalls mit Hilfe von Bundeszuschiissen und vor allem zwischen 1965 und 1970 vorangetrieben haben (Derthick 2001: 27-28). Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, hat neben den wechselseitigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Regierungsebenen auch die Rolle der Gerichte, hierbei sowohl des U.S. Supreme Court (Verfassungsgericht) als auch der gliedstaatlichen Supreme Courts, eine wichtige Katalysatorfunktion. Am Spektakul~irsten ist sicherlich die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court in den 1950er Jahren, die die De-Segregation der Schulen vorschrieb und damit den Weg freimachte ffir ein Engagement der Bundesebene. Aul3erdem hat eine schiere Welle von Rechtsurteilen von gliedstaatlichen Verfassungsgerichten, beginnend mit der Serrano-Entscheidung in Kalifornien, in den 1980er und 1990er Jahren eine weitgehende Umstrukturierung der gliedstaatlichen Bildungssysteme erforderlich gemacht. Insofern sind Gerichte als politische Akteure bei der Betrachtung der Geschichte der amerikanischen Bildungspolitik keinesfalls zu vemachl~issigen. Die zunehmende Einmischung der Bundesebene ist sicherlich die Entwicklung, die bei der Betrachtung der direkten Nachkriegsperiode als Erstes auff'~illt, weshalb sie im Folgenden n~iher beleuchtet werden soll. Die zunehmende Einmischung der gliedstaatlichen Regierungen in einigen Staaten in dieser Zeit ist ein erstes Anzeichen eines Prozesses, in dem die Defizite der Institution der lokalen Bildungsfinanzierung, vor allem die resultierende zunehmende Ungleichheit in der Ressourcenverteilung, verst/irkt durch gliedstaatliches Handeln angegangen wurden. Aber erst in den 1980er und 1990er Jahren wurden die gliedstaatlichen Regierungen tats~ichlich zu den Fahnentr/igem der Bildungsreform, wie ich im n/ichsten Unterkapital n~iher darlegen m6chte.
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Vor den 1950er Jahren war die Bundesregierung, wie bereits angedeutet, nur sehr beschr~inkt in die Bildungspolitik involviert. 47 Neben dem Smith-Hughes Act, der Gelder zur Finanzierung von berufsbildenden Kursen an 6ffentlichen Sekundarschulen zur Verfiigung stellte, wurden durch den Lanham Act aus dem Jahre 1940 auch Gelder fiir ,durch die Aktivit/iten der Bundesregierung beeintr/ichtigte Regionen' (,,federally impacted areas") zur Verfiigung gestellt. Diese Regionen waren dadurch gekennzeichnet, dass dort viele Angestellte der Bundesregierung arbeiteten (z.B. in der Riistungsindustrie) oder dass dort die Bundesregierung fiber Landbesitz in gr6Berem AusmaB verfiigte, der v o n d e r Erhebung der lokalen Grundsteuer, die ja eine der Haupteinnahmequellen zur Finanzierung der Bildung war, ausgenommen war (Elmore 1990: 15; Peters 2004: 337). Die National Education Association (NEA) hatte sich bereits seit 1/ingerem fiir ein verst~irktes Engagement der Bundesebene stark gemacht, um den verst/irkt auftretenden Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung auf der lokalen Ebene zu begegnen, die einhergingen mit einer auch in der allgemeinen Bev61kerung verbreiteten Krisenstimmung beziiglich des Zustandes der Primar- und Sekundarausbildung nach dem Zweiten Weltkrieg (Ravitch 1983: 26). Ein Gesetzentwurf des republikanischen Senators aus Ohio, Robert Taft, scheiterte letztlich im Repr~isentantenhaus, auch weil Fragen beziiglich der Verteilung der Bundesgelder an private, religi6se (d.h. katholische) Schulen 48 und des Umgangs mit dem Rassenproblem (Zuteilung von Bundesgeldem an segregierte Schulen) nicht gekl~irt werden konnten. Die Lehrergeh/ilter waren auch in der Nachkriegsperiode verh~iltnism~iBig gering: Das Durchschnittsgehalts eines Lehrers war mit 37 Dollar pro Woche niedriger als das eines Lastwagenfahrers, Miillmannes oder Kneipiers (Ravitch 1983: 7), so dass viele junge Leute eine Besch~iftigung im wachsenden Dienstleistungssektor oder beim Milit~ir dem Lehrerberuf vorzogen, was zu einem Lehrermangel beitrug. Die Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung von Schuldistrikten waren sehr groB: Ravitch dokumentiert, dass in den 47 Abgesehen von den hier erw~ihnten Gesetzen hatte die Roosevelt Administration bereits w~ihrend des Zweiten Weltkrieges zwei Bundesbeh6rden errichtet (das Civilian Conservation Corps (CCC) und die National Youth Administration (NYA)), die durch die Bereitstellung von Arbeitspl/itzen, Einkommenszuschiissen und beruflicher Bildung das Problem der Jugendarbeitslosigkeit bek~impfen helfen sollten. Das CCC besch/iftigte zu Hochzeiten 2,5 Millionen junge Leute in 6ffentlichen Besch/iftigungsprojekten, und die NYA stellte Bildungsm6glichkeiten an Schulen und Universit~iten fiir ca. 2 Millionen Jugendliche sicher. Auf Druck der NEA, die die Position der 6ffentlichen High Schools gefiihrdet sahen, wurden die Beh6rden 1942/43 wieder geschlossen (Ravitch 2000: 323-324). 48 Die Katholiken befiirchteten durch die St/irkung der Rolle der Bundesebene eine weitergehende Zentralisierung und Homogenisierung sowie eine St~irkung der 6ffentlichen Schulen und des dort herrschenden Mainstream-Protestantismus (Ravitch 1983: 26-27).
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am besten ausgestatteten Distrikten ungef'~ihr 60mal (6.000 Dollar) so viel pro Klassenzimmer ausgegeben wurden wie in den ~irmsten (100 Dollar) (ebd.: 7). Zu Anfang der 1950er Jahre verbreitete sich aul3erdem ein allgemeiner Unmut fiber die Transformationen des Curriculums und der allgemeinen Ausrichtung des Bildungssystems, wie sie von dem Progressive Movement im Bildungssektor vorangetrieben worden waren. Die Ausrichtung der Bildung und Erziehung auf die pers6nliche Entwicklung des Kindes ffihre, so die verbreitete Kritik, zu einer Vernachl~issigung der schwierigeren, aber dennoch wichtigen naturwissenschaftlichen F~icher zu Gunsten einer wenig anspruchsvollen Grundbildung mit den falschen Schwerpunktsetzungen (Church 1976: 405; Ravitch 1983: 70). 49 Der sich in Gestalt des Kalten Krieges versch~irfende Ost-West-Konflikt hat zu der 6ffentlichen Wahrnehmung beigetragen, dass es den 6ffentlichen Schulen nicht mehr gelinge, die zukiinftigen Generationen mit den notwendigen Kenntnissen und Fertigkeiten auszustatten, die sic ben6tigten, um im Wettbewerb mit der Sowjetunion zu bestehen (ebd.: 418). Der vermeintliche Vorsprung der Sowjetunion in Technik und Ausbildung wurde den Amerikanern schmerzlich bewusst, als es der UdSSR als erster Nation gelang, einen Satelliten ins All zu schiel3en. Der ,,Sputnik-Schock" hatte seine Auswirkungen bis in die B ildungspolitik hinein. Unter Pr~isident Eisenhower, der zuvor bereits ohne Erfolg ein Bundesgesetz zur F6rderung der naturwissenschaftlichen Ausbildung durch den Kongress zu bringen versucht hatte, wurde im Jahre 1958 der National Defense Education Act verabschiedet (Kerr-Tener 1987). Die Notlage der Nation und das drohende Versagen des Bildungssystems angesichts der sowjetischen Herausforderung lieferten die notwendige Legitimitfit zur Etablierung einer bildungspolitischen Rolle der Bundesebene. 5~ Durch das Gesetz wurden Stipendien, Kredite, und Zuschfisse zur Verffigung gestellt, die das Unterrichten und Erlernen von Naturwissenschaften, Mathematik und Fremdsprachen f'6rdern sollte. Auf3erdem wurden Mittel zur Konstruktion von Schulgeb~iuden und zum Kauf von Ausrfistungsgegenstfinden zur Verffigung gestellt (Ravitch 1983: 229). Dem Gesetz folgte aul3erdem eine grol3 angelegte Revision der Lehrpl~ine in den naturwissenschaftlichen Ffichem, die zum Einen die auf die Vermittlung von ,weichen', 49 Der weit verbreitete Konsens der Bildungsweisheiten des Progressive Education Movement trat Anfang der 1950er Jahre einen rasanten Rfickzug an, was dadurch unterstrichen wird, dass die Progressive Education Association im Jahre 1955 ihre Aktivitfiten komplett einstellte und aufh6rte zu existieren (Ravitch 1983: 78). 5o Bei der Bildungspolitik best~itigt sich somit ein Muster, welches auch zur Erklfirung der Dynamik der Sozialpolitik herangezogen worden ist (Amenta / Skocpol 1989). Demnach spielt der Aspekt der Verteidigung der nationalen Sicherheit bei der Etablierung von Bundeskompetenzen eine wichtige Rolle. Die Militfirpolitik dient gewissermal3en als Hebel des Bundes, in traditionell den unteren Regierungsebenen vorbehaltene Politikfelder einzudringen.
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sozialen F~ihigkeiten ausgelegten Curricula der Erzieher des Progressive Movements zuriickdr/ingte und st/irker das Erlemen der ,harten' Naturwissenschaften in den Mittelpunkt stellte (Berube 1994: 39) und zum Anderen in deutlicherer Weise als die zuvor meistens auf lokaler Ebene ablaufenden Revisionen eine nationale war (Church 1976: 413). Durch die weitreichende Entscheidung des U.S. Verfassungsgerichtes im Falle Brown v. Board o f Education aus dem Jahre 1954, 51 das die in den Siidstaaten verbreitete Praxis der Segregation von Schulen fiir verfassungswidrig erkl/irte, wurde zur Mitte der 1950er Jahre aul3erdem das Thema der Rassendiskriminierung und deren Manifestation im Bildungsbereich auf die politische Tagesordnung gesetzt. Die Frage der Ungleichheit in der Verteilung der B ildungsressourcen stellte sich daher weniger in Form der Ungleichheit zwischen Schuldistrikten (,horizontale Dimension der Ungleichheit'), sondern verst/irkt als Ungleichheit zwischen Rassen und Bev61kerungsschichten (,vertikale Dimension'). Zum Beispiel war die Zahl der Afro-Amerikaner und Weigen in South Carolina im Jahre 1945 ungef~ihr gleich, dennoch gab der Staat ungef~ihr dreimal so viel aus fiir weil]e Schiller wie ftir schwarze, und sogar hundertmal so viel fiir den Ausgabenbereich Schultransport. In Mississippi wurden 4.5real so viel fiir Weige wie far Afro-Amerikaner ausgegeben, im Jahre 1929 hatte dieses Verh/iltnis sogar 9 zu 1 betragen (alle Zahlen aus Ravitch 1983: 121). Zum Zeitpunkt der Brown-Entscheidung waren ungeflihr 40 Prozent aller US-amerikanischen Schiller in segregierten Schulsystem eingeschrieben (ebd.: 127). Die Brown-Entscheidung machte den Weg frei fiir ein Engagement der Bundesebene mit dem Ziel der Abschaffung der Segregation. 52 Pr/isident Kennedy 51 Chief Justice Earl Warren proklamierte in dem Urteil von 1954, dass Bildung inzwischen so wichtig geworden sei, dass ,,it is doubtful that any child may reasonably be expected to succeed in life if he is denied the opportunity of education. Such an opportunity, where the state has undertaken to provide it, is a right which must be made available to all on equal terms." (zitiert nach Ravitch 1983: 127) Die Entscheidung des USVerfassungsgerichtes aus dem Jahre 1896, in der die Formel ,,seperate, but equal" geprfigt wurde, revidierend, urteilte der Gerichtshof: ,,Separate educational facilities are inherently unequal." (ebd.: 127) 52 Wie hart und mit welchen Mitteln diese Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und den widerspenstigen Sildstaatlern gek/impft wurde, zeigt der Vorfall in Little Rock, Arkansas. Hier hatte das School Board die Zulassung von neun schwarzen Schillern zur allgemeinen High School beschlossen, um die De-Segregation in Gang zu setzen. Der Gouverneur von Arkansas sendete jedoch Truppen, um die Zulassung der schwarzen Schiller zu verhindern. Bei der Offnung der Schule am 23. September versammelte sich ein Mob von ungef'~ihr tausend Leuten, die die Auslieferung der Schwarzen verlangte. Pr/isident Eisenhower wollte die Missachtung seiner Autorit/it durch den Gouverneur von Arkansas nicht 1/inger tolerieren, stellte die Truppen unter sein Kommando und schickte weitere Truppen, um den Mob unter Kontrolle zu bekommen. Die Truppen blieben bis
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jedoch scheiterte mit seinem VorstoB zur Einfiihrung eines Bundes-Programms zu Linderung der Ungleichheiten auf der lokalen Ebene wieder an den ungel6sten Fragen zum Umgang mit Religion und Rasse. Erst Pr/isident Johnson gelang es im Rahmen seiner ,,war on poverty" (,Krieg gegen Armut')-Initiative ein solches Programm zu institutionalisieren. 53 In der Frage der Verteilung von Bundes-Mitteln an private, religi6se Schulen war ein Kompromiss gefunden worden, indem den Sch/ilern dieser Schulen der Zugang zu Bundesprogrammen zur finanziellen Untersttitzung des Kaufes von Schulbfichern und sp~iter auch des Transportes zur Schule gew~ihrt wurde (Coleman / Hoffer 1987: 40-41). Nachdem die Rassenfrage durch den Civil-Rights Act aus dem Jahre 1964, der eine ungleiche Verteilung von Bundesgeldern an Schwarze und Weil3e verbot, im Wesentlichen gel6st war, konnte 1965 der Elementary and Secondary Education Act (ESEA), als Mal3nahme gegen Armut verpackt, zfigig den Kongress passieren. 54 Das Gesetz schrieb die Verteilung von Bundesgeldern in Relation zur Zahl der armen Kinder in einem gegebenen Schuldistrikt vor. Diese Regelung vermied die L6sung der schwierigen Frage, ob die Bundesgelder nicht besser auf Grundlage einer Pro-Kopf-Berechnung verteilt werden oder ob die Gelder lieber fiir die Anhebung der Lehrergeh~ilter oder zur Verbesserung der SchulgeNiude eingesetzt werden sollten (Ravitch 1983: 149). AuBerdem war durch das Gesetz sichergestellt, dass fast jeder Schulbezirk zumindest einige ESEA-Gelder bekommen sollte (Peters 2004: 338). 55 Die meisten ESEA-Gelder (ca. fiinf Sechs-
zum Mai des nfichsten Jahres, um die Sicherheit der Schule zu garantieren und die Teilnahme der Schwarzen am Unterricht zu erm6glichen (Ravitch 1983:136-137). 53 Was die Generierung von Legitimitfit for gesetzgeberisches Handeln auf der Bundesebene anging, so diirfte Johnsons ,,war on poverty" ein geringeres Potential als der Eisenhowersche National Defense Act gehabt haben. Im Gegensatz zur Verteidigung der Nation gegen den kommunistischen Aggressor handelte es sich ja beim ,,war on poverty" im Wesentlichen um eine nicht unumstrittene und klar parteilich motivierte Initiative. Die groBe Mehrheit, die Johnson in seiner Wahl hinter sich und seinem Programm vereinen konnte, hat jedoch ein ausreichendes MaB an Legitimit/it generiert, welches Johnson im Unterschied zu Kennedy den Erfolg im Kongress sicherte. 54 Mit der Einfohrung von ESEA einher ging auch die Verabschiedung des Head StartProgrammes, welches zum Ziel hatte, durch Sommerkurse for arme Kinder vor dem Beginn der Grundschule durch den Familienhintergrund bedingte Nachteile auszugleichen und diesen Kinder gewissermal3en einen Vorsprung (,head start') zu gew/ihren (Church 1976: 454; Berube 1994: 64). 55 Einschr/inkend muss hier hinzugefogt werden, dass die gener6se Verteilungspolitik des ESEA nicht ausschliel31ich auf den Weitblick der Johnson-Administration zur/ickzufohren, sondern auch Ergebnis von ,pork barrel politics' auf der gliedstaatlichen Ebene ist, durch die sichergestellt wurde, dass die Pfrfinde des neuen Bundes-Programms durch den Einfluss von lokalen und regionalen Politikern auch wirklich jedem Wahlkreis zukamen (Peters 2004: 339-340).
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tel) kamen aus dem so genannten ,Title I'-Programm, welches sich die F6rderung der ,,special educational needs of educationally deprived children" zum Ziel gesetzt hatte (Ravitch 1983:160). Die einzige Auflage, die im Gegenzug zum Empfang der Zuschiisse gemacht wurde, war, einen j/ihrlichen Bericht abzuliefern, in dem eine objektive Evaluation der Effektivit/it des Programms vorgenommen werden sollte (ebd.: 160). Das institutionelle Arrangement des ESEA-Programms spiegelt in eindrucksvoller Weise den anf'~inglichen Respekt vor der Institution der lokalen Bildungsfinanzierung wider. Anstelle einer Zentralisierung der Finanzen auf der Bundesebene oder der Einfiihrung eines Finanzausgleiches, welcher explizite Umverteilung zwischen Schuldistrikten bedeutet h~itte, wurde ein Weg des geringen Widerstandes beschritten. Die Bundesgelder wurden nicht als Substitut lokaler Mittel angeboten, sondem lediglich als Erg/inzung. Das Schreiben eines j~ihrlichen Berichtes war die einzige Auflage, zudem wurden die Berechtigungskriterien so grol3ziigig eingestellt, dass fast jeder Distrikt (95 Prozent, Peters 2004: 338) in den Genuss der Mittel kam 56 und so eine zu starke Opposition aus den reichen Distrikten vermieden werden konnte. Langfristig hat dies den Einstieg der Bundesebene in die lokale Bildungspolitik erm6glicht. Die zunehmende Belastung der lokalen Distrikte mit wachsenden Finanzierungslasten, die aus der Bildungsexpansion resultierten, haben diese nicht lange z6gem lassen, als sich in Gestalt der ESEA-Mittel eine finanzielle Entlastung anbot. Die Angewiesenheit der lokalen Ebene auf die Zuschiisse der Bundesebene, auch wenn sie als relativer Anteil im Durchschnitt nie mehr als 10 Prozent ausmachten, haben eine gewisse Abh~ingigkeit begriindet und dadurch den Hebel des Mittelentzugs oder der konditionierten Mittelzuweisung zu machtvollen Steuerungsinstrumenten der Bundesebene werden lassen. Dieser Wirkmechanismus ist besonders effektiv zur 13berwindung der Segregation im Siiden eingesetzt worden (Derthick 2001: 22). Nachdem das USVerfassungsgericht in der Brown H-Entscheidung aus dem Jahr 1955 die Imple56 Die Zuweisungsformel ftir ESEA-ZuschiJsse ist dabei wie folgt: Zuschiisse zu den einzelnen Bundesstaaten decken ungef'~ihr die H/ilfte der j/ihrlichen Pro-SchiilerAusgaben, multipliziert mit der Zahl der Kinder aus niederen Einkommensschichten (weil diese im Rahmen der Armutsbek/impfung die eigentlichen Adressaten des Programms waren). In der Realit/it sind durch diese Formel natiirlich zunfichst die reicheren Staaten begiinstigt worden, denn sie haben h6here Pro-Kopf-Ausgaben. In den 1970er Jahren ist dann die Formel ge~ndert worden: Die erlaubte Bandbreite der zur Berechnung der Zuschiisse zu Grunde gelegten Pro-Kopf-Ausgaben wurde auf 80 bis 120 Prozent des nationalen Durchschnitts begrenzt (die reichsten konnten daher h6chstens 120 Prozent des nationalen Durchschnitts geltend machen, die ~irmsten aber auch nur 80 Prozent), und der Anteil der Zuschiisse an den Gesamtausgaben wurde von 50 auf 40 Prozent gesenkt (Peters 2004:339).
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mentierung der De-Segregation den lokalen Schulbeh6rden fiberlassen hatte, sind in den Legislativen der Sfidstaaten Gesetze verabschiedet wurden, 5v die die Umsetzung der De-Segregation verlangsamten (Church 1976: 444). Auch 10 Jahre nach der Brown-Entscheidung gingen weniger als 2 Prozent der afroamerikanischen Kinder in Schulen mit Weif3en (Ravitch 1983: 128, 133, 162163). Titel VI des Civil Rights Acts verbietet die Diskriminierung aus Rassengrfinden in allen Bundesprogrammen, und dieser Titel erm6glicht das Zuriickhalten von Geldern, falls es doch zu Diskriminierung kommt. Vor dem ESEA war dies eine zahnlose Bedrohung, denn die Bundesregierung war ja in der lokalen Bildungsfinanzierung nur marginal involviert. Aber mit der zunehmenden finanziellen Abh~ingigkeit der lokalen Distrikte von Bundesmitteln wurde dieser Mechanismus effektiver. Wie aus Grafik 2.1 ersichtlich, kamen Mitte der 1970er Jahre ca. 10 Prozent der Ausgaben ~ r das Primar- und Sekundarschulwesen aus Bundes-Quellen. Da die Mittel aus ESEA aber auf der Ebene der Distrikte verteilt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass in den armen, lfindlichen Distrikten des Sfidens, in denen die Rassendiskriminierung aufgrund der Vorgeschichte von Sklaverei und Ausbeutung durch Grof3grundbesitzer besonders stark war, der relative Finanzierungsanteil der Bundesmittel wesentlich gr6f3er war. Eine Koalition zwischen dem Bundesministerium ftir Gesundheit, B ildung und Wohlfahrt (HEW), Bundesgerichten und Politikern f'6rderte rigoros die DeSegregation der Schulen im Sfiden. Das Bundesministerium verlangte das Erreichen von quantitativen Richtlinien der De-Segregation, was dazu beitrug, das die Zahl der afro-amerikanischen Schiller, die mit Weif3en in die Schule gingen, von 2 Prozent im Jahre 1964 fiber 32 Prozent (1968) auf 91 Prozent im Jahre 1972 anstieg (Ravitch 1983:164, 167). Nachdem die klassische, ,harte' Variante der Segregation in den Sfidstaaten graduell einer L6sung zugeffihrt werden konnte, verlagerte sich das Augenmerk zunehmend auf die Situation der Schwarzen in den B ildungseinrichtungen der Nordstaaten. Hier ist es zum Beispiel in Denver wie in anderen Grol3st~idten durch das diskret diskriminierende Ziehen der Grenzen der Schuldistrikte oder durch Zuweisungen von Lehrkrfiften und Kindern zu bestimmten Nachbarschaftsschulen zu einer de facto-Segregation gekommen (Ravitch 1983:176). In Detroit wurde durch einen Gerichtsfall auf die bestehende de facto-Segregation in Grof3st~idten aufmerksam gemacht (Berube 1994:61), 57 So wurden zum Beispiel Schulen, die Schwarze und Weil3e zuliel3en, Gelder aus gliedstaatlichen Quellen verweigert, Androhungen der Schliel3ung an integrierte Schule ausgesprochen, die Kontrolle von lokalen auf staatliche Autoritfiten delegiert, Schulgeldzuschfisse ftir jene eingerichtet, die nicht-integrierte Schulen besuchen wollten, Strafgesetze ftir diejenigen erlassen, die an integrierten Schulen unterrichten wollten oder eine solche besuchen wollten oder komplizierte Transfermechanismen eingerichtet, um den Wechsel von Schiilern in andere Schulen zu erschweren (Ravitch 1983: 133).
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die auch dadurch entsteht, dass wohlhabendere weil3e Familien in die teueren Vororte (,suburbs') ziehen und ihre Kinder auf die dortigen Schulen senden k6nnen (Church 1976: 446-447). Die/irmeren Afro-Amerikaner m/issen sich mit den schlechteren Schulen in den Innenstadtbereichen zufrieden geben (Ravitch 1983:178). Die Ungleichheit wird dadurch verst/irkt, dass die Finanzausstattung der Schulen aufgrund der verbreiteten Verwendung der Grundsteuer zur Finanzierung der B ildung in starkem MaBe von dem in der Nachbarschaft der Schule verftigbaren Wohlstand und Eigentum abh/ingt. 58 Durch die Bezuschussung von Programmen zur Erziehung und Ausbildung von behinderten Kindem (1975 Education for all Handicapped Children Act, EAHCA) und zur Ffrderung von bilingualem Unterricht (1968 Bilingual Education Act) erschloss sich die Bundesregierung in den sp/iten 1960er und 1970er Jahren weitere Einfallswege in die Dom/ine der Bildungspolitik. Auch hier 1/isst sich ein ,Aufpfropfen' neuer Institutionen und Programme aufbereits bestehende Strukturen beobachten, ohne dass die alten Arrangements beseitigt worden w/iren. Dennoch handelt es sich bei den besagten Programmen keineswegs um marginale Erscheinungen. Die Zahl der Kinder in ,,special education", die durch den EAHCA gef'6rdert wird, stieg stark an von 2,3 Millionen im Jahre 1968 auf 4,3 Millionen 1985. Die Bundesregierung gibt dafiir pro Jahr ungef'~ihr 2 Milliarden Dollar aus, welches die F6rderung der ,,special education" zum zweitgrfl3ten vom Bundesministerium fiir B ildung verwalteten Programm macht (alle Zahlen aus Melnick 1995: 23). Das Programm erzeugt aber auch indirekte Kosten, die weit fiber dem direkten Beitrag der Bundesebene liegen: Der EAHCA garantiert allen behinderten Kindem ,,free appropriate public education" und baut damit auf der Idee von Bildung als verbiirgtes Grundrecht auf, welche bereits in der Brown-Entscheidung gepr/igt worden war (ebd.: 28). Diese Vorschrift beinhaltet auch die Auflage, dass einmal j/ihrlich alle Lehrer und Verwaltungsleute zusammenkommen miissen, um fiJr jedes Kind ein individualisiertes Bildungsprogramm zu entwickeln. Es beinhaltet auch die Auflage fiir Schulen sicherzustellen, dass behinderte Kinder mit nicht-behinderten Kindem, so oft es geht, ge58 Die Urteile einiger Bundesgerichte in den 1970er Jahren haben auch n6rdliche St/idte gezwungen, etwas gegen die de facto-Segregation zu unternehmen. Einige Distrikte betrieben zum Beispiel eine Politik, bei der durch das bewusste Transportieren von Kindern mit Schulbussen (,bussing') in andere Nachbarschaften das Problem der Segregation gelindert werden sollte. Oft hat diese Politik jedoch nur das Problem verschlimmert und eine weitere Welle des Exklusion der Weil]en in andere Vororte oder in Privatschulen ausgel6st. Das ,bussing' von schwarzen Kindern in weil3e Schulen ist dabei noch einigermaBen toleriert worden, gegen den Transport von weil]en Kindern in vomehmlich schwarze Schulen ist jedoch vielerorts eine scharfe 6ffentliche Opposition entstanden, die die Distrikte zur Verfolgung anderer L6sungswege gezwungen hat (Church 1976: 447448, 461).
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meinsam unterrichtet werden und behinderte Kinder mit den notwendigen Unterstfitzungsleistungen wie K6rpertherapie oder psychologische Beratung versorgt werden (ebd.: 23-24). Die Erziehung behinderter Kinder war wiederum ein Thema, welches aufgrund seiner hohen moralischen Bedeutung die Unterst/itzung im Kongress sichern und der Einmischung der Bundesebene die notwendige Legitimit~it geben konnte. Obwohl in Reaktion auf die Aktivit~iten einer breiten Koalition zur F6rderung der Erziehung Behinderter 1966 bereits ein Bureau o f Education for the Handicapped (BEH) eingerichtet wurde, machten erst diverse Gerichtsurteile Anfang der 1970er Jahre den Weg frei ffir bundesgesetzliches Handeln, denn in der US-Verfassung findet sich kein explizites Mandat (Ravitch 1983: 307). Das EAHCA unterscheidet sich jedoch von den zuvor betrachteten Bundesprogrammen dadurch, dass es neben den in bekannt additiver Weise zur Verffigung gestellten Bundesmitteln auch eine Reihe von Vorschriften enth~ilt, die ein Handeln der unteren Ebene erfordern, fiir welches diesen Ebenen aber keine finanziellen Mittel v o n d e r Bundesebene zur Verffigung gestellt werden (,,unfunded mandates"). Die Kl~irung der Frage, welche Form von Unterst/itzungsleistungen gew~ihrt werden sollen, wurde den Gerichten/iberlassen. 59 AuBerdem wurden erhebliche Kosten dadurch verursacht, dass auf der lokalen Ebene die entsprechenden Planung- und Evaluierungskapazit~iten installiert sowie die notwendigen Renovierungen an den Gebfiuden vorgenommen werden mussten. Das Aquivalent zum Titel VI des Civil Right Act war die Section 504 des Rehabilitation Act aus dem Jahre 1973, welche die Diskriminierung gegen behinderte Personen in jedem Bundeszuschussprogramm verbot. Dadurch und durch die damit einhergehende M6glichkeit der Zur/ickhaltung von Geldern konnte sich die Bundesebene der Kooperation der unteren Ebenen sicher sein. Der Bilingual Education Act 6~ aus dem Jahre 1968 unterstfitze in ~ihnlicher Weise die Ausweitung der Rolle der Bundesebene in der Bildungspolitik, was hier jedoch aus Platzgr/inden nicht n~iher erl~iutert werden kann. 59 Dies unterstfitzt die Tendenz, dass Bundesgerichte in zunehmenden Mal3e in Bildungsfragen Recht sprechen: Zwischen 1946 und 1956 lag die Zahl der Ffille vor Bundesgerichten, die Bildungsfragen zum Gegenstand hatten, noch bei 112, um dann auf 729 in der nfichsten Dekade anzusteigen und schlieBlich bei fiber 1200 nach 1966 anzulangen (Ravitch 1983: 312). 6o Die Zielsetzung des Bilingual Education Act, auch bekannt als Titel VII des ESEA, wurde breit interpretiert: Es ging nicht nur um die F6rderung yon hispanischen Kindern, sondern auch von allen anderen Kindern, deren Englischkenntnisse beschrfinkt waren. Das Gesetz selbst beinhaltete nur eine vage Beschreibung des Ziels: ,,to develop and carry out new and imaginative elementary and secondary school programs", um den speziellen Bedfirfnissen der Kinder mit beschr~inkten Englischkenntnissen gerecht zu werden (Ravitch 1983: 273). In der ,~ra vor den Olpreisschocks, in der Bundesgelder noch ausrei-
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Zusammenfassend kann die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin als bildungspolitische Expansionsphase angesehen werden. Dies betrifft die Zahl der Bildungsteilnehmer, wobei hier die gr613te Expansion im Terti/irbereich stattgefunden hat, aber auch die B ildungsausgaben. Weiterhin hat eine Ausdifferenzierung des Politikfeldes Bildung stattgefunden, indem neben den Schuldistrikten auch andere politische Akteure wie gliedstaatliche Regierungen oder die Bundesebene zunehmend in die Arena eingetreten sind, und indem der B ildung fiber die klassische Funktion der Kindererziehung und Ausbildung hinaus andere gesellschaftspolitische Funktionen zugewiesen worden sind.
2.1.4 Die 1980er Jahre und danach In der Periode zwischen den 1950er und 1970er Jahren konnte man, wie aus dem vorangegangenen Unterkapitel deutlich geworden ist, eine Zunahme des bildungspolitischen Engagements der Bundesregierung erkennen. Grafhk 2.1 machte deutlich, dass in der Ausgabendimension dieses Engagement seit Mitte der 1970er Jahre wieder riickl/iufig war. Der von der Reagan-Administration in Auftrag gegebene ,,A Nation at Risk"-Bericht aus dem Jahre 1983 beeinflusste allerdings mal3geblich den reformpolitischen Tenor der nachfolgenden Periode. Gleichzeitig etablierten sich die gliedstaatlichen Regierungen als wichtigste Akteure in der Bildungsreformpolitik. Grafik 2.1 zeigt, dass die Gliedstaaten im Zuge der 1980er Jahre in der Ausgabendimension die wichtigsten Akteure geworden sind und regelm/il3ig mehr als 50 Prozent der Bildungsfinanzen zu tragen haben. Erst im Zuge der 1990er Jahre und unter der Regierung von George W. Bush ist es wieder zu einem verst~irkten Engagement der Bundesebene gekommen.
Im Jahre 1983 legte die von Ronald Reagan eingesetzte National Commission on Excellene in Education den ,,A Nation at Risk"-Bericht vor, in dem vor allem auf die neuen Herausforderungen der Internationalisierung von Handel und Finanzen verwiesen, dabei aber im gleichen Atemzug dem amerikanischen Bildungssystem eine unzureichende Leistungsf'fihigkeit bescheinigt w u r d e . 61 Der
chend zur Verfiigung standen, scheint dieser permissive Ansatz vor allem dazu gedient zu haben, die Abh/ingigkeit der lokalen Ebene von Bundesmitteln zu erh6hen und dadurch den Einfluss der Bundesregierung langfristig weiter abzusichem. 61 Hier die ersten Worte aus dem Bericht: "Our Nation is at risk. Our once unchallenged preeminence in commerce, industry, science, and technological innovation is being overtaken by competitors throughout the world. This report is concerned with only one of the many causes and dimensions of the problem, but it is the one that undergirds American prosperity, security, and civility. We report to the American people that while we can take
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Tenor dieses Berichtes ist insofern fihnlich den in den 1950er Jahren geprfigten Debatten fiber den Rfickstand der USA gegenfiber der Sowjetunion: In beiden Ffillen wurde eine externe Bedrohung oder Herausforderung identifiziert (einmal die Sowjetunion, in den 1980er Jahren die aufziehende neue internationale Wirtschaftsordnung und den damit einhergehenden verschfirften 6konomischen Wettbewerb zwischen Nationen), und dem amerikanischen Bildungssystem wurde mangelhafle Performanz vorgeworfen. In beiden Ffillen zielte die reformpolitische Debatte auf die Verbesserung der Leistungen der Schiller vor allem in den naturwissenschafllichen Ffichern, da diese einmal aufgrund der Bemfihungen der Progessive Reformers oder aufgrund der zu freizfigig gehandhabten Wahlm6glichkeiten an den High Schools zu kurz gekommen waren. 62 Die Reformbewegung der 1980er Jahre, das so genan_qte ,,Excellence Movement" (Berube 1994: 93), wurde durch den ,,Risk"-Bericht in Gang gesetzt, seine wichtigsten Impulse gingen aber von Akteuren auf gliedstaatlicher und lokaler Ebene aus. Die Reagan-Administration hat sich im Zuge ihrer F6deralismusreformen vorfibergehend aus dem Politikfeld Bildung zurfickgezogen und den unteren Regierungsebenen durch die Umwandlung von Zuschussprogrammen mit spezifischer Zielsetzung in allgemeine Mittelzuweisungen (,block grants') mehr Entscheidungsfreiheit eingerfiumt (Craig / Inman 1982:541; Conlan 1998: 3-4). Konsequenterweise folgte dem ,,Risk"-Bericht nicht wie in den 1950er Jahren ein Bundesgesetz. Der Bericht hat aber dazu beigetragen, eine neue Form von Bildungspolitik, die ,,New Politics of Education Productivity" (Cibulka 2001) zu prfigen, in denen die Bereitstellung von fiskalischen Ressourcen nicht justifiable pride in what our schools and colleges have historically accomplished and contributed to the United States and the well-being of its people, the educational foundations of our society are presently being eroded by a rising tide of mediocrity that threatens our very future as a Nation and a people. What was unimaginable a generation ago has begun to occur--others are matching and surpassing our educational attainments." (http ://www.ed. gov/pub s/NatAtRisk/ri sk. html) 62 So wurden Anfang der 1980er Jahre Kurse fiber Cheerleading, Schfilermitbestimmung und Massenmedien als akademische Leistungen angerechnet. In Kalifornien war 1980 die einzige Vorschrift, die im gesamten Bundesstaat zur Erlangung eines High School Diploms aufgestellt wurde, die erfolgreiche Absolvierung von zwei Jahren Sportunterricht. Eine Studie belegte im Jahre 1983, dass 45 Prozent der kalifonischen Schiller im ,,General Track" eingeschrieben waren, in dem Kurse wie Schreibmaschinenschreiben, kulturelle Bewusstseinswerdung, Heimarbeit, Einfiihrung in das Restaurantmanagement, Kochen ~r Singles, Kindererziehungen und Nfihen angeboten wurden (Ravitch 2000: 408-409). Mehr und mehr Schiller besuchten das College, ohne jedoch die notwendigen akademischen Kurse besucht zu haben: 1982 gingen 50 Prozent aller High School-Abgfinger direkt zum College, aber lediglich 9 Prozent hatten vier Jahre Englisch, zwei Jahre eine Fremdsprache, drei Jahre Sozialkundeunterricht, Naturwissenschaften und Mathematik belegt (ebd.: 410).
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mehr ausreicht, sondem in dem in st~irkerem MaBe auf die Outcome-Dimension geschaut und reformpolitischer Erfolg und Misserfolg durch das Erreichen von vorgegebenen Punktzahlen in standardisierten Leistungstests definiert, operationalisiert und gemessen wird. Das quantifizierende Messen von OutcomeVariablen zeugt von der geistigen N/ihe zum und der realen Unterstiitzung ftir die Bewegung durch den privaten Wirtschaflssektor (Berube 1994: 95-98). Auch wenn die Bundesregierung und der US-Kongress sich als bildungspolitische Akteure im Folgenden zun/ichst zuriickgehalten haben, so wird der Einfluss der nationalen Eliten (Stiftungen, Gesch/iftsleute, gewisse Regierungsbeamte und Intellektuelle in Beraterrollen) immer deutlicher (Cibulka 2001: 25). Eine Abspaltung und Weiterentwicklung des Excellence Movement stellt das so genannte Choice Movement dar (vgl. Fuller / Elmore / Orfield 1996). Diese Bewegung hat sich die Institutionalisierung von Altemativen beziiglich der Wahl der Schule auf der lokalen Ebene zum Ziel gesetzt (daher der Name). Aus der international vergleichenden Perspektive erscheint es erstaunlich, dass sich in dem dezentralisierten und lokalisierten Bildungssystem der USA ausgerechnet eine Bewegung etabliert hat, die ftir noch weitergehende Dezentralisierung eintritt. Auf der anderen Seite bezeugt die Vehemenz und die breite Unterstiitzung des Choice Movements, dass es sich bei dem amerikanischen um ein System handelt, in dem die bildungspolitische Entscheidungsmacht eben nicht vollkommen dezentralisiert, sondem stark auf der Zwischenebene der Schuldistrikte konsolidiert ist. Dieses institutionelle Arrangement produziert negative Externalit~iten in Form von Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung einerseits, aber auch in Form von Einschr/inkungen der Wahlm6glichkeiten auf der lokalen Ebene, Biirokratisierung und verminderter Responsivit/it andererseits. Letztere Erscheinungen werden fiir die Choice-Anhanger zum Stein des AnstoBes. Die Reformer pl~idieren ffir die Abschaffung des historisch verwurzelten Privilegs der Schuldistrikte, Kinder aus den Lokalit/iten den verschiedenen 6ffentlichen Schulen im Distrikt zuzuordnen, oder die Errichtung von ,,Charter Schools", die zwar aus 6ffentlichen Mitteln finanziert werden, ansonsten aber von einem GroBteil der die regul~iren 6ffentlichen Schulen betreffenden administrativen Vorschriften ausgenommen sind (vgl. ausfiihrlich B ierlein 1997). Eine ausfiihrlichere Diskussion des Choice Movement als Herausforderung fftir die School Boards wird in Kapitel 2.2.3 vorgenommen, in dem es um die Analyse des bildungspolitischen Willensbildungsprozesses geht. An dieser Stelle sei lediglich auf die Verbindung zwischen dem Choice Movement und dem Excellence Movement hinzuweisen. Das Choice Movement bezieht seine Motivation ebenfalls aus der Feststellung, dass die akademischen Standards an 6ffentlichen Schulen nicht mehr hinnehmbar seien. Von der Einfiihrung von Wahlalternativen zu 6ffentlichen Institutionen und dem damit ver-
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st~irkten Wettbewerb (,,marketisation", Whitty 2002: 46) zwischen Institutionen des 6ffentlichen Sektors, aber auch (in Form der Voucher-Programme, s.u.) zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen erhofft man sich eine Anhebung der Standards (Wong 2004: 376). 63 Zum Teil wird das Choice Movement aber auch von religi6sen Aktivistengruppen unterst/itzt und vorangetrieben, fiir die der Unterricht in regul~iren 6ffentlichen Schulen zu wenig deren religi6se Grund/iberzeugungen widerspiegelt, ja im Gegenteil, ihre Kinder mit den ,falschen' Lehren (wie etwa der darwinistischen Evolutionstheorie anstelle der biblischen Kreationsgeschichte 64) ,verdirbt' (McCarthy 1996: 312, 318; Cibulka 2001: 30). 65 Eine St/irkung des gemeinschaftlichen Aspektes der Schulen und die R/icksichtnahme auf gruppenbezogene Besonderheiten erhoffen sich auch ethnische Minderheiten und progressive Gruppierungen, die ebenfalls zu den Untersttitzern der Choice-Bewegung zu z/ihlen sind (Whitty 2002: 50-51). W/ihrend im Verlauf der bildungspolitischen Geschichte der USA die 6ffentlichen Schulen als eine der wichtigsten Institutionen zur Assimilierung von Immigranten und deren Kindem gelten konnte, so 1/isst sich in den 1980er und 1990er Jahren eine Tendenz hin zu wieder nach 6konomischen und ethnischen Kriterien segregier63 Aul3er in den USA haben auch in Neuseeland und dem Vereinigten K6nigreich fihnliche Reformen zur Stfirkung des Quasi-Marktes im Bildungsbereich stattgefunden (Whitty 2002: 47). Bisher lfisst sich, zumindest in GroBbritannien, noch kein positiver Effekt auf das Bildungsniveau belegen (ebd.: 52). 64 Die Entscheidung fiber das Curriculum (den Lehrplan), welches in den 6ffentlichen Schulen unterrichtet werden soll, obliegt im Prinzip ebenfalls den Institutionen des lokalen Schuldistrikts. Auch hier handelt es sich um ein Relikt aus den Zeiten, in den die Schulen als verlfingerter Arm und integraler Bestandteil der Dorfgemeinschaft angesehen werden konnten. Der hier angesprochene Konflikt ist die Auseinandersetzung zwischen denjenigen, die ftir das Unterrichten der darwinistischen Evolutionslehre eintreten, und denen, die die biblische Variante der Sch6pfungsgeschichte anstelle dessen unterrichtet sehen wollen (die so genannten ,,Creationists"). Den Creationists geht es, wenn nicht um die v611ige Ausblendung des Darwinismus, so zumindest doch darum, dass er als ,,spekulative Theorie" neben die der biblischen Sch6pfungsgeschichte gestellt wird. Die Creationists hatten am meisten Erfolg in Kansas, wo es ihnen sogar gelang, ftir kurze Zeit das State Board of Education zu kontrollieren, Umfragen zeigen aber, dass die Creationists eine M inderheitenmeinung vertreten (Peters 2004: 442-443). 65 Konservative Bfirgergruppen, die Teil einer losen Koalition zwischen fundamentalistischen protestantischen Organisationen und der politischen Rechten (,,Religious Right" oder ,,New Christian Right") sind, tragen Name wie American Coalition for Traditional Values, American Family Association, Christian Coalition, Citizens for Excellence in Education, Concerned Women for America, Eagle Forum oder Focus on the Family (McCarthy 1996: 308-309). Die Christian Coalition, eine der gr6Bten Organisationen, wurde 1989 von Pat Robertson gegrfindet und verftigt fiber 1,7 Millionen Mitglieder. Sie tritt ein ftir die Re-Lokalisierung der Bildung und die Ausgabe von Bildungsgutscheinen (Vouchers) zum Schulbesuch von privaten, religi6sen Schulen (ebd.: 310).
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ten Schulen ausmachen (Peters 2004: 328-329), 66 die durch das Choice Movement weitere Unterstfitzung bekommen haben dfirfte. Es finden sich in der reformpolitischen Landschaft der 1980er und 1990er Jahre daher widersprfichliche Tendenzen: Einerseits Zentralisierung und eine Verstfirkung der Rolle der gliedstaatlichen Regiertmgen und der Bundesebene, andererseits eine Wiederentdeckung des Lokalen und des Gemeinschaftlichen in den Schulen. Vor Gericht ausgetragene Auseinandersetzungen fiber das kalifornische System der Bildungsfinanzierung bilden den Ausgangspunkt einer Welle von Gerichtsentscheidungen, die im Verlauf der 1980er und 1990er weitreichende Reformen der gliedstaatlichen Finanzierungs- und teilweise der gesamten Bildungssysteme notwendig gemacht haben. W/ihrend in den 1970er und 1980er Jahren die Urteile der Gerichte im Wesentlichen zu gleichen Teilen die Recht- wie die Unrechtm/il3igkeit der Systeme feststellte, so ist im Verlauf der 1990er Jahre nicht nur die Gesamtzahl der vor Gericht behandelten F/ille mit bildungspolitischem Bezug leicht angestiegen, sondern auch der Anteil derjenigen Urteile, die die bestehenden Systeme ffir verfassungswidrig erkl/iren (auf ca. zwei Drittel, vgl. Wong 1999: 79). Vor der berfihmten Serrano-Entscheidung im Fall Kalifomien Anfang der 1970er Jahre war den dortigen lokalen Schuldistrikten erlaubt, in Eigenregie die Steuers/itze fiir Grundsteuem zu setzen. De facto wurden diese Steuers/itze durch lokale Referenda entschieden, da nur so das v o n d e r kalifomischen Regierung gesetzte Limit fiberstimmt werden konnte (Sonstelie 2001: 158). Dieses institutionelle Arrangement produzierte erhebliche Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung zwischen den Distrikten (siehe Tabelle A2.1 im Anhang fiir Beispiele). Der Kern des Problems sind die Unterschiede in der Steuerbemessungsgrundlage, die im Fall der Grtmdsteuer im Wesentlichen durch Unterschiede in dem gesch/itzten Eigentums-Wert (,assessed property value') in den Schuldistrikten (z.B. durch Unterschiede in den Immobilienpreisen) verursacht werden. Daher kann es dazu kommen, dass in einem Schuldistrikt die pro-SchfilerAusgaben geringer sind als in einem anderen, obwohl der Steuersatz in dem ersten Distrikt wesentlich h6her ist (Odden / Picus 2000:11). Die Kl~iger im Serrano-Fall haben genau diese Schieflage kritisiert und sind eingetreten Rir das Prinzip der ,,fiskalischen Neutralit/it", welches besagt, dass zwar nicht unbedingt 66 Diese Tendenz hat auch zu einer ver/inderten Einstellung mancher Minderheitengruppierungen gegeniiber dem Reizthema ,Desegregation' beigetragen: Einige dieser Gruppierung pl~idieren inzwischen Rir bewusste Segregation der Schulen, weil, so die Argumentation, ,,the curriculum of most public schools does not reflect the interests or needs of their community and that students can learn better without racial tensions and then taught by teachers of their own race" (Peters 2004: 356).
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alle Schuldistrikte dieselben Pro-Schfiler-Ausgaben haben mfissen, dass aber bei gleichen Steuers/itzen die Ausgaben ebenfalls gleich hoch sein sollten, oder, anders ausgedrfickt, Unterschiede in der Steuerbasis nicht zu Unterschieden in den Ausgaben ffihren dfirfen (Sonstelie 2001:160). Die Entscheidung, zu welchem Mage ein Distrikt in die Bildung investieren will, bliebe dabei weiterhin den lokalen Institutionen fiberlassen, die fiber den jeweiligen Steuersatz entscheiden. Die potentiellen Ungleichheiten resultieren daher lediglich aus unterschiedlichen Pr/iferenzen hinsichtlich der Bildungsausgaben (,,tax effort"), nicht aber aus den unterschiedlichen Steuerbemessungsgrundlagen (,,tax capabilities"). Eine Gerichtsentscheidung einer unteren Instanz best/itigte die Position der Kl~igerund legte dar, dass das damals gfiltige Arrangement ~irmeren Schuldistrikten faktische Begrenzungen auferlegte und dass ein solcher, armer Distrikt ,,cannot freely choose to tax itself into an excellence which its tax rolls cannot provide" (Sonstelie 2001: 161). Daraufhin wurde die kalifornische Legislative initiativ und verabschiedete ein Gesetz, welches in seinen Bemfihungen zum Ausgleich von Ungleichheiten fiber das Gerichtsurteil hinausging, indem den einzelnen Schuldistrikten Begrenzungen hinsichtlich der yon ihnen erzielbaren Steuereinnahmen auferlegt wurden. Aul3erdem wurden die Zuschfisse von gliedstaatlicher Ebene beschr~inkt und den einzelnen Distrikten erlaubte Wachstumsraten zugewiesen, die sich zwischen reichen und armen Distrikten so unterschieden, dass mittel- bis langfristig eine Konvergenz in der Ressourcenausstattung erreicht werden sollte (Picus 2001: 13). Die M6glichkeit, diese Beschr~inkung durch lokale Referenda zu umgehen, blieb weiterhin erhalten. Der Fall ging dann weiter zum Oberen Gerichtshof (,,Superior Court"). Obwohl die Gerichtsentscheidung im urspriinglichen Serrano-Fall, wie erl~iutert, nicht die vollst~indige Angleichung der Bildungsausgaben in den Distrikten erforderlich machte, sondern lediglich die Beseitigung der Ungleichheiten, die durch Unterschiede in der Steuerbemessungsgrundlage erzeugt worden sind (Sonstelie 2001: 165), ftihrte die Entscheidung des Oberen Gerichtshofes dazu, dass die tats~ichliche Angleichung der fiskalischen Ressourcen, ungeachtet des ,,tax effort", in den Mittelpunkt rfickte. Richter Bernard Jefferson schrieb die Angleichung der Steuereinnahmen pro Schiller innerhalb eines relativ engen Konvergenzkorridors (100 Dollar pro Schiller) innerhalb von sechs Jahren vor (Sonstelie 2001: 161-162). Diese Entscheidung wurde von dem Obersten Gerichtshof (,,Supreme Court") im Jahre 1976 aufrecht erhalten. Die Wirkung der Rechtsprechung in den Serrano-Entscheidungen ist fiir die Bildungsfinanzen Kaliforniens deshalb langfristig so machtvoll geworden, weil die 1978 durch bundesstaatsweites Referendum beschlossene ,,Proposition 13" die Kapazit~iten der lokalen Distrikte zur Steuererhebung empfindlich eingeschr~inkt hat (Sonstelie 2001: 164). Bei dieser Gesetzesinitiative ging es nicht
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prim/ir um die B ildungsfinanzen, sondem vor allem um eine Reform der Grundsteuer, die aber die Haupteinnahmequelle der lokalen Regierungen ist und einen GroBteil der ftir B ildung zur Verfiigung stehenden fiskalischen Ressourcen ausmacht. 67 Durch die Proposition 13 wurden die Steuers/itze auf 1 Prozent der gesch/itzten Steuerbemessungsgrundlage (dem gesch/itzten Eigentumswert in einem Distrikt) beschr/inkt sowie die Wachstumswerte dieser Bemessungsgrundlage ex ante festgeschrieben (Picus 2001: 13). Dies hat das kalifomische Steuersystem nachhaltig transformiert: Zwar werden die Grundsteuem weiterhin auf lokaler Ebene erhoben, aber die entsprechend geltenden Regeln werden in der kalifomischen Legislative gemacht. Die Bildungsfinanzen Kalifomiens werden daher zum allergr6Bten Teil vonder gliedstaatlichen Ebene kontrolliert: Im Jahr 2000 wurden 84 Prozent aller Einnahmen der Schuldistrikte durch die gliedstaatliche Regierung entweder in Form von direkten ZuschiJssen oder durch Verteilung der Einnahmen aus der Eigentumsteuer kontrolliert (Picus 2001:14). 68 Eine weitere direktdemokratische Initiative, die Proposition 98, fLxiert eine bestimmte Untergrenze im allgemeinen Haushaltsplan der kalifornischen Regierung, unter die die Ausgaben ftir B ildung nicht rutschen diJrfen. Entweder muss derselbe Anteil des gliedstaatlichen Haushaltes oder dieselbe Menge von Einnahmen, angepasst um die Entwicklung eines Lebenskostenindices und der Schiilerzahlen, der Bildung gewidmet werden (Picus 2001:14). Im Prinzip sollte dies die Stellung der Bildung st/irken, doch abgesehen von den letzten Jahren stellt die kalifornische Legislative zwar die vorgeschriebene Menge an Ressourcen zur Verfiigung, aber auch nicht mehr (Picus 2001:14). In der Gesamtheit haben die Serrano-Entscheidungen und die Propositionen 13 und 98 nicht unbedingt positive Auswirkungen auf das kalifonische System der Bildungsfinanzierung gehabt. Zwar sind heute die Unterschiede in den Steuereinnahmen pro Sch/iler zwischen Schuldistrikten sehr viel geringer geworden. Dies ist allerdings mit einer Verletzung des Prinzips der fiskalischen Neutralit/it erkauft worden: Weil die Unterschiede in der gesch/itzten Steuerbemessungsgrundlage weiterhin bestehen bleiben, k6nnen sich einige Distrikte einen niedrigeren effektiven Steuersatz leisten als andere (Sonstelie 2001:166). Die erw/ihnten Beschr/inkungen der fiskalpolitischen Autonomie haben weiterhin zu einer Proliferation der kategorischen, d.h. zur Erftillung eines bestimmten, begrenzten 67 Zwar war die Initiative der Proposition 13 vor allem eine lokale Steuerzahlerrevolte, dennoch ist auch die These, dass die reicheren Schuldistrikte das Vorhaben unterstiJtzten, um einer m6glichen Umverteilung von Geldem nach der Serrano-Entscheidung aus dem Weg zu gehen, nicht ganz vonder Hand zu weisen (Downes 1996:301). 68 9 Prozent kamen aus Quellen der Bundesebene, 5 Prozent aus diversen anderen lokalen Quellen (Beitr/ige, Zinseink/infte, Gebiihren) und weitere 2 Prozent aus Lotterieeinnahmen (Picus 2001: 14).
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Zweckes eingerichteten Programme geffihrt. Inzwischen gibt es fiber 130 kategorische Hilfsprogramme der Bundes- und der gliedstaatlichen Regierungen, die im Jahr 2000 mehr als die H/ilfte der gliedstaatlichen Ausgaben ausgemacht haben (Picus 2001: 15). Aul3erdem finden sich Stimmen, die eine Unterfinanzierung des kalifornischen Bildungssystem befiirchten, die durch die Beschr~nkung der lokalen Steuereinnahmekapazit/iten verursacht wird und sich zum Beispiel darin /iuBert, dass das Zahlverh/iltnis zwischen Schfilern und Lehrern im intranationalen Vergleich der USA relativ hoch ist (ebd.: 173). Die Serrano-Entscheidung war, wie erw/ihnt, jedoch lediglich der Anfangspunkt einer Welle von Gerichtsentscheidungen mit Bezug zur Bildungspolitik. Im Fall Rodriguez v. San Antonio (1973), der vor dem US-Verfassungsgericht verhandelt wurde, befanden die Richter, dass das texanische System der Bildungsfinanzierung nicht gegen die amerikanische Verfassung verstol3e, weil die Bildung als solche nicht in der Verfassung erw~hnt sei (Odden /Picus 2000: 33; Derthick 2001: 24). Diese Rechtsprechung, ein frfiher Rfickschlag ftir die Bildungsreformer, hat das Beschreiten eines reformpolitischen Pfades fiber die Bundesebene und dabei vor allem fiber die Bundesgerichte erheblich erschwert bzw. unm6glich gemacht. Das Problem der Ressourcenungleichheit zwischen Schuldistrikten, so das Urteil, liege auBerhalb der Kompetenzreichweite der Bundesorgane, die politische Schlacht um mehr Bildungsgleichheit musste fortan in jedem Bundesstaat separat gefochten werden (Odden / Picus 2000: 34). 69 Ein wichtiger Teilsieg in dieser Schlacht konnte mit dem Urteil des Verfassungsgerichts von New Jersey im Fall Robinson v. Cahill kurz nach der Rodriguez-Entscheidung gewonnen werden. Dieser Fall er6ffnete einen neuen Angriffswinkel auf das Problem der ungleichen Ressourcenverteilung, denn im Unterschied zum Serrano-Fall, in dem die Ungleichheiten vor allem auf Grundlage des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung ffir unrechtm/iBig erkl/irt wurden, griff man in New Jersey auf eine Klausel in der gliedstaatlichen Verfassung zurfick, in der die Bereitstellung von Bildungsm6glichkeiten als Bfirgerrecht garantiert wurde (Odden / Picus 2000: 35). Hier wird wieder die herausgehobene Stellung der Bildung gegenfiber der Sozialpolitik deutlich: Die verfassungsrechtliche Kodifizierung eines Rechts auf Bildung belegt den Stellenwert der Chancengleichheit, auf deren Sicherstellung der Staat verpflichtet wird. Der Rfickgriff auf die ,,Education Clause" in den gliedstaatlichen Verfassungen, wie durch die Entscheidung in New Jersey (1973) und eine/ihnliche in Washington (1978) begonnen, beflfigelte die zweite Welle der Gerichtsurteile, 69 In /ihnlicher Weise erwies der U.S. Supreme Court der lokalen Autonomie in der Bildungspolitik seine Ehrerbietung in der bereits erw/ihnten Milliken v. Bradley (1974) Entscheidung, in der der Zusammenschluss von 85 Schuldistrikten in Detroit zum Zweck der Desegregation ftir verfassungswidrig erkl/irt wurde (Derthick 2001: 25).
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die vor allem Anfang der 1990er einsetzte. Diese Urteile unterschieden sich von den Rechtsprechungen der ersten Welle gtla Serrano dadurch, dass fiber die reine Gleichverteilung der Ressourcen hinaus auch Fragen der ,,Angemessenheit" (,,adequacy") berficksichtigt wurden. Konkret bedeutet dies, dass es nicht nur darum geht, die vorhandenen Ressourcen ungef'fihr gleich zu verteilen, sondern auch darum sicherzustellen, dass diese Ressourcen insgesamt ausreichend hoch sind, um das in den Verfassung niedergelegte Recht auf Bildung tats/ichlich einl6sen zu k6nnen (ebd.: 38). Die Excellence-Bewegung der 1980er Jahre und ihr Augenmerk auf die Output-Seite des B ildungssystems hat also auch in diesen Urteilen einen gewissen Niederschlag gefunden. Ein spektakul~er Fall der ,,Adequacy"-Variante und in gewisser Hinsicht ein ,,Wendepunkt" (Hurst / Tan / Meek et al. 2001: 44) war sicherlich das Urteil des Kentucky Supreme Court aus dem Jahre 1989, bei dem es zun/ichst um die Beurteilung der finanziellen Ungleichverteilungen im System ging. 7~ Der Gerichtshof erkl/irte letztendlich nicht nur das Finanzierungssystem, sondern das gesamte Bildungssystem von Kentucky ffir verfassungswidrig, da es nicht dem MaBstab der ,,Angemessenheit" (,adequacy') gerecht wfirde (Odden / Picus 2000: 39). 71 Durch den Kentucky Education Reform Act von 1990 wurde die Finanzierung der Bildung auf gliedstaatlicher Ebene zentralisiert und sichergestellt, dass arme Distrikte mehr Mittel erhielten (Evans / Murray / Schwab 1997: 11). In Massachusetts und Alabama wurden kurz danach ~ihnliche Urteile fiber das gliedstaatliche Bildungssystem gefiillt (Odden / Picus 2000: 40). Aber auch abgesehen von den durch Gerichtsurteile erzwungenen .~ndemngen nahmen viele politische Akteure auf gliedstaatlicher Ebene den ,,Nation at Risk"-Bericht zum AnstoB fiir eine Periode bildungspolitischer Reformen. Ober
70 Das System der Bildungsfinanzierung in Kentucky wies vor dem Gerichtsurteil scharfe Ungleichheiten auf: Im Whitley County wurden 1987 nur 247 Dollar pro Schiller durch lokale Steuern eingenommen (in Preisen von 1992), im Walton Verona Independent District hingegen 1.010 Dollar. Das staatliche Umverteilungssystem hat diese Ungleichheiten sogar noch versch~irft, weil die finanziellen Ressourcen auf der Grundlage der Zahl der Klassenr/iume, nicht der Zahl der Schiller vergeben wurden, was natilrlich ~irmere Distrikte mit einer tendenziell h6heren Zahl von Schillem in einem Klassenraum benachteiligt. So erhielt das Whitley County vom Gliedstaat 2.287 Dollar pro Schiller, der reiche Walton Verona Distrikt aber 2.498 Dollar (Evans / Murray / Schwab 1997:10). 71 Das Urteil bestimmte weiterhin Kriterien, was unter einer ,,angemessenen" Ausbildung zu verstehen sei: das Erlemen ausreichender milndlicher und schriftlicher Kommunikationsf'ahigkeiten, ausreichendes Wissen fiber das 6konomische, soziale und politische System, um informierte Entscheidungen treffen zu k6nnen, ausreichendes Wissen fiber sich selbst und seiner mentalen und physischen Gesundheit, ausreichendes Wissen fiber Kunst, um kulturelles Erbe wertsch/itzen zu k6nnen und ein ausreichendes MaB an akademischem und praktischem Wissen (Odden / Picus 2000: 39).
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250 Reformkommissionen wurden von gliedstaatlichen Regierungen Anfang der 1980er Jahre eingesetzt, um das System kritisch zu durchleuchten (Fuhrman 1987:131). Die ,,New Politics of Education Productivity" (Cibulka 2001) stellten auch eine Ver/indemng der politischen Landschaft dar: Nicht mehr nur die Experten der Schuldistrikte und der gliedstaatlichen Schulausschtisse befassten sich mit der Bildungspolitik, sondem zunehmend auch Abgeordnete der gliedstaatlichen Legislativen und die Gouverneure (Fuhrman 1987: 137-139; Elmore 1990: 153-154). Letztere haben durch politische Fiihrungsst/irke vor allem in North Carolina, Tennessee und Florida erheblich zum Erfolg der Reformen beigetragen (Guthrie / Garms / Pierce 1988:210-211). Eine wichtige Komponente dieser Reformen war neben der Anhebung des allgemeinen akademischen Unterrichtsniveaus (Elmore 1990: 155) die Einftihrang von standardisierten Qualifizierungstests fiir Lehreranw/irter (Firestone / Fuhrman / Kirst 1990:351).72 Das Problem der Lehrerqualifizierung ist in den USA sicherlich prominenter als in Deutschland, wo das von Oberschul/imtem und /ihnlichen Institutionen durchgefiihrte Staatsexamen die Einhaltung von einheitlichen Standards sicherstellt und den Zugang zum Lehrerberuf effektiv steuert. Im pluralistischen System der USA gibt es weniger einheitliche Standards, die ,Excellence'-Reformen der 1980er und 1990er Jahre haben erst dazu beigetragen, diese auf gliedstaatlicher Ebene zu institutionalisieren. Die Dringlichkeit dieses Problems wird deutlich dadurch, dass eine grol3e Mehrheit der Amerikaner (85 Prozent in einer Umfrage, Peters 2004: 348) die Einftihrung von Kompetenztests fiir Lehrer untersttitzt. Bis 1987 verlangten bereits zwei Drittel aller Staaten das erfolgreiche Absolvieren von standardisierten Tests (Fuhrmann 1987: 132). Inzwischen ist es in 44 Staaten zur Einftihrung von Kompetenztests verschiedener Art gekommen, aber in einigen Stidstaaten hat Anfang der 1990er Jahre nur die H/ilfle der Lehrer den Test beim ersten Mal bestanden (Peters 2004: 348). Bei den Lehrer- wie bei den Schiilertests werden zudem h/iufig Vonvfirfe laut, diese Testverfahren wiirden Minderheitengruppen diskriminieren, ,,because they employ standard English and are based on values and concepts that are derived from white middle-class culture" (Peters 2004: 347, 349). Diese Beispiele zeigen, wie deutlich sich das pluralistische System der Vereinigten Staaten von dem deutschen unterscheidet.
72 Bei genauer Betrachtung k6nnen zwei ,Reformwellen' unterschieden werden: Die erste fand zu Anfang der 1980er Jahre vor allem in den Siidstaaten statt, wo traditionellerweise die gliedstaatlichen Regierungen eine gr6gere Rolle in der Bildungspolitik spielen. Die zweite Welle setzte Mitte der 1980er Jahre ein und betonte im Unterschied zur ersten Welle die lokale Autonomie der ,Bildungsprofessionals', denen im Gegenzug ftir mehr Verantworttichkeit (,,accountability") ffir die Performanz des Bildungssystems eine gr6gere Unabh/ingigkeit einger/iumt wurde (DiLeo 1998:120-121).
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Eine Bilanz der Bildungsreformen der gliedstaatlichen Regierungen der 1980er Jahre zeigt, dass die Ausgabenzuw/ichse nicht unbedingt die Bildungssituation in allen Distrikten verbessert hat. Ein gewisser Teil der zus/itzlichen Mittel ist nicht fiir Reformen, sondem fiir eine Anhebung der Lehrergeh/ilter verwendet worden 73 oder zum Schliel3en bestehender Finanzierungsungleichgewichte zwischen Schuldistrikten, was zum Teil auch das Ziel der Reformen war (Jordan / McKeown 1990:117). Die Gerichtsentscheidungen, oft Ausl6ser und Katalysator fiir weitergehende MaBnahmen, waren fiir sich allein genommen jedoch kein Garant fiir Reformen. In den einzelnen Gliedstaaten verftigte die etablierte ,Schul-Lobby', die ein Festhalten am alten System verfolgte, weiterhin fiber groBen Einfluss. Die Eltem und Steuerzahler in den/irmeren Schuldistrikten, denen die Reformen zu Gute kommen sollten, waren hingegen keine m/ichtige politische Kraft und trafen auf den Widerstand von Abgeordneten in den Legislativen, deren W/ihlerbasis in den von der Mittelklasse gepr/igten Vorstadtbezirken lag (Guthrie / Garms / Pierce 1988: 202-204). Positiv zu vermerken ist, dass die Reformen zur Anhebung des akademischen Niveaus und zur Verbesserung der Lehrerqualifizierung auf lokaler Ebene im Wesentlichen positiv aufgenommen wurden, des 0fteren aber stark v o n d e r lokalen politischen Kultur beeinflusst und gepr/igt wurden (Firestone / Fuhrman / Kirst 1991: 235, 237, 242; Firestone / Fuhrman / Kirst 1990: 358). Nach dem Aktivismus der Bundesstaaten in Reaktion auf den ,,Nation at Risk"-Bericht kam es gegen Ende der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre zu einer Revitalisierung der Rolle der nationalen Ebene. Unter Ffihrung des damaligen Gouvemeurs von Arkansas, Bill Clinton, und von Pr/isident Georg Bush sen. initiiert, trafen sich die Gouverneure der 50 Bundesstaaten im Jahre 1989 zu einem Bildungsgipfel (Cibulka 2001: 26; Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 1) und beschlossen die Umsetzung von nationalen Zielen bis zum Jahr 2000. TM Im Anschluss an den Gipfel wurden vom Bundesbildungsministerium in den Jahren 1991 und 1992 Mittel zur Verfiigung gestellt, die es freiwilligen Organisationen und Berufsassoziationen erm6glichen sollten, fiir die sieben wichtigsten Schulfiicher (Naturwissenschaflen, Geschichte, Geografie, Kunst, Sozialkunde,
73 Die Lehrergeh/ilter stiegen zwischen 1980 und 1987 real um 22 Prozent an (Firestone / Fuhrman / Kirst 1990: 353). Dies kann als Teil der Reform zur Professionalisierung des Lehrerberufes angesehen werden, denn die Gehaltsanstiege waren begleitet von versch/irften Zugangsvoraussetzungen (ebd.). 74 Zwei dieser Ziele betrafen das Anheben der Bildungsperformanz, die anderen setzten Zielmarken fiir High School-Abschlussraten, Schulbefiihigung fiir j/ingere Kinder, Erwachsenen-Lesef~ihigkeit sowie zur Reduzierung von Drogenmissbrauch an Schulen (Ravitch 2000: 433).
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Fremdsprachen, Englisch) national einheitliche Bildungsstandards zu entwickeln. Das ,,America 2000"-Programm, welches unter der Regierung von George Bush sen. in Gang gesetzt wurde, ging im Prinzip in dieselbe Richtung wie sp/itere Reformen, war aber in der praktischen Umsetzung wenig effektiv (Peters 2004: 331-332). Mit dem ,,Goals 2000"-Gesetz, Clintons erstem grof3em bildungspolitischem Akt, wurden weitere Mittel zur Entwicklung von Standards und Evaluationskapazit~ten zur Verfiigung gestellt, wodurch dieser Prozess auf gliedstaatlicher Ebene weiter unterstfitzt wurde (Ravitch 2000: 433). Die Entwicklung von nationalen Bildungsstandards ist jedoch in den meisten F~illen nicht gelungen. So galten die Standards in Englisch als zu vage und nicht konkret genug, die von dem Council o f Teachers o f Mathematics entwickelten Standards im Fachbereich Mathematik wurden nach anf~inglichen Erfolgen ebenfalls als nicht hart genug kritisiert (Ravitch 2000: 437, 440). Die Vormachtstellung der Republikaner in beiden Hfiusern des Kongresses nach 1994 unter der Ffihrung von Newt Gingrich ging einher mit dem Versuch einer weiteren Reduzierung der Bundesausgaben fiir B ildung. Der Haushaltsentwurf der Republikaner sah in der Version, die dem Repr/isentantenhaus zur Abstimmung vorlag, eine Kfirzung der Bundesmittel ~ r umverteilende Bildungsausgaben (,compensatory education', im Wesentlichen die ESEA-Mittel) um 19 Prozent vor, der bilingualen Programme um 66 Prozent und der Programme zur F6rderung der Ausbildung Behinderter um 7 Prozent. Schon 1996 mussten die Republikaner allerdings ihre Position revidieren, und die Bundesmittel blieben im Wesentlichen unangetastet (Wong 1999:31). Nichtsdestotrotz haben die ,,curriculum wars" (Ravitch 2000: 451) in den meisten Bundesstaaten zur Etablierung von gewissen einheitlichen Standards gefiihrt und insgesamt die Prozentzahl der Schiller, die akademische Kurse belegen, ansteigen lassen. 75 Die gliedstaatlichen Regierungen setzten in den 1990er Jahren die in der vorangegangenen Dekade begonnenen Reformen zur Anhebung der akademischen Standards, zur Schaffung von Kapazit/iten zur Evaluation von Bildungsleistungen fiir Schiller, Lehrer und Schulen, zur Verbesserung der Schulfinanzierungssysteme, zur Sicherstellung der ,,Angemessenheit" der Bildung und zur Ausweitung der Wahlm6glichkeiten (,school choice') fort (Hurst / Tan / Meek 2003: 3). Eine Herausforderung fiir das 6ffentliche Schulsystem sind die stetige Zunahme der Heterogenit~it der Schulbev61kerung und des Anteils der Schiilergruppen, die in Form von ,,special education" oder zweisprachiger Erziehung Bildungs-Sonderleistungen in Anspruch nehmen: Zwischen 1990 und 2000 nahm der Anteil der behinderten Schiller von 11 auf 13 Prozent zu, der Anteil 75 SO stieg die Zahl derjenigen, die in einem akademischen, und nicht in der general oder der vocational track eingeschrieben sind, von 42 Prozent (1982) auf 69 Prozent (1994) (Ravitch 2000:451).
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der hispanischen Kinder unter 18 hat sich von 9 Prozent (1980) auf 16 Prozent (1999) nahezu verdoppelt, w/ihrend der Anteil der Afro-Amerikaner und der amerikanischen Indianer im Wesentlichen konstant geblieben ist (ebd.: 4). Die Ausrichtung auf Standards und die Einhaltung von Performanzkriterien sowie die affirmative Stellung der Bundesebene werden ebenfalls deutlich in dem 2001 unter der Regiemng von George W. Bush mit Unterstiitzung von Demokraten und Republikanem im Kongress 76 verabschiedeten No Child Left Behind Act (vgl. zum Folgenden Wong 2004: 359-360; Kincaid 2001: 31-33). Einerseits beinhaltet dieses Gesetz eine Expansion der Ausgabenrolle der Bundesebene um 1,7 Mrd. Dollar auf dann 11 Mrd. Dollar, andererseits st[irkt das Gesetz die regulativen Kapazit/iten der Bundesregiemng. Zur Voraussetzung flit den Empfang von Bundesmitteln wird das j/ihrliche Testen von Schiilem bereits in der Grundschule und die Einstellung von ,,highly qualified teachers", um das Qualit~itsniveau des Unterrichts anzuheben. Weiterhin verleiht das Gesetz gliedstaatlichen und lokalen Beh6rden neue Kompetenzen, um ,,korrektive Handlungen" zum Zweck der Neuausrichtung von Schulen, die den qualit~its- und outcome-orientierten Kriterien des Gesetzes nicht gerecht werden (,,failing schools"), durch~fiihren. Eltem wird die M6glichkeit einger/iumt, ihre Kinder nicht mehr an ,,failing schools" schicken zu miissen. Insgesamt kann der No Child Left Behind Act als ein Angriff auf die Autonomie der lokalen Bildungsinstitutionen gewertet werden. Auf der Bundesebene geniel3t das Gesetz jedoch weitreichende Unterstiitzung sowohl bei Republikanem als auch bei Demokraten. Dies kann auch als Zeichen dafiir verstanden werden, wie weit die Nationalisierung der Bildungspolitik vorangeschritten ist: Das nationale Ziel der Sicherung der Bildungsstandards wird als so wichtig angesehen, dass, auch bei fehlender direkter verfassungsrechtlicher Legitimierung, eine Einmischung der Bundesebene durchaus akzeptiert wird, da die Schw~ichen der lokalisierten Bildungspolitik, heute mehr die mangelhafte Qualit/it der Schulen als das Thema Ungleichheit der Ressourcenverteilung, offensichtlich geworden sind (Wong 2004: 374). Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass die Bundesebene zwar einen relativ geringen Anteil an den gesamten Bildungsausgaben hat (nur ca. 7 Prozent, siehe Grafik 2.1) und der relative Anteil der B ildungsausgaben am Haushalt der Bundesregierung ebenfalls zuriickgegangen ist (von 5,8 Prozent (1980) auf 4,7 Prozent (2000), Peters 2004: 327). Die Bildungspolitik selbst hat sich jedoch zu einem Politikfeld entwickelt, fiir das nicht mehr ausschliel31ich die lokale oder die gliedstaatliche Regiertmgsebenen zust~indig sind. Vielmehr ist es auch hier, 76 Die Motivation der Republikaner und Demokraten zur Unterstiitzung dieses Gesetzesvorschlags ist allerdings eine unterschiedliche: Republikaner fanden vor allem die versch~irften Regeln zur Kontrolle der Bildungsqualit~it attraktiv, w/ihrend Demokraten durch die Ausweitung der Bundesmittel iiberzeugt wurden (Kincaid 2001: 32).
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/ihnlich wie in Deutschland, zu einer Politikverflechtung gekommen (zu einem ,,marble cake federalism" anstelle eines ,,dual layer federalism"), bei der Kompetenzen auf die verschiedenen Ebenen aufgeteilt sind und zudem die einzelnen Ebenen in der Austibung ihrer Aufgaben zum Teil von den anderen abh/ingen.
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2.2
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Die Bildungsf'manzen der USA im intranationalen Vergleich
Nachdem im vorangehenden Unterkapitel 2.1 vor allem die historische Entwicklung der Bildungspolitik in den USA fiber die Zeit hiaweg nachgezeichnet wurde, verwendet dieses Unterkapitel 2.2 einen starker empirischen Ansatz. Zun~ichst werden in Kapitel 2.2.1 der Verlauf und die Variation der B ildungsausgaben in den USA in L~ings- und Querschnitt dargestellt. Es werden auch kurz die Besonderheiten des US-amerikanischen Fiskalf'6deralismus diskutiert. Des Weiteren werden die Unterschiede in den Ausgaben Rir 6ffentliche und private sowie ftir l~indliche und innerst~idtische Schulen aufgezeigt. In gleicher Weise werden die Auswirkungen der in Kapitel 2.1.4 erw~ihnten gerichtlich verftigten Reformen der Finanzsysteme und die von den Bundesstaaten eingesetzten Instrumente zur Verteilung der Gelder auf die Schuldistrikte n/iher erl~iutert. In Kapitel 2.2.2 wird dann in Analogie zum internationalen Vergleich der Kapitel 4 und 5 ein intranationaler Querschnittsvergleich der Bildungsausgaben auf der Ebene der Bundesstaaten vorgenommen.
2.2.1
Oberblick fiber Verlauf und Variation der Bildungsausgaben und die Funktionsweise des US-amerikanischen Fiskalf6deralismus Allgemein gesprochen kann man im intranationalen Vergleich eine Expansion der Bildungsausgaben im Verlauf des 20. Jahrhunderts beobachten, die in den USA auch in den 1980er Jahren nur leicht gebremst fortgesetzt wurde. Zwischen den 1970er und den 1990er Jahren stiegen die realen Pro-Schiiler-Ausgaben um 2,3 Prozent pro Jahr, die Ungleichheit in der Verteilung der Ressourcen nahm dabei zwischen 1972 und 1982 deutlich ab, danach aber wieder zu, so dass 1992 ungef~ihr wieder das Niveau von 1972 erreicht worden war (Evans / Murray / Schwab 1997:17-18). Die wieder leicht zunehmende Ungleichheit in der Verteilung der Ressourcen mag durch die st~irkere Zurfickhaltung der Bundesebene begrfindet sein, die in den beiden Jahrzehnten davor dutch ihre Ausgabenpolitik stets zur Verminderung der horizontalen (zwischen Schuldistrikten und Bundesstaaten) und der vertikalen Ungleichheit (zwischen Bev61kerungsgruppen in unterschiedlichen sozialen Lagen) eingetreten ist (Wong 1999: 6).
80
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
10
:84
.....................................
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Ausgaben for Prim~irund Sekund~irschulen in % des BIP
--
m 5,0
4,0 -"
2,0 1,0 1" 10
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Ausgaben f/Jr Colleges und Universit~ten in % des BIP
w T -= ~ C ~ 1 1
w r I = I r T = I J = T T ~ ~ rl
rT
Gesamtausgaben for Bildungseinrichtungen in % des BIP
I r = I r T T -i T r - r - r - [ - ~ - T r - r - r - r T
Jahr
Grafik 2.2:
Ausgaben fiir Bildungsinstitutionen in den USA in % des BIP, Quelle: NCES 2004, Tabelle 29.
In Grafik 2.2 wird der Anstieg der 6ffentlichen Ausgaben far Bildung insgesamt und untergliedert in Ausgaben far Prim~ir- und Sekund~irschulen einerseits sowie Colleges und Universit/iten (Terti~irbildung) andererseits im Verlauf des 20. Jahrhunderts dargestellt. In der ersten H~ilfte des 20. Jahrhunderts findet die st~irkste Expansionsphase statt. Die Ausgaben far das Primar- und Sekundarschulwesen nehmen nach der Periode der Nachkriegszeit wieder leicht ab, was auch der starken Zunahme des Wirtschaftswachstums in jener Zeit zugeschrieben werden kann. Die 6ffentlichen Ausgaben •r Colleges und Universit~iten bleiben aber im Wesentlichen nach dem Zweiten Weltkrieg konstant. Seit Anfang der 1960er Jahre ist dann wieder far beide Ausgabenbereiche ein konstanter Aufw~irtstrend zu beobachten, der auch nicht in der jfingsten Periode unterbrochen wird. Grafik 2.3 dokumentiert den Aufstieg der B ildungsausgaben zu der wichtigsten Ausgabenkategorie auf gliedstaatlicher Ebene. W/ihrend zu Anfang der betrachteten Periode (1950er, 1960er Jahre) die Ausgaben ffir Highways noch mit den B ildungsausgaben mithalten konnten, nahmen diese nach der ersten Investitions- und Ausbauphase in ihrer Bedeumng wieder ab. Ausgaben far Sozialhil-
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
81
fe77 und Rir Gesundheit (Medicaid) 78 haben in den letzten Jahrzehnten allerdings stark an Bedeutung gewonnen, wenngleich sie den prozentualen Anteil der Bildungsausgaben noch 1/ingst nicht ~bertreffen. Eine andere Darstellung desselben Zusammenhangs ist in Grafik A2.1 (im Anhang) zu finden, aus der der Anstieg der Ausgaben fiir das Gesundheitsprogramm fiir Angeh6rige der unteren Einkommensschichten (Medicaid) besonders deutlich ablesbar ist. Noch halten die Bildungsausgaben fiir das Primar- und Sekundarschulwesen ihre Position und befinden sich auf einem leichten Expansionspfad, die Ausgaben Rir h6here Bildung jedoch stagnieren, wie wir auch weiter unten in Kapitel 3.2 sehen werden.
77 Das Programm ,,Aid to Families with Dependent Children" (AFDC) wurde als kleiner Bestandteil des Social Security Act im Jahr 1935 geschaffen. Die Gruppe der Empf'~inger waren zu zwei Dritteln Mitglieder von Minderheiten, oft unverheiratet und / oder langzeitarbeitslos. 1996 wurde das alte Programm abgeschafR und durch das neue Sozialhilfeprogramm (,,Temporary Assistance to Needy Families", TANF) ersetzt. Im TANFProgramm haben die gliedstaatlichen Regierung noch mehr Gestaltungsspielraum: Sie k6nnen die Berechtigungskriterien, die H6he der Leistungen und Obligationen festlegen, die vom Empf'~inger erfiillt werden mfissen (z.B. Besch~ftigung in 6ffentlichen Stellen (,,workfare")). Leistungen aus TANF begrfinden keine individuellen Ansprfiche gegenfiber der Bundesebene (es handelt sich nicht wie bei AFDC oder Social Security um ein ,entitlement program'), die Gelder fiir TANF werden als Block an die Bundesstaaten fiberwiesen, die eine signifikante Portion dieser Gelder auch fiir andere Zwecke als ftir Geldleistungen an Empfiinger verwenden k6nnen (Stonecash 1998: 322-323). 78 Im Rahmen des Medicaid-Programmes werden Personen aus unteren Einkommensschichten (Alte, Blinde, Behinderte, arme Familien mit Kindern, zunehmend schwangere Alleinerziehende mit Kindern) mit Gesundheitsleistungen versorgt. Die grundlegenden Richtlinien des Programms sind von der Bundesebene vorgegeben, die gliedstaatlichen Regierungen sind mit der Verwaltung und Durchftihrung betreut und k6nnen im Rahmen dieser Verantwortung auch freiwillig Zusatzleistungen anbieten (Zuschfisse zu Medikamentenkosten, Brillen, psychiatrische Leistungen) oder Leistungsbeschr~inkungen auferlegen (Rom 2004:320-321).
82 6
Bildungsfinanzen in den USA" Primar- und Sekundarschulwesen -
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SOURCES- U.$. Bureau of the Census, S t ~ ~ m e , v~ous years. 9
Grafik 2.3"
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2000
~ i o u s years; U.$. Bum~ of the Census, S t a t / s ~
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Ausgabenquoten fiir verschiedene Politikfelder in den USBundesstaaten, Quelle: Garand / Baudoin 2004" 300.
Grafik A2.2 (siehe Anhang) zeigt die realen und nominalen Wachstumsraten aller gliedstaatlichen Haushalte in der Periode zwischen 1979 und 2003. Abgesehen von einer kurzen Periode in der Mitte der 1980er Jahre zeigt sich, dass die Haushalte der Gliedstaaten sowohl nominal wie real im Verlauf der betrachteten Periode stetig gewachsen sind. Mitte der 1990er Jahre und um die Jahrtausendwende sind besonders starke Wachstumsschiibe zu verzeichnen, w~ihrend Anfang der 1990er Jahre und nach 2001 Stagnationsphasen dominieren. Grafik 2.4 dokumentiert den Aufstieg der Bundesstaaten zu den wichtigsten Bereitstellern von 6ffentlichen Dienstleistungen, sei dies im Bereich Bildung, Gesundheits- oder 6ffentliche Vorsorge. Grafik A2.3 (im Anhang) beschreibt die Verschiebungen der relativen Bedeutung der einzelnen Regierungsebenen im komplexen Geflecht der amerikanischen F6deralbeziehungen. Es wird deutlich, dass die lokale Regierungsebene in
83
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
ihrer Ausgabenpolitik vor allem von den gliedstaatlichen Regierungen abh~ingt, welche ihrerseits v o n d e r Bundesebene stark bezuschusst werden. Abgesehen von einer kurzen Periode in den 1970er Jahren, in denen zur Bek/impfung der in die 6ffentliche Kritik geratenen Probleme der Grol3st/idte Bundesmittel direkt an die lokale Ebene iiberwiesen wurden, gab es kaum direkte Finanzbeziehung zwischen lokaler und Bundesebene (Stonecash 1998: 79-80).
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
1998 1989 1979 1969 1959 1949 1939 1929
I II Federal
1 State
D Local I .
Source: Computed from Advisory Commission on Intergovernmental Relations 1988, M-155, table 3; Tax Foundation 1996, vol. 31: 69,163, and 255 and vol. 34: tables CI 1 and C12; and U.S. Bureau of the Census 2000, tables 502 and 511.
Grafik 2.4:
Die US-Bundesstaaten steigen auf zum wichtigsten Bereitsteller von allgemeinen, iiffentlichen Dienstleistungen: Anteil der iiffentlichen Dienstleistungen, die von der jeweiligen Regierungsebene zur Verfiigung gestellt werden; Quelle: Morehouse / Jewell 2003:11.
Die Beobachtung des Aufstiegs der Regierungen der Bundesstaaten zu den wichtigsten Bereitstellern von 6ffentlichen Dienstleistungen und die beobachtete starke Expansion der Bildungsausgaben vor allem in der ersten H/ilfte des 20. Jahrhunderts wird best/itigt durch eine Betrachtung der allgemeinen Ausgaben-
84
Bildungsfinanzen in den USA" Primar- und Sekundarschulwesen
verteilung zwischen den Regiemngsebenen und ihrer Entwicklung. Die fiskalische Unabh/ingigkeit der lokalen Regierungsebene hat im Verlauf dieses Prozesses stetig abgenommen (siehe Tabelle 2.2): Der Anteil der intergouvernementalen Transfers von h6heren Regierungsebenen hat stetig zugenommen so wie der Anteil der Gliedstaaten in dem gemeinsamen Ausgabensektor der Gliedstaaten und der Lokalit/iten (,state-local revenues / expenditures'). Jedoch 1/isst sich feststellen, dass die Expansion der Rolle der Gliedstaaten in der Finanzierung 6ffentlicher Leistungen vor allem in der ersten H/ilfte des 20. Jahrhunderts stattfand. Jahr
1902 1913 1922 1932 1942 1952 1962 1972 1982
Intergouverne-
Anteil der
Anteil der
Anteil der
Anteil der
mentale Trans-
Gliedstaaten
Lokalitiiten an
Gliedstaaten
Lokalit~iten
fers in % der
an Einnahmen
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an Ausgaben
an Ausgaben
lokalen Ein-
im ,state-
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im ,state-
nahmen
local'-Sektor
local'-Sektor
local'-Sektor
local'-Sektor
6,6 6,0 8,3 14,3 27,8 31,6 30,6 37,7 41,5
17,6 17,8 24,4 29,7 48,9 50,4 48,9 52,9 56,8
82,4 82,2 75,6 70,3 51,1 49,6 51,1 47, i 43,2
12,4 13,2 19,2 24,1 32,6 35,0 36,1 38,i 40,5
87,6 86,8 80,8 75,9 67,4 65,0 63,9 6i,9 59,5
Tabelle 2.2: Relativer Anteil der lokalen und der gliedstaatlichen Ausgaben und Einnahmen am ,state-local'-Sektor; Quelle: Tax Foundation 1986: Facts and Figures on Government Finance, zitiert nach Wallis / Oates 1989: table 1.1 (7), 1.2 (9), 1.3 (10).
Der Grad der fiskalischen Zentralisierung, wenn man darunter einen besonders hohen Anteil der Gliedstaaten an der Finanzierung 6ffentlicher Giiter und Dienstleistungen versteht, variiert auch nach Regionen. Wie wir bereits weiter oben angedeutet haben, ist die Rolle der gliedstaatlichen Regierungen in der Bildungspolitik in den Sfidstaaten ausgepr/igter als in den Nordost-Staaten. Diese regionalen Unterschiede spiegeln sich auch im Grad der fiskalischen Zentralisierung wider: Die Siidstaaten weisen hier einen wesentlich h6heren Zentralisie-
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85
rungsgrad auf. Wallis und Oates (1989: 11-12) ftihren diese Unterschiede auf entscheidende Weichenstellungen w/ihrend der Kolonialzeit zurfick: Die Kolonialregierungen der Neuengland-Staaten teilten L/indereien St/idten (,towns') zu, nicht Einzelpersonen. Dies habe zu der Entstehung eines aktiven politischen Lebens auf der lokalen Ebene gefiihrt, denn Entscheidungen, was mit den L/indereien anzufangen war, mussten gemeinsam im Stadtrat gef~illt werden. In den Siidstaaten hingegen befanden sich groBe Teile der L/indereien im Besitz von Einzelpersonen, die diese nach autorit~er bis absolutistischer Weise bewirtschafteten. Dadurch ist die Entstehung einer Tradition von lokalem Aktivismus verhindert oder doch zumindest verlangsamt worden. 79 Neben der Ausweitung der Rolle der gliedstaatlichen Regierungen ist sicherlich auch die zunehmende Einmischung der Bundesebene in die Finanzierung yon 6ffentlichen Giitem und Dienstleistungen im ,state-local'-Sektor einer der grol]en Trends im US-amerikanischen Fiskalf'6deralismus der Nachk.degsperiode. Dies wurde ja bereits in Kapitel 2.1 am Beispiel der Bildungspolitik deutlich gemacht. Besonders zwischen 1960 und 1980 nahmen die Bundesmittel fiir Finanzhilfen (,federal aid') fiir niedere Regierungsebenen zu, so dass im Jahre 1980 fast 27 Prozent aller gliedstaatlichen Einnahmen Bundeszuschiisse waren, und der Anteil von Finanzhilfen an den Gesamtausgaben des Bundes fiir Giiter und Dienstleistungen auf 31,27 Prozent angestiegen war (Inman 1988: 36, siehe auch Grafik A2.3). Die US-amerikanische Variante des Fiskalf'6deralismus zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Durchgriffsmittel und-rechte der Bundesregierung auf die unteren Ebene sehr beschrankt sind und sich daher die Rolle der Bundesebene des t3fteren darauf beschr/inken muss, durch die Bereitstellung fmanzieller Anreizen (,grants in aid') die unteren Ebenen zu politischem Handeln zu motivieren, welches die national gesetzten Ziele bef'6rdert (Hanson 2004: 37; Heidenheimer 1973: 330). 80 Im Zuge der zunehmenden Knappheit der 6ffentlichen Finanzen auf der Bundesebene im Verlauf der sp/iten 1980er und 1990er Jahre ist es jedoch zu einer Renaissance des lokalen Regierens gekommen. Diese ,Wiederentdeckung des Regierens' (,,reinventing government") auf
79 Eine fundierte Beurteilung dieser These iiberschreitet den Rahmen dieser Arbeit, sie k6nnte potentiell aber ein beeindruckendes Beispiel fiir die Relevanz der Pfadabh~_ngigkeit sein, dessen n/ihere Untersuchung lohnt. s0 Dies kann einerseits durch kategorische Finanzhilfen geschehen (,,categorical aid"), die nur fiir bestimmte Zwecke, die vom Kongress festgelegt werden, verwendet werden diirfen, oder durch allgemeine Finanziiberweisungen (,,block grants"), bei deren Verwendung den Gliedstaaten eine grfl3ere Freiheit zukommt und die besonders im Zuge der Ffderalismusreformen unter Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre beliebt waren (Hanson 2004: 40).
