Alle Rechte durch Buch- und Presseagentur Augsburg Wolf Dieter Rohr.
DER MÖRDER IST UNSICHTBAR
KriminfaJroman. Aus ...
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Alle Rechte durch Buch- und Presseagentur Augsburg Wolf Dieter Rohr.
DER MÖRDER IST UNSICHTBAR
KriminfaJroman. Aus der Welt von morgen.
Von AUjan Reed. Das Mädchen war tot. Sie lag inmitten von einem Haufen kostbarer Kleider, von denen jedes mindestens einige hundert Dollar wert war. Ein Coktail kleid aus blutrotem Stoff lag unter ihr. Duke fluchte fürchterlich und anhaltend. „Wie hieß sie?" fragte er. Er drehte sich um. Miß Cutterway schluchzte und hatte ihren rechten Haindrücken .zwischen den Zähmen. Sie biß darauf herum. Sie hatte blitzende Haftschalen in den Augen, weil sie kurzsichtig ,war. „Daisy, Mister Gilberth", murmelte sie. „Daisy." — „Sie können mich Duke nennen", sagte Duke und sah sich in dem kleinen Raum um. Es war eine Ankleidekabine für Mannequins mit einem Spiegel an der einen Wand und einem durch einen Vorhang geschlossenes Abteil für Kleider an der anderen Wand. Ein Polsterhocker stand da, über den Kleider geworfen waren. Daneben waren Schuhe in allen Farben verstreut. „Wann ist das passiert?" fragte Duke. „Vor zwanzig Minuten", blubberte Miß Cutterway. Dann sah sie Duke verzweifelt an. ,;Uns'ere Vorführung lief und Daisy kam nicht, als sie dran war. Wir hatten unsere Creation ,Flowers in Jiurope 1 angekündigt, und Daisy kam nicht, und ich ging sehen. Und dann fand ich sie. Hier. So" „Sahen Sie sonst etwas, Miß Cutterway?" fragte Duke. Sie sah ihn erstaunt an. „Natürlich. Judith. Sie stand hier und rührte sich nicht." — „Danke, Miß Cutterway", sagte Duke. „Ist das alles?" fragte sie enttäuscht. — „Das ist' alles", ant wortete Duke wütend. Miß Cutterway schlich durch den Vorhang der Ankleidekabine, aber nicht ohne vorher noch einen neugierigen Blick auf das tote Mädchen geworfen zu haben. „Noch etwas Miß Cutterway", rief Duke ihr nach: Sie blieb stehen. „Ich möchte Judith sehen." — „Ich werde es veranlassen", sagte sie mit Würde. Sie Schien sich wieder der Tatsache bewußt zu werden, daß sie Direktrice eines der be deutendsten Modehäuser New Yorks war. „Sofort, ,Mister Gil berth." Sie sah nochmals auf Daisy, dann auf Duke, und dann verschwand sie.
„Das ist noch nicht alles, Duke", sagte Erik Dülberg. Er war Chef der Mordabteilung des 2. Bezirks und starrte wütend auf die Leiche. Duke nickte. „Ich weiß, woran du denkst, Erik. Ich weiß das ganz genau, verdammt nochmal", fluchte er. „Du denkst an Violet, Erik. Sie ist vor zehn Tagen ermordet worden. Auch sie war hier beschäf tigt, auch sie ist erwürgt worden, und auch ihr fehlte eine Strähne des Haares. Es war nur ein Unterschied. Sie ist in ihrer Wohnung ermordet worden, und ich fand sie zuerst, als ich am Abend hinkam. Aber es ist der gleiche Mörder, Erik. Ich schwöre es. Und ich werde ihn finden. Verlaß dich drauf." „Du sollst den Mörder sogar finden. Duke", sagte Dülberg betont. „Was heißt d a s ? " „Wir haben dich hergerufen, weil das deine Aufgabe ist und eine Aufgabe für das Institut." — „Für das Institut?" schnappte Duke. Beide dachten an das Institut für wissenschaftliche Son deraufgaben in New York, dessen Leiter Pat, Dr. Patrick Kent, war. und in dessen Sicherheitsabteilung Duke arbeitete. „Was hätte das Institut mit diesen Mädchenleichen zu t u n ? " schnappte Duke noch eiinmal. „Gehen wir", sagte Erik. „Die Cutterway wird vergessen haben, uns Judith zu schicken. Aber du mußt das Mädchen sehen. Dann wirst du wissen, warum uns die Sache nichts mehr angeht und warum es eine Sache eures Institutes ist." Vor dem Vorhang stand ein Bulle in Uniform. Er hatte rote Haare und die Augen