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
gliedstaatlicher und lokaler Ebene wurde auch durch die zunehmend zur Verfiigung stehenden administrativen Kapazit~iten untersttitzt (Hanson 1998: 1). Die eingeschr~inkte Zugriffsmacht der Bundesregierung auf die unteren Ebenen 8~ und das immer wiederkehrende Leitmotiv der lokalen Finanz- und Regierungsautonomie erstaunt, wenn man sich die rechtliche Stellung der lokalen Regierungen n~iher betrachtet. Im Unterschied zu Deutschland, wo die verfassungsrechtliche Autonomie der Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 GG abgesichert ist, basiert die Autonomie der lokalen Regierungen in den USA mehr auf Tradition als auf Verfassungsrecht. Rein rechtlich leitet sich die Stellung der lokalen Regierung und ihrer administrativen Regierungseinheiten von dem Gliedstaat ab. Die Regierungen der Gliedstaaten richten Counties (Bezirke), Municipalities (GroBstfidte), Towns (Kleinst~idte), Villages (D6rfer), 82 Schuldistrikte und lokale Zweckgemeinschaften (special districts) ein, fibertragen diesen das Recht, Steuern zu erheben, und entscheiden fiber die zulfissigen Steuerarten, die maximal erlaubten Steuersfitze, die maximal erlaubte Verschuldung und welche Art von Anleihen die Regierungseinheiten t~itigen k6nnen (Stonecash 1998: 75). Insbesondere haben die gliedstaatlichen Regierungen die Macht, spezielle Distrikte (,,special districts") einzurichten, die nur mit der Bew/~ltigung einer spezifischen Aufgabe betraut sind, wie zum Beispiel Massentransport, Feuerschutz, Wasserund Abwasserverwaltung, Bereitstellung von Biichereien, Krankenh/~usem und Parks. Die Allgemeinzust~indigkeit fiir lokale Dienstleistungen der Lokalit~iten wird dadurch empfindlich eingeschrfinkt. 2002 gab es in den USA immerhin 35.356 ,special districts', von denen mehr als 90 Prozent eine einzige Funktion ausfiihrten (Hanson 2004: 49). Die Schuldistrikte sind eine Variante dieser ,special districts', ihre Zahl betrug im Jahr 2002 USA-weit 13.522 und war damit seit 1950 deutlich gefallen (damals: 67.355) (Hanson 2004: 50).
81 Im Extremfall kann der Kongress auch direkte Weisungen erteilen, aber nur in den Bereichen, in denen die nationalen Kompetenzen weithin anerkannt sind, ansonsten ist er angewiesen auf Vorschriften, die den Erhalt von Bundesmitteln regeln (z.B. die erwfihnten Anti-Diskriminierungsgesetze), oder den potentiellen Entzug von Bundesmitteln (Hanson 2004: 45-46). 82 Ein paar erklfirende Worte zur Unterscheidung von ,municipalities', ,towns' und ,counties': Die municipalities setzen vor allem gliedstaatliche Politiken um und haben dabei aber auch eine gewisse Verpflichtung, die lokalen Interessen zu berticksichtigen. Counties finden sich in jedem Bundesstaat auf3er in Connecticut und Rhode Island. Normalerweise sind auch sie fiir die Umsetzung und Verwaltung von gliedstaatlichen Programmen zust~indig, haben aber auch begonnen, eigene Politiken zu verfolgen und sind dadurch den municipalities sehr ~ihnlich geworden. Towns und Townships finden sich vor allem in Neuengland und dem oberen Mittleren Westen. In Neuengland sind sie das Sinnbild fiJr unabh~ingige Lokalregierungen mit breiten Zust~indigkeiten (Nice 1998: 29).
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
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Die faktische Autonomie vieler lokaler Regierungen wird allerdings geschfitzt durch die historisch verwurzelte Tradition der lokalen Autonomie. Besonders in den Staaten des Nordostens, in denen die Verfassung der entstehenden Bundesstaaten oft erst zu einem Zeitpunkt in Kraft trat, als lokale Regierungen bereits fiber hundert Jahre bestanden, hat sich diese Tradition gehalten (Hanson 2004: 50). In ungefiihr der H~ilfte der Bundesstaaten hat sich die ,,home rule" etabliert, unter der den lokalen Regierungen eine gr6Bere Autonomie und Gestaltungsfreiheit einger~iumt wird und die daher auch bei Dezentralisierungsanh~ingem auf groBen Fiirspruch gestoBen ist (Hanson 1998: 5). Die Staaten, die auf die Betonung der legalen Abh~ingigkeit der lokalen v o n d e r gliedstaatlichen Ebene bedacht sind, haben sich der von einem ftihrenden Rechtswissenschaftler gepr~igten ,,Dillon's Rule ''83 verpflichtet, nach der den lokalen Regierungen nur die Kompetenzen zukommen, die sie explizit von den Bundesstaaten zuerkannt bekommen, oder die essentiell sind ftir das Funktionieren der lokalen Regierungsgesch~ifte (Hanson 1998: 5). Durch dieses juristische Korsett k6nnen Beftirchtungen vor rechtlichen Streitigkeiten geweckt werden, die das Entstehen lokaler Initiativen bremsen (Nice 1998: 27). Als weitere Besonderheit des US-amerikanischen Fiskalf'6deralismus k6nnen die rechtlichen Beschr~inkungen der meisten Bundesstaaten in Bezug auf Schuldenaufnahme gelten. Die US-Verfassung enth~ilt keine Beschr~inkungen hinsichtlich der Staatsverschuldung, daher stellen sich dem Anstieg der Haushaltsdefizite auf Bundesebene unter Reagan und unter Bush junior auch keine rechtlichen Hindernisse entgegen. In allen Bundesstaaten (auBer Vermont) jedoch finden sich verfassungsrechtliche oder gesetzliche Vorschriften, die zum Ende des Haushaltsjahres das Erreichen eines ausgeglichenen Haushaltes vorschreiben. Dabei kann z.B. vorgeschrieben sein, dass der Haushaltsentwurf des Gouverneurs, die vonder Legislative verabschiedete Version oder die letztendlich vom Gouverneur unterzeichnete Version ausgeglichen sein muss, in mehr als der H~ilfte der Staaten sind alle drei Kriterien zu erfiillen, 44 Staaten verlangen mindestens eines von den dreien (McCally Morehouse / Jewell 2003: 271). Staaten k6nnen diese Vorschriften zeitweise zum Teil umgehen, indem sie auf optimistische Wirtschaftsprognosen setzen oder 0berschfisse aus dem letzten Jahr ver-
83 Dillon's Rule im Wortlaut: "It is a general and undisputed proposition of law that a municipal corporation possesses and can exercise the following powers and no others: First, those granted in express words; second, those necessarily or fairly implied in or incident to the powers expressly granted; third, those essential to the accomplishment of the declared objects and purposes of the corporations - not simply convenient, but indispensable. Any fair, reasonable, substantial doubt concerning the existence of power is resolved by the courts against the corporation, and the power is denied." (zitiert nach Elazar 1972:181)
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wenden (ebd.: 271). Hinzu kommt, dass die Haushalte der Bundesstaaten aufgeteilt sind in laufende Ausgaben und Kapitalausgaben (ftir gr613ere Investitionsprojekte wie Stral3en, Briicken oder Schulgeb~iude) (Peters 2004: 141). 84 Im Kapitalhaushalt k6nnen Anleihen (also Defizite) aufgenommen werden, dies er6ffnet zwar den Spielraum ftir ,,kreatives Buchhalten", diirfte langfristig aber nicht zu einer vollstfindigen Aufweichung der Haushaltsregeln fiihren. In der Tat zeigen Garand und Baudoin (2004:312-313), dass in der Periode zwischen 1961 und 2000 in 83,1 Prozent aller F~ille (Staat-Jahr-Einheiten, also 50 mal 40) die Haushalte ausgeglichen waren oder einen lJberschuss aufwiesen. Aul3erdem l~isst sich ein langfristiger Trend zur Verbesserung der Performanz feststellen: In den 1960er Jahren tiberschritten die Einnahmen die Ausgaben nur in ungef'~ihr zwei Drittel aller Staaten, in den 1970er Jahren bereits in 76,8 Prozent, in den 1980ern 94,6 Prozent und in den 1990ern 95,2 Prozent (ebd.: 312-313). 8s Eine weitere Einschr/inkung der fiskalischen Autonomie der gliedstaatlichen Regierungen ist in den letzten Jahrzehnten, zum Teil aber auch schon friiher, durch mit Hilfe von direktdemokratischen Verfahren initiierte Gesetze entstanden, die ftir die Anhebung und Erhebung h6herer Steuern besondere Mehrheitsverhfiltnisse in der Legislative erforderlich machen und dadurch die Erschliel3ung weiterer Einnahmequellen erschweren. Tabelle 2.3 gibt einen groben Uberblick fiber diese Initiativen. Hinzu kommt, dass auf lokaler Ebene, vor allem in den Staaten des Nordostens, die von den School Boards vorgeschlagenen Schulbudgets h~iufig durch Referenden best~itigt werden (Guthrie / Garms / Pierce 1988: 153).
84 Die Auftrennung in Kapital- und laufende Ausgaben ist ftir den Bundeshalt nicht zul~issig. Ware sie es, wiirde auch dort die fiskalische Performanz besser aussehen (Peters 2004: 142). 85 Zur gleichen Zeit nahm auch der durchschnittliche Haushaltsiiberschuss zu: In den 1960ern betrug dieser noch 2,1 Prozent der gesamten gliedstaatlichen Ausgaben, in den 1970em 5,3 Prozent, in den 1980ern 10,8 Prozent und in den 1990era 9,7 Prozent (Garand / Baudoin 2004:313).
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Bundesstaat
Jahr
1992 1934
Referendum oder lnitiative I R
Erforderliche legislative Mehrhcit 2/3 3/4
Arizona Arkansas Califbmia Colorado Delaware Florida Louisiana Michigan
1979 1992 1980 1971 1966 1994
I I R R R R
2/3 2/3 3/5 3/5 2/3 3/5
Mississippi Missouri Nevada Oklahoma Oregon South Dakota
1970 1996 1996 1.992 1996 1978
R R I I R I
3/5 2/3 2/3 3/4 3/5 2/3
Washinston
1996 1993
R I
2/3 2/3
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Wird angewendet auf
Alle Steuem Alle Steuem auBer Umsatz- und Alkoholsteuem Alle Steuem Alle Steuem Alle Steuem K6rperschaftssteuer Alle Steuem Gliedstaatliche Grundsteuer Alle Steuem Alle Steuern Alle Steuem Alle Steuem Alle Steuem Umsatz- und Einkommensteuer Alle Steuern Alle Steuem
Tabelle 2.3" Uberblick fiber durch direktdemokratische Entscheidungsverfahren auferlegte Beschriinkungen der Steuerautonomie der Bundesstaaten, QueUe" Hurst / Tan / Meek et al. 2003" 52.
Nach dieser kurzen Vorstellung der wichtigsten Kenngr613en des USamerikanischen Fiskalf'6deralismus und seiner Entwicklung im 20. Jahrhundert und ersten Eindriicken fiber die Entwicklung der Bildungsausgaben fiber die Zeit hinweg m6chte ich im Folgenden n~iher eingehen auf die Verteilung der Bildungsausgaben auf die verschiedenen Regierungsebenen, die Hauptfinanzierungsquellen der Bildung und vor allem die Variation der Bildungsfinanzen und ihrer Finanzierungsmodalit~iten im intranationalen Vergleich der USBundesstaaten. Grafik 2.1 hatte bereits die Verteilung der relativen Finanzierungsanteile der Bundes-, der gliedstaatlichen und der lokalen Ebene in der Finanzierung der Primar- und Sekundarausbildung dargestellt. Wie aus Tabelle 2.4 hervorgeht, gibt es hier jedoch deutliche regionale Unterschiede. Der Durchschnitt ftir die gesamten USA spiegelt im Wesentlichen ein Bild wider, welches sich seit den 1980er Jahren etabliert und verfestigt hat. Die Bundesebene ist mit einem Anteil
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
von ca. 7 Prozent in der fiskalischen Dimension relativ wenig beteiligt, ein ,,Juniorpartner" (Wong 2004: 365). Die US-Bundesstaaten tragen mit einem durchschnittlichen Anteil von ca. 50 Prozent die Hauptfinanzierungslast, die lokale Ebene ist mit ca. 40 Prozent dennoch weiterhin stark an der Finanzierung der Bildung beteiligt. Die restlichen Einnahmen f/ir bffentliche Schulen werden aus privaten Quellen gedeckt. Eine genaue Betrachtung der Tabelle 2.4 zeigt jedoch, dass es durchaus signifikante regionale Abweichungen von diesem allgemeinen Muster geben kann. Wie erwartet, ist der Finanzierungsanteil der lokalen Ebene in den Staaten des Nordostens h6her als der Durchschnitt: Massachusetts (49,8 %), Maine (45,5 %), New York (47,2 %), Connecticut (54,6 %), Rhode Island (50,6 %), New Jersey (52,3 %). Aber auch in Pennsylvania (53,8 %), Nevada (62,6 %) und Maryland (53,2 %) ist die lokale Beteiligung an der Bildungsfinanzierung/iberdurchschnittlich. Zu erwarten ist weiterhin, dass in den Sfidstaaten der Anteil der gliedstaatlichen Ebene fiberdurchschnittlich hoch ist, denn diese Staaten verffigen nicht fiber eine fihnlich verwurzelte Tradition des lokalen Regierens wie die Staaten im Nordosten. In der Tat: Alabama (59,9 %), Arkansas (59,6 %), Mississippi (55,4 %) und West Virginia (61,1%) liegen deutlich fiber dem Durchschnitt von 50 Prozent. Andere Sfidstaaten hingegen (Florida (48,7 %), Georgia (48,9%), Tennessee (44,3 %) und Texas (42,2 %)) liegen auf oder gar unter dem Durchschnitt. Der kalifornische Sonderfall (61,5 % gliedstaatlicher Finanzierungsanteil) ist bereits weiter oben n/~her erlfiutert worden. Ansonsten f~illt noch Hawaii (89,8 % gliedstaatlicher Anteil, 0,5 % lokaler Anteil) auf. In diesem Bundesstaat wird das Primar- und Sekundarschulwesen vollst/~ndig vonder gliedstaatlichen Ebene aus organisiert und finanziert. Anstelle der Vielzahl von Schuldistrikten in anderen Bundesstaaten findet man in Hawaii lediglich einen einzigen Schuldistrikt. Der Anteil der Bundesebene an der Finanzierung der Bildung varriiert ebenfalls stark von New Jersey (3,9 %) bis Alaska (15,8 %). Da, wie oben erl~iutert, ein Grol3teil der Bundesmittel im Rahmen des ESEA-Programms an die lokale Ebene verteilt wird, haben Bundesausgaben tendenziell eine egalisierende Wirkung. In Ermangelung eines voll ausgebauten Systems des Finanzausgleichs deutscher Bauart obliegt es der Bundesebene, krasse Ungleichheiten in der Finanzausstattung der Bundesstaaten ,,von oben" zumindest teilweise auszugleichen. Dabei geht es weniger um die Angleichung von Unterschieden zwischen Schuldistrikten (,,horizontaler" Ausgleich), welches den Gliedstaaten fiberlassen ist, sondern mehr um den Ausgleich zwischen Angeh6rigen von verschiedenen Bev61kerungsgruppen (,,vertikaler" Ausgleich). Dies wird auch deutlich durch die Betonung des Zieles der Armutsbek~impfung im ESEA. Konsequenterweise ist der Bundesanteil in den reicheren Bundesstaaten (Connecticut (4,3 %), New Jersey (3,9%), Massachusetts (5,0 %), New York (5,7 %)), aber auch in einigen
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
91
Staaten des Mittleren Westens (Colorado (5,6 %), Indiana (5,1%), Iowa (6,3 %), Kansas (6,4 %), Nevada (5,1%)), unterdurchschnittlich. Die Siidstaaten fallen auch hier aufgrund ihrer relativ schwachen sozio-6konomischen Lage auf: Alabama (9,4 %), Arkansas (9,3 %), Florida (9,0%), aber vor allem Louisiana (11,5 %), Mississippi (13,8 %) und West Virginia (10,2 %). Weiterhin ist der Bundesanteil in einigen 1/indlich gepr~igten Staaten der Rocky-Mountain-Region besonders hoch: North Dakota (13,4 %), South Dakota (12,1%), Montana (11,5 %) und New Mexico (13,9 %). Insgesamt zeigt sich demnach ein B ild, in dem die These von der historisch verwurzelten Bedeutung des lokalen Regierens eine gewisse Best~itigung findet. Der Finanzierungsanteil der lokalen Ebene ist in den Staaten des Nordostens iiberdurchschnittlich hoch, wenngleich der Anteil der gliedstaatlichen Regierungen an den Stidstaaten eine relativ groJ3e Variation aufweist. Der Finanzierungsanteil der Bundesebene weist ebenfalls eine grofle Spannbreite auf, es zeigt sich aber relativ deutlich, dass der Bund in l~indlich gepr~igten und ~irmeren Bundesstaaten st~irker an der Finanzierung der Bildung beteiligt ist.
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Bildungsfinanzen in den USA" Primar- und Sekundarschulwesen
Staat
United States
Anteil Bundesebene 7.3
Anteil Gliedstaaten 49.7
Anteil Lokale Ebene 40.8
Anteil Private Quellen 2.3
Alabama Alaska Arizona Arkansas California
9.4 15.8 10.6 9.3 8.2
59.9 57.1 43.6 59.6 61.5
25.5 24.3 43.2 29.2 29.3
5.2 2.8 2.6 2.0 1.0
Colorado Connecticut Delaware District of Columbia Florida
5.6 4.3 7.9 11.1
41.5 39.5 65.9 t
48.2 54.6 25.0 88.1
4.7 1.6 1.3 0.8
9.0
48.7
38.7
3.7
Georgia Hawaii Idaho Illinois Indiana
6.4 8.4 8.1 7.8 5.1
48.9 89.8 61.3 33.6 53.5
43.1 0.5 29.0 56.6 38.5
1.6 1.2 1.6 2.0 2.8
Iowa Kansas Kentucky Louisiana Maine
6.3 6.4 9.9 11.5 7.9
49.2 61.1 59.9 49.4 44.6
39.4 29.9 27.9 38.0 45.5
5.2 2.6 2.2 1.2 1.9
Maryland Massachusetts Michigan Minnesota Mississippi
6.1 5.0 6.8 4.7 13.8
37.3 43.6 64.8 60.5 55.4
53.2 49.8 26.1 31.7 27.7
3.3 1.6 2.2 3.0 3.1
Missouri
6.9
37.5
51.8
3.8
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
Montana Nebraska Nevada New Hampshire
Anteil Bundesebene 11.5 7.3 5.1 4.5
Anteil Gliedstaaten 47.6 34.9 28.6 51.6
Anteil Lokale Ebene 36.7 52.4 62.6 41.5
Anteil Private Quellen 4.2 5.4 3.8 2.3
New Jersey New Mexico New York North Carolina North Dakota
3.9 13.9 5.7 7.2 13.4
41.8 71.1 46.2 66.3 39.0
52.3 13.0 47.2 23.9 42.3
2.0 1.9 0.9 2.5 5.4
Ohio Oklahoma Oregon Pennsylvania Rhode Island
6.1 10.2 7.4 6.5 5.9
43.2 59.1 56.2 37.8 42.2
47.1 25.7 33.5 53.8 50.6
3.7 5.0 2.9 1.9 1.3
South Carolina South Dakota Tennessee Texas Utah
8.2 12.1 9.2 8.7 7.5
53.9 35.3 44.3 42.2 58.6
34.3 49.6 43.7 46.8 31.6
3.6 3.0 2.8 2.3 2.4
Vermont Virginia Washington West Virginia Wisconsin Wyoming
5.8 5.6 7.8 10.2 5.0 8.6
70.7 42.3 62.9 61.1 53.1 50.2
21.8 49.9 26.1 27.5 39.6 39.6
1.6 2.2 3.2 1.2 2.3 1.6
Staat
93
Tabelle 2.4" Prozentuale Verteilung der Einnahmequellen fiir die Finanzierung 6ffentlicher Primiir- und Sekundiirschulen in den Gliedstaaten, 2000-01, Quelle: NCES 2004, Tabelle 157. Die in Kapitel 2.1 diskutierten Reformen der Finanzierungssysteme der Bildung, h~iufig als Reaktion auf entsprechende Urteile der gliedstaatlichen Verfassungsgerichte, haben auch in den quantitativen Indikatoren der Bildungsfinanzen
94
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Spuren hinterlassen. Es wird geschfitzt, dass von den Gerichten verftigte Neuordnungen der gliedstaatlichen Finanzierungssysteme die Ungleichheit in der Verteilung der B ildungsausgaben innerhalb der Bundesstaaten um 19 bis 34 Prozent verringert haben (Murray / Evans / Schwab 1998: 790) und zur Reform der Finanzzuweisungsformeln der Bundesstaaten mit egalisierender Wirkung beigetragen haben (Card / Payne 1998: 1). Dabei ist es nicht unbedingt zu einer aktiven Umverteilungspolitik gekommen, vielmehr wurden durch eine Strategie des ,,levelling up" (Wong 1999: 71) die Ausgaben der ~irmeren Distrikte mit Hilfe von verst~irkten gliedstaatlichen Zuschfissen angehoben, w~ihrend die Ausgabenautonomie der reicheren Distrikte weitgehend unangetastet blieb (Evans / Murray / Schwab 1997:12-13).86 Eine Zentralisierung der Ausgabenautorit~it auf der gliedstaatlichen Ebene, wie sie seit den 1970ern und 1980ern in einer grol3en Mehrheit der Bundesstaaten zu beobachten war (Wong 1999: 54-56), ftihrt jedoch nicht zwangsl~iufig zu einer Verminderung der Ungleichheiten in der Ressourcenverteilung. In Michigan, wo 1994 die Umstellung auf ein stark zentralisiertes System stattfand, findet sich zwar eine gewisse Reduzierung der Ungleichheit in der Ressourcenverteilung, signifikante Unterschiede bleiben jedoch bestehen (Courant / Loeb 1997:119-122). Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine Verminderung der Ungleichheit und die gleichzeitige Wahrung einer gewissen lokalen Autonomie nur dann gew~ihrleistet sind, wenn das Finanzierungssystem eine gewisse Beschrfinkung der M6glichkeiten der Erg~inzung gliedstaatlicher Gelder durch lokale Mittel vorsieht (Loeb 2001 a: 246). Wenn den lokalen Gesetzgebern zusfitzlich zu den gliedstaatlichen Mitteln die vollkommene Freiheit einger~iumt wird, weitere Gelder lokal bereit zu stellen, dann kann eine Reduzierung der Ungleichheiten schwerlich erreicht werden. Tabelle A2.2 (Anhang) stellt einen Indikator zur Messung der bestehenden Ungleichheiten in der Ressourcenverteilung zwischen Schuldistrikten in den Bundesstaaten vor und dokumentiert, dass es auch in dieser Dimension enorme Unterschiede gibt zwischen den Bundesstaaten. Erg~inzend soll hier hinzugeftigt werden, dass neuere Untersuchungen (Loeb / Socias 2004) zur Rolle der Bundesebene in der Finanzierung der Primar- und Sekundarausbildung zeigen, dass eine ausschliel31iche Betrachtung der direkten Bundesausgaben ,,will vastly underestimate the federal role and vastly overestimate the progressive nature of federal aid to schools" (ebd.: 85). Loeb und Socias argumentieren, dass neben den direkten Zuschiissen, die die Bundesebene an Schuldistrikte und gliedstaatliche Beh6rden gibt, auch indirekte Ausgaben durch 86 SO wird geschfitzt, dass als Ergebnis der gerichtlich verordneten Finanzreformen die Pro-Schiler-Einnahmen von gliedstaatlichen Quellen um 437 Dollar pro Schiller (oder 22 Prozent) anstiegen, w~ihrend Einnahmen aus lokalen Quellen konstant blieben (Evans / Murray / Schwab 1997: 12-13).
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
95
den Verzicht auf Steuereinnahmen (,tax expenditures') get/itigt werden, die im Unterschied zu den direkten Ausgaben eher die oberen Einkommensschichten begiinstigen. Den Steuerzahlem wird die M6glichkeit einger/iumt, die zum Zwecke der Bildungsfinanzierung entrichteten Steuem (haupts~ichlich gliedstaatliche und lokale Einkommens- und Grundsteuem) v o n d e r Bundeseinkommenssteuer abzusetzen, wenn sie sich anstelle einer Pauschale fiir eine Aufschliisselung (,itemization') der geltend gemachten Steuerabziige entscheiden (ebd.: 86). Weil diese Aufschliisselung nach Loeb und Socias sich vor allem ffir die Angeh6rigen der oberen Einkommensschichten lohne, w/ihrend die weniger Betuchten sich eher fiir die Pauschale entscheiden, und der Wert der Steuererspamisse mit steigendem Steuersatz ansteige, komme dem Mechanismus der indirekten Subventionierung der Bildungsausgaben ein regressiver Charakter zu (ebd.: 86). Einige Beispiele zur Wirkungsweise dieses Mechanismus m6gen mehr Klarheit bringen: In Arizona erhalten Eltem bis zu 200 Dollar Steuerkredite (,,tax credits") s7 ftir Gebiihren, die sie fiir extra-curriculare Aktivit/iten an 6ffentliche Schulen zu entrichten haben. In Iowa k6nnen Eltem einen Steuerkredit fiber 250 Dollar oder 25 Prozent der ersten 1.000 Dollar, die sie an einen anerkannten Bildungsdienstleister entrichten, fiir jedes Kind geltend machen. In Minnesota k6nnen bis zu 1.625 Dollar ffir Kinder in der Grundschule und bis zu 2.500 Dollar ilia" Kinder in der Sekundarschule vonder Steuer abgesetzt werden. George W. Bush hat gar einen Steuerabzug von 5.000 Dollar fiir Studiengebiihren an privaten Schulen vorgeschlagen (ebd.: 85-86). Die H6he der indirekten Bezuschussung durch die Bundesebene ist betr/ichtlich: Nach Sch/itzungen von Loeb und Socias betr~igt die Gesamth6he der indirekten Zuschiisse 20 Mrd. Dollar. Fiir das Jahr 1989 sch/itzen sie, dass im nationalen Durchschnitt die indirekte Bezuschussung mit 566 Dollar pro Kind fast doppelt so hoch war wie die direkte (276 Dollar pro Kind) (ebd.: 89). Aber auch hier zeigen sich grol3e Unterschiede zwischen den Bundesstaaten: In einigen Staaten (Alaska, New Mexico, Mississippi) war die direkte Bundeshilfe gr6Ber als die indirekte, in den reicheren Staaten hingegen (Massachusetts, Connecticut) war die indirekte h6her (ebd.: 90). Der positive Zusammenhang zwischen durchschnittlichem 6konomischem Reichtum eines Schuldistriktes und den ansteigenden indirekten Bundeszuschfissen konnte auch durch Regressionsanalysen best~itigt werden (ebd.: 93). 87 Im Gegensatz zu Steuerabziigen (,,tax deductions") wird bei ,,tax credits" nicht der Betrag, um den die zu zahlenden Steuersumme reduziert wird, angegeben, sondem die tats/ichliche Steuerersparnis, ungeachtet des individuell anzuwendenden Steuersatzes. Dieser Mechanismus ist insgesamt weniger regressiv, da die individuellen Steuers/itze nicht so sehr ins Gewicht fallen. Lediglich diejenigen, die weniger Steuem zu zahlen haben, als ihnen durch Steuerkredite erlassen wird, profitieren relativ gesehen weniger.
96
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
Staat
Alabama Alaska Arizona Arkansas California Colorado Connecticut Delaware Florida Georgia Hawaii Idaho Illinois Indiana Iowa Kansas Kentucky Louisiana Maine Maryland Massachusetts Michigan Minnesota Mississippi Missouri Montana Nebraska Nevada New Hampshire New Jersey New Mexico New York North Carolina
Ausgaben im Primar- und Sekundarschulwesen pro Schiiler
5601 8743 5033 5470 6298 6165 8800 8030 5691 6417 6487 5218 7185 6871 6547 6211 5922 5652 7595 7496 8444 7662 7051 5014 6143 6214 6422 5736 6742 10283 5748 10029 5990
Anteil der Ausgaben fiir Primar- und Sekundarschulwesen am pers6nlichen Einkommen auf gliedstaatlicher Ebene
6,20 7,50 4,60 7,00 5,00 3,90 3,00 6,10 3,40 4,90 5,70 5,80 3,20 5,00 5,70 5,20 5,60 5,40 4,10 3,30 2,60 6,30 5,30 6,00 4,10 5,90 4,40 3,80 3,60 3,30 8,30 3,40 5,70
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Staat
North Dakota Ohio Oklahoma Oregon Pennsylvania Rhode Island South Carolina South Dakota Tennessee Texas Utah Vermont Virginia Washington West Virginia Wisconsin Wyoming USA
Ausgaben im Primar- und Sekundarschulwesen pro Schiiler
5830 6999 5394 7027 7824 8242 6114 5521 5343 6145 4331 7938 6839 6394 7093 7716 7421 6701
97
Anteil der Ausgaben fiir Primar- und Sekundarschulwesen am persSnlichen Einkommen auf gliedstaatlicher Ebene
5,90 4,30 5,90 5,10 3,70 4,00 5,50 3,80 3,90 4,30 7,20 8,70 4,30 5,10 6,10 5,30 6,20 5,05
Tabelle 2.5: V a r i a t i o n der A u s g a b e n fiir P r i m a r - und S e k u n d a r s c h u l w e s e n , 2000.
Quellen: Spalte 1: Ausgaben fi.ir 6ffentliche Prim/ir- und Sekund/irbildung in Dollar pro Schiller, 2000 (Wong 2004: 375); Spalte 2: Anteil der 6ffentlichen Ausgaben fiir Prim/irund Sekund/irbildung am pers6nlichen Einkommen auf gliedstaatlicher Ebene (,,state personal income") (Garand/Baudoin 2004: 295). Tabelle 2.5 belegt die enorme Variation der Bildungsausgaben in den USA auf gliedstaatlicher Ebene. Hier werden also die 6ffentlichen Ausgaben fiir das Primar- und Sekundarschulwesen, ungeachtet der Finanzierungsquelle, zusammengefasst und auf gliedstaatlicher Ebene aggregiert. Spalte zwei beinhaltet die Ausgaben pro Schiller. In Spalte drei ist der Anteil der Ausgaben am pers6nlichen Einkommen auf gliedstaatlicher Ebene (,,state personal income") dargestellt. Diese MessgrfBe ist eng verwandt mit dem Indikator Bildungsausgaben in Prozent des BIP, den wir im intemationalen Vergleich verwendet haben. Das ,,state personal income" ist ein im amerikanischen Bundesstaatenvergleich iibli-
98
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
ches Substitut fiir den Indikator BIP pro Kopf. Wie sich durch einfaches Umformen leicht zeigen l~isst, ist der Anteil der B ildungsausgaben (pro Schiller oder pro Kopf) am BIP pro Kopf im Prinzip dieselbe Mal3zahl wie der Anteil der Bildungsausgaben am BIP. 88 Die Spannbreite der Pro-Schiller-Ausgaben reicht von 10.283 Dollar in New Jersey bis 4.331 Dollar im Mormonenstaat Utah. Bei der Bildungsausgabenquote reicht die Variation von 8,7 Prozent in Vermont bis 3,0 Prozent in Connecticut. Die Korrelation zwischen diesen beiden Messgr6gen weist einen mittelstarken negativen, aber statistisch signifikanten Zusammenhang nach (Pearson's r: -0,283). Dies bedeutet, dass die Staaten, die pro Schiller mehr ausgeben, einen geringeren Teil ihrer Wirtschaftsleistung in die Finanzierang der Bildung investieren. Hier wird wieder die bereits oben kurz angesprochene Unterscheidung zwischen ,,tax capacity" und ,,tax effort" deutlich. Die ,,tax capacity" gibt dabei an, wie hoch die Einnahmen eines Staates im Vergleich zum nationalen Durchschnitt w~iren, wenn auf der Grundlage einer standardisierten Liste von Steuern die S~itze der wichtigsten Steuerarten sich ebenfalls auf dem nationalen Durchschnitt bef'~inden (Morehouse / Jewell 2003: 290). Reichere Staaten sind aufgmnd ihrer guten wirtschafilichen Lage in der gilnstigen Position, selbst durch eine relativ geringe Absch6pfung von Einnahmen aus der Wirtschaft (niedrige Bildungsausgabenquote) hohe Pro-Schfiler-Ausgaben zu generieren. In anderen Worten, selbst wenn in diesen Staaten der ,,tax effort", also die sich nach den W~ihlerpr~iferenzen ausrichtende Nachfrage nach Bildungsaugaben, gering ist, k6nnen die Pro-Schiller-Ausgaben h6her sein als in Staaten mit starken Pr~iferenzen fiir Bildungsausgaben. So kommt es beispielsweise, dass Utah mit einer stark fiberdurchschnittlichen Bildungsausgabenquote (7,2 Prozent) stark unterdurchschnittliche Pro-Schiller-Ausgaben aufweist (4.331 Dollar). Oder dass das ebenfalls bereits erw~ihnte New Jersey mit einer unterdurchschnittlichen Bildungsausgabenquote von 3,3 Prozent/iberdurchschnittliche ProSchiller-Ausgaben von 10.283 Dollar generiert. So ist es nicht verwunderlich, dass die H6he des Pro-Kopf-Einkommens mit den Pro-SchfilerBildungsausgaben stark positiv korreliert ist (0,701). Eine genauere Untersuchung der Bestimmungsfaktoren der Bildungsausgabenquote sowie der Pro-
88 Lediglich durch die unterschiedliche Bezugsgr6fSe (bei den Bildungsausgaben pro Schiller, beim ,,personal income" pro Kopf (also Gesamtbev61kerung)) k6nnte eine Abweichung erzeugt werden. Diese Abweichung w/irde quasi automatisch korrigieren fiir die Unterschiede in dem Zahlverh~iltnis zwischen der Bev61kerungsgruppe der Sch/iler und der Gesamtbev61kerung zwischen den Untersuchungseinheiten. In unserem Fall wird allerdings lediglich von ,,share of personal income allocated to education spending" gesprochen, weswegen von der gleichen Bezugsgr6fSe (in beiden F~illen die Gesamtbev61kerung) ausgegangen werden kann.
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
99
Schiiler-Bildungsausgaben wird in dem folgenden Unterkapitel 2.2.2 vorgenommen. Hier an dieser Stelle soil zun/ichst der Uberblick fiber die Dimensionen der Variation in den Bildungsausgaben der Gliedstaaten fortgesetzt werden. Im Folgenden soil die Stellung der Bildungsausgaben im Verh/iltnis zu anderen Ausgabenposten betrachtet werden. Neben den Pro-Schiiler-Ausgaben und der B ildungsausgabenquote ist der Anteil der Bildungsausgaben an den gesamten 6ffentlichen Ausgaben die dritte Messgr6Be, mit der die Variation in der Bereitstellung von f'manziellen Ressourcen fiir die Bildung gemessen werden kann. Wie bereits weiter oben in der L~ingsschnittbetrachtung kurz angedeutet, sind die Ausgaben ffir Medicaid, Sozialhilfe, Gef~ingnis- und Transportwesen die Hauptkonkurrenten der Bildungspolitik in den Haushalten der Bundesstaaten. Im Querschnitt der 50 Bundesstaaten f~illt weiterhin auf, dass die Schwerpunktsetzung bestimmter Staaten und Regionen auf die Bildung auch in diesem Indikator offensichtlich wird. Aus Tabelle 2.6 wird allerdings auch deutlich, dass die Variation des Ausgabenanteils fiir prim~ire und sekund~ire Bildung nicht so stark ausgepr~igt ist wie im Bereich H6here Bildung (darauf wird in Kapitel 3 n/iher einzugehen sein). Dennoch: Besonders die Staaten in der Rocky-Mountains Region fallen auf durch eine iiberdurchschnittliche Zuweisung von Mitteln an die Bildungsfinanzierung. Dies mag, wie noch n/iher zu analysieren sein wird, vor allem daran liegen, dass in diesen Staaten die Wachstumsraten der Bildungspartizipation am gr6Bten sind (siehe Grafik A2.7 im Anhang). Daneben sind es vor allem einzelne Staaten wie New Hampshire (28,3 %), Vermont (30,9 %), Michigan (31,1%) und Wyoming (35,3 %) die auffallen. Vermont scheint, wie ein Blick auf Tabelle 2.5 weiter bezeugt, besonders an der F6rderung der Bildung gelegen, w/ihrend die anderen erw~ihnten Staaten dort weniger aus der Reihe fallen. Tabelle 2.6 zeigt auBerdem, dass die Staaten des Westens und der Rocky-Mountains-Region aufgrund ihrer relativ jungen Bev61kerung im Schnitt einen geringeren Anteil ihrer Ausgaben ftir Medicaid verwenden miissen, w/ihrend das Gesundheitsprogramm in den anderen Staaten zum Hauptkonkurrenten der B ildungsausgaben geworden ist.
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Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
103
Im Anschluss an unsere Untersuchung des 6ffentlichen Sektors soil im Folgenden kurz auf die Unterscheidungen zwischen privaten und 6ffentlichen sowie 1/indlichen und innerst/idtischen Schulen und ihrer Auswirkungen auf die Ausgabendimension eingegangen werden. Wie aus dem historischen Abriss in Kapitel 2.1 deutlich wurde, besteht in der US-amerikanischen Bildungstradition eine relativ enge Verbindung zwischen einer Schule und der sie tragenden lokalen Gemeinde. W/ihrend sich diese Beziehung fiir den 6ffentlichen Sektor im Zuge der Zeit biirokratisiert und s/ikularisiert hat, sind Privatschulen in einem viel st/irkeren Sinne weiterhin ,,Gemeindeschulen" (Dichanz 1991: 124). Im Unterschied zu Privatschulen im Prim/ir- und Sekund~irbereich in den kontinentaleurop/iischen Staaten, die zum Teil durch hohe 6ffentliche Subventionen unterstiitzt werden, ist die Stellung der privaten Schulen in den USA sehr unabh/ingig und wenig verrechtlicht (Dresselhaus 1997: 201). Die Subventionierung privater Schulen durch 6ffentliche Gelder ist vielmehr des Ofteren zu einem politischen Streitfall geworden (Jorgenson 1987), wie in Kapitel 2.1 am Beispiel der katholischen Schulen im 19. Jahrhundert kurz erl/iutert wurde. Die Frage, ob an eigentlich weltanschaulich neutralen 6ffentlichen Schulen die M6glichkeit zum morgendlichen Gebet einger~iumt werden soil oder nicht, besch/iftigt bereits seit Anfang der 1960er Jahre die Gerichte und die Gemiiter (Peters 2004:350-351). Das US-Verfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung den privaten Schulen allerdings bereits in den 1940er und 1950er Jahren zugestanden, 6ffentliche Gelder zur Unterstiitzung des Kaufes von Schulbiichem und zum Transport von Kindem zur Schule nicht zu verwehren. Begrfindet wurde dies dadurch, dass in diesen Fallen nicht die Schulen als Institutionen, sondem die individuellen Schiller die Empfiinger der Gelder sind (ebd.: 351). Die Bedeutung von Privatschulen in den USA kann allerdings leicht fibersch/itzt werden. Der Anteil der Schiller, die im Prim/ir- und Sekund/irsektor eine private Schule besuchen, liegt stabil bei ca. 10 Prozent (Dichanz 1991: 124) und ist damit in etwa vergleichbar mit dem in Deutschland (Miinch 2000: 85). Die Rolle privater Institutionen ist allerdings in der h6heren Bildung im Terti/irbereich (Miinch 2000: 85) und im post-sekund/iren, berufsvorbereitenden Bereich (Janoski 1990: 123) wesentlich starker ausgepr~igt als in Deutschland. Grafik 2.5 zeigt, dass die Expansion der Gesamtbildungsausgaben im Wesentlichen zufiickzuffihren ist auf die Ausweitung der 6ffentlichen Ausgaben. Die privaten Ausgaben sind relativ gesehen weit weniger schnell angestiegen.
104
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen =.
Gesamtausgaben in laufenden Preisen
=
Offentliche Ausgaben for Prim~r-/Sekund~rbildung, laufende Preise
-"
Ausgaben in privaten Prim~r-/Sekund~irbildungsinstitutionen, laufende Preise $900.000 $800.000 9~
S7OO.OOO
ft.
= $600.000 $500.000
_~ $400.000 $300.000 $200.000
< $1oo.ooo $0 Jahr
Grafik 2.5:
Bildungsausgaben in den USA in laufenden Preisen in Mio. $, Quelle. NCES 2004, Tabelle 30.
Eine umfangreiche vergleichende Studie fiber private und 6ffentliche High Schools (Coleman / Hoffer 1987) weist eine eigenttimliche Zweiteilung des Privatschulenbereiches nach. Einerseits finden sich religi6se und hier insbesondere katholische, aber auch jtidische Schulen, denen es vor allem um die Etablierung von Alternativen zum angeblich durch den protestantischen Mainstream gepdigten 6ffentlichen Sektor geht. Aus religi6sen Griinden gefiihrte Privatschulen stellen ca. 80 Prozent der privaten High Schools dar (Mfinch 2000: 87). Andererseits stellen private Eliteschulen neben den religi6sen Schulen den zweiten wichtigen Subsektor im privaten Bereich dar. Die religi6sen Schulen verlangen nicht fiberdurchschnittlich hohe Schulgebfihren und legen durch die Zusammensetzung ihrer Schulpopulation, in denen Minderheiten leicht iiberproportional vertreten sind, Zeugnis davon ab, dass ihre Mission nicht die Elitebildung, sondern auch die Aufnahme und Integration von Immigranten ist (ebd.: 30). Katholische Schulen zeichnen sich weiterhin dadurch aus, dass die Pro-Schiller-
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
105
Ausgaben wesentlich niedriger (1.353 Dollar) s9 sind als in 6ffentlichen (2.016 Dollar) oder anderen privaten Schulen (2.777 Dollar) oder gar den privaten Eliteschulen (4.648 Dollar). Ihre durchschnittliche Gr613e (797 Schiller) ist ebenfalls geringer als die 6ffentlicher High Schools (1.381 Schiller), aber gr613er als die der privaten Eliteschulen (344 Schiller) (ebd.: 35, 38). Ein wichtiger Befund, den Coleman und Hoffer (1987) im Vergleich zwischen privaten und 6ffentlichen High Schools herausarbeiten, ist die Tatsache, dass in Privatschulen, dabei natiirlich vor allem, aber nicht nur, in den Eliteschulen, ein gr613erer Teil der Schiller einen sp/iteren College-Besuch plant als in 6ffentlichen Institutionen (ebd.: 45). Neben der Unterscheidung zwischen privaten und 6ffentlichen Schulen hat auch die Differenzierung zwischen 1/indlichen und innerst/idtischen Schulen immer wieder zu Konflikten geffihrt (Tyack 1974), z.B. um die gerechte Verteilung von Ressourcen oder Desegregation. Der Auszug der wohlhabenden Bev61kerungsgruppen aus den verfallenden Innenstadt-Bereichen in adrette Vorstadtbezirke (,,suburbs") ist ein weithin bekanntes sozio-6konomisches Ph/inomen, welches in den USA friiher und starker als in anderen Nationen eingesetzt hat. Die spezifische Finanzierungsweise des Primar- und Sekundarschulwesens hat diesen Prozess nicht gebremst, sondem eher beschleunigt. Das traditionelle Privileg der Schuldistrikte, Kinder im schulf'fihigen Alter bestimmten Schulen zuzuteilen, und die Abh~ingigkeit der finanziellen Ausstattung der Schulen von den lokalen Wohlstandsverh/ilmissen haben dazu gefiihrt, dass diejenigen, die sich einen Umzug in reichere Distrikte leisten konnten, diesen auch get~itigt haben. Die/irmeren Bev61kerungsgruppen sind zuriickgeblieben und mussten fortan mit weniger Ressourcen auskommen. 9~ Ein typischer Vorstadtbezirk verfiigt daher fiber betr~ichtliche Steuerkapazit~iten, die Bewohner sind zudem des Ofteren bereit, mehr in die B ildung zu investieren. Eltern engagieren sich fiir die Erziehung ihrer Kinder und beteiligen sich am politischen Schulleben (Beispiel nach Morehouse / Jewell 2003: 347). In den Innenstadtbereichen sind die Finanzierungsprobleme hingegen grol3: Die Steuerkapazit~iten sind knapper, Drogenmissbrauch, Gewalt und h6here Kriminalit~it lassen die Ausgaben fiir S icherheitsmaBnahmen steigen (ebd.: 347). Die Geb~iude sind in einem schlechteren Zustand, da sie ein h6heres Durchschnitts-Alter aufweisen als die Schulen in den Suburbs. Man sch/itzt, dass 50 Mrd. Dollar zur Renovierung der innerst/idtischen 89Alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 1979-1980. 90 Die Eigendynamik des Prozesses wird dadurch verst~rkt, dass der Anreiz zum Umzug fiir die Bev61kerungsgruppen, die in ihrem Distrikt fiber Eigentum mit einem fiberdurchschnittlichen Wert verfiigen, am gr6Bten ist. Denn wenn diese Schichten in einen neuen Distrikt ziehen mit einem Durschnittseigentumswert, der fiber ihrem eigenen liegt, dann k6nnen diese Schichten durch einen relativ geringeren Preis bessere Bildungsdienstleistungen genieBen, w/ihrend in ihrem ,,alten" Distrikt die Steuerkapazit~it sinkt.
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Schulgeb~iude eingesetzt werden mfissten; im Jahre 1998 waren beispielsweise in New York City ein Viertel aller Schulen nur durch handbetriebene Kohle-Ofen beheizbar, die im Folgenden ersetzt werden mussten (ebd.: 355). Ein Vergleich der Durchschnittswerte der 75 gr613ten US-St~idte mit dem nationalen Durchschnitt zeigt aul3erdem, dass der Anteil der Armen, der Afro-Amerikaner, der Hispanics und der Kinder, die aus extrem verarmten Nachbarschaften kommen, in den St~idten deutlich (1,5- bis 2,5-fach) fiber den nationalen Werten liegt (Wong 1999:10). Dies hat den Effekt, dass der Anteil der ,,categorical funds", also jener Geldmittel mit einer spezifischen Zweckwidmung (z.B. zur F6rderung zweisprachigen Unterrichts oder zur Subventionierung mittelloser Kinder), in den St~idten wesentlich h6her ist als in den suburbanen Distrikten, die fiber mehr allgemein verwendbare Mittel verRigen (Timar 1992: 114). Die l~indlichen Schuldistrikte, neben den urbanen und suburbanen der dritte Idealtypus eines US-amerikanischen Schuldistriktes, stehen schlechter da als die suburbanen, aber wiederum nicht so schlecht wie die urbanen. In den l~indlichen Distrikten sind die ftir B ildung verwendbaren Ressourcen geringer als in den suburbanen, die W~ihlerpr~iferenzen der im Schnitt weniger gebildeten Landbev61kerung sind aul3erdem nicht eindeutig bildungsfreundlich. Die Kosten ftir Transport der Schulkinder sind h6her, weil die Haushalte r~iumlich weiter verstreut sind. Die Eltern sind insgesamt weniger in der Erziehung ihrer Kinder involviert und engagiert (auch dieses Beispiel ist nach Morehouse / Jewell 2003: 347). Auf der anderen Seite halt sich nach meiner Einsch~itzung in einigen Staaten des Mittleren Westens, die wenig urbanisiert sind, eine dem Pioniergeist und der individualistischen politischen Kultur (Elazar 1972) entspringende egalit~ire Grundausrichtung, in der der Bildung als gleichmachende Kraft eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Wie in Kapitel 3 n~iher erl~iutert wird, kann dies auch an der exponierten Stellung der 6ffentlichen Institutionen im Terti~irbereich in diesen Staaten abgelesen werden. 9~ Bevor in Kapitel 2.2.2 eine n/ihere Untersuchung der Bestimmungsfaktoren der Variation der Bildungsausgaben im intranationalen Vergleich vorgenommen werden soll, m6chte ich als Nachtrag und Erg/inzung zum gerade Gesagten noch einige Worte verlieren zur Erkl/imng einiger Details des amerikanischen Systems der Bildungsfinanzierung, die ich zum Verst/indnis der Dynamik dieses Systems fiir unerl/isslich halte: Zum Einen m6chte ich die Funktionsweise und Logik der viel genannten Grundsteuer ausfiihrlicher darstellen, die in der Bildungsfinanzierang weiterhin eine dominierende Rolle einnimmt. Zum Zweiten geht es um die Erl/iutemng der Funktionsweise der Zuteilungsmechanismen, die die Bundes-
91 Siehe auch Tabelle 5.6 in der Spalte ,,H6here Bildung".
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staaten zur Verteilung der auf gliedstaatlicher Ebene erhobenen Ressourcen auf die Distrikte einsetzen. Auch hier gibt es eine grol3e Variationsbreite. Die Grundsteuer (,,property tax") ist weiterhin die wichtigste Einkommensquelle zur Bildungsfinanzierung. In 33 (von 50) Bundesstaaten generiert die Grundsteuer mindestens 95 Prozent der lokalen Einnahmen zur Bildungsfinanzierung (Loeb 2001b: 125). Tabelle 2.7 dokumentiert die Bedeutung der Grundsteuer in der Bildungsfinanzierung in eindrucksvoller Weise. Der Anteil der Grundsteuer an den 6ffentlichen Einnahmen, die zur Bildungsfinanzierung verwendet werden, liegt bei der dominierenden Mehrheit der Bundesstaaten zwischen 85 und 100 Prozent. Auff~illig ist weiterhin, dass die meisten Systeme bei der Erhebung der Grundsteuer vollkommen dezentralisiert sind und den Schulausschiissen die vollst/indige Steuerhoheit einr~iumen. In anderen Staaten hingegen (z.B. Alaska, Hawaii, Massachusetts und andere) werden keine Grundsteuern von den Schulausschiissen, sondem von anderen Institutionen (z.B. den Gliedstaaten oder den allgemeinen Lokalregierungen) erhoben.
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Alaska Virginia Louisiana Nevada Maryland Tennessee Alabama Kentucky Pennsylvania Missouri Indiana South Carolina Utah Colorado Montana Illinois North Carolina South Dakota Arkansas Iowa Georgia Ohio Wyoming New York Texas Tabelle2.7:
|
% der Steuern aus Eigenturnssteuer
% der Steuer, die von unabh~ingigen Schuldistrikten erhoben wird
% der Steuern aus Eigentumssteuer
% der Steuer, die von unabh~ingigen Schuldistrikten erhoben wird
0.0 0.0 40.5 42.7 52.0 53.9 57.7 74.9 78.3
0.0 0.0 100.0 100.0 0.0 0.0 0.0 99.0 100.0
Nebraska Mississippi California North Dakota Michigan Idaho Vermont Oklahoma Oregon
98.6 98.9 99.0 99.1 99.2 99.4 99.6 99.6 99.6
100.0 99.4 100.0 99.8 100.0 100.0 100.0 99.6 99.7
85.7 88.1 88.5
100.0 100.0 64.8
West Virginia Washington New Jersey
i 99.7 99.8 100.0
99.7 98.8 100.0
88.9 89.5 89.7 94.0 94.5
100.0 100.0 100.0 94.0 0.0
Arizona Connecticut Delaware Florida Hawaii
100.0 100.0 100.0 100.0 100.0
100.0 0.0 100.0 100.0 0.0
96.0
96.0
Kansas
100.0
100.0
96.3 97.3 97.8 97.8
100.0 100.0 97.9 100.0
100.0 100.0 100.0 100.0
100.0 0.0 100.0 80.1
97.9 98.5 98.5
100.0 68.7 99.9
Maine Massachusetts Minnesota New Hampshire New Mexico Rhode Island Wisconsin
100.0 100.0 100.0
100.0 0.0 99.4
!
Bedeutung der Grundsteuer und der von unabh~ingigen S c h u l d i s t r i k t e n e r h o b e n e n S t e u e r n fiir die l o k a l e F i n a n z i e r u n g d e r B i l d u n g ; Quelle" L o e b 2 0 0 1 - 130.
Es gibt einige wenige alternative Einnahmequellen, wie zum Beispiel die lokale Einkommensteuer, die in Iowa, Kentucky, Ohio und Pennsylvania erlaubt ist und zus~itzlich zur gliedstaatlichen Einkommensteuer erhoben wird, oder die
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lokale Umsatzsteuer, die zwar in fast allen Bundesstaaten verwendet, aber lediglich in Louisiana und mit Einschr/inkungen in Georgia unter die Fittiche der Schuldistrikte gestellt wird (ebd.: 125). Im Vergleich zur Grundsteuer schwanken die Einnahmen aus anderen Steuerarten erheblich in Abh/ingigkeit vom wirtschaftlichen Konjunkturzyklus. Eine weitere Einnahmealternative ist die verst/irkte Erhebung von Gebiihren zur Finanzierung bestimmter Schulaktivit/iten wie die Bereitstellung von Mahlzeiten, Transportm6glichkeiten, Kinderbetreuung, extrakurrikularen Aktivit~iten, Fiihrerscheinausbildung, Erwachsenenbildung und Zugang zu diversen Kapitalgiitem (z.B. Sporteinrichtungen) (ebd.: 148). In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Bedeutung von Benutzergebiihren als Einnahmequelle zugenommen, betr/igt allerdings immer noch nur ca. 3 bis 4 Prozent der Gesamtschuleinnahmen (Wassmer / Fisher 2002: 88). In Kalifomien wird neben Benutzergebiihren auch die Einfiihrung einer Parzellensteuer (,,parcel tax") diskutiert, die im Unterschied zur Grundsteuer nicht den Wert der Besitztiimer zur Grundlage nimmt, sondem die Gr6Be der Gpandstiicke der Steuerzahler. 92 Das System der Grundsteuererhebung funktioniert auf folgende Weise: Ein Fachmann (,,assessor") erstellt Karten seines Verantwortungsbereiches, in denen alle Besitztiimer vermerkt sind, und weist diesen einen Wert, normalerweise den Marktpreis, zu. Das Eigentum, welches zur Berechnung der Steuerschuld herangezogen wird, sind Immobilienbesitz (Geb/iude, aber auch Z/iune, Strommasten und G/irten) und Sachkapital (Autos, Kleidung, M6bel), aber normalerweise nicht weniger greifbarer Besitz (wie Bankeinlagen, Aktien, Anleihen, Hypotheken) (Guthrie / Garms / Pierce 1988:112-113). Diese Berechnungsweise kann zur Entstehung von ,,Steuerinseln" fiihren: Dies sind jene Gebiete, in denen eine hohe Konzentration von industriellem oder kommerziellem Besitz die Steuergrundlage erheblich verbreitert, ohne die Nachfrage nach 6ffentlichen Giitem in entsprechender Weise hochzutreiben. Die Bewohner dieser ,,Steuerinseln" profitieren daher von niedrigen Steuers/itzen bei gleichzeitig guter Ausstattung mit 6ffentlichen Giitem (ebd.: 125). Ein weiteres Ph/inomen ist das so genannte ,,underassessment game", ein steuerpolitischer Wettbewerb zwischen Bundesstaaten und Lokalit/iten um Wirtschaft und Steuerzahler, bei dem die H6he der zu entrichtenden Steuem nicht durch eine Senkung der Steuers/itze reduziert wird, sondem durch eine Minimierung des der Berechnung der Steuerschuld zu Grunde zu legenden Eigentums (Hamilton 1972: 5): Je niedriger der Wert des Eigentums gesch/itzt wird (assessment), desto niedriger auch die Steuerschuld.
92Kritiker weisen darauf hin, dass diese Steuer regressiv wirkt und vor allem Hausbesitzer mit niedrigem Einkommen benachteiligt (Mieter sind vonder parcel tax ausgenommen) (Brunner 2001:188).
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Die hohe Resistenz der Grundsteuer gegen die Schwankungen der Wirtschaflskonjunktur kann sicherlich als eine St/irke angesehen werden, die hohe Abh/ingigkeit der ,,property tax" von ihrer lokalen Steuerbasis ist allerdings eine grol3e Schw/iche. Das Entstehen von ,,Steuerinseln" und die damit einhergehenden enormen Ungleichheiten in den ftir die Finanzierung der Bildung zur Verfiigung stehenden 6ffentlichen Einnahmen waren daher auch schon 1/ingst vor der Welle der diesbeziiglichen Gerichtsentscheidungen seit den 1970er Jahren Aus16ser gliedstaatlichen Handelns. Bereits im 19. Jahrhundert haben die Regierungen der Bundesstaaten begonnen, von den 6rtlichen Schuldistrikten die Errichtung zumindest einer 6ffentlichen Grundschule zu verlangen. Durch Blockzuweisungen (,,flat grants"), die fiir reiche Bezirke ebenso hoch waren wie ffir arme, an die Distrikte wurden dafiir auch die entsprechenden Mittel zur Verftigung gestellt (Odden / Picus 2000:161). Im Zuge der Industrialisierung und durch die Beobachtung der fortbestehenden Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung, die dazu fiihrten, dass die Bed/irfnisse nach gebildeten Arbeitskr/iften der erwachenden kapitalistischen Industrie nur unzureichend befriedigt werden konnten, wurden weitere Umverteilungs- und Zuschussmechanismen installiert, die im Endeffekt zu dem yon uns beobachteten Vormarsch der gliedstaatlichen Regierungen in der B ildungsfinanzierung beigetragen haben. Die n~ichste Entwicklungsstufe der gliedstaatlichen Finanzierungsmechanismen stellten die so genannten ,,Foundation Programs" dar, in denen im Rahmen einer standardisierten Formel ein Ausgabenniveau (in Dollar pro ScMiler) festgelegt wird, das als Basis (,,foundation") des 6ffentlichen Bildungssystems ftir ein gewisses MindestmaB an Bildung sorgen sollte. Im Unterschied zu den ,,flat grants", die vollst/indig von den Gliedstaaten finanziert werden, ist die Bildungsfinanzierung im Rahmen der ,,foundation programs" immer eine Kombination aus lokalen und gliedstaatlichen Anstrengungen. Die meisten Programme erfordern eine gewisse, von vorne herein festgelegte fiskalische Anstrengung der lokalen Ebene. Die gliedstaatlichen Zuschtisse gleichen dann die Differenz aus zwischen den lokal erbrachten Einnahmen und dem festgelegten ,,foundation"Niveau (ebd.: 167). Im Prinzip wird dadurch die Autonomie der lokalen Distrikte nicht eingeschr~inkt, denn diesen bleibt es weiterhin tiberlassen, fiskalische Ressourcen fiber das ,,foundation"-Niveau hinaus zu mobilisieren. Lediglich die Distrikte, die aus eigener Kraft dieses Niveau nicht erreichen k6nnen, weil ihre Steuerbasis nicht ausreichend stark ist, werden vom Gliedstaat bezuschusst. In starker zentralisierten Finanzierungssystemen findet sich aber auch die Variante, dass die lokal mobilisierbaren Ressourcen vom Gliedstaat limitiert werden, um die Ungleichheiten nicht zu groB werden zu lassen (Loeb 2001 a). Einen weiteren Finanzierungsmechanismus, der sich erst vor relativ kurzer Zeit, n~imlich seit den 1970er Jahren, entwickelt hat, stellen die ,,guaranteed tax
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base (GTB) programs" dar. Bei diesen Programmen geht es darum, den eigentlichen Knackpunkt, also die unterschiedlich starken Steuerbasen, anzugehen. Idealerweise gelingt es durch gliedstaatliche Umverteilung, die Unterschiede so auszugleichen, dass Ausgabenunterschiede zwischen Schuldistrikten getreu dem Prinzip der ,,fiskalischen Neutralit/it", bekannt aus dem Serrano-Fall (siehe oben), lediglich auf unterschiedliche W/ihlerpr/iferenzen hinsichtlich B ildung, nicht aber auf Unterschiede in der Wirtschaftskraft und / oder im 6konomischem Wohlstand zur/ickzufiJhren sind (Odden / Picus 2000: 179). Fr/ihe Formen der GTB-Programme kamen bereits in den 1920er Jahren in Gestalt der so genannten ,,percentage equalizer"-Programme auf: Diese Programme schrieben einen Anteil (,,percentage") der lokalen Bildungsausgaben vor, der durch gliedstaatliche Geldmittel finanziert werden musste. Dies wurde notwendig, weil die von den ,,foundation"-Programmen gesetzten Mindestausgabenniveaus h/iufig zu niedrig waren und daher zu einem grol]en Teil von den lokalen Zusatzausgaben fiberdeckt wurden. Durch die Festschreibung eines relativ hohen Finanzierungsanteils der Gliedstaaten in den/irmeren und eines niedrigeren Anteils in den reicheren Distrikten konnte ein gewisser Ausgleich in der Ressourcenausstattung erreicht werden (ebd.: 180). Eine weiter gehende Variante der GTB-Programme sind die ,,power equalizing"-Instrumente, bei denen der Gliedstaat durch Zuschiisse allen Distrikten die gleiche Steuerbasis garantiert, so dass Ausgabenunterschiede lediglich auf unterschiedliche Pr/iferenzen zur/ickzufiihren sind (ebd.: 180, 182183). H/iufig findet sich jedoch eine Kombination aus verschiedenen Finanzierungsmechanismen. Mit Hilfe von ,,foundation"-Programmen wird so ein gewisses Mindestausgabenniveau festgelegt (welches in einem normalen GTBProgramm nicht notwendigerweise der Fall ware), das durch eine Kombination aus lokalen und gliedstaatlichen Einnahmen finanziert wird. Die GTBKomponenten eines kombinierten Programms garantiert fiber das Mindestniveau hinaus, dass gleiche Steuers~itze auch zu gleichen Ausgaben ~hren (Herstellung der fiskalischen Neutralit/it) (ebd.: 189-190). Es ist leicht ersichtlich, dass die Institutionen des fragmentierten und dezentralisierten Bildungssystems der USA die Errichtung komplexer Regelungsmechanismen erforderlich macht, die die gr6bsten Ungleichheiten beseitigen. Einige Staaten haben den Sprung zu einem vollst~indig von der gliedstaatlichen Ebene aus gesteuerten und verwalteten System gewagt. In Hawaii wird zum Beispiel ein Pro-Schiiler-Ausgabenniveau Rir alle Schulen vorgegeben, alle Einnahmen kommen aus gliedstaatlichen Quellen. In Kalifomien und Florida ist die lokale Ausgaben- und Einnahmeautonomie faktisch stark beschr/inkt, so dass den Lokalit~iten zwischen dem vonder gliedstaatlichen Ebene gesetzten Mindestausgabenniveau und den zus~itzlich lokal mobilisierbaren Ressourcen kein Spielraum
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mehr bleibt. De facto sind daher auch diese Systeme vonder gliedstaatlichen Ebene aus regiert (ebd.: 197). Hier nun ein schon teilweise aggregierter und die tats/ichliche Komplexit~it vereinfachender 15berblick fiber die Variation der eingesetzten Finanzierungsmechanismen im heutigen US-amerikanischen Bildungssystem: 24 Staaten 93 (und Washington, D.C.) verwenden haupts~ichlich ,,foundation"-Programme, in denen ein Grundausgabenniveau festgelegt wird. Bei diesem Niveau werden aul3erdem durch Gewichtungsmechanismen den N6ten einzelner Schfilergruppen besonderes Gewicht beigemessen (z.B. ,,special education" oder ,,English Language Learners") (Griffith 2005: 1). 13 Staaten 94 verwenden modifizierte ,,foundation"-Programme, wobei die beliebteste Modifizierung die Festlegung eines ,,foundation"-Niveaus nicht auf der Ebene des Gesamtgliedstaates, sondern auf Distriktebene ist (ebd.: 1). Sieben Staaten 95 verteilen ihre Mittel zur Bildungsfinanzierung nicht auf Grundlage eines bestimmten, zu erreichenden Ausgabenniveaus, sondern lediglich in Abh/~ngigkeit v o n d e r Schfilerzahl. Zum Beispiel wird ffir alle 20 Schiller eine Lehrerposition finanziert, ffir alle 400 Schiller ein Verwaltungsposten (ebd.: 1). Massachusetts und Wyoming verwenden ein dem ,,foundation"-Ansatz/ihnliches System, nur mit dem Unterschied, dass hier per Gesetz die exakte pro Schiller auszugebende Geldmenge in Dollar verffigt wird (ebd.: 1). Pennsylvania und Rhode Island berechnen die Bildungsausgaben des n~ichsten Jahres lediglich auf Grundlage der Ausgaben der Vorjahres mit inkrementalen ,~nderungen. Hawaii verffigt, wie bereits erw~ihnt, fiber ein vollst/indig vom Gliedstaat finanziertes und verwaltetes System. Delaware schlieglich benutzt eine Kombination aus ,,foundation"-Bezuschussung und dem System der Zuweisung auf Grundlage der Schfilerzahlen (ebd.: 2). Die Sachlage der Bildungsfinanzierung wird zus/itzlich durch die Involvierung der Bundesebene und den dort eingesetzten Verteilungsmechanismen kompliziert. Prinzipiell gibt es auch hier verschiedene Varianten: kategorische Mittelzuweisungen (,,categorical aid") wie etwa die ESEA-Mittel, deren Empfang seinerseits yon der Erfiillung bestimmter regulativer Vorgaben abh/ingt und die entweder unter Vermittlung gliedstaatlicher Beh6rden (,,state education agencies") an die Lokalit~iten weitergegeben oder diesen direkt zugewiesen werden und zuweilen vonder Bereitstellung zus~itzlicher Ausgaben durch die Bundesstaaten oder Schuldistrikte abh~ingig sind, und allgemeine Mittelzuweisungen 93 Alaska, Arizona, Colorado, Connecticut, Florida, Iowa, Illinois, Indiana, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Maryland, Minnesota, New Hampshire, New Jersey, North Dakota, Ohio, Oklahoma, South Carolina, South Dakota, Texas, Utah und Vermont. 94 Arkansas, California, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Mexico, New York, Oregon, Virginia und Wisconsin. 95Alabama, Georgia, Idaho, North Carolina, Tennessee, Washington und West Virginia.
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(Craig / Inman 1982: 542). Als Beispiel fiir die Komplexit~it der Finanzierungsmechanismen soil hier kurz die Variation der einzelstaatlichen Zuteilungsmechanismen im Rahmen des Individuals with Disabilities Education Act (IDEA) 96 skizziert werden. In 19 Bundesstaaten kommen zum Ausgleich der vertikalen Ungleichheiten zwischen Schfilergruppen in unterschiedlichen Bildungslagen und mit unterschiedlichen Bedi2rfnissen Gewichtungssysteme (,,weigthing schemes") zum Einsatz (Guthrie / Garms / Pierce 1988: 143; H u r s t / T a n / M e e k et al. 2003: 54): Bei der Berechnung der einem Distrikt zustehenden Zuweisungen der Bundesmittel im Rahmen yon IDEA, die von den Gliedstaaten vorgenommen wird, werden Schiller mit besonderen N6ten (zum Beispiel Behinderte) st/irker gewichtet, ,,z~.hlen" also mehr. 11 Staaten leiten die Bundesmittel auf der Grundlage von den tats/ichlichen oder den erlaubten Ausgaben ftir die Erziehung und Bildung Behinderter weiter, zehn Staaten iiberweisen einen Pauschalbetrag pro Schiller (,,fiat grant"), und weitere zehn basieren ihre Berechnung auf die ben6tigten Ressourcen im Bereich der Erziehung Behinderter (z.B. Zahl der Lehrer oder Schulklassen) (Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 54). Dieses Beispiel zeugt vonder Komplexit/it der Mechanismen der Bildungsfinanzierung und von dem hohen Grad an Politikverflechtung in diesem Bereich. Die Variation der eingesetzten Policy-Instrumente (nicht der Policy-Ziele, denn diese sind ja durch IDEA vorgegeben) auf der Ebene der Bundesstaaten erzeugt eine scheinbare Vielfalt der Politiken. Eine systematische 13berlegenheit der einen oder anderen Politikl/~sung ist allerdings nicht erkennbar. Auch fiillt eine Erkl/irung der Entscheidung eines Bundesstaates Rir die eine oder andere Finanzierungsvariante aufgrund von m6glichen wirtschaftlichen oder politischkulturellen Faktoren schwer. Insofem ist die Frage angebracht, ob der Preis der zunehmenden Komplexit~it und Verflechtung zwischen den Regierungsebenen den Nutzen der Generierung einer nur scheinbaren Vielfalt der Politiken rechtfertigt. Solange es sich lediglich um eine Variation bei den Policy-Instrumenten und nicht bei den Zielen handelt, kann meiner Meinung nach auch nicht das Bild vom F6deralismus als ,,Politiklabor" aufrecht erhalten werden. Es f~illt schwer, die zentralen Befunde dieses Uberblickskapitels zusammenzufassen. Allein diese Tatsache ist Beleg fiir die Variationsbreite der Stellgr613en und Kennzahlen des US-amerikanischen Systems der Bildungsfmanzierung. Wir haben gesehen, dass die H6he der Pro-Kopf-Ausgaben und der Bildungsausgabenquoten im intranationalen Vergleich der US-Bundesstaaten stark variieren. Aber auch die relativen Finanzierungsanteile von Bund, Gliedstaaten und Lokalit/iten, der Anteil der Bildungsausgaben an den einzelstaatlichen Haushalten, der 96 Der Education for All Handicapped Children Act (EAHCA) wurde 1990 im Rahmen der Education of the Handicapped Act Amendments umbenannt in den Individuals with Disabilities Education Act (IDEA).
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Grad der Ungleichheit in der Verteilung der Bildungsressourcen, die zur Finanzierung der Bildung verwendeten Steuerarten und die zur Verteilung der gliedstaatlichen und der Bundes-Mittel eingesetzten Verteilungsformeln weisen eine grol3e Spannbreite auf. Im n/ichsten Unterkapitel besch/iftigen wir uns eingehender mit den Determinanten der Pro-Schfiler-Ausgaben und der B ildungsausgabenquote im intranationalen Vergleich in der Hoffnung, dadurch ein wenig Licht ins verwirrende Dunkel amerikanischer Bildungsfinanzierung zu bringen.
2.2.2 Offentliche Bildungsausgaben im intranationalen Vergleich Dieses Unterkapitel versucht, Erkl~irungen fiir die zu beobachtende Variation der Bildungsausgaben im intranationalen Vergleich zu finden. Kapitel 2.2.1 hat gezeigt, dass es im US-amerikanischen System der Bildungsfinanzen sehr viele unterschiedliche Dimensionen der Variation gibt. Hier m6chte ich mich daher auf die Untersuchung der Variation der gesamten 6ffentlichen Ausgaben fiir das Primar- und Sekundarschulwesen beschr~inken. Die wichtigsten abh/ingigen Variablen (siehe Tabelle 2.5) sind daher die Bildungsausgaben pro Schiller (die Bildungsausgabenleistung) und der Anteil der Bildungsausgaben am pers6nlichen Einkommen (die Bildungsausgabenanstrengung). Es werden also die Ausgaben fiir Bildung, ungeachtet der Finanzierungsquelle, analysiert und nicht etwa die Variation der Finanzierungsanteile der verschiedenen Regierungsebenen (Tabelle 2.4, siehe dazu Wong 1999) oder der Anteil der Bildungsausgaben an den gesamten 6ffentlichen Ausgaben (Tabelle 2.6). Nachdem im Riickblick auf die Geschichte der amerikanischen Bildungspolitik, in Kapitel 2.2.1 und zudem auch weiter unten in Kapitel 2.2.3, die enorme Bedeutung der lokalen Ebene und hier insbesondere der Schuldistrikte herausgearbeitet worden ist, sollten einige Worte darfiber verloren werden, warum eine Analyse der auf der Ebene der Gliedstaaten aggregierten Ausgabendaten Sinn macht. Zum einen sind mit an erster Stelle natiirlich forschungspragamatische Griinde zu nennen. Die Datenerfassung von 15.000 Schuldistrikten erfordert wesentlich mehr Ressourcen als das Zusammentragen von Daten fiber die 50 Bundesstaaten. Ffir die interessierende abh~ingige Variable wird sogar von dem U.S. Bureau of Census ein Datensatz zur Verfiigung gestellt, 97 in dem Kennzahlen zu Ausgaben und Einnahmen im B ildungsbereich auf der Ebene der Schuldistrikte erfasst sind. Eine Erhebung der interessierenden unabh~ingigen Variablen auf Distriktebene scheint allerdings angesichts der erforderlichen Ressourcen
97
http://www.census.gov/govs/www/schoolO2doc.html.
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kaum machbar, selbst wenn aus den 15.000 Distrikten ein repr/isentatives Sample gezogen wiirde, welches auch mindestens 1.000 F~ille umfassen miisste. Hinzu kommt aber vor allem, und dies bringt uns zu unserem zweiten und wichtigeren Argument, dass die Politik der lokalen School Boards sehr stark gepr/igt ist von den jeweiligen Institutionen auf gliedstaatlicher Ebene. Hinzu kommen politisch-kulturelle Einflussfaktoren (Elazar 1972, Marshall / Mitchell / Wirt 1989), die nicht nur begrenzt lokal wirken, sondem Bundesstaaten oder ganze Regionen erfassen. In gewissem Sinne stellen die amerikanischen Bundesstaaten ftir den vergleichend arbeitenden Politikwissenschaftler eine Idealsituation dar (Dye 1966: 11): Alle Einzelstaaten verfiigen in Gestalt der USamerikanischen Bundesverfassung fiber einen gemeinsamen institutionellen Rahmen, der zudem in allen Gliedstaaten der Konstruktion der dortigen politischen Institutionen als maBgebliches Vorbild gedient hat. In allen Bundesstaaten findet sich eine das pr/isidentielle System auf der Bundesebene nachahmende Konstruktion mit zwei parlamentarischen Kammem und einem Gouverneur. 9s Der Stellung des Pr/isidenten im Budgetprozess im US-Kongress nachempfunden, kommt den Gouvemeuren in der Erstellung der Haushaltspl/ine eine wichtige Agenda-Setter-Funktion zu, denn sie iibermitteln den Legislativen den ersten Entwurf des Budgets (Hamm / Montcrief 2004:184). 99 Alle US-Bundesstaaten teilen eine gemeinsame nationale Geschichte, nationale Symbole, eine gemeinsame W/ihrung und, bis zu einem gewissen Grad, eine gemeinsame politische Kultur. Und dennoch ist im Vergleich der Bundesstaaten in den verschiedensten Variablen eine groBe Variation erkennbar, die erkl/irungsbediirftig ist (Dye 1966: 13). Fiir den vergleichenden Politikwissenschaftler ist die Untersuchung der USBundesstaaten deshalb eine solch giinstige Situation, weil die Gemeinsamkeiten der Einzelstaaten in einigen Bereichen so groB sind, dass diese Variablen aus der Untersuchung ausgeblendet werden k6nnen: Eine Konstante kann keine Variation erkl/iren. Auf der anderen Seite gibt es geniigend Variation in anderen Variablen (z.B. St/irke der politischen Parteien, AusmaB des parteipolitischen Wettbewerbs, unterschiedliche Cleavages zwischen Stadt und Land, Unterschiede in der demographischen Zusammensetzung der Bev61kerung), so dass im Sinne des Most-Similar-Cases-Forschungsdesigns die entscheidenden Erkl/imngsvariablen besser isoliert werden k6nnen. Besonders seit den ,,New Federalism"-Reformen der frfihen 1980er Jahre, in denen den Gliedstaaten mehr Eigenst/indigkeit zuge98 Lediglich Nebraska verftigt fiber eine Kammer (Hamm / Moncrief2004:176). 99 Natfirlich ist in parlamentarischen Systemen die Stellung der Regierung als AgendaSetter noch starker ausgepr/igt. In den US-amerikanischen Parlamenten ist der Budgetvorschlag des Gouverneurs lediglich der Ausgangspunkt eines 1/ingeren Verfahrens, in dem der Vorschlag auch von Anh/ingem der eigenen Partei in signifikanter Weise modifiziert werden kann.
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standen worden ist, ist der Vergleich der US-Bundesstaaten ein lohnendes Unterfangen (Smith / Rademacker 1999:710-711). AuBerdem haben die Bundesstaaten im Laufe der Zeit eine eigene Identit~it und eigene zivilgesellschaflliche Strukturen aufgebaut (Elazar 1972: 11). Sie sind mehr als ,,institutionelle Hfillen" (ebd.: 11), n/imlich politische Gemeinschaflen, die fiber eigene politische Institutionen verfiigen und fiber politisches Handeln durch diese Institutionen und durch zivilgesellschaftliche Aktionen davon Zeugnis ablegen. Empirisch l/isst sich zum Beispiel nachweisen, dass die W/ihler bei der Bildung ihrer Pr/iferenzen fiber 6ffentliche Ausgabenpolitik nicht nur die unmittelbare Lokalit~it oder den Distrikt im Blick haben, sondern die Situation und die demographische Zusammensetzung des jeweiligen Bundesstaates (Cutler / Elmendorf/ Zeckhauser 1993). Hinzu kommt, dass im Zuge der graduellen Zentralisierung der B ildungsfinanzen auf der gliedstaatlichen Ebene (siehe Kapitel 2.2.1) die einzelstaatlichen Legislativen lohnende Eingangs- und Mobilisierungspunkte fiir Interessen- und Lobbygruppen geworden sind. Insbesondere die m~ichtigen Lehrergewerkschaflen verfolgen hierbei eine Doppelstrategie, bei der es einerseits um die Durchsetzung von Lohnfordemngen auf der lokalen und andererseits um die Akquirierung weiterer Finanzzusch/isse auf der gliedstaatlichen Ebene geht (siehe 2.2.3). Weil die US-Bundesstaaten ein gutes Testgebiet fiir Hypothesen bieten, ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in Analogie zu der in Kapitel 4 ausffihrlich dargestellten und diskutierten Forschungstradition der vergleichenden Ausgabenanalyse auf der intemationalen Ebene auch fiir den intranationalen Vergleich der USA ein ~ihnlicher Forschungszweig etabliert hat. Hier geht es um die Analyse der Bestimmungsfaktoren der 6ffentlichen Ausgaben insgesamt (Kapeluck 2001; Garand / Baudoin 2004; Garand 1988a,b; Cutler / Elmendorf/Zeckhauser 1993; Case / Rosen / Hines 1993), der Ausgaben fiir Medicaid (Barrileaux / Miller 1988; Buchanan / Cappelleri 1991), ftir Sozialpolitik (Peterson / Rom 1989) oder eben fiir Prim/ir- und Sekund~irbildung (Cameron / Hofferbert 1974; Dawson/Robertson 1963; Dye 1966, 1988; Gray 1976; Klass 1979; Fernandez/ Rogerson 1997; Hanushek / Rivkin 1996; Poterba 1997; Smith / Rademacker 1999) oder den Hochschulbereich (Morgan / Kickham / LaPlant 2001). Teilweise werden auch Einzelaspekte betrachtet wie der Einfluss von Parteien (Garand 1985), des politischen Wettbewerbs (Barrileaux / Holbrook / Langer 2002), der Rolle der Gouvemeure (Niemi / Stanley / Vogel 1995; Beyle 2004), der Gr6Be der Wahldistrikte (Thornton / Ulrich 1999), des spezifischen institutionellen Arrangements der gliedstaatlichen Haushalte (Poterba 1995), der Bedeutung der Ausgabenpolitik der Nachbarstaaten (Case / Rosen / Harvey 1993) oder von direktdemokratischen Entscheidungsverfahren (Santerre 1989; Sass 1991).
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Kapeluck (2001) sowie Garand / Baudoin (2004) legen einen umfassenden Theorienkatalog zur Erkl/irung der Variation von Staatsausgaben vor, der dem im intemationalen Vergleich angewendeten Theorienbiindel (Schmidt 1993, 2001) sehr nahe kommt. Im Folgenden m6chte ich, um urm6tige Redundanzen zu vermeiden, in weniger ausftihrlicher Manier als in Kapitel 4 auf potentielle Determinanten der Variation der Bildungsausgaben eingehen, diese dann direkt in Form von bivariaten Scatterplots einer ersten empirischen Uberpriifung unterziehen und schliel31ich am Ende dieses Unterkapitels im Rahmen einer multivariaten Querschnittsanalyse die wichtigsten Bestimmungsfaktoren herausarbeiten. Die vorzustellenden Hypothesen m6chte ich grob untergliedem in sozio6konomische, institutionelle und (partei-)politische Faktoren, wobei in der letzten Kategorie auch der Einfluss politischer Kultur untersucht werden soil.
Sozio-6konomische und demographische Bestimmungsfaktoren Zun/ichst die Untersuchung sozio-6konomischer und demographischer Faktoren: Bereits Dye (1966: 81) hat dem wirtschaftlichen Wohlstand eine hohe Bedeutung in der Erkl~a'ung der Variation der Bildungsausgaben zugeschrieben. Ein stark positiver Zusammenhang ist vor allem zwischen dem gliedstaatlichen ProKopf-Einkommen und den Pro-Schiiler-Ausgaben zu erwarten. Die einfache lineare Regression in Grafik 2.6 des Pro-Kopf-Einkommens auf die Bildungsausgaben pro Schiller erfasst 49 Prozent der Variation der abh~ingigen Variablen im Querschnitt. Zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen und der Bildungsausgabenquote besteht ein weniger starker (R'=0,32), allerdings negativer Zusammenhang (Grafik A2.8 (Anhang)). Diese scheinbar widerspriichlichen Befunde deuten darauf hin, dass die Pro-Schiiler-Ausgaben erwartungsgem~iB mit dem Wohlstandsniveau ansteigen, gleichzeitig aber der Anteil der Bildungsausgaben an der Wirtschaftsleistung bei steigendem wirtschaftlichem Wohlstand tendenziell abnimmt. ~~176 Das Wagner'sche Gesetz der steigenden Sozialausgabenquote bei steigendem Wohlstand scheint sich ftir den Fall der Bildungspolitik im intranationalen Vergleich nicht zu best~itigen. Dies mag dadurch begriindbar sein,
100 In unserem Fall handelt es sich ja um eine Querschnittsanalyse, weshalb bei der Verallgemeinerung einer zeitbezogenen These (Zunahme des Wirtschaftswohlstandes) die Annahme get/itigt werden muss, dass die Variation in dieser Variable in der Querschnittsdimension auch eine potentielle Variation fiber die Zeit hinweg widerspiegelt. Dies ist verbunden mit der Annahme, dass der fragliche zeitliche Prozess in jeder der betrachteten Untersuchungseinheiten gleichf'6rmig verl~iuft, dass also die Einheiten, die im Querschnitt heute ein h6heres Wohlstandsniveau aufweisen in ihrem Wesen den Einheiten mit niedrigerem Niveau gleich und lediglich Vertreter unterschiedlicher Entwicklungsstufen in einem universal gleich verlaufenden Prozess sind.
118
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
dass die Bildung und Erziehung eines nur langfristig schwankenden Bev61kerungsteils (Kinder im schulf'~ihigen Alter) in einem System, welches nahezu universalistische Bildungspartizipation erreicht, einen relativ konstanten, wenig steigerbaren Ressourcenbedarf hat, welcher bei steigendem Wohlstand einen immer geringeren Teil der Wirtschafisleistung beansprucht. In der Sozialpolitik hingegen scheint fiber lange Zeitr~iume hinweg das Steigerungspotential durch die Begr/indung neuer Anspr/iche (Pflegeversicherung, Familienpolitik, Btirgergeld) wesentlich gr6Ber zu sein, weswegen dort das Wagner'sche Gesetz st~irker zum Tragen kommt. Diese l~erlegung werden durch einen Blick auf Grafik A2.9 (Anhang) unterstfitzt: Hier wird ersichtlich, dass die B ildungsausgabenquote in den gliedstaatlichen Wirtschaftssystemen, in denen der Dienstleistungssektor dominiert, niedriger ist als in den Wirtschaften, in denen die Industrie und der Bergbau dominieren. Letztere mtissen also zur Finanzierung der Bildung einen gr6Beren Teil ihrer Wirtschaftsleistung aufbringen als dienstleistungsorientierte Staaten. l~
101 Vergleiche zur Bedeutung der relativen Verteilung der Wirtschaftssektoren als Determinante von Staatshandeln Gray 2004:19.
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Quellcn: "Spending per pupil in I0005", aus: Wong 2004: 375; "Per Capita Personal Income in 10005 by State", 200 I, aus: Gray 2004:2 I. Als n~ichstes wenden wir uns der Untersuchung der politischen ,,Nachfrageseite" zu (Kapeluck 2001:14; Garand / Baudoin 2004: 297). Hier geht es darum, das AusmaB der an die Politik gestellten Forderungen nach 6ffentlichen Dienstleistungen abzusch/itzen. Zur Operationalisierung dieser These k6nnen die A1terszusammensetzung der Bev61kerung oder die Anteile von Minderheitenpopulationen herangezogen werden. Im Fall der Bildungspolitik sind vor allem die Gr6Be der Bev61kerungsgruppe der Schiller bzw. der Kinder im schulf'dhigen Alter und das relative Gewicht der 0ber-65-J/ihrigen (Poterba 1997) entschei-
120
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
dend. Es kann argumentiert werden, dass eine relativ grol3e Schulbev61kerung (Anteil der Schiller an der Gesamtbev61kemng) einhergeht mit einer h6heren Bildungsausgabenquote. Zur Erziehung und Bildung dieses Bev61kemngsteils muss ein gr6gerer Teil der Wirtschaftsleistung verwendet werden. Dieser Zusammenhang ist in Grafik A2.10 (Anhang) dargestellt, erwarmngsgem/il3 positiv, aber nicht sonderlich stark (erkl/irte Varianz: R2=0,21). Poterba (1997) stellt die These auf, dass ein gr6gerer Bev61kerungsanteil der 13ber-65-J~ihrigen mit niedrigeren Bildungsausgaben einhergehen miisse. Auch Button (1992) hat in einer Untersuchung von Counties in Florida nachgewiesen, dass 13ber-55-J/ihrige in lokalen Schulreferenden h/iufiger gegen h6here Ausgaben und Bildungsexpansion stimmen (ebd.: 791). Vinovskis (1993) kann durch Umfrageforschung ebenfalls eine bildungsfeindlichere Haltung der/ilteren Bev61kerungsgruppen nachweisen (ebd.: 51). Bei unserer Untersuchung bivariater Scatterplots 1/isst sich jedoch kein ausgepr/igter Zusammenhang zwischen dem Anteil der 13ber-65-J/ihrigen und der Bildungsausgabenquote (R2=0,07) oder den Pro-Schtiler-Ausgaben (R2=0,01) nachweisen. Der Einfluss demographischer Faktoren sollte jedoch in der multivariaten Analyse wieder aufgegriffen werden.
(Partei-)Politische Bestimmungsfaktoren Der n/ichste Schritt ist die Untersuchung des Einflusses von (partei-)politischen Faktoren (Garand 1985; Klass 1979; Kapeluck 2001: 9-10). Im Prinzip geht es hierbei ~ihnlich wie bei der aus dem internationalen Vergleich bekannten Parteiendifferenzthese um die Frage, inwiefern die Dominanz bestimmter parteipolitischer Kr/ifte in der Exekutive oder der Legislative einen Einfluss auf den Politik-Output haben. Da es sich bei dem US-System und seinen ,,T6chtern" auf gliedstaatlicher Ebene aber um pr~isidentielle Systeme handelt, ist die Operationalisierung der Parteiendifferenzthese nicht so einfach durch die Erfassung der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierungskabinette, wie im internationalen Vergleich iiblich und ftir parlamentarische System auch angemessen, zu bewerkstelligen. Auch auf gliedstaatlicher Ebene kommt es relativ h/iufig zum Auftreten von ,,divided government" (Fiorina 1992), einer Situation, in denen die parteipolitische F/irbung der Mehrheiten in den beiden Kammern der gliedstaatlichen Legislative und des Gouverneurs nicht tibereinstimmen. Augerdem muss bei der Untersuchung der parteipolitischen Kr/ifle in den USBundesstaaten immer die Tatsache im Hinterkopf behalten werden, dass, obwohl Parteien in verschiedenen Staaten unter demselben Namen antreten (Republikaner oder Demokraten) die ideologischen Unterschiede zwischen Parteigruppierungen verschiedener Staaten, die aber derselben nationalen Parteiorganisation angeh6ren, sehr grog sein k6nnen (Berry / Ringquist / Fording et al. 1998: 328-
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
121
329). Beispiele hierfiir sind die eher konservativ orientierten SiidstaatenDemokraten, deren Einfluss in der nationalen Parteiorganisation erst in den 1970er und 1980er Jahren nachhaltig gebrochen wurde oder die eher liberal gesinnten Republikaner aus den Neu-England-Staaten. Zwar ist es in den 1980er Jahren zu einer Re-Ideologisierung der amerikanischen Politik und zu einer St~irkung der administrativen und organisatorischen Kapazit/iten der nationalen Parteiorganisationen gekommen (Bibby / Holbrook 2004), dennoch bleibt die ideologische Heterogenit~it der amerikanischen Parteien, vor allem aus intemationaler Perspelaive, hoch. Zur Messung der relativen St/irke der parteipolitischen Kr~ifte~~ wird der von Bibby und Holbrook (2004: 87-89) vorgestellte und aktualisierte RanneyIndex verwendet, 1~ der in abgewandelter Form auch zur Messung des Grades des parteipolitischen Wettbewerbs verwendet werden kann. Ein Wert von 1 zeigt die vollst/indige Kontrolle durch die Demokraten an, ein Wert von 0 zeigt vollst~indige Kontrolle durch die Republikaner an. Die absolute Abweichung von dem Mittelpunkt des Indexes (0,5) kann daher als Gradmesser fiir die Auspr/igung des parteipolitischen Wettbewerbs interpretiert werden. Eine geringe Abweichung bedeutet eine relativ Gleichverteilung der Macht zwischen Demokraten und Republikanem und daher einen hohen Wettbewerbsgrad, eine starke Abweichung vom Mittelwert hingegen die Dominanz der einen oder anderen Partei. Nach einigen unkomplizierten Umformungsvorg~ingen TM wird der Ranney Competition Index so geeicht, dass eine 1 vollst~indigen Wettbewerb und eine 0.5 keinen Wettbewerb anzeigt. In Analogie zum intemationalen Vergleich ware auch im intranationalen Vergleich zu erwarten, dass eine st~irkere Machtstellung der Demokraten, also der Partei, die die linke H/ilfte des ideologischen Spektrums abdeckt, mit h6heren Bildungsausgaben einhergeht. TM Zumindest in den hier durchgeffihrten Scat102 Berry / Ringquist / Fording et al. (1998) legen hierzu einen akribisch entwickelten Index vor, der aul3erdem unterscheidet zwischen ,,citizen ideology" (politischideologische Einstellungen der Bev61kerung) und ,,government ideology" (in den Regierungsinstitutionen dominierende politische Str6mungen). Leider reicht der Index nur bis zum Jahre 1993 und kann daher hier nicht verwendet werden. 103Der Ranney Index hat verschiedene Komponenten: 1. Den prozentualen Anteil, den die Parteien in Gouverneurswahlen erlangt haben und ihr Anteil an der Sitzverteilung in der Legislative; 2. die L~ingeder Zeitperiode, in der die Parteien den Gouvemeursposten oder die Mehrheit in einer der beiden Kammern der Legislative kontrolliert haben; 3. die H/iufigkeit des Auftretens von ,,divided government". 104 Der Ranney Competition Index berechnet sich nach der Formel: 1-l.5-Ranney Indexl (Bibby / Holbrook 2004: Fn 3, S. 89). 105Garand (1985: 371,373) kann einen deutlichen Ausgabenzuwachs bei der Bildung von ca. 7 Prozent (und 12 Prozent in der langen Frist) nachweisen, wenn es zu einem Wechsel
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Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
terplot-Analysen best~itigt sich diese These allerdings nicht: Weder bei der Betrachtung der Pro-Schfiler-Ausgaben, noch bei der B ildungsausgabenquote l~isst sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang nachweisen. ~~ Auch hier muss im Rahmen der multivariaten Analyse nochmals nachgehakt werden. Die These von der Bedeutung der Intensit~it der Bedeutung des Parteienwettbewerbs erfreut sich in der Literatur zum intranationalen Vergleich der Staatsausgaben hoher Beliebtheit. So wird von einer h6heren Intensit~it des Wettbewerbs getreu der von V.O. Key gepr/igten These erwartet, dass die ,,HaveNots" st~irker mit sozialpolitischen Gaben umworben werden, denn diese W~ihlergruppen seien zahlenm/il3ig st~irker als die Angeh6rigen der oberen Einkommensschichten (Garand / Baudoin 2004: 296; Kapeluck 2001:11-12). Insofern w~ire zu erwarten, dass eine st/irkere Intensit~it des Parteienwettbewerbs einhergeht mit h6heren Ausgaben, im Sinne der im anglo-amerikanischen Raum/iblichen Annahme der Substituierbarkeit zwischen Bildungs- und Sozialausgaben, auch im Bildungsbereich. Die bivariate Analyse kann allerdings auch hier keinen Zusammenhang zwischen der Bildungsausgabenquote oder den Pro-SchiilerAusgaben und dem oben vorgestellten Ranney Competition Index feststellen. Alternativ k6nnte zur (3berprfifung der Key-These auch die Wahlbeteiligung als Indikator der Berficksichtigung yon Unterklassen-Interessen herangezogen werden (Kapeluck 2001: 12-13), wenn man annimmt, dass die politische Beteiligung der oberen Klassen st/irker ausgepr~igt ist. Ein Ansteigen der Wahlbeteiligung wiirde daher bedeuten, dass die neuen W~ihlergruppen vor allem aus den unteren Schichten kommen, worauf die politischen Akteure mit einer Anhebung der Ausgaben reagieren. Aber auch zwischen der Wahlbeteiligung und den B ildungsausgaben besteht kein statistisch nachweisbarer Zusammenhang. Eine weitere politische Variable von Interesse betrifft den Einfluss von Lobby-Gruppen, hier vor allem der Lehrergewerkschaften. Die Organisationsdichte dieser Assoziationen ist sehr hoch: Ungefiihr 77 Prozent aller Lehrer im Prim~irund Sekundfirbereich sind Mitglied einer der beiden grol3en Lehrergewerkschaften (Peters 2004: 352). Die National Education Association (NEA) mit ihren 2,7 Millionen Mitgliedem ist eigentlich ein Berufsverband, engagiert sich aber zuim Amt des Gouverneurs kommt. Auch eine Verfinderung der parteipolitischen Zusammensetzung der Legislative hat Ver~inderungen in der Ausgabendimension zur Folge. Allerdings untersucht Garand nur, ob es zu einem Wechsel kommt, nicht aber in welche ideologische Richtung dieser Wechsel fiihrt (ebd.: 382). Er weist also nicht nach, dass Demokraten h6here Ausgaben t~itigen als Republikaner. Frfihere Untersuchungen haben stets die dominierende Erklfirungskraft von 6konomischen im Vergleich zu politischen Variablen betont (Dawson / Robertson 1963; Dye 1966, 1988; Gray 1976; Klass 1979). 106 Wenn im Folgenden davon gesprochen wird, dass kein statistischer Zusammenhang nachweisbar ist, so ist damit gemeint, dass die erklfirte Variation (R2) in diesen F~illen unter 0,10 und / oder die Steigung der Regressionsgeraden niedrig ist.
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
123
nehmend auch als Gewerkschaft. Die American Federation o f Teachers (AFT) ist affiliiert mit dem Gewerkschaftsdachverband (AFL-CIO) und achtet besonders auf die Wahrung der lohnpolitischen Interessen ihrer 1,3 Millionen Mitglieder. 1~ Wie wir in Kapitel 2.2.3 noch sehen werden, haben die Lehrergewerkschaften eine starke lokale Basis, auf der die kollektiven Lohnverhandlungen mit den Schuldistrikten gefiihrt werden. An dieser Stelle interessiert aber vor allem der Einfluss, den die Lehrergewerkschaften bei den gliedstaatlichen Regierungen haben. Hier haben umfassende Studien gezeigt, dass die Lehrergewerkschaften neben den Assoziationen der Gesch/iftswelt mit weitem Abstand die einflussreichsten Interessengruppen auf einzelstaatlicher Ebene sind (Thomas / Hrebenar 2004: 118-119). Weiterhin zeigen sich zwischen den Bundesstaaten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Einflussst/irke von Lobby-Gruppen: Besonders in den Siidstaaten, in denen aufgrund der langen Quasi-Einparteien-Herrschaft der Demokraten das Parteiensystem und nicht inkorporierte zivilgesellschaftliche Assoziationen unterentwickelt sind, ist der Einfluss von privaten Interessengruppen groB (ebd.: 122).
107Aktuelle Mitgliederzahlen nach: www.aft.org; www.nea.org.
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Grafik2.7:
Einfluss von Interessengruppen
(2002) und Bildungsausgaben
(2000).
Quellen: "Spending per pupil in 10005," aus: Wong 2004: 375; "Overall impact of interest groups in 2002", aus: Thomas / Hrebenar 2004:122. Grafik 2.7 zeigt einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Einfluss von Interessengruppen und Bildungsausgaben pro Schiller. Dies k6nnte andeuten, dass in von Interessengruppen dominierten politischen Systemen die Bildungsausgaben den Ktirzeren ziehen, vielleicht, weil sich die Lehrergewerkschaften gegen m/ichtige andere Interessenverb/inde nicht durchsetzen k6nnen, vielleicht, weil Bildung als Politikfeld weniger im Blickfeld der machtvollsten Lobbyisten liegt. Es k6nnte sich allerdings auch um ein statistisches Artefakt handeln, denn wir wissen ja aus vorangegangenen Analysen, dass die Pro-Schiiler-Ausgaben in den wirtschaftlich schw/icheren Staaten des Stidens niedriger sind. Aul3erdem neigen genau diese Stidstaaten zur Auspr/igung von durch Interessengruppen
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
125
dominierten politischen Systemen, ohne dass jedoch ein zwangsl~iufig kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Variablen besteht. Auch hier muss die multivariate Analyse, in der der Faktor Wirtschaftskraft konstant gehalten werden kann, mehr Licht ins Dunkel bringen.
Politische Kultur
Als letzte politische Variable m6chte ich den Faktor politische Kultur ins Spiel bringen. In der Literatur, die sich mit dem intranationalen Vergleich der USBundesstaaten befasst, erfreut sich eine von Daniel J. Elazar bereits zu Anfang der 1970er Jahre gepr/igte Typologie besonderer Beliebtheit (Elazar 1972; Gray 2004; Marshall / Mitchell / Wirt 1989; Peterson / Rom 1989: 718-719; Kapeluck 2001: 14-15). Nach Elazar finden sich drei Auspr/igungen politischer Kultur in den Bundesstaaten, deren Entstehung auf die Verbreitung und Besiedlungswege von bestimmten Immigrantengruppen zurfickzuffihren ist (Elazar 1972: 108109). Diese Auspr/igungen politischer Kultur k6nnen in verschiedenen Staaten zwar in Mischformen vorkommen, dennoch lassen sich eindeutige regionale Schwerpunkte identifizieren. So wurde yon den puritanischen Siedlergruppen in Neu-England, die in die Staaten gekommen waren, um eine neue, bessere Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, unterstiitzt yon skandinavischen und nordeurop~iischen Auswanderern, die moralistische Kultur gepr/igt. Diese ist durch die Betonung des Gemeinwohls als Grundlage der Demokratie gekennzeichnet. Die Ausiibung der Politik wird als Dienst am 6ffentlichen Interesse betrachtet, wodurch den politischen Akteuren auch eine gewisse moralische Fiihrungsrolle zuf~illt. Eine Intervention des Staates in die Privatsph/ire zum Wohle der Allgemeinheit wird eher akzeptiert als in den anderen Kulturen. Die Parteienbindung ist nicht iiberm/iBig stark ausgepr/igt, vielmehr findet sich eine etablierte Tradition der nicht-professionalisierten Amateur-Politik (ebd.: 96-98). Die Staaten der Middle Atlantic Region (New York, New Jersey, Delaware, Maryland) wurden haupts/ichlich besiedelt von nicht-puritanischen Engl~indem und germanischen Einwanderergruppen. Weft die Heterogenit/it dieser Gruppen sehr hoch und die Gemeinsamkeiten bis auf den individualisierten Traum der unbegrenzten M6glichkeiten sehr gering waren, hat sich dort eine individualistische Kultur ausgepr~igt. Die Funktion der Politik ist hier weniger die Erfiillung eines Gemeinwohls, stattdessen wird Politik als 6ffentlicher Marktplatz verstanden, in der private Interessen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Folglich ist aueh die Intervention des Staates in die Privatsph~e zu minimieren. Von Politikern wird nicht moralische Fiihrung erwartet, sondern lediglich die Erffillung des ,dirty, but necessary business of politics'. Pers6nliche Vertrauensbeziehungen spielen ebenfalls eine gewisse Rolle (Elazar 1972: 94-95).
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Die Siedler, die sich in den heutigen Siidstaaten niedergelassen haben, hatten die Transferierung der Institutionen der Alten Welt in die Neue zum Ziel, wobei es vor allem um die Errichtung einer aristokratisch gepr~igten, hierarchischen Gesellschaftsform ging, deren Wirtschaftssystem auf einer sklavenhalterischen Agrarwirtschaft basierte und ansonsten eine eher anti-kommerzielle Grundtendenz aufwies. Daher bezeichnet Elazar die dortige als die traditionalistische politische Kultur. Neben einer ambivalenten Haltung gegenfiber der Marktwirtschaft finden sich in diesen Staaten ein elitistisches und paternalistisches Gemeinwohlverst~indnis. Die Rolle der Regierung besteht vornehmlich in der Aufrechterhaltung der 6ffentlichen Ordnung. Die tats/~chliche politische Macht kommt einer kleinen politischen und wirtschaftlichen Elite zu, deren Regierungsanspruch auf pers6nliche Verbindungen und historische Gegebenheiten zurfickgefiihrt wird. Politische Parteien sind weniger wichtig, wie bereits oben gesehen (Elazar 1972: 99). Die Verteilung der verschiedenen politischen Kulturen auf die Bundesstaaten hat mit den Besiedlungswegen zu tun, die die erw~ihnten S iedlergruppen eingeschlagen haben. Stark vereinfachend kann man sagen, dass sich die Pr~igekr/ffte der individualistischen und der moralistischen Kultur vonder Ostkfiste aus gen Westen bewegt haben. Daher sind die Staaten des Mittleren Westens und des Sfidwestens heute vor allem von einer individualistischen Kultur gepr~igt, die Staaten des Nordens, des Nordostens und der Pazifilddiste v o n d e r moralistischen, w/~hrend die Sfidstaaten weiterhin von einer aufgekl/~rten Variante der traditionalistischen Kultur gepr~igt sind (ebd.: 119). In Bezug auf die Bildungspolitik ist die Erkl~irungskraft von Elazars Theorie durch den Nachweis von bestehenden systematischen politisch-kulturellen Unterschieden der gliedstaatlichen bildungspolitischen Akteure nachgewiesen worden (Marshall / Mitchell / Wirt 1989:117, 119). Fiir die Bildungsausgaben k6nnte die These aufgestellt werden, dass die Staaten mit moralistischer Kultur am ehesten hohe Ausgaben zulassen, da dort Regierungsinterventionen zum Wohle der Allgemeinheit am weitesten toleriert werden. Grafik 2.8 zeigt jedoch, dass die Staaten der individualistischen Kultur die h6chsten Pro-Schiiler-Ausgaben aufweisen. Dies mag damit zu tun haben, dass in diesen Staaten der Bildungspolitik als Mittel zur Erklimmung der sozialen Leiter, getreu dem Mythos von den unbegrenzten M6glichkeiten, die Vorfahrt vor kompensierenden oder umverteilenden sozialpolitischen Maf~nahmen einger~iumt wird. Ein Blick auf die Daten zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Staatengruppen geringer ausfallen, wenn anstelle der Bildungsausgaben die Ausgaben ffir Medicaid oder Sozialhilfe (TANF) betrachtet werden. Die Gruppe der Staaten mit individualistischer politischer Kultur sticht also vor allem bei den B ildungsausgaben hervor. Erwartungsgem/~f~ sind die Ausgaben in den Staaten mit traditionalistischer Kultur am ge-
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ringsten, denn in diesen Staaten hat die Einordnung des Einzelnen in bestehende gesellschaftliche Verh~iltnisse Vorrang vor der Pflege des amerikanischen Mythos des individuellen Aufsteigers.
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Dominierende politische Kultur
Grafik 2.8: Dominierende politische K u l t u r und Bildungsausgaben (2000). Quellen" "Spending per pupil in I0005", aus: Wong 2004: 375; "Dominant Political Culture by State 1984", aus: Gray 2004: 24. Eine andere m6gliche Operationalisierung politisch-kultureller Variabeln stellt der von Gray entwickelte Policy Liberalism-Index dar (Gray 2004: 5). Dieser Index basiert auf einer Kombination von Rangordnungen der Bundesstaaten, in denen die Liberalit~it von Waffenkontrollpolitiken, Abtreibungsrecht,
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Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
Berechtigungskriterien zum Sozialhilfebezug, die Progressivit/it des Steuersystems und die Einr/iumung der M6glichkeit des Abschlusses kollektiver Lohnvertr/ige erfasst wird. Niedrige Werte auf diesem Index zeigen eine besonders liberale politische Kultur an, hohe Werte das Gegenteil. Auch hier gibt es einen deutlich positiven Zusammenhang (R2=0,42) zwischen dem Grad des Liberalismus und den Pro-Schiller-Ausgaben. Auf den ersten Blick scheint es, als ob liberale Bundesstaaten gem/il3 den Erwartungen mehr ftir Schiller ausgeben. Aber auch hier k6nnte es sich um ein statistisches Artefakt handeln, denn viele der liberalen Staaten (Kalifomien, New Jersey, New York, Connecticut, Massachusetts) geh6ren auch mit zu den reichsten Bundesstaaten. ~~ Insofern muss auch hier das Ergebnis der multivariaten Analyse abgewartet werden.
lnstitutionelle Bestimmungsfaktoren
Kommen wir nun zur Betrachtung der institutionellen Faktoren. Hier geht es vor allem um die Analyse der Wirkmechanismen zwischen verschiedenen fiskalpolitischen Stellgr613en und den Bildungsausgaben. Zun~ichst soil die auch im internationalen Vergleich prominente These untersucht werden, dass der Ausbau des Bildungsstaates zusammenh~ingt mit der generellen Arbeitsteilung zwischen Markt und Staat in der Finanzierung und Bereitstellung 5ffentlicher Dienstleistungen. In anderen Worten ausgedrilckt: Es ist zu erwarten, dass eine hohe Bildungsausgabenquote einhergeht mit einer generell hohen Staatsausgabenquote. Wie bereits deutlich geworden sein dilrfte, gibt es auch im US-intranationalen Vergleich erhebliche Unterschiede bezfiglich der Liberalit~it einzelstaatlicher Politik und der politisch-kulturell und ideologisch vermittelten Bereitschaft, staatliche Interventionen in die Privat- und Marktsph~ire zu akzeptieren. Grafik 2.9 best~itigt, dass es einen stark positiven Zusammenhang zwischen der generellen Staatsausgabenquote (abziiglich der Bildungsausgaben) und der Bildungsausgabenquote (R2=0,22) gibt, das heil3t, die Staaten, die einen grol3en Teil ihrer Wirtschaftsleistung auf die Finanziemng 6ffentlicher Giiter verwenden, zeigen sich auch in der Finanzierung der Bildung grol3ziigig. Interessanterweise zeigt sich hier, dass die regionale Position eines Bundesstaates nicht unbedingt allein ausschlaggebend ist. Die Staaten, die den gr613ten Tell ihrer Wirtschaftsleistung ftir Bildung und andere 5ffentliche Giiter ausgeben, sind Vermont, ein Staat aus der Region Nordosten, und New Mexico (Sildwesten).
108Zwischen der Bildungsausgabenquote und dem Liberalismus-Index besteht kein statistisch nachweisbarer Zusammenhang, dies verst/irkt die Beftirchtung, dass es sich um ein statistisches Artefakt handelt, denn die liberalen Staaten sollten nicht nur tiber h6here ProKopf-Ausgaben, sondem auch fiber einen h6here Quote verftigen.
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Zusammenhang zwischen Staatsausgaben- (abziiglich Bildungsausgaben) und Bildungsausgabenquote, R2=0,22.
Quellen: "Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages)", aus: Garand / Baudoin 2004: 295; "Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Total, 2000 (in percentages)", aus: Garand / Baudoin 2004: 295. Anmerkung: Der Outlier Alaska wurde aus der Untersuchung ausgeschlossen, hier werden die Staatsausgaben durch die hohen Einnahmen aus dem 01verkauf in die H6he getrieben. Zwischen der Bildungsausgabenquote und den Ausgabenquoten einzelner Politikfelder (Medicaid, Sozialhilfe) besteht kein derart stabiler statistischer Zusammenhang, aber zwischen der H6he der Zahlungen pro MedicaidEmpffinger, die auch durch gliedstaatliche Politiken bestimmt wird und insofern
130
Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
als Indikator der GroBz/igigkeit der sozialpolitischen Leistungen eines Bundesstaates angesehen werden kann, und den Pro-Schfiler-Ausgaben (siehe Grafik A2.11). Aber auch hier ist Vorsicht geboten: H6here Pro-Kopf-Ausgaben k6nnten einfach den h6heren wirtschaftlichen Wohlstand eines Bundesstaates wiedergeben. Die multivariate Analyse kann hierfiber Aufschluss verschaffen. Auch das AusmaB der Ungleichheit in der Verteilung der Bildungsausgaben in den einzelnen Bundesstaaten scheint im Zusammenhang zu stehen mit den Pro-Schiiler-Ausgaben (Grafik 2.10). Je stfirker die Ungleichheit, also je gr613er die Disparit/it zwischen der 5. und 95. Perzentile in der Verteilung der Bildungsausgaben auf die Distrikte, aggregiert auf der Ebene der Gliedstaaten, desto h6her die durchschnittlichen Bildungsausgaben pro Schiller (R2=0,33). Dies k6nnte bedeuten, dass nur in Systemen, die eine relativ starke Ungleichverteilung der Ressourcen akzeptieren, h6here 6ffentliche Ressourcen zur Bildungsfinanzierung mobilisiert werden k6nnen. Die Staatengruppe der reichen Nordost-Staaten (New Jersey, New York, Vermont, New Hampshire, Connecticut, Massachusetts, Illinois) fiillt allerdings durch ihre relativ groBe Ungleichheit und durch die hohen Bildungsausgaben auf. Diese Staaten verfiigen allerdings auch fiber h6here wirtschaftliche Ressourcen, insofem ist zu prfifen, ob der statistische Zusammenhang hier eine wirkliche Kausalit/it begriindet oder nicht.
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Disparitiit zwischen der 5. und 95. Perzentile in der Verteilung der Bildungsausgaben pro Staat
Grafik2.10: Zusammenhang zwischen Ungleichheit der Verteilung der Bildungsressourcen und Pro-Schiiler-Ausgaben (2000). Quellen: "Spending per pupil in 10005", aus: Wong 2004: 375; "Disparity between fifth and ninety- fifth percentiles in 10005", aus: Wong in Gray / Hanson 2004: 375. Anmcrkung: Der Outlier Alaska wurde aus der Untersuchung ausgeschlosscn, hicr werden die Staatsausgabcn durch die hohcn Einnahmcn aus dcm Olvcrkauf in die H6hc gctrieben. Lohnenswert ist auch eine Betrachtung des Einflusses der Finanzbeziehung e n d e r Gliedstaaten zu der Bundesebene (Kapeluck 2001: 19). Das Verh~iltnis zwischen eingenommenen Bundessteuem je Bundesstaat zur H6he der Bundeszuschiisse an denselben Staat kann als Gradmesser daftir gelten, wie stark Bundesmittel zum Zwecke des vertikalen Ausgleichs von Ungleichheiten in den einzelnen Bundesstaaten eingesetzt werden. Eine Betrachtung des Zusammenhanges zwischen den Bildungsausgaben pro Schiller und diesem Gradmesser
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Bildungsfinanzen in den USA" Primar- und Sekundarschulwesen
(Grafik 2.11) zeigt, dass besonders die Staaten mit niedrigen Pro-SchfilerAusgaben starker in den Genuss von Bundesmitteln kommen (R2=0,23). Insofem lassen sich durchaus Anzeichen fOr die Existenz des ,,flypaper"-Effektes (Kapeluck 2001: 19) finden, nach dem die Bundeszuschfisse auf der gliedstaatlichen Ebene wie Fliegen in der Falle ,,kleben" bleiben und weitere Eigenmittelausgaben motivieren. Die St/irke des statistischen Zusammenhangs ist allerdings nur mittelm/iBig.
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Grafik 2.11: Bundesmittel (2001) und Bildungsausgaben (2000), R2=0,23. Quellen: "Spending per pupil in 10005", aus: Wong 2004: 375; "Ratio of Total Federal Exdpenditure to Total Federal Tax Burden", 2001, aus: Hanson 2004: 44. Anmerkung: Der Outlier Alaska wurde aus der Untersuchung ausgeschlossen, hier werden die Staatsausgaben durch die hohen Einnahmen aus dem 01verkauf in die H6he getrieben.
Bildungsfinanzen in den USA: Primar- und Sekundarschulwesen
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Grafik 2.12 stellt den deutlich st~keren, positiven Zusammenhang dar zwischen der 6ffentlichen Ausgabenquote und dem Anteil der gliedstaatlichen Haushalte an den Bildungsausgaben. Dadurch wird deutlich, dass die Bildungsausgabenquote in einem Bundesstaat h6her ist, je h6her der Anteil gliedstaatlicher Finanzierungsquellen an der Gesamtfinanzierungslast. Dieser Effekt ist zum Einen zuriickzuftihren auf die Stellung einiger Staatengruppen im intranationalen Vergleich. So zeichnen sich die reichen Nordost-Staaten durch niedrige Ausgabenquoten und einen geringen Anteil gliedstaatlicher Finanzierung aus, w/ihrend die Siidstaaten durch starke fiskalische Zentralisierung und relativ hohe Ausgabenquoten (bei unterdurchschnittlich hohen Pro-Schiiler-Ausgaben) auffallen. Es zeigt sich aber auffallende AusreiBer wie wie Hawaii, New Mexico, Vermont und mit Einschr/inkungen auch Alaska, Utah und Arkansas, deren hohe Ausgabenquote und Zentralisierungsgrad vor allem auf politische Pr/iferenzen zuriickzuffihren sein diirfte.
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Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Gesamtbildungsausgabe n, 2000/01
Grafik 2.12: Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Gesamtbildungsausgaben (2000/01) und Bildungsausgabenquote (2000), R2=0,50. Quellen: "Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages)", aus: Garand / Baudoin 2004: 295; Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Gesamtbildungsausgaben aus: NCES 2004, Tabelle 157. Die letzten der hier betrachteten Variablen betreffen die Organisation der Besch/iftigung im 6ffentlichen Sektor. Weil die Erbringung von Bildungsleistungen sehr personalintensiv ist, w[ire zu erwarten, dass die Ausgaben fiir Bildung, die in einem gewissen Sinne auch die Kosten der Bereitstellung dieser Dienstleistungen widerspiegeln, von den Besch~iftigungsverh~iltnissen im 6ffentlichen Sektor des jeweiligen Bundesstaates abh/ingen. In der Tat findet sich ein relativ starker (R2=0,39), positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl der 6ffentlichen Besch/iftigten pro 10.000 Einwohner und der Bildungsausgabenquote (Gra-
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135
fik 2.13). Dieser Befund h/ingt eng zusammen mit der bereits diskutierten These, dass auch im intranationalen Vergleich die B ildungsausgaben abh/ingen vonder im jeweiligen Staat herrschenden Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt. Es ist allerdings schwierig, hier eine eindeutige kausale Hypothese zu formulieren: Sind die Ausgaben hoch, weil die/Sffentliche Besch~ifligung im Sinne eines ausgebauten, intervenierenden Sozial- und Bildungsstaates gef'6rdert wurde? Oder ist die 6ffentliche Besch/iftigung so hoch, weil auf politischer Ebene der Ausbau der Bildungspolitik beschlossen wurde, und aufgrund der Personalintensit/it der Bildung dies auch mit einer Ausweitung der Zahl der 6ffentlichen Angestellten verbunden war? Ein ebenfalls relativ starker, positiver Zusammenhang besteht zwischen den Pro-Sch/iler-Ausgaben und den durchschnittlichen Monatsverdiensten der 6ffentlich Besch/ifligten (Grafik A2.12 (Anhang)). Hier d/irfte es sich allerdings auch weniger um eine kausale Beziehung, sondern vielmehr um eine statistische Korrelation auf der Ebene der ,,sources" handeln: Ein hohes Pro-Kopf-Einkommen (hoher wirtschaftlicher Wohlstand) f/ihrt ceteris paribus zu h6heren Bildungsausgaben, aber auch zu h6heren Geh~iltem. Es k6nnte daher sein, dass die hohen Geh~ilter im 6ffentlichen Sektor die B ildungsausgaben pro Sch/iler hochtreiben (nicht unbedingt die Bildungsausgabenquote), beide Faktoren aber gleichzeitig kausal von dem wirtschafllichen Entwicklungsniveau beeinflusst werden.
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G r a f i k 2.13: Z u s a m m e n h a n g zwischen der Anzahl der iiffentlich Besch~iftigten (2000) und der B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e (2000), R2=0,39. Quellen: "Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages)", aus: Garand / Baudoin 2004: 295; "State Employees, all functions, per 10 000 residents: Number, March 2000", aus: Elling 2004: 264. Anmerkung: Der Outlier Hawaii, der durch seine im intranationalen Vergleich ausgesprochene Vorliebe flit staatliche L6sungen fiber eine sehr hohe Besch~iftigtenquote im 6ffentlichen Sektor verfiigt, wurde in dieser Untersuchung ausgeschlossen.
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Multivariate Regressionsanalyse Kommen wir nun zu den Ergebnissen der multivariaten Analyse der B ildungsausgaben der US-Bundesstaaten. Die Analyse basiert auf einem Querschnitt des Jahres 2000, Details zu Datenquellen und Definition finden sich in Anhang A. Als statistisches Berechnungsverfahren wurde die robuste OLS-Regression verwendet. Durch dieses Verfahren werden eventuelle Heteroskedastizit/itsProbleme vermieden, obwohl die Scatterplots gezeigt haben, dass sic in unserem Fall nicht sonderlich ernst zu sein scheinen. Es werden jeweils zwei Modelle fiir die beiden interessierenden abh/ingigen Variablen (Bildungsausgabenquote, ProSchiiler-Ausgaben) pr/isentiert: ein umfassendes, welches m6glichst alle hier vorgestellten Variablen enth/ilt, und ein reduziertes, in dem lediglich die Variablen mit der st~ksten Erkl~imngskraft, gemessen an ihrer statistischen Signifikanz, enthalten sind. Beim Schritt vom umfassenden zum reduzierten Modell wurden zun/ichst nur die Variablen beibehalten, die einen t-Wert gr6Ber 1,5 aufweisen konnten. Zus/itzlich wurden jeweils die herausgefallenen Variablen einzeln nochmals in dem reduzierten Modell inkludiert und auf Signifikanz getestet.
Abhiingige Variable
Etatisierungsgrad Ausgabenquote fiir Sozialhilfe Ausgabenquote fiir Medicaid Anteil der Schulbev61kerung an Gesamtbev61kerun.g Anteil der Uber-65-J/ihrigen Pro-Kopf-Einkommen Ausgabendisparit~t zwischen 5. und 95. Perzentile
Umfassendes Modell Reduziertes Modell Bildungsausgabenquote, 2000 RegresBivariate sionsKorrelakoeffizient tion (t-Wert) 0.164 0.222 0.71 (2.69)* (3.64)** -0.173 -0.150 0.31 (0.65) (1.20) -0.424 0.31 (1.31) 0.299 0.140 0.45 (2.14)* (1.75) -0.048 -0.27 (0.74) -0.171 -0.056 -0.56 (5.91)** (1.85) 0.149 -0.02 (0.89)
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Dominierender Sektor: Finanzen, Versicherung, Immobilien Dominierender Sektor: Verarbeitende Industrie Dominierender Sektor: Bergbau Einfluss von Interessengruppen: Komplement/ir Einfluss von Interessengruppen: Komplement/ir / Dominant Einfluss von Interessengruppen: Dominant Politische Kultur: individualistisch Politische Kultur: traditionalisitsch Ranney Party Control Index Verh/iltnis Bundeszuschtisse zu Bundessteuereintreibungen Anzahl der Besch/iftigten im 6ffentlichen Sektor pro 10.000 Einwohner Policy Liberalism Index Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Bildungsausgaben Konstante
-0.539 (1.24) 0.193 (0.83) -0.920 (1.82) -0.346 (0.74) -0.321 (0.74) -0.124 (0.24) 0.030 (0.13) 0.057 (0.27) 0.522 (0.62) -0.443 (0.76)
-0.3
0.26 0.27 -0.25 0.19 0.01
-1.117 (2.43)* -1.422 (4.53)** -1.594 (3.99)**
-0.36 0.20 0.06
2.193 (3.17)**
0.54
0.009 (2.06)*
0.53
0.012 (1.31)
0.11
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0.71 (3.32)** -1.085 (0.41) Zahl der F/ille 48 Korrigiertes R2 0.82 Robuste t-Werte in Klammern; * signifikant auf 5%-Niveau; Niveau
4.101 (1.44) 50 0.55 ** signifikant auf 1%-
Tabelle 2.8" Ergebnisse der multivariaten Analyse, abhiingige Variable: Bildungsausgabenquote, 2000. Anmerkung: Zur Operationalisierung des Etatisierungsgrades wurde in dem umfassenden Modell die allgemeine Staatsausgabenquote und in dem reduzierten Modell die um die Bildungsausgaben reduzierte Staatsausgabenquote verwendet. Der Grund liegt in der unterschiedlichen (statistischen) Performanz der Variablen in den jeweiligen Modellen. Zu Quellen und Definitionen siehe Anhang A.
T a b e l l e 2.8 stellt die E r g e b n i s s e der A n a l y s e der B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e dar. Sie enth/ilt aul3erdem die e n t s p r e c h e n d e n b i v a r i a t e n K o r r e l a t i o n s k o e f f i z i e n -
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ten. 1~ Im umfassenden Modell sind fast alle der hier diskutierten Variablen enthalten. Aufgrund der hohen Zahl der unabh/ingigen Variablen ist es nicht verwunderlich, dass nur wenige Variablen herk6mmliche statistische Signifikanzniveaus erreichen. Hervorstechend ist die Bedeutung der Variable ,,Etatismusgrad". Damit zeigt sich, dass ein staatlichem Handeln und der 6ffentlichen Finanzierung von Dienstleistungen nicht feindliches Umfeld auch die H6he der Bildungsausgabenquote positiv beeinflusst. Weiterhin auff'fillig ist das negative Vorzeichen der Variablen ,,Pro-Kopf-Einkommen". Das Wagner'sche Gesetz best/itigt sich ~ r den Fall der Bildungsausgaben im US-intranationalen Vergleich nicht, wie sich bereits in Grafik A2.8 angedeutet hatte. Eine Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens um 1.000 Dollar ist nach den Zahlen des reduzierten Modells mit einer Abnahme der Bildungsausgabenquote von 0,17 Prozentpunkten verbunden. Wenn man dies mit der Gr613e des Effekts (ca. 0,16 Prozentpunkte), der durch eine Zunahme der Staatsquote bedingt ist, vergleicht, ist dies ein durchaus beachtlicher Wert. Der Anteil der Schiller an der Gesamtbev61kerung, eine weitere Kemvariable der sozio-6konomischen Theorieschule, hat sich als positive Determinante der Bildungsausgabenquote herausgestellt. Das heil3t, dass Bundesstaaten mit einer jiingeren Bev61kerung auch einen gr613eren Teil ihrer Wirtschaftsleistung fiir Bildung aufwenden. Die Betrachtung der Pro-Sch/iler-Ausgaben (siehe unten) wird zeigen, ob sich dies auch in h6heren absoluten Ausgaben niederschl/igt. Die Anzahl der Besch~iftigten im 6ffentlichen Sektor scheint auf den ersten Blick eine wichtige Determinante zu sein, hat sich aber in den weiter gehenden Analysen als nicht erkl/irungskr/iftig genug erwiesen, um herk6mmliche Signifikanzniveaus zu erreichen. Die Variable, die die Nettogr6Be der Bundeszuschiisse erfasst, erweist sich als nicht besonders erkl~irungskr/iftig, vor allem in den weiteren Analysen. Jedoch zeigt der relativ hohe t-Wert im umfassenden Modell an, dass die Variable nicht vollkommen unbedeutend ist. In den bivariaten Analysen hatten wir bei diesen Variablen noch einen positiven Zusammenhang herausgearbeitet (Grafik 2.12), der sich allerdings hier nicht best/itigt (negativer Regressi-
109Im Wesentlichen best/itigen die bivariation Korrelationen die Ergebnisse der multivariaten Analyse und der oben durchgeRihrten Scatterplot-Analysen. Die Erklfirungskraft der Variablen, die die Finanzierungskonkurrenz messen, ist schw/icher ausgepr/igt bzw. die Vorzeichen zeigen in die ,,falsche" Richtung. Das liegt daran, dass im Rahmen bivariater Analysen, wenn der Einfluss der allgemeinen Staatsausgabenquote nicht beachtet wird, die Ausgabenquoten fiir Sozialhilfe und Medicaid auch die Variation der allgemeinen Staatsausgabenquote mit abbilden. AuBerdem ist der bivariate Zusammenhang zwischen der parteipolitischen F/irbung der politischen Institutionen in einem Bundesstaat und den Ausgaben schwach. Da der Befund aus der multivariaten Analyse aber robust ist, sollte dieser Tatsache nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden.
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onskoeffizient). Insofem ist es in Bezug auf diese Variable schwer, bindende Rtickschl/isse zu ziehen. Der von Gray (2004) vorgestellte Policy Liberalism Index zur Erfassung des Grades der Liberalit/it gliedstaatlicher Politiken ist ebenfalls nicht besonders erkl/irungskr/iftig. Dies ist insofem interessant, weil es scheint, dass sich hinter dem interventionistischen 6ffentlichen Handeln zwei Dimensionen verbergen, von denen die eine, die Ausgabendimension, mit den Bildungsausgaben zusammenh/ingt, die andere aber nicht. Grafik A2.13 (Anhang) zeigt die Staatsausgabenquote und den Policy Liberalism Index und wie diese beiden Dimensionen eine Vier-Felder-Matrix aufspannen. Die rechtlich-moralischgesellschaflspolitische Liberalismusdimension steht offensichtlich mit der durch die Staatsausgabenquote gemessenen Bereitschaft des Staates zur Absch6pfung wirtschafllicher Ressourcen zum Zweck der Finanzierung 6ffentlicher Dienstleistung in keiner systematischen Beziehung. Die Poterba-These fiber den Einfluss der Altersvariablen auf die Bildungsausgaben kann in unserer Analyse nicht best/itigt werden. Die Variable, die den Anteil der 12rber-65-J/ihrigen an der Bev61kerung misst, ist nicht statistisch signifikant. F-Tests zeigen an, dass die kategorialen Variablen zur politischen Kultur und zum dominanten wirtschafllichen Sektor aus dem Modell ausgeschlossen werden k6nnen, nicht aber die Variable zur Erfassung des Einflusses von Interessengruppen, die sich im reduzierten Modell als hoch erkl/imngskr/iftig erweist. Die Basiskategorie der Interessengruppenvariablen ist die Kategorie ,,Komplement~ir / Untergeordnet", d.h. den Interessengruppen kommt im Verh/iltnis zu anderen politischen Akteuren, zum Beispiel Parteien, ein relativ geringes Gewicht zu. Doch je st/irker die Interessengruppen dominieren, desto gr6ger die Einbugen in der Bildungsausgabenquote (vgl. den ansteigenden absoluten Wert des Regressionskoeffizienten der kategorialen Variable). Die These, dass m/ichtige Interessengruppen wie Wirtschafts- und Agrarverb/inde, die neben den Lehrergewerkschaften die wichtigsten Lobby-Gruppen auf gliedstaatlicher Ebene sind (Thomas / Hrebenar 2004: 104), die Bildungspolitik an die Wand dr/ingen, wird dadurch best/itigt. Weiterhin finden sich Hinweise auf die Existenz von Finanzierungskonkurrenzen zwischen verschiedenen Ausgabenfeldern der Sozial- und Bildungspolitik (vgl. auch Gold 1995a, b; Garand / Hendrick 1991), die allerdings nur mittelstark sind. Zwischen der Gesamtausgabenquote und der Bildungsausgabenquote besteht eine stark positive Beziehung. Die Ausgaben fiir Sozialhilfe (,,welfare") sind im intranationalen Vergleich mit der Bildungsausgabenquote negativ assoziiert. Ein Vergleich der Gr6ge der Regressionskoeffizienten zeigt an, dass der negative Effekt eines Zuwachses von einem Prozentpunkt auf die Bildungsaus-
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gabenquote in etwa dem positiven Effekt vergleichbar ist, der aus einem Zuwachs der Staatsausgabenquote um einen Prozentpunkt resultiert. Besonders interessant ist der Einfluss des Ranney Party Control lndex. In den bivariaten Analysen hatte sich diese Variable noch als wenig erkl~amgskr/iftig erwiesen, in der multivariaten Analyse erlangt sie jedoch ein hohes Signifikanzniveau. Das positive Vorzeichen besagt, dass, getreu der Erwartungen, eine Zunahme der Kontrolle der Demokraten fiber die politischen Institutionen mit einem Anstieg der Bildungsausgaben einhergeht. Findet ein (in der Realit/it so kaum vorkommender) Wechsel von einer Situation der vollst/indigen Kontrolle durch Republikaner (0) zu einer Situation der vollst/indigen Kontrolle durch Demokraten (1) statt, so steigt die B ildungsausgabenquote um 2,2 Prozentpunkte an.
SchlieBlich wurde auch die Variable ,,Anteil der gliedstaatlichen Ebene an der Bildungsfinanzierung" in die Untersuchung aufgenommen. Wie schon in der bivariaten Analyse gezeigt, ist diese Variable positiv mit der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote assoziiert, d.h. je h/Sher der Anteil der gliedstaatlichen Ebene an den Bildungsausgaben, desto h6her die Ausgabenquoten. ll~ Bei der substanziellen Interpretation dieses Befundes ist allerdings Vorsicht geboten, denn die betrachtete Variable ~hrt eine neue Dimension der Variation in die Analyse ein, n/imlich die Frage, inwiefem die bildungsausgabenpolitische Verantwortung in einem Staat durch die lokale oder die zentrale Ebene bearbeitet wird. Auch bei dieser Frage gibt es staatengruppenspezifische Unterschiede, z.B. die st/irkere Pr/iferenz der Nordoststaaten ~ r lokale LSsungen und die ausgepr/igte Vorliebe der Sfidstaaten ftir fiskalische Zentralisierung. Wenn diese Variable in das reduzierte Modell aus Tabelle 2.8 aufgenommen wird, dann verlieren einige der betrachteten Variablen ihre statistische Signifikanz, unter anderem auch die Parteikontrollvariable. TM Auf der anderen Seite zeigt sich, dass wenn anstelle der allgemeinen Bildungsausgabenquote die/Sffentlichen Bildungsausgaben der gliedstaatlichen Ebene alleine (als Anteil am gliedstaatlichen pers/Snlichen Einkom-
110 Dabei ist der Grad der Ungleichheit in der fiskalischen Ausstattung zwischen Schuldistrikten nur schwach (-0,19) mit der Variablen ,,Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Bildungsausgaben" assoziiert. Von daher handelt es sich hier um zwei unterschiedliche Dimensionen fikalischer Zentralisierung: zum Einen die Frage, wie groB der Finanzierungsanteil der Gliedstaaten im Vergleich zu Lokalit/iten und Bundesebene ist und zum Zweiten die Frage, inwiefern gliedstaatliche Finanzumverteilungsmechanismen zum Ausgleich lokaler Ungleichheiten eingesetzt werden. Ill Der Grund ist eine mittelstarke Korrelation yon 0,3 mit der Variablen ,,Anteil der gliedstaatlichen Ebene an Bildungsausgaben".
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men) als abh~ingige Variable betrachtet werden, ~2 der Parteieneffekt noch st/irker ausf'~illt als in Tabelle 2.8 (vgl. Tabelle A2.3 im Anhang), w~hrend die anderen Variablen, was Vorzeichen, Signifikanz und Gr613e des Koeffizienten angeht, im Wesentlichen unver/indert bleiben. Der Einfluss der parteipolitischen Pr~igung der politischen Institutionen in einem Bundesstaat auf die H6he der Bildungsausgaben wird also besonders dann deutlich, wenn man lediglich diejenigen Ausgaben betrachtet, auf die die politischen Akteure in diesen Institutionen einen direkten Effekt haben.
112 Die Betrachtung der Gesamt-Ausgabenquoten pro Bundesstaat (und nicht nur der gliedstaatliche Anteil) als abh/ingige Variable ist insgesamt jedoch vorzuziehen, weil es ansonsten zu einer Vermischung von zwei analytisch voneinander unabh~ngigen Dimensionen der Variation (H6he der Bildungsausgaben sowie Grad der Zentralisierung der Bildungsfinanzierung auf Gliedstaaten-Ebene) kommt.
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Reduziertes Modell Bildungsausgaben pro Schiller, 2000 RegressionsB ivariate koeffizient Korrelation (t-Wert) 0.033 0.07 (0.48) -0.201 -0.34 -0.231 (2.03) (3.67)** 0.123 0.14 0.091 (2.25)* (3.00)** Umfassendes Modell
Abhtingige Variable
Anteil der Ober-65-J~ihrigen Anteil der Schulbev61kerung an der Gesamtbev61kerung Etatisierungsgrad (Staatsausgben- minus Bildungsausgabenquote) Ausgabendisparit~it zwischen 5. und 95. Perzentile Durchschnittlicher Monatsverdienst der 6ffentlichen Angestellten Politische Kultur: individualistisch Politische Kultur: traditionalistisch Pro-Kopf-Einkommen Verh~iltnis Bundeszuschiisse zu Bundessteuereintreibungen Medicaid-Ausgaben pro Leistungsempf'finger Sozialhilfe(TANF)- Ausgaben pro Leistungsempfanger Policy Liberalism Index Ranney Party Control Index Konstante
0.457 (2.47)* 0.000 (1.20)
0.58
0.613 (2.35)* 0.293 (0.91) 0.066 (1.78) -0.424 (0.92) 0.028 (0.27) 0.090 (1.25) -0.007 (0.65) 0.347 (0.42) 3.929 (1.37) 48 0.78
0.62
0.429 (2.93)**
0.61
-0.48 0.70
0.607 (2.72)** 0.196 (0.74) 0.102 (3.29)**
-0.42 0.61 0.27 -0.64
0.103 (1.19) -0.015 (2.02)
0.10
F~ille Korri~iertes R 2 Robuste t-Werte in Klammern * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
5.625 (3.34)** 48 0.78
Tabelle 2.9: Ergebnisse der multivariaten Analyse, abhiingige Variable: Bildungsausgaben pro Schiiler.
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Bildungsfinanzen in den USA." Primar- und Sekundarschulwesen
Tabelle 2.9 beinhaltet die Ergebnisse der multivariaten Analyse der ProSchfiler-Bildungsausgaben. 113 Teilweise unterstiltzten sie unsere Erkenntnisse aus der vorangegangenen Analyse, teilweise werfen sie neue Fragen auf. Auch hier wurde zun/ichst ein umfassendes Modell getestet. Wie schon bei der Analyse der Bildungsausgabenquote, erweist sich auch hier der Anteil der Ober-65-J/ihrigen als nicht erkl/irungskr/iftig. Der Anteil der Schiller an der Gesamtbev61kerung allerdings ist statistisch signifikant (vor allem im reduzierten Modell), weist aber ein negatives Vorzeichen auf. Dieses Ergebnis ist auf den ersten B lick verwirrend, kann aber im Zusammenhang mit den Ergebnissen aus Tabelle 2.8 verst~ndlich gemacht werden. Zum einen ist es so, dass Staaten, die fiber eine relativ junge Bev61kerung verftigen, eine h6here Bildungsausgabenquote aufweisen. Zum Zweiten ist ein hoher Anteil der Schiller an der Bev61kerung allerdings mit niedrigeren Pro-Kopf-Ausgaben assoziiert. Dies mag daran liegen, dass der Anteil der Jungen besonders in den im Vergleich zu den Staaten im Nordosten eher wirtschaftlich schw/icheren und 1/indlich gepr/igten Staaten des Sildens und Sildwestens besonders hoch ist und in diesen Staaten auch die Pro-Schiller-Ausgaben niedrig sind. Der Effekt der WirtschaftsVariable wird aber im Rahmen der multivariaten Analyse durch die Inkludierung der Variablen ,,Pro-Kopf-Einkommen" konstant gehalten. Insofern k6nnte es sich auch um einen eher kurzfristigen Wirkungszusammenhang handeln: Ein Anstieg der jungen Bev61kerung ist zun/ichst mit einem Absinken der Ausgaben pro Schiller verbunden, da unter Verwendung der vorhandenen Ressourcen eine gr6f3ere Bev61kerungsgruppe bedient werden muss. Mittel- bis langfristig kommt es zum Bau neuer Schulen, der Einstellung neuer Lehrkr/ifte, etc., wodurch die insgesamt verfiigbaren Ressourcen ausgeweitet werden und die Bildungsausgabenquote steigt. Ebenfalls interessant ist, dass eine h6here Ungleichheit in der Ressourcenverteilung mit h6heren Pro-Schfiler-Ausgaben einhergeht. Der Effekt dieser Variablen ist durchaus beachtlich: Eine Zunahme der Differenz in den ProSchiller-Ausgaben zwischen dem 5.-reichsten und dem 5.4irmsten Distrikt um 1.000 Dollar ist assoziiert mit einem Anstieg der durchschnittlichen Pro-SchillerAusgaben um ca. 440 bis 450 Dollar. Der in den bivariaten Analysen herausgearbeitete positive Zusammenhang zwischen Ausgabendisparit/it und Pro-SchfilerAusgaben best/itigt sich damit in der multivariaten Analyse. Da hier ftir den Einfluss der Wirtschaftswohlstandsvariablen kontrolliert wird, ist eine Suche nach m6glichen kausalen Verbindungen angebracht. So k6nnte etwa argumentiert werden, dass in den Staaten, in denen die Ausgabendisparit/it nicht beson-
113 Auch hier sind als Erg/inzung die bivariaten Korrelationskoeffizienten abgebildet. Sie best/itigen im Wesentlichen die Befunde aus der multivariaten Analyse.
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ders groB ist, durch staatliche Finanzierungsmechanismen wie in 2.2.1 beschrieben die Autonomie der lokalen Schuldistrikte zur Eintreibung eigener Einnahmen beschr/inkt wird. In der Bek~impfung des Problems der Ressourcenungleichheit haben die reformorientierten Gliedstaaten vor allem auf die Instrumente der Zentralisierung der Finanzhoheit und auf die Strategie des ,,levelling up" (Wong 1999), also auf die Bezuschussung der/irmeren Schuldistrikte, zuriickgegriffen. Die zur Verftigung stehenden fiskalischen Ressourcen der Gliedstaaten waren allerdings auch nicht unbeschr/inkt. Zudem haben wir gesehen, dass das Problem der Ressourcenungleichheit nur dann wirksam bek/impft werden konnte, wenn die Autonomie der lokalen Schuldistrikte, hier insbesondere der reicheren, eingeschr/inkt wurde (Loeb 2001a). Das bedeutet, in anderen Worten, dass die Pro-Schiiler-Ausgaben in den Staaten, die das Problem der Ressourcenungleichverteilung erfolgreich durch Zentralisierung der Finanzen oder ,,levelling up" bek/impft haben, die verffigbaren Ressourcen pro Schiller starker von den auf gliedstaatlicher Ebene verftigbaren Ressourcen abh/ingen. Die Staaten, die weniger stark in die lokale Autonomie eingegriffen haben und trotz des ansteigenden gliedstaatlichen Finanzierungsanteils das lokale Mobilisieren und Eintreiben von Ressourcen weiterhin frei zulieBen, zeichnen sich deshalb durch h6here durchschnittliche Pro-Schiiler-Ausgaben aus, weil die reicheren Distrikte die in den Lokalit/iten verffigbaren wirtschaftlichen Ressourcen zu einem h6heren Grad nutzen konnten. Der Befund, dass die Staaten, die durch die individualistische politische Kultur gepr~igt sind (Alaska, Connecticut, Delaware, Hawaii, Illinois, Indiana, Maryland, Massachusetts, Nebraska, Nevada, New Jersey, New York, Ohio, Pennsylvania, Rhode Island, Wyoming), fiber hohe Bildungsausgaben verftigen, hat sich nach den ersten Ergebnissen in der bivariaten Analyse auch in der multivariaten Analyse best/itigt. Die in dieser Kulturtradition verwurzelte Bedeutung des Individuums und seiner Aufstiegs-M6glichkeiten f'6rdert offenbar ein auf die Bildungspolitik generell positiv wirkendes Umfeld. Erwartungsgem/iB zeigt sich auch ein solider positiver Zusammenhang zwischen dem Niveau des wirtschaftlichen Wohlstandes (gemessen am Pro-KopfEinkommen) und den Pro-Schiiler-Bildungsausgaben. Der Effekt ist allerdings gr6Benm/iBig kleiner, als man erwarten k6nnte. Ein Ansteigen des Pro-KopfEinkommens um 1.000 Dollar ist lediglich assoziiert mit einem Anstieg der ProSchiiler-Ausgaben um etwa 100 Dollar. Die Variablen, die die durchsclmittlichen Monatsverdienste der im 6ffentlichen Sektor Besch/iftigten und das NettoausmaB der Bundeszuschiisse erfassen, sind im Unterschied zur bivariaten in der multivariaten Analyse nicht mehr erkl/irungskr~iftig. Dies iiberrascht besonders im Fall der Verdienst-Variablen, stellt doch die Entlohnung des Lehrpersonals einen wesentlichen Kostenblock im
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Bildungsbudget dar. Die Effekte dieser Variablen auf der ,,sources"-Ebene wird offenbar von den tiefer liegenden ,,causes" ilberdeckt. Was die Finanzierungskonkurrenzen zwischen einzelnen Ausgabenfeldern angeht, so hat sich der in der bivariaten Analyse herausgearbeitete Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben pro Schiller und Medicaid-Zahlungen pro Leistungsempfiinger in der multivariaten Analyse nicht best/itigt. Es zeigt sich allerdings ein gewisser Zusammenhang zwischen der H6he der SozialhilfeLeistungen pro Empfiinger und den Pro-Schiller-Ausgaben, der jedoch nicht gebr/iuchliche Signifikanzniveaus erreicht. Insgesamt 1/isst sich hinsichtlich der Finanzierungskonkurrenzen zumindest bei den Pro-Kopf-Ausgaben keine eindeutige Schlussfolgerung ziehen, zumal in der Analyse der Bildungsausgabenquote eine negative Assoziation zwischen den Sozialhilfe- und den Bildungsausgaben herausgearbeitet wurde. Der Etatisierungsgrad erweist sich allerdings auch bei der Analyse der ProSchiller-Ausgaben als /iuBerst erkl/imngsstark, d.h. auch bei dieser abh/ingigen Variablen ist die allgemeine Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt eine wichtige Hintergrundvariable. Ein Anstieg der Staatsausgabenquote um einen Prozentpunkt ist demnach assoziiert mit einem Anstieg der Pro-Schiller-Ausgaben um ca. 90 bis 120 Dollar. Der Policy Liberalism Index, der eine zweite Dimension staatlicher Interventionspolitik misst, ist beschr/inkt erkl/irungskr/iflig und weist im Vergleich zur Analyse der Bildungsausgabenquote ein h6heres Signifikanzniveau auf (ablesbar an den h6heren t-Werten). Offensichtlich ist die Bereitschafl zu h6heren Ausgaben im Bildungsbereich assoziiert mit einer generell h6heren Ausgabenbereitschafl (hoher Etatisierungsgrad) und einem generell weit verbreiteten gesellschaftlich-moralischen Liberalismus. 114 Zum Abschluss dieses Unterkapitels m6chte ich die zentralen Ergebnisse thesenartig zusammenfassen: 1. Variablen zur Erfassung der Finanzierungsbedingungen und der Finanzierungskonkurrenzen wie die Staatsausgabenquote oder Ausgabenquoten anderer sozialpolitischer Politikfelder, vor allem die Ausgaben far Sozialhilfe, haben sich als besonders erkl/imngskr/iftig erwiesen. Eine pro-staatliche Position in der Aufgabenteilung zwischen Staat und Markt, ausgedrilckt durch eine hohe Staatsquote, erweist sich als bildungsausgabenf'6rderlich. Eine negative Assoziation mit den Bildungsausgaben 1/isst sich far sozialkonsumtive Ausgabenfelder wie die Sozialhilfepolitik beobachten.
l l4 Der Index ist so konstruiert, dass besonders liberalen Staaten eine niedrige Punktzahl zugewiesen wird, und eine hohe Punktzahl auf weniger Liberalismus hindeutet.
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Wirtschaftliche und demographische Rahmenbedingungen sind wichtige Hintergrundvariablen, die die Finanzierungsbedingungen der Bildungspolitik pr/igen. Der Bev61kerungsanteil der Jungen wirkt sich tendenziell positiv auf die Ausgabenh6he aus. Im Unterschied zum intemationalen Vergleich (siehe unten, Kapitel 4) konnte im intranationalen Vergleich allerdings nicht die Gfiltigkeit des Wagner'schen Gesetzes nachgewiesen werden, d.h. mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen nimmt die Bildungsausgabenquote tendenziell ab. Die H6he der Bildungsausgabenquote wird auch von politischen Faktoren stark beeinflusst: Bundesstaaten, in dem private Interessengruppen andere politische Akteure wie Parteien dominieren, verftigen fiber eine niedrige Bildungsausgabenquote. Wenn die politischen Institutionen von Demokraten anstelle von Republikanem kontrolliert werden, hat dies einen positiven Einfluss auf die H6he der Bildungsausgabenquote. Die solide positive Assoziation zwischen den Pro-SchfilerBildungsausgaben und dem in einem Gliedstaat vorhandenen AusmaB der Disparit/it in der Verteilung der Bildungsressourcen deutet darauf hin, dass die Reformbestrebungen einiger Bundesstaaten, die durch Zentralisierung der Finanzhoheit und ,,levelling up" auf die Ausgleichung bestehender Unterschiede hingewirkt haben, eine d~impfende Wirkung auf die durchschnittlichen Pro-Schfiler-Ausgaben haben. Ich vermute, dass dies durch die Verhinderung der Mobilisierung fiskalischer Ressourcen auf der lokalen Ebene verursacht worden ist. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass ein hoher Anteil gliedstaatlicher Ausgaben an den Gesamtbildungsausgaben mit einer h6heren Ausgabenquote einhergeht, aber nicht mit h6heren Pro-SchiilerAusgaben.
2.2.3
Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im USamerikanischen Bildungssystem In diesem Unterkapitel sollen kurz die zentralen Charakteristika des bildungspolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses auf lokaler Ebene typisierend dargestellt werden. In einem zweiten Schritt wird erl~iutert, warum und vor allem wie diese traditionellen Entscheidungsstrukturen verst~kt seit den 1980er Jahren herausgefordert und in Frage gestellt worden sind. Dabei ist es zu einem zweiseitigen Angriff auf die dominierende Stellung der School Boards gekommen: Einerseits wurden in Form der Choice-Bewegung Stimmen laut, die eine weitere Dezentralisierung und Re-Privatisierung der Bildungspolitik einforderten, andererseits haben zunehmend die Gliedstaaten ihre Verantwortung fiir die lokale Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen fiber die Zur-Verfiigung-
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Stellung von finanziellen Mitteln hinaus anerkannt und in Form von State Takeovers in zentralistischer Weise in die lokale Bildungspolitik eingegriffen. Zun/ichst m6chte ich in typisierender Weise die wichtigsten Merkmale des traditionellen Systems der bildungspolitischen Willensbildung herausarbeiten. Die lokalen School Boards k6nnen in einfachster Weise als ,,eigene, nur fiir den Schulsektor zust/indige Parlamente [...], die unabh/ingig vom jeweiligen Stadtparlament beraten und entscheiden" (Dichanz 1991:101) bezeichnet werden. Sie haben sich in ihrer heutigen Form in der Zeitperiode um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert etabliert. Die Reformer des Progressive Movement waren dabei darauf bedacht, die Bildungspolitik aus den Niederungen der allgemeinen Politik herauszuhalten (Zeigler / Jennings / Peak 1974: 3; Marshall / Tucker 1992: 15). In Abgrenzung zu der mit dem Makel der Korruption und Vetternwirtschaft behafteten System der Parteienpatronage, das zuvor auch die Zusammensetzung der School Boards bestimmt hatte, sollte in den reformierten Schulausschfissen der Geist der Vernunft und der praktischen Rationalit/it herrschen (Grimshaw 1979: 1). Die Konsolidierung der Schuldistrikte ging einher mit einer generellen Reduzierung der Zahl der School Boards von fiber 100.000 zu Anfang des 20. Jahrhunderts aufheute ungef'~ihr 15.000 (Ignas 1981: 28). In ungef~ihr 85 Prozent der Schulausschfisse werden die ehrenamtlich t~itigen Mitglieder, deren Zahl meist zwischen fiinf und sieben liegen, durch allgemeine Wahlen bestimmt (DiLeo 1998:113). Auch diese Wahlen finden im Geiste der politischen Unabh~ingigkeit statt: Die Kandidaten organisieren ihren eigenen Wahlkampf und mfissen dafiir die notwendigen Gelder eintreiben. Bewerber werden manchmal von (religi6sen oder ethnischen) gesellschaftlichen Gruppen unterstiitzt, seltener von Parteien (Dichanz 1991:102). Die Wahlbeteiligung liegt selten fiber 10 Prozent (DiLeo 1998:114), insgesamt ist das Interesse der W/ihler an der lokalen Bildungspolitik aul3er in sehr homogenen l~indlichen Schuldistrikten und bei dringenden Problemen oder Krisen eher gering. Die wichtigste Aufgabe der School Boards ist die Wahl des Schulrats (Superintendent), dem die Gesamtaufsicht fiber das Schulsystem zukommt. Die School Boards ldimmem sich aber auch um die Auswahl der Schulbficher, bestimmen die H6he der Lehrergeh/ilter, entscheiden dartiber, welche extracurricularen Aktivit~iten angeboten werden und k6nnen sogar Entscheidungen fiber den Lehrplan f'~illen (DiLeo 1998: 113). Faktisch hat sich allerdings zwischen dem Superintendent und dem School Board eine Hierarchie entwickelt, nach der die wichtigsten Entscheidung von dem in Vollzeit angestellten und professionalisierten Superintendent und seinem Stab von Assistenten getroffen werden und die School Boards lediglich die Aufgabe haben, diese Entscheidungen dem allgemeinen Wahlvolk zu ,,verkaufen" (Zeigler / Jennings / Peak 1974: 4-5). Eine
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differenziertere Betrachtung zeigt allerdings, dass die Position des Superintendent nicht unangefochten ist. Je nachdem, wie die Konfliktlinien im School Board verlaufen, kann der Superintendent auch in die Rolle eines Vermittlers gedr~ingt werden, wenn beispielsweise zwei oder mehrere Fraktionen im School Board die Dominanz des lntendent fiber dieses Gremium erschweren (Boyd 1976: 547-548). Den School Boards kommt also weiterhin eine wichtige Rolle als ,,Sicherheitsventil" und Vermittler zwischen der allgemeinen lokalen Gemeinde und der professionellen Schulverwaltung zu (Zeigler / Jennings / Peak 1974:15). Insofem ist eine wichtige Rolle der Schulausschiisse auch die Abhaltung von Informationsveranstaltungen und 6ffentlichen Anh6rungen ftir Eltern. Im internationalen Vergleich, hier f'~illt vor allem der Vergleich mit Deutschland ein, ist die Funktions- und Aufgabenbreite der School Boards aUerdings beachtlich. Den Boards und den von ihnen eingesetzten und legitimatorisch abhLrlgigen Schulverwaltungen obliegt weiterhin die Kompetenz, einzelne Kinder innerhalb eines bestimmten geographischen Gebietes (Schuldistrikt) einer bestimmten Schule, einer bestimmten Klassenstufe und einem bestimmten Klassenzimmer zuzuordnen (Ignas 1981: 1). Traditionellerweise gibt es innerhalb des 6ffentlichen Systems dagegen kaum oder nur erschwerte M6glichkeiten des Widerspruchs. Die School Boards sind natiirlich auch fiir das Aufstellen des Haushaltsplans verantwortlich, der in einigen Staaten, wie zum Beispiel Kalifomien oder den Neu-England-Staaten, dem Wahlvolk zur Abstimmung vorgelegt wird (Hamilton 1974). Das Aufstellen des j/ihrlichen Budgets verleiht den School Boards natiirlich eine bedeutende Rolle im Agenda-Setting (Romer / Rosenthal / Munley 1992: 5). Eine weitere Aufgabe der School Boards ist das Festlegen der Lehrergeh~ilter. Mit dem Aufstieg der Lehrergewerkschaften sind zur L6sung der Gehaltsfragen kollektive Lohnverhandlungsprozesse auf lokaler Ebene institutionalisiert worden. Abgesehen von einigen kanadischen Provinzen und Neuseeland sind die USA jedoch im OECD-L~inder-Vergleich das einzige Land, in dem Lohnverhandlungen fiir Lehrer auf der lokalen Ebene gefiihrt werden (Cooper 2001: 252). In jedem Schuldistrikt sind im Prinzip die Institutionen der kollektiven Lohnverhandlungen unterschiedlich ausgepr~igt. Es gibt kein nationales Lehrerbesch~iftigungsrecht und in 12 der 50 Bundesstaaten iiberhaupt keine rechtliche Verankerung eines Kollektiv-Verhandlungssystems. In 6 Staaten ist die Anerkennung von Gewerkschaften durch die lokale Schulausschiisse sogar verboten (Cooper 2001: 248, 252). Der Organisationsgrad ist mit ca. 77 Prozent jedoch extrem hoch (Peters 2004: 352). Nach Angaben von Cooper (2001: 249) beteiligen sich 82 Prozent aller Lehrer an kollektiven Lohnverhandlungen.
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Die Mitglieder der School Boards bleiben selbst jedoch den eigentlichen Lohnverhandlungen fern, die von professionalisierten Verhandlungsfiihrem durchgefiihrt werden (McDonnell / Pascal 1979: ix, xi). Die Etablierung kollektiver Lohnverhandlungen auf der lokalen Ebene hat jedoch den Einfluss der Lehrergewerkschaften langfristig sehr gest/irkt: Nicht nur 1/isst sich ein deutlich positiver Effekt auf die H6he der Geh/ilter, der Zusatzleistungen (fringe benefits) und der Arbeitsbedingungen nachweisen (Stone 2001), die Lehrergewerkschaften sind auch zu einem wichtigen politischen Akteur in der inhaltlichen Gestaltung der lokalen und gliedstaatlichen Bildungspolitik geworden (McDonnell / Pascal 1979: vii; Moore Johnson / Kardos 2001). In den Augen der Kritiker hat der Einfluss der Gewerkschaften jedoch die Bedeutung gew/ihlter Politiker und damit der Bed/irfnisse der Allgemeinheit weiter vermindert und zu einer reduzierten Responsivit~it der Institutionen des bildungspolitischen Entscheidungsprozesses beigetragen (Grimshaw 1979: 14-19). Als m/ichtige Interessenvertretungen haben die Lehrergewerkschaften, wie weiter oben bereits erwghnt, eine Doppelstrategie verfolgt, nach der sie auf lokaler Ebene um Einfluss und h6here Geh/ilter k~impfen, w~ihrend eine aktive Lobby-T/itigkeit in den Parlamenten der Einzelstaaten die lokale Mobilisierung ,,von oben" untersttitzt (McDonnell / Pascal 1979: ix). Die Institutionen der lokalen Bildungspolitik nachahmend, verftigen fast alle Staaten fiber ein State Board of Education. Zwei Drittel der State Boards sind von Mitgliedern besetzt, die vom jeweiligen Gouvemeur ernannt werden, ein Fiinftel wird allgemein gew~ihlt. In 35 Bundesstaaten wird der auf der Ebene der Gliedstaaten zust~indige Offizielle fiir Bildungspolitik (chief state school officer), der zugleich auch Chef des Bildungsministeriums ist, von dem State Board oder dem Gouverneur ernannt, in 15 Staaten wird er in allgemeinen Wahlen gew/ihlt (Morehouse / Jewell 2003:341). Die Mitglieder der State Boards of Education sind aber im Vergleich zu den professionalisierten Mitarbeitern des Bildungsministeriums oder den spezialisierten Mitgliedern der gliedstaatlichen Legislativen relativ machtlos und in der Offentlichkeit wenig pr~isent (ebd.: 341), wie auch durch detailliertere Fallstudien belegt (Marshall / Mitchell / Wirt 1989:17-21). Die zentralen Merkmale des traditionellen Systems bildungspolitischer Willensbildung sind also: 1. Lokalit~it und Prim/irzust/indigkeit der School Boards, 2. Depolitisierung und Verwaltung durch administrative und Gewerkschaftsfunktion,ire bei gleichzeitiger prinzipieller Riickbindung an das allgemeine Wahlvolk sowie 3. gewisse Anbindung an Policy-Maker auf der Ebene der Einzelstaaten durch issue-gebundene Policy-Netzwerke (vgl. auch DiLeo 1998: 116). Das traditionelle System ist aus vielerlei Grtinden in die Kritik geraten. Dass es Ungleichheiten in der Verteilung der der B ildung zur Verftigung stehenden Ressourcen hervorgerufen hat, haben wir ja bereits gesehen. Im Zuge der 1980er
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Jahre wurde jedoch zunehmend die mangelhafte Qualit/it des Bildungssystems und weniger die Ungleichheit der Ressourcenverteilung an sich als Problem angesehen (Marshall / Mitchell / Wirt 1989: 158). Die ,,tyranny of locality" in der amerikanischen Bildungspolitik wurde dabei zunehmend als Reformhindernis betrachtet (Wilensky 2002: 707). Die Unabh/ingigkeit der bildungspolitischen Entscheidungsstrukturen von der allgemeinen lokalen Politik wurde immer weniger als St/irke des amerikanischen Systems wahrgenommen, sondern als Defekt. Ein demokratischer Willensbildungsprozess in der Bildungspolitik habe einerseits fiir eine gewisse Gleichheit in der Ressourcenausstattung zu sorgen, andererseits miisse er aber auch die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten beriicksichtigen (McDermott 1999: 5). Das traditionelle System institutionalisiere eine ungiinstige Balance zwischen diesen beiden Zielen, denn es fiihre sowohl zu Ungleichheiten und durch die Zentralisierung der Entscheidungsgewalt auf der Distriktebene zur einer Verminderung der demokratischen Responsivit~it (ebd: 11-12). Die starke Machtposition der Lehrergewerkschaften habe zudem den Handlungsspielraum der School Boards eingeschr~inkt, denn durchschnittlich fiber 80 Prozent ihrer Budgets werden auf Lehrergeh/ilter und damit auf Kostenposten verwendet, die sich ihrer Gestaltungsmacht im Wesentlichen entziehen (Fuhrman 1987: 141). Die Reaktionen auf die zunehmend ge/iuBerten Befiirchtungen fiber demokratische Responsivit/it, Qualit/it des B ildungssystems und Finanzierungsungleichheiten zeigten sich einerseits in der Entstehung der Choice-Bewegung, der es um die Etablierung von lokalen und noch starker dezentralisierten Alternativen in und jenseits des 6ffentlichen Sektors geht, sowie andererseits in einer Welle von administrativen Ubergriffen gliedstaatlicher Regierungen und der Verwaltungen von GroBst~idten auf die lokalen Institutionen zur Sicherstellung des Bildungsniveaus. Zun/ichst sollen die Bemiihungen der Ffirsprecher der weiter gehenden Dezentralisierung diskutiert werden. Ein roter Faden der Gemeinsamkeit, der sich durch die ansonsten sehr diverse Anh/ingerschaft der Dezentralisierungbewegung zieht, ist die Idee der Restauration einer engen Verbindung zwischen der Schule und der sie tragenden Gemeinschaft, wie sie in der Friihzeit der amerikanischen Bildungsgeschichte bestanden hatte. Das moderne Element hier ist das Verst/indnis, dass die die Schulen tragenden Gemeinschaften nicht unbedingt die durch geographische N/ihe definierte lokale Gemeinde sein muss, sondern auch eine ,,Gemeinschaft im Geiste" in Bezug auf religi6se oder ethnische Zugeh6rigkeiten sein kann. Ein Vorl/iufer der Choice-Bewegung der 1980er Jahre war die so gennante Community Control-Bewegung in den 1950er und 1960er, aber vor allem in den 1970er Jahren. Die ersten Formen dieser Bewegung entstanden im Zusammen-
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hang mit dem Auszug der Angeh6rigen der weiBen Mittelklasse aus den Innenstadtbereichen in die Suburbs, wodurch sie sich eine bessere Kontrolle fiber ,,ihre" Schulen erhoffien (Church 1976: 422). Die eigentlich prominenten Vertreter des Community Control Movement waren jedoch Afro-Amerikaner aus den Innenstadtbereichen, die den Schuldistriktverwaltungen skeptisch bis feindselig gegenfiber standen. Die Wurzeln dieser Bewegung gehen zurfick bis zum Civil Rights Movement, welches sich die Durchsetzung der Btirgerrechte der AfroAmerikaner nicht nur im Siiden, sondern in den ganzen USA zum Ziel gemacht hatte. Die Anh/inger des Community Control Movement waren davon iiberzeugt, dass die Schuldistriktverwaltungen und die School Boards von Angeh6rigen der ,,white power structure" (Ravitch 1983:174) dominiert seien und daher nicht die Interessen der Afro-Amerikaner vertreten k6nnten. Hier wurde also nach ethnischen Kriterien eine Gemeinschaft der Schwarzen definiert, die eine direktere und unmittelbarere Kontrolle fiber ,,ihre" Schulen und eine Minderung des Einflusses der Schuldistriktverwaltung einforderten. Die Community ControlBewegung hatte allerdings nur einen sehr begrenzten realen Impakt. Im Jahre 1966 wurden in New York City, genauer in Harlem, nach Protesten der Gemeinde der Afro-Amerikaner Modellversuche gestartet, in denen die Verwaltung der Schulangelegenheiten nicht der Distriktverwaltung, sondern einem an der einzelnen Schule angegliederten lokalen Verwaltungsausschuss fiberantwortet wurde. Die Ffihrer der Community Control-Bewegung sorgten jedoch durch scharfe Attacken auf die haupts/ichlich jfidische Lehrergewerkschaft und das ,weil3e Establishment' sowie die unrechtm~il3ige Entlassung einer Gruppe von Lehrern fiir Irritation, so dass die Modellversuche durch die New Yorker Legislative im michsten Jahr bereits wieder eingesteUt wurden (vgl. Ravitch 1983: 174). Auch die Bev61kemngsgruppen der Gesch/iftsleute, ~iltere Leute und AppartementHaus-Besitzer, die in den Innenstadtbereichen den gr613ten Teil der Einnahmen aus der Grundsteuer beitrugen, waren Gegner der Community Control, denn dadurch verl6ren sie Kontrollm6glichkeiten fiber die Verwendung ihrer Steuergelder (Church 1976: 427-428). Die Grundidee des Community Control Movement, die Einrichtung von lokalen Verwaltungsausschfissen an den einzelnen Schulen unter Beteiligung der Eltern, hat in Form der ,,school-based management"-Initiativen der 1990er Jahre allerdings wieder eine Renaissance erfahren (DiLeo 1998: 124). Der School Choice-Bewegung, die vor allem seit den 1980er Jahren zunehmend Unterstfitzung findet, geht es vor allem um die Instititutionalisiemng von Alternativen zu den traditionellen 6ffentlichen Schulen, daher das Schlagwort ,,school choice". Dabei besteht eine enge Verbindung zu dem in Kapitel 2.1 vorgestellten Excellence Movement, denn die wahrgenommene mangelhafte Qualit~it der Bildung ist eine wichtige Motivationsquelle der Choice-Bewegung.
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Daneben spielen aber auch Sorgen zur Restauration der Verbindung zwischen Gemeinschaft und Schulen eine Rolle, wie sie schon in dem Community Control Movement zu Tage getreten sind. In der Choice-Bewegung wird die Befiirchtung vor allem auch von religi6sen Gruppierungen, die eine Korrumpierung ihrer Kinder durch die in 6ffentlichen Schulen unterrichteten Lehrinhalte befiirchten, ge/iuBert (McCarthy 1996). Der Stein des AnstoBes flit" die Choice-Bewegung ist das Vorrecht der Distrikte, die Kinder im schulf~ihigen Alter autoritativ zu bestimmten Schulen, Klassen und Klassenstufen zuzuordnen. Die ersten Angriffe auf dieses traditionelle Vorrecht fanden ironischerweise in den Siidstaaten statt, wo durch das Einr/iumen von Wahlm6glichkeiten der weitere Besuch von segregierten Schulen erm6glicht werden sollte (Fuller / Elmore / Orfield 1996: 3). Nachdem den 6ffentlichen Beh6rden durch massiven Druck vonder Bundesebene die Durchsetzung von Desegregationspl/inen auferlegt wurde, konnte durch die Einfiihrung von Wahlm6glichkeit die faktische Desegregation verz6gert werden. In den anderen Staaten ist das Zuweisungsvorrecht der Distrikte Ende der 1970er Jahre durch die Schaffung von Magnet Schools zum Zweck der Bek/impfung der faktischen Segregation geschaffen worden. Dieser Typus von 6ffentlichen Schulen sollte durch die Konzentration auf bestimmte F/icher oder bestimmte Unterrichtsphilosophien sowie grol]ziigige finanzielle Unterstiitzung eine attraktive Alternative zu den lokalen Schulen bieten und dabei wie ein ,,Magnet" auf die umliegenden Gebiete wirken. Der Besuch von Magnet Schools entband die Schiller von der Pflicht, die vom Distrikt zugewiesene Schule zu besuchen. Gleichzeitig soUte durch Bildungsplanung eine gewisse Vermischung der Rassen in den Magnet Schools erreicht werden, die in den bereits faktisch segregierten Vorstadtschulen nicht stattfand (vgl. Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 97; Mintrom 2000: 20; Fuller / Elmore / Orfield 1996: 5). Erst in den sp/iten 1980er Jahren haben einige Bundesstaaten in gr6Berem MaBstab angefangen, die Wahlm6glichkeiten fiJr Eltem zu erweitern. Den Eltem wurde das Recht einger~iumt, ihre Kinder auf eine 6ffentliche Schule ihrer Wahl zu schicken. In einigen Staaten (Minnesota, Arkansas, Colorado, Idaho, Iowa, Massachusetts, Nebraska, Ohio, Oregon, Utah und Washington) wurde in Form der so gennanten ,,Open Enrollment"-Gesetze den Eltem die M6glichkeit gegeben, zwischen jeder Schule in dem gesamten Bundesstaat zu unterscheiden (,,interdistrict school choice programs") (DiLeo 1998: 127). Die Schulausschiisse waren stark gegen die Errichtung dieser Programme (ebd.: 128) und befiirworteten die abgeschw~ichtere Variante der ,, within district choice plans", nach denen den Eltem nur die Wahl zwischen verschiedenen Schulen in einem gegebenen Schuldistrikt offen steht. Inzwischen erlauben oder mandatieren 32 Bundesstaaten zumindest eine Form der School Choice (Intra- oder Inter-Distrikt-
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Programme) (Stand 2001, vgl. Hurst / Tan / Meek et al. 2001: 98). Hinzu kommen Management-Reformen, die auf eine verst~irkte Beteiligung der Eltem, Schuldirektoren und Lehrer an den Angelegenheiten der eigenen Schule zielen (school-based management). In Kentucky beispielsweise wurde die Hoheit fiber das j/ihrliche Budget sowie fiber Personalfragen und den Lehrplan an Schulbeir/ite (school councils) delegiert, die aus drei Lehren, zwei Eltem und dem Schuldirektor bestehen (DiLeo 1998: 124-126). Dies hat die Rolle und Kompetenzbreite der dortigen Schulausschfisse stark reduziert. Eine st/irkere Herausforderung far die Vormachtstellung der Schuldistrikte sind die so genannten ,,Charter Schools". Hierbei handelt es sich um ,,6ffentliche Institutionen, die von jeder 6ffentlichen oder privaten Person oder Organisation konzeptualisiert, organisiert und schliel]lich auch betrieben wird" (Bierlein 1997: 38). Die Charter Schools werden wie traditionelle 6ffentliche Schulen aus 6ffentlichen Mitteln finanziert, sie sind dabei aber von den meisten regulativen Vorschriften, die traditionelle Schulen erfallen mtissen, ausgenommen. Im Gegenzug werden in einem 3- bis 5-j/ihrigen Vertrag (Charter, daher der Name) zwischen dem Organisator (Lehrer- oder Eltemgruppen zum Beispiel) und dem Sponsor (das lokale School Board, das State Board of Education oder eine Universit/it) der Lehrplan der Schule, ihre Verwaltungs- und Finanzierungsstruktur sowie, als Ausdruck der N/ihe dieser Idee zum Excellence Movement, zu erreichende Bildungsziele und dabei zu verwendende Bildungsindikatoren festgelegt (Bierlein 1997: 38; Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 98). Dass die Charter Schools keine privaten Institutionen sind, kommt neben der Finanzierung darin zum Ausdruck, dass sie sich nicht mit einer bestimmten gesellschafllichen Gruppe affiliieren (non-sectarian), keine Studiengebiihren erheben und auch keine Auswahl der zuzulassenden Schiller betreiben diirfen (Hassel 1998; Bierlein 1997: 38). Sie verfagen aber im Vergleich zu traditionellen Schulen fiber eine gr61]ere Autonomie und k6nnen Lehrer einstellen oder entlassen (Bierlein 1997: 38). Minnesota war 1991 der erste Bundesstaat, der ein Charter School-Gesetz verabschiedete. In weniger als fanf Jahren sind weitere 25 Bundesstaaten gefolgt (Bierlein 1997: 40). 1999 hatten bereits 36 Staaten und der District of Columbia entsprechende Gesetze erlassen (Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 98). Wie der kritische Beobachter inzwischen erwarten mag, gibt es allerdings betr/ichtliche Unterschiede in den gliedstaatlichen Gesetzen hinsichtlich des Grades an Autonomie von den lokalen Distriktverwaltungen, der den Charter Schools einger/iumt wird. In Bundesstaaten mit grogzfigigen Charter School-Gesetzen, die keine Beschr/inkungen hinsichtlich der Gesamtzahl der Schulen auferlegen, eine Vielzahl von Sponsoren auger den lokalen School Boards erlauben und den Charter Schools einen hohen Grad an fiskalischer und legaler Autonomie ein-
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r/iumen, scheint die Zahl der gegriindeten Schulen h6her zu sein (Bierlein 1997: 47). In 14 Bundesstaaten werden nur die lokalen Schulausschiisse als m6gliche Sponsoren anerkannt, welches natiirlich die tats/ichliche Autonomic der Charter Schools empfindlich einschr/inkt. In weiteren sieben Staaten sind nur die Institutionen der Bundesstaaten als m6gliche Sponsoren zugelassen, w/ihrend in den restlichen der Staaten, die Charter Schools erlauben, unterschiedlichsten 6ffentlichen Beh6rden (z.B. auch 6ffentlichen Universit/iten) der Abschluss einer Charter erlaubt wird (Stand 1999, vgl. Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 100). Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Zusammensetzung der Schiilerbev61kerung in den Charter Schools sich nicht wesentlich yon den klassischen 6ffentlichen Institutionen unterscheidet, sondern sogar eher Angeh6rige aus Unterschichten und Minderheitengruppen iiberrepr~isentiert sind (Bierlein 1997:51; Hurst / Tan / Meek et al. 2003: 104). Eine groBe Mehrheit der Amerikaner unterstiitzt die Einfiihrung von Wahlm6glichkeiten im 6ffentlichen Schulwesen (Fuller / Elmore / Orfield 1996: 3; DiLeo 1998:115), w/ihrend die meisten der Schulausschiisse stark dagegen sind (DiLeo 1998: 130). Ungef~ihr drei Viertel der Charter Schools werden neu gegriindet, in einem weiteren Sechstel werden bestehende 6ffentliche Schulen (oder Teile davon) in Charter Schools umgewandelt und bei dem Rest bestehende private Schulen (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:100). Bei den Neugrfindungen herrscht dabei ein gewisser Unternehmergeist, der sinnbildlich ist fiir die amerikanische Bereitschaft, die Erziehung der Kinder in engagierter Weise in die eigene Hand zu nehmen (Mintrom 2000). Qualifzierte Lehrer sind bereit, ftir niedrigere Geh~ilter zu arbeiten, und genieBen dafiir die gr613ere Unabh~ingigkeit und den Pioniergeist in den Charter Schools (Bierlein 1997: 56). Einige neu gegriindete Schulen haben zudem besonders in der Anfangsphase mit dem Problem begrenzter finanzieller Ressourcen zu k/impfen: Bierlein (1997: 55) berichtet von einem Fall, in dem sich eine Charter School in einem alten Kolosseum eingerichtet hatte und aufgrund der knappen finanziellen Mittel fiir vier Tage komplett aus den Geb~iuden ausziehen musste, weil die Hallen yon einer Hundeschau genutzt wurden. Prinzipiell fordern die Charter Schools die traditionellen Institutionen der lokalen Willensbildung und Entscheidungsfindung, den Schuldistrikt und die Schulausschiisse, heraus. Das schnelle Fortschreiten der Gesetzesinitiativen zur Etablierung yon Charter Schools deutet auf eine ausgepr~ige Nacht~age der W~hler nach Wahlalternativen jenseits der klassischen 6ffentlichen Schulen hin. Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch kann nicht davon gesprochen werden, dass die Charter Schools die Rolle der Schuldistrikte emsthaft bedrohen. Zwar gibt es inzwischen mehr als 2.000 dieser Institutionen (Wong 2004: 379), der durchschnittliche Anteil derjenigen, die eine Charter School besuchen, an der Gesamtzahl der Schiller betr/igt jedoch nur 0,8 Prozent (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:100).
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Eine weitere Variante der vonder Choice-Bewegung favorisierten Reformen zur Schaffung von Alternativen zu den traditionellen 6ffentlichen Schulen sind die so genannten Voucher Plans. Hierbei geht es nicht wie bei den Charter Schools um die Neugriindung von Schulen, sondern um die Finanzierung von Bildungsgutscheinen (Vouchers) in H6he der Pro-Schiiler-Ausgaben in 6ffentlichen Institutionen, die von Berechtigten, haupts/ichlich Angeh6rigen der unteren Einkommenschichten und von Minderheitengruppen, an Privatschulen zur Deckung der Studiengebtihren eingesetzt werden k6nnen. Damit stellen die Voucher-Programme eine noch gr613ere Abweichung von den Traditionen des amerikanischen Bildungssystems dar als die Charter Schools, denn hier wird das Prinzip der Nicht-Subventionierung privater Schulen durch 6ffentliche Gelder often angegriffen (Minstrom 2000: 23). Von der Durchftihnang der VoucherProgramme erhofft man sich eine Verbesserung der Performanz 6ffentlicher Schulen, die starker in einen direkten Wettbewerb mit privaten Schulen treten. Man m6chte die Subventionierung derjenigen vermeiden, die sich einen Besuch der Privatschulen ohnehin leisten k6nnten (Witte 1996: 119). Die Gefahr ist allerdings, dass die in Form von Bildungsgutscheinen zur Verftigung gestellten Mittel zur Deckung der Studiengeb~hren nicht ausreichen (oder die H6he der Studiengebiihren von Privatschulen entsprechend angepasst wird) (Hassel 1998: 35), so dass die Benachteiligung /irmerer Familien nur teilweise ausgeglichen werden kann. Der zentrale Streitpunkt bei der Einftihrung von Bildungsgutscheinen war jedoch die Frage der Subventionierung religi6ser Schulen durch 6ffentliche Gelder. In Anbetracht der Tatsache, dass ca. 80 Prozent der Privatschulen religi6se Einrichtungen sind (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:106), ist dies sicherlich eine berechtigte Frage. Die finanzielle Autonomie privater Schulen war sp~itestens seit den Konflikten zwischen Katholiken und Protestanten im 19. Jahrhundert (siehe Kapitel 2.1) ein bedeutender Grundsatz der amerikanischen Bildungsfinanzierung. Durch Entscheidungen des US-Verfassungsgerichts erm6glicht, wurde im Zuge der Zeit allerdings ein begrenzte Bezuschussung der privaten Schulen in Form von Zuschtissen zum Kauf von Schulbiichem oder zum Schiilertransport (ebd." 106). Eine direkte Untersttitzung privater Institutionen gab es jedoch nur fiir einige Zeit in Vermont und Maine und im vorschulischen Bereich in Georgia (ebd.: 106). Weil die Einftihrung von B ildungsgutscheinen ein so umstrittenes Thema ist, wurden bislang lediglich in zwei St/idten (Milwaukee (Wisconsin) im Jahre 1989, Cleveland (Ohio) im Jahre 1995) Voucher-Programme in Modellversuchen gestartet (Minstrom 2000: 24; Witte 1996). Die Auswertung dieser Versuche ist gemischt: Zwar zeigt sich, dass sich die Eltem der Kinder, die mit Hilfe von Bildungsgutscheinen Privatschulen besuchen, starker ffir die Bildung ihrer
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Spr6sslinge engagieren. Es ist aber zu erwarten, dass genau diese Sorte Eltem sich auch dafiir einsetzt, ihr Kind durch Vouchers auf eine Privatschule zu schicken (Witte 1996: 123,126). 115 Kritiker der Voucher-Programme fiirchten daher, dass dadurch dem 6ffentlichen Sektor ohnehin knappe Ressourcen entzogen und auBerdem die besseren und engagierten Schiller die Chance zum Abwandem nutzen werden, so dass die Gefahr besteht, dass in den 6ffentlichen Schulen die akademischen Standards nicht steigen, sondem sinken (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:106). Das Cleveland-Experiment kam auBerdem in die Kritik, weil fiber 90 Prozent der Bildungsgutschein-Inhaber diese zum Besuch einer sektiererischen, religi6sen Schule benutzt haben (Wong 2004: 381). Nichtsdestotrotz ist in Florida 1999 das erste bundesstaatenweite Voucher-Programm fiir Schfiler mit schwachen akademischen Leistungen eingefiihrt wurden (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:107). Neben der Einfiihrung von Bildungsgutscheinen, der Grilndung einer Charter School oder, bei entsprechendem Geldbeutel, dem Besuch einer regul/iren Privatschule verbleibt innerhalb des US-amerikanischen Bildungssystems den Eltem immer noch die M6glichkeit der Unterrichtung ihrer Kinder zu Hause (,home-schooling'). Alle 50 Bundesstaaten und der District of Columbia erlauben das Unterrichten der eigenen Kinder zu Hause. Nach neuesten Sch/itzungen werden ca. 1,1 Millionen der 48 Millionen Schulkinder zu Hause unterrichtet (Ter Haseborg 2005). Auch hier gibt es wieder eine groBe Variationsbreite der entsprechenden gesetzlichen Regelungen, aber in 41 Bundesstaaten werden von den Eltem keine besonderen Qualifikationen im B ildungsbereich verlangt. In den anderen Staaten finden sich Vorschriften wie die Regelung, dass Eltem mindestens fiber einen High School-Abschluss verfiigen oder in ihrer eigenen Ausbildung einen ,,Bildungs-Vorsprung" von mindestens vier Jahren vor ihren Kindem haben (Hurst / Tan / Meek et al. 2003:107). In den meisten Staaten werden die zu Hause unterrichteten Kinder einer Evaluation durch einen regul/iren Lehrer oder einem Test unterzogen (ebd.). Die Grilnde fiir die Entscheidung der Eltern, ihre Kinder selbst zu unterrichten, sind haupts~ichlich religi6ser Natur (Ter Haseborg 2005). Der non-sektiererische Charakter der 6ffentlichen Schulen, der ein 6ffentliches Praktizieren der eigenen Religion in der Schule erschwert, sowie Teile des Lehrplans (Sexualkundeunterricht, gemischter Sportunterricht, Tanzunterricht, Darwinismus und Evolutionstheorie) sind fiir die religi6s motivierten ,Home-Schooler' Grund genug zur Opposition gegen das 6ffentliche Erziehungssystem (McCarthy 1996). Damit die zu Hause unterrichteten Kinder nicht vollkommen vonder sozialen Umwelt Gleichaltriger ausgeschlossen sind, gibt es
125 In statistischen Fachtermini gesprochen liegt hier das Problem des self-selection bias vor.
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inzwischen eine rege Lobby-T/itigkeit der Eltem, die Kinder zu extracurricularen Aktivit/iten der 6ffentlichen Institutionen zuzulassen, wogegen sich die Schuldistrikte im Grol3en und Ganzen aber wehren (Dao 2005). Wie bereits zu Anfang dieses Unterkapitels erw/ihnt, werden die zentralen Institutionen des traditionellen amerikanischen Bildungssystems aber nicht nur durch die Dezentralisierungbestrebungen der Choice-Reformer unter Druck gesetzt, sondem auch durch eine Politik des h/irteren Durchgreifens der gliedstaatlichen und grol3st/idtischen Verwaltungen, die bei mangelhafter Leistung der lokalen Schuldistrikte deren Verwaltungskompetenzen ,/ibemehmen' (state takeover) und selbst ausiiben, zum Beispiel durch die Ersetzung gew~ihlter Mitglieder der School Boards und der lokalen Administratoren durch eigenes Personal (Bums 2003: 289). Eine 13bemahme der Verwaltung der lokalen Schuldistrikte durch gliedstaatliche Institutionen erfolgt durch das einzelstaatliche Bildungsministerium nach Zustimmung des State Board o f Education und der Legislative ffir einen begrenzten Zeitraum (DiLeo 1998: 134-135). In j/ingerer Zeit ist es aber auch schon zu einer l]~emahme der Verwaltung der lokalen Distrikte auf Grundlage der Autorisation des B/irgermeisters (einer Grol3stadt) gekommen (city takeover), da die problematischen Distrikte meist die Innenstadtbereiche in Grol3stadtgegenden sind (Wong 2004: 381-382). In 24 Bundesstaaten ist der Takeover erlaubt, ll6 aber in nur 11 Staaten ist das Gesetz zur Anwendung gekommen (Wong 2004: 381). Die Gesamtzahl der bislang ,fibemommenen' Schuldistrikte bel~iuft sich auf einige Dutzend (DiLeo 1998: 135). Anfiinglich wurden lokale Distrikte deswegen ,iibemommen', weil sie finanziell bankrott waren. Beginnend mit der l]bemahme eines Distriktes in Newark im Jahre 1989 durch die Regierung von New Jersey, der finanziell noch solvent war, wurde zusehends die ,,akademische Bankrotterkl~irung" (academic bankruptcy) zum wichtigsten Ausl6ser (Berman 1995: 55; Wong 2004: 381; DiLeo 1998: 135). Der fragliche Distrikt in New Jersey war geplagt von Parteienpatronage, Korruption und exzessiver Gewerkschaftsdominanz (Berman 1995: 65). Aber auch die Fragen nach der Sicherstellung einer ,,ad~iquaten" Bildungsversorgung und hohen akademischen Standards spielen eine wichtige Rolle (DiLeo 1998: 135).
116Zu den Staaten, die den Takeover erlauben, geh6ren: Arkansas, Georgia, Illinois, Kentucky, New Jersey, New Mexico, Maryland, Massachusetts, Mississippi, Missouri, Ohio, Oklahoma, New York, North Carolina, South Carolina, Tennessee, Texas und West Virginia (DiLeo 1998: 135), unter ihnen finden sich wenige Staaten mit moralistischer Kulmrprfigung (ebd.).