eines Stiers. „Bleiben Sie hier", sagte Duke zu dem Mann. „Es geht mir keiner hinein." — , . ] ' wolL Captain", grinste der Bulle. Duke folgte Dülberg, der den Gang an den Ankleidekabinen vorbeischritt. ,,Was hat Judith gesehen?" fragte er grimmig. Dülberg wandte nur kurz «len Kopf. In seinen grauen, überlegenen Augen blitzte es gewittrig. „Nichts", antwortete er. „Ich denke . . . " fauchte Duke. „Der Mörder war unsichtbar", sagte Dülberg. „ W a s ? " schrie Duke. Er machte zwei Riesenschritte, die ihn neben Dülberg brachten. „Der Mörder war unsichtbar", sagte Dülberg f.'och einmal. „Un . . . " — „Unsichtbar", sagte Dül berg. „Deswegen haben wir nichts mit der Sache zu tun. Wir geben sie a,n euer Institut ab. Ihr werdet vielleicht wissen, wie (man gegen Leute vorgeht, die man nicht sieht. Dort kommt sie. Die alte Cutterway hpt also doch nicht vergessen, uns daß Mädchen zu schicken." „Du h|ast sie sahon verhört?" — „Ich habe »lies aus ihr rausr gequetscht, was sie wußte. Sie wird dir eine ganz verdammte Geschichte erzählen, Duke." Jetzt erst sah Duke nach dem
Mädchen, zu dem Dülberg schon lange hinsah. Sie war durch die Portiere gekommen und wartete. „Kommen Sie hierher", befahl Dülberg mit ärgerlichen Falten auf der Stirn. Duke wußte nicht, warum er sich nur ärgern konnte. Das Mädchen gehorchte. Duke sah zu, wie sie dje Portiere Josl ließ und wie sie zu Erik Dülberg hinüberschritt. Sie konnte nicht viel älter als zwanzig Jahre sein, aber sie ging wie eine Königin. Judith hätte keinen anderen Namen haben dürfen, als den, den sie hatte. Es schien, als wäre sie soeben aus den alten Bibelsagen der Hebräer auferstanden. „Setzen Sie sich und erzählen Sie Ihre Geschichte nochmals", knurrte Dülberg böse. Duke hätte gern gewußt, was er auf ein mal hatte. ,,Dieser Mann hätte das gern nochmal von Ihnen gehört . . . " Dabei zeigte er mit dem Daumen über die Schulter auf Duke. „Ich heiße Duke", sagte er. „Ich wäre Ihnen danbar, Judiths wenn Sie mir Ihre Geschichte nochmal erzählen wollten . . . " Ihr Lächeln verschwand und sie nickte. vSie saß ganz still und sah auf den Boden. „Ich hatte die Kabine neben Daisy", murmelte sie, „und wollte mich gerjade umziehen, weil ich fertig war. Dp hörte ich nebenani etwas . . ., oh, Mister . . . " — „Duke", sagte er. Sie nickte, leicht und zeigte ihre Zähne. „Oh, Duke, iah kann das nicht beschreiben. Es fiel e'cwesi um, und dann war das Geräusch, als würde jemand ersticken. Ich wußte niah't, w|as es war, (aber ich dachte, Da,isy isei schlecht geworden. Ich wußte, daß sie gleich dran war, um die ,Flowers in Europe' vorzuführen, und lief hinüber. Aber . . . " Ihre Haut wurde noch weißer und ihre Lippen verzerrten sich in einer schrecklichen Qual. „Es war grauenvoll", sagte Judith. Ihre „Stimme war leise, und sie sah sich scheu um. „Dai6y hatte das letzte Kleid ange zogen, ein Cocktailkleid in rot . . .". — „Ich habe es gesehen", knurrte Duke.- „Sie stand in der Kabine und schien in die weißen Schuhe schlüpfen zu wollen, die zu den Kleid gehörten. Aber sie war nicht mehr dazu gekommen. Ich sah durch den Vorhang und sah ihr entstelltes Gesicht. Ihr Körper bog sich, als würde sie geschlagen werden, und dabei streckte ,s*ie die Arme aus, als wollte sie irgendwas von sich abwehren. ^Die Arme stemmten sich wie gegen eine Mauer, aber man sah diese Mauer nicht. Sie rang nach Luft und keuchte, die Augen traten heraus, als würde etwas ihren Hals umspannen. Und dann sah ich es." Judith schüttelte sich. „Ihr Hals war ganz zusammengedrückt, als würden ihn ein Paar Hände umspannen, aber man sah die Hände nicht. Man sah site nicht, Duke. JMan sah nur ihren Körper er^ schlaffen, wie er minutenlang haltlos noch in der Luft hing und