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Zusammenfassend soil an dieser Stellte festgehalten werden, dass die traditionellen Institutionen der Willensbildung und Entscheidungsfindung im amerikanischen Bildungssystem zunehmend aus zwei Richtungen unter Druck gesetzt werden: Zum einen gibt es in Form der Choice-Bewegung Reformanh/inger, die eine weitere Dezentralisierung der Schulverwaltung fordem. Zum anderen greifen die Bundesstaaten durch 13bemahmen der lokalen Distriktverwaltungen von oben in die Regelung der Schulangelegenheiten ein, wenn die lokalen Institutionen nicht die zu erwartende akademische Performanz oder finanzielle Solvenz liefem k6nnen. Beide Reformbewegungen sind zum Teil durch dieselben GriJnde verursacht worden, die darin zu sehen sind, dass die traditionellen Institutionen der amerikanischen Bildungspolitik zur Entstehung von groben Ungleichheiten zwischen reichen und armen Distrikten in der Ressourcenausstattung beigetragen haben. Weiterhin ist es in den Schuldistrikten durch die Strategie der ,,Entpolitisierung" der Bildungspolitik und der damit verbundenen St/irkung der Funktion/irskaste der Administratoren und Gewerkschaftsanh/inger zur einer Abschottung der relevanten Entscheidungstr/iger von den lokalen Pr/iferenzen der sie tragenden Gemeinden gekommen, was besonders nach amerikanischem Demokratieverst/indnis zu einem Legitimationsdefizit gefiihrt hat. SchlieBlich haben die traditionellen Institutionen auch auf der Output-Seite versagt: In der t3ffentlichkeit wurde verst~irkt seit Anfang der 1980er Jahre ein Niedergang der akademischen Standards im 6ffentlichen Bildungswesen konstatiert. Besonders fiir die Angeh6rigen der unteren Schichten und der Minderheitengruppen klang der Ruf nach Chancengleichheit durch Bildung immer hohler. Auch dies dfirfte die Legitimation der traditionellen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zunehmend unterminiert haben.
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Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
Dieses Kapitel widmet sich der Fragestellung, wie die Tatsache erkliirt werden kann, dass im Terti/irbereich in den USA eine die anderen etablierten OECDL/inder weit iibertreffende Ressourcenmenge, vor allem aus privater Hand, mobilisiert werden kann. Die Arbeitshypothese, die bier vertreten werden soll, ist, dass die institutionelle Struktur des amerikanischen Bildungssystems die entscheidende Rolle spielt. Die spannungsreiche Wechselbeziehung zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen bildet dabei das Kernelement dieser Dynamik. Drei Eigenschaften des amerikanischen Systems der Tertiiirbildung sind bier entscheidend: Zum einen herrscht ein starker Wettbewerb nicht nur zwischen den Institutionen des privaten und 6ffentlichen Sektors, sondern auch irmerhalb der Sektoren. Dieser Wettbewerb beinhaltet im Unterschied zu den Verh/iltnissen in kontinentaleuropiiischen Staaten die reale Option des Scheiterns. Massenweise Schlief3ungen und Neugrtindungen von Colleges und Universitiiten sind in der Geschichte der Terti/irbildung der USA kein seltenes Phiinomen. Der Wettbewerb hat aber auch dazu gefiihrt, dass sich eine enorme Vielfalt an Bildungsinstitutionen etabliert hat. Dies ist die zweite entscheidende Eigenschaft des amerikanischen Systems. Diese Vielfalt bezieht sich nicht nur auf die zu beobachtenden grof3en Leistungsunterschiede der Studenten unterschiedlicher Institutionen. Vielmehr versuchen viele amerikanische Bildungsinstitutionen, sich ,,Marktnischen', zu erschliegen, d.h. eine Spezialisierung auszubilden, in der sie anderen Institutionen iiberlegen sind. Wie auch in amerikanischen Wirtschaftsunternehmen iiblich, setzten sich die Colleges und Universitiiten eine ,,Mission", die es zu erffillen gilt. Dies karm zum Beispiel die Erziehung von Studenten aus Minderheitengruppen sein (vor allem die Colleges ffir Afro-Amerikaner sind bier zu nennen) oder die Vermittlung von christlichen Lehren neben dem Studium. Die Spezialisierung in der Vielfalt kann sich auch darin iiugern, dass ein College zum Beispiel insgesamt nur einen mittleren Platz in den iiberall verffigbaren Hochschulrankings eirmimmt, es aber in der Erfiillung einer BildungsNischenfunktion (z.B. ein besonders gutes PhD-Programm fiir ,,Nativistische Literatur der Kolonialperiode" oder *hnlichem) nationalen Ruhm erlangt. Die Autonomie der Hochschulen, das dritte entscheidende Element in meiher Arbeitshypothese, ist im Wesentlichen aus zwei Griinden von Bedeutung. Zum einen hat die Autonomie der Institutionen, was vor allem fiir den privaten
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Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
Sektor, m. E. aber auch ftir den 6ffentlichen Sektor gilt, erst die Auspr/igung von spezifischen Profilen und damit die Entstehung der zu beobachtenden Vielfalt erm6glicht. Zum Zweiten ist im internationalen Vergleich vor allem die Unabh~ingigkeit der amerikanischen Universit~iten von staatlichen Verwaltungsinstitutionen zu nennen. Dies gilt weniger fiir die finanzielle Dimension, denn auch private Institutionen sind von 6ffentlichen Forschungsgeldern abh/ingig. Es gilt in st/irkerem Mal3e ftir die administrative Dimension. Die freie Auswahl der Studenten und die von externen Faktoren nicht abh~ingige Besetzung von Professorenstellen sowie die Entscheidung, einem Professor eine lebenslange Anstellung (,,tenure") zuzuerkennen, geh6ren zum festen Traditionsbestand amerikanischer Bildungsgeschichte. Wie wir sehen werden, war auBerdem die Umgestaltung der universit~iren Administrationen, die im Zuge gr613erer Transformationen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Gang kam, nach dem Modell amerikanischer Wirtschaflsunternehmen eine wichtige Grundvoraussetzung ftir deren sp~itere Erfolge bei der ErschlieBung zus/~tzlicher Einnahmequellen. Im Folgenden m6chte ich in einem kurzen historischen Abriss darstellen, wie es zur Auspr/~gung der drei Systemmerkmale, Wettbewerb, Vielfalt und Autonomie, kam, die auch als Grundpfeiler eines deskriptiven Modells zur Beschreibung des amerikanischen Systems der Hochschulbildung angesehen werden k6nnen. Im zweiten Unterkapitel m6chte ich auf die Lage der amerikanischen Hochschulbildung in den 1980er und 1990er Jahren sowie in der Periode nach 2000 eingehen. ee
3.1
Historischer Uberblick
Die Antebellum-Colleges vor dem Amerikanischen Biirgerkrieg Im Jahre 1636 wurden durch eine Verfiigung des allgemeinen Gerichtshofs von Massachusetts Gelder zur Grtindung des ersten Colleges auf nordamerikanischem Boden zur Verfiigung gestellt. Nach einem wohlt~itigen Unterstiitzer benannt, 6ffnete das Harvard College 1638 seine Pforten, um die ersten Studenten zu unterrichten (Lucas 1994: 104). Auch Yale und das College William and Mary geh6rten zu den frtihen Grtindungen (Jencks / Riesman 2002: 156). Aber erst im Zuge der ersten H~ilfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Colleges stark zu: Zu Zeiten der amerikanischen Revolution gab es in den gesamten USA nur neun Colleges, um 1860 gab es bereits 200, obwohl einschr~inkend hinzugefiigt werden muss, dass die Bezeichnung ,,College" eher ein Begriff ,,of hopeful ambition rather than precise definition" war (G. P. Schmidt 1962: 51). Diese Colleges waren haupts~ichlich von Kirchen gegriindet, ,,kept alive by religious zeal and community loyalty" (ebd.), und dienten der Ausbildung des Priester-
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nachwuchses. Nach Zahlen von Pfnister (1962: 80) waren von den 182 etablierten Colleges vor dem Biirgerkrieg 175 unter den Fittichen von vor allem protestantischen Kirchen. Die Hoch-Zeit der Expansion der katholischen Hochschulinstitutionen war erst nach 1860, obwohl die katholische Georgetown University bereits im Jahre 1789 gegriindet wurde (Pfnister 1962: 80). 117 Die Gesamtzahl der eingeschriebenen Studenten in allen Colleges betrug ungefiihr 10.000 (G. P. Schmidt 1962:51). Die Antebellum-Colleges der ersten H/ilfte des 19. Jahrhunderts setzten keinen besonderen Schwerpunkt in der wissenschafilichen Forschung und glichen eher einer europ/iischen Sekundarschule (Jencks / Riesman 2002: 1; Ringer 1979: 248). lls Es ging vielmehr um die Vermittlung moralischer und religi6ser Werte, das Sozialleben der Studenten wurde durch patemalistische Aufsicht der Instruktoren kontrolliert. Folgerichtig wurde deren Befiihigung zur Unterrichtung am College auch nicht von ihren wissenschaftlichen Leistungen abh/ingig gemacht, sondem von ihrem moralischen und pers6nlichen Charakter (Veysey 1965: 23, 30, 33, 45). Das unterrichtete Curriculum war eine ,,Americanized version of the so-called liberal arts and sciences"-Lehrplans, welcher sich an den in Oxford und Cambridge unterrichteten Inhalten orientierte. Die Colleges in den westlichen Staaten orientierten sich wiederum an den bereits importierten und kopierten Curricula der Ostldisten-Colleges (G. P. Schmidt 1962: 52-53). 119 Im Unterschied zu den Universit/iten Europas finden sich trotz diinner Datenlage einige Hinweise darauf, dass die Colleges der Kolonialzeit auch von Angeh6rigen der weniger wohlhabenden Schichten besucht worden sind. Es ist etwa belegt, dass in Harvard neben den S6hnen von Kirchenm/innem, Gesch/iftsleuten, Anw/ilten und Magistraten auch die Kinder von Kiinstlem, Seeleuten, Dienem und Bauem unterrichtet und durch Stipendien unterstiitzt wurden (Lucas 1994: 108). Nichtsdestotrotz waren die Colleges haupts~ichlich Institutionen fiir die h6here Mittelklasse (Jencks / Riesman 2002: 90). Bei den friihen Colleges war die Unterscheidung zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen allerdings noch nicht besonders deutlich ausgepr/igt. Den Colleges kam neben der Ausbildung des kirchlichen Nachwuches, welches an 117 Ober 60 Prozent der katholischen Colleges wurden nach 1900 gegrfindet, nur 25 Prozent zwischen 1860 und 1900 und nur 14 Prozent vor 1860 (Pfnister 1962: 90). 11s Wissenschaf~liche Forschung wurde betrieben in den h/iufig nur stiefmiitterlich behandelten und nur lose mit den Colleges affiliierten ,,Scientific Schools" (Veysey 1965: 49). 119G. P. Schmidt (1962: 53) beschreibt eindrucksvoll in wenigen Worten die Situation in den Institutionen der Weststaaten: "Life was narrow and monotonous: With 100 or 200 boys - college students averaged about two years younger than n o w - cooped up in a campus at the edge of a small town, far from the wordly temptations of cities, the regime tended to be legalistic and mechanical. Rules governed every waking hour from the rising bell at 5:30 or 6:00 a.m. to lights out at 9:00 or 10:00 p.m." (Schmidt 1962: 53)
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Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
sich ja auch schon einen gewissen 6ffentlichen Bezug enth/ilt, bis zu einem gewissen Grad auch die Heranziehung kiinftiger gesellschaftlicher Fiihrungskr/ifle zu (Jencks / Riesman 2002: 208; Lucas 1994: 105). Insofern konnte argumentiert werden, dass eine Subvention privater Institutionen durch 6ffentliche Gelder dadurch gerechtfertigt war, dass diese Einrichtungen zum Teil auch 6ffentliche Funktionen iibemahmen. Ein Beispiel ftir die Verwendung 6ffentlicher Gelder zur F6rderung der Hochschulbildung ist die bereits erw~ihnte gerichtlich verftigte Bereitstellung von Finanzmitteln zur Gr/indung von Harvard. 12~ Zum Zweiten wurde zwar nicht der eigentliche Bildungsbetrieb, aber bei BedarfKapitalinvestitionen wie die Errichtung neuer Geb/iude durch 6ffentliche Gelder unterst/itzt (Jencks / Riesman 2002: 257; Chambers 1962: 37). Die private Dimension des Charakters der frfihen Colleges wurde neben der offiziellen Affiliation der meisten Hochschulen mit einer Religion oder Sekte auch durch die Erhebung von Studiengeb/ihren zum Ausdruck gebracht, die einen grol3en Teil der Einnahmen ausmachten (Lucas 1994:114). Die Verleihung der Diplome war aul3erdem in keiner Weise von 6ffentlichen Institutionen oder Wfirdetr~igern abh/ingig, sondern lag ausschliel31ich in der Verantwortung der Hochschule (Cremin 1976:18). Die meisten der fr/ihen Colleges waren sich also darin ~ihnlich, dass sie sowohl 6ffentliche wie private Funktionen erftillten, sich aus 6ffentlichen und privaten Quellen finanzierten und offiziell mit einer Religion oder Sekte affiliiert waren, dabei aber auch zwangsweise zur S icherung ihrer Einnahmen Angeh6rige anderer Glaubensrichtungen aufnehmen mussten. Eine scharfe Grenzziehung zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen fiel daher schwer bis zu der folgetr~ichtigen Dartmouth-Entscheidung des US-Verfassungsgerichtes im Jahre 1819. Urspr/.inglich ging es hier um die Frage, ob das Dartmouth College eine 6ffentliche Institution sei und die Legislative von New Hampshire daher das Recht habe, die Statuten des Colleges zu ~indern. Das Gericht entschied, dass dies nicht der Fall war, das Dartmouth College daher nicht als 6ffentliche Institution anzusehen und eine Einmischung der gliedstaatlichen Regierung oder Legislative in Angelegenheiten von akademischen Institutionen nicht rechtens sei. Als Ausnahme zu der Nicht-Einmischungs-Regel gelte nur der Fall, in dem explizit festgelegt werde, dass eine akademische Einrichtung eine 6ffentliche K6rperschaft sei und durch Gelder aus der Kasse der Bundesstaaten unterst/itzt werde (Lucas 1994:116). Die Dartmouth-Entscheidung hat also eine strikte Trennung zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen eingeftihrt, wie sie auch im Sekundarbereich existiert. Der Preis, den private Institutionen fiir den Schutz ihrer Autonomie vor den l]bergriffen der gliedstaatlichen Legislativen zahlen
120 Diese Einnahmen wurden aus Banksteuern und einem F~ihrenzoll, sp~iter einem Brfickenzoll, fiber den Charles River erzielt (Lucas 1994:107).
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mussten, war der Verzicht auf 6ffentliche Zuschiisse. Dies hat die ohnehin prek/ire finanzielle Lage mancher Colleges nicht verbessert. TM Als Konsequenz aus der Dartmouth-Entscheidung sind in vielen Bundesstaaten rein 6ffentliche, nichtsektiererische Colleges gegriindet worden, die der Kontrolle der Legislativen unterstanden, zu Anfang allerdings, was Curriculum und Zusammensetzung der Aufsichtsgremien (,,board of trustees") anging, sich nicht groflartig von den privaten Institutionen unterschieden (Jencks / Riesman 2002: 258). Wie wir weiter unten sehen werden, nahm die direkte und indirekte Bezuschussung von privaten Institutionen durch 6ffentliche Gelder im Laufe des 20. Jahrhunderts aber wieder zu, so dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts sogar wieder eine gewisse Verwischung der Trermlinie zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen beobachten 1/isst (ACE 2005). Die entstehende pluralistische Gesellschaftsordnung des kolonialen und nach-revolutionaren Amerika hat auch den Bildungsbereich gepr/igt. Das Wettbewerbselement 1/isst sich bereits in dieser friihen Periode nachweisen. Dabei hat sich der Wettbewerb vor allem in drei Dimension niedergeschlagen: der religi6sen (zwischen Kirchen, Sekten und Splittergruppen), der ethnischen (die teilweise die religi6se iibedagerte, sich zum Teil aber auch mit ihr brach) 122 und der geographischen (zwischen Kommunen, St/idten und Bundesstaaten). Einige Beispiele sollen verdeutlichen, welche Rolle die Griindung von Institutionen der h6heren Bildung zum Zwecke der Behauptung der Stellung der religi6sen oder ethnischen Gruppierung oder der eigenen Gemeinde gespielt hat (vgl. auch Jencks / Riesman 2002: 3). Bei den ersten College-Griindungen vor der amerikanischen Revolution haben vor allem religi6se Griinde eine Rolle gespielt: Yale wurde von Harvard-Graduierten gegriindet, die dem wahrgenommenen Verfall der puritanischen Orthodoxie an ihrer Alma Mater etwas entgegensetzen wollten. Princeton University wurde von den ,,New Light"-Presbyterianem gegriindet, die sich mit anderen presbyterianischen Gruppierungen iiberworfen hatten. Dartmouth College wiederum wurde von den ,,New England Congregationalists" gegriindet, die den Verfall der Werte in Cambridge (Harvard) und New Haven (Yale) nicht hinnehmen wollten (alle Beispiele aus Lucas 1994: 105-106). Die Aktivit~iten von dissidenten Kirchenm/innem, die einen wahrgenommen Verfall der Sitten nicht hinnehmen wollten und zur Grfindung neuer Colleges Gleichge121 Wenn die wirtschaftliche Lage schlecht war, waren manche Colleges sogar gezwungen, die Studiengebiihren in Form von Naturalien (Baumwolle, Schafe, Zinngeschirr, Lebensmittel) oder schlimmer noch in Form von Schuldscheinen zu akzeptieren (Lucas 1994:114). 122 So setzte sich Princeton von den anderen Neu-England-Colleges zwar haupts/ichlich durch seinen Presbyterianismus ab, aber auch durch die schottische Herkunft ihrer GriJnder (Jencks / Riesman 2002:316).
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sinnte und finanzielle Ressourcen mobilisierten, waren ein wichtiger Antriebsfaktor der zahlenm~il3igen Expansion der Hochschulen (Jencks / Riesman 2002: 314). Im Laufe der Zeit standen weniger religi6se l~erlegungen, denen ja noch eine gewisse Verankerung in substanziellen Differenzen nachgesagt werden konnte, im Vordergrund, sondern starker auf die S icherung des eigenen Prestiges gerichtete Motivationen. Dies gilt besonders ftir die Staaten des Westens, in denen die Errichtung eines Colleges ~ihnlich wie der Bau einer Eisenbahnstation dazu dienen sollte, die neu gegriindete Stadt ,,auf die Landkarte zu schreiben" (,,to put their town on the map") (Jencks / Riesman 2002:187). Einige erhofften sich von der Errichtung eines Colleges auch 6konomische Vorteile in Form von steigenden Landpreisen und erh6htem Wirtschaftsumsatz (Church 1976:41). Es ging dabei nicht nur um das Bestehen neben der Nachbargemeinde oder dem Nachbarstaat: Die Frontier-Gemeinden versuchten zum Beweis ihrer Unabh/ingigkeit und Fortschrittlichkeit, die Neu-England-St~idtchen zu kopieren (Lucas 1994: 118; Church 1976: 42), und dazu geh6rte schliel31ich auch die Errichtung eines Colleges. Wie weit sich der durch den Wettbewerbsgeist angefachte ,,Bauwahn" der ,,local boosters" (Jencks / Riesman 2002: 155) von den Realit/iten entfemte, zeigt folgender Vergleich: Das England der damaligen Zeit hatte bei einer Bev61kerung von ca. 23 Mio. vier Institutionen der h6heren Bildung, der Bundesstaat Ohio hatte bei einer Bev61kerung von drei Millionen zu einem Zeitpunkt 3 7 (Lucas 1994:117). Die University of Missouri wurde errichtet, nachdem Boone County fiinf andere Counties im Wettbewerb ausgestochen hatte mit dem Versprechen, 82.000 Dollar in bar und 35.000 Dollar in Land bereitzustellen (Church 1976: 41). In Maine zum Beispiel wurde dem potentiellen Investor, der zur Errichtung eines vierst6ckigen Geb/iudes zur Griindung des sp/iteren Bowdoin Colleges bereit war, eine ganze Btirgerschaft (,,township") geboten. 1829 6ffnete Illinois College in der Mitte der Pr/irie mit ganzen neun Studenten seine Pforten. (Lucas 1994:117). Etwas ausftihrlicher dazu Lucas: "At Bloomington, Indiana, in 1830 the Reverend Andrew Wyle alighted to assume charge of the newly created Indiana College. In November of 1832, five Presbyterian ministers founded Wabash College near Crawfordsville, Indiana. Six years later, in 1838, Emory College in Georgia opened its door, its founders undeterred by the fact that the new venture lacked any funds whatsoever, only promises of future donations. In October 1841, eight French-speaking clerics, brothers of the Congregation of the Holy Cross, rode into the northern wilds of Indiana to inaugurate the college later called Notre Dame. On August 6, 1845, the University of Michigan proudly held its first commencement- for eleven graduates." (Lucas 1994:117)
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Ein wesentlicher Grund daRir, warum sich der Widerstreit zwischen gesellschaftlichen Gruppen so stark im Bildungsbereich niedergeschlagen hat, ist sicherlich in der Einfachheit der Griindung neuer Hochschulinstitutionen zu sehen. Diejenigen, die sich vom bestehenden System der gesellschaftlichen und politischen Institutionen ausgeschlossen fiihlten, konnten nach Westen ziehen und ihre eigene Ordnung aufbauen. Die fiihrenden Eliten, die viele der friihen Colleges dominierten, waren auBerdem nicht stark genug, andere an der Griindung eigener Bildungseinrichtungen zu hindem, Die Schw/iche zentralisierter Kontrollinstitutionen nach dem Vorbild der staatlichen Verwaltungen in Europa bedeutete zudem, dass die Errichtung neuer Colleges auch nicht durch die staatliche Biirokratie verhindert werden konnte (vgl. dazu Jencks / Riesman 2002:105). Die Regierungen der Gliedstaaten begannen relativ friih, sich in den Bereich der Hochschulbildung und vor allem ihrer Finanzierung einzumischen. 1785 wurde von Georgia eine ,,State University" eingerichtet, 1791 von Vermont, und die University of North Carolina 6ffnete 1795 ihre Tiiren. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese frfihen Institutionen sich in wenigen Punkten von den damaligen privaten Colleges unterschieden (Brubacher 1962: 69; Lucas 1994: 147). In den westlichen Staaten hingegen wurden die Universit~iten ,,auf der Annahme, dass die 6ffentliche Hochschulbildung eine Verantwortung der Gesellschaft ist und allen, die sich qualifizieren, zug/inglich gemacht werden sollte" (Schmidt 1962: 55)gegriindet. I n d e n 1870er Jahren rutschten die Antebellum-Colleges in eine Krise: In zwanzig der ,,/iltesten, ~hrenden" Colleges stieg die Zahl der eingeschriebenen Studenten lediglich um 3,5 Prozent, w/ihrend zur selben Zeit die GesamtbevSlkerung um 23 Prozent wuchs (Veysey 1965: 4). Auch aufgrund der geringen Relevanz der im klassischen ,,liberal arts"-Curriculum der Colleges vermittelten F/ihigkeiten Rir die sich entwickelnde industrielle Gesellschaft gab es genug attraktive berufliche Alternativen in der Gesch~iftswelt, die keinen College-Abschluss erforderten (Veysey 1965: 5; Jencks / Riesman 2002: 91). Die Welle von College-Neugriindungen in den Jahrzehnten vor dem Biirgerkrieg wurde dadurch gebremst, dass ca. 80 Prozent dieser Institutionen vor dem Krieg wieder ihre Tore schlieBen mussten (Pfnister 1962: 82). Nach anderen Sch/itzungen kamen auf jedes College, das diese Krisenzeit fiberlebte, drei oder vier, die es nicht schafften (Church 1976: 37). Diese Zahlen verdeutlichen, wie stark der Wettbewerbsdruck in dieser Zeitperiode gewesen sein muss. Die starke finanzielle Abh/ingigkeit vieler ,,special interest"-Colleges, die sich und ihre Studentenbev/51kerung vor allem als Vertreter einer bestimmten religi6sen, ethnischen oder geographischen Subkultur verstanden, von ihren nach auBen geschlossenen Unterstiitzerkreisen wirkte sich hierbei negativ auf ihre 0berlebenschancen aus (Jencks / Riesman 2002: 4). Einige der im sp/iten 19.
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Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
Jahrhundert zum Zwecke der Priesterausbildung gegrtindeten katholischen Colleges beispielsweise liel3en auch Laien zu und diversifizierten ihr Curriculum, um die finanzielle Solvenz der Schulen zu erhalten (ebd.: 209). Auch protestantische Colleges 6ffneten sich notgedrungen fiir Angeh6rige anderer Religionen (Jencks/Riesman 2002: 325; Church 1976: 44).
Expansion und Transformation am Ende des 19. Jahrhunderts In der Zeit zwischen 1860 und 1880, also ungef'~ihr zu Zeiten des amerikanischen Biirgerkrieges, fand ein struktureller Wandel statt. Die altmodischen Colleges (Antebellum-Colleges) wurden zusehends abgel6st von der modemisierten ,,American University" (Veysey 1965), die sieh st/irker auf die Forschung ausrichtete (Jencks / Riesman 2002: 13; Church 1976: 228) und nach innen zu einem h6heren Grad biirokratisiert und durchrationalisiert war. Dieser Wandlungsprozess ist beispielsweise ablesbar an der Zahl der verliehenen PhD-Titel: Vor 1861 wurde kein einziger amerikanischer Doktortitel verliehen, 1890 waren es schon 164, mehr als doppelt so viele um 1900 (Ringer 1979: 249). Die Zahl der Postgraduierten-Studenten wuchs von weniger als 200 (1871) auf fast 3.000 (1890) an (ebd.: 249). Die Transformation der Antebellum-Colleges zu modemen Forschungsuniversit~iten ist wesentlich durch das Vorbild der deutschen Universit~iten beeinflusst worden. In der zweiten H~ilfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts pilgerten insgesamt ca. 10.000 amerikanische Studenten zum Studium nach Deutschland (Schmidt 1962: 56) 123 und brachten von don die Unterrichtsform des Seminars (also die relativ egalit~ire, an der gemeinsamen Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen interessierende Interaktionsform einer kleinen Gruppe von Studenten mit einem Professor), die Vorlesungsmethode, die Institution des Doktorandentitels sowie die Idee der Besch~iftigung mit der reinen Wissenschaft anstelle angewandter Wissenschaften mit (Willis 1962: 20; Veysey 1965: 10; Lucas 1994:171).124 Aus England wiederum wurde die Institution des 4-j/ihrigen Colleges importiert. Das Resultat war die Entstehung einer spezifisch 123 Der zahlenm/igige H6hepunkt dieses Studentenstromes wurde im Jahr 1895-96 (517 Studenten) erreicht (Veysey 1965:112). 124 In einer ironischen Verdrehung der heutigen Verh~iltnisse wurde in Harvard Prfisident Eliot vom Historiker und Harvard-Lehrer Edward Channing 1888 bedrfingt: ,,The question for us to consider is not whether the Harvard student is on a level with that of Berlin. The question before us is: ,How can we give as many American boys as possible as good an education as possible?'" (nach Veysey 1965: 78) Zeugnis von der h6heren Qualitfit der Hochschulbildung im damaligen Deutschland legt auch die Tatsache ab, dass Anfang des 20. Jahrhunderts yon der Universitfit Berlin ein amerikanischer College-Abschluss nur als Aquivalent zum deutschen Abitur angesehen wurde (Brubacher / Willis 1997: 356).
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amerikanischen Universit/it, die als Zwitter aus einem englischen 4-JahresCollege und einer am deutschen Modell orientierten Graduiertenschule (,,Graduate School") ins Leben gerufen wurde (Willis 1962: 22). 125 Die im Jahre 1876 gegriindete Johns Hopkins University und die ebenfalls neu gegriindete Clark University wurden mehr als andere Universit/iten nach dem deutschen Vorbild einer reinen Forschungsuniversit/it gegriindet (Brubacher / Willis 1997: 250; Veysey 1965: 129), waren aber im Laufe der Zeit gezwungen, ihr Profil auch im Undergraduate-Bereich zu st/irken, um im Wettbewerb bestehen zu kSnnen (ebd.: 171). Die Strategie, zus/itzliche Graduiertenprogrammen einzurichten und diese an bestehende 4-Jahres-Colleges anzugliedem, erwies sich im Endeffekt als erfolgreicher (ebd.: 171). Bei der Transformation der amerikanischen Hochschulen hat eine Generation von Universit~itspr~isidenten eine wichtige Rolle gespielt, die vor allem in der Periode nach 1890 an die Macht kamen. Charles W. Eliot (Pr/isident von Harvard), John Howard Raymond (Vassar), William B. Rogers (MIT), James H. Kirkland (Vanderbilt) und Andrew D. White (Comell) waren zum Beispiel Vertreter dieser Generation von M/innern, die im Unterschied zu den Verwaltungschefs der Antebellum-Colleges fiber einen starker s/ikularen Hintergrund verfiigten (Lucas 1994: 143; Veysey 1965: 69, 85) und sich in der Reform der universit/iren Verwaltungsprozesse zunehmend am Vorbild der amerikanischen Wirtschaftsunternehmen orientierten (Lucas 1994: 188). 126 Dies /iuBerte sich zum Beispiel darin, dass das administrative Personal (der ,,Registrar", der sich um die Administration der Kurse und der Lehre kiimmert, die Dekane und das allgemeine Verwaltungspersonal) zahlenm~iBig ausgebaut wurde und einen erheblichen Bedeutungs- und Machtzuwachs erfuhr (Brubacher / Willis 1997: 368; Veysey 1965:312). Die Rolle der amerikanischen Gesch~iftswelt und der sich formierenden Klasse der Kapitalisten beschr~inkte sich nicht nur auf die Bereitstellung eines Rollenmodells in Form des modernen Industrieuntemehmens, sondern ganz konkret auch in der Bereitstellung von zus~itzlichem Kapital (,,surplus capital") (Lucas 1994: 142): ,,In the post-Civil War years, the university could not have 125 "The result was that a German-inspired graduate school granting the Ph.D. degree came to be superimposed in American universities upon a four-year, English-derived undergraduate college granting the baccalaureate, which in origin was a general education degree." (Willis 1962: 22) 126 "Gone were the kindly old presidents of yesteryear who knew everyone by name, greeted new arrivals in person, and took a personal interest in the academic progress of each student entrusted to their care. They would be supplanted by a new breed of academic executive officers well versed in the intricacies of finance and administration, executive managers whose duties would inevitably remove them not only from faculty and students but increasingly from academics as well." (Lucas 1994:188)
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developed without the Cornells, Hopkinses, and Rockefellers, without the taxpayers of Michigan and Wisconsin." (Veysey 1965: 3) Das Ironische an der Spendenbereitschaft dieser Gesch~iftsleute ist, dass diese Manner selbst meist ohne eine College-Ausbildung auf ihre Positionen gekommen waren, im Zuge der Transformation der amerikanischen Hochschullandschaft aber zunehmend den Wert einer Hochschulausbildung erkannten (ebd.: 266). 127 Die H6he der geleisteten Spenden war betr~ichtlich: Nach Sch~itzungen verfiigten am Anfang des 19. Jahrhunderts alle Colleges vor dem Bfirgerkrieg fiber Finanzmittel von nicht mehr als 500.000 Dollar. Ezra Cornell startete das nach ihm benannte College mit einer Spende von 500.000 Dollar, also einer Geldmenge, die der Finanzausstattung aller Colleges zu Anfang des Jahrhunderts entsprach. Cornelius Vanderbilt stiftete 1 Mio. Dollar, Johns Hopkins 3,5 Mio., so viel wie Harvard w~ihrend seiner bis dato 250 Jahre w~ihrenden Geschichte gesammelt hatte, Leland Stanford die astronomische Summe yon 20 Mio., und die Universit~it Chicago erhielt 30 Mio. aus dem Verm6gen der Rockefellers (alle Daten nach Brubacher / Willis 1997: 377). Die meisten der Schenkungen konzentrierten sich auf wenige Institutionen. In den 1930ern erhielten 20 Universit~iten 75 Prozent des verftigbaren Stiftungskapitals, weitere 25 Prozent gingen an 310 Institutionen, 700 Hochschulen erhielten /iberhaupt keine Zuschfisse (ebd.: 379). Die Motivation der grol3zfigigen Spender war allerdings weniger religi6s wie vor dem Bfirgerkrieg, sondern vor allem die Befriedigung ,,idiosynkratischer Bedfirfnisse der Zur-Schau-Stellung" (Veysey 1965: 349). Zur ,Belohnung' ihrer Spendenbereitschaft wurden die Gesch~iftsleute als Mitglieder in die universit~iren ,Aufsichtsr~ite' (,,Board of Trustees") berufen, die zuvor vor allem von Kirchenm~innern dominiert waren (Brubacher / Willis 1997: 363; Veysey 1965: 350), 128 wodurch die Transformation der amerikanischen Universit~iten weiter vorangetrieben wurde. Einige der Zuwendungen waren zudem an die Erftillung
127 Wie Andrew Carnegie, ein Geschfiftsmann, der den Ausbau der amerikanischen Hochschullandschaft durch sein finanzielles Engagement unterstiitzte, im Jahre 1889 das klassische "liberal arts"-Currciulums kritisierend bemerkte: "While the college student has been learning a little about the barbarous and petty squabbles of a far-distant past, or trying to master languages which are dead, such knowledge as seems adapted for life upon another planet than this as far as business affairs are concerned, the future captain of industry is hotly engaged in the school of experience, obtaining the very knowledge required for his future triumphs. [...] College education as it exists is fatal to success in that domain." (zitiert nach Lucas 1994:144-145) 128 1860 stellten Gesch~iftsleute nur ca. ein Fiinftel der Mitglieder der Aufsichtsgremien, 1930 war es bereits ein Drittel (Brubacher / Willis 1997: 363).
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bestimmter Auflagen gebunden, 129 welches den Pr/isidenten zu langwierigen Verhandlungen zwang und von seinen eigentlichen Aufgaben, der Regelung der universit/iren Angelegenheiten, ablenkte (Lucas 1994:189). Ein ausgesprochener Kritiker der wirtschaftsorientierten Reformen war der Volkswirtschaftler Thorstein Veblen, der in seinem Buch ,,The Higher Learning in America" die sich entwickelnde Zunft der Universit/itsadministratoren als ,,captains of erudition" (,,Kapit/ine der Gelehrsamkeit") (Veblen 1993:187) bezeiclmete und damit in eine Ecke mit den hartherzigen Industriekapit/inen, den ,,captains of industry", stellte, die die Wirtschaftsunternehmen der sich noch entwickelnden US-amerikanischen Industriegesellschaft lenkten. Veblen kritisierte den hierarchischen Geist, der mit der neuen Generation von Universit/itspr/isidenten Einzug gehalten habe sowie die Fokussierung auf die ,,Verwertbarkeit" der Forschung; beides sch/idige den eigentlichen Charakter der Universtit/iten, der ,,disinterested and dispassionate" sein solle (Veblen 1993: 43). Der autofit/ire ,,Regierungsstil" der Universit/its- und Collegepr/isidenten und die alleinige Verantwortlichkeit des Pr/isidenten gegen/iber dem Aufsichtsgremium und nicht der Fakult/it waren allerdings bereits vor der Zeit der Reformuniversit/iten an den Antebellum-Colleges die /ibliche Praxis gewesen (Lucas 1994: 124), insofem herrscht hier eher Kontinuit/it als Wandel vor. Nachdem der Reformprozess erst einmal in Gang gekommen war, setzte eine Wettbewerbsdynamik ein, die auch die anfangs eher zuriickhaltenden, traditionalistisch gepr/igten Colleges dazu zwang, an der Transformation teilzunehmen. Den/ilteren Colleges fiel es schwer, angesichts der Attraktivit/it der Reformuniversit/iten geniigend Studierende anzuziehen: ,,Colleges, which lagged behind for any reason, including religiously motivated traditionalism, had to face the threat of eventual starvation." (Veysey 1965:11) Hier zeigt sich wieder die harsche Realit/it der Option des Scheitems, die dem amerikanischen Bildungswettbewerb seine starke Dynamik verleiht. Nach 1885 wuchs die finanzielle Sicherheit der reformierten Hochschulen an. Die wichtigsten Elemente der Bildungsreform, die Errichtung von Graduate Schools und die Einfiihrung von Wahlm6glichkeiten im Curriculum anstelle des rigorosen Liberal-Arts-Lehrplans, wurden von den meisten anderen Hochschulen iibemommen, private Schenkungen an Universit/iten wuchsen, und die Zuwendungen aus 6ffentlichen Mitteln waren ebenfalls 129Ein profanes Beispiel ftir solche Auflagen demonstriert ihre Relevanz: Die Spender der College-Biicherei der Harvard University bestanden darauf, dass fortan in allen Studentenwohnheimen der Universit/it jeden Abend Eis zum Nachtisch serviert werden musste, da dies die Lieblingsspeise des im Titanic-Ungliick ums Leben gekommenen Sohnes war. AuBerdem verfiigten die Spender, dass von dem B/ichereigeb~iude kein Ziegelstein umgesetzt werden diirfte, was im Nachfolgenden zu einigen baulichen und architektonischen Verwicklungen geftihrt hat.
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zunehmend verl/isslich (Veysey 1965: 264). Die Sch/irfe des Wettbewerbs wurde dadurch dennoch kaum gemindert: Ein ,,spirit of institutional rivalry" pr/igte die Bemfihungen um systematische Rekrutierung von talentierten Studenten oder Pro fessoren, Neugriindungen von Universit/iten wurden von den existierenden ebenso ,,eifersfichtig" beobachtet wie die Herausgabe und Grtindung neuer wissenschaftlicher Zeitschriften (Veysey 1965: 324). 13~ Der ,,highly competitive struggle for reputation" beinhaltete vor allem aber auch die Einsicht, dass es nicht nur um die Imitation der Nachbaruniversit/it, sondern um die Ausbildung und Nutzung institutionenspezifischer Wettbewerbsvorteile geht (Veysey 1965: 330). Also auch hier zeigt sich wieder die enge Verbindung zwischen Wettbewerb und Differenzierungen: Einerseits ermutigt dieser Wettbewerb zwischen amerikanischen Hochschulen Differenzierung und Spezialisierung, andererseits werden der Spannbreite der Variabilit/it allerdings auch absolute Grenzen gesetzt, denn der Wettbewerb um Studenten, Gelder und Professoren ,,dictated the avoidance of pronounced eccentricities" (Veysey 1965: 340). Nachdem der Transformationsprozess gegen 1910 einen vorl/iufigen Abschluss fand, hatten sich an nahezu allen amerikanischen Hochschulen die neuen Administrativstrukturen (mit dem Pr/isidenten, dem ,,Board of Trustees", der Department-Struktur und den formalen Kursregistrierungs-Verfahren) etabliert und damit einen gewissen Standard begriindet (ebd.: 340). Neben der Selbstregulierung durch den Wettbewerb wurde die Standardisierung der amerikanischen Hochschulen auch durch die Aktivit/iten der Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching vorangetragen: Im Jahre 1905 stellte sie 10 Mio. Dollar zur Verftigung zur Errichtung einer Rentenkasse ftir College- und universit/ire Professoren. Zu diesem Zwecke musste allerdings genau definiert werden, welche Institutionen als Colleges zu verstehen sind und welche nicht (Brubacher / Willis 1997: 358). TM Dieser Plan gab konkrete Richt-
130 "The Johns Hopkins University spurred Harvard; Stanford's arrival in 1891 gave the University of California a nudge; the universities of Illinois, Wisconsin, and Michigan all were forced to respond to the mightiness of the new University of Chicago." (Veysey 1965: 330) 131 Nach den Richtlinien der Stiftung musste ein College mindestens sechs VollzeitProfessoren haben, einen Unterrichtsplan for eine vierj/ihrige Ausbildung in den ,,liberal arts and sciences", for die Zulassung von Studenten nicht weniger als vier Jahre HighSchool-Besuch voraussetzen und fiber eine eigene Finanzausstattung von mindestens 200.000 Dollar zum Zwecke der Einrichtung der Rentenkasse verfogen (Brubacher / Willis 1997: 358). Die ursprfingliche Finanzausstattung des Carnegie-Plans reichte al!erdings nicht aus, um die langfristige fiskalische Stabilit/it zu garantieren. Daher sind mit der Zeit auch individuelle Beitr/ige erhoben worden (ebd.: 395). Die Nachfolgeorganisationen des Carnegie-Plans verwalten inzwischen die Pensionsansprfiche von 3,2 Mio. Indi-
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linien vor, die es zum Erreichen des College-Status zu erFtillen gait, und winkte zudem mit einer f'manziellen Belohnung. Dies hat einen enormen Vereinheitlichungsdruck aufgebaut und so manches sektiererische College ,,stark in Versuchung gefiihrt zu leugnen, dass es presbyterianisch, methodistisch oder baptistisch war" (Pfnister 1962: 90). Ahnlich wie beim Primar- und Sekundarschulwesen konnte man nach den ersten Anfiingen der Terti/irbildung auf der lokalen Ebene schon bald eine Involvierung der Bundesebene vor allem in der fiskalischen Dimension beobachten. Eigentlich hat diese Einmischung schon zeitlich vor entsprechenden Bundesinitiativen im Primar- und Sekundarschulwesen stattgefunden. Bereits 1787 wurden an einzelne Bundesstaaten in Form von Landiibereignungen zur Finanzierung von Hochschulen erste Bundeshilfen gew~ihrt (Willis 1962: 23). Mit dem Morrill Act von 1862 wurde den Gliedstaaten Finanzhilfen in Form von L/inderzuweisungen 132 von der Bundesebene zu Errichtung von Colleges, die sich mit dem Unterrichten von agrarwirtschaftlichen und mechanischen Fertigkeiten (daher der Name A & M Colleges) besch~iftigen sollten, 133 zur Verffigung gestellt (Church 1976: 230; Veysey 1965: 15). Die Gliedstaaten griffen die zur Verffigung gestellten Mittel gerne auf. Im Laufe der n~ichsten 60 Jahre wurden insgesamt 69 ,,land-grant institutions" kreiert (Chambers 1962: 33-34). TM Die College-Abg/inger dieser Institutionen wurden in der Folgezeit zu einflussreichen Minderheiten in den jeweiligen Staaten, die eine weitere Expansion der Bildungsinstitutionen beRirworteten. Der Hatch Experiment Station Act aus dem Jahre 1887 stellte State Universities und landwirtschaftlichen Colleges weitere Finanzmittel zur Verfiigung (Willis 1962: 23) und institutionalisierte das Prinzip j/ihrlicher Zuweisungen an die Gliedstaaten zum Zwecke der F6rderung der h6heren Bildung (Chambers 1962: 34). Die durch den Morrill Act in Gang gesetzte Geldquelle wurde auf unterschiedliche Weise genutzt: In Michigan, Pennsylvania, Maryland und Iowa wurden bestehende landwirtschaftliche Schulen in A&M-Schulen umgewandelt. In viduen und verftigen dabei fiber einen Kapitalstock von 343 Mrd. Dollar (www.tiaaeref.org/newsroom/facts.html). 132Bereits zuvor sind einzelnen Bundesstaaten vom Bund im Rahmen des Beitritts zu den USA Lfindereien als Ressourcenausstattung (,,endowment") zur Finanzierung der h6heren Bildung zur Verfiigung gestellt worden (Chambers 1962: 33). 133Zu Anfang waren die A&M-Colleges nicht besonders gut besucht, da die Reformer die Bereitschaft des pragmatischen Farmers, seinen Sohn zum Studieren zu schicken, iiberschfitzten. Als die erste ,,land-grant institution" in New Hampshire ihre Tiiren 6ffneten, ~3abes keine einzige Bewerbung um Zulassung (Lucas 1994: 149). 4 Die Zahl der Institutionen ist gr61]er als die Zahl der Bundesstaaten, weil in den Staaten des Siidostens im Sinne der Segregation zwei ,,land-grant colleges" eingerichtet wurden, eines fiir Weil3e, eines fiir Schwarze (Chambers 1962: 33-34).
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Connecticut, Rhode Island, Kentucky, Delaware, Indiana und New York wurden private Institutionen der gliedstaatlichen Kontrolle unterstellt. Wiederum in anderen Staaten (Minnesota, Georgia, Missouri, Wisconsin und North Carolina) wurden die zus/itzlichen Geldmittel an bestehende State Universities weitergeleitet. Alaska und West Virginia nutzen die Finanzmittel zur Griindung neuer State Universities, w/ihrend in Kansas, Iowa, Oregon, Texas, South Dakota und Washington die Einldinfte aus den Landtiberweisungen zur Ausdifferenzierung einer A&M-Schule aus dem bestehenden System der State Universities genutzt wurde. Die Folge: ,,fierce and unending competition between rival institutions, each lobbying for its share of state appropriations" (Lucas 1994: 148). Bedeutend war augerdem die Lage im Nachbarstaat: Wenn dort ein A&M-College oder eine Universit/it gegrtindet wurde, so verlangte der Stolz, dass dies auch im hiesigen Bundesstaat gemacht werden musste (Veysey 1965:15). Zwischen 1890 und 1900 sowie zwischen 1920 und 1930 waren die Phasen des starken Wachstums der Bildungspartizipation (Windolf 1990: 32). Im Jahre 1890 waren an allen US-amerikanischen Colleges und Universit/iten 157.000 Studenten eingeschrieben, was 1,8 Prozent der Bev61kerung im Alter zwischen 18 und 24 Jahren entsprach. 1920 waren es bereits 600.000 (4,7 Prozent) und 1950 2,7 Mio. (17 Prozent) (Cremin 1976:101).135 Im intemationalen Vergleich haben die USA gegentiber anderen L/indem in Bezug auf die Bildungspartizipation fiber lange Strecken im 19. und in der ersten H/ilfte des 20. Jahrhunderts einen deutlichen Vorsprung gehabt, vor allem im Sekund/irsektor und bei der Bildungsbeteiligung der Frauen (Windolf 1990: 33). 136 Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass die Bildungspartizipation in den USA starker als in europ/iischen Lfindem von den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und dem allgemeinen wirtschafllichen Umfeld abh/ingt ( W i n d o l f / Haas 1993), wohl auch aufgrund der h6heren finanziellen Biirde, die dem Einzelnen durch ein Hochschulstudium in den USA auferlegt wird. Hinzu kam ein gewandeltes Verst/indnis von der Bedeutung eines CollegeStudiums. Im 19. Jahrhundert war der College-Besuch im Wesentlichen eine M6glichkeit air Angeh6rige der oberen Schichten, sich von den unteren Klassen
135Nach anderen Zahlen hatte 1830 nur einer unter 3.200 einen College-Abschluss, 1870 waren insgesamt 52.000 eingeschrieben (1,8 Prozent der 18- bis 21-J/ihrigen), zu Anfang der 1890er 3 Prozent, 1900 4 Prozent (238.000), 1920 bereits 8 Prozent, 1930 12 Prozent, 1940 18 Prozent und 1964 40 Prozent (Brubacher / Willis 1997: 257). 136 1931 lag die Bildungsbeteiligung im terti/iren Sektor in den USA bei 6,9 Prozent (Manner) bzw. 4,2 Prozent (Frauen). In Deutschland lag zur selben Zeit die Bildungsbeteiligung bei 4,1 Prozent (Manner) bzw. 1,1 Prozent (Frauen), in Frankreich bei 3,4 Prozent (Manner) bzw. 1,2 Prozent (Frauen) (Windolf 1990: 33).
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abzusetzen, und ansonsten eher ein Luxusgut mit nur geringer Relevanz fiir den Arbeitsmarkt. Im Zuge der Transformation der amerikanischen Hochschullandschaft ist das College-Studium hingegen ~ihnlich wie die High School bereits einige Jahrzehnte zuvor zu einem Vehikel fiir sozialea Aufstieg geworden. Dies kann anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: Ein Gericht in Vermont wies 1844 noch die Klage eines Minderj/ihrigen ab, der die f'manzielle Unterstfitzung seines CoUege-Studiums von seinen Eltem einklagen wollte. In einer Entscheidung des Hohen Gerichts von Washington aus dem Jahre 1926 wurde die College-Ausbildung bereits zur ,,Notwendigkeit" und damit zum festen Bestandteil des Rechts auf Bildung erkl~irt (Brubacher / Willis 1997: 258). Ein Trend, der die Expansion der Bildungsbeteiligung begleitete, war die zunehmende Differenzierung im Hochschulbereich (Windolf 1990: 10). Dies bezieht sich zum einen auf die Auspr~igung eines Elitensektors, der vor allem aus privaten Institutionen wie Harvard, Yale und Princeton bestand. Durch diese Entwicklung kam auch den durch die Konkurrenz der 6ffentlichen High Schools arg in Bedr~ingnis geratenen Privatschulen wieder eine Bedeutung zu (Windolf 1990: 104): Sie regelten den Zugang zu den Eliteinstitutionen des terti/iren Sektors und brachten die geographisch verstreuten Mitglieder der Oberschichten an einem Ort zusammen. Besonders in der ersten H~ilfte des 20. Jahrhunderts, in dem sich der Elitesektor schon zum Teil etabliert hatte und die Zugangskriterien versch~irft worden waren, wurde die Auspr~igung der ,,richtigen" Pers6nlichkeitsmerkmale zu einer wichtigen Aufnahmevoraussetzung. In den 1930er Jahren stieg der Anteil der Kinder von Ehemaligen an den Studenten von 13,3 auf 22,7 Prozent in Princeton und von 13,5 auf 29,6 Prozent in Yale (Windolf 1990: 127). Zum anderen betraf die Differenzierung aber auch die Befriedigung der B ildungsbed~irfnisse jener Bev61kerungsschichten, die zuvor von der Hochschulbildung ausgeschlossen waren. Bei der Entstehung der High Schools und ihrer intemen Differenzierung in verschiedene Ausbildungswege war dieses Motiv der Rtickanbindung der von den 6ffentlichen Institutionen erbrachten Bildungsdienstleistungen an die tats~chlichen Bediirfnisse der Bev61kerung schon einmal aufgetaucht. Zuvor hatten sich die zweij/ihrigen ,junior Colleges" noch als ,Zulieferbetriebe' fiir die akademisch anspruchsvolleren 4-Jahres-Colleges und Universit/iten gesehen, doch in den 1920er und 1930er Jahren setzte sich bei diesen Vorl~iufer-Institutionen der ,,Community Colleges" die Einsicht durch, dass sie den neuen Bildungsteilnehmern eine abschlieBende, berufsvorbereitende Ausbildung bieten k6nnten und sollten (Lucas 1994:221). Drittens realisierten einige der privaten, traditionelleren Liberal-ArtsColleges, dass sie mit den gr6geren 6ffentlichen und den besseren privaten Institutionen in der Transformation zu einer auf die Forschung ausgerichteten Uni-
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versit/it nicht mithalten konnten. Sie definierten daher ihre Rolle neu als ,,teaching institutions", d.h. als Institutionen, die sich weniger mit der Generierung als mit der Vermittlung von Wissen besch~iftigen (Lucas 1994:187). Besonders in den Neu-England-Staaten finden sich noch heute diese kleineren, off abseits der Grol3st~idte befindlichen Colleges, die ihre Aufgabe vor allem darin sehen, ihre Studenten m6glichst gut auf den sp~iteren Besuch einer Graduierten-Schule vorzubereiten. Ein Nachteil der Differenzierung des amerikanischen Hochschulsektors und der vorherrschenden ,,Laissez-faire"-Einstellung bei der Grfindung von neuen Institutionen ist, dass die Qualit/itskontrolle der verliehenen Abschlfisse ebenfalls an den Markt delegiert wird. Hier herrschen jedoch gewisse Informationsasymmetrien vor: Die Beurteilung der Qualit/it von Abschlfissen kann nicht von jedem potentiellen Arbeitgeber in gleicher Verl/isslichkeit geleistet werden. Daher kam es vor allen in den Anfangsphasen, in denen die Rangordnungen zwischen den Institutionen noch nicht etabliert waren und die Markttransparenz durch/iberall verftigbare Hochschulrankings noch nicht hergestellt war, zu einer gelegentlichen ,,invasion of quackery of all kind" (Windolf 1990: 66), also einer ,,Invasion der Quacksalberei". Vor allem in einigen Weststaaten spuckten ,,diploma mills" Abschlusszertifikate ohne wirklichen B ildungsgegenwert aus (Brubacher / Willis 1997: 356). Das Progressive Movement hatte auch einen Einfluss auf die Entwicklungen im Hochschulbereich. Mit der flexibleren und pragmatischeren Einstellung zur h6heren Bildung der Progressive-Bewegung einher ging die Idee, dass sich h6here Bildungsanstalten und Akademiker weniger in die akademische Isolation begeben, sondern sich aktiv an der Bew~iltigung gesellschaftlicher Probleme beteiligten sollten (Willis 1962: 26, 28). Das Unterrichten zuldinftiger F/ihrungskr~ifte in der Anwendung der wissenschaftlichen Methode sollte diese dazu bringen, Entscheidungen weniger auf der Grundlage von Eigeninteressen, sondern vor allem von aufgekl/irten, rationalen Kriterien zu treffen (Church 1976: 239). Die Universit~itsintellektuellen standen auch aus einem anderen Grund dem Progressive Movement positiv gesinnt gegen/iber. Die Dominanz des SpoilsSystems, also der Parteienpatronage, in der Besetzung 6ffentlicher Posten und Verwaltungs~imter hat den 6ffentlichen Sektor lange Zeit zu einem karrieretechnisch uninteressanten Bereich verkommen lassen (Windolf 1990: 159, 165). Die Einbindung der Akademiker und die Redefinition der Rolle der Universit~iten als Anstalten, die das 6ffentliche Wohl im Blick haben und f'6rdern sollen, hat somit auch die Verbindung zwischen Universit~iten und demokratischer Politik gest/irkt (Veysey 1965: 64, 73), wenngleich die St/irke der Verbindung zwischen Elfen-
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beinturm und Staatsbiirokratie in den europ/iischen Staaten wesentlich st/irker ausgepr~igt war (Ringer 1979: 248; Windolf 1990: 158). In der Expansionsphase der amerikanischen Universit/it zeichneten sich schon regionale Differenzierungen ab, die heute weiterhin relevant bleiben. In den Staaten des Mittleren Westens war das Bekenntnis zu den akademischen Tradition des alten Europas noch weniger ausgepr/igt als im Osten, vielmehr dominierte ein noch stoker handlungsorientiertes, pragmatisches, auf den gesellschafllichen Fortschritt ausgerichtetes Idealbild der h6heren Bildung. Die groBen Hochschulinstitutionen des Mittleren Westens wurden in die Tr/igerschaft der Einzelstaaten gestellt, w/ihrend an der Ostkiiste private Hochschulen eine gr6Bere Rolle spielten (Veysey 1965:112). Die starke Stellung der privaten Colleges in den Nordoststaaten kam auch darin zum Ausdruck, dass die verdeckte 6ffentliche Subventionierung dieser Einrichtungen durch die Gliedstaaten l~nger (bis ins 20. Jahrhundert hinein) andauerte als in anderen Regionen (Jencks / Riesman 2002: 264). Die Praxis der 6ffentlichen Subventionierung privater Colleges, die in der Anfangsphase so verbreitet war, ist inzwischen in fiber 40 Staaten verboten, aber alle Staaten erlauben die Steuerbefreiung fiir private NonprofitBildungsinstitutionen (Chambers 1962: 43). Die idealtypische ,,Universit/it des Westens" war in einem gewissen Sinne weniger anspruchsvoll, dafiir aber auch weniger restriktiv in ihrer Zulassungspolitik und in diesem Sinne auch ,,demokratischer" (Veysey 1965: 291), w/ihrend einige der Eliteinstitutionen an der Ostldiste (vor allem Princeton, Yale, in den friihen Tagen auch Columbia und viele der kleineren Neu-England-Colleges) eine in sich homogene, aber von der geografischen Umgebung weitgehend isolierte Studentenbev61kerung beherbergten. Wghrend die privaten Institutionen des Nordosten sich in der Rekrutierung ihrer Studenten und Fakult/itsmitglieder schon recht friih am nationalen und heute globalen Markt orientierten, sind die Einrichtungen der Staaten des Mittleren Westens als ,,symbols of communal solidarity" und ,,focus of civil pride" starker in der lokalen Gemeinschaft verwurzelt gewesen (Jencks / Riesman 2002:172, 173). Ihre gr6Bere Abh/ingigkeit von j~ihrlichen Zuschiissen aus der Kasse der Bundesstaaten (Brubacher 1962: 73) hat allerdings des t3fteren zu Konflikten zwischen den Legislativen und den Universit/itslobbyisten gefiihrt (Brubacher / Willis 1997: 380). 137
137 James B. Angell konnte im Jahre 1873 den Kongress von Michigan iiberzeugen, der ,,state university" einen festen Anteil der Steuereinnahmen anstelle der diskretion/iren Zuweisung zuzuschreiben. Diese Praxis fand voriibergehend eine gewisse Verbreitung in den Staaten des Mittleren Westens (Brubacher / Willis 1997: 380).
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Nach dem Zweiten Weltkrieg Das Ende des Zweiten Weltkriegs markiert den Anfang einer weiteren starken Expansionsperiode in der Entwicklung der US-amerikanischen Terti/irbildung, die neben der Periode am Ende des 19. Jahrhunderts sicherlich zu den kritischen Weichenstellungen geh6rt. Ein st/indiges Anwachsen des Bev61kerungsanteils mit High School-Abschluss verursachte ein Ansteigen der CollegeStudentenzahlen, so dass 1960 ca. 40 Prozent der High-School-Graduierten das Studium am College aufnahmen (insgesamt ca. 4 Mio.) (Brubacher / Willis 1997: 257; Lucas 1994: 228). Die Expansion der Hochschulbildung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde wesentlich vorangetrieben durch die Verabschiedung eines Bundesgesetzes (,,GI Bill") im Jahre 1943 zur Unterstiitzung der heimkehrenden Soldaten. 138 Es ging dem Gesetzgeber dabei weniger um die Herstellung yon Chancengleichheit. Die Bundesbeh6rden waren vielmehr daran interessiert, die drohende Arbeitslosigkeit zu vermeiden (Ravitch 1983: 12-13; Nasaw 1979: 173, 175). Die GI Bill stellte Geldmittel zur Unterstiitzung des Kaufs von Lehrbtichern aber auch Zuschtisse zu den Lebenshaltungskosten und Studiengebtihren zur Verfiigung. Das Entscheidende daran war, dass diese Geldmittel dem einzelnen Individuum gew/ihrt wurden, unabh/ingig davon, an welchem College oder an welcher Universit/it er sich einschrieb. Dadurch sind auch die privaten Institutionen in den Genuss der 6ffentlichen Mittel aus der GI Bill gekommen. Die Autonomie der Institutionen der h6heren Bildung blieb aber im Wesentlichen unangetastet, denn die Hochschulen konnten weiterhin selbst entscheiden, ob sie einem Veteranenkandidaten die Zulassung erlauben sollten oder nicht. Im Jahre 1946, dem Zenit der Entwicklung, schrieben sich 1,013 Millionen Veteranen an h6heren B ildungseinrichtungen ein, was die Gesamtzahl der an Colleges Eingeschriebenen verdoppelte (Ravitch 1983: 13-14). Insgesamt besuchten 2,232 Millionen Veteranen mit Untersttitzung der GI Bill Institutionen der h6heren Bildung (Nasaw 1979:180; Ravitch 1983: 14). Es wird gesch/itzt, dass von diesen ca. 20 bis 25 Prozent sich einen College-Besuch ohne die GI Bill nicht h/itten leisten k6nnen (Ravitch 1983: 14; Nasaw 1979: 180). Zumindest was die Zugeh6rigkeit zu 6konomischen Klassen angeht, fand somit durch die GI Bill ein signifikanter Abbau von Ungleichheit im Zugang zu Terti/irbildung statt. 139 Anfdngliche )kngste der
13s Durch den Surplus Property Act aus dem Jahre 1944 kamen dem Bildungssektor augerdem die Erl6se aus dem Verkauf von militfirischen Versorgungsgi.itern und Geb/iuden zu (Lucas 1994: 232). 139 Hinzu kommt, dass die neu in den Genuss der h6heren Bildung gekommenen Schichten anscheinend ihre Chance gut zu nutzen wussten, denn zur Uberraschung der damals eher skeptischen Regierungsoffiziellen und Erzieher zeichneten sich die Veteranen durch
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Hochschulen, sie k6nnten durch die Flut der Veteranen iiberfordert werden, haben sich nicht bewahrheitet und sind durch die breite Verteilung der Mittel aus der GI Bill beschwichtigt worden. Die Tatsache, dass Finanzzusagen an einzelne Studenten gebunden waren, intensivierte den Wettbewerb zwischen den Institutionen. Profitiert haben im Ende haupts/ichlich die besseren Universit/iten (Nasaw 1979:178). Neben der ,,GI Bill" mischte sich die Bundesebene auch in anderer Form zunehmend in die Finanzierung der h6heren Bildung ein. Der an allen Fronten zu ftihrende ,,Kalte Krieg" machte in den Augen der Gesetzgeber eine 6ffentliche Unterstiitzung der Forschungsaktivit/iten sowohl in Unternehmen als auch an Universit/iten zur Sicherung der Verteidigungsf~ihigkeit notwendig. Die Unterstiitzung yon Forschungsanstrengungen durch 6ffentliche Mittel wurde so bereits w/ihrend des Zweiten Weltkrieges praktiziert und hat schon 1945 bei einigen Institutionen zu einer starken Abh/ingigkeit yon Bundeszuschiissen gefiihrt. Man sch~itzt, dass in den sp/iten 1940er Jahren ca. 80 Prozent der nationalen Ausgaben fiir Forschung und Entwicklung aus dem Bundeshaushalt stammten (Lucas 1994: 232). Zwischen 1940 und 1964 stiegen die Bundesausgaben fiir Forschung und Entwicklung (,,R&D") weiter pro Jahr um durchschnittlich 24,9 Prozent an (Nasaw 1979:187). Mehr als ein Dutzend Bundesbeh6rden (ohne milit/irische Einrichtungen) 14~ gaben j/ihrlich mehr als 150 Mio. Dollar ftir Auftragsforschung aus (Lucas 1994: 233). Ein grol]er Teil dieser Geldmittel ging direkt an die Industrie, aber ein bedeutender Teil wurde auch an die Universit/iten zur ,,Grundlagenforschung" weitergeleitet. TM Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die gr6Beren und besseren Universit/iten sich noch starker der Forschung zu- und der Lehre abwandten (Nasaw 1979: 190; Chambers 1962: 36), was langfristig auch eine Auswirkung auf die Auswahlkriterien zur Einstellung neuer Fakult/itsmitglieder hatte (Lucas 1994: 235). Die Finanzierung der h6heren Bildungsinstitutionen wurde auch indirekt durch Steuersubventionen yon der 6ffentlichen Hand unterstiitzt: Von jedem Dollar an Zuwendungen von Industrieunternehmen an Bildungseinrichtungen h~itten der Regierung 52 Cents in Steuereinnahmen
iiberdurchschnittliche akademische Leistungen und eine hohe Arbeitsbereitschaft aus (Ravitch 1983: 14). 140 Zum Beispiel die Atomic Energy Commission, das Department of the Army, die Air Force, das Office of Naval Research, das National Institute of Health, die National Science Foundation und das Office of Education (Chambers 1962: 36). 141 Institutionen der hfheren Bildung empfingen 1938 6,2 Mio., 1947 150 Mio., 1952 220 Mio. und 1963 760 Mio. Dollar (Nasaw 1979:187).
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zugestanden (Nasaw 1979: 194). Hinzu kommt, dass fast alle Bezuschussungen aus der Wirtschaft an private Colleges und Universit/iten gingen (ebd.: 194). 142 Neben der Wirtschaft und der Bundesregierung versuchten die Universit~iten ihre durch die Wirren des Krieges und der Grol3en Depression in Unordnung gebrachten Staatsfinanzen durch die Verbesserung ihrer Investment-Politik auf Vordermann zu bringen. Hierbei ging es um die Einfiihrung modemer Management-Methoden in der Verwaltung der universit~iren Verm6gen und eine Ausweitung des Anteils yon Aktien auf Kosten weniger ertragreicher Anlageformen wie Anleihen (Brubacher / Willis 1997: 382). Die Nachkriegszeit kann daher aus der Retrospektive als eine Periode der kritischen Weichenstellungen in Bezug auf die Auspr~igung des Verh/iltnisses zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen angesehen werden. Die hohe Qualit/it der Bildung und die vergleichsweise niedrigeren Studiengeb/ihren an 6ffentlichen Institutionen im Terti~irsektor drohten in den 1930er und 1940er Jahren, die Stellung der privaten Institutionen emsthaft zu gefiihrden. In ~ihnlicher Weise hatte ja im Sekund/irbereich Ende des 19. Jahrhunderts ein Verdr~ingungswettbewerb die Rolle der Privatschulen auf eine Nischenfunktion reduziert. Das Versiegen der 6ffentlichen Subventionen fiir private Colleges ftihrte diese zusehends in finanzielle Schwierigkeiten: Am Anfang des 20. Jahrhunderts (1919 / 1920) waren die Ausgaben pro Student an privaten Institutionen noch 70 Prozent h6her gewesen als in 6ffentlichen Institutionen, 1949-50 waren sic ungefiihr genauso hoch (Jencks / Riesman 2002: 271). Im Hinblick auf diese Entwicklung wurde es immer schwieriger, die deutlich h6heren Studiengebiihren im Privatsektor zu rechtfertigen. Die 6ffentlichen Zusch/isse aus der GI Bill und die Entscheidung vieler Veteranen, sich nicht mit den teilweise speziell fiir sic konzipierten Bildungsangeboten niederer Qualit~it abzufinden, sondem in die prestigetr~ichtigen Privatinstitutionen vorzustol3en, sowie die Bereitstellung 6ffentlicher Mittel zur F6rderung von Grundlagenforschung, in der die privaten Institutionen den 6ffentlichen Institutionen mindestens ebenb/irtig waren, haben die Stellung der privaten Institutionen fiir die kommenden Jahrzehnte gesichert. Ein weiterer Faktor ist die Entscheidung vieler privater Institutionen, Selektivit~it und ExklusivitS.t anstelle der dem demokratisch-euphorischen Zeitgeist entsprechenden inklusiven Politik an 6ffentlichen Institutionen zu verfolgen. Der steigenden Nachfrage nach College-Abschl/.issen wurde auf unterschiedliche Weise begegnet: Die 6ffentlichen Institutionen fixierten ihre Zulassungskriterien und lieBen jeden zu, der diese 142 Die H6he dieser Spenden aus Wirtschaftskreisen ist betr~ichtlich. Der Council of Financial Aid to Education, in dem sich 207 Wirtschaftsunternehmen zusammengeschlossen hatten, stellte 1956 34 Mio., 1958 42 Mio. und 1960 50 Mio. Dollar zur Unterstiitzung der Bildungseinrichtungen zur Verfiigung (Brubacher / Willis 1997: 382).
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Kriterien erfiillte, was im Laufe der Zeit immer mehr waren. Die privaten Institutionen hingegen fixierten die Gesamtmenge an Zuzulassenden und passten dementsprechend ihre Zulassungskriterien nach oben an (Nasaw 1979" 206). 143 Die Wahnmg eines Vorsprungs in der akademischen Leistungsf~ihigkeit ihrer Studenten und Fakult/itsmitglieder vor den 6ffentlichen Institutionen wurde somit ilia" viele kleinere private Colleges, vor allem diejenigen, die mit einer Sekte affiliiert waren, zur Uberlebensfrage. Zus/itzlich erschwert wird die Position dieser Colleges durch die Einrichtung von Community Colleges und anderen auf die Bediirfnisse der lokalen Gemeinschaft ausgerichteten 6ffentlichen Institutionen sowie die zunehmend selektive Aufnahmepolitik der gr6Beren 6ffentlichen Universit/iten (Jencks / Riesman 2002: 279-289). In den Nachkriegsjahrzehnten ist es auch zu einem Ausbau des Engagements der Gliedstaaten gekommen. W~ihrend sich dieses bislang auf die Subvention bestehender Institutionen und die Unterhaltung und Verwaltung einzelner Institutionen durch gliedstaatliche Regierungen beschr/inkt hatte, so ging es nun darum, integrierte 6ffentliche Bildungssysteme zu errichten, die vom Kindergarten bis zur Elitenbildung an der Hochschule alle BediJrfnisse abdecken sollten. Beispiel gebend hierfiir ist der California Master Plan (vgl. Nasaw 1979:209-210): Im Hochschulbereich wurde ein stratifiziertes System bestehend aus forschungsorientierter Universit~it, Vier-Jahres- und Zwei-Jahres-Colleges geschaffen. Die Tendenz zu mehr Selektivit/it aus dem privaten Sektor kopierend, wurde der Zugang zur n/ichsth6heren Bildungsinstitution im kalifomischen System von der Erreichung bestimmter akademischer Standards abh/ingig gemacht. In den sp~iten 1950er und 1960er Jahren fand das kalifomische System in abgewandelter, den jeweiligen Verh/iltnissen angepasster Form Verbreitung in vielen anderen Bundesstaaten (Nasaw 1979: 214). Auch hier gibt es allerdings wieder regionale Unterschiede: Die gliedstaatlichen Hochschulsysteme Kalifomiens, Floridas, Virginias und von North Carolina sind stark zentralisiert und hierarchisiert. Einem zentralen Aufsichtsgremium obliegt die Steuerung des gesamten Systems. In Indiana hat jede Teiluniversit/it eine gr6Bere Freiheit, w/ihrend sich in Pennsylvania und Tennessee ein zweigeteiltes System mit einem stoker integrierten und zentralisierten Sektor einerseits und einzelnen State Universities, die mehr Autonomie genieBen, andererseits etabliert hat (Lucas 1994: 236-237; vgl. auch Brubacher / Willis 1997: 386). Ein genereller Trend der 1980er und 1990er Jahre jedoch ist es, dass gliedstaatliche Aufsichtsgremien und Legislativen versuchen, eine st/irkere Kontrolle fiber die staatlichen Universit/iten auszuiiben, wovon die privaten Institutionen weitgehend verschont geblieben sind (Lucas 1994: 237). 143 Der Anteil der in privaten Institutionen Eingeschriebenen fiel von ca. 50 Prozent im Jahre 1919-1920 um j/ihrlich 1 Prozent auf 36 Prozent im Jahre 1964 (Jencks / Riesman 2002: 272).
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Die zahlenm/iBige Expansion der Institutionen der h6heren Bildung in der Nachkriegsperiode wurde im Wesentlichen durch den Aufstieg der ,,Community Colleges" gepr/igt. Bei diesen Institutionen handelt es sich um zweij/ihrige Colleges, die vor allem bisher vom Besuch h6herer Bildungseinrichtungen ausgeschlossenen Bev61kemngsgruppen die Chance zur Weiterbildung geben sollen. Daher verftigen sie weniger fiber eine akademische, sondem mehr fiber eine berufsorientierte Ausrichtung (M/inch 2000: 102). 144 Die Gesamtzahl der postsekundfiren Institutionen in den USA wuchs von 1.600 nach dem Zweiten Weltkrieg auf ungefiihr 3.400 heute an (Lucas 1994: xiv). Im Schuljahr 1940/41 waren nicht mehr als 100.000 Studenten an den zweijfihrigen ,,Junior" oder ,,Community Colleges" eingeschrieben, deren Gesamtzahl h6chstens einige hundert betrug. Zu Anfang der 1970er Jahre gab es bereits mehr als 1.000 Community Colleges, von denen mehr als drei Viertel vonder 6ffentlichen Hand unterstfitzt wurden. Heute sind ungefiihr 5 Mio. Studenten in diesen Institutionen eingeschrieben, ihre Gesamtzahl betr~igt ca. 1.200 (Daten aus Lucas 1994: xiv). Die Expansion der Community Colleges hat auBerdem das Verh~ilmis zwischen 6ffentlichen und privaten Hochschulen nachhaltig ver~indert: Waren 1950 noch ca. die H/ilfle aller eingeschriebenen Studenten an privaten Hochschulen, so ist dieser Anteil in den 1980er Jahren auf ca. ein Ffinflel gesunken (Windolf 1990:115; Lucas 1994: xiv). Die Community Colleges sind in erster Linie kommunale Einrichtungen, in dem Sinne, dass sie in der lokalen Gemeinschafl und Gesellschaft verwurzelt sind und m6glichst jedem Angeh6rigen dieser Lokalitfit often stehen sollten (Jencks / Riesman 2002: 481). Finanziert werden sie jedoch nicht ausschlieBlich von den Kommunen (Mfinch 2000: 104). Die Studenten, die ein Community College besuchen, sind in der der Regel ~ilter, h~iufig auch schon bemfst~itig und in fiberdurchschnittlichem MaBe Angeh6rige von ethnischen Minderheitengruppen (Bragg 2001: 95). Die Studiengebfihren sind niedriger als in traditionellen Colleges, um auch Studenten mit weniger Einkommen den Besuch zu erm6glichen (ebd.: 96). Der Aufstieg der Community Colleges nach dem Zweiten Weltkrieg hat allerdings in den Augen von Windolf nicht nur positive Auswirkungen auf die Lage der ehemals v o n d e r B ildungsexpansion ausgeschlossenen Schichten gehabt. Die Errichtung der Community College habe demnach auch eine Funktion der ,,Abschirmung" des Elitesektors durch vorgelagerte Institutionen (Windolf
144Dies ist bei der Definition von ,,higher education" und deren internationalem Vergleich zu beachten: Die CommunityCollegeswerden in den USA zum Sektor der ,,higher education" hinzugerechnet, w~ihrend sie nach Meinung yon Experten in Deutschland nicht unbedingt dazu gerechnet w/irden (M/inch 2000: 92-93).
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1990: 108; ~ihnlich Jencks / Riesman 2002: 492). 145 Selbst in den auf meritokratischen Grunds~itzen errichteten integrierten 6ffentlichen Hochschulsystemen einiger Bundesstaaten findet sich eine klassenbezogene Stratifizierung, nicht zuletzt auch weil akademische Leistungen mit dem sozio-fkonomischen Familienhintergrund korrelieren (Nasaw 1979: 223). In den Community Colleges besteht ~ihnlich wie in den High Schools die Gefahr der Stratifizierung durch die Einteilung in unterschiedliche Bildungswege (,,tracks"). Beftirchtungen, dass sich Angehfrige der schw~icheren Schichten vor allem in den berufsbildenden Klassen und nicht in den auf den sp/iteren Besuch eines Vier-Jahres-Colleges vorbereitenden ,,transfer classes" befinden (Nasaw 1979: 226), haben sich allerdings nicht bewahrheitet. Vielmehr findet eine ~ihnliche Entwicklung statt, die auch schon bei den Veteranen des Zweiten Weltkriegs zu beobachten war und Einiges fiber den Stellenwert der Bildung als Instrument des sozialen Aufstiegs in den USA aussagt: Diejenigen, die sich mit MiJhen den College-Besuch erm6glicht haben, sind nicht mit der Verwahrung in weniger anspruchsvollen, nichtakademischen Kursen zufrieden, sondern arbeiten durch die Absolvierung von ,,transfer classes" (ca. ein Viertel der Community College Studenten) auf den sp~iteren Besuch eines Vier-Jahres-Colleges hin (Jencks / Riesman 2002: 489; Bragg 2001: 109). In jiingerer Zeit zeigt sich zudem ein Trend, nach dem die Rate derjenigen, die von klassischen 4-Jahres-Colleges zuriick an die 2-JahresColleges mit dem Ziel einer berufsvorbereitenden Ausbildung wechseln, zunimmt (Bragg 2001:101). Zusammenfassend m6chte ich noch einmal die Bedeutung der drei Elemente Wettbewerb, Vielfalt und Autonomie herausstreichen. Nach Meinung von Lucas ist die Verbreitung der Steuerungsmechanismen sowie der administrativen Verfahren und der sie begleitenden Kultur der Gesch~iftswelt im Hochschulsektor heutzutage noch weiter vorangeschritten. 146 Das Wettbewerbsprinzip sei auf jeder erdenklichen Stufe in das System eingebaut: unter den Studenten um Zu145,,Die Verlagerung der Selektion erzeugt den Schein der Offenheit terti/irer Bildungsanstalten: ,,Jeder" hat das Recht auf eine Hochschulbildung, niemand wird zuriickgewiesen. Und dennoch findet eine Selektion nach Leistung und sozialer Herkunft, nach Geschlecht und Rasse statt." (Windolf 1990:108) 146"In their internal workings, many academic institutions of higher learning appeared to have taken on much of the trappings of large-scale business organizations: mission statements, strategic planning, elaborate budgeting systems, meticulous record-keeping, costeffectiveness analyses, marketing research, public-relations efforts, total-qualitymanagement, hierarchical governance structure and pyramidal bureaucracies, the mathematical calculation of units of learning (course credits and hours; grade point averages), division and specialization of labor, the use of professional "headhunters" to recruit administrators or well-known scholars, and so on ad infinitum." (Lucas 1994: 238)
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lassung, um Noten, Bildungskredite und Stipendien, unter den Fakult~itsmitgliedem um ,,tenure", Geh~ilter, Bef'6rderungen, Forschungsfinanzierung, Freisemester und um Prestige, unter den einzelnen Departments, Schulen, Colleges, innerhalb einer Universti~it um R~iumlichkeiten, Ressourcen und Finanzen (Lucas 1994: 238-239). Die Differenzierung der Universit~iten zur Befriedigung unterschiedlichster BildungsbediJrfnisse gehe einher mit ,,Marketing- und Rekrutierungsanstrengungen", die denen privater Unternehmen in nichts nachstehen. Die richtige ,,Verpackung" der Produkte sei entscheidend fiir die Positionierung der Universit~it auf dem B ildungsmarkt zur Maximierung der Wettbewerbsvorteile (ebd.: 239). Die positive Seite dieses hoch kompetitiven, fragmentierten und pluralistischen Systems sei, dass es relativ breite Zugangsm6glichkeiten zumindest zu einem Teilbereich erzeugt und damit auch akademisch und sozio-6konomisch Schw~icheren die Teilnahme an der Hochschulbildung erm6glicht (Lucas 1994: 240). Dieses System erzeugt Diversit~it der Institutionen nicht nur hinsichtlich der Bildungsinhalte, sondem auch hinsichtlich ihrer Zielgruppe (Minderheiten, Elitenf'6rderung, Arbeitnehmer auf dem ,,zweiten Bildungsweg", religi6se Gruppierung) und ihrer Kontrollinstitutionen (durch Individuen, religi6se Gruppen, Wirtschaftsunternehmen, die Lokalit~it, der Bundesstaat oder die Bundesregierung) (Brubacher / Willis 1997: 432). Das Spannungsverh~ilmis zwischen Vielfalt und Wettbewerb, Fremdregulierung und Selbstkontrolle stellt den zentralen Antriebsmotor der Dynamik der amerikanischen Hochschullandschaft dar.
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3.2
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Die amerikanische Hochschullandschaft heute
Dieses Unterkapitel gibt einen Einblick fiber die Lage der amerikanischen Hochschullandschaft in der gegenw/irtigen Zeitperiode. Zun/ichst soil es datum gehen, die Entwicklung der Ausgaben im Terti/irbereich nachzuzeichnen und die Einnahmestruktur der 6ffentlichen und privaten Institutionen n~iher zu betrachten. Dabei wird auch das in jiingerer Zeit zu beobachtende Ansteigen der Studiengeb~ihren dargestellt. Mit kurzen Worten wird auf eine neuere Entwicklung im USamerikanischen Bildungssystem eingegangen: Dem Aufstieg der privaten ForProfit-Hochschulbildung, die sich im Unterschied zu den ,regul~iren' privaten Bildungsinstitution die Erzielung yon wirtschaftlichen Profiten zum Hauptziel gesetzt hat. Im Anschluss daran soll der Blick auf die Situation der Hochschulfinanzierung in den Bundesstaaten geworfen werden. Wie im Prim/ir- und Sekund/irsektor gibt es auch hier eine groBe Variationsbreite. Zudem ist es im Zuge der 1990er Jahre in vielen Bundesstaaten zu einer Intensivierung der Finanzierungskonkurrenzen gekommen, bei denen die Hochschulfinanzierung im Regelfall schlechter weggekommen ist als der Ausgabenbereich Grund- und Sekundarbildung. Wie bereits in den letzten Abschnitten des vorherigen Unterkapitels angeklungen, hat sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in den USA die Entstehung eines nationalen Bildungsmarktes mit eindeutig globalen Beziigen angebahnt und intensiviert. Die Bildung ist inzwischen zu einem wichtigen ,,Exportgut" geworden (Barnes 1984: 1). In den Doktor- und Masterprogrammen fiir Postgraduierte kommen inzwischen ungef'fihr die H/ilfte der Studenten aus dem Ausland (Brubacher / Willis 1997:421). Die weiter zunehmende Intemationalisierung der amerikanischen Hochschulen geht einher und h/ingt zusammen mit der weiteren Vermarktung des Gutes Bildung. Interessanterweise lassen sich in jiJngerer Zeit Tendenzen erkermen, nach denen sich die 6ffentlichen und privaten Institutionen im Hinblick auf ihre strategische Ausrichtung auf den B ildungswettbewerb und die Frage der Schwerpunktsetzung zwischen Forschung und Lehre sowie ihrer Finanzierungsund Einnahmestruktur wieder angleichen. Die ,,Bleeding Boundaries in the Higher Education Marketplace" (ACE 2005) tragen zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen bei, wie es bereits in der Friihperiode der Geschichte der amerikanischen Hochschulbildung zu beobachten war. Nach einem neueren Bericht des American Council on Education (ACE 2005) verhalten sich 6ffentliche Institutionen in vielen Punkten inzwischen so wie private: Als Reaktion auf den fallenden Anteil der gliedstaatlichen
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Zuschiisse an den Einnahmen der 6ffentlichen Hochschulen 147 erschliel3en sich die 6ffentlichen Institutionen neue Einnahmequellen durch die Akquirierung privater Spendengelder und das aggressive Werben um Studenten und Geldgeber (ebd.: 5-6). Auf der anderen Seite verhalten sich viele private Institutionen wie 6ffentliche: Sie akzeptieren von den Bundesstaaten ausgestellte Bildungsgutscheine (,,vouchers") zur Begleichung der Studiengeb/ihren, nehmen teil an 6ffentlich finanzierten Kapitalfonds und erk~impfen die Antragsberechtigung ffir 6ffentliche Finanzhilfen ffir ihre Studenten. Im Schuljahr 2000/01 betrug die gesamte 6ffentliche Unterst/itzung aus gliedstaatlichen und lokalen Kassen fiir private (,,unabh~ingige") Institutionen immerhin 1,7 Mrd. Dollar (ACE 2005: 6), trotz der goldenen Grundregel der Nicht-Unterst/itzung privater Institutionen durch die 6ffentliche Hand. Zwischen den renommierten 6ffentlichen und privaten Forschungsinstitutionen sind die Ahnlichkeiten noch starker ausgepr/igt: Wie wir weiter unten sehen werden, erhalten die privaten, prim/Jr auf Forschung und weniger auf die Lehre ausgerichteten Universit~iten einen den 6ffentlichen Institutionen vergleichbaren Anteil ihrer Einnahmen aus Bundesgeldern (,,federal contracts"). Der einzige Unterschied von Bedeutung in der Finanzierungsstruktur dieser beiden Institutionentypen scheint zu sein, dass an der Stelle, an der die privaten Hochschulen auf Studiengeb/ihren angewiesen sind, die 6ffentlichen Institutionen noch starker auf Zusch/isse von den Bundesstaaten zur/ickgreifen (ebd.: 7). Nach dieser kurzen Erl~iuterung zu den vorherrschenden Entwicklungstendenzen in der amerikanischen Hochschullandschaft, Internationalisierung und weiter zunehmende ,,Marketisierung", geht es nun um die Betrachtung der Ausgaben- und Einnahmeseite amerikanischer Hochschulen, unter besonderer Ber/icksichtigung der Unterscheidung zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen.
147 Im Jahre 1977 betrug der Anteil der gliedstaatlichen Zusch/isse an den Gesamteinnahmen 6ffentlicher Hochschulen 46,5 Prozent, 1996 lediglich 35,9 Prozent (ACE 2005: 5).
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$900.000 $8oo.ooo
$700.000 $600.000 $500.000
$400.000 $300.000 $200.000 $100.000
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Gesamtausgaben for Bildungsinstitutionen, laufende Preise Ausgaben Kir 6ffentliche Universit~iten und Colleges Ausgaben Kir private Llniversit~iten und Colleges
$0
Grafik 3.1:
Ausgaben fiir postsekund~ire Bildungsinstitutionen in den USA in Mio. $, laufende Preise, Quelle: NCES 2004, Tabelle 30.
Grafik 3.1 stellt die Entwicklung der Ausgaben an privaten und 6ffentlichen Hochschulen im Verh/ilmis zu den Gesamtbildungsausgaben dar. Weil die Ausgabendaten leider nur in laufenden Preisen verfiigbar sind, ist die dargestellte Expansionstendenz zu einem gewissen Grad iibertrieben, denn die allgemeine Preisinflation wird dabei nicht beriicksichtigt. Nichtsdestotrotz sind gewisse Trends durchaus erkennbar: In den 1950er Jahren waren die Ausgaben ilia" 6ffentliche Colleges und Universit/iten ungef'~tr auf demselben Niveau wie die Ausgaben flit private Institutionen. Im Zuge der 1970er Jahre, vor allem, so scheint es, aber Ende der 1980er und in den 1990er Jahren haben die Ausgaben fiir 6ffentliche Institutionen, relativ gesehen, nochmals deutlich zugenommen und die Gesamtausgaben fiir private Institutionen ungefiihr um den Faktor 1,7 iibertroffen. Dies best/itigt die Einsch/itzung von Hovey (1999: 8), der die 1990er Jahre als goldenes Zeitalter der 6ffentlichen Hochschulfinanzierung mit einem ,,besser geht's nicht" (,,as good as it gets") bezeichnet. Einschr/inkend muss allerdings hinzugefiigt werden, dass die Zahl der Studenten im Zeitraum von 1991 bis 2004 um 21,8 Prozent angestiegen ist (in Vollzeit/iquivalenten) und daher ein guter Teil der zus/itzlichen Ausgaben durch diese Expansion der Bildungspartizipation erkl/irt werden kann (SHEEO 2005: 8-9, vgl. auch Grafik A3.2 (Anhang)).
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Das durch Grafik 3.1 vermittelte Bild ist zudem nur ein oberfl~ichliches. Die Betrachtung der Unterschiede in den Einnahmen (,,revenue") pro Student in den 6ffentlichen und privaten Institutionen (Grafik 3.2) zeigt, dass die privaten Hochschulen im Vergleich zu den 6ffentlichen fiber die gesamte betrachtete Zeitperiode hinweg immer in der Lage waren, mehr fiskalische Ressourcen pro Student zu mobilisieren. Der ,Vorsprung' der privaten Institutionen ist dabei leicht angewachsen: Im Jahre 1970 betrug das Verh~iltnis zwischen Pro-StudentEinnahmen von privaten zu 6ffentlichen Hochschulen noch 1,5, 1995 ist diese Messzahl bereits auf 1,8 angewachsen (NCES 2004: Tab. 345). Grafik A3.1 (Anhang) dokumentiert den Verddingungswettbewerb in den sp~iten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, dem seit den 1970er Jahren weniger 6ffentliche, aber versdirkt private Institutionen zum Opfer gefallen sind. W/ihrend der 6ffentliche Sektor sich also zunehmend konsolidierte und in Form komplexer gliedstaatlicher Hochschulsysteme institutionalisierte, hat die Konsolidierung im privaten Sektor zu einem ,Absterben' einiger Hochschulen geffihrt. Diejenigen, die iiberlebten, haben sich unter anderem durch die versch~irfte Selektion ihrer Studenten auf die Etablierung in den oberen Riegen des akademischen Marktes konzentriert oder durch die Befriedigung spezifischer B ildungsbedtirfnisse von Klientelgrupen (z.B. protestantische Sekten) fiber Wasser halten k6nnen.
$35.000 $30.000 $25.000
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Pro-Kopf Einnahmen an allen terti/#en Bildungsinstitutionen Pro-Kopf Einnahmen an 6ffentlichen terti&ren Bildungsinstitutionen -" Pro-KopfEinnahmen an privaten terti~iren Bildungsinstitutionen
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Jahr
Grafik 3.2:
Entwicklung der Pro-Student Einnahmen (Vollzeit~iquivalente) an privaten und 6ffentlichen terti~iren Bildungsinstitutionen, in konstanten (2000-2001) Preisen, QueUe: NCES 2004, Tabelle 345.
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Grafik 3.3 dokumentiert die Entwicklung der relativen Verteilung der Einnahmequellen fiir alle US-amerikanischen Terti/irinstitutionen. Es wird ersichtlich, dass die Bedeutung von Studiengeb/ihren vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten stark zugenommen hat und diese Einnahmequelle damit zur wichtigsten geworden ist (ca. 28 Prozent) (vgl. auch McKeown-Moak 2001: 14). In Bezug auf die Rolle der einzelnen Regierungsebenen zeigen sich starke Fluktuationen. Die Bundesebene hatte zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine sehr untergeordnete Funktion, stieg dann in ihrer Bedeutung besonders in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stark an und/ibertraf die Gliedstaatenebene. Deren Bedeutung ging nach einem Hoch (30 Prozent) zu Anfang des 20. Jahrhunderts zun~ichst zuriick, um dann in den 1970er Jahren emeut den Hrchststand von 30 Prozent zu erreichen und danach wieder abzufallen auf heute ca. 23 Prozent. Die lokale Ebene hat in der Finanzierung der 6ffentlichen Hochschulen immer eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Erstaunen mag allerdings, dass die Einkiinfte aus den Kapitalausstattungen (,,endowments") vor allem zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Rolle gespielt haben, danach aber in ihrer Bedeutung stark zuriickgegangen sind. Private Schenkungen und Zuschiisse haben konstant eine mittelstarke Signifikanz, sind aber weniger bedeutend (5 Prozent), als man vertauten mrchte.
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r
Studien- und andere GebGhren
9----I1--- Bundesebene Gliedstaatenebene X
Lokale Ebene EinkLinfte aus Kapitalausstattung Private Schenkungen und ZuschLisse
---+-- Verkauf und Dienstleistungen 35,00
30,00 25,00
tl1 N O
r
20,00
ll 15,oo
t
K
X
10,00
0,00
Grafik 3.3:
Entwicklung der Einkommensquellen der terti/iren Bildungseinrichtungen, Quelle" eigene Berechnungen nach NCES 2004, Tabelle 333.
Von besonderem Interesse ist natiirlich die Untersuchung der Frage, welche Unterschiede es hinsichtlich der Finanzierungsstruktur, also in der relativen Verteilung der Einnahmequellen, zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen gibt. Grafik 3.4 und Tabelle A3.1 (Anhang) erfassen die Lage an den 6ffentlichen Hochschulen, Tabelle 3.1 an den privaten. Die Datenverfiigbarkeit reduziert hierbei die L/inge der betrachteten Zeitperiode, fiir die 6ffentlichen zwischen 1980 und 2000, fiir die privaten lediglich die Jahre 1996 bis 2000. Insofem kann die Entwicklung der relativen Verteilung der Einkommensquellen hier nur sehr bedingt untersucht werden.
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50,0
,
191
............
"
45,0
Studien-
und andere
Geb0hren Bundesebene
40,0 ~A A A__A m m m m m |
35,0
=
30,0
"
Gliedstaatenebene
~'
Lokale Ebene
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Private Schenkungen
eN 2 5 , 0 0 Ik.,, n_ 20,0
und Zusch0sse
+
Einkommen
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Kapitalausstattung O
15,0
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Verkaufund
-
Andere
Dienstleistungen
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Quellen
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Grafik 3.4" Entwicklung der Einkommensquellen fiir 8ffentliche tertiiire Einrichtungen, Quelle: NCES 2004, Tabelle 334.
192
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
Studien- und andere Gebfihren Bundesebene: Zuweisungen, Zuschfisse, Vertr~ige Gliedstaaten: Zuweisungen, Zuschfisse, Vertr~ige Lokale Ebene: Zuweisungen, Zuschfisse, Vertr~ige Private Schenkungen, Zuschfisse Einldinfte aus Investitionen B ildungsaktivit~ten Sekund~ire Unternehmungen
1996 27,80
1997 27,80
1998 29,30
1999 24,40
2000 38,10
11,70
12,10
10,00
16,30
1,00
1,00
1,10
,90
1,40
0,60
0,50
0,60
0,50
0,60
12,30
13,90
14,90
13,60
19,30
24,50 2,40 7,90
23,40 2,80 8,00
19,60 2,80 8,40
31,10 2,40 6,80
-4,40 4,20 10,60
Tabelle 3.1: Einnahmequellen der privaten Not-for-Profit terti/iren Institutionen, Quelle: NCES 2004, Tabelle 340.
Im Vergleich der 6ffentlichen und privaten Hochschulen fallen folgende Punkte ins Auge: Ffir die 6ffentlichen Hochschulen ist die Bedeutung der gliedstaatlichen Ebene sehr viel st~irker ausgepr~igt (ca. 35 Prozent aller Einnahmen) als im Falle der privaten (ca. 1 Prozent). Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, hat doch der Grundsatz der Nicht-Einmischung der Gliedstaaten in die Angelegenheiten der privaten Institutionen seit der Dartmouth-Entscheidung einen sehr hohen Stellenwert. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die Rolle der lokalen Ebene ffir die 6ffentlichen Institutionen zwar gering ist (ca. 4 Prozent), aber dennoch deutlich fiber der ffir private Hochschulen liegt (0,6 Prozent). Bei den privaten Hochschulen sind erwartungsgem~il3 private Schenkungen und Zuschfisse (durchschnittlich gut 15 Prozent) sowie Einkfinfte aus Investitionen (durchschnittlich gut 20 Prozent) wesentlich wichtiger als in 6ffentlichen Institutionen (ca. 5 Prozent bzw. 1 Prozent). Weiterhin zeigen sich starke Unterschiede in der relativen Bedeutung von Studiengebfihren: Im 6ffentlichen Sektor herrscht weiterhin das Ideal der ,,open admission", also der m6glichst grol3zfigigen Zulassung von Studenten und der Einffihmng von Selektion nicht am Anfang, sondern erst im Zuge der Studien (Fenton / Gardner / Singh 2001: 55). Daher sind auch insgesamt die Studiengebfihren im 6ffentlichen Sektor niedriger (siehe Grafik
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
193
3.5) und stellen im Vergleich zum privaten Sektor (38,1 Prozent im Jahre 2000) einen geringeren Anteil der Gesamteinnahmen dar (ca. 18 Prozent). 148 Harvard University Leland Stanford Junior University Comell University University of Pennsylvania University of Southern California Johns Hopkins University Columbia University Massachusetts Institute of Technology Yale University University of California, Los Angeles Duke University University of Texas at Austin Indiana University University of Minnesota New York University
540,333,4915 524,213,993 385,936,235 332,829,949 322,090,595 311,573,165 290,618,180 289,838,445 264,771,841 262,148,586 254,999,006 252,175,348 248,458,068 245,682,841 214,863,578
Tabelle 3.2: Top 15 der lnstitutionen mit den gr~iBten Spendeneinnahmen, 2004, Quelle: RAND 2005. Tabelle 3.2 gibt einen Oberblick fiber die absolute H6he der von den flei13igsten Universit~iten eingetriebenen Spendengelder. Die privaten EliteUniversit/iten (Harvard, Stanford, Comell, UPenn, Johns Hopkins, Columbia, MIT, Yale) ftihren die Liste an, es finden sich aber auch 6ffentliche Institutionen (University of Texas, University of California, Indiana University). Die meisten der Spendengelder (27,5 Prozent) stammen von Ehemaligen, weitere 21,3 Prozent von Individualspendern, die nicht zu den Alumni zu z/ihlen sind. Die restlichen gut 50 Prozent teilen sich Stiftungen, Wirtschaftsuntemehmen sowie religi6se und andere Organisationen (RAND 2005: 4). Zu Gute kamen den Hochschulen dabei einerseits die amerikanische Tradition der Philanthropie. Hinzu kommt andererseits aber auch die bevorzugte Behandlung von Spenden im amerikani-
148 Der Anteil der Studiengebiihren an den Einnahmen der 6ffentlichen Hochschulen w/ichst allerdings (siehe Grafik A3.5 (Anhang)).
194
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
schen Steuerrecht (Wright 2002). 149 Die 6ffentlichen und privaten Hochschulen sind als Empf'~inger von Spenden sehr beliebt: Hinter religi6sen Gruppierungen und Kirchen (43,6 % der Gesamtspendenmenge) sind sie die zweiwichtigste Empf'~ingergruppe ffir Spenden (14,1%) (ebd.). Nichtsdestotrotz spielen private Schenkungen und Zuschfisse als Eimmhmequelle ftir 6ffentliche Institutionen (ca. 5 Prozent der Einnahmen) eine geringere Rolle als ffir private Institutionen (fiber 15 Prozent der Einnahmen) (NCES 2004: Tabelle 334, 340). Die Liste der 50 Universit~iten mit den gr613ten Kapitalausstattungen (Tabelle A3.2 im Anhang) wird ebenfalls von den privaten Elite-Institutionen angeftihrt. Harvard steht mit 17,9 Mrd. Dollar vor Yale (10,7 Mrd. Dollar), Princeton (8,4 Mrd.) und Stanford (8,2 Mrd.) an der Spitze. Auch hier f'~illt auf, dass einige 6ffentliche Institutionen durchaus mithalten k6nnen, obwohl sie aufgrund regular fliel3ender Zuschiisse aus 6ffentlichen Kassen in weniger starkem Mal3e auf ein grol3ziigiges ,,Endowment" angewiesen sind: Die University of Teaxs bringt es immerhin auf 9,4 Mrd. Dollar und die University of California auf 4,7 Mrd. Zum Vergleich: Das Land Baden-Wiirttemberg bringt im Jahr 2005 ftir den Haushaltsbereich Wissenschaft, Forschung und Kunst 2,9 Mrd. Euro auf. ~50 lJberraschender sind vielleicht jedoch weniger die Unterschiede, die es zwischen 6ffentlichen und privaten Hochschulen gibt, sondern deren Gemeinsamkeiten. Beide Institutionentypen erhalten einen bedeutenden Anteil ihrer Einnahmen v o n d e r Bundesebene: ca. 11 Prozent fiir die 6ffentlichen und durchschnittlich ca. 13 Prozent fiir die privaten Hochschulen. Hierbei handelt es sich vor allem um Forschungsgelder, aber auch um Leistungen zur F6rderung individueller Studenten. Diese beiden Bereiche, die F6rdemng von Grol3forschungsprojekten und die individuelle Unterstiitzung von Studenten, waren in der Expansionsphase der Terti/irbildung nach dem Zweiten Weltkrieg mal3geblich und standen somit ftir die ,Erschliel3ung' durch die Bundesebene, die dadurch ja die Chance bekam, in einen klassischerweise von Bundesstaaten und Lokalit~iten geregelten Bereich einzudringen, zur Verfiigung. Die ,,GI Bill" und die im Zuge des Weltkrieges und des sich anschliel3enden Kalten Krieges zur Verftigung gestellten Forschungsmittel machten hier den Anfang. Eine weitere Gemeinsarnkeit liegt in der Bedeutung der kommerziellen Verwertung von bereitgestellten Bildungsdienstleistungen und ,,sekund~iren Untemehmungen" (siehe Tabelle 3.1). Hinter diesen Kategorien, die sowohl fiir 6ffentliche als auch private in Summe einen Anteil von ca. 21 Prozent (6ffentli-
149 So k6nnen Spenden an ,,wohltfitige Organisationen", zu denen auch die (non-profit) Hochschulen geh6ren, vollstfindig yon der Steuer abgesetzt werden (Wright 2002). 150http://www'mwk'baden-wuerttemberg" de/Mini sterium/kerndaten'html"
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
195
che) und ca. 14 bis 15 Prozent (private) TM ausmachen, verbergen sich Dinge wie die Vermarktung von Patenten und Lizenzen aber auch Einkiinfte aus Vorfeldorganisationen, vom Krankenhaus oder Labor bis zum Souvenirladen. Dass es in der Finanzierungsstruktur zwischen 6ffentlichen und privaten Institutionen neben Unterschieden auch Gemeinsamkeiten gibt, unterstreicht die These von den ,,bleeding boundaries" zwischen dem 6ffentlichen und privaten Sektor. Die Finanzierung von Groflforschungsprojekten und die finanzielle Unterstiitzung individueller Studenten durch die 6ffentliche Hand sowie die kommerzielle Verwertung von Bildungsdienstleistungen sind hier die verbindenden Elemente. Da die Studiengebiihren an privaten Institutionen eine solch wichtige Rolle spielen und auch ftir die 6ffentlichen Institutionen in den letzten Jahren zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden sind (siehe Grafik 3.4), sollen sie im Folgenden einer n~iheren Untersuchung unterzogen werden. Grafik 3.5 dokumentiert die Entwicklung der Studiengebiihren (und weiterer Gebiihren und Unterkunftskosten, die bei amerikanischen Colleges zusammen mit den allgemeinen Studiengebiihren anfallen). Es wird ersichtlich, dass die ,,tuition" sowohl bei privaten und bei 6ffentlichen Hochschulen seit den 1970er Jahren angestiegen ist. Jedoch ist der Anstieg bei privaten Institutionen sehr viel starker ausgefallen (vgl. auch Clotfelter 1996: 2-3). Die durchschnittlichen Studiengebiihren an 6ffentlichen 2-Jahres-Institutionen (die ,,junior" oder ,,Community Colleges") betrugen im Schuljahr 1999 / 2000 1.600 Dollar, ftir 6ffentliche 4-JahresInstitutionen 4.300 Dollar und fiir private Institutionen 15.900 Dollar (Choy 2004:10). Untersuchungen zeigen (Clotfelter 1996), dass besonders die privaten Elite-Institutionen yon diesem Preisanstieg betroffen sind. Fiir das Schuljahr 2005/06 beispielsweise verlangt die Harvard University zum Besuch des Colleges Studiengebiihren (inklusive Kosten ftir Unterkunft im Studentenwohnheim und Krankenversicherung) in H6he von 41.675 Dollar. 152 Clotfelter kommt zu dem Schluss, dass der steile Anstieg der Studiengebiihren an diesen Universitiiten nicht Ausdruck von Ineffizienzen oder Verschwendung sei, sondern vielmehr den steigenden Wert einer Ausbildung an solchen Institutionen widerspiegele (Clotfelter 1996: 13). Hinzu kommt, dass der Gebfihrenanstieg an privaten Institutionen gleichm~il3iger verlaufen ist als an 6ffentlichen. In Letzteren h~ingt der Verlauf der Gebfihrenentwicklung in st/irkerem Mafle von den wirtschaftlichen Hintergrundbedingungen ab: Wenn aufgrund einer angespannten Haushaltslage der Bundesstaaten die Hochschulen mit Kostensenkungen konfrontiert sind,
~5~Summe aus ,,Bildungsaktivit/iten" und ,,Sekund/ire Unternehmungen". 152http://adm-is,fas.harvard.edu/FAO/cost.htm.
196
Bildungsfinanzen in den USA."Hochschulbildungswesen
kann, so eine Analyse des National Center for Public Policy and Higher Education, eine Anhebung der Studiengebfihren die direkte Folge sein (Callan 2002:
iv). 25.000 Studiengebfihren an 6ffentlichen
~- 20.000
Institutionen
I._ .E
15.ooo ,m
Studiengeb~ihren an privaten Institutionen
lo.ooo 9
um
StudiengebOhren an
allen Institutionen
5.000 0
Jahr
Grafik 3.5:
Durchschnittliche Studiengebiihren (Tuition und weitere Gebiihren) und Unterkunftskosten je vollzeit~iquivalentem Student in tertiiiren Abschluss-verleihenden Institutionen (Undergraduate), Queiie: NCES 2004, TabeUe 315.
Teilweise wurden die ansteigenden Studiengebfihren durch verbesserte M6glichkeiten der Studienfinanzierung durch Stipendien und Bildungskredite kompensiert. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren sind mit dem Higher Education Act und den Education Amendments Geldmittel von der Bundesregierung zur F6rderung der Hochschulbildung bereitgestellt worden. Die so genannten ,,Pell Grants" sind nicht-rfickzahlbare Zuschfisse oder Stipendien, w/ihrend die ,,Perkins Loans" vonder Bundesregierung fiber die Campusse der Universit/iten verteilte Bildungskredite sind. Die ,,Stafford Loans" werden von regul/iren Kreditgebem ausgegeben, der Bund fibemimmt fiir diese Kredite allerdings eine Bfirgschaft (Peters 2004: 335; Choy 2004: 3-4). Auf der gliedstaatlichen Ebene spielt die Unterstfitzung individueller Studenten eine weniger wichtige Rolle, wie auch aus Grafik 3.6 ersichtlich. Die Universit/iten selbst stellen ebenfalls einen betr/ichtlichen Teil an Finanzhilfen zur Verftigung (20,4 Mrd. Dollar im Jahr 200203), wobei die privaten Institutionen allerdings einen gr613eren finanziellen Spielraum haben als die 6ffentlichen (Choy 2004: 4). Der Anteil der Studenten, die einen nicht-nickzahlbaren Zuschuss erhalten, lag 2000 bei 57 Prozent (ebd.:
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
197
18), aber die Netto-Kosten des Hochschulbesuchs (Studiengebiihren minus Zuchiisse) sind im letzten Jahrzehnt gestiegen, so dass ein h6herer Anteil der Studenten (45 Prozent (2000) zu 30 Prozent (1990)) zur Aufnahme von Krediten gezwungen ist (Choy 2004: 24; NCPPHE 2002: 7). Insgesamt sind die Studiengebiihren also in st~kerem Mal3e angestiegen als die zur Verftigung gestellten Finanzhilfen (NCPPHE 2002: 6; McKeown-Moak 2001:11). Aul3erdem ist der Anteil am Familieneinkommen, der zur Zahlung der Studiengebiibxen aufgewendet werden muss, sowohl an 6ffentlichen als auch an privaten Institutionen angestiegen (NCPPHE 2002: 5), und dies in st/irkerem MafSe fiir einkommensschwache Bev61kerungsgruppen. 153 Zum Teil haben die gliedstaatlichen Legislativen darauf reagiert und einen weiteren Anstieg der Gebiil~en untersagt und / oder zus/itzliche Mittel bereitgestellt (McKeown-Moak 2001: 9-10). Dies diirfte allerdings in den Zeiten der fiskalischen Krise nach 2001 schwieriger geworden sein.
~53 Fiir Familien im untersten Einkommensffinftel ist der Anteil der durchschnittlichen Kosten eines College-Besuehs am Familieneinkommen zwisehen 1991 und 2001 von 40 auf 62 Prozent angestiegen, •r Angeh6rige des mittleren Einkommensftinftels von 12 auf 17 Prozent, wS.hrend er ftir Angeh6rige des obersten Einkommensftinftels konstant bei 5 Prozent geblieben ist (McKeown-Moak 2001: 9).
198
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
I-! Federal Pell Grants ll Federal Loans
1 Institutional and Other Grants m State Grant Programs 19,5
11111Federal 1 Campus-Based Aid R] Other Federal Programs II Non-Federal Loans
Grafik 3.6:
Relative Verteilung der Finanzierungsquellen zur Unterstiitzung von Studenten (,,student aid"), Angaben in Mrd. Dollar, 2000, Quelle: McKeown-Moak 2001" 13.
Mit dem Taxpayer Relief Act von 1997 wurde in Form von Steuerkrediten, Sparanreizen und der Einftihrung begrenzter Steuerabzugsm6glichkeiten ftir Zinszahlungen auf Bildungskredite ein neues Finanzinstrument zur Untersttitzung der Bildungsfinanzierung durch die Bundesebene institutionalisiert. Weil es sich vor allem um Steuervergiinstigungen und Abschreibungsm6glichkeiten handelt, wird vermutet, dass dieses Programm vor allem Angeh6rigen der oberen Einkommensschichten zu Gute kommen wird (McKeown-Moak 2001: 12). Weiterhin wird gesch~itzt, dass die durch den Taxpayer Relief Act dem Bundeshaushalt entzogenen Mitteln in ihrer H6he ungefiihr allen zur Zeit in anderen Bundesprogrammen zur Verfiigung gestellten Zuschiissen entspricht (ebd.: 12). Dies wiirde somit langfristig eine signifikante Neuausrichtung der Bundespolitik zur Bildungsf'6rderung bedeuten. Bevor im Anschluss in den intranationalen Vergleich eingestiegen werden soll, m6chte ich im Folgenden kurz auf den Aufstieg der ,,For-Profit-Education" in den USA eingehen, ein Ph/inomen, das vor allem seit Mitte der 1990er Jahre in verst/irktem Mal3e zu beobachten ist. Im Unterschied zu den bislang als ,private Institutionen' bezeichneten Hochschulen geht es bei den ,,For-ProfitUniversit/iten" (FPU) prim/ir um die Erzielung von Gewinnen. Nach Angaben
Bildungsfinanzen in den USA:Hochschulbildungswesen
199
von Ruch (2001: 4), der die erste umfassende Analyse dieses neuen Bildungssektors vorlegt, ist die Zahl der FPUs in den 1990er Jahren um 112 Prozent von 350 auf 750 Campusse angewachsen, w/ihrend im selben Zeitraum 200 Non-ProfitColleges die Tiiren geschlossen haben. 1996 waren ungef'~ihr 15 Prozent aller Hochschulinstitutionen in den USA FPUs (ebd.: 4). Der Anteil der FPUs an der Zahl der Undergraduates betrug im Schuljahr 1999-2000 allerdings nur 2,4 Prozent und ist damit von 4,1 Prozent im Jahr 1989-1990 gefallen (Choy 2004: 7). Die FPUs sind im Gegensatz zu den Non-Profit-Universit/iten noch weniger in ihrer jeweiligen Lokalit/it verhaftet. Vielmehr handelt es sich um ,Zweigstellen' gr6Berer Bildungsverbiinde, die beispielsweise wie die University of Phoenix mit einem gemeinsamen Namen und B ildungsangebot auftreten. Die Akkreditierung der verliehenen Abschliisse wird allerdings bei denselben regionalen K6rperschaften angestrebt, bei denen auch die Akkreditienmg der AbschliJsse der 6ffentlichen und privaten Non-Profit-Institutionen erfolgt. Ein anderes Konzept wird vonder Quest Education Corporation verfolgt: Ahnlich wie Investment-Firmen in der Privatwirtschaft, kauft Quest Colleges auf, die kurz vor dem Konkurs stehen, und bringt sie wieder auf Vordermann. Zur Wahrung der Kontinuit/it und aus Griinden der ,Brand Recognition' wird dabei der alte Name des Colleges beibehalten, so dass dem unbescholtenen Beobachter zun/ichst keine Ver~indemng der Besitz- und Verwaltungsverh~ilmisse auff'~illt (Ruch 2001: 63). Im Unterschied zu Non-Profit-Universit~iten sind die FPUs nicht von der Steuerzahlungspflicht befreit (ebd.: 11). Die Verwaltung der FPUs und ihre Kapitalstruktur entsprechen mehr denen eines Wirtschaftsuntemehmens als einer Universit~it: Anstelle von Stiftungskapital verfiigen sie fiber Investitionskapital, anstelle von Spendem engagieren sich bei den FPUs Investoren (ebd.: 11, 12). Die FPUs sind weniger an der Akkumulierung von Wissen als an dessen Vermittlung interessiert: Die Lehrbeauftragten dieser Institutionen haben keine lebenslange Besch/iftigungsgarantie (tenure) und sind wesentlich mehr mit Lehre als mit Forschung besch/iftigt (ebd.: 17, 18). Ein Teil der Geh/ilter wird als Aktienoptionen ausgezahlt, so dass auch das Lehrpersonal ein Interesse am wirtschaftlichen Gedeihen des Untemehmens hat (ebd.: 13). Dass sich diese Entlohnung auszahlt, belegt die Performanz der Aktien der Apollo Group, dem Tr/iger der University of Phoenix: Zwischen 1994 und 1999 legten ihre Aktien um 1.538 Prozent zu (Ruch 2001: Tabelle 4.2), bei den anderen Bildungsproduzenten in Ruchs Sample sind immerhin Steigerungsraten von mehreren 100 Prozent zu verzeichnen. Einem skeptischen Anh/inger des Humboldt'schen Bildungsideals mag die Institution der For-Profit-Universit/iten auf den ersten Blick nicht geheuer vorkommen, doch auch die FPUs spielen im US-amerikanischen Bildungswettbewerb ihre wichtige Rolle. Die Studentenbev61kerung ist /ihnlich wie in den
200
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
Community Colleges im Durchschnitt alter, und der Anteil von Angeh6rigen aus ethnischen Minderheiten ist gr6ger. Die meisten der Studenten sind neben dem Studium teilzeitbesch/iftigt. Prinzipiell zeichnen sich die Studenten an FPUs weniger durch akademische Leistungen, sondern mehr durch ihr Interesse an einer auf die berufliche Praxis orientierten Zusatzausbildung aus (ebd.: 31-32). Hinzu kommt, dass die Studiengebfihren (wahrscheinlich aufgrund der starken Ausrichtung dieser Institutionen auf die Lehre allein) niedriger sind als in privaten Non-Profit-Institutionen (ebd.: 74). Weil die Einnahmen der FPUs zudem zu ca. 95 Prozent aus Studien- und anderen Gebiihren (ebd.: 98) stammen, haben die Bildungsbedfirfnisse der Studenten als ,,Kunden" einen starken Einfluss. Ebenso wichtig wie die Bereitstellung der nachgefragten Bildungsangebote ist die sp/itere Vermittlung in einen Arbeitsplatz (, Career Placement'), denn dies ist ein wichtiger Indikator dafiir, ob der Arbeitsmarkt die an FPUs vermittelten Fertigkeiten auch nachfragt (ebd.: 80). Insofem k6nnte zusammenfassend festgehalten werden, dass die FPUs trotz oder gerade wegen ihrer unkonventionellen, auf Gewinn erstrebende Wirtschaftsuntemehmen ausgerichteten Organisationsstruktur den amerikanischen Bildungsmarkt bereichem und durch die starke Fokussierung auf die Vermittlung arbeitsmarkrelevanter Fertigkeiten Bev61kerungsgruppen die Bildungspartizipation im Terti/irsektor erm6glichen, denen dies vorher versagt geblieben war. Im Anschluss an diese kurze Einftihrung in die Diskussionen um die private, individuelle Bildungsfinanzierung in den USA soll es im Folgenden um die Betrachtung der Hochschullandschaft durch die Brille des intranationalen Bundesstaatenvergleichs gehen. Wie wir bereits bei der Betrachtung des Prim/ir- und Sekund/irsektors gesehen haben, gibt es betr/ichtliche Unterschiede zwischen den Bundesstaaten hinsichtlich der Frage, wieviel Verantwortung der 6ffentlichen Hand in der Bereitstellung und Finanzierung von Bildungsinstitutionen zukommen soll. Wir haben herausgefunden, dass dies teilweise von den politischkulturellen Hintergrundbedingungen, aber auch von den konkreten wirtschaftlithen und politischen Gegebenheiten abh~ingt. Tabelle 3.3 gibt einen Oberblick fiber die Zahl der terti/iren Bildungsinstitutionen in den einzelnen Bundesstaaten und welcher Anteil dieser Institutionen jeweils privat oder 6ffentlich ist. Die meisten der Sfidstaaten und der Border States (Alabama, Arkansas, Georgia, Louisiana, Mississippi, North Carolina, South Carolina) sowie einige der Staaten des Mittleren Westens und des 1/indlichen Nordwestens (Alaska, Kansas, Montana, NOrth Dakota, South Dakota, New Mexico, Oklahoma, Washington, Wyoming) fallen dadurch auf, dass der Anteil der 6ffentlichen Institutionen h6her und zum Teil wesentlich h6her liegt als der Anteil privater Institutionen an der Gesamtzahl terti/irer Bildungseinrichtungen. In Ermangelung besserer Daten
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
201
(z.B. fiber die H6he privater Bildungsausgaben aggregiert auf der BundesstaatenEbene) ist dies der beste vertSgbare Indikator ftir den Grad, zu dem in einem bestimmten Staat die Hochschulbildung durch 6ffentliche anstelle von privaten Institutionen durchge~hrt wird. Die Staaten des Nordostens (z.B. Illinois, Massachusetts, New Hampshire, New York, Pennsylvania, Rhode Island, Vermont) verfiigen fiber mehr private als 6ffentliche Institutionen. In Rfickgriff auf Kapitel 2.2 kann festgehalten werden, dass es in diesen Staaten eine starke Tradition gibt, die Bildung eher durch die Bereitstellung von lokalen (Prim~ir- und Sekund~irsektor) oder privaten Institutionen (Hochschulbereich) zu finanzieren. Wir haben aber auch gesehen, dass die in einem grol3en Teil dieser Staaten vorherrschende individualistische politische Kultur (Elazar 1972) gleichzeitig zu insgesamt hohen durchschnittlichen Bildungsausgaben ~hrt. Die Tatsache, dass die Bildung in st/irkerer Weise vonder lokalen und privaten Initiative abh/ingt, ist insofem nicht ein Zeichen der Schw~iche, sondern eher ein Zeichen fiir die St~irke und Ubiquit/it eines weit verbreiteten gesellschaftlichen Kompromisses, in dem die F/Srderung der Bildung zur Herstellung der Chancengleichheit und Sicherung der sozialen Aufstiegschancen eine grofSe Rolle spielt.
202
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
Staat
Zahl der TertiiirInstitutionen
United States
4,168
Alabama Alaska Arizona Arkansas California
Anteil der 6ffentlichen TertiiirInstitutionen
Anteil der privaten TertiiirInstitutionen
Verhiiltnis 6ffentliche zu privaten TertiiirInstitutionen
75 8 71 46 400
0.63 0.63 0.35 0.72 0.36
0.37 0.38 0.65 0.28 0.64
1.68 1.67 0.54 2.54 0.56
Colorado Connecticut Delaware District of Columbia Florida
76 45 10 16
0.37 0.49 0.50 0.13
0.63 0.51 0.50 0.88
0.58 0.96 1.00 0.14
161
0.25
0.75
0.33
Georgia Hawaii Idaho Illinois Indiana
124 20 14 175 99
0.60 0.50 0.50 0.34 0.29
0.40 0.50 0.50 0.66 0.71
1.48 1.00 1.00 0.52 0.41
Iowa Kansas Kentucky Louisiana Maine
62 60 79 87 32
0.29 0.58 0.47 0.71 0.47
0.71 0.42 0.53 0.29 0.53
0.41 1.40 0.88 2.48 0.88
Maryland Massachusetts Michigan Minnesota Mississippi
63 119 109 113 41
0.46 0.26 0.40 0.46 0.63
0.54 0.74 0.60 0.54 0.37
0.85 0.35 0.68 0.85 1.73
Missouri
119
0.27
0.73
0.37
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
203
Staat .
Zahl der TertiiirInstitutionen
Anteil der 6ffentlichen TertiiirInstitutionen
Anteil der privaten TertiiirInstitutionen
Verh/iltnis 6ffentliche zu privaten TertiiirInstitutionen
Montana Nebraska Nevada New Hampshire
22 38 14 25
0.77 0.37 0.43 0.36
0.23 0.63 0.57 0.64
3.40 0.58 0.75 0.56
New Jersey New Mexico New York North Carolina North Dakota
57 43 310 126 22
0.58 0.63 0.26 0.60 0.73
0.42 0.37 0.74 0.40 0.27
1.38 1.69 0.35 1.47 2.67
Ohio Oklahoma Oregon Pennsylvania Rhode Island
179 53 57 257 13
0.34 0.55 0.46 0.26 0.23
0.66 0.45 0.54 0.74 0.77
0.52 1.21 0.84 0.36 0.30
South Carolina South Dakota Tennessee Texas Utah
63 27 89 200 25
0.52 0.52 0.25 0.55 0.40
0.48 0.48 0.75 0.46 0.60
1.10 1.08 0.33 1.20 0.67
Vermont Virginia Washington West Virginia Wisconsin Wyoming
27 100 78 37 68 9
0.22 0.38 0.58 0.41 0.46 0.89
0.78 0.62 0.42 0.59 0.54 0.11
0.29 0.61 1.36 0.68 0.84 8.00
i
Tabelle 3.3: Zahlenm/ifliges Verh/iltnis der iiffentlichen und privaten Institutionen der hiiheren Bildung in den Bundesstaaten, 2002-03, Quelle: N C E S 2004, Tabelle 247.
204
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
Die Daten in Tabelle 3.4 best/itigen diese These. Vor allem in den Staaten der Neu-England -154, der Great-Lakes- und der Mid-Atlantic-Regionen liegt der durchschnittliche Anteil der Ausgaben fiir Hochschulen an den Gesamtausgaben des jeweiligen Bundesstaates deutlich niedriger als in den Staaten des Mittleren und Fernen Westens, des Sfidens und der Westkfiste. In den Staaten des Mittleren Westens (Plains und Rocky Mountains), in denen sowohl die individualistische als auch die dem Gemeinwohl eine besondere Stellung zuschreibende moralistische Kultur Verbreitung gefunden haben, wird der finanziellen F6rderung der B ildung und darin der Regierung des Einzelstaates ebenfalls eine besondere Rolle zugedacht. Wie aus Tabelle 3.5 ablesbar, geben beispielsweise Wyoming (16,91%), Utah (10,36 %), North Dakota (11,09 %), Nebraska (10,89 %), Kansas (10,38 %) und Iowa (9,39 %) einen fiberdurchschnittlichen Anteil des pers6nlichen Einkommens fiir Terti~irbildung aus. Die in diesen Staaten vorherrschende politische Kultur ist in gewissem Sinne eine Mischung aus individualistischen und moralistischen Elementen (Elazar 1972:117). Die grol3en 6ffentlichen Institutionen dieser Staaten spiegeln somit zum einen das individualistische Motiv des sozialen Aufstiegs durch Nutzung von Bildungschancen wider. Zum anderen sind sie aber auch Sinnbild fiir eine moralistische, auf das Gemeinwohl gerichtete Komponente, vonder die 6ffentliche Finanzierung und der egalit/ire, auf die Herstellung der Chancengleichheit abzielende Geist dieser Hochschulen Zeugnis ablegen. In den S/idstaaten ist die Lage nicht so eindeutig: Einige Staaten geben leicht fiber bzw. unter dem Durchschnitt aus (Florida (5,34 %), Georgia (7,89 %), Tennessee (6,52 %)). Andere verwenden einen /iberdurchschnittlichen Teil ihrer Wirtschaftsleistung auf die F6rderung der Hochschulbildung, liegen damit im intrantionalen Vergleich der Pro-Student-Ausgaben aber nur leicht fiber dem Durchschnitt (239 Dollar): Louisiana (10,64 % / 2 7 7 Dollar), Mississippi (12,07 % / 282 Dollar), Kentucky (10,22 % / 269 Dollar), oder West Virginia (9,10 % / 225 Dollar). Insgesamt liegen die Sfidstaaten jedoch unter dem nationalen Durchschnitt, auch wenn sie in den letzten Jahren etwas aufgeholt haben (SHEEO 2005: 33). Das relativ schwache Abschneiden der Sfidstaaten im intranationalen Vergleich kann erkl~irt werden durch ihre schwache wirtschaftliche Basis, das schwierige Erbe der Rassentrennung, die auch bis in den Hochschulsektor hineingereicht hat, sowie die kulturelle Pfiigung des Traditionalismus (Elazar 1972: 117), die der Idee der sozialen Emanzipation durch Bildungsaufstieg nicht gerade f'6rderlich war. 154 Was die politisch-kulturelle Prfigung angeht, ist die Neu-England-Region in zwei Subregionen zu untergliedern: Den eher moralistisch gepr/igten Norden (Vermont, Maine, New Hampshire) und die eher individualistisch gepr~igten Staaten im Sfiden von NeuEngland (Massachusetts, Connecticut, Rhode Island) (Elazar 1972:117).
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
205
New Mexico spielt eine Ausnahme: Eine iiberdurchschnittliche Bildungsausgabenquote (15,38 %) und iiberdurchschnittliche Pro-Student-Ausgaben (392 Dollar) zeugen von einer besonderen Motivation zur F6rderung der 6ffentlichen Hochschulinstitutionen. Texas, hinter Alaska der fl~ichenm/iBig gr6Bte USBundesstaat, und Kalifomien, der bev61kerungsreichste Staat, spielen ebenfalls eine gewisse Sonderrolle. Wie wir schon in der Betrachtung der Kapitalausstattung (Tabelle A3.2 und Tabelle 3.2) gesehen haben, sind die 6ffentlichen Hochschulsystem dieser Bundesstaaten durchaus in der Lage, was die Ausstattung mit finanziellen Ressourcen angeht, mit den privaten Elite-Institutionen mitzuhalten. State
NEW ENGLAND Connecticut Maine Massachusetts New Hampshire Rhode Island Vermont Durchschnitt
MID-ATLANTIC Delaware Maryland New Jersey New York Pennsylvania Durchschnitt
Anteil der Ausgaben fiir Hochschulen an den Gesamtausgaben
9.5 3.9 4.3 4.3 11.2
2.8 6.0 5.1 15.8 7.1 6.8 5.1 8.7
GREAT LAKES Illinois Indiana Michigan Ohio Wisconsin
7.6 8.0 6.3 6.2
Durchschnitt
7.86
PLAINS Iowa Kansas Minnesota Missouri Nebraska North Dakota South Dakota Durchschnitt
11.2
24.5 17.4 7.7 5.6 21.9 11.7 15.5 14.9
206
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
State
SOUTHEAST Alabama Arkansas Florida Georgia Kentucky Louisiana Mississippi North Carolina South Carolina Tennessee Virginia West Virginia Durchschnitt SOUTHWEST Arizona New Mexico Oklahoma Texas Durchschnitt ROCKY MOUNTAIN Colorado Idaho Montana Utah Wyoming Durchschnitt FAR WEST Alaska California Hawaii Nevada Oregon Washington Durchschnitt ALLE STATES
Anteil der Ausgaben fiir Hochschulen an den Gesamtausgaben 24.0 16.0 11.4 16.0 17.9 13.5 17.3 14.2 17.1 12.2 13.5 16.0 15.76 12.5 14.6 17.6 14.2 13.6 13.6 9.4 10.1 12.4 14.9 12.08 m
11.9 11.4 13.0 10.6 16.1 12.6 11.2%
Tabelle 3.4: Anteil d e r A u s g a b e n fiir H o c h s c h u l e n an d e n gliedstaatlichen G e s a m t a u s g a b e n , H a u s h a l t s j a h r 2002, Quelle" N A S B O 2003" 24.
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
207
Bundesstaat
Offentliche Ausgaben fiir iiffentliche und unabhiingige Tertiiirinstitutionen pro Kopf
Offentliche Ausgaben fiir 6ffentliche und unabhiingige Tertiiirinstitutionen pro 1.000 $ persiinliches Einkommen
Alabama Alaska Arizona Arkansas California Colorado Connecticut Delaware Florida Georgia Hawaii Idaho Illinois Indiana Iowa Kansas Kentucky Louisiana Maine Maryland Massachusetts Michigan Minnesota Mississippi Missouri Montana Nebraska Nevada New Hampshire New Jersey New Mexico New York North Carolina North Dakota Ohio Oklahoma Oregon Pennsylvania Rhode Island South Carolina
260 336 238 245 313 137 215 234 160 231 317 246 262 220 265 307 269 277 177 246 155 244 254 282 183 168 330 215 87 223 392 253 310 316 192 227 193 165 160 208
9.89 10.10 8.85 10.08 9.36 3.96 4.96 7.02 5.34 7.89 10.37 9.61 7.90 7.62 9.34 10.38 10.22 10.64 6.13 6.57 3.93 7.83 7.47 12.07 6.30 6.52 10.89 6.84 2.52 5.58 15.38 6.98 10.96
11.09 6.41 8.53 6.70 5.22 5.00 7.94
208
Bildungsfinanzen in den USA."Hochschulbildungswesen
Bundesstaat
Offentliche Ausgaben fiir 6ffentliche und unabhiingige Tertiiirinstitutionen pro Kopf
South Dakota Tennessee Texas Utah Vermont Virginia Washington West Virginia Wisconsin Wyoming U.S.
202 186 265 261 96 184 222 225 266 545 239
Offentliche Ausgaben fiir 6ffentliche und unabhiingige Tertiiirinstitutionen pro 1.000 $ pers6nliches Einkommen 7.13 6.52 9.12 10.36 3.15 5.47 6.67 9.10 8.64 16.91 7.61
~176
Tabelle 3.5: Offentliche Pro-Kopf-Ausgaben und 6ffentliche Ausgabenquote fiir iiffentliche und unabh~ingige Hochschulen in den Bundesstaaten, Haushaltsjahr 2004, Quelle: SHEEO 2005" 43.
Die grobe Vierteilung der Bundesstaaten in eine individualistische Gruppe (Neu-England, Great Lakes, Mid-Atlantic), die Staaten des Mittleren Westens und der Rocky-Mountains-Region, die Siidstaaten und die moralistisch gepr/igten Staaten des Femen Westens (Kalifornien, Oregon, Washington, Hawaii) zeigt sich auch in der Betrachtung der Unterschiede in der Finanzierungs- und Einnahmestruktur der 6ffentlichen Institutionen in den Bundesstaaten (siehe Tabelle 3.6). Die Staaten der ersten Gruppe zeichnen sich dadurch aus, dass ein iiberdurchschnittlich groBer Teil der Einnahmen 6ffentlicher Hochschulen durch Studiengebiihren gedeckt wird (in den Neu-England-Staaten, den Spitzenreitern, 28,98 Prozent). Gleichzeitig ist der Finanzierungsanteil der Gliedstaaten unterdurchschnittlich (zwischen 31,5 und 34,4 Prozent). Dies deutet darauf hin, dass auch bei der Finanzierung der 6ffentlichen Institutionen den privaten Ausgaben eine gr613ere Rolle zugeschrieben wird als in anderen Staaten. Die zweite Staatgruppen, die Staaten des Mittleren Westens und der RockyMountains-Region, sind dadurch gekennzeichnet, dass ein durchschnittlicher Teil von ca. 20 Prozent der Einnahmen durch Studiengebtihren abgedeckt wird. AuBerdem wird ein durchschnittlicher Anteil der Einnahmen in den Staaten der ,,Plains"-Region durch gliedstaatliche Zuweisungen abgedeckt (37,5 Prozent). Dieser Anteil ist in den Rocky-Mountains-Staaten um ca. 5 Prozent niedriger, wird aber durch einen erh6hten Anteil der Bundesmittelfinanzierung in diesen Staaten wieder wett gemacht. Die Finanziemngsstruktur der 6ffentlichen Institu-
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
209
tionen in dieser Staatengruppe deutet darauf hin, dass von dem Einzelnen ein durchschnittlich bis starkes Engagement in der Finanzierung seiner Bildung erwartet wird, gleichzeitig der Gliedstaat sich aber in die Pflicht genommen ftihlt, zur Finanzierung der Bildung ebenfaUs beizutragen. In den Sfidstaaten liegt der Anteil der Gliedstaaten an den Einnahmen der 6ffentlichen Institutionen (40 Prozent) relativ deutlich, aber nicht fiberm~iBig fiber dem nationalen Durchschnitt. Der Finanzierungsbeitrag der Studiengebfihren ist leicht unterdurchschnittlich (17,5 Prozent). Wenn man allerdings berficksichtigt (Tabelle 3.5), dass kaum einer dieser Staaten durch fiberdurchschnittliche ProStudent-Ausgaben im intranationalen Vergleich heraus sticht, so scheint hier eine Kultur vorzuherrschen, in der der Hochschulbildung generell eine weniger wichtige Bedeutung beigemessen wird. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Finanzierungsanteil der Studiengebfihren so gering ist. Dies kann auch als Indikator dafiir verstanden werden, wie viel die Einzelnen bereit sind, in ihre Bildung aus eigener Tasche zu investieren. In der vierten Gruppe, den Staaten des Fernen Westens und Sfidwestens, findet sich ein weiteres Finanzierungsmuster: Der Finanzierungsanteil der Gliedstaaten ist durchschnittlich bis fiberdurchschnittlich, der Anteil der Bundesebene deutlich tiberdurchschnittlich. Gleichzeitig ist der Finanzierungsanteil der Studiengebfihren mit ca. 14 Prozent deutlich unterdurchschnittlich. In diesen Staaten wird offensichtlich dem Staat in der Finanzierung der h6heren Bildungsinstitutionen eine besondere Verantwortung zugeschrieben. Der niedrige Anteil der Studiengebfihren an den Einnahmen deutet darauf hin, dass hier das Ideal eines ftir den Einzelnen erschwinglichen und m6glichst Vielen often stehenden Hochschulsystems eine gewisse Wirkungskrafl entfalten kann. In diesen, von der moralistischen Kultur gepr~igten Bundesstaaten kommt dem Staat bei der Bereitstellung von 6ffentlichen Gfitem im Verhfiltnis zur privaten Initiative eine gr6Bere Rolle zu. Wie bei der Analyse der 6ffentlichen Ausgaben im Prim~ir- und Sekundfirsektor scheint also auch im Hochschulbereich die allgemein vorherrschende Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt in der Bewfiltigung 6ffentlich relevanter Problemlagen das AusmaB des finanziellen Engagements der Bundesstaaten zu prfigen.
NEW ENGLAND Connecticut Maine Massachusetts New Hampshire Rhode Island Vermont Durchschnitt MID-ATLANTIC Delaware Maryland New Jersey New York Pennsylvania Durchschnitt GREAT LAKES Illinois Indiana Michigan Ohio Wisconsin Durchschnitt
State
0.01 0.00 0.20 0.45 0.00 0.00 0.11
1.97 5.75 4.28 4.01 1.51 3.50 8.91 0.16 3.67 1.72 10.18 4.93
31.62 35.16 33.94 37.76 22.44 32.18 35.47 33.66 25.37 31.56 31.37 31.49
11.40 11.75 6.25 9.27 10.47 9.83 9.81 7.32 9.59 7.06 12.64 9.28
28.84 24.15 22.34 19.37 27.69 24.48
17.94 24.06 21.78 26.49 21.23 22.30
Lokale Ebene: Zuschtisse, Zuweisungen, Vertr/ige
43.15 43.77 47.87 19.81 37.26 14.44 34.38
GliedstaatenZuweisungen, Zuschiisse und Vertr/ige
6.43 8.18 9.99 12.08 12.37 12.98 10.34
Bundeszuschiisse, zuweisungen und Vertr/ige
19.27 23.07 22.12 38.38 29.90 41.15 28.98
Studien- und andere Gebiihren
3.49 6.07 5.91 5.33 7.36 5.63
8.22 4.86 4.21 4.17 4.27 5.15
2.52 4.90 3.52 4.85 2.11 8.92 4.47
Private Schenkungen, Vertr/ige
0.14 0.42 1.22 0.98 0.46 0.64
4.06 0.57 0.46 0.38 1.68 1.43
0.13 0.96 0.09 1.79 0.00 1.86 0.81
Einkiinfle aus Kapitalausstattung
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Tabelle 3.6:
Mississippi North Carolina South Carolina Tennessee Virginia West Virginia Durchschnitt SOUTHWEST Arizona New Mexico Oklahoma Texas Durchschnitt FAR WEST Alaska California Hawaii Nevada Oregon Washington Durchschnitt ALLE STATES
State
13.57 18.42 23.19 11.19 16.59 17.91 9.96 23.58 10.00 13.06 15.30 14.97 11.73
21.40 8.57 13.71 15.48 14.79
11.59 10.49 14.08 18.14 15.60 17.80 14.62 3.08 10.24 0.14 1.77 4.18 1.07 3.41 2.52
11.81 3.87 1.35 5.57 5.65
0.67 0.38 0.20 0.82
1.80
2.38
1.87
Lokale Ebene: Zuschiisse, Zuweisungen, Vertr~ige
8.65 4.44 2.35 4.41 8.61 5.17 5.61 5.23
5.45 4.88 4.17 5.57 5.02
3.34 6.12 4.80 6.19 5.84 3.18 5.01
Private Schenkungen, Vertr~ige
0.80
0.58 0.33 0.59 0.17 0.59 0.61
1.39
0.36 0.94 0.71 2.23 1.06
0.01 0.47
1.28
0.21 0.42 0.16 1.15
Einkiinfte aus Kapitalausstattung
V e r t e i l u n g der Einkiinfte v o n iiffentlichen terti~iren I n s t i t u t i o n e n ( A b s c h l u s s - v e r l e i h e n d ) n a c h B u n d e s staaten, 2000-01, Quelle: N C E S 2004, Tabelle 3 3 7 .
20.05
45.23 37.28 49.80 48.11 24.95 33.37 39.79 36.40
34.08 34.16 40.66 34.28 35.80
Vertriige 37.91 46.76 41.81 41.32 33.62 45.69 40.92
Vertr[ige 12.51 11.12 11.52 12.61 9.62 10.09 10.00
13.75 12.46 22.02 20.72 19.72 24.20 17.47
biihren
GliedstaatenZuweisungen, Zuschiisse und
Bundeszuschiisse, zuweisungen und
Studien- und andere Ge-
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
213
Zum Abschluss dieses Unterkapitels soil in Erg~inzung zu der Diskussion in Kapitel 2.2 die Frage der Finanzierungskonkurrenzen zwischen verschiedenen Ausgabenbereichen in den gliedstaatlichen Haushalten wieder aufgenommen und hinsichtlich der Finanzierung der 6ffentlichen Hochschulen betrachtet werden. Die Ausgaben f0r das 6ffentliche Hochschulwesen werden allgemeinhin als das ,,balance wheel of state finance" (Hovey 1999: 19; Gold 1995a: 371) angesehen: Im Vergleich zu anderen Ausgabenbereichen wie Medicaid und Sozialhilfe wird der 5ffentlichen Hochschulfinanzierung eine grSBere fiskalische Flexibilit/it unterstellt, sich an ver/inderte 6konomische Rahmenbedingungen zum Beispiel durch VergrfBerung der Klassen, Verkleinerung des Lehrangebotes oder Anhebung der Studiengebtihren kurzfristig anzupassen. Daher 1/isst sich eine relativ starke Abh~ingigkeit der 6ffentlichen Ausgaben fiir Tertigrbildung vom 6konomischen Konjunkturzyklus beobachten (Hovey 1999:19). 13ber den Zeitraum der 1990er Jahre und nach der Jahrtausendwende hin betrachtet, l~isst sich eine Abfolge von fiskalischen Krisen und Wachstumsperioden beobachten: Anfang der 1990er Jahre kamen die gliedstaatlichen Haushalte und damit auch die 6ffentliche Bildungsfinanzierung zum ersten Mal in einen Engpass (Burke et al. 2002: 7; Hood 1996: 82). Zum Teil waren die Fiskalprobleme durch externe Probleme verursacht wie der Rezession 1990-91, dem starken Anstieg der Medicaid-Ausgaben, der wiederum durch die starke Kosteninflation im Gesundheitsbereich versursacht wurde, dem Zuwachs in der Gr6Be der Schulbevflkerung, Gerichtsurteile, zunehmende Aufgabenbelastung durch Bundesmandate olme KostenentscNidigung (unfunded federal mandates) sowie durch W/ihleriniativen und Volksentscheide, die den fiskalischen Handlunsgspielraum der Bundesstaaten einschr/inkten (siehe 2.1). Die Fiskalprobleme waren zum Teil aber auch selbst erzeugt: exzessives Ausgabenverhalten in den 1980em in einigen Staaten, dysfunktionale Steuersysteme und auch h~irtere Strafgesetze, welche zu einem Ansteigen der Gefangenenzahl und der Kosten ftir das Gef'fingniswesen fiihrten (vgl. zum Gesagten Gold 1995b: 7-11). Die zweite H~ilfte der 1990er Jahre versprach kurzzeitige Besserung, und die Ausgaben ~ r Bildung durch die Bundesstaaten wuchsen zwischen 1996 und 2001 um 13 Prozent pro Jahr (Griffith 2002: 1). Die nach 2001 einsetzende Wirtschaftskrise hat jedoch die fiskalische Lage in vielen Haushalten wieder versch~ft und zu einer Zunahme der Finanzierungskonkurrenzen gefiihrt. Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschwert auch die spezifische Auspr~igung des Systems der 6ffentlichen Finanzen die ErschlieBung von zus~itzlichen Einnahmen durch die Gliedstaaten. Die Einkommenssteuer stellt den grSl3ten Teil der Einnahmen der Bundesebene, wghrend in den Steuerein-
214
Bildungsfinanzen in den USA." Hochschulbildungswesen
nahmen der Einzelstaaten und der Lokalit~iten die Umsatzsteuer (sales tax) 155 und die Grundsteuer die wichtigsten Einnahmequellen sind. Die Einnahmen aus Umsatz- und Grundsteuer haben jedoch eine geringere Elastizit/it als die Einkommensteuer, d.h. sie reagieren weniger schnell und erst mit zeitlicher Verschiebung auf Wirtschaftswachstum und den damit verbundenen Anstieg des pers6nlich verffigbaren Einkommens (Hovey 1999: 6; Callan 2002: 2-3). Hovey (1999: 5-6) sch~itzt, dass durch diese strukturelle Eigenschaft des Steuersystems den Gliedstaaten im Durchschnitt ein j~ihrliches strukturelles Defizit von 0,5 Prozent des Gesamthaushaltes entsteht, oder in anderen Worten: dass die Bundesstaaten zur Erhaltung eines konstanten Ausgabenniveaus die Einnahmen j~ihrlich um durchschnittlich 0,5 Prozent steigern mfissten. Dieses Grundproblem, das durch die gfinstige wirtschaftliche Entwicklung der 1980er Jahre lange Zeit verdeckt wurde, hat die finanzielle Lage der gliedstaatlichen Haushalte in den 1990er Jahren versch~irft. In einer Untersuchung der Periode der frfihen 1990er Jahre hat Gold bereits entdeckt, dass die Finanzierungskonkurrenz zwischen Ausgabenbereichen auf der Ebene der Bundesstaaten vor allem den Hochschulbereich trifft (Gold 1995b: 25-26). Neben dem bereits in Kapitel 2.2 identifizierten Ausgabenbereich ,Sozialhilfe' haben vor allem die Ausgabenbereiche ,Medicaid' und ,Gefiingniswesen' Anfang der 1990er Jahre auf Kosten der B ildungsausgaben stark an Bedeutung gewonnen (ebd.: 25-26). 156 Die Ausgaben ffir Soziahilfe und ,Medicaid' beruhen auf sozialrechtlichen Anspriichen und verursachen daher bei einem Ansteigen der Gr6Be der Nachfragebev61kerung einen unmittelbaren und direkten Kostendruck, der nur langfristig durch meist aufw~indige Gesetzes~inderungen gelindert werden kann. Ahnliches hatten wir bereits fiir den Fall der Rentenausgaben im intemationalen Vergleich herausgefunden. Eine neuere Analyse von Hovey (Hovey 1999) weist allerdings darauf hin, dass auch innerhalb der Bildungspolitik zwischen den einzelnen Sektoren eine Finanzierungskonkurrenz entstehen karm. Gegen die "combined forces of teachers, parents organized through parent-teacher associations, school administrators, school board members (often major political movers and shakers in their 155 Im Unterschied zur deutschen Mehrwertsteuer, die an jeder Stufe des 6konomischen Verwertungsprozesses fiir den in dieser Stufe geschaffenen ,Mehrwert' erhoben wird, wird die amerikanische Umsatzsteuer nur einmal am Ende beim Verkauf des jeweiligen Produktes erhoben (daher sales tax). 156 Die Ausgaben fiir das Primar- und Sekundarschulwesen wuchsen Anfang der 1990er zwischen 3 und 7 Prozent pro Jahr, die Ausgaben fiir das Gef'~ingniswesen wuchsen zwar nicht mehr so schnell wie in den 1980er Jahren, aber immer noch in stfirkerem MaBe als die Ausgaben fiir Primfir- und Sekdunfirbildung, ebenso wie die Ausgaben fiir Sozialhilfe. Medicaid legte die st~irksten Wachstumsraten an den Tag (16, 9 % 1991, 19,6 % 1992) (Gold 1995b: 25-26).
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
215
local area), and large numbers of well organized school employees such as janitors, bus drivers, and food service employees" (Hovey 1999: 42), die durch lokale Kampagnen und Wahlkampfunterstiitzungsleistungen die Interessen bezogen auf das Primar- und Sekundarschulwesen mobilisieren k/Snnen, erscheint die Lobby der 6ffentlichen Hochschulen als relativ machtlos. Ein Ausweg aus der fiskalischen Misere war, wie wir bereits gesehen haben, die Anhebung der Studiengebiihren. Doch inzwischen sind die Sorgen der Mittelklasse-W/ihler fiber ansteigende B ildungskosten auch bis zu den relevanten politischen Akteuren durchgedrungen, und den tiffentlichen Hochschulen wird durch legislatives Handeln der R/ickgriff auf diesen Ausweg aus der Krise zunehmend verwehrt. Auch eine Anhebung der Steuem zur Erzielung von mehr Einnahmen ist aufgrund der bereits erw/ihnten direktdemokratisch auferlegten Beschr/inkung der fiskalischen Autonomie und der Unbeliebtheit des Themas bei den W~hlem keine gangbare Alternative. Die Folge dieser Politik ist eine schleichende Unterfinanzierung der/Sffentlichen Dienstleistungen, besonders im Bildungssektor (Hovey 1999; Callan 2002; Jones 2003). Hovey (1999: 15) liefert Projektionen des gesch/itzten AusmaBes dieser Unterfinanzierung, die wiedergeben, um wieviel Prozent der gliedstaatlichen Haushalte die Einnahmen angehoben werden miissten, um das Niveau der 1998 bereitgestellten Dienstleistungen zu erhalten. Der Konjunktur-Effekt ist hierbei bereits herausgerechnet, d.h. die Projektionen gelten auch nur unter der Bedingung, dass die wirtschaftlichen Gegebenheiten wieder zur Normalit/it zuriickkehren. Einige Staaten wie Vermont, Nevada, Hawaii, New Mexico, Arizona, South Dakota und Wisconsin miissten ihre Ausgaben fiir Hochschulen um j/ihrlich mehr als 3 Prozent anheben, um das Niveau von 1998 aufrecht zu erhalten. Fiir die meisten Staaten geniigt eine j/ihrliche Steigerung von weniger als 3 Prozent. Aber nur 10 der 50 Staaten k6nnten dem Hochschulbereich relativ gesehen weniger Ausgaben zukommen lassen und dabei dennoch das Niveau von 1998 aufrecht erhalten, darunter Maine, Ohio, Indiana, New Jersey, Arkansas, South Carolina, Alabama, Kentucky, Mississippi, West Virginia und North Carolina. Abschliel3end sollen die Hauptbefunde des Kapitels 3.2 thesenartig zusammengefasst werden: 1. Auch im Terti~bereich ist fiir die zweite H~ilfte der 20. Jahrhunderts ein starker Anstieg der Bildungsausgaben zu beobachten, der auch nach 1980 ungebrochen weiter verlief, t3ffentliche Hochschulen und die durch die Regierungen der Bundesstaaten gegriindeten und institutionalisierten komplexen 6ffentlichen Hochschulsysteme haben zu einer gewissen Verdr~ingung privater Institutionen beigetragen. Im Vergleich zum Sekund/irsektor spielen
216
Bildungsfinanzen in den USA."Hochschulbildungswesen
private Institutionen im terti~iren Bildungswesen jedoch eine weit gr613ere Rolle. 2. Hinsichtlich der Finanzierungsstruktur zeigen sich zwischen privaten und 6ffentlichen Institutionen Unterschiede, aber auch unerwartete Gemeinsamkeiten. Die pro Student zur Verfiigung stehenden Einnahmen sind ebenso wie die Studiengebfihren an privaten Institutionen wesentlich h6her, dafiir ist der Finanzierungsansteil der gliedstaatlichen Regierungen bei den 6ffentlichen Institutionen starker ausgepfiigt. Private Institutionen sind aul3erdem zu einem gr613eren Mal3e auf Spendengelder und Eink/infle aus Investitionen und Kapital angewiesen. Gemeinsam ist beiden Institutionenformen die Abh~ingigkeit von Forschungsgeldern aus den Kassen der Bundesebene. Auch in der Verwaltungsstruktur und dem Marktverhalten im Bildungswettbewerb n~ihern sich private und 6ffentliche Hochschulen aneinander an. 3. Der intranationale Vergleich zeigt, dass es in den Bundesstaaten unterschiedliche Schwerpunktsetzungen gibt: In einigen Staaten dominieren private, in anderen 6ffentliche Institutionen. Bei der Betrachtung der relativen Bedeutung der Einnahmequellen in den Bundesstaaten zeigen sich regionenspezifische Unterschiede: In den eher individualistisch gepr~igten Staaten des Nordostens und des Nordens wird zur Finanzierung der Hochschulbildung ein relativ grol3er Anteil der privaten Hand erwartet. In den Staaten des Mittleren Westens und der Rocky-Mountains-Region zeigt sich ein st~irkeres Engagement der Gliedstaaten-Ebene bei weiterhin hoher Eigenbeteiligung, w~ihrend in den Sfidstaaten ein insgesamt eher zurfickhaltendes finanzielles Engagement fiir die Hochschulbildung zu beobachten ist. In einer vierten L~indergmppe, den durch die moralistische Kultur gepr~igten Staaten des Fernen Westens, fibernimmt die 6ffentliche Hand einen gr613eren Teil der B ildungsfinanzeirung als in den anderen L~indergruppen, die Eigenbeteiligung ist relativ gering ausgepr~igt. 4. Auch fiir den Bereich der Hochschulfinanzierung l~isst sich die Existenz von Finanziemngskonkurrenzen in den Haushalten der Gliedstaaten nachweisen. Die 6ffentlichen Ausgaben fiir das Hochschulwesen stiegen seit Anfang der 1990er Jahre relativ gesehen weniger stark an als die Ausgaben fiir Gesundheitsvorsorge, Sozialhilfe und Gef'~ingniswesen. Aul3erdem aufgefallen ist, dass im Vergleich zu den Ausgaben fiir das Primar- und Sekundarschulwesen die Ausgaben fiir den Hochschulbereich den Kfirzeren ziehen, was langfristig zu einer Unterfinanzierung dieses Bereiches geffihrt hat.
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
3.3
217
Synthese: Zur Erklfirung der hohen Privatausgaben im Tertifirsektor
Wie in der Einleitung kurz dargelegt wurde und wie im folgenden Kapitel 4 noch deutlicher werden wird, stechen die USA im internationalen Vergleich vor allem durch eine stark iiberdurchschnittliche private Bildungsausgabenquote im Hochschulsektor heraus. Dieses Unterkapitel mfchte die zentralen Befunde des historischen Abrisses und der Diskussion des Zustandes der amerikanischen Hochschullandschaft in der heutigen Periode zusammentragen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Auf der Ebene der ,,sources" (also der oberfl~ichlichen Bestimmungsfaktoren der Bildungsausgaben) fehlt die Erkl~irung des US-amerikanischen ,,Sonderfalls" relativ leicht: Hohe Studiengebiihren an 6ffentlichen und privaten Universit~iten und eine iiberdurchschnittliche Bildungspartizipation im terti~iren Sektor- diese Faktore pr~igen die Hfhe der privaten Bildungsausgaben unmittelbar. Hinzu kommt eine ausgepr/igte Spendenbereitschaft der Alumni amerikanischer Hochschulen sowie ein ausgepr/igtes finanzielles Engagement von Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen. Diese privaten Zuwendungen an Universit~iten sind unterstiitzt durch ein grofSziigiges Steuerrecht, welches Spenden an Hochschulen vollst~indig steuerabzugsf'~ihig stellt, sowie ein Stiftungs- und Erbschaftsrecht, welches Erbschaften an Nachkommen stark besteuert und das Vererben an gemeinniitzige Stiftungen steuerlich begiinstigt (vgl. Beckert 2004). Diese Faktoren k6nnen die hohen Privatausgaben im Hochschulbereich auf einer oberfl~ichlichen Ebene sehr plausibel erkl~en. Fiir den historisch und sozialwissenschaftlich geschulten Betrachter zielen die interessanteren Fragen aber auf die tiefer liegenden ,,causes" dieser heute zu beobachtenden Ph~inomene. Warum sind die StudiengebiJhren an amerikanischen Universit~iten hfher als in anderen L~.ndem? Warum sind Studenten und Eltem bereit, diese zu zahlen, wenn sie als W~ihler fiir eine st/irkere 6ffentliche Subventionierung von Bildung eintreten k6nnten? Warum begiinstigt das amerikanische Steuerrecht Spenden und gemeinniitzige Stiftungen? Zur Beantwortung dieser Fragen soil auf das eingangs erw~ihnte deskriptive Modell zuriickgegriffen werden, welches den Fokus der Analyse auf das Wechselspiel zwischen Akteurshandeln, dem stark durch Wettbewerb gepr~igten institutionellen Kontext und historischen Pfadabh~ingigkeiten lenkt. Zun~ichst ist auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass eine Vielzahl von amerikanischen Hochschulinstitutionen bereits im 18. und 19. Jahrhundert errichtet wurden, in einer Zeit also, bevor auf gliedstaatlicher oder Bundesebene effektive staatliche Mechanismen zur Bereitstellung 6ffentlicher Giiter etabliert waren. Von daher war der private Anteil an der Finanzierung von Bildung von Anfang an ein grfBerer als in europ/iischen Staaten und daher auch eher akzep-
218
Bildungsfinanzen in den USA: Hochschulbildungswesen
tiert. Eine Dominanz des Staates fiber das Bildungswesen, wie sie von zeitgen6ssischen amerikanischen Beobachtem in PreuBen ausgemacht wurde, wurde fftir die USA zu Gunsten einer h6heren Autonomie der Universit/iten abgelehnt, auch wenn der Preis ein h6herer Privatanteil an der Bildungsfinanzierung war. Der hohe Grad an Autonomie und der starke Wettbewerb entlang religi6ser, ethnischer und geografischen Konfliktlinien hat jedoch zu einem l]-berangebot an Bildungseinrichtungen gefiihrt und die prek/ire finanzielle Lage an vielen Institutionen versch/irft. Der Wettbewerb zwischen Bildungsinstitutionen um Studenten und finanzielle Ressourcen beinhaltete die reale Option des Scheitems wie die groBe Zahl an College-Schliel3ungen vor dem amerikanischen Bfirgerkrieg, aber auch in der Konsolidierungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg belegt. Die Hochschulen befanden sich somit unter einem starken Druck, neue Einnahmequellen zu erschliegen und Studenten anzuziehen. Die hohe Spendenbereitschaft der Alumni, die wir heute beobachten, ist insofern auch Ergebnis einer Jahrzehnte w/ihrenden Politik der Hochschulen zur Akquirierung von Geldern. Die privaten Institutionen, allen voran Yale, haben damit friiher angefangen als die 6ffentlichen, die erst in der zweiten H/ilfte des 20. Jahrhunderts systematisch diese Einnahmequelle erschlossen. In der historischen Abhandlung ist auch auf die Bedeutung der GroBkapitalisten (Carnegie, Rockefeller, Vanderbilt und andere) bei der Transformation der amerikanischen Hochschullandschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts hingewiesen worden. Sicherlich mag die Spendenbereitschaft der Industriekapit/ine zum Teil durch eine protestantische Geisteshaltung motiviert gewesen sein, die, frei nach Max Weber, eine Akkumulierung von Reichtum nicht als Selbstzweck, sondem vor allem zum Wohle anderer gutheil3t. Man darf aber nicht vergessen, dass die Industriekapit/ine mit der F6rderung der Universit/iten auch massive Eigeninteressen im Blick hatten, was auch daran deutlich wird, dass viele der geleisteten Spenden mit erheblichen Auflagen an die Universit/iten einhergingen. Insofem hatten die Spenden nicht nur philanthropischen, sondem auch einen stark investiven Charakter. Zum Einen ist die hohe Spendenbereitschaft der Industriemagnaten auf pers6nliche Eigeninteressen wie Eitelkeit und Geltungsanspruch zurtickzufiihren. Zum Anderen hatte die F6rderung der Universit/iten und die damit verbundene Transformation der Hochschullandschaft auch das Ziel, das US-amerikanische Bildungssytem auf die Anforderungen einer sich industrialisierenden Gesellschaft und Wirtschaft einzustellen. Die beschaulichen Colleges aus der Periode vor dem Biirgerkrieg, die sich weniger der akademischen, sondern st/irker der moralischen Erziehung gewidmet hatten, waren nicht in der Lage, die heranwachsenden Arbeitskr/ifte mit den notwendigen Fertigkeiten auszustatten. Das starke Interesse der Unternehmerschaft an einer Transformation des Hochschulwesens und damit auch die Bedeutung der Eigeninteressen der
Bildungsfinanzen in den USA."Hochschulbildungswesen
219
GroBkapitalisten im Hinblick auf ihre vermeintliche Spendenbereitschaft zeigt sich auch daran, dass Untemehmer nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch als Mitglieder der universit/iren Aufsichtsgremien in direkter Weise in die Verwaltung der Hochschulen eingriffen. Vor dem Hintergrund, dass Spenden und Stiftungen sowohl fiir die Hochschulinstitutionen selbst als auch fiir die gr6Bten Spendengeber (Untemehmer) nicht nur einen philanthropischen, sondern auch einen investiven Charakter hatten, wird verst/indlich, warum die Freistellung von Spenden vonder Steuer, die bereits im 18. Jahrhundert erfolgte, fiber die Zeit hinweg eine hohe PfadabhLrigigkeit aufwies. Abgesehen davon, dass Steuererh6hungen politisch schwer durch~setzen sind, hat die Kombination der Angewiesenheit der Hochschulen auf private Zuwendungen und der Bereitschaft der Unternehmer, zu spenden und dadurch Einfluss zu gewinnen, zu einer Kongruenz von Interessenlagen gefiihrt, die den eingeschlagenen Pfad stabilisierte. Zu diesen Uberlegungen sind zwei weitere Elemente hinzuzufiigen, die sich st/irker auf die Spenden- und Zahlungsbereitschaft von Privaten, die nicht Unternehmer sind, beziehen. Erstens ist hier die Rolle des Sozialstaates zu diskutieren. Das Mal] an sozialem Schutz vor Lebensrisiken durch 6ffentliche Sozialpolitik ist bekanntlich in den USA geringer als in anderen Wohlfahrtsstaaten. Dadurch kommt der Bildungspolitik eine wichtigere Rolle zu. Zum Einen hat die Investition in Humankapital (in die eigene Bildung und Ausbildung) ftir den Einzelnen den Charakter einer Versicherung gegen Lebensrisiken, die die Sozialpolitik nicht leisten kann. Zum Zweiten verschafft die generell niedrige Sozialabgabenquote Spielr/iume ftir private Ausgaben und Initiativen, die in Staaten, die in Sozial- und Bildungspolitik vomehmlich auf staatliche L6sungen setzen (wie in Skandinavien), nicht bestehen. Zweitens ist die Bedeuttmg eines sehr flexiblen Arbeitsmarktes zu nennen. Auch unter Berficksichtigung des Versicherungsaspektes macht es fiir den Einzelnen nur Sinn, hohe Studiengebfihren zu tolerieren und zu zahlen, wenn der entsprechende Pay-Off in Form von h6heren erzielbaren L6hnen grol] genug ist. Der flexible Arbeitsmark in den USA hat zur Entstehung einer starken Lohnungleichheit beigetragen, bzw. in anderen Worten zu einer weitgehend direkten Beziehung zwischen dem auf dem Arbeitmarkt erzielbaren Lohn und dem tats/ichlichen gesellschaftlich-6konomischen Wert der Arbeit. In anderen Produktionsregimen (z.B. in Europa) ist die Lohnungleichheit geringer, damit aber auch der Lohnzuwachs, der durch eine weitere Investition in Bildung erzielt werden kann. Die hohe Lohnungleichheit in den USA begfinstigt vor allem die gut ausgebildeten Fachkr/ifte. Ffir einen angehenden Arzt oder Manager lohnt sich daher die Investition der aus europ/iischer Perspektive sehr kostspieligen Ausbildung, da die zu erzielenden Lohnzuw/ichse diese Investition rechtfertigen.
D
Quantitativer Vergleich der Bildungsausgaben in OECD-L~indern: Statistische Analyse und Ergebnisse
Im Kapitel 4 werden im Rahmen einer statistisch-quantitativen Analyse die Variation und die Bestimmungsfaktoren der 6ffentlichen und privaten Bildungsausgaben im internationalen Vergleich untersucht. Bei den untersuchten Fallen handelt es sich um folgende 21 OECD-Mitgliedstaaten: Australien, Belgien, Kanada, D/inemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Irland, Japan, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Osterreich, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, GroBbritannien und die USA. F/Jr die Auswahl dieser L/indergruppen sprechen folgende Griinde: Bei diesen Staaten handelt es sich um etablierte und wirtschaftlich entwickelte Demokratien, die zudem in der Gestaltung ihres Wirtschaftssystems (Marktwirtschaft) und des politischen Systems (Parteienpluralismus, Gewaltenteilung, Recht auf freie Meinungs/iuBerung,...) fiber eine Vielzahl von Gemeinsarnkeiten verfiigen. Natiirlich lassen sich bei der Auspr/igung der politischen und wirtschaftlichen Institutionen auch bedeutende Unterschiede feststellen, die L/indergruppe der so genannten ,,westlichen Industriestaaten" verfiigt jedoch im Vergleich zu den anderen Staaten der Welt fiber eine gewisse innere Homogenit~it. Ein zweiter, forschungspragmatischer Grund spricht ftir die Auswahl dieser Lander. Im Unterschied zu den neuen OECD-Mitgliedstaaten (Mexiko, Tiirkei, einige osteurop~iische Staaten und Korea) ist die Verftigbarkeit von Daten fiber die ,,etablierten" Mitglieder in den OECD-Statistiken wesentlich h6her. Eine Untersuchung, die sowohl neue als auch alte OECD-Mitglieder umfasst, ist daher oft auf die Betrachtung der jiingsten Zeitperiode oder die Anwendung einfacher Querschnittsanalysen angewiesen. 157 Die Konzentration auf die Untersuchung der etablierten OECD-Staaten erlaubt daher zum Einen, eine 1/ingere Zeitperiode bei der Untersuchung zu beriicksichtigen, weil zu den einzelnen Variablen auch besserer Zeitseriendaten vorhanden sind. Zum Anderen erlaubt sie aber auch die Inklusion einer Vielzahl von unabh/ingigen Variablen und das Testen 157 In dem von Rita Nikolai bearbeiteten Teilprojekt des DFG-Projekts ,,Bildungsfinanzen" unter Leitung von Prof. Manfred G. Schmidt werden die Variation und die Bestimmungsfaktoren der Bildungsfaktoren in einem Sample untersucht, das neben den alten auch die neuen OECD-Mitgliedstaaten umfasst.
222
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
mehrerer Hypothesen zu den Determinanten der Bildungsausgaben im Rahmen einer kombinierten L/ings- und Querschnittsanalyse. Die betrachtete Zeitperiode erstreckt sich von 1960 bis 2002. Dies betrifft vor allem die deskriptive Betrachtung und die Querschnittsanalyse der B ildungsausgaben. Im Rahmen von komplexeren Analysen (gepoolte Zeitserienanalyse) wurde meistens die Periode von 1980 bis 2002 berficksichtigt. Dies liegt daran, dass auch (und vielleicht vor allem) in den internationalen OECD-Statistiken und dem statistischen Datenmaterial, das von anderen internationalen Organisationen und 6ffentlichen Beh6rden zur Verfiigung gestellt wird, Neuzuschneidungen um Re-Definitionen der betreffenden Variablen vorgenommen werden. Wenn die betrachtete Zeitperiode zu sehr ausgeweitet wird, steigt die Gefahr, dass bei einer oder mehren Variablen zu viele unterschiedliche Definitionen zu Grunde gelegt werden und die Anzahl der Br/iche in den Zeitserien steigt. Dies w/irde die Reliabilit~it der ermittelten Befunde stark beeintr/ichtigen. Von daher beschr/inke ich mich bei den Untersuchungen, in denen das komplexe Verfahren der gepoolten Zeitserienanalyse zur Anwendung kommt, auf die Periode von 1980 bis 2002. Details zu den verwendeten statistischen Methoden (insbesondere die ,,gepoolte Zeitserienanalyse") finden sich in Anhang A. Das folgende Kapitel gliedert sich auf diese Weise: Zun~ichst wird in einem deskriptiven Teil die Variation der B ildungsausgaben im intemationalen Vergleich unter besonderer Ber/icksichtigung der Position der USA ausfiihrlicher dargestellt. Das zweite Unterkapitel (4.2) befasst sich mit der Bestimmung der Determinanten der Variation der 6ffentlichen Bildungsausgaben. Daher werden das Niveau und die Ver~inderungsrate der 6ffentlichen Ausgabenquoten, das Niveau der Pro-Kopf- (bzw. Pro-Sch/iler-) Bildungsausgaben sowie die 6ffentlichen Ausgaben fiir die einzelnen Bildungssektoren (sektorale Ausgaben) als abh~ingige Variablen untersucht. Das dritte Unterkapitel (4.3) befasst sich mit der Bestimmung der Determinanten der privaten Bildungsausgaben. Kapitel 4.4 liefert eine nicht-technische Zusammenfassung der Befunde des quantitativen internationalen Vergleichs.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
4.1
223
Die Bildungsausgaben der OECD-L~inder im internationalen Vergleich unter besonderer Beriicksichtigung der Position der USA
1 Private Bildungsausgaben in % des BIP 10ffentliche Bildungsausgaben in % des BIP
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Grafik 4.1" Offentliche und private Bildungsausgaben in % des BIP, 2002. Anmerkung: Ohne Luxemburg und Island. Daten fiir Kanda aus dem Jahre 2001. Der Indikator umfasst 5ffentliche Subventionen fiir Bildung, wenn die entsprechenden Dienste von Bildungsinstitutionen erbracht werden (z.B. Nachhilfeunterricht). Offentliche Subventionen fiir private bildungsbezogene Ausgaben, die auf~erhalb von Bildungsinstitutionen erbracht werden, sind nicht inbegriffen (z.B. 6ffentliche Unterstiitzung fiir Lebenshaltungskosten fiir Studenten). Quelle: OECD Education at a Glance, 2005, Tabelle B2.1a, S. 178. In Grafik 4.1 sind die 6ffentlichen und privaten Bildungsausgaben in 21 OECD-Staaten abgebildet. Auf den ersten Blick wird ersichtlich, dass die USA klar heraus stechen. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt und bei Beriicksichtigung sowohl der 6ffentlichen als auch der privaten Ausgaben liegen die USA an der Spitze der betrachteten OECD-Staaten. Besonders auffiillig hieran ist, dass die USA bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben lediglich eine Mittelfeldposition einnehmen. Die privaten Ausgaben fallen aber so hoch aus, dass die USA auch Ausgabenspitzenreiter wie D~inemark, Schweden und Norwegen iiberholen
224
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
k6nnen, die bei den 6ffentlichen Ausgaben im internationalen Vergleich die Spitzenposition halten. Auch andere Lander der angels~ichsischen L~inderfamilie wie Australien, Kanada und Grol3britannien fallen durch vergleichsweise hohe private Ausgaben auf. Die kontinentaleurop~iischen Wohlfahrtsstaaten, ebenso wie die skandinavischen, sozialdemokratischen Lander, zeichnen sich im Gegensatz dazu durch einen relativ geringen privaten Anteil aus. Im Unterschied zu diesen, die bei den 6ffentlichen Ausgaben alle Spitzenpositionen einnehmen (siehe D~inemark, Schweden, Norwegen, Island, Finnland), findet sich bei den kontinentaleurop~iischen Staaten allerdings eine gr613ere Variationsbreite. Deutschland bildet in der L~indergruppe der kontinentaleurop~iischen Staaten das Schlusslicht, w/ihrend Frankreich, Osterreich und Belgien fast an das Niveau der skandinavischen Staaten herankommen. Die niedrigen 6ffentlichen Ausgaben werden in Deutschland zum Teil kompensiert durch relativ hohe private Ausgaben, die vor allem darauf zurtickzufiihren sind, dass die Ausgaben ffir das System der dualen Berufsausbildung in diese Kategorie fallen (Schmidt 2004, siehe auch die folgende Grafik 4.2). Japan ist im intemationalen Vergleich aller OECD-L~inder das Schlusslicht, f~illt aber auch durch einen relativ hohen Anteil von Privatausgaben auf.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
225
[!10ffentliche Ausgaben in % des BIP II Private Ausgaben in % des BIP I 5,0
I
4,5 4,0 3,5
mm
3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0
Grafik 4.2:
r und private Ausgaben fiir Primfir-, Sekundfir- und nicht-tertifire, post-sekundfire Bildung, 2002.
Anmerkung: Private Ausgaben fiir Neuseeland fehlen. Inklusive 6ffentliche Subventionen fiir private Ausgaben, die zuriick an Bildungsinstitutionen flieBen. Quelle: OECD Education at a Glance 2005, Tabelle B2.1 a, S. 178. Grafik 4.2 stellt die 6ffentlichen und privaten Ausgaben (in Prozent des BIP) im Prim~ir-, Sekund~ir- und dem nicht-terti~iren, post-sekund~iren Bereich dar. Deutschland rutscht in dieser Betrachtung noch einige Pl~itze weiter nach unten und bildet mit Japan, Spanien und Griechenland das Schlusslicht im intemationalen Vergleich. Die skandinavischen Lander bilden weiterhin die Spitzengruppe, mit Ausnahme von Finnland, das ins Mittelfeld abrutscht. Belgien, Frankreich und die Schweiz sind diejenigen kontinentaleurop~iischen Staaten mit den h6chsten Ausgaben fiir die unteren Bildungsbereiche und folgen dabei dicht den skandinavischen Lfindem. Die Schweiz hebt sich von den anderen kontinentaleuropfiischen Staaten ab durch einen relativen hohen Anteil von Privatausgaben ab. Wie beim Fall Deutschland ist auch hier zu vermuten, dass das duale System der
226
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Berufsausbildung die Begriindung ist. Weiterhin auffiillig ist die gute Rangposition, die Portugal belegt. Im Vergleich der Bildungsausgabenquoten (also der Ausgaben in Prozent des BIP) kann Portugal sogar mit den skandinavischen LS.ndem mithalten. Die angelsS.chsische LS.nderfamilie (USA, Gro.gbritannien, Australien, Kanada, Irland) zeichnet sich durch eine relativ grol3e Streuweite der Rangpl/itze aus, die vom oberen bis ins untere Mittelfeld reichen. Auch bei der Betrachtung der Ausgaben ffir den Prim/ir- und Sekundarbereich belegen die USA eine ,,auff'~illig unauffiillige" Mittelfeldposition. Eine Betrachtung der Ausgaben ftir den Terti~irbereich kann hier Licht ins Dunkel bringen. [[] (3ffentliche Ausgaben in % des BIP m Private Ausgaben in % des BIP ]
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Grafik 4.3" Offentliche und private Ausgaben fiir Bildung im Tertiiirbereich in % des BIP, 2002. Anmerkung: Private Ausgaben fiir Schweiz und Neuseeland fehlen. Offentliche Subventionen fiir Bildung im Terti/irbereich sind dann inbegriffen, wenn sie Leistungen von Bildungsinstitutionen betreffen (z.B. Zuschtisse zu Studiengebtihren). Nicht eingeschlossen sind Subventionen bildungsbezogener Kosten, die aul~erhalb der Bildungsinstitutionen liegen (z.B. Unterstiitzung fiir Lebenshaltungskosten fiir Studenten, Sonderstellung der Studenten in Sozialversicherungen oder Ausgleich von Oppormnit~itskosten). Quelle: OECD Education at a Glance 2005, Tabelle B2.1 b.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
227
In Grafik 4.3 sind die 6ffentlichen und privaten Bildungsausgaben fiir den Terti~irbereich in Prozent des BIP dargestellt. Der ,,Rgtselfall USA" findet hier seine Erkl/imng: Die Spitzenposition, die die USA bei der Betrachtung der Gesamtbildungsausgaben einnimmt, erkl/irt sich nicht durch die 6ffentlichen Aus, gabenh6he, sondem vor allem durch die H6he der Privatausgaben im Terti~irbereich. Die 6ffentlichen Ausgaben im Prim/ir- und Sekund~irbereich liegen mit 3,8 Prozent leicht fiber dem OECD-Durchschnitt (3,7 Prozent), die private Ausgabenquote (0,3 Prozent) genau darauf. Im Terti~irbereich kommen mit 1,4 Prozent des BIP in den USA eine gr613ere Menge an Finanzmitteln aus privaten Quellen ~ als aus 6ffentlichen (1,2 Prozent, OECD-Durchschnitt: 1,1 Prozent). Ahnliches gilt fiir Kanada, Japan und Australien- alles Lander, in denen Studiengebiihren zur Finanzierung der Hochschulbildung eine wichtige Rolle spielen. Diese Feststellung klan jedoch nicht die Frage, warum in diesen L~indem, und hier insbesondere in den USA, starker auf die private Bildungsfinanzierung zurfickgegriffen wird als in anderen L~indem. Wie kommt es, dass private Personen (ob pers6nliche oder juristische) in st~irkerem Mal3e bereit sind, zur Finanzierung der B ildung beizutragen, obwohl sie ftir die Errichtung umfangreicher 6ffentlicher Hochschulsysteme durch ihre W~ihlerstimmen eintreten k6nnten? Hinzu kommt, dass die private Finanzierung in den USA nicht nur einen reinen Substitutionscharakter hat, d.h., es geht nicht nur darum, m6gliche Defizite in der 6ffentlichen Finanzierung auszugleichen, um so auf ein dem internationalen Durchschnitt vergleichbares Niveau zu kommen. Vielmehr gelingt es den USA, durch die erfolgreiche Mobilisiemng privater Ressourcen zu einer internationalen Spitzenstellung vorzustol3en, also gewissermal3en eine ,,Oberproduktion" an Bildung zu verursachen. Weil die Struktur und Dynamik des terti~iren Sektors zur Erkl/imng der Spitzenposition der USA so eine wichtige Rolle spielt, besch/ifligte sich das Kapitel 3 ausfiihrlich mit dieser Fragestellung. Weiterhin auffallend ist, dass neben Kanada und den USA auch die skandinavischen Staaten wieder zu den Ausgabenspitzenreitem geh6ren. Diese L~inderfamilie gibt also, sowohl, was die Ausgabenquoten fiir die niederen Bildungssektoren als auch den Terti/irbereich angeht, im internationalen Vergleich fiberdurchschnittlich viel fiir Bildung aus. Gleich_zeitig zeichnen sie sich durch einen durchweg niedrigeren Anteil der Privatausgaben aus. Die Finanzierung der Bildung wird hier offensichtlich als eine 6ffentliche Aufgabe betrachtet. Portugal und Frankreich sind zwei weitere interessante F/ille. Diese beiden Lander zeiclmeten sich bei der Betrachtung der 6ffentlichen Gesamtausgaben und der Ausgaben fiir die unteren Bildungssektoren durch eine Position in der Spitzengruppe bzw. im oberen Mittelfeld aus. Bei den Terti/irausgaben k6nnen sie jedoch nur untere Rangpl~itze belegen. Offensichtlich wird hier dem Primarund Sekundarschulwesen ein gr613eres Gewicht beigemessen als der Hochschul-
228
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
bildung. Auch Deutschland und Grol3britannien k6nnen im intemationalen Vergleich der Terti/irausgaben lediglich hintere P1/~tze besetzen. Japan stellt in der Betrachtung der Bildungsausgaben sicherlich einen Sonderfall dar. Es ist auffallend, dass Japan sowohl bei den 6ffentlichen Gesamtausgaben als auch bei den Ausgaben ffir einzelne Bildungssektoren durchg~ingig den letzten oder vorletzten Platz belegt. Weiterhin zeichnet sich Japan durch einen relativ groBen Anteil der Privatfinanzierung im Terti~irsektor aus, aber selbst, wenn man die Summe aus privaten und 6ffentlichen Ausgaben fiir Hochschulbildung berficksichtigt, kommt Japan damit nur auf einen Mittelfeldplatz. Das R~itsel um Japan wird durch einen Blick auf die Ergebnisse der v o n d e r OECD durchgefiihrten PISA-Studien zur Erfassung der Bildungsleistungen in einem Land vertieft. Bei den Bildungsleistungen geh6rt Japan n~imlich durchweg zur Spitzengruppe (vgl. OECD 2005). Man kann spekulieren, dass der hohe Stellenwert der Bildung, der in den ostasiatischen Staaten vor allem kulturell vermittelt wird, die Auspr~igung eines besonders effektiven B ildungsstaates begfinstigt hat. Diesem Bildungsstaat geling es, unter begrenztem Einsatz von Mitteln ein im intemationalen Vergleich fiberdurchschnittliches Bildungsniveau hervorzubringen. [[Ausgaben
pro S t u d e n t in T e r t i ~ r b i l d u n g
l l A u s g a b e n pro S t u d e n t fL~r alle B i l d u n g s b e r e i c h e 25000 2 0 0 0 0 -,, 15000 1 0 0 0 0 -.
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Grafik 4.4: Ausgaben pro Schiiler / Student (in Vollzeit/iquivalenten), 2002. Anmerkung: Keine Daten fiir Kanada und Neuseeland. Quelle: OECD Education at a Glance 2005, Tabelle B 1.1, S. 172.
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
229
Grafik 4.4 pr/isentiert Daten tiber die Verteilung der Ausgaben pro Schiller bzw. pro Studenten in den betrachteten OECD-Staaten. Hierbei handelt es sich um absolute Ausgabenhfhen (in preis- und kaufkraftbereinigten US-Dollars), w/ihrend die Ausgabenquoten immer nur Angaben fiber den relativen Anteil der Bildungsausgaben an der Wirtschaftsleistung eines Landes sind. Die Unterschiede in der Wirtschaftskraft der Lander schlagen sich also hier in der unterschiedlichen Hfhe der absoluten Ausgaben nieder. In der Grafik sind sowohl die Ausgabenhfhen fiir alle Bildungsbereiche (schwarze Balken) als auch ftir den Terti/irbereich allein (graue Balken) dargestellt. Die Ausgaben pro Student im Terti/irbereich sind immer h6her als die Ausgaben flit" alle Bildungsbereiche. Hochschulbildung ist kostenintensiver als Bildung in den unteren Sektoren. Die USA und die Schweiz liegen bei der Betrachtung der Pro-StudentAusgaben vome. Die hat mehrere Gr/inde: Erstens verfiigen diese Lander fiber eine im internationalen Vergleich starke Wirtschaftskraft (ilberdurchschnittliches BIP pro Kopf). Zweitens kommt ftir den Schweizer Fall hinzu, dass die Bildungspartizipation im terti/iren Bereich dort unterdurchschnittlich ist. Drittens, und das ist vielleicht das Entscheidende, ist zumindest im Fall der USA die Bildungsausgabenquote im Terti/irbereich ilberdurchschnittlich hoch. Es ist weiterhin auffiillig, dass der Abstand zwischen den USA und der Schweiz einerseits sowie den anderen Staaten andererseits sehr deutlich ist (fast 4.000 Dollar zum Drittplatzierten). Die skandinavische L/inderfamilie befindet sich auch bei dieser Variablen im oberen Mittelfeld (auBer Finnland, das wieder etwas abgeschlagen ist, und Island). Die sildeurop/iischen Lander (Portugal, ~Spanien, Griechenland, Italien) bilden die Schlussgruppe. Am Beispiel Portugal kann man deutlich sehen, dass eine ilberdurchsclmittliche Bildungsanstrengung (ilberdurchschnittliche Bildungsausgabenquoten) nicht unbedingt zu einer ilberdurchschnittlichen Bildungsleistung (hier: die absolute H6he der Pro-Schiller-Ausgaben) fiihrt. Japan rilckt bei der Betrachtung der Pro-Schiller-Ausgaben aufgrund seiner Wirtschaftskraft in das Mittelfeld auf. Die OECD liefert in ihren neuen Bildungsstatistiken eine statistische Messgr613e, die die Verwirrungen um die tats/ichliche Bereitschaft eines Landes zur F6rdemng der Bildungsfinanzierung aufld~iren hilft: Hierbei handelt es sich um die Ausgaben fiir Bildung pro Schiller relativ zum BIP pro Kopf (siehe Grafik 4.5). Diese Gr6Be bereinigt um die Nachfrage nach Bildungsleistungen einerseits sowie die Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes andererseits. Es ist dann auch nicht weiter verwunderlich, dass Portugal bei der Betrachtung dieser Gr6Be wieder in die Spitzengruppe vorst613t. Relativ zu seiner Wirtschaftskraft und der Gr6Be der Nachfragebevflkerung gibt dieses Land viel fiir die Bildung aus. Auch die USA und die Schweiz belegen wieder vorderste P1/itze. Das heiBt,
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
230
selbst wenn man die hohe Wirtschaflskrafi dieser L~inder und die relativ geringe Gr6ge der Nachfragebev61kerung berficksichtigt, geben diese L~inder dennoch viel fiir Bildung aus. Auch Schweden und D~inemark befinden sich in der Spitzengruppe. Finnland und Norwegen finden sich allerdings abgeschlagen im unteren Mittelfeld. Die Position Norwegens ist sicherlich auch zum Teil erklfirbar durch die fiberdurchschnittliche H6he des BIP pro Kopf, was auch mit dem Zuwachs des wirtschafllichen Wohlstandes aufgrund der Einnahmen aus Nordsee61verk~iufen zusammenh~ingen dfirfle. In der Gruppe der kontinentaleurop~iischen Staaten kann Belgien seine Vorreiterrolle verteidigen, die Niederlande fallen zurfick. Italien fiberrascht durch einen oberen Mittelfeldplatz, was sicherlich auch mit der deutlich unterdurchschnittlichen Gr6I]e der Nachfragegruppe zusammenh/ingen dfirfle. Deutschland, aber auch Frankreich, belegen weiterhin einen unauff'~illigen Mittelplatz- ein weiterer Beleg dafiir, dass die F6rdemng der Bildungsfinanzierung in diesen beiden L~indem anscheinend nicht zu den politischen Priorit~iten z~ihlt.
llAusgaben for Bildung pro Student relativ zum BIP pro Kopf ]
35 30 25 20 15 10 5 t
Grafik 4.5:
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Ausgaben fiir Bildung pro Schiller / Student relativ zum BIP pro Kopf, 2002. Anmerkung: Keine Daten fiir Kanada und Neuseeland. Quelle: OECD Education at a Glance 2005, Tabelle B 1.2, S. 173.
Bildungsausgaben im internationalen l/ergleich
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H6he der Geh~ilter im oberen Sekundarbereich nach 15 Jahren Erfahrung relativ z u m BIP pro Kopf, 2003.
Anmerkungen: Ohne Kanada. Quelle: Education at a Glance 2005, Tabelle D3.1, S. 369. Die deskriptive Analyse der Position der USA im intemationalen Vergleich der Bildungsausgaben abschliel3end, ist in Grafik 4.6 die relative H6he der Lehrergeh~ilter fiir Lehrer im oberen Sekundarbereich nach 15 Jahren Erfahrung im Verh~iltnis zum BIP pro Kopf dargestellt. Die Erkenntnisse, die aus dieser Grafik gezogen werden k6nnen, stellen die vormals ermittelten Befunde teilweise in ein anderes Licht. Zum Beispiel zeigt sich, dass die Spitzenposition der Schweiz bei den Ausgaben, die ja auch in einer anderen Perspektive auch als Bildungskosten (siehe Landon 1999) wahrgenommen werden k6nnen, zum Teil auf die relative H6he der Lehrergeh~ilter zuriickzufiihren ist. Weil der B ildungssektor im Vergleich zu den meisten Sozialpolitikfeldem sehr personalintensiv ist, ist davon auszugehen, dass die relative H6he der Lehrergeh~ilter einen gewissen Einfluss auf die H6he der Ausgaben hat. ]58 Auch Deutschland f'~illt durch relativ hohe Lehrergeh~ilter auf (siehe auch Schmidt 2002). Dies ist insofem auffiillig, well 158 Dazu werden in Kapitel 4.2.2.4 Ergebnisse von multivariaten Regressionsanalysen pr~isentiert.