dann langsam zu Böden glitt. Er glitt so zu Boden, als würde ihn ein Mensch in den Armen halten und ihn langsam hinab* lassen. Aber man sah niemanden, Duke. Man sah niemanden." Duke sah, daß Judith zitterte. Ihre Lippen bebten in dem ver zerrten Mund. „Und dann?" fragte er laut. „Und dann war Stille. Ich weiß nicht, wieviel Minuten. Aber ich sah plötzlich, daß dort, wo ihr Hals zusammengedrückt war, jetzt blaue Stellen waren, und das der Hocker, der umgefallen »war, sich von selbst aufj richtete. Er richtete sich auf, als würde ihn jemand wieder auf die Beine stellen." Judiths Augen waren entsetzt. Sie suchte nach Worten. „Aber man sah niemanden, der das tat, Duke. Man sah nicht. Man hörte auch, was geschah, aber man sah nichts. Dann wurden ein paar Kleider, die herabgefallen waren, wieder über den Hocker gelegt, und dann . . und dann . . . und dann richteten sich plötzlich die Haare auf . . . bei Daisy . . . aul dem Kopf . . . " Judith brach ab. Sie starrte Duke an. Sie lächelte eine Sekunde verstört: „Sie werden denken, ich bin verrückt, Duke. Vielleicht war ich es. Ich weiß es nicht. Aber ich habe doch alles ge* 6ehen, denn jetzÜ: ist Diaisy w,irkl(ioh tat. Und die Ha(are fehlen^ ihr auch . . . über dem Scheitel." ,,Wie war das mit den Haaren?" fragte Duke. „Ein Messer fuhr durch die Luft. Es wurde von einer Hand gehalten. Aber man sah die Hand nicht. Das Messer schnitt die Haare ab. Dann schwebten die abgeschznittenen Haare und das Messer wieder nach oben und verschwanden." „Und Sie, Judith?" Duke blinzelte. „Ich?" — „Was haben Sie getan, Judith?" Sie starrte Duke verzweifelt an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich war wie ^gelähmt. Ich stand da . . . " — „Und?" — „Da kam Miß Cutterway." — „Was sagte Miß Cutterway?" — „Sie schimpfte wie üblich, weil ich hier nichts zu suchen hätte und wo Daisy wäre . . . sie müßte schon längst da sein. Sie drängte mich beiseite und sah in die Kabine. Dann schrie sie." „Wer schrie?" — „Miß Cutterway." — „Und dann?" — „Ein paar Mädchen kamen und Mister Lordsay." — „Die Kabine hat niemand verlassen?" Judith schüttelte den Kopf. „Was geschah weiter?" — ..Mister Lordsay sagte uns Mädchen, daß wir verschwinden sollten. Aber ich hörte noch, wie er Miß Cutterway sagte, daß sie sofort die Polizei anrufen sollte." „Blieb jemand bei der Kabine fcurück?" — „Mister Lordsay blieb wohl zurück." Duke sah auf Dülberg. „Ich möchte Mister Lordsay sprechen", sagte er zu Judith. Dülberg schüttelte den Kopf. „Das ist nicht notwendig, Duke. Wir haben ihn schon gesprochen. Es. genügt, daß wir wissen, daß der Mörder die Kabine von dem Mädchen erst verließ, nach
•dem der Mord schon entdeckt war. Wir kamen einige Minuten später an. Das Mädchen war tot. Du .kannst die Protokolle und Fotos dann von mir haben." Er stand auf. „Du merkst, daß das nicht mehr unsere Angelegenheit ist, nicht wahr? Euer Institut .kann sich die Zähne ausbeißen."' Judith war aufge standen. Dülberg merkte, daß sie noch da war. „Danke, Miß Judith", knurrte er. „Sie können jetzt gehen." — „Sie können noch nicht gehen", sagte Duke. „Was wissen Sie noch?" Einen Augenblick sah sie ihn erschreckt an. Dann blickte sie auf den Boden. „Nichts", sagte sie dann fest und blickte ihn wieder an. Aber Duke wußte, daß sie noch etwas wußte. Und er wußte auch, daß sie es um keinen Preis sagen würde. Aber er schwor sich, daß er es trotzdem erfahren würde. „Ich werde zu Pat ins Institut fahren", sagte er, als er eben falls aufstand. Zweites Kapitel Pat bekam fast einen Schlaganfall. „Erzähle das nochmal, Duke", bellte er endlich. Er warf seine Zigarettenpackung über •die Tischplatte, und Duke fing sie auf und steckte