232
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
die Gesamtausgabenh6he Deutschlands nicht tiberdurchschnittlich hoch ist. Die skandinavischen Staaten Norwegen und Schweden befinden sich am unteren Ende der Skala, d.h. die hohen Ausgabenquoten dieser Lander sind nicht unbedingt durch hohe Lehrergeh/ilter verursacht. Anders der Fall Portugal: Hier liegt die Vermutung nahe, dass die hohe Ausgabenbereitschaft dieses Landes zum Teil auch auf die hohen Lehrergeh/ilter zuriickzufiihren ist. tkhnliches gilt fiir Spanien, aber nicht ffir Griechenland und Italien, die sich durch eher durchschnittlich hohe Lehrergeh/ilter auszeichnen. Die Lehrergeh/ilter in den USA sind im intemationalen Vergleich unterdurchschnittlich (vgl. auch Nelson 1992, 1996), w/ihrend die durchschnittliche Lehrbelastung der Lehrer eher fiberdurchschnittlich ist (OECD 2005: 362). Angesichts der eher durchschnittlichen 6ffevtlichen Ausgaben in den unteren Bildungsbereichen in den USA ist dieser Befund auch nicht weiter verwunderlich. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise darauf, dass die H6he der Geh/ilter von Lehrpersonal im terti/iren Bereich (Hochschulprofessoren) im internationalen Vergleich deutlich fiberdurchschnittlich ist. 159 Diese Tatsache kann sicherlich teilweise die iiberdurchschnittliche H6he der Terti/irausgaben in den USA erkl/iren.
159Nach Angaben der American Association of University Professors betragen die durchschnittlichen Jahresgehtilter von Professoren an forschungsorientierten Universit~iten (,,doctoral institutions") je nach Rangplatz der Universittit bis zu 135.071 US-Dollar (siehe http://chronicle.com/stats/aaup/2005/2005aaupratingscale.htm). Im Vergleich dazu: Nach dem Bundesbesoldungsgesetz idF vom 1.1. 2005 betrtigt das Grundgehalt fiir Professoren (W3) in Deutschland 4.723,61 Euro im Monat, also ungef'~ihr 60.000 Euro im Jahr.
233
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
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Deutschland ---B-- Schweden -"
Grol~britannien
X
USA
,,," Frankreich
Grafik 4.7:
Liingsschnittbetrachtung der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten, 1970-2002.
Grafik 4.7 stellt die Entwicklung der 6ffentlichen Bildungsausgaben (in % des BIP) zwischen 1970 und 2002 in ausgew/ihlten OECD-L~indem dar. Insgesamt zeigt sich, dass das Niveau der 6ffentlichen Ausgaben fiber die Zeit hinweg relativ konstant ist. Unterschiede in der Querschnittsdimension (also zwischen einzelnen L/indem) fallen quantitativ mehr ins Gewicht als die Variation fiber die Zeit. Auch die Rangfolge zwischen den L/indem ver/indert sich mit der Zeit kaum: Die Ausgabenquote von Schweden liegt konstant fiber der der anderen Lander. Deutschland bildet fast immer das Schlusslicht. Fiir Schweden und Grol3britarmien 1/isst sich ein gewisser Riickgang der Bildungsausgabenquote seit den 1970er Jahren beobachten, for Frankreich ein leichter Anstieg. Die USA nehmen im Beobachtungszeitraum eine Mittelposition ein. Die relative Konstanz der Bildungsausgaben fiber einen Zeitraum von fiber 30 Jahren 1/isst sich dadurch erkl/iren, dass ein GroBteil der Ausgaben im Prim/ir- und Sekund/irbereich get/itigt wird. Die Bereitstellung von B ildungsdienstleistungen vor allem in diesen Bereichen geh6rt quasi zur ,,Grundausstattung" 6ffentlicher Dienstleistungen in
234
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
modernen Industrienationen. Von daher ist nicht zu erwarten, dass es dort gr613ere Schwankungen gibt. Der leichte Rtickgang der B ildungsausgabenquote in Schweden und Grogbritannien k6nnte dadurch begrtindet sein, dass diese L/inder im beobachteten Zeitraum in der wirtschafllichen Entwicklung Fortschritte gemacht haben und es sich daher leisten k6nnen, denselben absoluten Beitrag an Bildungsausgaben durch eine geringere Ausgabenquote (d.h. einen geringeren Teil des BIP) abzudecken.
4.2
Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgaben
4.2.1
Befuncle der Querschnittsanalyse f~r 21 OECD-Liinder
Im Folgenden werden die Bestimmungsfaktoren der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten im Rahmen einer Querschnittsanalyse niiher untersucht. Das gew~ihlte statistische Verfahren hierbei ist denkbar einfach: Zun~ichst wurden Durchschnittswerte ~ r 5-Jahres-Perioden von 1970 bis 1999 (bzw. eine Drei-JahresPeriode (2000-2002)) berechnet. Ftir jede einzelne Periode wurden Querschnittsanalysen durchgefiihrt. Die Ergebnisse dieser Unternehmung sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst.
i
0.000 (1.52) -3.898 (1.22) 18 0.56
0.000 (2.25)** -9.426 (2.59)** 17
0.74
0.000 (3.27)*** -5.909 (2.47)** 19 0.64
0.000 (2.39)** -4.897 (1.38) 19 0.55
(1) (2) (3) (4) Offentliche Bfldungsausgaben in % des BIP 1975-79 1980-84 1985-89 1970-74 -0.261 -0.202 -0.113 -0.335 (3.45)*** (3.02)*** (1.95)* (4.15)*** 0.177 0.158 0.178 0.299 (2.95)** (2.11)* (3.73)*** (4.41)*** 0.113 0.134 0.124 0.200 (3.13)*** (3.68)*** (5.65)*** (4.43)***
0.63
0.000 (2.88)** -5.695 (1.41) 21
Tabelle 4.1" Ergebnisse der Querschnittsanalyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten, 1970-1999. Anmerkung: Aufgrund fehlender Daten steigt die Zahl der betrachteten F~illeerst zu Anfang der 1990er Jahre auf 21.
0.51
0.000 (2.11)* -4.133 (1.10) 21
1995-99 -0.112 (1.61) 0.129 (1.67) 0.148 (5.54)***
1990-94 -0.189 (3.13)*** 0.166 (2.44)** 0.125 (3.83)***
i
(6)
(5)
Robuste t-Statistiken in Klammem * signifikant auf 10%-Niveau; ** signifikant auf 5%-Niveau; *** signifikant auf 1%-Niveau
Zahl der Beobachtungen Korrigiertes R 2
Konstante
Modell Abh. Variable Zeitperiode Veto-Index (Schmidt 2000) Bev.anteil der 5-29-J/ihrigen 0ffentliche Sozialleistungsquote BIP pro Kopf
0.63
0.000 (1.62) -5.557 (2.26)** 21
2000-02 -0.106 (2.34)** 0.172 (2.66)** 0.183 (9.73)***
(7)
236
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Im Querschnittsvergleich haben sich als wichtigste Bestimmungsfaktoren herausgestellt: 1. Der Grad der Auspr/igung der konstitutionellen Vetostruktur (gemessen am Schmidt-Indikator). Je h6her die Anzahl der konstitutionellen Vetopositionen in einem Land, desto niedriger tendenziell die 6ffentlichen Bildungsausgaben. 2. Der Anteil der 5-29-J/ihrigen an der Bev61kemng: Je jiinger die Bev61kerung, desto h6her ist auch die Bildungsausgabenquote. Hier ist allerdings zu beobachten, dass die Erkl/imngskraft dieser Variablen gegen Ende der Untersuchungsperiode abnimmt (niedrigere statistische Signifikanz, kleinerer Koeffizient). Dies liegt daran, dass vor allem seit den 1990er Jahren die anwachsenden Ausgaben im terti/iren B ildungsbereich ein wesentlicher Erkl/imngsfaktor fiir das Anwachsen der Bildungsausgaben insgesamt war. Wie weiter unten noch zu sehen sein wird, ist die Expansion des 6ffentlichen Hochschulwesens vor allem in den L/indem mit hohem wirtschafllichen Entwicklungsstand vorangetrieben worden, die gleichzeitig einen unterdurchschnittlichen Bev61kerungsanteil der Jungen aufweisen (negative Assoziation zwischen 6ffentlichen Terti/irausgaben und Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen, siehe Tabelle 4.8). 3. Die 6ffentliche Sozialleistungsquote: Je mehr ein Land fiir Sozialpolitik aufwendet, desto h6her ist auch die Bildungsausgabenquote. Dies deutet darauf hin, dass zwischen dem Aus- und Aufbau des 6ffentlichen Sozialund des 6ffentlichen Bildungsstaates eine positive Wechselbeziehung bestehen k6nnte. 4. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf: Je h6her der wirtschaflliche Wohlstand eines Landes (gemessen am BIP pro Kopf), desto h6her sind auch die Bildungsausgabenquoten. Im n/ichsten Unterkapitel werden die vorl/iufigen Befunde der Querschnittsanalyse durch die Ausweitung der Analyseperspektive auf die kombinierte L/ings- und Querschnittsanalyse auf ihre Robustheit getestet. Dort soll auch eine ausfiihrliche Erl/iutemng der Erkl/imngsfaktoren stattfinden.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
237
4.2.2 Befunde der kombinierten L6ngs- und Querschnittsanalyse 4.2.2.1 Offentliche Bildungsausgabenquoten - Niveaus Im Folgenden werden zun/ichst die wichtigsten Bestimmungsfaktoren der 6ffentlichen Bildungsausgaben aus der kombinierten L/ings- und Querschnittanalyse in Form eines ,,Basismodells" pr/isentiert. Im Anschluss werden weitere, sekund/ire Bestimmungsfaktoren, die sich in den Analysen als ebenfalls beschr/inkt erkl/imngskr~iftig erwiesen haben, diskutiert. ~6~ Abh~ingige Variable
Offentliche Bildungsausgaben in % des BIP Gepoolte Zeitserienanalyse
Partielle Korrelationen: mit und ohne LDV Bildungsausgaben des Vorjahres (LDV) BIP pro Kopf in 1.000 Dollar Wachstums des realen BIP Anteil der 5-29-J/ihrigen an der Bev61kerung Veto-Index Offentliche Sozialausgabenquote Konstante
0,91"* 0,16"*
0,45**
-0,30**
-0,14"*
0,16"*
0,55**
-0,12"*
-0,35 **~
0,17"*
0,65**
Zahl der Beobachtungen Zahl der L~inder R2 Panel-corrected z-Statistiken in Klammern * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
0.873 (35.73)** 0.018 (4.33)** -0.043 (5.40)** 0.022 (4.15)** -0.018 (3.05)** 0.015 (3.77)** -0.549 (2.71)** 459 21 0.88
Tabelle 4.2: ,,Basismodell" aus der kombinierten L~ings- und Querschnittanalyse der iiffentlichen Bildungsausgabenquoten, 21 OECD Liinder, 1980-2002. Tabelle 4.2 enth/ilt partielle Korrelationskoeffizienten sowie die Ergebnisse der gepoolten Zeitserienanalyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote. Diese Bestimmungsfaktoren haben sich bei der Durchrechnung versehiedener Modell160
Ausfiihrliche Robustheittests und altemative Spezifikationen finden sich in Anhang B.
23 8
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
spezifikationen als robust und statistisch signifikant erwiesen. 161 Insgesamt haben sich die Variablen der sozio-6konomischen Theorieschule und das Politikerbe, aber auch institutionalistische Stellgr6f3en als besonders erkl~imngskr~iflig erwiesen. Der Einfluss der einzelnen Variablen wird nun ausfiihrlicher diskutiert.
Politikerbe Wie zu erwarten, ist die aktuelle B ildungsausgabenquote stark positiv assoziiert mit der Ausgabenperiode des Vorjahres. Die Inklusion dieser Variable dient nicht nur der Vermeidung des Problems der Autokorrelation (Beck / Katz 1996), sondern ist auch aus theoretischen Grtinden geboten. Die Ausgabenquote des Vorjahres stellt das Politikerbe dar, das yon der gegenw/irtigen Regierung anerkannt und iibemommen werden muss. Die Gr613e des Politikerb-Effektes ist beachtlich: Jeder Prozentpunkt der Vorjahresausgabenquote ,,erkl~irt" ungef'~ihr 0,88 Prozentpunkte der aktuellen Quote. Die Regressionsanalyse zeigt somit, dass die Dynamik der B ildungsausgaben starken ,,Tr~igheitseffekten" ausgesetzt ist.
BIP pro K o p f Die Variable BIP pro Kopf ist ebenfalls stark positiv mit der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote assoziiert. Die vorl~iufigen Befunde aus der Querschnittsanalyse best~itigen sich: Je h6her der Stand des wirtschaftlichen Wohlstandes eines Landes (gemessen am BIP pro Kopf), desto h6her die Bildungsausgabenquote. Im Unterschied zu den Ergebnissen der Querschnittsanalysen ist die Gr6Be des Effekts der Variablen ,,BIP pro Kopt" allerdings kleiner: Er betfiigt in der Regel ungef'~ihr 0,02, d.h. ein Anstieg des BIP pro Kopf um 1.000 Dollar ist assoziiert mit einem Anstieg der Bildungsausgabenquote um 0,02 Prozentpunkte. Wenn man zum Beispiel Deutschland mit den USA vergleicht, zwischen denen beim um Unterschiede in der Kaufkraft bereinigten Indikator BIP pro Kopf ungef~ihr 10.000 Dollar liegen, so kann dieser Unterschied 0,2 Prozentpunkte des Unterschiedes in der Bildungsausgabenquote erkl/iren. Insofern kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass das Wagner'sche Gesetz nicht nur fiir die Sozial-, sondem auch fiir die Bildungsausgaben gilt. Im Theorieteil wurde argumentiert, dass das Wagner'sche Gesetz bei den B ildungs-
161 Wenn die Variable ,,Offentliche Sozialleistungsquote", fiir die aus der OECD Social Expenditure Database nur seit Anfang der 1980er Jahre Daten vorliegen, aus dem Modell ausgeschlossen wird, so bleibt das Basismodell auch fiir die l~ingere Zeitperiode von 1970 bis 2001 recht erkl/imngskr/iftig. Die Variablen ,,Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen" sowie der Veto-Index verlieren allerdings an statistischer Signifikanz.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
239
ausgaben nicht unbedingt gelten miisse, weil die Bereitstellung einer Grundversorgung an B ildungsdienstleistungen, vor allem im Prim/ir- und Sekund~irbereich, inzwischen zu den grundlegenden Aufgaben eines jeden modemen Industriestaates zu rechnen ist. Das regul/ire Wirtschaftswachstum, das bei gleich bleibender Ausgabenquote die der Bildung zur Verfiigung stehenden absoluten Ausgaben um einen gewissen Grad ansteigen 1/isst, sollte zur Befriedigung der Bildungsnachfrage der Bev61kerung ausreichen. Die Giiltigkeit des Wagner'schen Gesetzes im Falle der Bildungsausgaben deutet jedoch darauf hin, dass ein Ansteigen des wirtschaftlichen Wohlstandes durchaus auch dazu beitr/igt, dass die Expansion der Bildungsm6glichkeiten vor allem im terti/iren und postsekund/iren Sektor~weiter vorangetrieben wird. Der Fall USA kann hier als Beispiel gelten: Die Vereinigten Staaten liegen im intemationalen Vergleich bei ,,BIP pro Kopf' auf einem Spitzenplatz, was eindrucksvoll mit ihrer Spitzenposition bei den Ausgaben fiir terti/ire Bildung korrespondiert (wenn sowohl 6ffentliche als auch private Quellen beri.icksichtigt werden). Auf der anderen Seite finden sich auch Hinweise daftir, dass die USA bereits in eine ,,post-expansive" Phase eingetreten sind. In Bezug auf die 6ffentliche Gesamtbildungsausgabenquote belegen die Vereinigten Staaten lediglich einen unauffiilligen Mittelplatz, bei den Ausgaben pro Schiller hingegen, wie wir gesehen haben, liegen sie weit vome. Das Wachstum des BIP in den USA ist somit derartig stark, dass mit einer niedrigeren Ausgabenquote h6here absolute Ausgaben pro Schiller erzielt werden k6nnen. Fiir die Schweiz ist ein/ihnliches Ph~inomen zu beobachten (durchschnittliche Ausgabenquoten kombiniert mit hohen Pro-Schiiler-Ausgaben). Doch abgesehen von diesen beiden Ausnahmefiillen scheint kaum ein anderes OECD-Land in die ,,post-expansive Phase" eingetreten zu sein, in der niedrige Ausgabenquoten mit hohen Pro-Schiiler-Ausgaben und einem relativ hohen wirtschaftlichen Wohlstand (gemessen am BIP pro Kopf) einhergehen. Daher gilt im intemationalen Vergleich weiterhin das Wagner'sche Gesetz. Die L/indergruppe der skandinavischen Staaten liegt beim ,,BIP pro Kopf' im intemationalen Vergleich eher im Mittelfeld, daher kann dieser Indikator des wirtschaftlichen Wohlstandes nur beschr~inkt fiir die hohen Bildungsausgaben in diesen L~indem als Erkl/irung herangezogen werden. Im Fall der Bundesrepublik Deutschland korrespondiert die untere Mittelfeldstellung bei den 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten allerdings mit einer ~ihnlichen Position beim ,,BIP pro Kopg'.
Wirtschafiswachstum Das Wirtschaftswachstum ist im Umerschied zum BIP pro Kopf, das als Indikator ffir das Niveau des wirtschaftlichen Wohlstandes in einem Land gelten kann, negativ mit der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote assoziiert. Wie bereits im
240
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Theoriekapitel angedeutet, k6nnte es sich hierbei um ein statistisches Artefakt handeln, weil die Variablen Wirtschaftswachstum und Bildungsausgabenquote dadurch, dass sie sich beide auf das BIP beziehen, nicht unabh~ingig voneinander sind. Wenn etwa das Wirtschaftswachstum zunimmt und das BIP ansteigt, dann nimmt die Bildungsausgabenquote ab, auch wenn die absolute H6he der Bildungsausgaben gleich bleibt (weil der Nenner, das BIP, gr613er wird). Aber auch jenseits dieser eher methodologischen l]berlegung bietet sich eine substanzielle Interpretation an: Wenn diese negative Assoziation zwischen Wirtschaftswachstum und Bildungsausgabenquote bedeutet, dass bei einer Zunahme des Wachstums die Bildungsausgabenquote sinkt und umgekehrt bei einer Abnahme des Wachstums die Bildungsausgabenquote steigt, dann deutet dies auf einen hohen Grad der Konstanz der Bildungsausgaben und eine relative Unabh/ingigkeit vom wirtschaftlichen Konjunkturzyklus hin. Diese These wird auch best~itigt durch die schwache bivariate Korrelation der 6ffentlichen Bildungsausgaben mit dem Wirtschaftswachstum, die nahe null liegt (-0,08). Dies best~itigt die Schlussfolgerung, die wir aus der Analyse der Wirkung des Politikerbes gezogen haben, n~imlich, dass die H6he der Bildungsausgaben fiber die Zeit hinweg relativ konstant ist. Die L/ingsschnittanalysen aus Kapitel 4.1 zeigen ebenfalls eine relative Unver/inderlichkeit der Ausgabenh6hen an. Die Dynamik der Bildungsausgaben scheint somit starker von langfristig wirkenden demographischen und institutionellen Faktoren gepr/igt zu sein. Im Unterschied zu den Sozial- oder Gesundheitsausgaben, bei denen beispielsweise durch ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit oder der Medikamentenpreise kurzfristige Ausgabenerh6hungen notwendig werden, stehen die Bildungsausgaben zu den Schwankungen des wirtschaftlichen Konjunkturzyklus in einem eher indirekten Verh~iltnis. Eine Ver~inderung der 6konomischen Hintergrundbedingungen oder des fiskalpolitischen Klimas kann zumindest zeitweise kompensiert werden durch Mal3nahmen wie Anhebung der durchschnittlichen Klassengr613en oder Verz6gerung notwendiger Investitionen in Geb~iude, Ger~ite oder andere Infrastruktur. Die Analyse der Ver~inderungsraten der 6ffentlichen Ausgabenquoten (siehe n~ichstes Unterkapitel) kann fiber das Verh/iltnis zwischen Bildungsausgaben und Wirtschaftswachstum weiter Auskunft geben.
Bildungsausgaben im internationalen l/'ergleich
241
BevSlkerungsanteil der 5-2 9-Jiihrigen Der Anteil der 5-29-J~ihrigen an der Gesamtbev61kerung ist erwartungsgem/iB positiv assoziiert mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben. Der Anteil der l~er65-J~u'igen sowie die Interaktion zwischen diesen beiden demographischen Variablen haben sich als weniger erkl/irungskr/iftig erwiesen. Nach den Ergebnisse der Tabelle 4.2 ist ein Unterschied im Anteil der Bev61kerungsanteils der Jungen von beispielsweise 10 Prozent verbunden mit einem Unterschied in der Bildungsausgabenquote von gut 0,2 Prozentpunkten. Also auch hier ein deutlich kleinerer Effekt als bei den reinen Querschnittsanalysen, was auch dadurch zu erkl/iren ist, dass die Inklusion der Ausgabenquote des Vorjahres (lagged dependent variable), die ihrerseits auch von den gleichen unabhLrlgigen Variablen bestimmt wird, einiges vonder Erkl/irungskraft dieser Variablen nimmt. Nichtsdestotrotz findet sich zwischen den /Sffenflichen Bildungsausgaben und dem Bev6lkerungsanteil der Jungen ein starker, robuster Zusammenhang. Als Alternative wurde aufSerdem der Einfluss der B ildungspartizipation, also des Anteils der Schiiler/Studenten an der Gesamtbev61kerung sowie des Anteils der Schiiler/Studenten an der Bev61kerungsgruppe der 5-29-J/ihrigen, untersucht. Die Koeffizienten dieser Variablen sind jedoch nicht statistisch signifikant. 162 Die Erkl/irung dafiir liegt auf der Hand: Bei der Variablen ,,Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen" handelt es sich um eine exogene Variable, die den durch demographische Bedingungen gepr/igten Nachfragedruck widerspiegelt. Die Bildungspartizipation ist im Unterschied dazu eine stoker endogene Variable, denn der Anteil der Bildungsteilnehmer an der Gesamtbev61kerung oder der jeweiligen Bev/51kerungsgruppe wird auch gepr/igt durch die im Bildungssystem gebotenen Partizipationsmtiglichkeiten. In anderen Worten: Zwischen den Bildungsausgaben und der Bildungspartizipation besteht bis zu einem gewissen Grad eine kausale Wechselbeziehung, die die Zuverl~issigkeit der statistischen Ergebnisse beeintr/ichtigt. Eine hohe Bildungspartizipation treibt zwar potentiell die Ausgaben in die H6he, ein weit ausgebautes Bildungssystem ermutigt zur gleichen Zeit allerdings auch einen Ausbau der Bildungspartizipation. Die Variable ,,Bev/51kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen" ist daher besser geeignet, die Reaktion des politischen Systems auf einen gegebenen demographischen Nachfragedruck zu messen. Dass sich die positive Assoziation zwischen dem Bev/51kerungsanteil der Jiingeren und den Bildungsausgaben auch in der gepoolten Analyse als robust erwiesen hat, ist ein bedenkenswerter Befund. Ein Grol3teil dieser Bev/51kerungs162Aul]erdem wurde die Bildungspartizipation im tertiiiren Sektor, die bei Castles' (1989, 1998) Analysen eine herausragende Rolle spielt, gesondert in die Regressionsgleichungen aufgenommen, aber auch hier konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben nachgewiesen werden.
242
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
gruppe ist auf die stellvertretende Wahrnehmung ihrer Interessen durch die Eltern angewiesen, da das wahlfahige Alter noch nicht erreicht ist. Dieser Befund ist damit eine Herausforderung fiir Standardmodelle politischer Interessenvermittlung. Verschiedene Erklarungen bieten sich an: Erstens k6nnte es tatsachlich so sein, dass die stellvertretende Wahrnehmung der Interessen der Kinder durch die Eltern effektiv funktioniert. Eltern haben schliel31ich auch ein Interesse an der Ausbildung ihrer Kinder. Ein hoher Bev61kerungsanteil der 5-29-Jahrigen bedeutet auch, dass das Verhaltnis des Anteils der Wahler mit Kindern zu den Kinderlosen gr613er ist als in anderen Landern mit einem niedrigeren Bev61kerungsanteil der Jungen. Wenn also angenommen werden kann, dass Eltern ein Interesse an der Bildung ihrer Kinder haben und dieses Interesse in der Wahlurne politisch geltend gemacht wird, dann ist auch zu erwarten, dass die B ildungsausgabenquoten in den Landern mit einer jungen Bev61kerung h6her sind. Zweitens ware auch vorstellbar, dass die positive Assoziation zwischen den 6ffentlichen Bildungsausgaben und dem Bev61kerungsanteil der Jungen auf die Dynamik einzelner Bildungssektoren zur/ickzuftihren ist. So ist davon auszugehen, dass die Ausgaben ftir den Primar- und Sekundarbereich in direkterem MaBe von Nachfragevariablen abhangen als die Ausgaben fiir den post-sekundaren Bereich, die starker durch politische Variablen gepragt werden (siehe unten). Insofern k6nnte die positive Assoziation zwischen dem Bev61kerungsanteil der Jungen und den 6ffentlichen Bildungsausgaben auf der robusten, positiven Beziehung zwischen dieser Nachfragevariablen und den Ausgaben fiir den Primarund Sekundarbereich aufbauen. Der Fall USA passt dabei gut ins Bild: Bei der Variable ,,Bev61kerungsanteil der 5-29-Jahrigen" besetzen die USA im internationalen Vergleich ebenso wie bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben eine durchschnittliche Mittelfeldposition. Drittens ist vorstellbar, dass der Bev61kerungsanteil der Jungen kausal nicht ganz unabhangig vonder H6he der B ildungsausgaben ist. Das heil3t, der Kausalitatspfeil muss nicht unbedingt unidirektional vonder Gr613e der Nachfragegruppe zu den Ausgaben laufen. Vielmehr k6nnte es ebenfalls sein, dass der Ausbau des 6ffentlichen Bildungssystems, vor allem im vorschulischen Bereich, dazu beitragt, die Entscheidung junger Familien zum Kinderkriegen beeinflusst, l]ber lange Zeitr/iume betrachtet wiirde somit eine konsequente Familienpolitik, zu der zu einem gewissen Grad auch der Ausbau des 6ffentlichen Bildungswesens geh6rt, zu einer Verjtingung der Bev61kerung beitragen. Wenn diese Hypothese zutrafe, ware zu erwarten, dass hohe 6ffentliche Bildungsausgaben mit einem relativ hohen Bev61kerungsanteil der 5-29-Jahrigen einhergehen. Gegen diese These spricht allerdings der unterdurchschnittliche Bev61kerungsanteil der Jungen in den skandinavischen Landem. Bei der Analyse der sektoralen Bildungs-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
243
ausgaben weiter unten werde ich Hinweise dazu liefem, warum der zweite Erkl~irungsansatz der hier vorgestellten drei am meisten plausibel erscheint. Einschr/inkend soil daran erinnert werden, dass die Erkl~imngskraft dieser Variablen in den Querschnittsanalysen fiir spiitere Perioden (siehe Tabelle 4.1) abnimmt. 163 Dieser Befund ist so zu interpretieren, dass einerseits die Politik zwar auf den demografischen Nachfragedruck reagiert. Andererseits setzt sie sich in einigen L~_qdem auch fiber die scheinbaren Notwendigkeiten der Demografie hinweg. Dies sind vor allem jene Staaten, in denen die Bildungsausgaben aufgrund einer Expansion des post-sekund/iren Sektors angestiegen sind, wie weiter unten bei der Betrachtung der sektoralen B ildungsausgaben zu sehen sein wird, denn dort zeigt sich eine negative Assoziation zwischen den 6ffentlichen Ausgaben fiir Terti~irbildung und der Demografie-Variablen.
Veto-Index Ein negativer, robuster Zusammenhang findet sich zwischen dem Grad der Auspr~igung der konstitutionellen Vetostruktur (gemessen durch den Schmidtschen Veto-Index (Schmidt 2000: 352)) und der H6he der Bildungsausgabenquote. Je mehr die zentralstaatliche Regierung mit einer Vielzahl von Vetospielem und gegenmajorit~iren Institutionen konfrontiert ist, desto niedriger sind die tiffentlichen Bildungsausgaben. Die Grfl3e des Effektes ist in etwa mit dem der demographischen Variablen vergleichbar: Eine Zunahme um eine Stufe auf dem VetoIndex (z.B. durch den Eintritt in die EU, die Schaffung einer unabh~ingigen Zentralbank oder die eher unwahrscheinliche Transformation eines unitarischen in einen f'6deralistischen Staat) ist assoziiert mit einem Riickgang der Bildungsausgaben um ungef~ihr 0,015 Prozentpunkte. Auch hier best~itigen sich die ersten Befunde aus der Querschnittsanalyse mit der schon bekannten Einschr~inkung, dass die Gr6Be des Effektes in der gepoolten Analyse deutlich kleiner ist. Weil sich die konstitutionelle Vetostruktur im Zeitverlauf auf~erdem nicht viel wandelt, ist davon auszugehen, dass ein GroBteil der Erkl~irungskraft dieser Variable aus der Querschnittsdimension kommt. Es finden sich damit Hinweise darauf, dass die H6he der Bildungsausgaben ~ihnlich wie die Sozialausgaben zumindest zum Teil auch von der in einem gegebenen Land vorherrschenden Staat-MarktArbeitsteilung abh/ingen. Die Faktoren, die auf die Expansion der Sozial- und Staatsausgaben eine bremsende Wirkung ausgefibt haben, wie zum Beispiel eine ausgepr~igte konstitutionelle Vetostruktur, haben eine ~anliche Wirkung auf die Bildungsausgaben.
163 Die bivariate Korrelation zwischen der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote und dem Bev61kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen ist ftir das Jahr 2001 sogar leicht negativ (r=-0,14).
244
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Die USA verfiigen im internationalen Vergleich fiber eine stark ausgebaute Veto-Struktur. Wie in den Kapiteln 2 und 3 in der Einzelfallanalyse ausfiihrlicher dargelegt, ist die Bildungspolitik in den USA ein traditionell auf der lokalen und einzelstaatlichen Ebene verankertes Politikfeld. Diese Tatsache alleine erklan jedoch noch nicht die Mittelfeld-Position des Landes bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben. Die Existenz einer Vielzahl von konstitutionellen VetoInstitutionen hat jedoch die Zentralisierung der administrativen und politischen Verantwortung fiir Bildungspolitik auf der nationalen Ebene erschwert. In Kapitel 2 und 3 wurde gezeigt, dass die Institution der lokalen Bildungsfinanzierung trotz einer Vielzahl von Herausforderungen im 20. Jahrhundert weiterhin fest im amerikanischen System verankert ist. Eine Zentralisierung fiskalpolitischer Verantwortung fi.ir die Bildung h~itte den Ausbau des 5ffentlichen Bildungsstaates begfinstigt, so wie dies im Falle der Sozialausgaben in unitarischen L~indem (Skandinavien, Niederlande) zu beobachten war. Zentralisierte politische Macht, so die Begr/indung ftir diesen Zusammenhang, erSffnet Interessengruppen bessere Einflussm6glichkeiten. Anstelle von dezentralisiertem Lobbying in verschiedenen Lokalit/iten kann sich die Interessengruppierung (im Fall der Sozialpolitik die Gewerkschaften und im Fall der Bildungspolitik in den USA vor allem die Lehrergewerkschaften) auf die Beeinflussung einer kleineren Gruppe von nationalen Politikern beschr~inken. Eine Vielzahl von Vetopositionen erschwert die Zentralisierung fiskalpolitischer Verantwortung, besonders, wenn wie im Falle der USA (und mit Einschr~inkungen auch in Deutschland) der Bundesebene nur beschr~inkte Kompetenzen in der Bildung zukommen. Die ausgepr~igte konstitutionelle Vetostruktur in Deutschland kann somit auch zur Erkl/irung der Mittelfeldposition der Bundesrepublik bei den Bildungsausgaben beitragen. Im Unterschied zu den USA sind in Deutschland jedoch in der Staat-Markt-Arbeitsteilung die Weichen starker auf staatliche LSsungen eingestellt. Dies hat dazu beigetragen, dass die in den USA zu beobachtende Bereitstellung von privaten Alternativen zum 5ffentlichen Bildungs- und Sozialstaat in Deutschland im Wesentlichen ausgeblieben ist. Daher kSnnen dort private Ausgaben die niedrigere 5ffentliche Bildungsfinanzierung nicht ausgleichen. In den skandinavischen L/indem hat die unitarische Staatstruktur und die insgesamt gering ausgepr/igte konstitutionelle Vetostruktur die Expansion der 6ffentlichen Ausgaben, des Sozialstaates und auch der 5ffentlichen Bildungsfinanzen gef'6rdert. Die Konzentration von fiskalpolitischer Autorit/it an der Spitze, bei gleichzeitiger Wahrung der lokalen Autonomie, hat die Einflussposition der m/ichtigen Gewerkschaften verst/irkt. Gegen die Anhebung der Steuers/itze und die generelle Verschiebung der Staat-Markt-Arbeitsteilung zu Gunsten des Staates gab es wenig Vetopotential. Der Ausbau des 6ffentlichen Bildungswesens ist somit Hand in Hand gegangen mit dem Ausbau des Sozialstaates.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
245
Offentliche Sozialleistungsquote
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Offentliche Sozialausgabenquote, 2001
Grafik 4.8:
Zusammenhang zwischen 6ffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben, 2001, R2=0,33. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg/inge; Sozialausgaben 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Der sechste Bestimmungsfaktor des Basismodells ist die 6ffentliche Sozialleistungsquote. Aus Grafik 4.8 wird ersichtlich, dass es einen relativ starken, positiven Zusammenhang (R2=0,33) zwischen der 6ffentlichen B ildungsausgabenquote und der 6ffentlichen Sozialausgabenquote zu geben scheint. Die skandinavischen Lander zeichnen sich durch hohe Sozial- und Bildungsausgaben aus und
246
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
finden sich daher in der oberen rechten Ecke der Grafik wieder. Eine weit ausgebaute 6ffentliche Bildungsfinanzierung geh6rt offensichtlich ebenso zum Modell des universalen, sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates wie die groBziigige Ausgestaltung der Sozialpolitiken im engeren Sinne (wie Arbeitsmarkt-, Rentenund Familienpolitik). Deutschland hingegen liegt bei den Bildungsausgaben relativ weit zuriick, verftigt aber fiber eine hohe Sozialausgabenquote, w~ihrend Japan oder Irland sich in beiden Dimensionen recht stark zuriickhalten. Die USA liegen deutlich fiber der Regressionslinie: Sie geben im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten relativ gesehen mehr ftir Bildung als fiir Sozialpolitik aus. Die Regressionslinie k6nnte insofem auch als Trennlinie zwischen zwei verschiedenen Staatengruppen interpretiert werden: Diejenigen, die fiber der Regressionslinie liegen geben relativ mehr ffir Bildung als fiir Sozialpolitik aus, die darunter liegen, relativ betrachtet, weniger. AuBer Portugal liegen mit Spanien, Griechenland und Italien alle s~deurop/iischen Lander unter dieser Trennlinie. Auch fast alle konservativen Wohlfahrtsstaaten (aul3er Belgien) liegen unterhalb der Regressionslinie.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich N 0 0 r
d o =
247
r ..........................................................................................................................................................................................................
1
O
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Staatsausgabe nquote minus Bildungsausgabe nquote, 2002
Grafik 4.9:
Zusammenhang zwischen Bildungsausgabenquote und Etatisierungsgrad (Staatsausgabenquote minus Bildungsausgabenquote), 2002, R2=0,21. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg/inge; "Total Disbursements Government, % GDP"; Quelle: OECD Economic Outlook Database. Grafik 4.9 zeigt, dass auch zwischen der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote und dem allgemeinen Etatisierungsgrad (gemessen an der Staatsausgabenquote abziiglich der Bildungsausgaben) ein mittelstark positiver Zusammenhang besteht (R2=0,21). Eine hohe 6ffentliche Bildungsausgabenquote geht somit nicht nur einher mit einem ausgebauten Sozialstaat, sondern ist auch im Zusam-
248
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
menhang mit der allgemeinen Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt in der Bereitstellung 6ffentlicher Giiter zu sehen. Lander, die staatlichen (oder 6ffentlichen) L6sungen einen Vorzug einr~iumen gegeniiber der Bearbeitung 6ffentlicher Probleme durch private Akteure, was sich in einer relativ hohen Staatsausgabenquote widerspiegelt, tendieren demnach auch dazu, einen relativ gesehen gr6geren Teil ihres Wirtschaftsproduktes auf die Bildung zu verwenden. Interessanterweise finden sich bei der Betrachtung der Staatsausgaben- und der Bildungsausgabenquote /ihnliche L/inderfamilien wie bei der Sozialausgabenquote: Die skandinavischen Lander sind auch hier in der oberen rechten Ecke zu finden (hohe Staatsausgaben, hohe Bildungsausgaben). Die Tatsache, dass D/inemark und Schweden deutlich fiber der Regressionslinie liegen, deutet darauf hin, dass diese Lander auch in ihrer allgemeinen Ausgabenpolitik ein relativ gesehen st/irkeres Gewicht auf die Bildung legen. Ahnliches gilt auch far die USA, die allerdings durch eine insgesamt niedrigere Staatsausgabenquote gekennzeichnet sind. Deutschland wie auch Italien, Griechenland und die Niederlande liegen deutlich unter der Regressionslinie, d.h. sie geben relativ wenig far die Bildung aus, obwohl sie insgesamt eine recht hohe Staatsausgabenquote aufweisen. In der multivariaten Regressionsanalysen (Modelle 1 bis 3 in Tabelle 4.3) hat sich die positive Assoziation zwischen Bildungsausgaben und Staatsquote best~itigt. Wird die 6ffentliche Sozialleistungsquote nicht in das Modell eingebaut, so zeigt sich ein stark positiver Zusammenhang zwischen den Bildungsausgaben und der allgemeinen Staatsausgabenquote sowie der Variable ,,Etatisierungsgrad". Der Etatisierungsgrad ist im Wesentlichen die Staatsausgabenquote abziiglich der Bildungsausgabenquote. Er ist insofem ein Indikator far die Vorherrschaft der 6ffentlichen Hand in der Fiskal- und Ausgabenpolitik jenseits der Bildungspolitik, aufgrund der relativ geringen Variation der Bildungsausgaben im Vergleich zu anderen Ausgabenfeldern allerdings stark mit der Staatsausgabenquote korreliert. Die Gr6ge des Effektes dieser beiden StaatsausgabenIndikatoren ist allerdings nur halb so grog wie der der Sozialleistungsquote. Wird schliel31ich die 6ffentliche Sozialausgabenquote wieder in das Modell aufgenommen (siehe Modell 3), so erweist sich der Etatisierungsgrad als nicht mehr erkl/irungskr/iftig. Er wird von dem Effekt der Sozialleistungsquote dominiert. Dies ist insofern auch nicht weiter verwunderlich, denn es ist anzunehmen, dass die H6he der Bildungsausgaben starker vonder Ausgabenbereitschaft eines Landes im sozialpolitischen Bereich abh~ingt als von seiner Grogziigigkeit im Umgang mit allgemeinen Staatsausgaben. So konnte zum Beispiel die H6he der Staatsausgaben in den USA durch Riistungs- und Verteidigungsausgaben in die H6he getrieben werden, die mit der Bildungspolitik wenig zu tun haben. Zwischen den B ildungs- und den Sozialausgaben besteht also eine engere Verbindung als zwischen den Bildungsausgaben und den allgemeinen Staatsaus-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
249
gaben. Dies wird best/itigt durch die stark positive Assoziation, die sich in der multivariaten Regressionsanalyse zwischen der/Sffentlichen Sozialausgabenquote und den Bildungsausgaben nachweisen l~isst (siehe Basismodell, Tabelle 4.2). Es zeigt sich, dass ein Anstieg der Sozialleistungsquote um einen Prozentpunkt mit einem Anstieg der Bildungsausgabenquote um 0,02 Prozentpunkte einhergeht. Der Unterschied in der 6ffentlichen Sozialleistungsquote zwischen den USA (ca. 14 Prozent) und Schweden (ca. 30 Prozent) kann 0,32 Prozentpunkte des Unterschieds in der/Sffentlichen Bildungsausgabenquote (ca. einen Prozentpunkt) ,,erkl/iren". Auch dieser Effekt liegt damit ungef'~ihr in der Gr6Benordnung der anderen zuvor diskutieren Erkl~irungsgr613en des Basis-Modells (aul3er Wirtschaftswachstum und Vorjahresausgaben). Die positive Beziehung zwischen Sozial- und B ildungsausgaben deutet darauf hin, dass die Expansion des 6ffentlichen Bildungswesens auch von einem insgesamt staatlichen L6sungen in der Sozialpolitik zugeneigten Umfeld abh/ingt. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass der Etatisierungsgrad selbst keine vollkommen exogene Variable ist, sondem zu einem nicht unerheblichen Teil von denselben Determinanten beeinflusst wird wie die Bildungsausgaben. Dies wurde ja schon in der Auseinandersetzung mit der Wirkung des Faktors ,,konstitutionelle Vetostruktur" diskutiert. Von besonderer Bedeutung sind dabei aber auch parteipolitische Faktoren: Wie weiter unten noch gezeigt wird, gibt es durchaus Hinweise auf den Einfluss von Parteifaktoren auf die Bildungsausgaben. Man daft dabei aber nicht vergessen, dass Partei-Effekte auch vermittelt fiber die hohe Sozialleistungsquote zum Tragen kommen. Aus der einschl/igigen Literatur (Hibbs 1977, 1988; Hicks 1999; Wilensky 1981; Castles 1982; Cusack 1999; Garrett 1998; Schmidt 1982, 1996; Huber / Stephens 2001a,b) geht hervor, dass die parteipolitische F/irbung der Regierung einen Unterschied hinsichtlich der H6he der/Sffentlichen Ausgaben macht, wobei linke Parteien st~irker zu h/5heren Ausgaben neigen als bfirgerliche. Insofem zeigt sich, vermittelt fiber den Etatisierungsgrad eines Landes, auch hier schon ein gewisser Parteien-Effekt. 164
164Hier ist, methodologisch gesprochen, die Grenze der (einfachen) multivariaten Regressionsanalyse erreicht, denn bei dieser wird implizit angenommen, dass alle Bestimmungsfaktoren auf derselben Kausalit/itsebene liegen. Dies ist aber for den beschriebenen Zusammenhang nicht der Fall. Pfadanalysen und zweistufige Regressionsverfahren sollten zur weiteren Klfirung dieser Zusammenh/inge herangezogen werden, was aber 0ber den Anspruch dieser Arbeit hinausreicht.
Stand der 6ffemlichen Verschuldung in % des B IP
Summe aus Ausg. fiir Rente und Arbeitslosigkeit Summe aus Ausg. ftir Familie und AAMP Zinszahlungen in % des B IP
Off. Ausgaben flit Familie
Off. Ausgaben fiir Rente
Offentliche Sozialausgabenquote
Anteil der 5-29-J/ihrigen an der Bev61kerung Veto-Index
Wachstums des realen B IP
Modell Abh. Variable Bildungsausgaben des Vorjahres (LDV) BIP pro Kopf in 1.000 Dollar (1) (2) (3) Bildungsausgaben in % des BIP 0.873 0.871 0.868 (35.73)** (34.99)** (32.33)** 0.018 0.016 0.016 (4.33)** (3.71)** (3.76)** -0.043 -0.044 -0.044 (5.40)** (5.34)** (5.39)** 0.022 0.020 0.020 (4.15)** (3.59)** (3.70)** -0.018 -0.015 -0.014 (3.05)** (2.26)* (2.08)* 0.015 0.013 0.017 (3.77)** (2.37)* (1.62) -0.005 (0.54) 0.016 (0.77) -0.011 (0.77) 0.009 (0.40)
-0.001 (1.82)
0.863 (49.58)** 0.017 (4.34)** -0.042 (6.33)** 0.026 (5.00)** -0.021 (3.62)** 0.018 (5.95)**
0.859 (33.98)** 0.014 (3.19)** -0.041 (5.06)** 0.026 (4.05)** -0.016 (2.90)** 0.017 (3.90)**
-0.012 (1.47)
(s)
(4) 0.872 (30.11)** 0.021 (4.24)** -0.041 (5.00)** 0.030 (4.80)** -0.021 (3.18)** 0.020 (4.44)**
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-0.398 (1.82) 459 21
-0.413 (1.96) 459 21
-0.586 (2.41)* 442 21
-0.619 (2.77)** 414 20
459 21
(3.56)**
0.002 (1.58) -0.863
-0.029 (2.30)*
Anmerkung: Die Zahl der beobachteten Lander reduziert sich in Modell 5 auf 20, weil fiir die Schweizer Staatsverschuldung keine OECDDaten erh~iltlich sind.
Tabelle 4.3: Gepoolte Zeitserienanalyse der iiffentlichen Bildungsausgaben (in % des BIP), 1980-2002, 21 OECDL/inder.
Panel-corrected z-Statistiken in Klammern; * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
N Zahl der L~inder
Stand der Bildungsausgaben in den 1970era Grad der fiskalischen Dezentralisierung der Steuereirmahmen Konstante
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
252
Weitere Einflussfaktoren Finanzierungskonkurrenzen Der Nachweis von Finanzierungskonkurrenzen zwischen verschiedenen Politikfeldern ist aus empirischer Sicht nicht ganz einfach: Zum Einen korrelieren die Ausgaben •r einzelne sozialpolitische Bereiche relativ stark miteinander, was die Verl/isslichkeit der gesch~itzten Regressionskoeffizienten beeintr/ichtigt. Insofern stehen die im Folgenden pr/isentierten Ergebnisse unter einem gewissen Vorbehalt. Zum Anderen belegt ein statistisch signifikanter Regressionskoeffizient noch nicht die Existenz eines echten Konkurrenzverhgltnisses. Vielmehr k6nnte er auch lediglich unterschiedliche wohlfahrtsstaatliche Schwerpunktsetzungen widerspiegeln. Heidenheimer (1981) argumentiert, dass der Bildung in den USA (Nordamerika) ein h6herer Stellenwert zukomme als der Sozialpolitik, w~ihrend in Europa der kompensierenden Sozialpolitik die Vorfahrt einger/iumt werde. Diesen Schwierigkeiten soll in unterschiedlicher Form begegnet werden: Neben der Analyse der Ausgabenniveaus wird im n~ichsten Unterkapitel auch eine Analyse der Ausgabenveriinderungen durchgeftihrt. Eine zunehmende Konkurrenz zwischen Ausgabenfeldern miisste auch bei dieser abh~ingigen Variablen sichtbar werden. Weiterhin werden neben den Ausgabenvariablen ftir einzelne Sozialpolitikfelder auch Indikatoren der Staatsverschuldung (Gesamtschuldenstand, H6he der Zinszahlungen) beriicksichtigt. Auch diese k6nnen auf eine zunehmende ,,Konkurrenz" zwischen den Bildungsausgaben und anderen Bereichen hinweisen. Drittens werden L~ingsschnittanalysen ftir einzelne L~inder pdisentiert. Der letzte Punkt wird als Erstes aufgegriffen.
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Grafik 4.10" Die Entwicklung der 6ffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben in USA, Deutschland, Schweden.
254
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
In Grafik 4.10 ist die Entwicklung der 6ffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben in Deutschland, den USA und Schweden seit Anfang der 1980er dargestellt. Dadurch wird ersichtlich, dass es in den betrachteten L~indern nicht nur Unterschiede hinsichtlich des Niveaus der Ausgaben gibt, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung der Ausgabenbereiche fiber die Zeit hinweg. In den USA wie in Deutschland verftigen die 6ffentlichen Bildungsausgaben fiber ein hohes MaB an Konstanz. Wenn man allerdings die privaten Bildungsausgaben berficksichtigt und die Summe aus 6ffentlichen und privaten Ausgaben betrachtet, dann kann man in den 1990er Jahren eine Aufw/irtstendenz erkennen. Die Sozialausgaben haben in den USA insgesamt eine leicht steigende Tendenz und pendeln dabei um die 15-Prozentpunkt-Marke. Auch in Deutschland ist eine steigende Tendenz bei den Sozialausgaben zu beobachten. Die Steigerung geht allerdings von einem h6heren Niveau als in den USA aus. In Schweden ist der Anteil der Bildungsausgaben am BIP seit den 1970er Jahren sogar leicht gefallen, w/ihrend die Sozialausgabenquote zunfichst weiter anstieg. Seit Anfang der 1990er Jahre befindet sich auch die Sozialausgabenquote in einem Abwgrtstrend. Eine Betrachtung der einfachen Prozentpunktdifferenz zwischen der Sozial- und der Bildungsausgabenquote zwischen den einzelnen L~indem deutet aul3erdem auf bedeutende Unterschiede im Zuschnitt der Wohlfahrtsstaaten hin: In den USA ist die Differenz zwischen den beiden Ausgabenquoten mit durchschnittlich 7,6 Prozentpunkten am geringsten 165, gefolgt von Deutschland (21,0 Prozentpunkte) und Schweden (24,3 Prozentpunkte). Insgesamt zeigt die Analyse dieser einfachen L/ingsschnitte, dass das Argument von den Finanzierungskonkurrenzen sowohl eine Bedeutung in der Querals auch in der L~ingsschnittdimension hat. Schweden und Deutschland geben der Sozialpolitik st~irkeres Gewicht, wohingegen Deutschland im Vergleich zu den beiden anderen L/indem und, sofem auch die privaten Ausgaben im Fall USA berticksichtigt werden, auffallend wenig in Bildung investiert. Aul3erdem ist in Deutschland seit den 1990er Jahren ein Ansteigen der Sozialausgaben zu beobachten, w~ihrend die B ildungsausgaben stagnieren. In Schweden ist die Ausgabenexpansion in der Sozialpolitik gebremst und umgedreht worden, w/ihrend in den USA leicht steigende Sozialausgaben mit leicht steigenden Gesamtbildungsausgaben einhergehen. Im Folgenden widmen wir uns der Analyse der Finanzierungskonkurrenzen in der Querschnittsdimension.
165Unter Beriicksichtigung der privaten Ausgaben.
255
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
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Grafik 4.11" Zusammenhang zwischen iiffentlicher Bildungsausgabenquote und Sozialausgaben fiir den Bereich "Familie", 2001, R2=0,39. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrgfinge; 6ffentliche Sozialausgaben fOr Familie, % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Zwischen den Sozialausgaben fiir den Bereich ,,Familie" (nach OECDDefinition) und den/Sffentlichen Bildungsausgaben besteht nach Grafik 4.11 ein mittelstarker, positiver Zusammenhang. Beiden Ausgabenarten gemeinsam ist, dass sie von einer gewissen Bereitschaft der Gesetzgeber und W~ihler zeugen, den Sozial- und Bildungsstaat starker auf sozialinvestive, auf die Zukunftsvorsorge und die Bediirfnisse der jiingeren Generation gerichtete Ausgabenfelder zu
256
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
konzentrieren. Insofem ist auch zu erwarten, dass zwischen den Bildungsausgaben und eher sozialkonsumtiven Ausgabefeldem wie Renten oder passive Arbeitsmarktpolitik ein negativer Zusammenhang besteht, was sich allerdings in der bivariaten Untersuchung so noch nicht nachweisen lieg. Jedenfalls zeichnen sich bei Grafik 4.11 wieder/ihnliche L/indergruppierungen ab wie bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Sozial- und Bildungsausgaben: An der Spitze (hohe Ausgaben ffir ,,Familie" und Bildung) stehen wieder die skandinavischen Lander, aber auch Belgien, Frankreich und Osterreich befinden sich nicht weit davon. Wie zu erwarten, liegen die USA deutlich fiber der Regressionslinie: Die Rolle der 6ffentlichen Hand in der Familienpolitik ist in den USA weit weniger stark ausgepr/igt als im Bildungssektor. Deutschland hingegen f~illt auf, weil es entgegen den Erwartungen sogar noch relativ gesehen weniger fiir Bildung als fiir Familienpolitik ausgibt. Kommen wir nun zu den Ergebnissen der multivariaten Regressionsanalyse. Die Modelle 2 und 3 der Tabelle 4.3 lassen erkennen, dass die These von der Finanzierungskonkurrenz zwischen den Bildungsausgaben und Ausgaben fiir andere sozialpolitische Felder eine gewisse, wenn auch unter Vorbehalt stehende Unterstfitzung erf'~ihrt. Entscheidend ist dabei, fiir welche sozialpolitischen Zwecke die Ausgaben get/itigt werden, wie sich bereits in den bivariaten Analysen abgezeichnet hatte. Wie Modell 2 zeigt, findet sich ein negativer Zusammenhang zwischen den Ausgaben fiir Rente und der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote. Konventionelle Signifikanzniveaus werden allerdings nicht erreicht. Der Effekt ist ungef~ihr zwei Drittel so grog wie der Effekt der Variablen ,,6ffentliche Sozialleistungsquote" und ist also verh/iltnism/igig betr/ichtlich. Diese negative Beziehung deutet darauf hin, dass die Bildungsausgaben mit den 6ffentlichen Rentenausgaben in einem gewissen Konkurrenzverh/iltnis stehen. Oder weniger dramatisch formuliert: Dass Wohlfahrtsstaaten unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der Ausrichtung ihrer Sozial- und Bildungsausgabenpolitik auf die verschiedenen Generationen setzen. Hier kommt die Perspektive der ,, Generational Politics" wieder zum Tragen. Zwar haben wir gesehen, dass der Bev61kerungsanteil der Jungen mit den B ildungsausgaben positiv assoziiert ist. Der Befund einer negativen Beziehung zwischen den Bildungs- und den Rentenausgaben s~it allerdings erste Zweifel, ob die Bev61kerungsgruppe der Jungen fiber das ,notwendige' Mal3 hinaus mit Bildungsinvestitionen versorgt wird. Die Betrachtung der Pro-Schfiler-Ausgaben wird hier weiteres Licht ins Dunkel bringen. Die 6ffentlichen Ausgaben fiir Familie sind in der multivariaten Analyse im Unterschied zu den bivariaten Untersuchungen nicht besonders erkl/irungskfiiftig. Dies liegt an der starken Korrelation (fiber 0,7 ftir die Ausgaben ffir Familie und fiber 0,8 fiir die Summe aus Ausgaben ffir Familie und Aktive Arbeitsmarktpolitik) mit den 6ffentlichen Sozialausgaben. Hohe Ausgaben ffir Familienpolitik
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
257
und die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik auf einen aktivierenden statt einen kompensativen Ansatz ist kennzeichnend ftir die universalistischen, skandinavischen Wohlfahrtsstaaten. Insofem ist die starke Korrelation zwischen den Bildungsausgaben und diesen Unterarten nicht weiter verwunderlich. Hohe Rentenausgaben finden sich allerdings auch in den kontinentaleurop~iischen Wohlfahrtsstaaten, die insgesamt fiber leicht niedrigere Sozialausgabenquoten verRigen. Daher bleibt der Koeffizient der Rentenausgaben-Variable auch weiterhin negativ, w~ihrend die Ausgaben fiir Familie sowie die Summe aus Ausgaben ftir Familie und aktive Arbeitsmarktpolitik einen positiven Koeffizienten aufweisen. SchlieBt man allerdings die allgemeine Sozialausgabenquote aus dem Modell aus, dann zeigt sich eine starke, positive Assoziation zwischen den Bildungsausgaben und diesen Unterarten. 166 Ausgaben fiir Familienpolitik und AAMP k6nnen n~imlich nicht nur als Bestandteile des universalistischen WohlfahrtsstaatsModells betrachtet werden, sondern auch als Elemente eines ,,sozialinvestiven", auf die Bediirfnisse der jiingeren Generation ausgerichteten und starker um die Zukunftsvorsorge bemiihten Sozialstaats-Typus angesehen werden. Andere Wohlfahrtsstaaten legen ein grfBeres Schwergewicht auf die groBziigige Kompensation sozialer Risiken wie Arbeitslosigkeit und Alter. Die Bildungsausgaben kommen in diesen haupts~ichlich aus der Gruppe der kontinentaleurop~iischen Wohlfahrtsstaaten bestehenden L~indem eher zu kurz, wie die negative Assoziation zwischen der Summe aus den Ausgaben Rir Renten und Arbeitslosigkeit (passive, konsumtive Ausgaben) und den Bildungsausgaben belegt (Modell 3). Wie kann erkl~irt werden, dass unterschiedliche Lander der Bildungspolitik auch einen unterschiedlichen Stellenwert zuschreiben? Heidenheimer (1981) erkl/irt das Entstehen dieser Ausgabenmuster vor allem mit den Unterschieden in der St~irke verschiedener christlicher Religionen und der relativen Abfolge (, Timing') der makro-sozialen Prozesse der Biirokratisierung und Demokratisierung. Die Befunde der Analyse der 6ffentlichen Bildungsfinanzen am Ende des 20. Jahrhunderts legen jedoch auch eine andere Erkl~irung zu Tage: Neben historischen und religi6sen Kr~iften diirften auch die Finanzierungsbedingungen der Bildungspolitik eine entscheidende Rolle spielen. Dies betrifft zum Einen die Finanzierung der Bildung im eigentlichen Sinne, aber auch zum Anderen die Finanzierungsmodalit~iten angrenzender Politikfelder wie der Sozialpolitik. Als weitere Gradmesser fiir die Auspr~igung des Kampfes um knappe Mittel wurden die Zinszahlungen (in Prozent des BIP) und der Stand der 6ffentlichen Verschuldung (ebenfalls in Prozent des BIP) in die Untersuchung einbezogen. Auch hier zeigt sich ein negativer Zusammenhang mit den 6ffentlichen Bil-
166Diese Modellergebnisse sind hier nicht pr/isentiert.
258
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
dungsausgaben. Je h6her die Zinszahlungen, die zu leisten sind, und je h6her die Staatsverschuldung, desto niedriger die 6ffentlichen Bildungsausgaben. Wenn es keine Diskriminierung zwischen verschiedenen Ausgabenbereichen geben w/Jrde, dann m/isste eine Versch~irfung des fiskalischen Klimas in Form von h6herer Staatsverschuldung alle Ausgabenarten gleichermal3en treffen, d.h. wenn ein negativer Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Bildungspolitik nachgewiesen werden kann, dann m/isste dieser auch ftir die anderen Ausgabenfelder gelten. Bivariate Korrelationen zeigen jedoch, dass der Stand der Staatsverschuldung nur mit den 6ffentlichen B ildungsausgaben negativ (-0,11), mit den Ausgaben fiir Sozialpolitik (0,17) oder ftir Rente (0,27) aber positiv korreliert. Bei den Zinszahlungen ist die bivariate Korrelation mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben relativ stark ausgepr~ig* (-0,33), mit den Sozialausgaben nur sehr schwach (-0,03). Die bivariaten Korrelationen und die Befunde der kombinierten L~ings- und Querschnittsanalyse suggerieren, dass die Bildungsausgaben starker negativ von einer Versch~irfung des fiskalischen Klimas betroffen sind als die Sozialausgaben. Eine Begr/indung fiir diese Beobachtungen k6nnte in den Finanzierungsmodalit/iten der Bildungs- und Sozialausgaben zu finden sein. ~)ffentliche Bildungsausgaben werden in der Regel aus dem allgemeinen Steuerautkommen gedeckt. Sozialpolitik hingegen wird in einigen L/indem auch zu grogen Teilen durch Sozialbeitrgge an autonome Sozialversicherungen finanziert. Wenn wie in Deutschland in den Selbstverwaltungsgremien dieser Versicherungen Vertreter m/ichtiger Interessengruppen (Gewerkschaften, Arbeitgeberverb/inde) sitzen, dann ist zu erwarten, dass die Bestandschutzgarantie ftir sozialpolitische Errungenschaften hoch ist. Bei einer Verengung des fiskalpolitischen Spielraumes durch ansteigende Staatsverschuldung, steigende Zinszahlungen oder externe Schocks (Wiedervereinigung) kann der Gesetzgeber in die autonom verwalteten Sozialpolitikbereiche eingreifen wie in die aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanzierten Ausgabenfelder (wie Bildung). Wenn hingegen wie in Skandinavien oder mit Einschr~inkungen auch in den USA die Sozialausgaben sowie die Bildungsausgaben zu grogen Teilen aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden, so ist die Gefahr einer Unterfinanzierung der Bildung aufgrund tibersteigerter Besitzstandswahrung in der Sozialpolitik weniger ausgepr/igt. Somit kann der Faktor ,,Finanzierungsbedingungen der Bildungspolitik" auch einen Teil zur Erkl/irung der Variation der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten beitragen.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
259
,,Aufhol"-Prozess (Catch-up) Das Politkerbe in Form der Ausgabenh6he des Vorjahres spielt in dem Basismodell zur Erkl~irung der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote eine wichtige Rolle. Die Lehre vom Politikerbe bezieht sich allerdings nicht nur auf die Ausgabenhfhe der Vorperiode, sondem auch auf den Stand der Bildungsausgaben zu Anfang der betrachteten Zeitperiode. Hier ist zu erwarten, dass im Laufe der Jahrzehnte ein ,,Aufhol"-Prozess (Catch-up) stattfindet, so dass die Lander die zu Anfang der Untersuchungsperiode fiber eine niedrige Ausgabenquote verffigten, zu einem sp~iteren Zeitpunkt h6here Ausgaben aufweisen. Diese Dynamik ist in Grafik 4.12 abgebildet.
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich 4,00- O
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Offentliche Bildungsausgabe n zu Anfang de r 1970e r Jahre Grafik 4.12: Der ,,Aufholprozess der Bildungsausgaben", R2=0,68. Anmerkung: D~inemark und Spanien mussten aufgrund fehlender Daten aus der Betrachtung ausgeschlossen warden. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris.
Bildungsausgaben im internationalen liergleich
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Die Grafik zeigt, dass die These vom Catch-Up-Prozess bei den Bildungsausgaben eine gewisse Unterstiitzung findet. Die negative Steigung der Regressionsgeraden zeigt an, dass die L/inder, die zu Anfang der 1980er Jahre fiber eine hohe Bildungsausgabenquote verfiigten, in der nachfolgenden Periode eine weniger starke Wachstumsdynamik an den Tag legten oder, wie im Beispiel Schweden, sogar die Ausgabenquoten reduzierten. Umgekehrt 1/isst sich in den L~indem, die zu Anfang der 1970er Jahre relativ geringe Ausgabenquoten an den Tag legten, hernach ein s~rkeres Wachstum der Ausgaben beobachten. Besonders fiir die siideurop/iischen Staaten (Griechenland, Portugal) und die Schweiz zeigt sich ein gewisser Aufholprozess. In einer zweiten L~indergruppe (USA, Italien, Deutschland, Frankreich, Belgien, Norwegen, t3sterreich, Finnland) sind die Ausgabenquoten fiber die betrachteten zwei Jahrzehnte hinweg im Prinzip konstant geblieben. Eine dritte L/indergruppe (Schweden, Japan, GroBbritannien) zeichnet sich durch leichte bis mittelstarke Reduzierung der Ausgabenquoten aus, w/ihrend in der vierten L/indergruppe (Kanada, Irland, Niederlande) eine besonders deutliche Abnahme der Ausgabenquoten zu beobachten ist. Die Tatsache, dass die Ver~inderungsraten der meisten der betrachteten L~indem nicht positiv, sondem negativ sind, weist darauf hin, dass wir es weniger mit einem Nachholprozess der ehemals ausgabenschwachen Lander zu tun haben. Vielmehr haben die ehemals ausgabenstarken Lander ihre Ausgabenquoten reduziert. Die Untersuchung des bivariaten Zusammenhangs zwischen den heutigen Ausgaben und denen der friihen 1970er Jahre hat also keine iiberzeugende Best~itigung der Catch-up-These liefem k/Snnen. Wiirde diese These zutreffen, so k6nnte man zudem einen universalen Konvergenzprozess beobachten, denn die ehemaligen Pioniere rutschen ins Mittelfeld ab und die ehemaligen Schlusslichter riicken von unten auf. Die These von der Konvergenz der Ausgabenquoten stiitzt die Tatsache, dass die Standardabweichung der Ausgabenquoten 1980 noch 1,28 betrug und 2001 auf 0,87 gefallen ist. Wie aus Grafik 4.12 ersichtlich, ist der Konvergenzprozess nicht nur durch ein Aufholen der ehemals ausgabenschwachen Lander verursacht worden, sondem mindestens ebenso stark durch ein Zuriickfallen der ehemals ausgabenstarken Lander. Zum Teil kann dieses Zuriickfallen der Lander damit erkl~irt werden, dass ein starkes Wirtschaftswachstum (Japan in den 1980er Jahren, Irland in den 1990er Jahren) zu einer Reduzierung der Ausgabenquoten bei gleich bleibenden oder ansteigenden ProSchiiler-Ausgaben geftihrt hat. Dies 1/isst sich, wie wir weiter gesehen haben, auch in den US-amerikanischen Bundesstaaten beobachten. Die Inklusion der Variable ,,H6he der Bildungsausgabenquote zu Beginn der 1970er Jahre" in eine multivariate Regressionsanalyse (Tabelle 4.3) liefert weitere Anhaltspunkte dafiir, dass die These von der Existenz eines Aufholungsprozesses nicht g~inzlich von der Hand zu weisen ist. Das negative Vorzeichen die-
262
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
ses Koeffizienten deutet an, dass die Lander, die vor der Untersuchungsperiode in den 1970er Jahren 167 fiber eine relativ geringe Ausgabenquote verfiigten, in der Folgeperiode eine ziigigere Expansion durchlebten. Abgesehen davon, dass der Koeffizient nur auf dem 10%-Niveau statistisch signifikant ist, erscheint es relativ schwierig, die tatsachliche Gr613e des Catch-Up-Effektes abzuschatzen: Die Analysen der Tabelle 4.3 beziehen sich auf die abhangige Variable des Ausgabenniveaus und nicht die Verandemngsraten. Das heil3t, eine negative Beziehung zwischen den Ausgabenniveaus der 1970er und 1980er / 1990er Jahre bedeutet, dass die Lander, die in den 1970er Jahren wenig ausgegeben haben, heute viel ausgeben und / oder umgekehrt. Wie wir in der methodischen Hinleitung zu diesen Analysen jedoch betont haben, erfasst die von Beck und Katz (1995, 1996) vorgeschlagene Modellspezifikation durch die Inklusion der lagged dependent variable zum grol3en Teil auch die Verandemng der abhangigen Variable in der Langsschnittdimension, weil die unabhangigen Variablen abgesehen von der LDV vor allem die Unterschiede zwischen dem aktuellen und dem Vorperioden-Wert der abhangigen Variable erklaren. Dies kommt uns jetzt zu Gute, denn die These vom Catch-Up bezieht sich vor allem auf die Zeitdimension: Je niedriger (h6her) der Stand der Ausgaben zu Anfang oder vor der Untersuchungsperiode, desto h6her (niedriger) die Wachstums-oder Veranderungsraten. Insofem dfirfte der negative Koeffizient der Catch-Up-Variable auch einen Teil dieser Variation in der Langsschnittdimension erfassen. Wenn aber anstelle des Niveaus die Veranderungsrate der Bildungsausgabenquoten (als 5-JahresDurchschnitt, siehe unten) als abhangige Variable analysiert wird, so zeigt sich, dass die Variable ,,Ausgabenquote zu Anfang der 1970er Jahre" nicht statistisch signifikant ist.
Fiskalische Dezentralisierung Der Grad der fiskalischen Dezentralisierung (gemessen an dem Anteil der Steuereinnahmen, fiber den die lokale Regierungsebene ffei und autonom verfiigen kann, siehe Stegarescu 2004) ist positiv mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben assoziiert, aber ebenfalls nur auf dem 10%-Niveau statistisch signifikam. Die These vom positiven l]berbietungswettbewerb zwischen unteren Regierungsebenen findet somit eine gewisse, vorlaufige Bestatigung. Dies ist insofern von Bedeutung, weil dieser Effekt unabhangig ist von dem Status eines Landes im 167 ES wird hier generell von den 1970er Jahren gesprochen, weil der erste verffigbare Datenpunkt air die einzelnen Lander nicht immer 1970 ist, sondern teilweise auch zwei, drei oder vier Jahre spS.ter. Die betreffende Variable ist somit eine air jedes Land unterschiedliche Konstante, in der der erste verfiigbare Datenpunkt ffir die 6ffentliche Bildungsausgabenquote abgelegt ist.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
263
Hinblick auf die Unterscheidung zwischen unitarischen und f'6deralistischen L~indem. Die Dummy-Variable, die konstitutionellen Ffderalismus anzeigt, hat sich in allen Analysen als wenig erkl~irungskr~iflig erwiesen. Im Veto-Index, der ja iiberwiegend negativ mit den Bildungsausgaben assoziiert ist, werden allerdings einige Charakteristika von Mehrebenen-Regierungssystemen erfasst (Bikameralismus, Ffderalismus, EU-Mitgliedschafl). Der positive Regressionskoeffizient der Variable ,,fiskalische Dezentralisierung" suggeriert jedoch, dass es weniger auf die konstitutionelle Zuschneidung eines Regierungssystems und die damit verbundene Schaffung von formell unabh~ingigen Regierungsebenen ankommt, sondern starker auf deren tats/ichliche Autonomie. Wenn die Fiskalkompetenzen der lokalen Regierungseinheiten stark ausgebaut und die Politikverflechtung zwischen Regierungs- und Verwaltungsebene beschr/inkt sind, dann kfnnte dies eine verst~irkte Bereitstellung lokaler Dienstleistungen wie Bildung zur Folge haben. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen liefern darauf erste Hinweise, weitere Forschung ware hier allerdings angebracht. Die Betrachtung einzelner L/inderbeispiele passt jedoch gut ins Bild: In den skandinavischen L~indem ist trotz Unitarismus und eines relativ hohen Zentralisierungsgrades der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft die Tradition der lokalen Regierungsautonomie verwurzelt. In diesen L~indem beobachten wir auch die hSchsten 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten. Im Falle Deutschlands hingegen ist die fiskalische Autonomie der lokalen Regierungsebene durch Politikverflechtung stark eingeschr~.kt. Die 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten liegen korrespondierend dazu im unteren Mittelfeld. In den USA gibt es grol3e Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten hinsichtlich des Mal3es an fiskalischer Autonomie, welches den lokalen Regierungsinstitutionen einger~iumt wird. Wie im US-intranationalen Vergleich in Kapitel 2 gesehen, hat eine hohe lokale, fiskalische Autonomie der Schuldistrikte hShere durchschnittliche Pro-SchiilerAusgaben zur Folge
Etatisierungsgrad: Staatsausgabenquote minus Bildungsausgabenquote Integrationsindex (Siaroff) Siaroff-Index quadriert
0ffentliche Sozialausgabenquote Staatsausgabenquote
Modell Abh. Variable B ildungs aus gaben des Vorjahres (LDV) BIP pro Kopf in 1000 Dollar Wachstums des realen BIP Anteil der 5-29J~ihrigen an der Bev61kemng Veto-Index
0.010 (3.21)** 0.007 (2.32)*
-0.018 (3.12)**
-0.021 (3.46)**
-0.006 (1.14)
-0.022 (3.63)** 0.024 (3.48)**
(2) (3) Bildungsausgabenquote 0.888 0.869 (31.70)** (31.40)** 0.017 0.016 (3.74)** (3.58)** -0.040 -0.042 (4.71)** (5.05)** 0.016 0.028 (2.37)* (4.08)**
..
(1) Offentliehe 0.864 (28.06)** 0.020 (4.26)** -0.039 (4.56)** 0.020 (2.93)**
0.015 (4.31)**
-0.025 (4.08)** 0.013 (3.12)**
(4) (5) in % des BIP 0.858 0.875 (32.88)** (36.63)** 0.021 (4.96)** -0.039 -0.046 (4.89)** (5.77)** 0.029 0.021 (4.46)** (3.83)**
0.020 (0.81)
-0.021 (2.58)** 0.014 (3.88)**
0.863 (30.25)** 0.017 (4.27)** -0.043 (5.42)** 0.024 (3.90)**
0.873 (36.38)** 0.020 (4.66)** -0.046 (5.69)** 0.020 (3.66)** -0.029 (3.85)** 0.014 (3.42)**
(7)
(6)
-0.093 (0.96) 0.019 (1.14)
-0.019 (2.36)* 0.014 (4.00)**
0.861 (30.59)** 0.019 (5.04)** -0.043 (5.37)** 0.027 (4.27)**
(8)
-0.635 (2.33)* 424 20
-0.408 (1.50) 424 20
-0.663 (2.51)* 424 20
(3.95)** -1.071 (3.79)** 446 21
0.009 -0.508 (2.43)* 459 21
0.082 (2.44)*
-0.476 (2.23)* 459 21
0.001 (1.81)
-0.599 (2.61)** 459 21
-0.608 (2.67)** 459 21
Tabelle 4.4" Determinanten der/iffentlichen Bildungsausgabenquote: Alternative Modellspezifikationen, 1980-2002, 21 OECD-L/inder. Anmerkung: Fiir die Schweiz keine OECD-Daten zu Staatsausgaben verfiigbar, daher in den Modellen 1-3 nur 20 beobachtete L~inder.
N Zahl der LSnder Panel-corrected z-Statistiken in Klammem * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
Konstante
Anteil der Katholiken an Bev61kerung, 1900 Katholizismus (Castles-Dummy) Frauenerwerbsquote
266
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Frauenerwerbsquote
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Fraue n e r w e r b s q u o t e 2002
Grafik 4.13: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher Bildungsausgabenquote und Frauenerwerbsbeteiligung, 2001, R2=0,32. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg~inge; "Female Total Labour Force in % of population from 15-64 years"; Quelle: OECD: Labour Force Statistics, 2003, Paris (1982-2002); OECD: Labour Force Statistics, 1984, Paris (1963-1983). In der bivariaten Analyse (siehe Grafik 4.13) zeigt sich ein relativ starker, positiver Zusammenhang zwischen den 6ffentlichen Bildungsausgaben und der Frauenerwerbsquote (Anteil der erwerbst/~tigen Frauen in % der Bev61kemng zwi-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
267
schen 15 und 64 Jahre). 168 Die Ergebnisse der multivariaten Regressionsanalyse (Modell 4 der Tabelle 4.4) best/itigen den Befund einer positiven Assoziation. Aufgrund von Multikollinearit~itsproblemen musste in diesem Modell das BIP pro Kopf t69 und der Veto-Index 17~aus dem Modell entfemt werden. Dies ist auch der Grund, weshalb die Frauenerwerbsquote nicht in das Basis-Modell aufgenommen werden konnte, obwohl diese Variable bei einer Vielzahl von Modellspezifikationen eine relativ robuste, positive Assoziation mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben an den Tag legt. Der Effekt ist ~ihnlich wie bei anderen unabh~ingigen Variablen im Vergleich zu den reinen Querschnittsanalysen lediglich nur noch ein Viertel so grol3. Entscheidend allerdings ist, dass es sich um einen positiven und statistisch signifikanten Zusammenhang handelt. Die bivariate Analyse und auch die multivariate, gepoolte Zeitserienanalyse k6nnen allerdings nur beschr/inkt darauf Antwort geben, in welche Richtung der Kausalit/itspfeil 1/iuft. Wie bereits oben in Kapitel 4 angedeutet, besteht statt einer unidirektionalen Kausalit/its- wohl eher eine Wechselbeziehung, in der Bildungsexpansion und Frauenerwerbsbeteiligung sich gegenseitig bedingen. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich die skandinavischen Lander anschaut: Ein grol3ziigig ausgebautes 6ffentliches Bildungssystem mit Bildungsangeboten vor allem im vorschulischen Bereich erm6glicht die Verwirklichung beruflicher Chancen Rir Frauen. Im gleichen Zug werden durch den ausgebauten Bildungs- und Sozialstaat berufliche M6glichkeiten fiir weibliche Arbeitskr~ifte geschaffen. Diese Berufsgruppen unterstiitzen als W/ihlerinnen daraufhin den Erhalt und weiteren Ausbau des universalen Wohlfahrtsstaates, so dass eine positive Aufw/irtsspirale in Gang kommen kann, die durch die Wechselbeziehung zwischen B ildungssystem und Frauenerwerbsbeteiligung angetrieben wird. Staaten wie Spanien, Italien, Irland oder Griechenland verftigen fiber eine im
168 A1TIScatterplot (Grafik 4.13) wird allerdings deutlich, dass die Beziehung zwischen Frauenerwerbsbeteiligung und Bildungsausgaben nicht unbedingt eine linear positive sein muss. Vielmehr kann es sich auch um einen nicht-linearen, U-f'6rmigen Zusammenhang handeln. Die U-Kurve verliefe dann von Italien und Spanien iiber Irland und Deutschland zu den skandinavischen Staaten. Die Beziehung zwischen Frauenerwerbsquote ware demnach zun~ichst negativ, d.h. eine niedrigere Frauenerwerbsbeteiligung ware mit h6heren Bildungsausgaben verbunden. Erst mit steigender Frauenerwerbsbeteiligung wiirde sie sich in einen positiven Zusammenhang transformieren. Die These vonder U-Kurve h/ingt jedoch in starkem MaBe vonder Position der Lander Italien, Spanien und Irland ab, die alle aufgrund der herrschenden Traditionen des Katholizismus eine relativ geringe Frauenerwerbsbeteiligung aufweisen. Auch theoretisch ist die These von dem U-f'6rmigen Zusammenhang nicht besonders plausibel. 169Die Korrelation zwischen BIP pro Kopfund der Frauenerwerbsquote liegt bei ungef'fihr 0,7. 170Hier liegt die Korrelation immerhin bei -0.37.
268
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
internationalen Vergleich niedrige Frauenerwerbsbeteiligung, korrespondierend dazu auch fiber eine relativ niedrige 6ffentliche Bildungsausgabenquote. In diesen L/indem kommt der Bildungssektor als Besch/iftigungsfeld fiir Frauen oftensichtlich weniger zum Zuge als in den skandinavischen L/indem. Weiterhin dfirfte die niedrige Frauenerwerbsquote auch dazu beitragen, dass die Gesamtnachfrage nach B ildungsdienstleistungen, sei es in der Kinderbetreuung und im vorschulischen Bereich oder zur Befriedigung der eigenen Bildungsbedfirfnisse im post-sekund/iren Sektor, niedriger ist.
Der Faktor Religion In der multivariaten Regressionsanalyse wurde auf3erdem die vor allem von Castles (1989, 1994, 1998) prominent vertretene These der Bedeutung des Faktors Religion ~ r die H6he der Bildungsausgaben getestet (Modelle 5 und 6 in der Tabelle 4.4). Im Theoriekapitel habe ich versucht darzulegen, dass sich durchaus sehr gute Grfinde dafiir finden lassen, warum die Machtverh~iltnisse zwischen Protestanten und Katholiken und ihr jeweiliges Verh~iltnis zur staatlichen Bfirokratie und dem sich entwickelnden 6ffentlichen Wohlfahrtsstaat fiir die Auspr~igung der Unterschiede in den Bildungssystemen der OECD-Staaten nicht aul3er Acht gelassen werden dfirfen. Es ist meiner Meinung nach jedoch fraglich, ob sich die Wirkungsmacht des Faktors Religion im Rahmen einer quantitativen Analyse, die sich vor allem mit der aus historischer Perspektive jfingeren Geschichte der Bildungsfinanzierung befasst, nachweisen 1/isst. Die Variable ,,Katholizismus" basiert auf der von Castles (1994) vorgeschlagenen Einordnung der L~inder in katholisch und nicht katholisch gepr~igte (DummyVariable). Hier zeigt sich zwar ein signifikanter Effekt, doch weist das Vorzeichen in die nicht erwartete positive Richtung. Dies mag daran liegen, dass diese Variable auBer den sfideurop/~ischen Staaten und Irland vor allem relative Hochausgabenl~inder wie Belgien, 0sterreich und Frankreich erfasst. 171 Insofern ist fraglich, inwiefern der Einfluss des Faktors Religion im Rahmen einer staffstisch-quantitativen Analyse ad~iquat erfasst werden kann. Es ist vielmehr anzura171 Als alternative Operationalisierung wurde der Anteil der Katholiken an der Bev61kerung im Jahre 1900 aufgenommen. Dieses weite Ausholen in die Religionsgeschichte kann damit begrfindet werden, dass die Macht des Katholizismus vor allem in der frfihen Formationsphase der modernen Sozial- und Bildungsstaaten eine wichtige, pfadentscheidende Wirkung gehabt haben mfisste. Die Grundlagen des Bildungssystems, also zum Beispiel auch die Frage, inwiefern katholische Schulen geduldet oder sogar vom Staat subventioniert werden sollen, sind in dieser Zeitperiode geformt worden. Der Regressionskoeffizient der Variablen ,,Anteil der Katholiken an der Bev61kerung, 1900" ist immerhin auf dem 10%-Niveau signifikant, das Vorzeichen weist aber ebenfalls in die ,,falsche", n~imlich positive Richtung.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
269
ten, die Bedeutung von Religion im Rahmen historisch-qualitativer Fallstudien, wie in Kapitel 2.1 und 3.1 geschehen, herauszuarbeiten. AuBerdem ist weniger die Rolle des Katholizismus als Bremser der Expansion des 6ffentlichen Bildungsstaates in den Mittelpunkt zu stellen, sondem die Bedeutung bestimmter Spielarten des Protestantismus als expansionsf'6rderlicher Faktor (Schmidt 2004:16; Schmidt 2002d: 11-12). Protestantisch gepr~igte Lander zeichneten sich dadurch aus, dass sie die Schulpflicht friiher einftihrten (z.B. Preul3en, D/inemark, Schweden und Norwegen, vgl. Schneider 1982:211) und die Expansion der Massenbildung schneller und entschiedener vorangetrieben haben (Boli, Ramirez et al 1985: 165). Ffir dieses Ph~inomen bieten sich unterschiedliche Erkl~irungen an. Zum einen ist argumentiert worden, dass dem Glaubensdogma des Protestantismus eine sich auf die Bildungsexpansion giinstig auswirkende Geisteshaltung entspringe. Weil das religiSse Dogma dem einzelnen Individuum die alleinige Verantwortung ftir sein irdisches und himmlisches Heil iibertr~igt, wird auch die Notwendigkeit der Erlangung praktischer Fertigkeiten und theoretischen Wissens anerkannt und gef'6rdert (Dresselhaus 1997: 198). Zus~itzlich zu einer generellen Grundkonformit~it der protestantischen Kultur finden sich aber auch handfeste, interessengeleitete Griinde ftir die Bildungsfreundlichkeit protestantisch gepr/igter Staaten. Nach de Swaan (1988) waren die Kirchen der unterschiedlichen Konfessionen in der Periode vor der Institutionalisierung nationaler Sprach- und Bildungskulturen mit einer strategischen Entscheidung konfrontiert: Befand sich eine Kirche in einer eindeutigen Mehrheitsposition, so war es fiir sie durchaus rational, sich fiir die Errichtung eines universalen Bildungssystems und einer nationalen Sprache stark zu machen (ebd.: 8384). Wo dies aber nicht der Fall war und die Mehrheitsverh~ilmisse zwischen den Konfessionen unklar waren, barg die Institutionalisierung einer universalen Massenbildung die Gefahr einer Dominierung durch andere Konfessionen. Die gebildeten und des Lateinischen m/ichtigen, lokalen kirchlichen Eliten hatten vor der Etablierung nationaler Sprachen eine bedeutende Machtposition inne, die durch die Errichtung nationaler Bildungs-, Sprach- und Kultursysteme, die nicht vonder eigenen Konfession dominiert waren, emsthaft in Gefahr gebracht werden konnten (ebd.: 84). Eine grSBere konfessionelle Homogenit~it der nordischen Lander k6nnte somit erkl~iren, warum dort die protestantische Kirche einen engeren Zusammenschluss mit staatlichen Organen gesucht und erfolgreich vollzogen hatte. Deutschland war konfessionell heterogener, die Kirchen w~iren daher eher auf die Wahrung der eigenen Besitzst~inde und ihrer Autonomie bedacht. Bedeutend sind aber auch Unterschiede zwischen verschiedenen Spielarten des Protestantismus: Die protestantische Konfession des Lutheranismus, die sich in den skandinavischen L~indem verbreitete, unterscheidet sich in Charakter und Auswirkung deutlich von den verschiedenen Typen des reformierten Protestan-
270
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
tismus, die vor allem in den USA, aber auch in der Schweiz und den Niederlanden eine wichtige, wenn nicht dominierende Rolle gespielt haben (Manow 2004). Die verschiedenen Spielarten des reformierten Protestantismus unterscheiden sich vom Lutheranismus vor allem darin, dass sie eine starke antietatistische Position einnehmen (ebd.: 6), welches von Manow als Grund fiir die gebremste Entwicklung der Sozialstaatlichkeit in den vom reformierten Protestantismus beeinflussten L~indem gesehen wird (ebd.: 10-20). W~ihrend also der lutheranische Protestantismus die Expansion des 6ffentlichen Bildungs- und Sozialstaates in den skandinavischen Staaten begtinstigt hat, so hat die Bedeutung des reformierten Protestantismus und des religi6sen Pluralismus allgemein in den USA die Weichen auf weniger Staat und mehr Privatinitiative auch in der Bildungspolitik gestellt.
Korporatismus Die Modell 7 und 8 der Tabelle 4.4 besch~iftigen sich mit der These von der Bedeutung korporatistischer Institutionen. Modell 7 zeigt, dass Korporatismus (gemessen durch den von Siaroff (1999) entwickelten Index) nicht mit den Bildungsausgaben assoziiert ist. In Modell 8 wurde neben dem Siaroff-Index auch dessen quadrierte Form in das Modell mit einbezogen, um die These von der UF6rmigkeit des Zusammenhangs zwischen linken Machtressourcen (in diesem Fall vorl~iufig operationalisiert durch den Siaroff-Index) zu testen. Zwar sind beide Regressionskoeffizienten nicht statistisch signifikant. Die Tatsache, dass sie fiber unterschiedliche Vorzeichen verfiigen, k6nnte aber darauf hindeuten, dass die Bildungsausgaben vor allem in den Staaten hoch sind, die entweder fiber einen ~iul3erst schwach oder fiber einen ~iul3erst stark ausgebauten Korporatismus verffigen. Die Staaten mit mittelstarken korporatistischen Institutionen (und im weiteren S inne mittelstarken Machtressourcen) w~iren demnach durch niedrige Bildungsausgaben gekennzeichnet, weil die Linke zuv6rderst darauf bedacht ist, die knappen 6ffentlichen Mittel in den Interessen ihrer Mitglieder n~iher stehende Bereiche wie die Renten-, Kranken- oder Arbeitslosigkeitsversicherung umzulenken. Wenn man sich nur die Rangverteilung der 6ffentlichen Ausgaben anschaut (Grafik 4.1), so trifft dieses Bild aber nur begrenzt zu. Zwar liegen die hochkorporatistischen Staaten Skandinaviens (aber auch Osterreich) bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben vorne. Aber die Staaten mit schwach ausgebauten korporatistischen Institutionen (vor allem die Staaten der angels~ichsischen L~inderfamilie) liegen eben nicht in der Spitzengruppe, sondem bestenfalls im Mittelfeld. Berticksichtigt man allerdings die privaten B ildungsausgaben, so ~indert sich dieses Bild wieder: Dann k6nnen Staaten wie die USA, Kanada und mit Einschr~inkungen auch Australien durchaus mit der Spitzengruppe bei den 6f-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
271
fentlichen Ausgaben mithalten. Schwache korporatistische Institutionen gehen einher mit einer Ausrichtung der Staat-Markt-Arbeitsteilung auf marktwirtschaftliche, private L6sungen ffir Kollektivprobleme. Dass auch bei der Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen den privaten Akteuren eine gr613ere Rolle zukommt, ist somit zu erwarten. Schwache Gewerkschaften und relativ schwach ausgepriigte korporatistische Institutionen kfnnen fiber die unmittelbare Befriedigung der Lohnimeressen ihrer Mitglieder hinaus kaum gestaltenden Einfluss nehmen auf staatliche Sozialpolitik. Dies erkl~xt zum Teil auch den sozialpolitischen Nachziiglerstatus dieser Lander. Die Priiferenz flit private statt staatlicher Lfsungen hat jedoch auch dazu beigetragen, dass im Fall der Bildungspolitik private Institutionen vor aUem im Tertiiirbereich eine starke Stellung aufbauen konnten. Insofem ist die Frage der Bedeutung der korporatistischen Institutionen aufjeden Fall wieder bei der Analyse der privaten Ausgaben aufzugreifen.
Machtressourcen und Parteieneffekte Die Untersuchung des Einflusses von Variablen aus der Machtressourcemheorie und der Parteiendifferenzlehre im Rahmen multivariater Regressionsanalysen ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. 13blicherweise, wie auch in unserem Fall, wird in dem Datensatz die jeweils aktuelle parteipolitische Zusammensetzung der Regierung erfasst. Wie wir weiter oben bereits gesehen haben, ist jedoch das Politikerbe auch in der Bildungspolitik eine ungemein wichtige Gr6Be. Es macht also einen Umerschied, ob eine Partei in einem Land an die Macht kommt, in dem sie traditionsgemiiB eine Vormachtstellung genieBt (wie die Sozialdemokraten in Skandinavien), oder ob sie aus einer strukturellen Minderheitenposition die Regierungsmacht erlangen konnte. Damit kommt es also nicht nur auf die jeweils aktueUe parteipolitische Zusammensetzung der Regierung an, sondem auch auf die parteipolitische ,,Geschichte" eines Landes. Daher ist in den Grafiken 4.14 und 4.15 auch nicht die aktuelle Regierungszusammensetzung abgebildet, sondem der Durchschnitt der Regierungsbeteiligung von Parteien der konservativen bzw. sozialdemokratischen Familie fiber die Jahre 1945-2002 gerechnet. 172 Auf der X-Achse findet sich somit ein Indikator ffir die generelle Dominanz einer parteipolitischen Familie in einem betreffenden Land. Die Wirkungseffekte flit die sozialdemokratische und die konservative Familien sind im Vergleich zu denen der anderen Parteifamilien am stiirksten ausgepriigt: Ein durchschnittlich hoher Anteil der Sozialdemokraten an der Regierung ist demnach assoziiert mit h6heren Bildungsausgabenquoten (R2-0,34), wiihrend ein durchschnittlich hoher Anteil der Konservativen mit niedrigeren Ausgabenquo-
172Fiir Deutschland ab 1949.
272
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
ten einhergeht (R2=0,27). 173 Die Analyse parteipolitischer Effekte mit Hilfe von langj/ihrigen Durchschnittswerten anstelle der aktuellen parteipolitischen Zusammensetzung des Kabinetts (wie es in den folgenden gepoolten Analysen der Fall sein wird) macht insofem Sinn, weil die langj~ihrige Vorherrschaft einer Parteienfamilie die institutionelle Konfiguration des Wohlfahrtsstaates derart pr~igt, so dass auch ein Regierungswechsel zu einer anderen Familie nur einen begrenzten Richtungswechsel in der Politik zur Folge hat. Dies gilt besonders dann, wenn man sich nicht die Ver~inderungsrate, sondem das Ausgabenniveau (wie in unserem Falle) anschaut. Wenn z.B. eine konservative Regierung in einem sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat an die Macht kommt, so kann sie nicht innerhalb weniger Jahre die in Programmen und Gesetzen institutionalisierte Ausgabenpolitik all ihrer sozialdemokratischen Vorg/ingerregierungen innerhalb kurzer Zeit riickg~ingig machen. Zur Erkl~irung der Variation der Bildungsausgaben zeigt sich jedenfalls, dass die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung und die Vorherrschaft bestimmter Parteifamilien in der langen Frist durchaus einen betr~ichtlichen Unterschied machen k6nnen. Dies suggeriert zumindest die bivariate Analyse.