sich so ein Ding zwischen die Zähne. „Erzähle das nochmal, Duke", schrie Pat wütend. Duke schüt telte den Kopf während er rauchte. „Es war kein Märchen, Pat", sagte Duke. Er sah Pat an. „Es war also fceAn Märchen?" flüsterte er. „Es war kein Märchen", sagte Duke. -Pat schaltete das Haus telefon ein und beugte sich vor, um zu sprechen. „Was willst du tun, Pat?" — „Ich will Dr. Bothwell verstän digen. ET beschäftigt sich mit allen möglichen Sachen." „Laß das, Pat." — „Warum?" — „Schalte den Kasten aus, Pat." Der tat es. „Du kannst mit Bothwell nachher verhandeln, wenn ich nicht mehr da bin. Ich habe keine Zeit. Du kannst später sagen, was Bothwell dazu meint, ob es etwas gibt, was einen unsichbar machen kann." „Wo willst du hin?" schnappte Pat. Er schob den Hausaparat von sich. „Ich habe mir von Dülberg die Adresse von Daisy geben lassen. Ich will in ihre Wohnung. Ich will sehen., ob ich dort was finde, wenn es der Unsichtbare nicht schon geholt hat." Pat nickte. Er bewegte die Lippen. Aber er sagte nichfe. „Ich habe damals Violets Wonnung durchsucht, aber ich habe nichts gefunden", fuhr Duke fort. „Sie wurde genau so umge bracht, Pat. Genau so!" „Es kann was anderes gewesen sein", «sagte Pat. „Es ist aiichts anderes gewesen", sagte Duke ptun. j : r fühlte, daß er
recht hatte. „Und jetzt, wo es jnejne Aufgabe Isfr nach dem Mörder zu suchen, wend ioh es funj Minallen Mitteln. Aufi meine Art." Duke stand auf. „Ich fahre zu Daisys Wohnung, Pat. Von dort zu Dülberg, Ich will Einsaht in die Akte» nehmen. Ich werde nicht viel finden, aber ich will es trotzdem tun. Dann will ich mit Mister Lordsay sprechen " „Wer ist Mister Lordsay?" „Der Abteilungsleiter von Quentin Loraine, Er sah, wie der Mörder ging." — „Und wer ist Loraine?" — „Zu ihm gehe ich später. Er wird nicht viel wissen. Aber vielleicht weiß er doch etwas. Ihm gehört das Modehaus, in dem Violet und Daisy arbeiteten. Er wohnt irgendwo draußen vor der Stadt wie ich von Dülberg hörte." „Ein großes Programm", sagte Pat. „Ein kleines Programm", entgegnete Duke- „Denn ich werde nachher noch Judith aufsuchen." „Da kann es Abend werden", sagte Pat, während er zu Duke aufsah. „Das ist möglich, aber ioh weiß, daß sie etwas weiß. Und dap werde ich von ihr erfahren." Duke stieg auf der Straße in den Wagen. Der Tag war wun- i dervoll. Duke stoppte den Wagen vor dem Haus, in dem Daisy ihre Wohnung gehabt hatte. Es war -gar nicht weit vom Broad/ way. Er kletterte hinter dem Steuer,.hervor und sah den Haus meister. Duke mußte an ihm vorbei. „Dajsy Prittwitt wohnte hier r nicht w a h r ? " fragte er freundlich. „In welchem Stock?" Der Mann guckte Duke mißtrauisch an. „Was heißt das: wohntje hier?" babberte er. Duke merkte, daß er zuviel gesagt hatte. „Ah, sie wohnt noch hier?" machte Duke deswegen. „Ich dachte, sie wäre schon ausgezogen." — „Will sie ausgehen"; knurrte der Mann, Duke nickt ernsthaft. .„Sie wird bald aus* ziehen", sagte er. „Für immer." „Wer, sind Sie?" — „Der Möbelspediteur. Miß Prittwitt beauf fragte mich, die Möbel anzusehen. Sie meinte zwar, ein kleiner Wagen würde genügen, aber ich muß fnir das selber ansehen." Der Mann beruhigte sich. „In welchem Stock?" fragte Duke noch einmal. Er reichte fünf Dollar hinüber. Der Mann nahm sie und wurde sofort freundlicher. „Der sechste, Mister." — „Danke", sagte Duke und ging zum Lift. Aber dann drehte er sieh nocfi einmal um. „Haben Sie da jemanden gesehen, der hereinkam und nicht ins Haus gehört?" — „Nein. Nicht, daß ich wüßte. Warum?" Duke war zufrieden. Im weitergehen sagte er: „Ich glaube. Miß Pritt will hatte auch einen Kollegen von mir beauftragt. Wegen eines Kostenvoranschlages. Ich wollte wissen, ob der.schon da war!"