173 Im intranationalen Vergleich der deutschen Bundesl/inder hingegen scheint eine negative Beziehung zwischen der Regierungsbeteiligung von Sozialdemokraten und der H6he der Bildungsausgaben zu bestehen, wie erste Befunde aus einem anderen Teilprojekt des DFG-Projektes ,,Bildungsfinanzen" unter Leitung von Prof. Manfred G. Schmidt ergeben haben.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
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Grafik 4.14: Zusammenhang zwischen 6ffentlicher Bildungsausgabenquote (2001) und Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten (1945-2001), R2=0,34. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Pads, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg~nge; Schmidt, Manfred G. (2003): Die parteipolitische Zusammensetzung von Regierungen in OECD-Demokratien.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
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Durchschnittliche r Kabinettsitzanteil k o n s e r v a t i v e r P a r t e i e n an de r R e g i e rung, 1945-2002
Grafik 4.15: Z u s a m m e n h a n g zwischen 6ffentlicher B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e (2001) und Regierungsbeteiligung k o n s e r v a t i v e r Parteien (1945-2001), R2=0,27. Quellen: "Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP"; Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrgfinge; Schmidt, Manfred G. (2003): Die parteipolitische Zusammensetzung von Regierungen in OECD-Demokratien. In der multivariaten, gepoolten Regressionsanalyse zeigen sich zumindest fiir die Subperiode der 1980er Jahre mittelstarke Parteien- und Machtressourceneffekte (Tabelle 4.5). Hir die sp~itere Periode (1990-2002) sind diese Parteienef-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
275
fekte nicht mehr nachweisbar. Insofern zeigt sich auch bei den Bildungsausgaben ein Trend, den Kittel und Obinger (2003) bereits bei der Analyse der Sozialausgaben beobachtet haben: Parteipolitische Erkl~irungsvariablen verfiigen in der jiingeren Zeit fiber eine geschw/ichte Erkl/irungskraft. Dies k6nnte darauf hindeuten, dass den Parteien im Zuge des Fortschreitens der 6konomischen Globalisierung ein immer geringer werdender Handlungsspielraum verbleibt und dass daher Parteieneffekte auf die Staatst~itigkeit nicht mehr nachweisbar sind. Auf der anderen Seite haben wir zumindest fiir den Fall der Bildungsausgaben gesehen, dass die allgemeine Sozialleistungsquote weiterhin positiv mit den Bildungsausgaben korreliert. AufSerdem ist in den bivariaten Scatterplots deutlich geworden, dass sich durchaus ein Zusammenhang zwischen der parteipolitischen F/irbung einer Regierung und den Bildungsausgaben nachweisen 1/isst, wenn der betrachtete Zeitraum lang genug ist. Das zentrale Argument hierbei ist, dass sich Parteieneffekte auch auf andere Art und Weise nachweisen lassen als durch die Inklusion der Variablen ,,parteipolitische Zusammensetzung der Regierung" in ein Regressionsmodell. Wenn etwa die Sozialausgabenquote positiv mit den Bildungsausgaben assoziiert ist und ein ausgebauter Bildungsstaat zum Teil als Korrelat eines ausgebauten Sozialstaates angesehen werden kann, dann kann auch von einer indirekten Wirkung der parteipolitischen Variablen auf die Bildungsausgaben fiber die Sozialleistungsquote ausgegangen werden. Aufw/indigere statistische Verfahren kfnnten diesen Effekt eventuell nachweisen. Zu beachten ist jedoch, dass die Institutionalisierung des universalistischen Wohlfahrtsstaates vor allem in den Nachkriegsjahrzehnten stattgefunden hat. Die hernach einsetzende Pfadabh/ingigkeit k6nnte in der Tat ein Abweichen vom einmal eingeschlagenen Entwicklungsweg erschweren. Das heil3t, die aktuelle parteipolitische Zusammensetzung der Regierung k6nnte weniger bedeutend sein als die parteipolitische Farbung beispielsweise der ersten Nachkriegsregierung. Dies ist aber nicht gleichbedeutend mit der Aussage, dass Parteien und Machtressourcen keinen Unterschied machen, man sollte bei der Bewertung dieser Frage jedenfalls die politische Geschichte und die klassenbezogenen Grundlagen der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen im Hinterkopf behalten.
Regierungsanteil Konservative Index konserv. Machtressourcen
sourcen
Offentliche Sozialausgabenquote Regierungsanteil Sozialdemokraten Index linker Machtres-
Modell Abh. Variable Bildungsausgaben des Vorjahres BIP pro Kopf in 1.000 Dollar Wachstum des realen BIP Anteil der 5-29J/ihrigen an Bev. Veto-Index
-0.036 (7.27)** 0.019 (6.16)** -0.011 (2.00)* 0.009 (2.69)** 0.001 (2.01)* 0.000 (2.66)** -0.002 (4.85)**
(3.43)** -0.035 (7.12)** 0.021 (5.70)** -0.023 (4.22)** 0.006 (1.71)
-0.001 (5.85)**
(3.82)** -0.036 (7.65)** 0.027 (6.04)** -0.028 (4.18)** 0.008 (2.10)*
(4.03)** -0.033 (5.41)** 0.018 (5.57)** -0.021 (3.12)** 0.009 (2.12)*
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(3.84)** -0.037 (7.25)** 0.020 (5.73)** -0.011 (2.08)* 0.009 (2.51)*
(3.86)** (3.54)** -0.036 (7.00)** 0.019 (5.52)** -0.012 (2.71)** 0.011 (2.64)**
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o.ooo
o.ooo
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0.891 (33.25)**
0.886 (27.61)**
o.ooo
(6)
(s)
(1) (2) (3) (4) Offentliche Bildungsausgabenquote in % des BIP 0.897 0.892 0.893 0.878 (34.53)** (30.89)** (29.69)** (28.99)** (4.24)** -0.048 (6.18)** 0.019 (7.49)** -0.015 (3.40)** 0.010 (2.74)**
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0.897 (33.13)**
(7)
-0.528 (5.42)**
-0.526 (5.53)**
-0.510 (4.28)** 176 19
-0.712 (4.38)** 176 19
-0.461 (4.93)**
0.001 (1.07)
176 19
-0.437 (4.82)**
(2.61)**
-0.000
0.002 (2.94)**
(0.59) 0.001 (2.36)* -0.571 (9.18)** 176 19
-0.001
Tabelle 4.5: M a c h t r e s s o u r c e n und Parteieneffekte in den 1980er J a h r e n , 1980-1989, 19 OECD-L/inder. Anmerkung: Die Zahl der betrachteten L/inder reduziert sich von 21 auf 19, well ~ r D~inemark und Spanicn in den 1980er Jahren kcine OECD-Daten ~ r die 6ffentliche Bildungsausgabenquote ver~gbar sind.
176 176 176 N 19 19 19 Zahl der Lander Panel-corrected z-Statistiken in Klammem * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
Regierungsanteil nichtchristi. Mitte Regierungsanteil Christdemokraten Interaktion: Christd. und Wachtsum Regierungsanteil Liberaler Parteien Interaktion: Liberale und Wachstum Konstante
278
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
In der Subperiode der 1980er Jahre jedenfalls l~isst sich die Bedeutung der parteipolitischen F~irbung der Regierung noch nachweisen. Erwartungsgem~ig ist eine h6here Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten assoziiert mit einer h6heren B ildungsausgabenquote. Ein Wechsel von einer Regierung ohne Sozialdemokraten zu einer Regierung, die nur aus Sozialdemokraten besteht, geht demnach einher mit einem Ansteigen der Bildungsausgabenquote von 0,1 Prozentpunkten, also etwa der Hfilfle des Effektes, den eine Zunahme des BIP pro Kopf um 10.000 Dollar verursacht. Hierbei muss allerdings bedacht werden, dass der Parteieneffekt auf Jahresbasis gesch~itzt wird. Eine zehnjfirige, alleinige Regentschafl einer sozialdemokratischen Regiemng ware demnach verbunden mit einem Anstieg der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote um einen Prozentpunkt, was angesichts eines OECD-21-Durchschnittes von 5,1 Prozentpunkten (2001) nicht zu vemachlfissigen ist. Der Index linker Machtressourcen (eine Interaktionsvariable aus linker Regierungsbeteiligung und Siaroffs Integrationsindex) ist ebenfalls positiv mit den Bildungsausgaben assoziiert. 174 Die Gr6ge des Effektes ist mit dem parteipolitischen Effekt vergleichbar: Der Unterschied zwischen einer Regierung ohne Sozialdemokraten und einer Regierung nur aus Sozialdemokraten mit voll ausgebauten korporatistischen Institutionen betr~igt ebenfalls ungef'~ihr 0,1 Prozentpunkte pro Jahr in den 6ffentlichen Bildungsausgaben. 175 Auf der anderen Seite l~isst sich ein negativer Zusammenhang zwischen der Regierungsbeteiligung s~ikular-konservativer Parteien und den 6ffentlichen Bildungsausgaben nachweisen. Der Effekt ist dabei ungef'~ihr doppelt so grog wie bei den Sozialdemokraten, d.h. ein Wechsel von einer Regierung ohne Konservative zu einer Regierung, die nur aus Mitgliedern von konservativen Parteien besteht, ist demnach verbunden mit einem Riickgang der 6ffentlichen Bildungsausgaben yon 0,2 Prozentpunkten. Der Index rechter Machtressourcen als Interaktionsvariable zwischen dem Kabinettsitzanteil konservativer Parteien und der Abwesenheit korporatistischer Institutionen ist ebenfalls negativ mit den 6ffentlichen Bildungsausgaben assoziiert. Die Gr613e des Effektes ist hier allerdings nur halb so grog wie bei dem Index linker Machtressourcen. 176 W~ihrend ftir die Vertreter der beiden politischen Fliigel, die Sozialdemokraten und die Konservativen, der Nachweis eines Wirkungszusammenhangs mit
174 Der Index wird berechnet aus einer einfachen Multiplikation der Variablen ,,Kabinettsitzanteil der Sozialdemokraten" und dem Integrationsindex. Er kann demnach Werte annehmen zwischen 0 (keine Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten) und 500 (Regierung bestehend nur aus Sozialdemokraten und voll ausgebaute korporatistische Institutionen). 175Der Koeffizient der Index-Variable betrfigt ungef'~ihr 0,0002. Der vorhergesagte Unterschied zwischen einem Index-Wert von 0 und einem von 500 ist damit 500*0,0002=0,1. 176Der Koeffizient dieser Variablen betrfigt 0,0001.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
279
den Bildungsausgaben gelingt, so gilt dies nicht Rir die verschiedenen Parteifamilien der Mitte. Sowohl die Regierungsbeteiligung der Christdemokraten als auch der Liberalen hat im Hinblick auf die Hfhe der 6ffentlichen Bildungsausgaben keine Erkl/irungskraft. Wir hatten hier aber auch nur einen schwachen Effekt erwartet. Selbst die Regierungsbeteiligung nicht-christlicher Mitteparteien (dies sind vor allem die Linksparteien Nordamerikas) h~ingt nicht in statistisch signifikanter Weise mit den Bildungsausgaben zusammen, obwohl das Vorzeichen erwartungsgem/il3 positiv ist. In Erg/inzung zu den einfachen Thesen fiber den Einfluss der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung hatten wir ftir die Mitte-Parteien die These aufgestellt, dass diese einen Ausbau der Bildungsausgaben nur in wirtschaftlichen Prosperit/itsphasen verfolgen werden, weil in wirtschaftlichen Krisenzeiten andere Priorit/iten gesetzt werden. Daher wurden Interaktionsvariablen gebildet zwischen der Regierungsbeteiligung der Christdemokraten, der Liberalen sowie den Parteien der nicht-christlichen Mitte und dem Wirtschaftswachstum. Hierbei zeigt sich ein interessantes Muster: Wenn die Interaktionsvariable in das Modell aufgenommen wird, dann zeigt sich, dass eine Regierungsbeteiligung der Christdemokraten in positiver Weise mit den Bildungsausgaben zusammenh~ingt. Dies diirfte zum Teil die generelle Ausgabenfreudigkeit christdemokratisch gepr~igter Wohlfahrtsstaaten widerspiegeln. Das Vorzeichen der Interaktionsvariablen ist jedoch negativ: Das heif3t, die in wirtschaftlichen Wachstumsphasen zur Verfiigung stehenden Ressourcen werden nicht unbedingt ftir den Ausbau der 6ffentlichen Bildungsfinanzierung verwendet. Anstelle dessen dominieren andere Priorit~iten (spekulativ: Steuersenkungen, Ausbau der kompensatorischen Teile des Wohlfahrtsstaates). Fiir die liberale Parteifamilie l~isst sich jedoch ein positiver Effekt nachweisen: Eine Regierungsbeteiligung liberaler Parteien in wirtschaftlichen Prosperit~itsphasen wirkt sich ausgabensteigernd auf die B ildungsfinanzierung aus. Der Ausbau der B ildungsm6glichkeiten ist bekanntlich einer der Grundsteine liberaler Programmatik. Weil liberale Parteien aber selten in gleicher Weise die Regierungen dominieren wie Sozialdemokraten oder Konservative, kfnnte unser Befund dadurch erkl~irt werden, dass es den Liberalen nur in wirtschaftlichen Prosperit~itsphasen gelingt, ihre Koalitionspartner von der Notwendigkeit der Aufstockung der 6ffentlichen Bildungsausgaben zu iiberzeugen. Eine Anwendung der Regressionsergebnisse auf einzelne Lander kann zu einem besseren Verst~indnis der jeweiligen Position im internationalen Vergleich beitragen: Die Dominanz der Sozialdemokratie in den skandinavischen Staaten kann somit zum Teil die hohen 6ffentlichen Bildungsausgaben dort erkl~iren. Das Fehlen einer Linkspartei europ~iischer Pr~igung in den USA auf der anderen Seite scheint mit dafiir verantwortlich zu sein, dass die Position der Vereinigten Staa-
280
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
ten bei den 6ffentlichen Bildungsausgaben im intemationalen Vergleich lediglich im Mittelfeld ist. Die konservative Ideologie amerikanischer Pr/igung legt eine insgesamt skeptische Haltung gegeniiber staatlicher Politik an den Tag und gew/ihrt privaten Alternativen Vorfahrt vor staatlicher Regulierung. Dies kann auch den hohen Anteil der privaten Ausgaben in diesem Land erkl/iren. In Deutschland wiederum ist der Einfluss der christdemokratischen Parteifamilie spfirbar. Wie aus den Regressionsanalysen ersichtlich wurde, hat diese Parteifamilie ein ambivalentes Verh/iltnis zum 6ffentlichen Bildungsstaat. Dies kann sicherlich auch zum Teil erkl/iren, warum in Deutschland nach der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre die Finanzierung der Bildung des t3fteren anderen Priorit/iten nachgeordnet wurde.
Gewerkschaftsmacht Bei der Analyse des Einflusses von (linken) Regierungsparteien und Gewerkschaflsmacht auf die Bildungsausgaben zeigte sich ein methodisches und theoretisches Problem: Einfltisse des Faktors ,Gewerkschaflsmacht' und der Variable ,Regierungsbeteiligung linker Parteien' sind schwer voneinander zu trennen, weil ,,ihre geschichtlichen Entwicklungswege derartig ineinander verwoben waren" (Crouch 1985: 113). In einigen Analysen ist dann auch gar nicht der Versuch unternommen worden, die beiden Gr6gen zu trennen. Man hat dann eine vereinheitlichte Gr613e, die beide Faktoren zusammenfasst, als integrierter Indikator linker Macht / Dominanz verwendet (Garrett / Lange 1991: 545; Huber, Ragin et al. 1993: 717). Da sich die Variablen linke Regierungsbeteiligung, Gewerkschaflsmacht sowie das Vorhandensein korporatistischer Institutionen in einem engen kausalen Wechselverh/ilmis zueinander befinden, ist es relativ schwierig, die Einflusskr~ifle der unterschiedlichen Variablen getrennt zu beurteilen. Eine plausible Argumentation mag darin ihren Ausgangspunkt nehmen, dass linke Arbeiterparteien in der Anfangsphase der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung, auch durch den autokratischen Charakter der meisten politischen Systeme Europas bedingt, nicht besonders stark und schon gar nicht an der Regierung beteiligt waren (Hicks, Misra et al. 1995: 330). Also scheint der Faktor ,Regierungsbeteiligung linker Parteien' am Anfang der sozialstaatlichen Entwicklungsgeschichte noch nicht entscheidend gewesen zu sein. Viel eher hat die zunehmende St/irke der gewerkschafllichen Arbeiterbewegung in den Staatseliten die l]berzeugung hervorgerufen, nur durch partielles Entgegenkommen (z.B. durch das Gew/ihren sozialpolitischer Leistungen) eine Arbeiterrevolution verhindern zu k6nnen. Dies gilt sowohl fiir autokratische (Bismarck) als auch eher demokratische (Disraeli in Grol3britannien) Systeme. Starke Gewerkschaflsmacht und strategische Allianzen mit anderen Klassen (z.B. der agrarischen Klasse in Skan-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
281
dinavien) haben auf lange Sicht die Wahrscheinlichkeit der Regierungsbeteiligung linker Parteien erh6ht. Eine starke Linke und ein hoher gewerkschaftlicher Konzentrationsgrad waren dann wiederum die organisatorischen Vorraussetzungen fiir die Errichtung korporatistischer Institutionen (Lehmbruch 1977:111), die wiederum eine die sozialdemokratische Hegemonie unterstiitzende Wirkung erzeugten. Im Rahmen einer international vergleichenden quantitativen Analyse ist es relativ schwer, die Einflusswirkung aller drei Faktoren zu trennen. In den eben diskutierten Analysen der 5ffentlichen Bildungsausgaben wurde daher zun/ichst ebenfalls der Weg beschritten, einen vereinheitlichten Indikator linker Machtressourcen zur Anwendung zu bringen. 177 Eine deskriptive Betrachtung der relativen Gewerkschaftsst/irke in verschiedenen Staatengruppen und der entsprechenden Verteilung der Bildungsausgaben kann jedoch ebenfalls einige Hinweise darauf liefern, inwiefem die These von der U-F6rmigkeit der Assoziation zwischen Gewerkschaftsmacht und 5ffentlichen Bildungsausgaben zutrifft. In den USA (und anderen Staaten der anglo-amerikanischen L/inderfamilie) haben wir zum Beispiel schwache Gewerkschaften, daher eine wenig ausgebaute Sozialpolitik. Die Interessen der Oberklassen und die der Mittelklassen, die dadurch starker zum Tragen kommen, haben den Ausbau von 6ffentlichen (fiir die Mittelklasse) und privaten (ftir die Oberklasse) Bildungsinstitutionen bef'6rdert. Die gewerkschaftlichen Organisationen Skandinaviens (und mit Einschriinkungen auch die Arbeitgeberverbiinde) kommen Olsons Begriff von ,,encompassing organizations" sehr nahe. Der Organisationsgrad (also der Teil der Arbeitnehmerbev61kerung, der Mitglied in einer Gewerkschaft ist) ist sehr hoch, korporatistische Entscheidungsstrukturen sind fest institutionalisiert. Gewerkschaften in Skandinavien haben daher nicht nur ein Interesse an einem ausgebauten Sozialstaat, sondern auch daran, diesen Sozialstaat und seine Voraussetzung der wirtschaftlichen Leistungsfiihigkeit auch fiir die Zukunft zu erhalten, nicht zuletzt, weil er eine Quelle politischer Macht fiir die Linke darstellt. Die starke Machtposition der Linken erm6glicht den zur Deckung der hohen 6ffentlichen Ausgaben notwendigen Ausbau des Steuerstaates gegen die Interessen der oberen Schichten. Als ,,encompassing organizations" liegt den Gewerkschaften aber daran, diese fiskalischen Ressourcen nicht ausschlieBlich zur Verfolgung von Eigeninteressen zu verwenden, sondem fiir Investitionen in Bildung, die letzten Endes ebenfalls im aufgekl/irten Eigeninteresse der Gewerkschaften sind. In der so genannten konservativen Welt der kontinentaleurop/iischen Wohlfahrtsstaaten hat die mittelstarke Machtposition der Gewerkschaften dazu beigetragen, die Position des Arbeitnehmers durch sozialpolitische Leistungen abznasi177 Das Testen des Einflusses von Gewerkschaftsmacht auf die Bildungsausgaben wird auBerdem dadurch erschwert, dass die Datenlage entweder eine signifkante Reduzierung der Fallzahl oder ein erhebliches Absenken des Messniveaus notwendig gemacht h/itte.
282
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
chem. Weil die Machtposition der Linken aber nicht so stark wie in Schweden war und daher der fiskalischen Extraktionsfiihigkeit gewisse Grenzen gesetzt waren und weil die Gewerkschaften nicht den Charakter von ,,encompassing organizations" hatten, wurden Investitionen in Bildung und Humankapital, die zum langfristigen Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsf'~ihigkeit notwendig sind, der Befriedigung unmittelbarer, sozialpolitischer Bedfirfnisse untergeordnet. Diese These deckt sich mit der Beobachtung, dass die Sozialpolitik (und hier vor allem die transferintensive Sozialpolitik, die in Form von Renten- und Arbeitslosenversicherung dem ansonsten wenig Hilfe bedfirfenden ,Normal'Arbeitnehmer besonders zu Gute kommt) eine im internationalen Vergleich weitaus gr613ere Rolle spielt.
Intemationale Hypothese Der Grad der Offenheit der Volkswirtschaft, also der Kemindikator zum Testen der intemationalen Hypothese, steht in keiner statistisch signifikanten Assoziation zu den Bildungsausgaben. Auch die Mitgliedschaft in der Europ~iischen Union ist keine Determinante der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote. Die intemationale Hypothese hat sich zur Erkl~irung der Variation der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten daher insgesamt als nicht erkl/irungsstark erwiesen. Dies mag daran liegen, dass die Bildungspolitik und vor allem ihre Finanzierung vielleicht sogar noch in st~irkerem Mal3e als die Sozialpolitik eine Angelegenheit der Nationalstaaten ist. Ein potentiell von den intemationalisierten Finanz- und Produktm~irkten ausgehender Druck auf die Staatsfinanzen hat sich bislang noch nicht auf die Bildungsausgaben durchgeschlagen. Auf der anderen Seite finden sich auch kein Nachweise dafiir, dass die OECD-Staaten quasi als Reaktion auf den verst~irkten Wettbewerb ,,um die besten K6pfe" auf dem Weg in eine Wissens- und Dienstleistungsgesellschafl verst/irkt Investitionen in Humankapitalentwicklung betreiben, sonst mfisste ein positiver Zusammenhang zwischen den Indikatoren der intemationalen Hypothese und den Bildungsausgaben nachzuweisen sein.
4.2.2.2
Offentliche Bildungsausgabenquoten- Veriinderung
Im Folgenden werden als Abschluss der Analysen der 6ffentlichen Bildungsausgaben die Ergebnisse der Regressionsrechnungen mit den Ver~inderungsraten der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote als abh~ingige Variable berechnet (Tabelle 4.6). Um kurzfristige Schwankungen der abh~ingigen Variablen auszugleichen, wurden auf Grundlage der j~ihrlichen Ver~inderungsraten 5-JahresDurchschnittswerte berechnet. Dies ist natiirlich auch ffir die betreffenden unab-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
283
h~_ngigen Variablen vorgenommen worden. Somit ergeben sich insgesamt vier 5Jahres-Perioden. AufSerdem mussten Spanien und D/inemark aus dem Sample entfemt werden, fiir die erst seit Ende der 1980er Jahre OECD-Daten fiber die Bildungsausgaben vorliegen.
Modell Abh. Variable
Niveau der B ildungsausgaben der Vorperiode Anteil der 13ber-65-J/ihrigen an Bev61kerung Ver/inderung des Anteil der Uber65-J/ihrigen r Sozialausgabenquote Vefiinderung der 6ffentlichen Sozialausgabenquote Ver/inderung der Zinszahlungen fiir 6ffentliche Schulden (in % des BIP) Regierungsanteil liberaler Parteien Bildungspartizipation im terti/iren Sektor Konstante
(1) (2) Ver/inderung der Bildungsausgabenquote (Bildungsausgaben in % des BIP) -0.037 -0.046 (6.65)** (3.10)** 0.002 (0.44) -0.115 -0.067 (5.15)** (1.52) 0.002 (0.61) 0.084 0.060 (6.89)** (3.69)** -0.106 (4.11)** 0.002 (3.80)** 0.001 (2.00)* 0.119 0.140 (2.92)** (1.99)* 72 74 0,49 0,33 19 19
N R2 Zahl der Lander Panel-corrected z-Statistiken in Klammern * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
Tabelle 4.6: Verfinderung der Bildungsausgabenquote, 5-Jahres-PeriodenDurchschnitte, von 1980 bis 1999. In allen drei Modellen zeigt sich, dass die Ausgaben der Vorperiode negativ und statistisch signifikant mit der Ver/inderungsrate der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote assoziiert sind. Das negative Vorzeichen dieser Variablen besagt lediglich, dass die Wirkung eines exogenen Schocks auf die abh~ingige Variable im verlauf der Zeit wieder abnimmt und einem langfristigen Gleichgewicht
284
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
zustrebt (Iversen / Cusack 2000: 330). Ware dieser Koeffizient positiv, so w/irden die Ausgaben der Vorperiode zu einer immer weiter ansteigenden Vefiinderungsrate und damit zu einer nicht anhaltenden Expansion der Ausgaben fiihren. Das negative Vorzeichen deutet also darauf hin, dass sich die B ildungsausgaben und ihre Ver~inderungsraten innerhalb eines langfristigen Gleichgewichtsprozesses befinden und nicht einer ungebremsten Expansion unterliegen. Im Modell 1 sind aul3er der lagged dependent variable lediglich demographische Variablen enthalten, denn von diesen kann eine besondere Wirkung auf die Ver~inderungsrate der B ildungsausgaben erwartet werden. Dabei ist es hilfreich, sowohl die Ver~inderungsrate (first differences) der unabh~ingigen Variablen als auch deren Niveau einzubeziehen. Die Koeffizienten der Vefiinderungsraten zeigen n~imlich den kurzfristigen Effekt dieser Variablen an, w~ihrend die Koeffizienten der Niveaus angeben, ob diese Variable zu einer Neuausrichtung des l~ingerfristigen Gleichgewichts beitr/igt (Kaufman / Segura-Ubiergo 2001: 586-587). Die Modelle 1 und 2 zeigen, dass die Variablen ,,6ffentliche Sozialleistungsquote" und ,,Ver/inderung des Bev61kerungs-Anteils der lJber-65-J/ihrigen" einen eher kurzfristig wirkenden Effekt auf die Ver~inderungsraten der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote haben. Der positive Koeffizient der Sozialausgabenvariable zeigt an, dass ein Ansteigen der allgemeinen Sozialausgaben nicht mit einer Kfirzung der Bildungsausgaben einhergeht. Insofern finden sich auch in der L~ingsschnittdimension Hinweise darauf, dass der Ausbau der Bildungs- und Sozialausgaben zum Teil Hand in Hand voranschreitet. Ein Ansteigen des Bev61kerungsanteils der l]ber-65-J~ihrigen ist jedoch negativ mit den Ver~inderungsraten der 6ffentlichen Bildungsausgaben assoziiert. Dies ist aus dem Blickwinkel der generational politics auch zu erwarten: Der in vielen OECDL~indem ansteigende Anteil der Alteren an der Bev61kerung erh6ht den Druck auf die 6ffentlichen Kassen, vor allem im Bereich Kranken-, Renten- und Pilegeversicherung. Die Konsequenz ist, dass weniger Finanzmittel fiir die Bedfirfnisse der jfingeren Generation fibrig bleiben, die sich im politischen Wettkampf noch nicht so gut behaupten kann. Sie verfiigen fiber keine Lobby und sind, da es sich auch um Schiller handelt, die noch nicht wahlberechtigt sind, auf die stellvertretende Wahrnehmung ihrer Interessen durch andere angewiesen. Die Gr613e des Effektes ist betr~ichtlich: Ein Anstieg des Anteils der ./klteren um einen Prozentpunkt ist demnach assoziiert mit einer Verminderung der Ver/indemngsrate der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote von 0,12 Prozentpunkten. Wenn im Zuge des erwarteten demographischen Wandels der Anteil der .~lteren etwa um 10 Prozentpunkte ansteigt, so ist der prognostizierte Rfickgang der 6ffentlichen B ildungsausgabenquote mit fiber einem Prozentpunkt bei einem OECDDurchschnitt von ungeffihr 5 Prozentpunkten durchaus erheblich.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
285
Weiterhin zeigt sich ein statistisch signifikanter negativer Zusammenhang zwischen der Ver~nderungsrate der Zinszahlungen zur Bedienung 6ffentlichen Schulden (in Prozent des BIP) und der Ver/inderungsrate der 6ffentlichen Bildungsausgaben. Dieser Effekt ist in seiner Gr613e dem Regressionskoeffizienten der Variable der 0ber-65-J~ihrigen vergleichbar. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Bildungsausgaben bei einer Verschlechterung des fiskalischen Klimas zu den Verlierem zu z~.hlen sind. Von den parteipolitischen Variablen erweist sich lediglich der Kabinettsitzanteil der liberalen Parteien als erklLrungskr/iftig. Der statistisch signifikante Koeffizient zeigt eine positive Assoziation zwischen der Regierungsbeteiligung der Liberalen und der Ver/inderungsrate der B ildungsausgaben an. Weil es sich bei dieser Untersuchung um die Ver~inderungsraten und nicht die Best~inde dreht, k6nnte dies darauf hindeuten, dass die Liberalen das Thema Bildung erst vor relativ kurzer Zeit fiir sich entdeckt haben, w~ihrend die Sozialdemokraten schon friiher den Ausbau des B ildungsstaates betrieben haben und ihr Einfluss vor allem bei der Betrachtung der Ausgabenniveaus nachzuweisen ist. Der positive und signifikante Koeffizient der Variablen ,,Bildungspartizipation im terti/iren Sektor" deutet auf die Bedeutung hin, die die Expansion der Hochschulbildung in den letzten Jahrzehnten ffir die Entwicklung der Bildungsausgaben insgesamt gehabt hat. Die Universalisierung des Primar- und Sekundarschulwesens war in den industrialisierten OECD-Staaten bereits Ende der 1960er Jahre weit voran geschritten bzw. gr613tenteils abgeschlossen. Eine fortw/ihrende Expansion der Bildungsausgaben muss daher mit dem Ausbau der Hochschulbildung zu tun haben, bei der die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zun~ichst ftihrend waren. In den 1970er Jahren haben auch andere Lander aufgeschlossen, so dass die USA in der Bildungspartizipation in der post-sekund~en Bildung heute nicht mehr allein auf weiter Flur stehen.
4.2.2.3 Offentliche Bildungsausgaben pro Schiller Tabelle 4.7 beinhaltet die Ergebnisse der multivariaten (gepoolten) Analyse der Determinanten der 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiller in der Zeitperiode yon 1980 bis 2002 ftir unsere 21 OECD Lander. Im Folgenden werden die Bestimmungsfaktoren einzeln und ausftihrlicher diskutiert. Dabei zeigen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch einige interessante Unterschiede zu den Befunden aus der Analyse der Bildungsausgabenquoten.
286
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Modeil Abh. Variable Ausgaben der Vorperiode (LDV) Reales Wirtschaftswachstum BIP pro Kopf Kabinettsitzanteil Konservative Rechte Machtressourcen Interaktion: Kabinettsitzanteil Liberale * Wirtschaftswachst. Verhfilmis Bev61kerungsanteil der 5-29Jfihrigen zu 13ber-65Jfihrigen Konstante Zahl der Beobachtungen Zahl der Lander
~1) (2) (3) (4) (5) Offentliche Bildungsausgaben in kaufkraftbereinigten US-Dollar pro Schiiler 0.961 0.951 0.950 0.974 0.960 (40.97)** (39.86)** (41.50)** (59.70)** (41.21)** 10.800 11.940 11.957 22.147 5.905 (1.14) (1.27) (1.27) (2.10)* (0.63) 0.017 0.021 0.020 0.019 (1.79) (2.14)* (2.11)* (1.98)* -1.204 (2.53)* -0.467 (2.36)* 0.529 (2.40)*
-85.194 (2.01)* -2.558 (0.03) 441
16.077 (0.20) 441
29.738 (0.38) 441
400.745 (2.34)* 418
-26.635 (0.32) 441
21
21
21
21
21
Panel-corrected z-Statistiken in K l a m m e r n * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau
Tabelle 4.7: Determinanten der iiffentlichen Bildungsausgaben pro Schiller, 1980-2002, 21 OECD-L/inder.
287
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich T" 0 0
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24000
28000
BIP pro Kopf 2001
Grafik4.16: Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und BIP pro Kopf, 2001, R2=0,32. Quellen: Bildungsausgaben pro Schiiler: eigene Berechnung aus: Bildungsausgabenquote (aus: OECD Education at a Glance, diverse Jahrg~inge), BIP in absoluten Zahlen (aus: OECD Economic Outlook Database) und Zahl der Schiller (aus: UNESCO: Statistical Yearbook und EFA Global Monitoring Reports, diverse Jahrg~inge); BIP pro Kopf in G-K dollars. Quelle: Maddison, Angus: The World Economy: Historical Statistics, OECD Development Centre Studies, 2003. Wie aus Grafik 4.16 ersichtlich, besteht ein starker, positiver Zusammenhang zwischen den 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiller und dem BIP pro Kopf als Indikator fiir den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung (Grafik 4.16, R2=0,32). Reiche Lander (mit einem hohen BIP pro Kopf) zeichnen sich auch durch h6here Bildungsausgaben pro Schiller aus. Darilber hinaus lassen sich
288
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Aussagen treffen fiber die Bedeutung der Abweichungen von einzelnen L/indem von der Regressionslinie, die anzeigt, wie viel ein Land in Relation zu seinem wirtschafllichen Wohlstand fiir Bildung in absoluten Zahlen ausgibt. Norwegen und D/inemark, aber auch die Schweiz und Osterreich, geben, relativ zu ihrem wirtschafllichen Wohlstand betrachtet, viel far Bildung aus, w/ihrend GroBbritannien, Irland und Australien vergleichsweise geringe absolute Ausgaben in Relation zu ihrem Pro-Kopf-Wirtschaftsprodukt aufweisen. Die Datenpunkte far die meisten Lander liegen jedoch nah an der Regressionsgeraden, was darauf hindeutet, dass der Zusammenhang zwischen dem wirtschafllichen Wohlstand eines Landes und den Pro-Schfiler-Bildungsausgaben ein vergleichsweise direkter ist. Die Variable ,,BIP pro Kopf" hat sich auch in der multivariaten Regressionsanalyse der Pro-Schfiler-Bildungsausgaben als /iuBerst erkl/imngskr/iflig erwiesen (siehe Tabelle 4.7). Der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes entscheidet somit stark darfiber, wie hoch die absoluten Bildungsausgaben pro Bildungsteilnehmer sind. Neben dem ,,BIP pro Kopf' ist auch das Politikerbe wieder von entscheidender Bedeutung. Diese beiden Variablen und die Variable ,,Wirtschaftswachstum" ,,erkl/iren" bereits 95 Prozent der Variation der Pro-KopfAusgaben (R 2 = 0,95, Modell 1). Die Werte der Koeffizienten der beiden Faktoren ,,BIP pro Kopf' und ,,Pro-Schfiler-Ausgaben der Vorperiode" sind unmittelbar miteinander vergleichbar, denn sie haben dieselbe Einheit (Dollar). Dadurch wird deutlich, dass das Politikerbe in ungleich gr6Berem Mage die aktuellen Ausgaben bestimmt als das BIP pro Kopfund andere unabh/ingige Variablen. Auger dem Politikerbe und dem wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes ist auch das reale Wirtschaftswachstum entscheidend: Ein Wachstum der Wirtschaftleistung um einen Prozentpunkt ist nach den Sch/itzungen der Tabelle 4.7 verbunden mit einem Anstieg der Pro-Schfiler-Ausgaben um 10 bis 12 Dollar. Angesichts der Tatsache, dass eine Steigerung des Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt bereits als relativ starker Zuwachs bezeichnet werden kann und dass der OECD-21-Durchschnitt bei den 6ffentlichen Pro-Schfiler-Ausgaben ca. 5.900 Dollar betr/igt, muss man hier von einem kleineren Effekt sprechen. Allerdings ist zu beriicksichtigen, dass durch die Inklusion der Ausgabenh6he der Vorperiode die Gr6Be der Sch/itzwerte tendenziell untersch/itzt wird. Nach einem von Kittel und Winner (2002:18) vorgeschlagenen Korrekturverfahren 178 far den Einfluss der lagged dependent variable betr/igt die langfristige Wirkung eines Zuwachses des Wirtschaftswachtums um einen Prozentpunkt ca. 260 Dollar.
178Regressionskoeffizient der betrachteten unabh/ingigen Variablen geteilt durch 1 minus den Regressionskoeffizienten der lagged dependent variable.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
289
Entscheidend ist, dass bei der Betrachtung der Pro-Schiiler-Ausgaben sowohl der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes, gemessen am BIP pro Kopf, als auch das reale Wirtschaftswachstum als positive Bestimmungsfaktoren der Bildungsausgaben auftauchen. Bei der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote haben wir zwar eine positive Assoziation zum BIP pro Kopf nachweisen kfnnen, zum Wirtschaftswachstum bestand durchweg jedoch eine negative Verbindung. Diese Diskrepanz kann folgendermal3en erkl/irt werden: Die negative Assoziation zwischen 6ffentlicher Bildungsausgabenquote und dem Wirtschaftswachstum war zum Teil dadurch erkl/irt worden, dass diese Variablen beide das BIP als Bezugsgrrl]e haben. Wenn daher die Wirtschaft (das BIP) w/ichst, geht die Bildungsausgabenquote nach unten, wenn gleichzeitig die absolute Hrhe der Ausgaben gleich bleibt. Die positive Assoziation zwischen dem realen Wirtschaftswachstum und den Pro-Schiiler-Ausgaben zeigt in Erg~inzung zu diesen Befunden, dass das absolute Niveau der Bildungsausgaben pro Schiller bei hrherem Wirtschaftswachstum ansteigt, auch wenn die Bildungsausgabenquote konstant bleibt oder sogar f'~illt. Die getrennte Betrachtung der Pro-Schiiler-Ausgaben zeigt also, dass zwischen der Hrhe der Bildungsausgaben und dem Wirtschaftswachstum durchaus eine positive Beziehung besteht. Ein hrheres Wirtschaftswachstum sorgt fiir mehr Steuereinnahmen, lindert den fiskalischen Konsolidierungsdruck und erhrht die verfiigbaren 6ffentlichen Mittel. Tendenziell geht ein starkes Wirtschaftswachstum auch mit einem Abbau von Arbeitslosigkeit einher, was den finanziellen Spielraum fiir Bildungsinvestitionen weiter vergrfl3ert. Neben dem BIP pro Kopfund dem realen Wirtschaflswachstum hat sich eine weitere Variable der sozio-rkonomischen Schule als besonders erkl/imngskr/iftig erwiesen: die demographische Zusammensetzung der Bev61kemng, hier gemessen am Zahlenverh/iltnis zwischen dem Bev61kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen und der 0ber-65-J~ihrigen. Je h6her diese MaBzahl, desto gr6Ber ist relativ betrachtet der Anteil der Jungen an der Bev61kerung. Auch bei dieser Variablen ergeben sich zu den Befunden des Vergleichs der Bildungsausgabenquoten scheinbare Diskrepanzen: Der Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen ist eine konstant positive Determinante der Ausgabenquoten, d.h. je h6her der Anteil der Jungen an der Bevrlkerung, desto hrher die Ausgabenquoten. Bei den ProSchiiler-Ausgaben verh~ilt es sich genau umgekehrt: Je hrher der Anteil der Jungen im Verh/ilmis zum Anteil der Alteren, desto niedriger die Pro-SchillerAusgaben. Wie kann sich diese Diskrepanz erkl/iren lassen? Unser Indikator fiir die demographische Zusammensetzung der Bev61kerung ist mittelstark negativ (-0,44) mit dem BIP pro Kopf korreliert. 179 Armere Staa-
179 Daher konnten diese beiden Variablen auch nicht in ein gemeinsames Modell aufgenommen werden.
290
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
ten verfiigen also fiber eine tendenziell jfingere Bev61kemng. Aus der Analyse der Bestimmungsfaktoren der Pro-Schfiler-Ausgaben wissen wir allerdings auch, dass in armeren Staaten (vor allem Griechenland, Spanien und Portugal), die absoluten Bildungsausgaben pro Schiller niedriger ausfallen als in reicheren Staaten, auch wenn diese einen relativ h6heren Teil ihrer Wirtschaftskrafl auf die Bildung verwenden. Hier zeiclmet sich ein Bild ab, welches auch im intranationalen Vergleich der US-Bundesstaaten wieder eine Rolle spielen wird: *rmere Lander geben relativ zu ihrem Wirtschaftsprodukt mehr aus fiir Bildung (siehe zum Beispiel Portugal, nicht aber Griechenland), verfiigen aber aufgrund ihrer schwachen Wirtschaflskraft dennoch fiber niedrigere absolute Ausgaben pro Schiller. *rmere Lander zeiclmen sich auBerdem dadurch aus, dass der Bev61kerungsanteil der Jungen etwas h6her ist als in reichen Landem. 18~ Schliel31ich haben sich noch Variablen der Machtressourcen- und Parteiendifferenzlehre als erklarungskraflig erwiesen. Wahrend fiir die Parteifamilien der Sozialdemokraten und Christdemokraten keine konsistenten Effekte nachweisbar waren, so hat sich eine robuste, negative Assoziation zwischen den 6ffentlichen Pro-Schfiler-Ausgaben und dem Anteil konservativer Parteien an der Regierung herauskristallisiert. Ein Wechsel von einer Regierung ohne Konservative zu einer Regierung, die nur aus Konservativen besteht, ist nach den Ergebnissen der multivariaten Regressionsanalyse aus Tabelle 4.7 mit einem Rtickgang der 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiller von ca. 120 Dollar verbunden (nach Kittel / Winner-Korrektur also langfristig ca. 2400 Dollar). Die Interaktionsvariable ,,Rechte Machtressourcen", in der der Anteil der konservativen Parteimitgliedern am Regierungskabinett mit der Abwesenheit korporatistischer Institutionen interagiert wird, zeigt, dass auch der allgemeine Charakter der politischen Institutionen eine gewisse Rolle spielt. Der Effekt der konservativen Regiemngsbeteiligung schlagt daher vor allem in den Regierungssystemen durch, in denen sich die Regierung nicht ausgebauten korporatistischen Institutionen sowie umfassender gesellschafllicher Mitbestimmung ausgesetzt sieht. Die negative Assoziation zwischen den Pro-Schfiler-Ausgaben und konservativer Regiemngsbeteiligung bestatigt Befunde aus der Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten. Auch hier kormte eine negative Beziehung zu den 6ffentlichen Ausgabenquoten nachgewiesen werden, allerdings nur fiir die Periode 1980-1989. Im Fall der Pro-Schfiler-Ausgaben halt die Assoziation fiber die gesamte betrachtete Zeitperiode (1980-2002). Ffir konservative Parteien scheint somit der Ausbau der 6ffentlichen Bildungsinstitutionen keine Prioritat zu sein. Dies kann so erklart werden, dass die Wahlerklientel der konservativen Parteien, die sich vor allem in 180 Dies gilt auch ~r Griechenland, Portugal und Spanien, obwohl hier aufgrund der sinkenden Geburtenraten in diesen Lfindern der Anteil der Jungen an der Bev61kerung mittelfristig stark fallen diirfte.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
291
den h6heren Einkommensschichten finden, generell ein Interesse am Rfickbau der Rolle des Staates haben, da dies die von ihnen zu tragende Steuerlast reduziert. Diese Steuerlast wiegt fiir die Oberschichten deshalb schwerer, weil sie zum einen im Rahmen der allgemeinen verbreiteten proportionalen Einkommensteuersysteme einen h6heren Anteil ihres Einkommens an den Fiskus abtreten miissen und zum zweiten weniger yon den durch die 6ffentliche Hand zur Verfiigung gestellten Alternativen profitieren. Anstelle 6ffentlicher L6sungen werden h/iufig private Altemativen bevorzugt. Insofern ist zu erwarten, dass die Regierungsbeteiligung yon Konservativen positiv mit der H6he der privaten Bildungsausgaben assoziiert ist. Dies wird in Kapitel 4.3 ausfiihrlicher diskutiert. AuBer den Konservativen ist die Regierungsbeteiligung yon Parteien der liberalen Familie ein wichtiger Bestimmungsfaktor der 6ffentlichen Pro-SchillerAusgaben. Einschr/inkend muss bier allerdings darauf hingewiesen werden, dass die positive Assoziation zwischen der Regierungsbeteiligung von liberalen Parteien und 6ffentlichen Pro-Schiiler-Ausgaben nur ffir Zeiten relativer wirtschaftlicher Prosperi/it zu gelten scheint. Wenn ein h6heres Wachstum der Wirtschaft zus~itzliehe Steuereinnahmen in die Kassen spiilt, dann betreiben die Liberalen den Ausbau des 6ffentliehen Bildungsstaates. Eine weiter gehende Interpretation der Befunde der multivariaten Regressionsanalyse schreibt die Konditionalit/it des Effektes der Regierungsbeteiligung der Liberalen nicht deren programmatiseher Wankelmiitigkeit zu, sondem den politischen Bediungungen, unter denen liberale Parteien in den meisten OECD-Staaten an der Regierung beteiligt sind. AuBer in Belgien, den Niederlanden und Portugal finden sie sieh in den anderen L/indem, in denen sie zeitweise an der Regierung beteiligt sind (D/inemark, Finnland, Frankreieh, Demsehland, Italien, Schweiz), in einer Minderheitenposition. Daher kann argumentiert werden, dass der Ausbau der 6ffentliehen Bildungsinstitutionen durehaus zum programmatischen Anspmeh der liberalen Parteifamilie zu z~ihlen ist, dass es ihnen aber nur zu Zeiten relativer wirtschaftlicher Prosperit/it gelingt, ihre zaudemden Koalitionspartner yon der Notwendigkeit der Investitionen in Bildung zu iiberzeugen. Dies kann sicherlich fiir den deutschen Fall gelten, wo die FDP sich in den Regierungskoalitionen mit der CDU / CSU als ,Bildungspartei' profilieren konnte.
4.2.2.4 Sektorale 6ffentliche Bildungsausgaben Die Untersuchung der 6ffentlichen Bildungsausgaben abschlieBend sollen hier noch die Ergebnisse der Analysen der Determinanten der 6ffentlichen Ausgaben fiir die einzelnen B ildungssektoren (Primar- und Sekundarschulwesen einerseits sowie Terti/irsektor andererseits) vorgestellt werden.
292
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Modell Abh. Variable
Prim~ir-/Sekund/irbildungsausgaben des Vorjahres Zahlenverh~iltnis SchiilerLehrer im Prim~irsektor Bildungspartizipation im Prim~irsektor Zahlenverh~iltnis SchillerLehrer im Sekund/irsektor Bildungspartizipation im Sekund~irsektor Terti~irausgaben des Vorjahres Offenheit der Volkswirtschaft Anteil der 5-29-J~ihrigen an Bev. Bildungspartizipation im Terti~irsektor Besch~iftigtenanteil im Industriesektor an Gesamtbesch~iftigten Frauenerwerbsbeteiligung Kabinettsitzanteil Konservative Kabinettsitzanteil Christdemokraten Kabinettsitzanteil Sozialdemokraten Konstante
(.1) (2) Offentliche Bildungsausgaben im Primiir- und Sekundiir-sektor in % des BIP 0.867 0.875 (13.87)** (18.84)**
~3) (4) (5) Offentliche Bildungsausgaben im Tertiiirsektor in % des BIP
-0.007 (1.71) 0.003 (1.95) -0.004 (1.03) 0.001 (1.39) 0.494 (3.80)** 0.003 (3.60)** -0.007 (1.88)
0.481 (3.65)** 0.003 (3.76)** -0.006 (1.30)
0.639 (8.54)** 0.002 (3.68)** -0.021 (4.48)**
o.oo6
o.oo6
o.oo4
(3.15)**
(2.95)**
(3.81)** -0.007 (2.04)*
0.010 (4.31)**
0.010 (4.59)** -0.001 (3.69)** -0.001 (2.71)**
0.001 (3.16)** 0.264 0.352 -0.382 -0.328 0.948 (1.01) (1.78) (1.99)* (1.82) (3.62)** N 174 167 169 169 152 Zahl der Lander 20 20 20 20 19 Panel-corrected z-Statistiken in Klammem; * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau Anmerkung: Spanien musste aufgrund mangelnder Daten in der abh~ingigen Variablen aus der Untersuchung ausgeschlossen werden. Tabelle 4.8" D e t e r m i n a n t e n der sektoralen iiffentlichen B i l d u n g s a u s g a b e n , 1991-2001.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
293
Tabelle 4.8 stellt die Ergebnisse der Untersuchung der Determinanten der sektoralen 6ffentlichen Bildungsausgaben dar. Insgesamt f'~illt eine Bestimmung der Determinanten der Ausgaben im prim/iren, sekund/iren und post-sekund/iren, nicht-terti/iren Sektor (Modelle 1 und 2) schwerer als bei den Ausgaben ftir den Terti/irbereich (Modelle 3 bis 5). Dies mag daran liegen, dass die 6ffentlichen Ausgabenquoten im Grund- und Sekundarschulbereich im internationalen Vergleich weniger stark variieren (Variationskoeffizient von 0,17) als die Quoten im Hochschulbereich (Variationskoeffizient von 0,35). Diese Tatsache unterstiitzt eine These, die bereits bei der Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten ftir alle Sektoren ge~iul3ert wurde: Die Bereitstellung einer universellen Grundversorgung an Bildungsleistungen im Prim/ir- und Sekund/irbereich gehfrt inzwischen zu den Kernaufgaben der entwickelten Industrienationen. Gr613ere Unterschiede finden sich vor allem im Hochschul- und im vorschulischen Bereich. Hier ist nicht nur die politische Entscheidung zu treffen, bis zu welchem Grad diese Bildungsbereiche ausgebaut werden sollen, sondem auch, wie es mit der Arbeitsteilung zwischen privater und 6ffentlicher Finanzierung zu halten ist. Insofern ist zu erwarten, dass politische Variablen als Determinanten der Terti~ausgaben eine gr6Bere Rolle spielen als im Prim/ir- und Sekund/irbereich. Diese These wird auch yon dem Befund unterstiitzt, dass das BIP pro Kopf mit den sektoralen Ausgaben im Prim~ir- und Sekund/irbereich in keiner statistisch nachweisbaren Beziehung steht. Wie die Modelle 1 und 2 zeigen, sind die 6ffentlichen Ausgaben im Grundund Sekundarschulbereich aul3er durch die Ausgaben des Vorjahres vor allem durch Ausgabengr6Ben und Gestaltungsparameter im Bildungswesen bestimmt. Wie erwartet, zeigt sich ein schwacher bis mittelstarker, negativer Zusammenhang zwischen dem Schiiler-Lehrer-Zahlenverh~ilmis und der Ausgabenquote. Dieser Befund konnte auch durch einfache Querschnittsanalysen des Zusammenhangs zwischen den Ausgabenquoten und der durchschnittlichen Klassengr6Ben, ffir die nur Daten fiir die Jahre 2000 und 2001 vorliegen, best/itigt werden. TM Die Interpretation dieses Befundes legt nahe, dass die Bildungsausgaben in den LLndem niedriger sind, in denen die Lehrer eine hfhere Zahl von Schiilem unterrichten miissen bzw. die durchschnittliche Klassengr6Be h/Sher liegt. Dabei ist es relativ irrelevant, ob die Schiiler-Lehrer-Verh/iltnisse Rir den Prim/iroder den Sekund/irsektor herangezogen werden. Weiterhin zeigt sich erwartungsgem/il3, dass die Zahl der in einem Bildungssektor eingeschriebenen Schiller positiv mit den entsprechenden Bildungsausgaben assoziiert ist.
is1 Koeffizient: -0,75, t-Wert: -1,99.
294
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Die Datenverfilgbarkeit der Variable ,,H6he der Lehrergeh/ilter nach 15 Jahren Arbeitserfahrung relativ zum BIP pro Kopf" ist ebenfalls eingeschr/inkt (groBe Lilcken und nur ab 1996). In Querschnittsanalysen fiir die Jahre 2000 und 2001 1/isst sich eine negative Assoziation nachweisen, die fast auf dem 10%Niveau signifikant ist. In der multivariaten Analyse zeigt sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang, obwohl das Vorzeichen weiter negativ bleibt. Das negative Vorzeichen ist auf den ersten Blick kontraintuitiv: Relativ h6here Lehrergeh~lter w/iren denmach mit niedrigeren Bildungsausgaben verbunden. Dies verwirrt, besonders, wenn man die Personalintensit/it des Bildungssektors bedenkt. Abgesehen davon, dass der Effekt herk6mmliche Signifikanzniveaus verfehlt, kann sich dieses Ph/inomen zum Teil durch die mittelstarke Korrelation dieser Gr613e mit dem BIP pro Kopf (-0,5) erkl/iren lassen. Es scheint, als ob Lehrer in/irmeren Staaten relativ betrachtet besser entlohnt wilrden als in reichen. Die reichen Staaten geben allerdings auch einen gr6f3eren Anteil ihrer Wirtschaflsleistung ftir Bildung aus, 182 daher die negative Assoziation. Die durchschnittliche j/ihrliche Unterrichtsstundenzahl fiir Schiller oder Lehrer, ein weiterer wichtiger Gestaltungsparameter des B ildungswesens, hat sich als nicht erkl/irungskr/iflig herausgestellt. In den Modellen 3 bis 5 gehen wir den Bestimmungsfaktoren der 6ffentlichen Ausgaben im Terti/irbereich auf die Spur. Ein erster wichtiger Befund ist, dass, im Unterschied zu der allgemeinen 6ffentlichen Bildungsausgabenquote, die Offenheit der Volkswirtschaft (Summe aus Importen und Exporten in Prozent des BIP) eine wichtige, positive Determinante der 6ffentlichen Terti/irausgaben ist. Die Gr6Be des Effektes ist beachtlich: Der Unterschied beispielsweise zwischen den USA (ca. 25 Prozentpunkte im Offenheits-Indikator) und Schweden (ca. 75 Prozent im Offenheits-Indikator) in der Offenheit der Volkswirtschaft ist demnach assoziiert mit einer Steigerung der 6ffentlichen Ausgaben im Terti/irbereich von 0,15 Prozentpunkten, was ungef~ihr 10 Prozent des OECDDurchschnittes (1,17 Prozent) bei dieser abh/ingigen Variablen ausmacht. Die starke, positive Assoziation k6nnte darauf hindeuten, dass zumindest in einigen L/indem der Ausbau der 6ffentlichen Hochschulsysteme ein wichtiges Element im ,,Wettbewerb der Nationen" im Zuge der 6konomischen Globalisierung ist. Erwarmngsgem/iB ist auch die B ildungsteilnahme im terti/iren Bereich positiv mit den 6ffentlichen Ausgaben in diesem Sektor assoziiert. Im Vergleich zu den Ausgaben im Prim/ir- und Sekund/irbereich f'~illtjedoch nicht nur die h6here statistische Signifikanz auf, sondern auch, dass die Gr6Be des Effektes den der 182 Dies wurde ja im Kapitel 4.2 nachgewiesen. Zwischen dem BIP pro Kopf und den Ausgaben •r den Prim/ir- und Sekund~irbereich l~isst sich allerdings keine Assoziation nachweisen.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
295
Bildungsteilnahme-Variablen in den unteren Sektoren um ein Vielfaches fibersteigt. Eine Zunahme der terti~iren B ildungspartizipation um 10 Prozentpunkte ist demnach verbunden mit einem Anstieg der 5ffentlichen Ausgaben in diesem Bereich um 0,06 Prozentpunkte (ungef'~ihr 4 Prozent des OECD-Durchschnitts). Auff~illig ist allerdings, dass der Bevflkerungsanteil der 5-29-J~ihrigen an der Bevflkerung mit den Bildungsausgaben im Terti~irsektor negativ assoziiert ist. Auch hier zeigt sich allerdings eine mittelstarke Korrelation (-0,3) mit dem BIP pro Kopf. Das heiBt~ in ~irmeren Staaten ist der Bevflkerungsanteil der J/ingeren h6her, die 6ffentlichen Ausgaben ftir den Terti~irsektor allerdings niedriger. Insofern erfasst diese Variable zum Teil auch die Auswirkungen der Bevflkerungsalterung in den reicheren, post-industriellen OECD-Demokratien. Der positive Effekt dieser Variablen, der sich bei der Analyse der gesamten 5ffentlichen Ausgabenquote gezeigt hat, ist daher im Wesentlichen auf die Dynamik der nichthochschulischen Bildungssektoren zurfic~fiihren. In der in diesem Unterkapitel vorgenommenen Untersuchung der 6ffentlichen Ausgaben fiir diesen Sektor allerdings ist die Variable, ebenso wie ihre Interaktion mit dem Anteil der Uber65-J~ihrigen, keine erkl~irungskr~iflige Determinante. Nichtsdestotrotz kann der Befund einer negativen Assoziation zwischen den 6ffentlichen Terti~irbildungsausgaben und dem Bev61kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen erkl~iren, warum die Erkl~irungskraft der Demografie-Variablen in der Querschnittsbetrachtung in den jiingeren Perioden abnimmt (Tabelle 4.1). Die Expansion der 6ffentlichen Ausgaben for das Hochschulwesen hat in einigen Staaten auch die Gesamthfhe der 6ffentlichen Bildungsausgaben ansteigen lassen. Dabei handelt es sich aber vor allem um wirtschaftlich wohlhabende Lander, die zudem einen relativ niedrigen Bev61kerungsanteil der Jungen aufweisen. Die Tatsache, dass der Koeffizient der Variablen in der gepoolten Analyse aber durchweg positiv und signif'tkant bleibt, zeigt, dass die Demografie-Dynamik der st~irkere der beiden Effekte ist. Erwartungsgem~iB hat sich ebenfalls die Frauenerwerbsquote als erkl~irungskr~iflig erwiesen. Die HShe der 5ffentlichen Ausgaben im Terti~irbereich ist demnach positiv und statistisch signifikant assoziiert mit der Frauenerwerbsquote. Eine um 10 Prozentpunkte h6here Frauenerwerbsquote (entspricht dem Unterschied zwischen Deutschland und Schweden) ware demnach assoziiert mit einem Ansteigen der 5ffentlichen Ausgaben um 0,1 Prozentpunkte (ca. 9 Prozent des OECD-Durchschnittes). Daran ankniipfend ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass ein hoher Anteil der im Industriesektor Besch~iftigten an der Gesamtbesch~iftigung mit niedrigeren 6ffentlichen Ausgaben im Terti~irbereich einhergeht. In Ermangelung besserer, vergleichbarer Daten zu den 6ffentlichen Bildungsausgaben im berufsnahen, post-sekund~iren Bildungsbereich zeigt sich zumindest hier, dass eine relativ starke Ausrichtung der Besch~iftigung auf den Industriesektor mit einer vermin-
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
derten Ausgabent~itigkeit im Terti~irsektor assoziiert ist. Die Gr6Be des Effektes ist etwas geringer als der Effekt der Frauenerwerbsbeteiligung. Als bedeutsame Determinante der 6ffentlichen Ausgaben im Terti~irbereich hat sich auch die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung erwiesen. Die Gr613e der Effekte ist nicht unerheblich: Ein Wechsel von einer Regierung ohne Sozialdemokraten / Konservative / Christdemokraten zu einem Kabinett, das nur aus Parteianh~ingem der entsprechende Familie besteht, ist damit verbunden mit einer ,g,nderung der Ausgabenquote von 0,1 Prozentpunkten. Dies entspricht der Gr6Be des Effektes der Frauenerwerbsquote. Insofern best~itigt sich die Vermutung, dass politische Faktoren zur Erkl~irung der Variation der 6ffentlichen Ausgaben im Terti~irbereich eine gr613ere Rolle spielen als im Prim~ir- und Sekund~irbereich. Eine groBzfigige Ausstattung des Hochschulsektors mit 6ffentlichen Finanzmitteln ist in gr613erem MaBe von politischen Entscheidungen und Faktoren abh~ingig als die Bereitstellung 6ffentlicher Mittel fiir die unteren Bildungssektoren, was zu den Grundaufgaben eines modernen Industriestaates gerechnet werden kann. Wie zu erwarten war, ist die Regierungsbeteiligung von sozialdemokratischen Parteien positiv mit den 6ffentlichen Ausgabenquoten im Hochschulbereich verbunden. Besonders wenn man sich die Auswirkungen der Variablen ,,Frauenerwerbsquote" und ,,Offenheit der Volkswirtschafl" in Erinnerung ruff, so k6nnten sich hier die Konturen einer sozialdemokratischen Antwort auf die Herausforderung der 6konomischen Globalisierung abzeichnen. Die Kompensationthese (Katzenstein 1985; Cameron 1978) spricht ja schon vonder potentiell positiven Bedeutung eines ausgebauten Sozialstaates im Hinblick auf die Internationalisierung der Volkswirtschaflen. Die Ergebnisse meiner Untersuchung legen eine Ergfinzung der klassischen Kompensationsthese um den Faktor Bildung nahe: Sozialdemokratische Regierungen in offenen Volkswirtschafien haben den Auf- und Ausbau der 6ffentlichen post-sekund~iren Bildungsm6glichkeiten und so die fiir das Bestehen im internationalen Wettbewerb notwendigen Investitionen in Humankapital betrieben (Boix 1997, 1998). Auch die Regierungsbeteiligung der liberalen Familie weist eine positive, allerdings nicht robuste und statistisch nicht signifikante Assoziation mit den Terti~irausgaben auf. Eine Regierungsbeteiligung konservativer oder christdemokrafischer Parteien ist hingegen negativ mit den 6ffentlichen Ausgaben im Terti~irbereicti assoziiert. Bei den konservativen Parteien kann vermutet werden, dass sie generell der 6ffentlichen Finanzierung von post-sekund~iren Bildungsm6glichkeiten distanziert gegenfiber stehen. Anstelle dessen treten sie ein fiir eine zufiickhaltende Rolle des Staates und die Bereitstellung privater Alternativen, vor allem im Hochschulbereich. Die christdemokratischen Parteien sind hingegen, was Sozialausgaben angeht, nicht so zurfickhaltend wie die konservativen
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
297
(Schmidt 1996; Van Kersbergen 1995). Bei unserer Analyse zeigt sich jedoch, dass dies bei den Bildungsausgaben anders sein k6nnte. Zwar konnte im Rahmen der Untersuchung der allgemeinen 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten keine konsistente negative Assoziation der christdemokratischen Regierungsbeteiligung mit den Ausgaben nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Tabelle 4.8 legen aber nahe, dass christdemokratische Parteien, was die Versorgung des Hochschulsektors mit 6ffentlichen Mitteln angeht, sich durchaus mit konservativen Parteien vergleichen lassen. Im Unterschied zu diesen sind Christdemokraten allerdings bei der Ermfglichung von privaten Alternativen, aul3er bei der Subventionierung von kirchlichen Schulen im Prim~ir- und Sekund~irbereich, sehr viel zuriickhaltender als die Konservativen. Die weniger emanzipative, sondern starker paternalistische Grundtendenz vieler durch die Vorherrschaft der Christdemokraten gepr/igten Wohlfahrtsstaaten konstituiert eine Bevorzugung der konsumtiven, auf nachtr/iglichen Ausgleich ausgerichteten Sozialausgabenfelder auf Kosten der 6ffentlichen Bildungsfinanzierung. Dies hatte sich ja bereits in der Analyse der 6ffentlichen Ausgabenquoten abgezeichnet. Angesichts der fortschreitenden 6konomischen Intemationalisierung zeigt sich die Gefahr einer Unterfinanzierung des Hochschulsektors in christdemokratischen Wohlfahrtsstaaten, in denen aufgrund der Dominanz des Staates in der allgemeinen StaatMarkt-Arbeitsteilung auch die Institutionalisierung von privaten Alternativen erschwert wird. Die Sonderstellung der USA im internationalen Vergleich, die vor allem durch die privaten Ausgaben im terti/iren Sektor bestimmt wird, kann durch die Modelle der Tabelle 4.8 nur bedingt erkl/irt werden. Die 6ffentliche Ausgabenquote der USA ist im intemationalen Vergleich lediglich durchschnittlich. Insofern passt es ins Bild, dass die USA auch bei den anderen unabh/ingigen Variablen eher durchschnittliche Werte aufweisen: Die Offenheit der amerikanischen Volkswirtschaft ist begrenzt, der Anteil der 5-29-J/ihrigen an der Bevflkerung ist ebenfalls eher durchschnittlich. Lediglich die Bildungspartizipation im terti/iren Sektor liegt fiber dem intemationalen Mittelwert. Andererseits wirkt sich die fehlende Regierungsbeteiligung von Sozialdemokraten wiederum bremsend auf die 6ffentlichen Terti~irausgaben aus. Der Fall USA (und mit Einschr~inkungen auch Kanada) ist im intemationalen Vergleich ein Sonderfall. Die Untersuchung der privaten Bildungsausgaben im folgenden Unterkapitel 4.3 sowie die ausfiihrliche Beleuchtung des Systems der amerikanischen Bildungsfinanzierung und seiner Geschichte in den Kapiteln 2 und 3 scheinen daher besonders angebracht.
298
4.3
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Determinanten der privaten Bildungsausgaben
-~ --I-9
iii v
..
Frankreich Deutschland Schweden UK
US
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--
I
9
IlL
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Grafik4.17: L~ingsschnitt-Vergleich der privaten Bildungsausgabenquote in ausgew~ihlten OECD-L~indern, 1988-2001.183 Grafik 4.17 stellt die Entwicklung der privaten Bildungsausgaben in den 1990er Jahren dar. Auf den ersten Blick fiillt auf, dass die Fluktuation der Ausgabenquoten st/irker ausgepr/igt ist als bei den 6ffentlichen Ausgaben, aber insgesamt kann auch hier festgehalten werden, dass die Unterschiede in der Querschnittsdimension (zwischen den L/indem) markanter sind als die Llber-Zeit-Variation. Schweden zeichnet sich in der gesamten Periode durch die niedrigsten Privatausgaben aus. Hier zeigt sich wieder die skandinavisch-sozialdemokratische Pr/iferenz fiir 6ffentliche statt privater L6sungen. Die USA liegen diametral dazu konstant an der Spitze. Wie wir in Kapitel 4.1 gesehen haben, liegt dies vor allem an der Bedeutung der privaten Ausgaben im terti/iren Bereich. Es zeigt sich augerdem, dass die mittelstarke Bedeutung der privaten Ausgaben in Deutschland auch in der L/ingsschnittperspektive Best/itigung findet. Deutschland liegt 183 Die Liicke Rir die Jahre 1996 / 1997 ist zurtickzufiihren auf eine Umstellung in den OECD-Statistiken (pers6nliche Kommunikation mit OECD-Mitarbeiter).
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
299
deutlich vor Frankreich, aber auch vor GroBbritannien. W/ihrend die Ausgabenquote in den durch die 6ffentliche Finanzierung dominierten L/indem Frankreich und Schweden im Wesentlichen konstant bleibt, so zeigt sich in den USA vor allem in der zweiten H/ilfte der 1990er Jahre eine ausgepr/igte Aufw/irtsbewegung, die sicherlich zum Teil durch die in dem Zeitraum steil ansteigenden Studiengebiihren erkl/irt werden kann (siehe Kapitel 3.2).
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Grafik 4.18: Private Ausgaben fiir einzelne Bildungssektoren (in Prozent des BIP), 2002. Anmerkung: Daten fOr Kanada aus dem Jahr 2001, private Ausgaben fOr Terti/irbereich in Schweiz: keine Daten vorhanden. Quelle: OECD Education at a Glance 2005, 2004, Indikator B 2.1b, S. 185. In Grafik 4.18 sind die privaten Ausgaben ftir einzelne B ildungssektoren abgebildet. Die angels/ichsische L/indergruppe (vor allem USA, Kanada und Australien, etwas weiter abgeschlagen GroBbritannien und Neuseeland) zeichnet sich ebenso wie Japan durch iiberdurchschnittlich hohe private Ausgaben im Terti/irbereich aus. Dies spiegelt die Bedeutung der privaten Hochschulinstitutionen in diesen L/indem wider.
300
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Deutschland und die Schweiz (0,6 Prozem) fallen durch iiberdurchschnittliche private Ausgaben in den unteren B ildungssektoren auf. Australien und Neuseeland liegen ebenfalls fiber dem OECD-21-Durchschnitt. In diesen L/~ndem spielt die private Hand in der Finanzierung der beruflichen Ausbildung (in OECD-Sprache: ,,post-sekund/ire nicht-terti/ire Bildung") eine herausgehobene Rolle. Dies schl/igt sich auch in den Ausgaben nieder. In L/~ndem wie Frankreich, den Niederlanden oder Belgien kann zur Erkl/irung der privaten Ausgaben im Prim/~r- und Sekund~irbereich auf die Rolle privater Schulen in kirchlicher Tr/igerschafl verwiesen werden. Zur Erh~irtung dieser These miissten allerdings weitere Daten herangezogen werden. Als relativ homogene L/~ndergruppe fallen wieder die skandinavischen Staaten auf. Diesmal befinden sie sich jedoch nicht an der Spitze der Rangskala, sondem teilen sich die letzten P1/itze: Abgesehen von geringffigigen Ausgaben im terti~ren Bereich in Schweden und Norwegen sowie in den unteren Bildungssektoren in D~inemark zeichnet sich die skandinavische L/indergruppe vor allem durch die Abwesenheit von privaten Ausgaben aus. Dies unterstiitzt die These aus dem intemationalen Vergleich, dass die Frage, ob Bildungsdienstleistungen v o n d e r privaten oder der 6ffentlichen Hand bereitgestellt werden, im Wesentlichen von der im jeweiligen Land vorherrschenden allgemeinen Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt abh~ingt.
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Modell Abh. Variable BIP pro Kopf F6deralismus Korporatismus (SiaroffIndex) 0ffentliche Bildungsausgabenquote t3ffentliche Sozialleistungsquote Konstante Zahl der Beobachtungen R2 Heteroskedastizitilt (H0=konstante Fehlervari-
C1)
301
r
Private Bildungsausgaben in % des BIP 0.000 0.000 (3.93)*** (2.14)** 0.454 0.493 (2.75)** (2.77)** -0.198 -0.172 (2.66)** (1.76)* -0.219 (2.29)** r -0.035 (1.47) 0.125 0.357 (0.22) (0.42) 20 20 0.73 0.68 3,08 (p=O,08) 1,61 (p=O,20)
anz) Robuste t-Statistiken in Klammern * signifikant auf 10%-Niveaz; ** signifikant auf 5%-Niveau; *** signifikant auf 1%Niveau Tabelle 4.9: Ergebnisse der Querschnittsanalyse der privaten Bildungsausgabenquoten, 2001. Anmerkung: Private Ausgaben fiir Schweiz und Schweden aus dem Jahre 2000, Neuseeland: keine Daten zu privaten Bildungsausgaben verfiigbar. In Tabelle 4.9 sind die Ergebnisse einer multivariaten Querschnittsanalyse der privaten Bildungsausgaben fiir alle Bildungssektoren aus dem Jahre 2001 abgebildet. Da ilia" Neuseeland keine Daten zur privaten Ausgaben vorliegen, musste es aus der Untersuchung ausgeschlossen werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Bestimmungsfaktoren der privaten B ildungsausgaben ausfiihrlicher diskutiert.
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
BIP pro Kopf Wie schon bei den 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten erweist sich der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes auch als wichtiger Erkl~irungsfaktor. Oftensichtlich ist ein Ansteigen des wirtschaftlichen Wohlstandes verbunden mit h6heren B ildungsausgaben, und zwar unabh~ingig davon, ob diese aus privaten oder 6ffentlichen Quellen flief3en. Nach dem ersten Regressionsmodell aus Tabelle 4.9 ist eine Differenz im Indikator ,,BIP pro Kopt~' von 10.000 Dollar (ungef'~ihr der Unterschied zwischen den USA und Deutschland) verbunden mit einer Differenz in den privaten Bildungsausgaben von einem Prozentpunkt. 184 Dies ist ein beachtlicher Effekt, wenn man bedenkt, dass der OECD-Durchschnitt bei den privaten Ausgaben lediglich 0,6 Prozentpunkte betr~igt. Das BIP pro Kopf in den USA ist im intemationalen Vergleich fiberdurchschnittlich hoch. Dies kann zum Teil erkl~iren, warum dort auch die privaten Bildungsausgaben so hoch sind. Auch andere Lander mit fiberdurchschnittlichem BIP pro Kopf (Japan, Kanada, Australien) zeichnen sich durch hohe Privatausgaben aus. Der positive Zusammenhang zwischen BIP pro Kopf und privaten Bildungsausgaben kann folgendermal3en plausibel gemacht werden: Mit steigendem wirtschaftlichem Wohlstand und steigender Wirtschaftskraft vollzieht eine t3konomie die Transformation von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Hinzu kommt, dass im Zeitalter der Denationalisierung T/itigkeiten, die auch von Geringqualifizierten erledigt werden k6nnen und damit starker arbeits- als kapitalintensiv sind, in L~indem mit niedrigeren Lohnkosten exportiert werden k6nnen. Den entwickelten Industrienationen bleibt als Ausweg aus dieser Zwangslage die Investition in Humankapital, so dass sie vor den aufsteigenden Industrienationen weiterhin einen ,,Wissensvorsprung" halten k6nnen. Diese Entwicklung hat konkrete Auswirkungen auf der Mikroebene: Unternehmen und Firmen bauen Stellen ffir Niedrigqualifizierte ab und suchen stattdessen hochqualifizierte Experten. Die Individuen, die sich entscheiden miissen, bis zu welchem Grad und in welche Art von B ildung sie ihre Zukunft investieren, reagieren auf die Nachfrage aus dem Wirtschaftsbereich. Sie treten wiederum als Nachfrager auf dem Bildungsmarkt auf und verlangen zur Befriedigung ihrer Bildungsbediirfnisse nach Angeboten, die sie mit den notwendigen Fertigkeiten ausstatten. Dies werden in der Regel hochqualifizierende Studienabschliisse sein. Also ist zu erwarten, dass vor allem im tertiiiren Sektor die Nachfrage nach B ildungsangeboten steigt. Mit dieser These deckt sich die Beobachtung, dass in den USA vor allem in diesem B ildungssektor die Privatausgaben stark iiberdurchschnittlich sind. Wenn das Angebot an Bildungsdienstleistungen gut an die Bediirfnisse des Arbeitsmarkts angepasst ist, dann sind die Individuen auch bereit, durch private Ausgaben ihre
184Die genaue Gr6Be des Regressionskoeffizienten in Modell 1 betrfigt ,,0,0001".
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
303
Ausbildung zu finanzieren, denn sie k6nnen relativ sicher sein, durch h6here L6hne und Geh/ilter diese Zusatzkosten im weiteren Verlauf ihrer beruflichen Karriere wieder einzutreiben. Werm private Institutionen im terti/iren Bereich eine wichtige Rolle spielen wie in den USA, wenn die 6ffentlichen Institutionen ebenfalls die Markt-Logik des Bildungswettbewerbs akzeptieren und wenn die individuelle Entscheidung fiber die zu t~itigenden Bildungsinvestitionen auch mit potentiellen Kosten verbunden ist, dann ist die Verbindung zwischen dem Angebot auf dem Bildungsmarkt und der tats/ichlich vorhandenen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gew/ihrleistet.
Fiideralismus In der Querschnittsanalyse der privaten Bildungsausgaben zeigt sich auBerdem ein signifikanter Unterschied zwischen f'6deralistischen und unitarischen Staaten. Die Koeffizienten der Regressionsmodelle besagen, dass in f'6deralistischen Staaten im Schnitt die Privatausgaben um knapp 0,5 Prozentpunkte h6her sind (bei einem OECD-Durchschnitt von 0,6 Prozentpunkten). Bei der Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgaben war der Grad der Auspr/igung der konstitutionellen Veto-Struktur die entscheidende institutionelle Variable. Hier allerdings erweist sich die F6deralismus-Variable als erkl/imngskr/iftiger. Wiederum fallen die f'6deralistischen Staaten USA, Australien und Kanada, aber auch Deutschland mit fiberdurchschnittlichen Privatausgaben auf. Wie kann der Zusammenhang zwischen F6deralismus und privaten Ausgaben plausibel erkl/irt werden? Die Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten hat gezeigt, dass der Ausbau des 6ffentlichen Bildungs- und Sozialstaates in weiten Strecken parallel verlaufen ist und dass die in einem Land vorherrschende allgemeine Staat-Markt-Arbeitsteilung auch fiir die H6he der 6ffentlichen Ausgaben eine wichtige Bestimmungsgr6Be ist. Weiterhin ist argumentiert worden, dass diejenigen Brems- und Antriebsfaktoren, die die Dynamik der Sozialausgaben pr~igen, auch zur Erkl~imng der Variation der Bildungsausgaben herangezogen werden k6nnen. Ein Faktor, der hier zu nennen ist, ist die Unterscheidung zwischen f'6deralistischen und unitarischen Staaten. Einige der hier diskutierten f'6deralistischen Staaten sind zu den sozialpolitischen ,,Nachzfiglern" zu rechnen (Obinger / Wagschal 2000). Ffir den Fall der Bildungsausgaben zeigt sich, dass diese Staaten auBerdem dazu tendieren, potentiell fehlende 6ffentliche Investitionen in Bildung durch den Rfickgriff auf private Alternativen zu kompensieren. Dies wfirde zum Teil auch die Sonderstellung der USA erkl/iren: Wenn die unteren Regierungsebenen relativ frfih ausgebaute 6ffentliche Bildungsinstitutionen bereitstellen, so stehen sie,/ihnlich wie im Falle der Sozialpolitik, den zentralisierenden Bemfihungen der oberen Regierungsebenen tenden-
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
ziell feindlich gegenfiber, um ihre lokale Autonomie zu wahren. Der Ausbau der 6ffentlichen Bildungsinstitutionen fand jedoch zun~ichst im Prim/ir- und Sekund/irsektor statt. Die Bildungsexpansion, die w/ihrend der letzten anderthalb Jahrhunderte in der Welt der OECD-Staaten zu beobachten war, schritt jedoch konsequent von der Universalisierung der Primar- und dann der Sekundarbildung voran zur Ausweitung der Bildungspartizipationsm6glichkeiten im postsekund/iren Bereich. Der Hochschulsektor ist jedoch tendenziell zu einem h6heren AusmaB zentralisiert als der Grund- und Sekundarschulbereich (WeiB 1999: 154). Insofem haben f'6deralistische Staatsstrukturen potentiell die Errichtung eines universalen, 6ffentlichen Hochschulsystems gebremst. In L/indem wie Kanada, den USA oder Australien, in denen neben 6ffentlichen auch private Alternativen anerkannt und akzeptiert sind, konnte die fehlende Dynamik im 6ffentlichen Sektor durch die Errichtung und Unterhaltung von privaten Institutionen kompensiert werden.
Korporatismus Die These vonder negativen Assoziation zwischen den privaten Bildungsausgaben und Korporatismus, wie sie in der Einleitung aufgestellt wurde, hat eine Best~itigung erfahren. Bei der Untersuchung der 6ffentlichen Bildungsausgaben haben wir die These formuliert, dass es einen U-f6rmigen Zusammenhang zwischen Korporatismus und Bildungsausgaben geben k6nnte. Insbesondere ist argumentiert worden, dass in den Staaten mit mittelstarken korporatistischen Institutionen die Gefahr groB ist, dass 6ffentliche Mittel in die den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber n/iher stehenden Bereiche der Sozialversicherungen fiir Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit auf Kosten der Bildungspolitik zugeleitet wfirden. Zwar konnte gezeigt werden, dass es einen gewissen Zusammenhang gibt zwischen stark ausgebauten korporatistischen Institutionen und hohen 6ffentlichen Bildungsausgaben. Allerdings musste festgehalten werden, dass die Staaten mit schwachen korporatistischen Institutionen ebenso wie die Staaten mit mittelstarkem Korporatismus fiber relativ unauffiillige, d.h. niedrige 6ffentliche Ausgabenquoten verftigen. Die Analyse der privaten Ausgaben kann hier mehr Licht ins Dunkel bringen: In den schwach korporatistischen Staaten ist die Staat-Markt-Arbeitsteilung weiter in Richtung Markt verschoben als in den st~irker korporatistischen L/indern. Insofern k6nnte argumentiert werden, dass in schwach korporatistischen L/indem in der Tat die 6ffentlichen Haushalte nicht gleichermal3en stark durch Sozialversicherungen belastet werden wie in den mittelstark korporatistischen L~indem Kontinentaleuropas. Die 6ffentlichen Bildungsausgaben verbleiben dennoch auf einem relativ niedrigen Niveau, weil generell die Abgabenbereit-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
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schaft der W/ihler und Steuerzahler niedriger ist. Markt- oder private L6sungen sind prinzipieU besser akzeptiert als in den vomehmlich staatlichen L6sungen zugeneigten L/indem Europas. Wenn jedoch sowohl 6ffentliche als auch private Bildungsausgaben berficksichtigt werden, zeigt sich, dass die Gesamth6he der Bildungsausgaben in den liberalen, schwach korporatistischen Staaten mit den ausgabenstarken Skandinaviem mithalten kann. Insofem best/itigt sich die These vonder U-F6rmigkeit des Zusammenhangs zwischen Korporatismus und Bildungsausgaben, allerdings nur, wenn man beriicksichtigt, dass in den liberalen Staaten wie den USA, Kanada oder Australien die privaten Bildungsausgaben die 6ffentlichen zu einem betr~ichtlichen Teil erg~lzen. Der hohe Korporatismusgrad der skandinavischen L/inder deckt sich gut mit der Beobachtung, dass in diesen Staaten der Anteil der privaten Bildungsausgaben sehr gering ist. Weit ausgebaute korporatistische Institutionen wecken offenbar also auch bei den Sozialpartnem die Bereitschaft, 6ffentlichen L6sungen die Vorfahrt gegeniiber privaten Altemativen einzur/iumen.
Offentliche Bildungsausgaben- und Sozialleistungsquote Im vorigen Abschnitt und auch bei der Untersuchung der 6ffentlichen Bildungsausgaben ist mehrfach die These diskutiert worden, dass die privaten und die 6ffentlichen Bildungsausgaben in einem gewissen Substitutionsverh~iltnis zueinander stehen. Diese These wird durch die Ergebnisse der multivariaten Querschnittsanalyse der privaten Bildungsausgaben best~itigt. Sowohl die 6ffentliche Bildungsausgabenquote als auch die 6ffentliche Sozialleistungsquote stehen in einer negativen Assoziation zu den privaten B ildungsausgaben. Dies zeigt, dass die privaten Bildungsausgaben nicht nur als Erg~inzung zu den 6ffentlichen Ausgaben angesehen werden k6nnen, sondem diese teilweise ersetzen. Dies diirfte besonders fiir den terti~en Sektor relevant sein, in dem sich die 6ffentlichen und privaten Altemativen gegeniiberstehen. Auf der einen Seite finden sich wie in den USA nach Marktvorbild organisiert Bildungsm/irkte, in denen der Wettbewerb um Studenten, Professoren sowie knappe 6ffentliche und private Geldmittel entscheidend ist. Auf der anderen Seite finden sich staatlich regulierte Hochschulsysteme wie in den skandinavischen L/indem. Die relative Verteilung der privaten und 6ffentlichen Bildungsausgaben spiegelt also in eindrucksvoller Weise die generelle Ausrichtung der politischen (3konomie und des Wohlfahrtsstaates auf marktliche bzw. staatliche L6sungen wider.
306
4.4
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Zwischenfazit: Zusammenfassung der Befunde des internationalen Vergleichs
In diesem Kapitel werden die zentralen Befunde des intemationalen Vergleichs (Kapitel 4 und 5) zusammengefasst. Bei der Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten haben sich folgende Variablen (unser ,,Basismodell") als besonders ekl/irungskr~iftig gezeigt: Das Politikerbe, gemessen an der H6he der Ausgabenquote des Vorjahres, bestimmt zu einem betr~ichtlichen Teil auch die Ausgabenh6he der aktuellen Periode. Zwischen dem BIP pro Kopf und den 6ffentlichen Bildungsausgaben besteht eine positive Assoziation, was darauf hindeutet, dass das Wagner'sche Gesetz der steigenden 6ffentlichen Ausgaben bei steigendem wirtschaftlichem Wohlstand nicht nur far die Sozial-, sondern auch die Bildungspolitik zutriffl. Das Wirtschaftswachstum ist negativ mit der Bildungsausgabenquote assoziiert. Eine substanzielle Interpretation fiillt hier schwerer. Es k6nnte darauf hindeuten, dass die Bildungsausgaben in weniger starkem MaBe von den Schwankungen des wirtschafllichen Konjunkturzyklus beeintr~ichtigt werden als die Sozialausgaben. Der Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen hat sich ebenfalls als wichtige Determinante der Bildungsausgabenquote herausgestellt. Je gr613er der Anteil der Jungen an der Bev61kerung, desto h6her die Ausgabenquote. Der Anteil der Llber-65-J/ihrigen oder die Interaktion zwischen diesen beiden demographischen Variablen waren weniger erkl/irungskr/iftig. Als Erkl/irung far diesen Befund bieten sich zwei Thesen an: Zum einen funktioniert die stellvertretende Wahrnehmung der Interessen der Kinder als eigentliche NutznieBer von Bildung durch die Eltem bis zu einem gewissen Grad. Zum zweiten zeigt sich bei einer Betrachtung der Verteilung der Ausgaben auf die einzelnen Bildungssektoren, dass der positive Effekt der Variablen ,,Anteil der 5-29-J/ihrigen an der Bev61kerung" vor allem auf die Dynamik der Ausgaben far den Prim/Jr- und Sekund~irbereich und weniger far den Hochschulsektor zur/ickzufahren ist. Aul3erdem hat sich der Grad der Auspr~igung der konstitutionellen Vetostruktur als erkl~irungskr~iftig erwiesen. Je h6her die Zahl der formellen und informellen Vetospieler und Mehrheitsbegrenzer, denen sich die zentralstaatliche Regierung gegenfiber sieht, desto niedriger die 6ffentlichen Bildungsausgaben. Eine ausgepr/igte Vetostruktur hat somit nicht nur den Aufstieg des Sozialstaates in der Ausgabendimension gebremst, sondern auch den des B ildungsstaates. Zwischen den 6ffentlichen Bildungsausgaben und der 6ffentlichen Sozialausgabenquote besteht ein robuster, positiver Zusammenhang. Es besteht also kein universaler Trade-Offzwischen diesen beiden Politikfeldem. Vielmehr geht der Ausbau des 6ffentlichen Bildungsstaates fiber weite Strecken Hand in Hand mit dem Ausbau der Sozialpolitik. Auch die allgemeine Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt in der Bereitstellung 6ffentlicher Gfiter ist positiv mit den Bil-
Bildungsausgaben im internationalen l/'ergleich
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dungsausgaben assoziiert, wird im direkten Vergleich aber von dem Effekt der Sozialleistungsquote dominiert. Nichtsdestotrotz kann festgehalten werden, dass neben einem ausgebauten Sozialstaat auch ein staatlichen Lfsungen von Kollektivgutproblemen prinzipiell zugeneigtes Umfeld positiv fiir die 6ffentlichen Bildungsausgaben ist. Aul3er den Variablen des Basismodells haben sich in weiteren Analysen folgende Determinanten herauskristallisiert: Als relativ erkl~irungskr~iftig haben sich Variablen erwiesen, die den Grad der Finanzierungs- und Programmkonkurrenz zwischen der Bildungspolitik und anderen Politikfeldern messen. Zwischen den Bildungsausgaben und einzelnen sozialpolitischen Ausgabenfeldem, vor allem sozialkonsumtiven Ausgaben fiir Rente und / oder Arbeitslosigkeit, besteht eine negative Assoziation. Dies deutet darauf hin, dass die prinzipielle Ausrichtung des Wohlfahrtsstaates - entweder auf kompensierende Transferleistungen oder sozialinvestive Dienstleistungen wie Bildung- eine wichtige Determinante der 6ffentlichen Bildungsausgaben ist. Die negative Assoziation zwischen den Bildungsausgaben und Indikatoren der Staatsverschuldung (Zinslastquote, Niveau der Staatsverschuldung) zeigt an, dass die Bildungspolitik in den Staaten und in den Zeiten, in denen die 6ffentlichen Mittel besonders knapp sind, den Kfirzeren zieht. Die These vom Politikerbe ist auBer bei der Betrachtung der Ausgabenh6he der Vorperiode auch durch die Variable ,,Bildungsausgaben in den 1970er Jahren" relevant geworden. Hier zeigt sich ein gewisser Catch-Up-Effekt: Die Staaten, die zu Anfang der Untersuchungsperiode (in den 1970er Jahren) weniger ffir Bildung ausgegeben haben, geben heute mehr aus, w/ihrend die Ausgabenquoten der Vorreiter aus der frfihen Periode langsamer gestiegen sind. Ob ein Land fiber eine f'6deralistische oder unitarische Verfassung ver~gt, hat keine Auswirkungen auf die HShe der Bildungsausgaben. Es zeigt sich aber, dass der Einfluss der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung auf die H6he der 6ffentlichen Bildungsausgaben in unitarischen L/indem gr6Ber ist als in f'6deralistischen. AuBerdem finden sich Hinweise darauf, dass der Grad der fiskalischen Dezentralisierung (gemessen am tats/ichlichen Autonomiegrad der lokalen Regierungsebene in der Fiskalpolitik) mit den Bildungsausgaben positiv assoziiert ist. Eine Dezentralisierung der fiskalpolitischen Verantwortung fiihrt somit nicht zu einem ,,race to the bottom" auf Kosten der Bildungspolitik, sondem kann im Gegenteil einen positiven Uberbietungswettbewerb in Gang setzen. Die Frauenerwerbsquote hat sich als eine robuste, positive Determinante der 6ffentlichen Bildungsausgaben herausgestellt. Hier ist allerdings die kausale Richtung des Wirkungszusammenhangs zwischen den Ausgaben und der Frauenerwerbsbeteiligung unklar. Die heutige oder historische konfessionelle Zusammensetzung der Bev61kerung steht in keinem statistisch nachweisbaren Zusammenhang mit den
308
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
Bildungsausgaben. Der Einfluss des Faktors Religion in der Bildungspolitik, der zweifelsohne besteht, ist eher indirekter und historischer Natur und l~isst sich daher in statistischen Analysen nur schwer nachweisen. Fiir die Variable ,,Korporatismus" konnte ein schwacher U-f6rmiger Zusammenhang mit den Bildungsausgaben nachgewiesen werden, d.h. in L~indem mit mittelstark ausgepr~igtem Korporatismus sind die 6ffentlichen Bildungsausgaben tendenziell niedriger. Dies kann daran liegen, dass dort die knappen 6ffentlichen Ressourcen in st~irkerem Mal]e als in L~indem mit sehr starken oder sehr schwachen korporatistischen Institutionen zur Deckung der unmittelbaren sozialpolitischen Bedfirfnisse der Gewerkschaflsmitglieder verwendet werden (Arbeitslosen-, Renten-, Gesundheitsversicherung). Ffir die Subperiode der 1980er Jahre haben sich auBerdem die Variablen der Parteiendifferenzthese als erkl/irungskr/iftig herausgestellt. Eine Regierungsbeteiligung konservativer Parteien ist dabei mit niedrigeren Bildungsausgaben verbunden, eine Beteiligung der Linken mit h6heren. Fiir die christdemokratische Parteienfamilie liel3en sich keine eindeutigen Effekte nachweisen, sie nimmt gegeniiber der Bildungspolitik eine ambivalente Position ein. Diese steht in einem deutlichen Kontrast zu ihrer Ausgabenbereitschafl in anderen sozialpolitischen Feldern, vor allem der konsumtiven, auf Transferleistungen ausgerichteten Sozialpolitik. Eine Regierungsbeteiligung von liberalen Parteien hat in Zeiten des 6konomischen Aufschwungs, wenn zus/itzliche Ressourcen mobilisiert werden k6nnen, einen positiven Effekt auf die H6he der Bildungsausgaben. Was die Machtressourcen angeht, so konnte nachgewiesen werden, dass ausgepr~igte Gewerkschaflsmacht, wenn sie mit einer starken Stellung der Linken in der Regierung einhergeht, in den 1980er Jahren mit h6heren Bildungsausgaben assoziiert ist, wohingegen die Abwesenheit korporatistischer Institutionen und die Pdisenz konservativer Parteien in der Regierung mit niedrigeren 6ffentlichen Ausgaben einhergeht. Die intemationale Hypothese hat sich in der Untersuchung der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten als insgesamt wenig aussagekr~iftig herausgestellt. Zwischen der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote und der Offenheit der Volkswirtschafl (gemessen an der Summe aus Exporten und Importen in Prozent des BIP) besteht keine nachweisbare statistische Assoziation. Weiterhin sind auch die Veriinderungsraten der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten untersucht worden. Einige Thesen aus der Analyse der Ausgabenniveaus haben sich dabei erh~irtet. Zum Beispiel findet sich eine positive Assoziation zwischen der Ver~inderung der Sozialausgaben und der Bildungsausgaben. Das heif3t, der Ausbau der Bildungs- und des Sozialstaates ist in weiten Strecken parallel verlaufen. Ein Ansteigen der Zinslastquote ist allerdings mit einer Ab-
Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
309
nahme der Bildungsausgaben verbunden. Also auch hier wieder Indizien daftir, dass die Bildungsausgaben im Kampf um knappe Mittel den Kiirzeren ziehen. Eine Zunahme des Bev61kerungsanteils der 13ber-65-J~ihrigen ist auch negativ mit der Ver~inderungsrate der B ildungsausgaben assoziiert. Dies deutet an, dass die Thesen der Schule der, generationalpolitics', also des heraufziehenden Konfliktes zwischen den Generationen, starker in der L~ingsschnitt- und weniger in der Querschnittsbetrachtung zutreffen. Das heiBt, dass vor allem die Lasten der zunehmenden Bev61kerungsalterung die ftir die Bildung zur Verffigung stehenden 6ffentlichen Gelder weiter unter Druck setzen. Ein positiver Zusammenhang besteht auch zwischen den Ver~inderungsraten der Bildungsausgaben und der Regierungsbeteiligung liberaler Parteien sowie der Bildungspartizipation im terti~iren Sektor. Die Tatsache, dass diese Zusammenh/inge nur ftir die Ver~inderungsraten und nicht fiir die Ausgabenniveaus nachweisbar sind, kann dadurch erkl~irt werden, dass die liberalen Parteien mit Regierungsverantwortung im Vergleich zu den sozialdemokratischen Parteien den Ausbau des 6ffentlichen Bildungsstaates erst mit Versp~itung betrieben haben, so dass sich der positive Effekt zun~ichst nur in den Ver/inderungsraten und noch nicht in den Ausgabenniveaus zeigt. Abgesehen davon war die Expansion der Bildungschancen im terti/iren Sektor eine weitere groBe Antriebskraft des Ausbaus des Bildungsstaates. Die Betrachtung der 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiiler hat im Prinzip die Ergebnisse der Analyse der Ausgabenquoten best~itigt, bei einigen Variablen aber auch erkl/imngsbediirftige Diskrepanzen aufgedeckt. Insbesondere hat sich auch zwischen den Bildungsausgaben pro Schiller und dem BIP pro Kopf als Indikator wirtschaftlichen Wohlstandes eine positive Assoziation gezeigt, d.h. je reicher ein Land ist, desto h6her ist nicht nur seine Ausgabenquote, sondern desto h6her sind auch die absoluten Bildungsausgaben pro Schiller. Eine positive Assoziation 1/isst sich auch zwischen den Pro-Schiiler-Ausgaben und dem Wirtschaftswachstum nachweisen: Je starker das reale BIP w~ichst, desto h6her sind die 6ffentlichen Ausgaben. AuBerdem hat sich auch bei den Pro-SchiilerAusgaben die Ausgabenh6he des Vorjahres (das Politikerbe) als besonders starker Bestimmungsfaktor der heutigen Ausgabenh6hen best~itigt. Eine auffiillige Diskrepanz zu den Befunden der Analyse der 6ffentlichen Bildungsausgabenquoten ergibt sich bei den demographischen Variablen: Die multivariate Regressionsanalyse hat gezeigt, dass die 6ffentlichen Bildungsausgaben pro Schiller niedriger ausfallen, je h6her der Anteil der Jungen an der Bev61kerung ist im Verh~iltnis zum Bev61kerungsanteil der Ober-65-J~ihrigen. Eine Erkl~imng hierRir kann darin gesehen werden, dass der Bev61kerungsanteil der Jungen vor allem in den wirtschaftlich ~irmeren Staaten iiberdurchschnittlich ist. In diesen Staaten
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
sind auch aufgrund der relativ schwachen Wirtschaflskrafl die Ausgaben pro Schiller ebenfalls unterdurchschnittlich. AuBerdem wirkt sich ein h6herer Anteil von Konservativen an der Regierung negativ auf die Pro-Schiller-Ausgaben aus. Eine st/irkere Beteiligung von Liberalen an der Regierung ist hingegen mit einem Anstieg der Pro-Schiller-Ausgaben verbunden, allerdings nur, wenn die Liberalen in Zeiten wirtschafllicher Prosperi/it bzw. starken Wirtschaflswachstums das Ruder in der Hand halten. Schlussendlich sind auch die sektoralen Bildungsausgaben einer Untersuchung unterzogen worden. Aufgrund der Datenlage sind hier insbesondere die 6ffentlichen Ausgaben in den Mittelpunkt der Analyse gerilckt. Die 6ffentlichen Ausgaben fiir prim/ire, sekund/ire und post-sekund/ire, nicht-terti/ire Bildung weisen im intemationalen Vergleich eine geringere Variation auf als die Ausgaben fiir den terti/iren Hochschulbereich. Die institutionellen Gestaltungsparameter des 6ffentlichen Bildungswesens sind daher wichtige Determinanten. So konnte gezeigt werden, dass je h6her die durchschnittliche Klassengr6Be oder das Schfiler-Lehrer-Zahlenverh/iltnis sind, desto niedriger ist die Bildungsausgabenquote. Das heil3t, die Lehrer in den L/indern, die weniger ftir B ildung ausgeben, mfissen im Schnitt eine h6here Zahl von Schiller betreuen. Erwartungsgem/il3 ist auch die demographisch bedingte Nachfrage (Bildungspartizipation im jeweiligen Bildungssektor) eine wichtige Determinante. Die H6he der Lehrergeh/ilter ist allerdings kein Kosten treibender Faktor in der B ildungsausgabenstatistik: Die relative H6he der Lehrergeh/ilter ist sogar tendenziell negativ mit der Bildungsausgabenquote assoziiert. Bei der Analyse der terti/iren Bildungsausgaben spielen politische und institutionelle Variablen wieder eine wichtigere Rolle. Die internationale Hypothese kann im Gegensatz zu den Analysen der aggregierten Ausgabenquoten hier eine hohe Relevanz fiir sich beanspruchen. Offene Volkswirtschaften (gemessen an der Summe der Importe und Exporte in Prozent des BIP) verf/igen fiber h6here 6ffentliche Terti/irausgaben. Auch die Nachfragevariable Bildungspartizipation im terti/iren Sektor ist eine wichtige Determinante. Der Bev61kerungsanteil der 5-29-J/ihrigen insgesamt jedoch ist negativ mit den Ausgaben im Terti/irbereich assoziiert. Dies liegt zum Teil daran, dass/irmere L/inder tendenziell fiber einen h6heren Bev61kerungsanteil junger Menschen verfiigen, aber gleichzeitig weniger in die Hochschulbildung investieren. Der positive Effekt dieser Variable bei der Betrachtung der Gesamtbildungsausgaben ist daher im Wesentlichen auf den Ausbau der unteren B ildungssektoren in diesen L/indern zurilckzufiihren. Die Frauenerwerbsbeteiligung ist ebenfalls positiv mit den 6ffentlichen Ausgaben im terti/iren Bildungsbereich assoziiert. Die Erschliel3ung von Bildungsm6glichkeiten im Hochschulsektor ist somit ein wichtiger Zugangsweg fiir Frau-
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en zum Arbeitsmarkt. Der Anteil der in der Industrie Besch~iftigten an der Gesamtbesch~iftigung ist negativ mit den 6ffentlichen Hochschulausgaben assoziiert. Eine Wirtschaftsstruktur, in der der Industriesektor im Vergleich zum Dienstleistungssektor weiterhin eine wichtige Rolle spielt, wirkt sich somit d/impfend auf den Ausbau 6ffentlicher Bildungsm6glichkeiten im Terti~irbereich aus.