Duke war "beruhigt Daisys Wohnung würde noch unberührt sein, denn der Hausmeister hätte es gesehen, wenn jemand g&r kommen wäre. Duke fuhr hoch und sah an der Wohnungstür eine .Visiten karte, die in einem Blechkasten steckte. Auf der Karte stand: Daisy Prittwill, Manequin. Die Wohnung sah aus, als hätte der Taifun darin gewütet, und Duke fluchte leise in sich hinein, weil doch schon jemand dagewesen war. Dann machte er die Tür hinter sich zu und sah sich ^die Wohnung an. Von einem winzigen Vorraum ging es in eine Kochnische, ein Bad, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Alles war sehr klein, und alles war durchwühlt. Aber Duke sah, daß der Mann, der das getan hatte, wenig Ahnung dovon hatte, wie man es richtig machte. Es war alles nur flüchtig durchsucht. Duke begann die ganze Arbeit noch einmal von vorn. Er ging systema tisch vor und fing in der Küche an, um im Schlafzimmer aufzu hören. Er zog die Schubladen ganz heraus, nahm jedes Stück in die Hand, was sich darin befand, und betrachtete es, und wenn er einen Raum verließ, gab es auf gar keinen Fall eine Ecke, in die er nicht hineingesehen hatte. Er überlegte, was der Mann, der vor ihm da war, hier wohl gesucht haben mochte. Im Schlaf zimmer fand er es endlich. Er hatte nicht die winzige Ecke von Papier entdeckt, die hinter dem Nachttisch hinter die Dielenleiste gerufccht war, und -die Duke zuallererst sah. Vielleicht hatte der Mörder nicht danach gesucht, sondern nach ganz was anderem. Und vielleicht hatte er auch das ge; funden, was er hafte haben wollen. Duke war das gleich. Jeden falls klappte er sein Taschenmesser auf und zog das Papier vorsichtig hinter der Dielenleiste an der Wand hoch. Mit den Händen hätte er es nicht gekonnt. Es war ein Zettel, der aus einem Notizbuch gerissen war und wahrscheinlich vom Nachttisch herab rutschte und hinter die Dielenleiste fiel. Mit flüchtigen Ziffern war eine Nummer drauf geschrieben: 4-4078. Duke wußte, daß es eine Telefonnummer war. Er steckte den Zettel ein, weil er noch nicht wußte, was es bedeutete. Er dachte an Daisy und verließ die Wohnurug. Nein, sie wohnte nicht mehr hier. Der Hausmeister putzte noch immer die Messinggriffe. „Nun, haben Sie sich alles angesehen?" fragte der Hausmeister. „Es geht in einen kleinen 'Wagen", sagte Duke mit einem bitteren Geschmack im Munde. „Die Wohnungen sind auch nicht groß." Aber Duke ging vorbei auf die Straße und kletterte in seinen Wagen, mit dem er in schnellem Tempo zum Polizeipräsidium fuhr.
Erik Dülberg war nicht da. aber das Mädchen, das in seinem Zimmer saß, sagte, daß er jeden Moment zurückkommen müßte. „Wo ist er hin?" fragte Duke. „Mister Dülberg sagt mir nie, w o er hingeht", antwortete sie. Duke fragte: „War er schon mal im Büro, seit er heute morgen wegging?" Sie nickte. „Er war da und brachte eine Tasche mit, und dann ging er wieder." — „Was für eine Tasche?" — „Es war eine braune Umhängtasche, die neben einem blauen Aktendeckel stand, und Duke nahm sie heraus und hing sie sich über die Schulter. Dann sah er sich den Akt an. Er war noch nicht beschriftet und dünnleibig. Er enthielt ein paar Protokolle, die aus dem Maschinenstenogramm bereits in Schreihmaschine übertragen waren, und die ersten grellen Schnellbilder, auf denen Duke die Ankleidekabine mit dem toten Mädchen erkannte. Duke stieß den Akt ins Fach zu rück. „Ich werde das Zeug hier lassen. Ich glaube, ich brauche es nicht. Ich habe meine eigene Art, den Mörder zu finden. Wenn ich es doch brauche, kann ich herkommen und hinein sehen." Duke zog mit dem Fuß einen Stuhl heran und setzte sich rittlings drauf. Über die Lehne hinweg begann er den Inhalt der Tasche auf der Tischplatte auszuschütten. Die Tasche gehörte Daisy. Die Tasche enthielt nichts anderes, als einen Lippenstift, einen Spiegel, ein .Taschentuch, einen Flakon mit billigen Parfüm, eine Damenaumbanduhr, zehn