Auch parteipolitische Variablen haben sich zur Erkl~irung der 6ffentlichen Hochschulausgaben als besonders wichtig herausgestellt. Eine Regierungsbeteiligung Konservativer oder Christdemokraten geht einher mit niedrigeren 6ffentlichen Hochschulausgaben, eine Beteiligung linker Parteien mit h6heren. Es finden sich daher Indizien daftir, dass der Ausbau des 6ffentlichen Hochschulwesens in Verbindung mit dem politischen Ziel der Anhebung der Frauenerwerbsquote und des Umbaus der Wirtschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft als Reaktion auf die 6konomische Globalisierung vor allem von linken Regierungsparteien vorangetrieben wurde. Die Analyse der privaten Bildungsausgabenquoten hat ebenfalls einige interessante Zusammenh/inge ans Licht gebracht. Auch hier zeigt sich eine positive Assoziation zwischen den (privaten) Bildungsausgaben und dem wirtschaftlichen Wohlstand (gemessen am BIP pro Kopf). Die steigende Nachfrage nach Bildungsleistungen, und zwar unabh~ingig davon, ob damit h6here 6ffentliche oder private Ausgaben einhergehen, kann als ,,Nebenprodukt" des wirtschaftlichen Aufstiegs vonder Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft angesehen werden. Diese 6konomische Transformation geht einher mit einer steigenden Nachfrage nach Hochqualifizierten, welches sich wiederum positiv auf die Nachfrage nach Bildungsdienstleistungen auswirkt. Auch zeigt sich, dass f'6deralistisch verfasste Staaten fiber h6here private Bildungsausgaben verfiigen als nicht-f'6deralistische. Die Sozialpolitikforschung hat gezeigt, dass f'6deralistische Staaten beim Aufund Ausbau des Sozialstaates tendenziell langsamer voranschreiten als unitarische Lander. Analog kann argumentiert werden, dass auch der Ausbau des 6ffentlichen Bildungsstaates und vor allem die Expansion in den terti~en Sektor durch f'6deralistische Strukturen gebremst wurde, da die unteren Regierungsebenen auf die Wahrung ihrer bildungspolitischen Kompetenzen achten. Wenn die Expansion der 6ffentlichen Dimension des Bildungsstaates gebremst ist, dann wird die im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung tendenziell ansteigende Nachfrage nach Bildung durch private Altemativen gedeckt, wie der Fall USA eindeutig veranschaulicht. Auch der Faktor ,,Korporatismus" ist eine wichtige Determinante der privaten B ildungsausgaben. Die Einbeziehung der privaten Bildungsausgaben hat die These v o n d e r U-F6rmigkeit des Zusammenhangs zwischen Korporatismus und B ildungsausgaben unterstiitzt: Auf der einen Seite
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Bildungsausgaben im internationalen Vergleich
finden sich die skandinavischen Staaten, die fiber hohe 6ffentliche Bildungsausgaben und einen ausgebauten Korporatismus verftigen. Auf der anderen Seite findet sich die angels~ichsischen L~inderfamilie, vor allem USA, Kanada und mit Einschr~inkungen Australien. Diese Staaten zeichnen sich im Unterschied zu den Staaten Kontinentaleuropas nicht durch einen ausgebauten Korporatismus aus (m.E. Australien). Dafiir kann die nur mittelm/il3ige Position dieser Staatengruppe bei der Betrachtung der 6ffentlichen Ausgaben durch hohe Privatausgaben kompensiert werden, so dass sie bei den Gesamtbildungsausgaben mit den skandinavischen L~indem mithalten k6nnen. Schliel31ich zeigt sich auch eine negative Assoziation zwischen den privaten Bildungsausgaben und der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote bzw. der 6ffentlichen Sozialleistungsquote. Dies unterstfitzt die These, dass die generell in einem Land vorherrschende Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt bei der Bew~iltigung von Kollektivgutproblemen auch fiir die H6he der Privatausgaben eine wichte Pr~igegr61]e ist und dass 6ffentliche und private Bildungsausgaben in einem gewissen Substitutionsverh~iltnis zueinander stehen.
Q
Fazit und Ausblick: Die Bildungsausgaben im Kampf um knappe Mittel
Im abschlieBenden Kapitel werden wir zun~ichst die Befunde des internationalen Vergleichs mit denen des US-intranationalen abgleichen sowie die zentralen R/ickschliJsse aus den Befunden dieser Arbeit zusammenfassen und abschlieBend einen Ausblick geben auf die wahrscheinliche zuk/inftige Entwicklung der Bildungsfinanzen in den USA und im internationalen Vergleich.
5.1
Abgleich der Befunde aus dem internationalen und US-intranationalen Vergleich
Zun[ichst die Betrachtung der Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen dem internationalen und dem US-intranationalen Vergleich: In beiden F~illen haben sich die Variablen der sozio-6konomischen Schule als erkliimngskr~iftig erwiesen. Der Bev61kerungsanteil derjenigen im Schulalter hat sich als prinzipiell bildungsausgabenf'6rderliche Variable herauskristallisiert. Im US-Fall wurde allerdings deutlich, dass zwischen dem Anteil der Jungen an der Bev61kemng und den Pro-Kopf-Bildungsausgaben eine negative Assoziation besteht. Da hierbei die Variable ,,BIP pro Kopf' dutch die multivariate Regressionsanalyse konstant gehalten wird, kann der Riickschluss gezogen werden, dass in den USA die jtingeren Staaten zwar tendenziell fiber eine h6here Bildungsausgabenquote verfiigen, die zur Verfiigung gestellten Finanzmittel aber auch fiber eine gr6Bere Empfiingergmppe verteilt werden. Daher kommt es zu einer Abnahme der ProKopf-Ausgaben. Die Variable ,,BIP pro Kopf', die als Indikator fiir den wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes bzw. eines US-Bundesstaates angesehen werden kann, ist im intemationalen Vergleich positiv mit den Bildungsausgabenquoten assoziiert, im US-intranationalen Vergleich allerdings negativ. Die reicheren Bundesstaaten der USA k6nnen sich h6here Pro-Schiiler-Ausgaben leisten und dabei gleichzeitig ihre Ausgabenquoten niedriger halten als die ~irmeren Staaten. Im US-intranationalen Vergleich kann somit das Wagner'sche Gesetz der steigenden 6ffentlichen Ausgabenquoten bei steigendem wirtschaftlichem Wohlstand im Unterschied zum internationalen Vergleich nicht best~itigt werden. Offensichtlich beschr/irda sich die Rolle der 6ffentlichen Hand in der Bildungspolitik in den USA auf die Bereitstellung einer Grundversorgung an Dienstleistungen vor allem im Prim/Jr- und Sekund/ir- sowie zum Teil im Terti/irbereich.
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Fazit und Ausblick
Die umfassende Expansion der post-sekund~iren B ildungseinrichtungen, ob dies im Hochqualit~itssektor der Elite-Terti~irinstitutionen oder im auf die Massenbildung ausgelegten For-Profit-Bereich ist, wird im Wesentlichen durch die private Hand vorangetrieben. Daher ist der Anteil der Bildungsausgaben an der Wirtschaftsleistung nach Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes tendenziell wieder riickl~iufig, denn die im Wesentlichen konstante Bereitstellung von Bildungsleistungen durch die 6ffentliche Hand kann bei steigendem BIP durch einen geringeren Teil desselben finanziert werden. Neben den Variablen der sozio-6konomischen Schule spielt auch die Finanzierungskonkurrenz zwischen verschiedenen Ausgabenbereichen sowohl im internationalen als auch im US-intranationalen Vergleich eine gewisse Rolle. Im intemationalen Vergleich befanden sich die Bildungsausgaben vor allem mit den sozialkonsumtiven Ausgaben ffir Rente und Arbeitslosigkeit im Mittelkonflikt, wfihrend zwischen dem Etatisierungsgrad und der Bildungsausgabenquote eine positive Assoziation nachgewiesen werden konnte. Im US-intranationalen Vergleich zeichnet sich ein fihnliches Bild ab: Die generelle Bereitschaft eines USBundesstaates, der 6ffentliche Hand gegeniiber der privaten Hand in der Bereitstellung der 6ffentlichen Giiter Vorfahrt zu gew~ihren, wirkt sich auch positiv auf die H6he der Bildungsausgaben aus. Die Bildungspolitik ~ g t sich daher neben anderen Politikfeldem wie der Sozial-, zum Teil aber auch der Wirtschaftspolitik ein in den generellen Auf- und Ausgabenkatalog eines Bundesstaates. Der Umfang und die Dicke dieses Kataloges, also die Festlegung, wie weit die 6ffentliche Sphfire in die private hineinreichen soil bzw. darf, wird dabei im Wesentlichen durch politische, kulturelle und historische Faktoren bestimmt. Im US-intranationalen Vergleich finden sich weiterhin auch Hinweise darauf, dass die zunehmende Knappheit der 6ffentlichen Mittel die Bildungspolitik h~irter trifft als andere Politikfelder. Im intemationalen Vergleich konnte gezeigt werden, dass der Stand der 6ffentlichen Verschuldung und die Zinslastquote negativ mit den B ildungsausgaben assoziiert sind, was darauf hindeutet, dass bei leeren 6ffentlichen Kassen der Rotstift vor allem den Bildungssektor trifft. In den US-Bundesstaaten hat sich vor allem in der ersten Hfilfte der 1990er Jahre und nach 2001 die Finanzkrise der 6ffentlichen Haushalte versch~irft. Die Bildungsausgaben ~ r das Primar- und Sekundarschulwesen sind dabei weniger von Kiirzungen betroffen gewesen als die Ausgaben ffir den Tertifirbereich. Insgesamt haben die Bildungsausgaben aber mehr gelitten als die Ausgaben ftir Gef'~ingniswesen, Medicaid oder Sozialhilfe. Ein Teil der Ausgaben im 6ffentlichen Hochschulsektor wurde durch die Anhebung der Studiengebfihren direkt an die private Hand weitergereicht. Eine indirekte und l~ingerfristige Neujustierung des Verh~iltnisses zwischen privatem und 6ffentlichem Hochschulsektor k6nnte durch die chronische Unterfinanzierung der 6ffentlichen Institutionen stattfinden.
Fazit und Ausblick
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Dies gilt weniger ftir die 6ffentlichen Spitzenuniversit/iten wie Berkeley, sondern in st~kerem MaBe fiir die Institutionen, die sich um akademisch schw/ichere Studenten kiimmem. Hier hat die For-Profit-Bildungsindustrie bereits einen lukrativen Markt entdeckt. Eine weitere Parallele zwischen dem intemationalen und dem USintranationalen Vergleich zeichnet sich in der Betrachtung der Rolle der lokalen Autonomie in der Finanzierung und Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen ab. Im intranationalen Vergleich hat sich gezeigt, dass die Ausgabendisparit/it zwischen dem ftinftreichsten und dem ftinft/irmsten Schuldistrikt positiv mit den durchschnittlichen Pro-Schiiler-Ausgaben in diesem Bundesstaat zusammenh/ingt. Dies ist indirekt ein Indikator fiir den Grad der fiskalischen Autonomie der lokalen Ebene, denn eine Verminderung der Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung zwischen den Schuldistrikten ist in den USA zwangsl/iufig mit einer gewissen Zentralisierung der Bildungsfinanzen einhergegangen. Umgekehrt ist in den Staaten mit einer hohen Ausgabendisparit/it die Unabh/ingigkeit der reichen Schuldistrikte, weiterhin hohe Einnahmen und Ausgaben fiir Bildung zu mobilisieren, weniger herausgefordert worden. Im internationalen Vergleich konnte ein gewisser positiver Effekt der Variable ,,fiskalische Dezentralisierung" auf die Bildungsausgabenquote nachgewiesen werden. Beide Indizien deuten darauf hin, dass die Gew~ihrung eines relativ hohen Grades an fiskalischer Autonomie an die lokale Ebene sich positiv auf die durchschnittlichen Bildungsausgaben auswirkt. Dies kann dadurch erkl/irt werden, dass in der Bildungspolitik aufgrund der relativ leichten Verftigbarkeit von Exit-Optionen und der starken Relevanz der Bildung im Katalog der vonder Lokalregierung bereitgestellten Dienstleistungen unter Ausnutzung der fiscal illusion anstelle eines ruin6sen ,,race to the bottom" ein ausgabenf'6rderlicher Uberbietungswettbewerb zwischen den Lokalit~iten in Gang gesetzt werden kann. Auch bei den politischen Variablen finden sich Parallelen zwischen dem intemationalen und dem US-intranationalen Vergleich. Die Regierungsbeteiligung linker Parteien, so konnte zumindest fiir die 1980er Jahre im internationalen Vergleich nachgewiesen werden, sowie die Vormachtstellung der Demokraten auf der Ebene der US-Bundesstaaten wirken sich positiv auf die H6he der Bildungsausgaben aus. Die St/irke der Gewerkschaften sowie von korporatistischen Institutionen insgesamt haben sich im internationalen Vergleich als wenig erkl/irungskr/iftig erwiesen, es sei denn, sie gehen mit linken Regierungsparteien einher. Im US-intranationalen Vergleich hingegen hat sich gezeigt, dass eine starke Stellung von Interessenorganisationen prinzipiell mit einem Absinken der Bildungsausgabenquote einhergeht. Dies unterstreicht den allgemeinniitzlichen Charakter der Bildungspolitik, die offensichtlich im Kampf um knappe Mittel dann den K/irzeren zieht, wenn starke Interessengruppen die/Sffentlichen Res-
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Fazit und Ausblick
sourcen ftir Klientelpolitik missbrauchen k6nnen. Insgesamt kann es dennoch erstaunen, dass sich die parteipolitischen Variablen als derart erkl~imngskr/iftig erwiesen haben. Weil die Bildungspolitik ja vor allem eine lokale bzw. regionale Angelegenheit ist, war vor der Analyse bezweifelt worden, ob die parteipolitische F~irbung der Zentralregierung bzw. der Kongresse und Regierungen der USBundesstaaten eine wichtige Rolle spielen kann, wenn die wesentlichen bildungspolitischen Entscheidungen auf regionaler oder lokaler bzw. auf der Ebene der School Districts getroffen werden. Offensichtlich ist die parteipolitische F~irbung der Regiemngen jedoch auch ein Spiegel der vorherrschenden politischen Str6mungen in historischer und zeitgen6ssischer Hinsicht.
5.2
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die zentralen Schlussfolgerungen aus den Befunden dieser Arbeit, wie in Kapitel 4.4 und zu Anfang dieses Kapitels ausffihrlicher dargestellt, lassen sich wie folgt thesenartig zusammenfassen: 1. Private und 6ffentliche Ausgaben stehen weniger in einem komplement~iren, sondem starker in einem Verh~iltnis der Substitution zueinander. Dies gilt besonders fiir den post-sekund~iren Bildungssektor. Der Ausbau der 6ffentlichen Hochschulen ist vor allem von sozialdemokratisch regierten L~indern mit offenen Volkswirtschaften als Gegenstrategie zur 6konomischen Globalisierung betrieben worden. In der angeMichsischen L~inderfamilie ist die Rolle der privaten Hand im Terti~irbereich besonders stark ausgepr~igt, w~ihrend die kontinentaleurop~iischen Staaten weder durch hohe private noch durch hohe 6ffentliche Ausgaben im Hochschulbereich punkten k6nnen. Die Analyse der demographischen Determinanten konnte die pessimistischen Beftirchtungen eines heraufziehenden Generationenkonfliktes nicht best~itigen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Staaten mit einer relativ jungen Bev61kerung auch mehr Ftir Bildung ausgeben. Die Gr613e der Bev61kerungsgruppe der l)ber-65-J/ihrigen steht in keiner statistischen Assoziation mit den B ildungsausgaben. Es finden sich aber durchaus indirekte Hinweise auf einen sich anbahnenden Generationenkonflikt. Zum einen ist die Privilegierung bestimmter Bev61kerungsgruppen und -schichten auch in die Ausgabenparameter anderer sozialpolitischer Felder (Rente) einprogrammiert. Die negative Assoziation zwischen den Ausgaben fiir Rente und B ildung belegt, dass es hier Mittelkonkurrenzen gibt, die sich auch auf der Generationendimension niederschlagen. Zum zweiten ist die Gr613e der verschiedenen Bev61kerungsgruppen seinerseits zumindest teilweise das Ergebnis sozialund bildungspolitischen Handelns. Die positive Assoziation zwischen den Bildungsausgaben und der Gr613e der jungen Bev61kerungsgruppen k6nnte .
Fazit und Ausblick
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somit auch eine generell den jiingeren Generationen zugewendete Familienund Bildungspolitik widerspiegeln. Die junge Generation in den Staaten, in denen eine solche auf die Jugend ausgerichtete Politik nicht zum Tragen kommt und in denen der Anteil der 13ber-65-J~ihrigen durch Bevtilkerungsalterung besonders schnell ansteigt, ware damit in st~rkerem MaBe der generationenbedingten Benachteiligung ausgesetzt. Die negative Assoziation zwischen der Ver/inderungsrate der Bildungsausgabenquote und des Anteils der 13ber-65-J~ihrigen belegt diese These eindrucksvoll. Bei der Bewertung der in der statistischen Analyse ermittelten Zusammenh~inge hat sich die Unterscheidung der Determinanten in kurzfristig wirkende (,,sources") und langfristig wirkende (,,causes") sowie das Denken in unterschiedlichen Kausalit~itsebenen als besonders wichtig erwiesen. Die Methode der multivariaten Regressionsanalyse suggeriert f'~ilschlicherweise, dass alle in das jeweilige Modell einflieBenden Variablen in einer ~ihnlichen statistischen wie kausalen Verbindung zur abh~ingigen Variablen stehen. Das theoriegeleitete Denken fiber den einfachen statistischen Zusammenhang hinaus zeigt, dass die kausalen Beziehungen zwischen den einzelnen unabh~ingigen Variablen und der abh~ingigen Variablen komplexer und vielschichtiger sein kfnnen als die Regressionsmethode suggeriert. So wurde argumentiert, dass parteipolitischer Kr~ifte nicht nur direkt, sondem auch vermittelt fiber das wohlfahrtsstaatliche Arrangement und den Etatisierungsgrad eines Landes auf die B ildungsausgaben einwirkt. Der Riickschluss, der daraus gezogen werden muss, ist, dass die statistische Analyse aufjeden Fall immer durch eine stabiles Theorie-Geriist von Hypothesen untermauert und wenn m6glich durch historiographische sowie deskriptive Analyse erg~inzt werden sollte, um vorschnelle Fehlschliisse zu vermeiden. AbschlieBend m6chte ich einen zugegeben subjektiven Ausblick auf die Zukunft der Bildungsfinanzierung in den OECD-Staaten und der USA im Besonderen geben. Im Prinzip kann dabei Leibfried (2003) zugestimmt werden, der die gr6Bten Herausforderungen vor allem fiir Deutschland und andere kontinentaleurop~iische Wohlfahrtsstaaten sieht. Die post-sekund~ire Bildung, ob dies im Terti~bereich oder in der Berufsbildung ist, hat in den letzten Jahrzehnten sicherlich das grfBte Wachstumspotential und dabei auch das gr6Bte sozialpolitische Potential entwickelt. Eine grundlegende Voraussetzung ilia" die Nutzung der Bildungschancen und der damit verbundenen sozialen Aufstiegsmtiglichkeiten fiir sozial Benachteiligte sowie ftir die Sicherung der Vormachtstellung der entwickelten Industrienationen im 6konomischen Wettbewerb der Nationen als High-SkillLander ist die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel ilia" die h6heren Bildungssektoren in diesen L~indem. Im der Welt der OECD-Staaten zeichnen sich
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Fazit und Ausblick
zwei erfolgreiche Strategien ab, wie Ressourcen in ausreichender Menge in die Humankapitalakkumulation und den Ausbau der Hochschulen investiert werden k6nnen. Zum einen 1/isst sich ein sozialdemokratisch-skandinavischer Weg identifizieren: Hohe 6ffentliche Investitionen in die Bildung allgemein, aber auch in die Hochschulbildung insbesondere sind Teil einer umfassenderen, auf die St/irkung der Angebotsseite ausgerichteten Sozial- und Wirtschaftspolitik (Garrett/ Lange 1991; Boix 1997, 1998). Nicht unbetr~ichtliche Kfirzungen und strukturelle Reformen in sozialkonsumtiven Ausgabefeldem (Rente), die auch aufgrund der unitarischen Staatsstruktur und der geringen Zahl der konstitutionellen Mehrheitsbegrenzer erm6glicht wurden, haben verhindert, dass die Staatsfinanzen, wie in einigen kontinentaleurop/iischen Wohlfahrtsstaaten geschehen, durch 13berschuldung auger Kontrolle geraten. Eine hohe Frauenerwerbsbeteiligung steigert die Nachfrage nach terti/iren Bildungsangeboten und st/irkt damit den Expansionsschub. Gleichzeitig werden aber, ebenfalls durch 6ffentliche Arbeitsmarktpolitik angeregt, die Erwerbschancen ftir Frauen ausgebaut, so dass eine zus~itzliche Investition in die eigene Bildung sich auch am Arbeitsmarkt auszahlt. Der angels/ichsische, hier vor allem der US-amerikanische und der kanadische Weg stellt die zweite erfolgreiche Alternative zur Mobilisierung ausreichender Ressourcen ftir die post-sekund~ire B ildung dar mit dem wesentlichen Unterschied, dass hier die Mittel weniger durch die 6ffentliche, sondern vor allem durch die private Hand bereitgestellt werden. Dies geht einher mit einer ausgepr~igteren Rolle der Studiengebfihren in der Bildungsfinanzierung, aber vor allem mit einer st~irkeren Pr/isenz privater Bildungsinstitutionen. Eine verbreitete Beftirchtung, die mit privater Bildungsfinanzierung einhergeht, ist der Vorwurf der Erzeugung von Bildungs- und Chancenungleichheiten, da der Zugang zu privaten Bildungsinstitutionen im Wesentlichen yon der Gr613e des Geldbeutels der Eltem abh~inge. Wenngleich solche Vorwiirfe nicht vollst~indig von der Hand zu weisen sind und die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen famili~irem Hintergrund und B ildungsungleichheit nicht zu den Haupt-Gegenst~inden dieser Untersuchung geh6ren, so finden sich doch einige Hinweise darauf, die die Vorwfirfe zumindest abschw~ichen. In Kapitel 3 wurde vonder Offenheit des USamerikanischen Hochschulsystems und seiner enormen Vielfalt berichtet. Die ausgepr/igte Beteiligung der privaten Hand in der B ildungsfinanzierung und bereitstellung, die Einfachheit der Gl'findung neuer Bildungsinstitutionen und der amerikanische Mythos vom sozialen Aufstieg fiber die Bildungsleiter haben im Lauf der amerikanischen Bildungsgeschichte immer wieder dazu gefiihrt, dass sich vormals benachteiligte Bev61kerungsschichten Zugang zu Institutionen der h6heren Bildung verschafft haben, auch wenn dies mit dem Entrichten nicht unbetr/ichtlicher Studiengebfihren verbunden war. Hinzu kommt, dass die flexib-
Fazit und Ausblick
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le Struktur des Arbeitsmarktes das Erlangen eines h6heren Bildungsabschluss in st~irkerem MaBe belohnt als dies in den egalisierenden und durchreglementierten Arbeitsm~irkten europ~iischer Pr~igung der Fall ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Gehaltszuwachses als auch hinsichtlich des Gewinns an Besch~ifligungssicherheit. Weil diese Gewinne in den USA h6her ausfallen, kann sich der Einzelne auch h6here Studiengebiihren leisten. Drittens gibt es in den USA auch und vor allem an den privaten Elite-Institutionen ein ausgebautes System an Stipendien und Kreditm6glichkeiten, so dass der Besuch der jeweiligen Institution nicht von dem Geldbeutel der Eltern, sondern nur yon der akademischen Leistung des Einzelnen abh~ingt. SchlieBlich hat sich bei der Analyse des positiven Zusammenhangs zwischen Frauenerwerbsquote und privaten Bildungsausgaben gezeigt, dass zumindest die Bev61kerungsgruppe der Frauen von einem Ausbau der privaten Bildungsfmanzierung profitiert und ihre Erwerbschance steigem kann. Insofern scheint eine genauere und vergleichende Untersuchung des Zusammenhangs zwischen privater Bildungsfinanzierung und Bildungsungleichheit dringend angebracht. Die konservativen Wohlfahrtsstaaten Kontinentaleuropas hingegen scheinen sich mit der ausreichenden Finanzierung der Bildung besonders schwer zu tun. Hier gelingt es vielfach weder durch private noch durch 6ffentliche Mittel nicht, mit den angels~ichsischen und skandinavischen L~indem vergleichbare Ausgabenniveaus zu erreichen. Eine gewisse Ausnahme stellt das duale System der Berufsausbildung in Deutschland und der Schweiz dar. Die institutionelle Struktur der Wohlfahrtsstaaten begiinstigt sozialkonsumtive Ausgabenfelder wie Renten- und anderen Sozialversichemngen vor sozialinvestiven Ausgaben fiir Familie und Bildung. Die vorherrschende politische Kraft der Christdemokratie sowie die fiber korporatistische Institutionen an die Politik angebundenen Sozialpartner, die im Unterschied zu ihren skandinavischen Genossen aber nicht umfassend, sondem lediglich mittelstark sind, haben die Bildungspolitik nicht unbedingt vollst~indig vemachl~issigt oder gar aktiv bek~impft. Es kann allerdings behauptet werden, dass die F6rdemng der Bildung nicht zum Kern ihrer sozialund wirtschaftspolitischen Bemiihungen geh6rt und daher vielfach wenn nicht unterfinanziert, so doch zumindest vemachl~issigt worden ist. Eine oftmals jahrzehntelang w~ihrende Vemachl~issigung der Familien- und Bildungspolitik hat langfristig auch zu einer Ver~indemng des demographischen Profils dieser L~inder gefiihrt, die die Zukunftsaussichten fiir die Bildungsfinanzen nicht verbessert, sondern verschlimmert hat. Die zu erwartende Bev61kemngsalterung bei weiter ansteigender Staatsverschuldung wird den fiskalischen Spielraum fiir Bildungsausgaben weiter verkleinem, so dass anstelle einer anzuratenden Expansion der Bildungsfinanzen eine Kontraktion derselben zu erwarten ist. Dadurch wird die Abw~irtsspirale der Staatsfinanzen aber weiter angetrieben, denn aus-
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bleibende Investitionen in das Humankapital schw/icht langfristig die 6konomische Basis dieser Staaten, die auf High-Skill-Arbeitskr/ifte angewiesen ist und die fiir die Aufrechterhaltung der finanziellen Solvenz der Sozialversicherungssysteme so wichtig ist. Ffir die konservativen Wohlfahrtsstaaten sowie fiir Deutschland im Speziellen ist daher eine grundlegende Neuorientierung der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik von N6ten, in der diese drei Bereiche nicht als getrennte Politikfelder, sondem als Einheit verstanden werden. Der amerikanische und der skandinavische Weg sind zwei m6gliche, aber nicht zwingenderweise die einzigen Auswege aus der aktuellen Krise. Denkbar w/ire zum Beispiel auch ein Ausbau der bereits bestehenden Systeme der beruflichen Bildung und eine st/irkere Anbindung derselben an die Hochschulinstitutionen, wie das in Form der Fachhochschulen in Deutschland schon seit 1/ingerem und in Form der Berufsakademien erst seit kurzem geschieht. Dabei bliebe allerdings noch zu kl/iren, wie mit den akademisch Schw/ichsten, deren Qualifikationen fiir das nun anspruchsvollere System der beruflichen Bildung nicht ausreichen, sowie mit den akademisch St/irksten umzugehen ist. Bislang jedoch ist die politische Debatte weniger durch Zukunftsvisionen, sondem vor allem durch die Stellungsgefechte der etablierten Wohlfahrtsstaatsklientelgruppen bestimmt. In Bezug auf das US-amerikanische System der Bildungsfinanzierung lassen sich folgende Aussichten geben: Im Bereich des Primar- und Sekundarschulwesens zeichnet sich eine intensivierte Fortsetzung der Herausforderungen der School Boards und ihrer administrativen Strukturen von oben (Bundesstaaten) und von unten (lokale Initiativen, Charter Schools) ab. Es wird allerdings ein langwieriger Kampf werden. Die Stellung der Schuldistrikte in der amerikanischen Bildungspolitik ist hoch institutionalisiert. M/ichtige Interessengruppen wie die Lehrergewerkschaflen haben ein hohes Interesse an ihrem Fortbestehen und werden ihren Teil dazu beitragen, eine zu starke Abkehr vom traditionellen System zu verhindern. AuBerdem gibt es bislang keine wirkliche Alternative: Eine vollkommenen Dezentralisierung und Lokalisierung ist ebenso wenig wfinschenswert, praktikabel und durchsetzungsfiihig wie eine Zentralisierung auf Bundesstaaten-Ebene. Auch eine weitere Privatisierung der Grund- und Sekundarschulen scheint schwer m6glich, denn diese wiirde zwangsl/iufig die schwierige Frage der Trennung von Kirche und Staat wieder in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen rticken. Die seit den 1980er Jahren zu beobachtende Neuausrichtung der US-amerikanischen Bildungspolitik weg von reinen Finanzfragen hin zur Beurteilung der B ildungsqualit/it und der B ildungsleistungen wird fortbestehen und sich weiter verst/irken. Die zunehmende Einmischung der Bundesebene in die Bildungspolitik, wie sie auch und besonders unter George W.
Fazit und Ausblick
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Bush zu beobachten war, erh6ht die Komplexit/it dieses Politikfeldes und vermindert die Steuerungsfiihigkeit der 6ffentlichen Hand. Positiv zu beurteilen ist die Tatsache, dass die Bildungsbelange benachteiligter Bev61kerungsschichten starker wahrgenommen und konsequenter bek~impfi werden. Im Hochschulbereich zeichnet sich ab, dass die 6ffentlichen Haushalte der Bundesstaaten in Zukunft wohl eine weniger verl~issliche Einnahmequelle ffir 6ffentliche Bildungsinstitutionen sein werden, als sie es in der Vergangenheit waren. Die besten 6ffentlichen Institutionen passen sich daher, was Verwaltungsstrukturen und die Erschliel3ung neuer Einnahmequellen angeht, an die privaten Elite-Institutionen an. Die weniger renommierten 6ffentlichen Institutionen miissen sich im Bildungswettbewerb durch Spezialisierung und / oder Erschliel3ung neuer Studentengruppen zum Beispiel durch weitere Einwerbung ausl~indischer Studenten behaupten und neu positionieren. Insgesamt betrachtet k6nnte somit, nachdem in den letzten Jahrzehnten im privaten Sektor ein Verdr/ingungswettbewerb stattgefunden hat, die Konsolidierungswelle nun den 6ffentlichen Sektor erfassen. Die besonders in den letzten Jahren stark angestiegene Belastung durch Studiengebiihren k6nnte insgesamt die Nachfrage nach hochschulischen Bildungsangeboten bremsen, wenn die Nachfrage der ausl/indischen Studenten nach US-Bildungsdiplomen, die in den letzten Jahren leicht riickl~iufig war, 185 dies nicht kompensieren kann.
185http://author.voanews.com/english/2005-04-15-voa61.cfm.
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Anhang
Anhang A - Details zu verwendeten statistischen Methoden, Variablendefinitionen und Datenquellen Anhang B - Zus~itzliche Tabellen und Daten
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Anhang A - Details zu verwendeten statistischen Methoden, Variablendefinitionen und Datenquellen 1. D e t a i l s z u verwendeten statistischen Methoden Die in dieser Arbeit verwendete Spezifikation der statistischen Methode der ,,gepoolten Zeitserienanalyse" geht im Wesentlichen auf die Arbeiten von Beck und Katz zurtick (Beck / Katz / Alvarez / Garrett / Lange 1993; Beck / Katz 1995, 1996; Beck 2001). Bereits Stimson (1985) hat auf die Probleme des OLSSchfitzverfahrens bei der Untersuchung von gepoolten Daten hingewiesen, doch Beck und Katz haben in iiberzeugender Art die zentralen Fragestellungen herausgearbeitet und gleichzeitig einen vergleichsweise einfach zu beschreitenden Ausweg angedeutet. Bei der Zusammenstellung des Datensatzes, der meinen Untersuchungen zu Grunde liegt, ging es vor allem darum, die entscheidenden unabh~ingigen und abh~ingigen Variablen fiir m6glichst viele L~inder zu m6glichst vielen Zeitpunkten zu sammeln, um so dem klassischen Problem der vergleichenden Politikwiss e n s c h a f i - die Betrachtung einer Vielzahl von Variablen bei einer vergleichsweise geringen Zahl von F~illen- zu begegnen. Die Zahl der untersuchten OECD-L~inder (21) w~ire fiir sich genommen keine ausreichend grol3e Fallzahl, um multivariate statistische Methoden zum Einsatz zu bringen. Wenn ~ r jedes untersuchte Land in der betreffenden Variable jedoch eine Zeitreihe yon 20 oder mehr Jahren vorliegt, so multipliziert sich dadurch die Zahl der untersuchten ,,F~ille" (Jahr-Land-Kombinationen, z.B. Deutschland im Jahre 1982, USA im Jahre 1995,...), so dass komplexere statistische Analyseverfahren zur Anwendung gebracht werden k6nnen. Das Problem ist, dass die spezifische Natur dieser ,,gepoolten" Datens~itze zum Teil die Annahmen verletzt, die der verbreiteten OLS-Sch~itzung (,,ordinary least squares") zu Grunde liegen. Dadurch werden die erzielten Schfitzwerte fiir die Regressionskoeffizienten verzerrt und damit inkorrekt. 186 Beck und Katz 186 Im Einzelnen verletzen drei spezifische Eigenschaften von gepoolten Datensfitzen die OLS-Annahmen (vgl. Beck / Katz 1995: 636; Hicks 1994): Erstens haben wir es mit ,,panel heteroskedasticity" zu tun, d.h. die Varianz der Residuen unterscheidet sich zwischen den einzelnen Einheiten des Panels. In anderen Worten: Der Teil der Varianz, der durch die Regressionsgleichung ,,erkl~irt" werden kann, variiert je nach betrachtetem Land. Zweitens liegt ein erhebliches Mar3 an serieller Korrelation vor. Die Werte (und Residuen) eines Jahres t sind stark mit den Werten (und Residuen) des Vorjahres und des Jahre t+ 1 korreliert. Nach den OLS-Annahmen mfissen Beobachtungen allerdings voneinander unabh/ingig sein. Drittens kommt es zur so genannten ,,contemporaneous correlation". Hiermit ist gemeint, dass die Variablen (und damit die Residuen) einzelner Lfinder oder Lfindergruppen stfirker voneinander abh~ingen als dies fiir andere L~inder der Fall ist (zum Beispiel auf Grund von 6konomischer Vernetzung). Wenn man z.B. weif~, wie hoch
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(Beck / Katz / Alvarez / Garrett / Lange 1993; Beck / Katz 1995, 1996) bieten ein Verfahren an, das die Besonderheiten der gepoolten Datens/itze beriicksichtigt und ad/iquate Sch/itzwerte produziert: Die Verwendung von ,,panel-corrected standard errors" (PCSE) bei der Berechnung der Signifikanzniveaus anstelle von herk6mmlichen t-Statistiken scheint daher angebracht. Die Inklusion des Wertes der abh/ingigen Variablen der Vorperiode (,,lagged dependent variable") 16st das Problem der seriellen Korrelation (Beck / Katz 1996). Ein Vorteil der Verwendung neben ihrer Einfachheit liegt in der Tatsache, dass sie im Unterschied zu GLS-Verfahren (,,generalized least squares") den zu Grunde liegenden Datensatz nicht transformieren, sondem in seiner Ursprungsform belassen. Ein weiterer entscheidender Vorteil des PCSE-Verfahrens ist, dass es mit einem kleineren T (L~inge der Untersuchungsperiode) auskommt als die auf GLS basierende Parks-Methode (Beck / Katz 1995: 637). is7 In unserem Fall ist die L/inge der Untersuchungsperiode (1980-2002) ungef~ihr gleich grol] wie die Zahl der betrachteten F/ille (21 OECD-L/inder). Die Anwendung von GLS ist damit m6glich, die Variation in der T-Dimension erscheint aber nicht ausreichend, um zuverl~issige Sch/itzungen zu erzeugen. Ein Nachteil des von Beck und Katz vorgeschlagenen Verfahrens h~ingt mit der Verwendung der ,,lagged dependent variable" (LDV) zusammen. Wie Rose (Rose 1990) in anderem Zusammenhang argumentiert hat, h/ingen die Ausgabenentscheidungen des aktuellen Jahres in starkem MaBe von den Ausgaben des Vorjahres ab, daher ja auch das Problem der seriellen Korrelation. Wenn man allerdings die LDV in die Regressionsgleichung mit einbezieht, so dominiert diese Variable die ermittelten Sch/itzwerte. R', der Indikator fiir die durch die Regressionsgleichung erfasste Variation der abh/ingigen Variable, schnellt auf Werte fiber 0,9 hoch, kann aber kaum noch Auskunft dariiber geben, welche anderen unabh/ingigen Variablen das AusmaB der erkl~irten Varianz noch weiter steigern krnnen (Huber / Stephens 2001: 59-60). Hinzu kommt, dass die Erkl/irungskraft der anderen unabh/ingigen Variablen dadurch untersch/itzt wird, weil ein Teil ihres ,Erkl/irungsbeitrags' durch die LDV abgedeckt wird: Wenn die Ausgaben der aktuellen Periode durch bestimmte Variablen erkl/irt werden krndas Wirtsehaftswachstum in Finnland ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man das Wirtschaftswachstum in Schweden besser einsch/itzt als das Wachstum in Siidkorea, relativ hoeh. Dies ist jedoch wiederum eine Verletzung der OLS-Annahmen, denn die einzelnen Beobachtungen miissen nicht nur in der L/ingssehnitt-, sondem auch in der Quersehnittdimension unabh/ingig voneinander sein. ~s7 Das liegt daran, dass die Variation in der L/ingsschnittdimension zur Seh/itzung der GLS-fl-Matrix herangezogen wird. Wenn die L/inge der Untersuchungsperiode (T) kiirzer ist als die Zahl der betrachteten F/ille (Zahl der L~inder), dann kann eine Sch/itzung gar nicht vorgenommen werden. Je 1/inger T im Vergleich zu N, desto besser die Seh/itzung von ~.
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nen, dann gilt dies auch ftir die Vorperiode. Die LDV jedoch nimmt diesen Erkl~irungsbeitrag fiir sich in Anspruch und kann zu einer Untersch~itzung der tats~ichlichen, langfristigen Erkl~imngskraft bestimmter Variablen fiihren. ~88 Das Problem verschlimmert sich, wenn in der Regressionsgleichung l~inderspezifische Effekte (,,country fixed effects") ber/icksichtigt werden. Der Sinn von ,,Fixed Effects" ist, den Teil der Variation der abh~ingigen Variable, der nicht durch konkrete Variablen zu erfassen ist, sondern durch lfinder- und / oder zeitperiodenspezifische Besonderheiten (wie exogene Schocks oder charakteristische Lfinderkulturen), aus der Gleichung zu nehmen, damit der gepoolte Schfitzer lediglich den ,,puren" Effekt, ,,stripped of all exogenous noise and all variance components that are constant in either the time or cross-sectional dimension" (Kittel / Winner 2002: 9), angibt. Weil die ,,country fixed effects" aber fiber die Zeit hinweg konstant sind (denn es geht ja um die l~inderspezifischen Besonderheiten, von denen man annimmt, dass sie sich nicht rapide/indem) und wenn sie sich zur Erkl/irung der abh/ingigen Variable als relevant erweisen, dann muss auch eine starke Korrelation mit der LDV bestehen, denn es besteht ja seinerseits eine Korrelation zwischen LDV und aktuellem Wert, und die ,,fixed effects" haben sich nicht ge~indert. Dadurch wird eine Verzerrung (,,Bias") der Schfitzwerte der anderen unabh/ingigen Variablen in H6he yon 1/T erzeugt (Wawro 2002: 29; Nickell 1981; vgl. auch Green / Kim / Yoo 2001: 443). In unserem Fall mit T=22 ist dies nicht vemachl/issigbar. Die Inkludierung von ,,fixed effects" in die Regressionsgleichung verursacht aber noch andere Probleme. In der vergleichenden Politikwissenschaft sind zur Beantwortung bestimmter Fragestellungen institutionelle Variablen von Bedeutung, die im Zeitverlauf nur sehr wenig oder gar nicht variieren, wie die Anzahl der konstitutionellen Veto-Spieler, der Grad des Korporatismus oder ob das Land eine f'6derale Verfassung hat oder nicht. Wenn in eine Regressionsgleichung diese institutionellen Variablen zusammen mit ,,fixed effects" aufgenommen werden, so wird dadurch die Erkl~irungskraft der institutionellen Variablen verzerrt oder verschleiert, denn sie korrelieren stark mit den l~inderbezogenen ,,fixed effects". Insofern ist davon abzuraten, ,,fixed effects" und institutionellen Variablen mit einer geringen Varianz in der L~ingsschnitt-Dimension in dasselbe Modell aufzunehmen (Beck 2001: 285, P1/imper / Tr6ger / Manow 2005). In unserem Fall ist aber die Auswirkung eben dieser institutionellen Variablen von Interesse (z.B. Zahl der Veto-Spieler, Korporatismus,...). Zur L6sung dieses Dilemmas wurden verschiedene Auswege beschritten: Das bei den meisten Analysen verwendete Standardmodell bedient sich der PCSE zu Berechnung
188 Kittel und Winner (2002:18) schlagen ein Berechnungsverfahren vor, mit dem dieser Verzerrungseffekt konterkariert werden soll.
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der statistischen Signifikanzen. is9 Aul3erdem wird eine LDV in die Regressionsgleichung aufgenommen, allerdings keine ,,fixed effects", damit die Beriicksichtigung makro-institutioneller Variablen weiterhin m6glich ist. Die Inklusion der LDV hat gewisse Konsequenzen fiir die Interpretation der Ergebnisse: Zwar ist es weiterhin m6glich, die gesch/itzten Regressionskoeffizienten in Einheiten der abh/ingigen Variablen auszudriicken, dennoch muss im Hinterkopf behalten werden, dass durch die Inklusion der LDV anstelle des Niveaus der abh~.ngigen Variable (also z.B. die Bildungsausgabenquote) starker deren Ver/inderung in der Zeitdimension in den Fokus der Untersuchung riickt (Huber / Stephens 2001: 5960). Zum Zweiten wurden fiir einige Variablen (z.B. bei den MachtressourcenVariablen) Interaktionsvariablen berechnet, bei denen eine institutionelle Variable (z.B. Korporatismus), die fiber die Zeit hinweg wenig variiert, mit einer starker variierenden Variablen interagiert wird (z.B. Regierungsbeteiligung Sozialdemokraten) (vgl. Persson / Tabellini 2003:175). Dies macht auch aus theoretischen Grfinden Sinn, denn bei den makro-institutionellen Variablen geht es ja auch darum, deren Einfluss auf die ver/inderte Wirkungsweise von mehr akteursbezogenen Variablen zu ermitteln. Drittens wurden die Ergebnisse der Analyse in alternativen Spezifikationen untersucht (siehe Anhang B).
189Dabei kam der Stata-Befehl xtpcse zum Tragen.
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Variablendefinitionen u n d - q u e l l e n fiir den internationaleVergleich
Variable Offentliche BildungsAusgabenquote Private Bildungsausgabenquote oo
Offentliche Bildungsaus-gaben pro Schiiler 0ffentliche Bildungsausgaben fiir Prim~irund Sekundarbildung Offentliche Bildungsausgaben fiir Hochschulbildung Bildungsbeteiligung Prim~irsektor Bildungsbeteiligung Sekundarsektor Bildungsbeteiligung Tertiiirsektor Klassengr~iBe, Prim~irsektor Klassengr~iBe, Sekundarsektor Zahlenverh~iltnis Schiiler-Lehrer, Prim~irsektor
Definition Real Public Educational Expenditure as a Percentage of Real GDP. Quelle: OECD: Public Educational Expenditure, Costs and Financing: An Analysis of Trends 1970-1988, Paris, 1992, S. 84; OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg/inge Private Expenditure for education as a percantage of GDP. Quelle: OECD: Education at a Glance, Paris, 1992, 41 Offentliche Bildungsausgaben pro Schiller / Student, eigene Berechnung nach: 6ffentliche Bildungsausgabenquote mal Volumen des BIP (s.u.) geteilt durch die Summe aus Schiilern/Studenten in den einzelnen Bildungssektoren (s.u.). Public expenditure on education as a percentage of GDP for primary, secondary and post-secondary nontertiary education. Quelle: OECD: Education at a Glance, Paris. Public expenditure on education as a percentage of GDP for tertiary education. Quelle: OECD: Education at a Glance, Paris. School enrollment, primary (% net), Quelle: World Development Indicators. School enrollment, secondary (% net); Quelle: World Development Indicators. School enrollment, tertiary (% gross); Quelle: World Development Indicators. Average class size in public and private institutions in primary education; Quelle: OECD Education at a Glance. Average class size in public and private institutions in lower secondary education; Quelle: OECD Education at a Glance. Ratio of students to teaching staff in primary education; Quelle: OECD Education at a Glance.
Anhang Zahlenverh~iltnis Schiiler-Lehrer, Sekundarsektor Hiihe der Lehrerentlohnung, Primiirsektor Hiihe der Lehrerentlohnung, Sekundarsektor Zahl der Schiller in Primiirsektor Zahl der Schiller in Sekundarsektor
Zahl der Studenten
Offentliche Sozialausabenquote Offentliche Ausgaben fiir Rente Offentliche Ausgaben fiir Familienpolitik Offentliche Ausgaben gegen Arbeitslosigkeit Offentliche Ausgaben fiir Aktive Arbeitsmarktpolitik Offentliche Zinszahlungen Wirtschaftlicher Wohlstand
369
Ratio of students to teaching staff in secondary education; Quelle: OECD Education at a Glance. Ratio salary after 15 years experience to per capita GDP at the primary level. Quelle: OECD Education at a Glance. Ratio of starting salary to per capita GDP at the lower secondary level. Quelle: OECD Education at a Glance. Pupils enrolled in primary education. Quelle UNESCO: Statistical Yearbook, verschiedene Jahrg/inge; ab 1999 UNESCO: EFA Global Monitoring Report. Pupils enrolled in secondary education. Quelle UNESCO: Statistical Yearbook, verschiedene Jahrg~inge; ab 1999 UNESCO: EFA Global Monitoring Report Pupils enrolled in tertiary education. Quelle UNESCO: Statistical Yearbook, verschiedene Jahrg~inge; ab 1999 UNESCO: EFA Global Monitoring Report Sozialausgaben Gesamtsoz.- ausgaben 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Sozialausgaben Renten 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Sozialausgaben Familie 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Sozialausgaben Arbeitslosigkeit 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Sozialausgaben Akt.Arbeitsmarktprog. 6fftl., % BIP; Quelle: OECD Health Data 2004. Net Government Interest Payments, % GDP; Quelle: OECD Economic Outlook Database. BIP pro Kopf in G-K dollars. Quelle: Maddison, Angus: The World Economy: Historical Statistics, OECD Development Centre Studies, 2003.
370
Bev~ilkerungsanteil der Jungen
Bevtilkerungsanteil der Alten Katholizismus um 1900 Katholizismus nach C astles-Definition Industrielle Besch~iftigung
Korporatismus
Frauenerwerbsbeteiligung
Arbeitslosigkeit Inflation
Wachstum
GriiBe der Volkswirtschaft Staatsverschuldung
Anhang
Bev61kerungsanteil der 5-29jNtrigen an der Gesamtbev61kerung. Quelle: OECD: Education at a Glance, Paris, verschiedene Jahrg/inge. Ab 1996 eigene Berechnungen. Anteil der fiber 65j/ihrigen in % der Gesamtbev61kerung. Quelle: OECD (2004): Health Data, Paris. share of Catholic christians in 1900, Quelle: Barrett/ Kurian / Johnson, 2001: World Christian Encyclopedia. Konfessionelle Tradition. Dummy-Variable 0= Nichtkatholisch, 1= Katholisch. Quelle: Castles 1994; Der Fischer Weltalmanach, verschiedene Jahrg/inge. Besch/iftigungsanteil im Industriesektor in % der erwerbsfiihigen Bev61kerung (15-64 Jahre). Eigene Berechnungen. Quelle: OECD: Labour Force Statistics, verschiedene Jahrg/inge, Paris. Integration scores; Source: Siaroff 1999, for GREE, SPAIN, PORT the "normal" corporatism scores were taken (Siaroff 1999:184), years 1978-1984: "late 70s"; 1985-1993: "late 80s"; 1994-2002: "mid 90s" Female Total Labour Force in % of population from 15-64 years. OECD: Labour Force Statistics, 2003, Paris (1982-2002); OECD: Labour Force Statistics, 1984, Paris (1963-1983) Unemployment rate, commonly used definitions; Quelle: OECD Economic Outlook 73 Year to year percentage change of Consumer Price Index; Quelle: OECD Historical Statistics, Figures after 2000 from OECD Economic Outlook 73. Year to year percentage change of Real GDP; Quelle: OECD Historical Statistics, Figures after 2000 from OECD Economic Outlook 73. Gross Domestic Product, Volume, 2000 Constant PPP; Quelle: OECD Economic Outlook Database. Gross Government Debt, % GDP; Quelle: OECD Economic Outlook Database.
Anhang Gesamtausgaben des Staates Gesamteinnahmen des Staates Haushaltsdefizit Exporte Importe Regierungsbeteiligung Kommunisten Regierungsbeteiligung Sozialdemokraten Regierungsbeteiligung Griiner Regierungsbeteiligung Christdemokraten Regierungsbeteiligung Nicht-Christliche Mitteparteien Regierungsbeteiligung Liberale Regierungsbeteiligung Regionalparteien Regierungsbeteiligung Konservative Regierungsbeteiligung Rechte Vetoindex Vetoindex nach Huberet al. F~rderalismus
371
Total Disbursements Government, % GDP; Quelle: OECD Economic Outlook Database. Total Receipts Government, % GDP; Quelle: OECD Economic Outlook Database. Current Balance (Receipts minus Disbursements); Quelle: eigene Berechnungen. Exports of goods and services as a percentage of GDP; Quelle: OECD Historical Statistics. Imports of goods and services as a percentage of GDP; Quelle: OECD Historical Statistics. Prozentualer Anteil kommunistischer bzw. sozialistischer Parteien; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil sozialdemokratischer Parteien; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil gr/iner Minister an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil christdemokratischer Minister an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil Minister der nichtchristlichen Mitte an der Regierung (z.B. Agrarparteien); Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil liberaler Minister an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil Minister von Regionalparteien an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil konservativer Minister an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Prozentualer Anteil rechter Minister an der Regierung; Quelle: Schmidt 2003b. Schmidt's index of veto players; Quelle: Schmidt 2000: 352. Erweiterter und aktualisierter Index der konstitutionellen Strukturen nach Huber u.a. (1993) ("index of constitutional structures"), Quelle: Schmidt 2000: 352. Ffderalistische Staatsstruktur. Ffderal = 1, Unitarisch = 0. Quellen: Fischer Weltalmanach 2005; Armingeon/Careja 2004.
Anhang
372
Dezentralisierung der Steuereinnahmen Dezentralisierung der 6ffentlichen Einnahmen
3.
Degree of tax revenue decentralisation. Quelle: Stegarescu, 2004 Degree of revenue decentralisation. Quelle: Stegarescu, 2004
A n m e r k u n g zu v e r w e n d e t e n D a t e n b e r e i n i g u n g s v e r fahren (Interpolation):
Die der statistischen Analyse dieser Arbeit zu Grunde liegenden Daten wurden mit Hilfe des Verfahrens der linearen Interpolation bereinigt und aufgebessert. Bei der abh~ingigen Variable war dies insbesondere dann n6tig, wenn sich in den von der OECD bereitgestellten Daten B ~ c h e fanden (1988/89, 1996). Auch bei einigen unabh~ingigen Variable musste lineare Interpolation angewendet werden, allerdings nut sporadisch, zum Beispiel bei den Sozialausgaben zur Berechnung der Werte ~ r das Jahr 2002. Die Verwendung eines solchen Datenbereinigungsverfahrens ist aus statistisch-methodischen G~nden gerechtfertigt, weil die Verwendung einer lagged dependent variable die Auswirkung der in den Datenreihen vorhandenen Datenliicken dadurch vergr6fJert, dass das StatistikProgramm auf Grund fehlender Daten nicht nur das jeweilige Jahr, sondem auch das Nachfolgejahr aus der Untersuchung ausschlief3en muss. Dadurch reduziert sich die Fallzahl erheblich und das Sample ist nicht mehr ausgewogen.
Anhang D
373
Variablendef'mitionen u n d - q u e l l e n fiir den USintranationalen Vergleich
Variable
Definition
Ausgaben pro Schiller
Spending per pupil in 10005 (A); Source: Wong in Gray / Hanson 2004: 375. Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages); Source: Garand / Baudoin in Gray / Hanson 2004: 295. Disparity between fifth and ninety - fifth percentiles in 10005 (B); Source: Wong in Gray / Hanson 2004: 375. Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Total, 2000 (in percentages); Source: Garand / Baudoin in Gray / Hanson 2004: 295. Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Highways, 2000 (in percentages); Source: Garand / Baudoin in Gray / Hanson 2004: 295. Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Welfare, 2000 (in percentages); Source: Garand / Baudoin in Gray / Hanson 2004: 295. Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Health, 2000 (in percentages); Source: Garand / Baudoin in Gray / Hanson 2004: 295. Per Capita Personal Income in 10005 by State, 2001; Source: Gray in Gray / Hanson 2004:21. Value of Gross State Product in 1 000 0005, 2000; Source: Gray in Gray / Hanson 2004:18. Dominant Sector, 2000; Source: Gray in Gray / Hanson 2004:18. Overall impact of interest groups in 2002, Source: Thomas / Hrebenar in Gray / Hanson 2004: 122. Dominant Political Culture by State 1984; Source: Gray in Gray / Hanson 2004: 24.
Bildungsausgabenquote
Ausgabendisparit~it
Staatsausgabenquote
Ausgaben filr Highways
Sozialausgaben
Gesundheitsausgaben
Pro-Kopf-Einkommen Griifie der Volkswirtschaft Dominierender Wirtschaftssektor Einfluss von Interessengruppen Politische Kultur
374
Machtstellung der demokratischen Partei Ausmafl des Parteienwettbewerbs Liberalismus Grad der Abh~ingigkeit von Bundesmitteln Medicaid Ausgaben pro Empfiinger TANF Ausgaben pro Empfiinger Zahl der 6ffentlich Besch~iftigten im Hochschulsektor Zahl der 6ffentlich Besch~iftigten pro 10.000 Einwohner Policy Liberalism Wahlbeteiligung
Anteil der Alten
Anhang
Ranney Party Control Index, 1999 - 2003; Source: Bibby / Holbrook in Gray / Hanson 2004: 88. Ranney Competiton Index, 1999 - 2003; Source: Bibby / Holbrook in Gray / Hanson 2004: 88. State Liberalism, 2004; Source: Eshbaugh- Soha/ Meier in Gray / Hanson 2004: 402. Ratio of Total Federal Exdpenditure to Total Federal Tax Burden, 2001; Source: Hanson in Gray / Hanson 2004: 44. Medicaid Expenditure per Recipient in 1,0005, 1998; Source: Rom in Gray / Hanson 2004: 333. TANF Expenditure per Recipient in 1,0005, 1998; Source: Rom in Gray / Hanson 2004: 333. State Employees, all functions: Percentage of Workforce in Higher Education, March 2000; Source: Elling in Gray / Hanson 2004: 264. State Employees, all functions, per 10 000 residents: Number, March 2000; Source: Elling in Gray / Hanson 2004: 264. Policy Liberalism Index, 2000; Source: Gray in Gray / Hanson 2004: 4. Average Rates of Voter Turnout in the States (Total), 1997 - 2002; Source: Bibby / Holbrook in Gray / Hanson 2004: 93. Share of Population aged 65 and over; Source: US Bureau of the Census, factfinder.census.gov.
375
Anhang
A n h a n g B - Zus~itzliche T abellen und Daten Kapitel 2 County
Schillerzahl
Gesch~itzter Eigen-
Steuersatz
pro Schiller
tumswert pro Schiiler Alameda Emery Unified Newark Unified Fresno Colinga Unified Clovis Unified Kern Rio Bravo Elementary Lamont Elementary Los Angeles Beverly Hills Unified Baldwin Park Unified Tabelle A2.1:
Ausgaben
586 8638
$100 187 6 048
$ 2,57 5,65
$ 2 223 616
2640 8144
33 244 6 480
2,17 4,28
963 565
121
136 271
1,05
1 545
1847
5 971
3,06
533
5542
50 885
2,38
1 232
13108
3 706
5,48
577
Beispiele filr die Ungleichheiten im kalifornischen System der Bildungsfinanzierung vor der Serrano-Entscheidung, 1968-69; Quelle: California Supreme Court Opinion in Serrano v. Priest, August 1971; Odden /Picus 2000: 12.
Anhang
376
Bundesstaat
"Equity Scale"
Hawaii 100 Utah 89 Nevada 86 New Mexico 84 Oklahoma 83 Texas 81 Kansas 80 Arkansas 80 Delaware 80 Washington 79 West Virginia 79 Califomia 78 Idaho 78 Florida 78 Kentucky 78 Iowa 77 Colorado 77 Minnesota 76 Alaska 75 South Carolina 75 Wisconsin 75 Georgia 75 Alabama 74 North Carolina 74 Wyoming 74 Source: Education Week 2001, 104.
Tabelle A2.2"
Bundesstaat
Louisiana Massachusetts Oregon Michigan Mississippi South Dakota Indiana Rhode Island Arizona Maine Tennessee Nebraska Virginia Connecticut North Dakota New Jersey Pennsylvania Missouri Ohio Montana Vermont Illinois Maryland New York New Hampshire
"Equity Scale" 73 73 72 72 71 70 69 69 68 68 68 67 66 63 63 62 60 60 58 57 56 55 55 55 52
Ungleichheiten in der Verteilung der Bildungsausgaben auf Distrikte in den Bundesstaaten; Quelle: Morehouse / Jewell 2003" 346.
Anhang
377
Umfassendes Modell
Abh~ingige Variable
Reduziertes Modell Bildungsausgabenquote (nur gliedstaatlicher Anteil), 2000
0.295 0.195 (3.21)** (4.14)** -0.269 -0.392 Ausgabenquote fOr Sozialhilfe (1.51) (2.36)* -0.689 Ausgabenquote fOr Medicaid (2.03) 0.124 0.067 Anteil der Schulbev61kerung an Gesamt(1.07) (0.54) bev61kerun.g -0.017 Anteil der Uber-65-J~ihrigen (0.24) -0.057 -O.112 Pro-Kopf-Einkommen (1.59) (3.43)** 0.131 Ausgabendisparit~t zwischen 5. und 95. (0.72) Perzentile -0.316 Dominierender Sektor: Finanzen, Versi(0.75) cherung, Immobilien 0.443 Dominierender Sektor: (1.60) Verarbeitende Industrie -1.098 Dominierender Sektor: (1.56) Bergbau -0.639 -1.237 Einfluss von Interessengruppen: Kom(1.08) (3.49)** plement~ -0.567 -1.527 Einfluss von Interessengruppen: Kom(0.99) (5.52)** plement~ / Dominant -0.498 -1.835 Einfluss von Interessengruppen: (0.70) (4.65)** Dominant -0.428 Politische Kultur: individualistisch (1.67) 0.575 Politische Kultur: traditionalisitsch (1.49) 1.306 2.747 Ranney Party Control Index (1.30) (3.59)** Verh~iltnis Bundeszuschiisse zu -1.557 (2.42)* Bundessteuereintreibungen Anzahl der Besch~iftigten im 6ffentlichen 0.010 (1.96) Sektor pro 10.000 Einwohner Policy Liberalism Index -0.006 (0.39) -0.695 3.084 Konstante (0.22) (1.12) 48 50 Zahl der F/ille R2 0.84 0.64 Robuste t-Werte in Klammem; * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau TabeneA2.3: Determinanten tier i i f f e n t l i e h e n B i l d u n g s a u s g a b e n (nur g l i e d s t a a t l i e h e E b e n e ) in P r o z e n t des p e r s i i n l i e h e n E i n kommens. Staatsausgabenquote
Anhang
378
$1.2-00,000
1,000.000
All Otter
800,000 Trmr~rtaJd on Coff~c~lon~
600,000
He~i[c~d 400,000
Pubtic A.ubtamce Hi~her Education
200,000 E & $ Education 0 F~
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Ver~inderung der Zusammensetzung der bundesstaatlichen Haushalte, Quelle: NASBO 2003: 4.
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15,00% 10,00%
Nomineller
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Zuwachs - - l - - Realer Zuwachs
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2
-5,
-10,00% Jahr
Grafik A2.2"
Reale und nominale Entwicklung der gliedstaatlichen Haushalte, Quelle: Griffith 2002" 2.
Anhang
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379
-~,-Bundeszusch~sse an Gliedstaaten
I
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Grafik A2.3"
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Verlauf der Bundeszuschiisse an Gliedstaaten (in Prozent der Bundesausgaben); Quelle" www.gpoaccess.gov/usbudget/fy05/hist.html.
Anhang
380 Figure 2
ALL FUNDS PERCENT CHANGES FROM PREVIOUS FISCAL YEAR FOR MAJOR SPENDING CATEGORIES, FISCAL 2 0 0 2 AND 2 0 0 3
E& SEducation 7.6
Hlher Educaaon ~ 1 "!
1
1,7
Public.Asstimnce
2001-2002
~J 2oo2.zoo3 11.4
Medicaid
Corrections Tran~:Jrcation .I.8 l 7.2
All Ocher
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5.7
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Grafik A2.4"
Corm~Jons TrinsportaUo3n $.i%
All Other 32~6~
Grafik A2.5:
7.J,I 3.8
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Prozentuale Ver~inderungen der Ausgabenkategorien in den Haushaltsjahren 2001 und 2002; Quelle: NASBO 2003" 2.
2~.8% .
PublicAssts-~nce 2..li% Hl~hor Educ3~on :11,2%
l SecondaryEducallon 21,6%
Verteilung der Ausgabenanteile in den Haushalten der Bundesstaaten, Quelle: NASBO 2003: 4.
Anhang
3 81
F~d~al F~nd: 12,7~
Other Smm Fun~
10.2~ I .
%$Gener~ Funds 75~5~
Relative Zusammensetzung der Einnahmequellen fiir Ausgaben fiir Primar- und Sekundarschulwesen der Bundesstaaten im Haushaltsjahr 2002; QueUe: NASBO 2003" 14.
Grafik A2.6:
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Grafik A2.7:
Prozent-Anstieg der Bildungspartizipation im Primar- und Sekundarschulwesen, vor allem in den siidwestlichen Staaten, Quelle: NCES 2004, S. 51.
Anhang
382
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Z u s a m e n h a n g zwischen B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e u n d ProK o p f - E i n k o m m e n , R2=0,32. Quellen: Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages), aus: Garand / Baudoin 2004: 295; Per Capita Personal Income in 10005 by State, 2001, aus: Gray 2004: 21.
Anhang
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Dominanter Wirtschaftsse ktor
G r a f i k A2.9: D o m i n a n t e r W i r t s c h a f t s s e k t o r und B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e . Quellen: Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages), aus: Garand / Baudoin 2004: 295; Dominant Sector, 2000, aus: Gray 2004:18.
Anhang
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Anteil d e r Schiiler an der G e s a m t b e v S I k e r u n g
G r a f i k A2.10"
Z u s a m m e n h a n g zwischen Anteil der Schiiler an der BevSlk e r u n g u n d B i l d u n g s a u s g a b e n q u o t e , R2=0,21 Quellen: Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Area: Education, 2000 (in percentages), aus: Garand / Baudoin 2004: 295; State Population, 2002, aus: Gray 2004: 7; Enrollment in public elementary and secondary schools, fall 2001, aus: Digest of Education Statistics 2003, table 37.
385
Anhang
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Medicaid-Ausgaben pro Empf~inger
GrafikA2.11:
Zusammenhang zwischen Medicaid-Ausgaben pro Empfiinger und Bildungsausgaben pro Schiiler, R2=0,38. Quellen: Spending per pupil in 10005, aus: Wong 2004: 375; Medicaid Expenditure per Recipient in 1,0005, 1998; Source: Rom 2004: 333.
Anhang
386
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4500
Durchschnittliche M onatsverdienste der 6ffentlichen Angestellten
GrafikA2.12:
Z u s a m m e n h a n g zwischen den durchschnittlichen Monatsverdiensten der ~ffentlichen Angestellten und den ProSchiiler-Ausgaben, R2=0,37. Quellen: Spending per pupil in 10005, aus: Wong 2004: 375; Full - Time State Government Employees: Monthly Average Earning, March 2000, aus: Elling 2004: 273.
Anhang
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S t a a t s a u s g a b e n q uote
Grafik A2.13:
Dimensionen staatlicher Intervention in US-Bundesstaaten.
Quellen: Share of State Total Personal Income Allocated to Government Spending in Total, 2000 (in percentages), aus: Garand / Baudoin 2004: 295; Policy Liberalism Index, 2000, aus: Gray 2004: 4.
388
Anhang
Kapitel 3 .E.innahmequelle Offentliche Unterstfitzung
2001 74.5%
2002 73.8%
2003 71.2%
2004 68.8%
State Lokal
68.5% 5.9% 25.5%
67.6% 6.2% 26.2%
64.7% 6.4% 28.8%
62.1% 6.7% 31.2%
Netto-Einnahmen aus Studiengebiihren Tabelle A3.1: Ubersicht iiber Einnahmequellen 6ffentlicher State Universities, Quelle: SHEEO 2005: 18. 17,950,843 10,700,000 9,363,588 8,359,000 8,249,551
Harvard University (MA) YaleUniversity (CT) Universityof Texas System PrincetonUniversity (NJ) StanfordUniversity (CA)
6,134,712 4,315,998 4,292,793 4,702,729 4,030,881
MassachusettsInstitute of Technology EmoryUniversity (GA) ColumbiaUniversity (NY) Universityof California TexasA&M University System
3,951,509 3,381,848 3,614,100 3,516,238 3,256,282
WashingtonUniversity (MO) Universityof Pennsylvania Universityof Michigan Universityof Chicago (IL) NorthwesternUniversity (IL)
3,243,033 3,131,375 3,151,384 2,829,914 2,414,231
RiceUniversity (TX) DukeUniversity (NC) CornellUniversity(NY) Universityof Notre Dame (IN) DartmouthCollege (NH)
2,086,245 Universityof Southern California 2,159,614 VanderbiltUniversity (TN) 1,822,713 Johns Hopkins University (MD)
Anhang 1,708,199 1,436,607
389
University of Virginia Brown University (RI)
1,434,000 Case Western Reserve University (OH) 1,431,942 University of Minnesota 1,361,200 Rockefeller University (NY) 1,118,300 New York University 1,365,798 California Institute of Technology 1,103,082 1,245,406 927,806 1,217,118 1,024,671
University of Pittsburgh (PA) University of Rochester (NY) University of Washington Purdue University (IN) GrinnellCollege (IA)
1,045,750 1,207,408 1,135,925 1,099,930 1,122,055
University of NC, Chapel Hill Williams College (MA) Wellesley College (MA) Pomona College (CA) University of Richmond (VA)
1,003,832 922,920 949,923 909,268 937,612
Boston College (MA) Indiana University Swarthmore College (PA) University of Cincinnati (OH) Pennsylvania State University
984,150 898,424 928,398 831,438 890,511 Tabelle A3.2:
,,,
.....
Baylor College of Medicine (TX) University of Illinois University of Delaware Yeshiva University (NY) Amherst College (MA) Die 50 Universitiiten mit den griiBten Kapitalausstattungen, in tausend Dollar, 2001, Quelle: NCES 2004, Tabelle 361.
Anhang
390
Gesamtzahl der schliel~enden Institutionen
A
(~ffentliche schliel~ende Inst.
~~
Grafik A3.1"
t'
~~,,~/'
Zahl der TertiJirinstitutionen, die ihre Tiiren geschlossen haben, Quelle: NCES 2004, Tabelle 248.
8 O U t ~ . '~ ~1~r, ~[~l~i~o~].~l ~ - ~a~ti.~ r
Grafik A3.2"
Private schliel~ende Inst.
-
~1~:
l,.t ~ a ~ . ~ ~
I:~~i~i
P,~..~.~ r
~ . ~
Prozentanstieg der Bildungspartizipation in tertiJiren Bildungsinstitutionen, Quelle: NCES 2004, S. 217.
Anhang P~llc ~ r . Y t m Ims~iont
~ l i t Tin.Year I ~ l o n s
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25%,
391
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15%
J 5%
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- 9 ~ ~ ~ l , , . , ~ ~.au0.o
o,ne41rpo~nl-te o4tse O 0 qulo'alg~'qn~'alii~
~o
Grafik A3.3:
Entwicklung des Anteils am Familieneinkommen, der fiir Studiengebiihren an ~ffentlichen Institutionen aufgewendet werden muss, nach Einkommensquintilen gegliedert, Quelle: NCPPHE 2002: 5.
~20% q~h
mmm ~ h ~ I
80%
,d
...
q~
~hkd
~~
q~nHe
6O% /
40%
20% ~ o o o o o g t t m t O 0000~
0%
8
81 9
Grafik A3.4"
8
Entwicklung des Anteils am Familieneinkommen, der ffir Studiengebiihren an privaten Institutionen aufgewendet werden muss, nach Einkommensquintilen gegliedert, Que|le: NCPPHE 2002" 5.
392
Anhang
i Anteil der NettoEinnahmen durch Studiengeb~hren an den Gesamteinnahmen
Grafik A3.5"
Entwicklung des Anteils der Netto-Einnahmen durch Studiengebiihren an den Gesamteinnahmen 6ffentlicher State Universities, Quelle: SHEEO 2005: 25.
Anhang
393
Kapitel 4 Robustheit der Befunde In diesem Teil des Anhangs wird das Basismodell (Tabelle 4.2) in verschiedenen Modellspezifikationen pr/isentiert, um die Robustheit der zentralen Erkl~xungsfaktoren zu belegen. BIP pro Kopf BIP pro Kopf Wirtschaftswachstum Beviilkerungsanteil 5-29-Jiihrige Veto-Index Offentliche Sozialausgabenquote ..
Tabelle A4.1:
Wirtschaftswachstum
BevSlkerungsanteil 529-Jiihri[[e
VetoIndex
r Sozialausgabenquote
1.00
0.10
1.00
-0.54
0.16
1.00
0.21 0.16
-0.05 -0.23
-0.15 -0.52
Korrelationen Basismodells.
zwischen
den
1.00 0.02
1.00
Bestimmungsfaktoren
des
Tabelle A4.1 enth~ilt bivariate Korrelationen fiir die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des Basismodells, um das AusmaB der vorhandenen Multikollinearit~it abzusch/itzen. Es zeigt sich, dass die meisten der Korrelationen zwischen den Variablen schwach ausgepr~igt sind. Lediglich zwischen der Sozialausgabenquote und dem Bev/51kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen sowie zwischen dem Stand der wirtschaftlichen Entwicklung (BIP pro Kopf) und dem Bev61kerungsanteil der 5-29-J~rigen besteht eine mittelstarke negative Beziehung. Das AusmaB der Multikollinearit/it ist somit als beherrschbar zu bewerten. Es ist attflerdem zu bedenken, dass Multikollinearit~it nicht die Gr6Be des Sch~itzers verzerrt, der damit weiterhin unbiased bleibt, sondem dessen Effizienz, d.h. der Standardfehler wird gr6Ber. Die betrachteten ErklLrungsfaktoren haben sich jedoch im Basismodell (und in verschiedenen Modellspezifikation, wie hier im Anschluss gezeigt wird) als robust und statistisch signifikant erwiesen. Daher scheint der Effekt der Multikollinearit~it auf die statistische Signifikanz der Koeffizienten nicht so groB zu sein, dass herk6mmliche S ignifikanzniveaus nicht mehr erreicht werden k6nnten. Ein ernsteres Problem ist das Problem der Nicht-Stationarit~it. Wenn eine Zeitserie nicht um einen langfristigen Durchschnittswert variiert (Stationarit~it), sondem einen Auf- oder Abw~irtstrend fiber die Zeit hinweg aufweist (Nicht-
Anhang
394
Stationarit/it), beeintrgchtig dies die Reliabilitfit der Schfitzwerte, denn eine statistische Beziehung zwischen zwei Variablen k6nnte lediglich der Tatsache geschuldet sein, dass beide in/ihnlicher Weise einen Trend aufweisen, ohne dass eine wirkliche Beziehungen zwischen diesen Variablen besteht. Tabelle A4.2 pr/isentiert Ergebnisse von Stationarit/itstests, die fiir die wichtigste abh/ingige Variable, die 6ffentliche Bildungsausgabenquote, durchgefiihrt wurden. Es zeigt sich, dass das Problem der Nicht-Stationarit/it bei den Bildungsausgaben weniger stark ausgepr/igt ist als in anderen Ausgabenkategorien, wie zum Beispiel den Sozialausgaben. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Fisher-Tests (Tabelle A4.2) ist es in den allermeisten F/illen m6glich, die Nullhypothese der NichtStationarit/it mit einem hinreichend hohen statistischen Konfidenzniveau abzulehnen. Eine Betrachtung einzelner Zeitserien in dem Paneldatensatz zeigt jedoch, dass fiir bestimmte L~inder auch bei den Bildungsausgaben das Problem der Nicht-Stationarit/it nicht g/inzlich ignoriert werden kann.
Fisher Test mit Augmented Dickey-Fuller Test Fisher Test mit Phillips Perron Test, 1 "lagged difference" Fisher Test unter der Annahme eines Trends Fisher Test unter der Annahme eines Trends und 1 ,,lagged ddifference" Fisher Test fiir "detrended data"
ChiQuadrat
P-Wert
75.1459 77.6535
0.0013 0.0007
46.8635 62.5892
0.2797 0.0213
68.7786
0.0057
381.5084 HO: "all series are nonstationary"; HI: "at least one series is stationary" Fisher Test mit "differenced data"
Tabelle A4.2:
0.0000
Fisher-Tests zu Nicht-Stationaritiit.
Bei der Feststellung von Nicht-Stationarit/it (Existenz eines stochastischen Trends) kann Abhilfe durch das Differenzieren der Daten geschaffen werden. Dadurch ver/indert sich aber signifikant die Fragestellung, denn es werden nur noch Ver/indemngen fiber die Zeit unter Vemachl/issigung der Unterschiede zwischen L/indem betrachtet. Zwar verschiebt sich der Fokus der Analyse durch die Inklusion der lagged dependent variable (LDV) ebenfalls v o n d e r reinen Querschnittsbetrachtung hin zur L/ingsschnittbetrachtung, der mit der Differenziemng der Daten vorgenommene Schritt geht jedoch weiter. Altemativ k6nnen bei Existenz eines deterministischen Trends die Daten ,,detrended" werden, d.h. die Daten werden so transformiert, dass lediglich die j/ihrliche Abweichung von dem langfristigen Trend als abh/ingige Variable betrachtet wird.
Anhang
395
Ein ebenfalls wichtiges Thema ist die Frage der Inklusion von ,,fixed effects". ,~hnlich wie die Differenzierung der Daten ver~indert die Verwendung einer ,,fixed effects"-Spezifikation in betr/ichtlicher Weise die Analyseperspektive. Bei ,,country fixed effects ''19~ wird die Variation in den unabh~ingigen Variablen vor allem zur Erkl/irung der L/ingsschnitt-Variation der abh/ingigen Variablen verwendet (,,within estimator"). Der Erkl~rungsbeitrag von zeitlich invarianten institutionellen Variablen (zum Beispiel Auspr/igung der konstitutionellen Vetostruktur) wird ausgeblendet. Dies bezieht sich aber auch auf Variablen, die in der zeitlichen Dimension nicht vollkommen invariant, aber dermoch nur eine geringe Variation aufweisen. Wenn sich zum Beispiel, wie in Tabelle 4.8, unter Verwendung der bisherigen Modellspezifikation ein positiver Zusammenhang zwischen den Bildungsausgaben und sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung nachweisen 1/isst, so gibt der dort ermittelte Regressionskoeffizient einen Sch~itzwert des Parteieneffektes, der den Erkl/irungsbeitrag der Querschnitts- und der L/ingsschnittdimension zusammenfasst (,,pooled estimator"). Ein Teil des Effektes wird durch die Variation im L/ingsschnitt erzeugt (Wechsel von einer biirgerlichen zu einer sozialdemokratischen Regierung in einem Land), der andere Teil durch die Querschnittsdimension (Unterschied zwischen Schweden und den USA). Die Verwendung von ,,country fixed effects" fiihrt dazu, dass der Querschnittseffekt nicht mehr zum Tragen kommt. Dadurch ver/indert sich die Interpretation der berechneten Koeffizienten. Im Gegensatz dazu erfassen ,,time fixed effects" jene Effekte, die alle beobachten Lander zu einem gegeben Zeitpunkt in gleicher Weise betreffen. Die Analyseperspektive ver~indert sich dadurch nicht in derart starker Weise wie bei den ,,country fixed effects", da das Sample in der Regel weiterhin genug unterschiedliche Variation in der Zeitdimension enth/ilt, so dass sich die Sch/itzung nicht auf einen reinen ,,between estimator" reduziert.
190Das sind im Wesentlichen zus/itzliche Variablen, die den Einfluss von 1/inderspezifischen Effekten, die nicht von den anderen unabh~.ngigen Variablen erfasst werden und die konstant fiber die Zeit hinweg sind, messen.
~1)
(2)
(4.03)** -0.021
(6.09)** -0.023
Veto-Index
0.365
-0.008
Offentliche Sozialausgaben (Ver~inderung) Konstante
-1.188 (1.38) 432 21
(3.75)**
(1.54) -0.061 (7.43)**
0.584 (10.22)** -0.026 (3.05) ** -0.014
OLS-PCSE, Country Fixed Effects
-31.164 (1.76) 432 21
(3.36)**
(7.15)** 0.328
(0.57) -0.060
0.580 (10.14)** -0.041 (3.37)** 0.010
OLS-PCSE, Country and Time Fixed Effects
~4) (5) Offentliche Bildungsausgabenquote (,,detrended")
(0.94) -0.044 (4.71)**
0.007 (2.15)* 0.005
Offentliche Bildungsausgabenquote (,,First differences") OLS-PCSE
~3)
(3.12)** (1.08) 0.079 (7.81)** -0.522 -0.564 -0.153 (2.40)* (2.36)* (0.75) 432 432 433 Ffille 21 21 21 Zahl der LS.nder Panel-corrected z-Statistiken in Klammem; * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau Tabelle A4.3: Das Basismodell in verschiedenen Spezifikationen.
(2.34)* -0.037
(2.30)* -0.055
Anteil der 5-29-J~ihrigen an Bev. Wirtschat~swachsmm
(3.56)**
0.888 (33.92)** 0.017 (3.86)** 0.013
0.862 (32.13)** 0.021 (4.68)** 0.012
Lagged Depedent Variable (LDV) BIP pro Kopf
OLS-PCSE
OLS-PCSE
Offentliche Bildungsausgabenquote (,,detrended")
Spezifikation
Modell Abh~ingige Variable
Anhang
397
Die Ergebnisse der Tabelle A4.3 zeigen, dass die Erkl~samgskraft der identifizierten Bestimmungsfaktoren auch in anderen Modellspezifikationen robust ist. Um dem evtl. Problem der Nicht-Stationarit~it zu begegnen wurden die abh~ingige Variable trendbereinigt TM (Modell 1 und 2 sowie 4 bis 6) bzw. als ,,first differences" erfasst. Im Basismodell der Tabelle 4.2 und den sich anschlieBenden Untersuchungen im Rahmen des Kapitels 4 wurde allerdings mit den untransformierten Daten gearbeitet, auch um die Nachvollziehbarkeit und die Interpretierbarkeit der gesch~itzten Koeffizienten zu erhalten. Die Modelle 1 und 2 der Tablle A4.3 zeigen jedoch, dass die Wirkrichtung der identifizierten Bestimmungsfaktoren wie erwartet gleich bleibt. Auch die Gr6Be der Sch~itzer variiert nicht betr~ichtlich fiber die verschiedenen Spezifikationen hinweg. Modell 3 zeigt, dass einer Betrachtung der Variation der Bildungsausgaben in ,first differences" eine andere Analyseperspektive zu Grund liegt. Zwar haben die Koeffizienten weiterhin die erwarteten Vorzeichen, doch die Koeffizientensch/itzer der Variablen ,,Anteil der 5-29-J/ihrigen" und der ,,Veto-Index" verfehlen konventionelle Signifikanzniveaus. Dies kann damit erkl~irt werden, dass diese Variable nicht so sehr in der L~ingsschnittdimension, sondem vor allem in der Querschnittsdimension ihre Wirkung entfalten. In den Modellen 4 und 5 werden verschiedene ,,fixed effects"Spezifikationen getestet. Insbesondere die Aufnahme von ,,country fixed effects" zeigt eine Wirkung, denn wie oben erl/iutert verschiebt sich dadurch in signifikanter Weise die Betrachtungsperspektive. Generell weisen diese Modelle fiir die jeweiligen Regressionskoeffizienten niedrigere t-Statistiken auf. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Verwendung von ,,fixed effects" ist mit einer erheblichen Reduzierung an Freiheitsgraden verbunden. AuBerdem kann statistische Signifikanz nur noch durch die Variation in der LLqgsschnittdimension, nicht mehr in beiden Dimensionen erlangt werden, was prinzipiell die Anforderungen an die St~ke des n a c ~ w e i s e n d e n Zusammenhangs nach oben schraubt. Die Variable ,,Bev61kerungsanteil der 5-29-J~ihrigen" verliert bei der Inklusion von ,,country fixed effects" an statistischer S ignifikanz - ein weiterer Beleg daftir, dass ihr Erkl~irungsbeitrag vor allem aus der Querschnittsdimension kommt. Die Variable ,,BIP pro Kopg' bleibt zwar signifikant, wechselt aber das Vorzeichen. Der negative Zusammenhang zwischen BIP pro Kopf und der 6ffentlichen Bildungsausgabenquote deutet hier ebenfalls darauf hin, dass der oben festgestellte positive Effekt vor allem aus der Querschnittsdimension kommt, d.h. wirtschaftlich wohlhabendere Lander haben im Vergleich zu weniger wohlhabenden Staaten eine h6here Bildungsausgabenquote. Diese Vermutung wird 191Zu diesem Zweck wurde der aktuelle Wert auf den Vorjahreswert regressiert, die
lagged dependent variable erfasst somit nicht die Ausgabenh6he des Vorjahres, sondem die H6he der Abweichung vom langfristigen Trend des Vorjahres.
398
Anhang
auch durch die Befunde der hintereinander geschalteten Querschnittsanalysen unterstiitzt (Tabelle 4.1). lJber die Zeit hinweg betrachtet ist ein Anstieg des wirtschaftlichen Wohlstandes aber eher mit einem Absinken der Bildungsausgabenquote (bei u.U. weiter steigenden Pro-Schfiler-Ausgaben) verbunden. Dies unterstiitzt die These, dass die Bildungsausgaben auch als Teil der Grundversorgung mit 6ffentlichen Gfitem angesehen werden k6nnen. Der Veto-Index wechselt ebenfalls das Vorzeichen. Weiter oben wurde schon dargelegt, dass bei ,,fixed effects"-Modellen jene Variablen, die fiber die Zeit hinweg wenig variieren (so wie der makroinstitutionelle Veto-Index), leicht von den ,,fixed effects" dominiert werden und damit an statistischer Signifikanz verlieren. In den Modellen 4 und 5 ist der Index aber weiter signifikant und wechselt sogar das Vorzeichen. Dieser Befund kann so interpretiert werden: Staaten mit einer ausgebauten konstitutionellen Vetostruktur weisen niedrigere Bildungsausgabenniveaus auf, haben allerdings in der Periode der 1980er und 1990er Jahre einen gewissen Aufholprozess durchgemacht, d.h. die Bildungsausgaben sind in diesen Staaten schneller angestiegen.