Visit karten, die sich Duke Stück für Stück genau ansah, ohne eine Bleistiftnotiz oder etwas Ähnliches zu finden, .einen grünen Kamm mit Etui und ein Bild von Daisy. Duke sah sich das Bild an, von hinten und von vorn, und schob es dann in die Jackett> tasche, wo er den Zettel führte, den er in Daisys Wohnung, gefunden hatte, und den kühlen Lauf seiner kleinkalibrigen Waffe, die nicht viel auftrug. „Sie gefällt Ihnen, Duke, nicht wahr?" fragte die Sekretärin, die näher gekommen war und ihm über die Schultner sah. Er stopfte den ganzen Krimskram gerade in die Tasche zurück, als Dülberg zur Tür hereinkam. „Du wirst nichts finden, Duke", sagte er. „Ich habe mir den Kram schon angesehen, aber ich habe auch nichts gefunden." — „Wo hast du die Tasche her, Erik?" fragte Duke. „Miß Cutter way hat sie mir gegeben, als ich ging." — „Wie kommt Miß Cutterway zu der Tasche?" — „Die .Mädchen geben ihre Taschen bei Miß Cutterway ab, ehe sie zu arbeiten anfan gen. Wenn sie gehen, bekommen sie sie wieder ausgehändigt." — „Warum?" Dülberg zuckte die Achseln. „Möglich, daß Loraine Angst hat, die Mädchen könnten etwas mitschleppen." — „Loraine ist ein Pedant?" — „Wahrschein lich ein rechnender Geschäftsmann. Er hat überall Modehäuser,
die ihm einen Haufen Geld einbringen. Miß Cutterway erzählte es mir. Aber, du hast es .gehört, es geht mich auch nichts mehr an. Das ist Sache des Instituts." Sein Ärger kam wieder. Duke wußte jetzt warum Dülberg wütend war. Er mußte den Fall abgeben und konnte nichts dagegen machen. „Ich war gerade nochmals im Leichenhaus", fuhr er grimmig fort, „und habe mir die Leiche von dem Mädchen nochmals angesehen. Sie ist erwürgt worden, das steht fest. Sie ist genau so erwürgt worden, wie Judith es erzählt hat. „Es ist also nicht mehr dein Fall?" — ,.Es ist nicht mehr mein Fall." — „Hattest du bezweifelt, was Judith uns erzählt hat?" „Ich habe doch noch gehofft, daß es ein Märchen wäre. Aber ich muß den Fall abgeben, Duke." — „Welche Nummer hat die Leiche?" fragte Duke. „142. Was willst du damit?" — .„Ich werde sie mir eben, falls ansehen", sagte Duke. „Möglichst bald." — „Es ist jetzt deine Aufgabe." — „Hat man übrigens Spuren in der Kabine bei der Leiche gefunden? Ich habe nichts davon im Protokoll gelesen." — „Nichts hat man gefunden", wütete Dülberg. Duke war bis zur Tür gegangen. Jetzt blieb er stehen und drehte sich nochmal um. „Kannst du mir eigentlich sagen, Erik, warum d u eo wütend warst, als uns Judith ihre Geschichte erzählte?" — „Und ob ich es kann, Duke", sagte er zwischen den Zähnen. „Durch ihre blödsinnige Geschichte mußte ich den Fall an euch abgeben. Du weißt, ich stehe kiarz vor der Beförderung und brauche bis dahin noch einige Fälle. Nachweisbare Fälle. Vier zehn Tage, Du.ke! Und Zeit ist Geld. Noch immer! Noch immer, Duke." „Duke grinste. „New York ist keine ruhige Vereinsstadt. Ich fürchte, du wirst keine vierzehn Tage warten müssen, um deine Fälle zusammenzubekommen." Duke fuhr im Lift hinunter, sprang pfeifend in seinen Wagen und ratterte zurück zum Broadway, wo Quentin Loraine seinen Modeladen hatte. Er hatte Glück, denn er sah, daß genau vor dem Modeladen Loraines in diesem Augenblick ein Wagen los fuhr und ihm damit zum Parken Platz machte. Er fuhr hinüber und quetschte sich genau in die Lücke. Duke wußte nicht, warum er so vergnügt war auf einmal, aber er ahnte es, denn langsam nahm jetzt schon alles Gestalt an. Er zog das Foto von Daisy heraus, den Zettel mit der Telefon nummer und schließlich den Zündschlüssel. „Ich möchte Mister Loraine sprechen. Ich bin Duke Gilberth und bearbeite. . . . " „Oh." Der Empfangchef stotterte ein bißchen. „Mister Gil berth! Oh! Es tut mir furchtbar leid. Mister Lordsay ist nicht mehr im Geschäft." — „Aber Miß Cutterway ist da?" — „Miß Cutterway ist i m Haus."' Sie starrte herüber, zitterte etwas bei
seinem Anblick und entschuldigte sich dann bei den Leuten, die am sie herumstanden. „Ich kam her und wollte Mister Lordsay sprechen. Ich sah Miß Judith nicht?" — „War es etwas Be sonderes, was Sie von dem Mädchen wollten?" — „Oh, neinr rieht direkt." Duke fixierte sie. „Hatte Daisy eigenftÜich Ver wandte, Bekannte oder Eltern hier in New York? Hatte sie einen Freund, Miß Cutterway?" Sie schüttelte entschieden den Kopf. ..S;e war allein, soviel ich weiß." „Wo liegt eigentlich die Kabine, wo Daisy ermordet wurde?" Miß Cutterway sah erschreckt auf. „Sie wollen die Kabine noch einmal sehen? Das ist nicht möglich. Sie ist schon wieder her gerichtet. Der Herr, der mit der Polizei zuerst da war, hat sie freigegeben, als er ging. Und die . . . ah . . . die Leiche des armen Mädchens ist bereits . . . nein, furchtbar . . . wegge schafft worden." Duke nickte. „Ich weiß das. Ich wollte nur wissen, wo die Kabine, von hier aus gesehen liegt?" — „Oh!" Sie atmete erleichtert auf und nnckte heftjfg. „Sehen Sie die Tür dort hinten?" Duke sah die Tür. „Wenn Sie von hier aus durch diese Tür gehen, kommen Sie in den Vorführungsraum und von dort wieder in den Kabfriengang, den Sie bereits kennen." Duke dankte Miß Cutterway. „Jetzt kenn ich mich aus", sag^e er. „Der Mörder könnte also auch von hier gekommen sein?" Sie schluckte. „Oh, meinen Sie? Doch, Sie haben recht, das könnte möglich sein. Bestimmt . . . Verfolgen Sie eine Absicht dar mit?" — „Nicht direkt", sagte Duke wieder und ging nach hinten zu der Tür. Hier kam er zum Hinterausgang. Miß Cutter way folgte ihm wie ein lauernder Schatten. „Ich werde jetzt hinten hinausgehen." Miß Cutterway atmete auf. Sie strahlte nun in einem einzigen Lächeln. „Oh, ja. Bestimmt ist es besser. Mister Gilberth." Sie beglei tete ihn bis zum hinterem Ausgang. Da erinnerte sich Duke an den Zettel, den er bei Daisy gefunden hatte. Er zog ihn hervor. „Ist das übrigens Ihre (Telefonnummer, Miß Cutterway?" fragt er. Er las sie ab, und sie beugte sich vor, um sie ebenfalls entziffern zu können. „4-4078?" murmelte'sie. Sie richtete sich kerzengerade auf und starrte Duke ins Gesicht. „Nein!" — „Sie wußten auch nicht, was das für eine Nummer ist?" Miß Cutterway war entsetz^. „Wie soll ich das wissen ?" Duke steckte die Kummer wieder ein und ging durch die Tür, die ihm Miß Cutterwav aufgehalten hatte. Er fuhr nach Hause, weil er angestrengt nachdachte. * * Er blätterte das Telefonbuch von vorn nach hinten und von hinten nach vorn. Aber er fand die Nummer nicht. Er knallte es zu. Er überlegte. Während er überlegte, w:ählte er die Nunn tn-er des Präsidiums, und die Zentrale kam. „Hallo, Muphey",
sagte Duke. „Es handelt sich um eine Nummer. Eine Telefonr nummer. Sie steht nicht 'im Buch. Aber ich brauche sie drinr gend." „Welche?" — „4-4078" — „Welches Amt?" — „Weiß ich nicht. Kannst du es schnell tun, Murphey?" — „Es kann nicht mehr als fünf Minuten dauern, Duke. Duke wartete, dann eiwft lieh hörte er das Summen. „Hör zu, Duke. Es ist die Nummer, die noch im Betrieb ist, aber mit dem Auftrag, sie nicht im Buch aufzunehmen." — „Wem gehört sie?" fragte Duke laut. „Der Besitzer oder die Besitzerin, heißt A. P. Chrushin." — „Wajs für eine Branche?" — „Ist auch nicht angegeben. Aber wfr haben die Adresse überprüft, Duke. Weißt du, wo das ist?" — „Nein!" Murphey nannte die Straße. Seine Stimme war voller Ekel „Eine häßliche Gegend", sagte Duke nebenbei. „Das ist noch nicht alles, Duke. Wahrscheinlich im selben Haus ist ein Mäd chenpensionat . . . äh . . . " — „Ah!" grinste Duke. „So eins! Dank«, Murphey, für die Auskunft. Sag mir nochmal die Adresse!" Murphey tat es. „Wenn du uns einen Gefallen tun willst, Duke", sagte er, „schau dich doch mal um. warum Lm gleichen Haus zwei Nummern existieren, ja? Die Sache kommt mir komisdh vor." „Mir auch", sagte Duke. „Schon lange, aber verlaß dich drauf, Murphey. Es wird gemacht." Murphey wollte abschalten. „Halt", rief Duke. „Hör mal zu, Murphey. Wem gehören dort in der Gegend eigentlich die Mädchenpensionate?" Duke war ganz wach. „AI Lefter", sagte Murphey. Nimm dich in acht, wenn du mit ihm zusammentriffst. Aber man kann ihm weder das noch jenes nachweisen." Es geht los, dachte Duke, als er den Apparat austastete. Violet war tot. Daisy war tot. Judith wußte was, und Daisy be saß die Telefonnummer von einem Mädchenpensionat. Ein Un sichtbarer ging um. Aber der Unsichtbare hatte sich nicht gefun> den. Bestimmt hätte er sie mitgenommen, bei Daisy, wenn er sie gesehen hätte. Die Schlinge wurde enger, verdammt enger. Dann marschierte er los und verrammelte hinter sich die Woh nungstür. Seinen Wagen hatte er nicht vor dem Haus abgestellt, sondern ein paar Straßen weiter. Da das Leichenhaus auf seinem Weg lag, fuhr er gleich vorbei. Das Haus sah aus wie jedes, andere. Es war grau und hatte eine Einfahrt. Aber neben den Einfahrt war eine schwarze Marmortafel. Morgue. Leichenhaus. Er kletterte raus und ging durch die Einfahrt und .nickte dem Pförtner zu. „Ich brauche die Leiche 142", sagte er. Der Pförtner sah aus wie eine verärgerte Schnecke und trug eine dünne Brille mit einem
Nickelgestell, durch die er in einem Bildmagazin las. Er hob kaum den Kopf, als er Duke anblinzelte und erkannte. „Gehen Sie zu Biedermann, Gilberth. Hinten. Zweiter Gang", nörgelte er. Duke ging. Er fand Biedermann im zweiten Gang hinten und erkannte ihn, weil er ihn hier schon mal gesehen hatte. „Nummer 142", sagte Duke. Der Leichenwärter rannte auf seinen kurzen, dicken Beinen Duke voraus. Dann hielt er. An der grauen Eisentür des Kühlschranks hefteten die Nummer 141, 142 und 143. Es war überall' kalt hier und roch nach gar nichts. Der Wärter schloß den Schrank auf und angelte das Eisenblech aus der zweiten Etage hervor, auf dem die Leiche lag. Der Wär ter zog das Tuch über dem Eisenblech weg, das die Hebarme ausgeschwenkt hatten. Er sah Duke an. „Na?" sagte er. Es war Daisv. An ihrem rechten, steifen Handgelenk baumelte ein Zet tel mit ihrer Nummer und ihren Personalien. Damit sie nicht verwechselt wurde. Duke zog das Tuch hoch über ihren Körper bis zum Hals. Er sah noch am Hals die Druckstellen, die noch genau zu er kennen waren. Er sah ihr ins Gesicht und dachte daran, wie sie auf dem Foto glücklich gelächelt hatte. Ihre Haare glänzten noch immer märchenhaft. Dann zog er das Tuch über den Kopf, wie es gewesen war. „Dülberg hatte recht", brummte er. „Es waren große Hände, sehr große Hände. Danke schön", sagte Duke. Er wandte sich ab und ging. „Das genügt." Duke fröstelte wirklich, als er auf die Straße trat. Er blieb einen Moment stehen, ehe er erneut in seinen Wagen kroch. Er überlegte, wie er fahren mußte, um in die Gegend zu kommen, die ihim Murphey genannt hatte. Es war nicht weit, und trofedem mußte Duke suchen, ehe er die Straße fand. Er ließ seinen Wagen ein Stück entfernt stehen und machte sich zu Fuß auf den Weg. Die Hände stopfte er tief in die Hosentaschen. So übel war die Gegend gar nicht. Es waren nur alte Häuser, teils im englischen Stil aneinanderge reiht, und teils standen sie einzeln. Es gab wenig Leute hier. Duke guckte an den Häusern rum, daß er die Nummer nicht verpaßte, die Murphey ihm gegeben hatte, aber dann sah er, daß das gar nicht notwendig war. Zwei Häuser weitet- stolzierte ein Mädchen auf der Straße auf und ab. Sie rauchte eine Zigarette und trug ein dünnes Kleid. Natürlich redete ihn das Mädchen an, als er vorbeiging und Duke blieb stehen. „Kennst du die Nummer vier Strich vier null sieben acht?" fragte Duke. Jetzt wurde sie auf einmal wachsam. Ihre Augen zogen sich zusammen wie die einer Katze. „Nein", sagte sie. „Was willst du damit? Du wirst doch die Telefonnummer ken nen? Wie?" Ihre Augen wurden noch schmäler. „Unsere Num mer ist 4-3708", nörgelte sie. „Und 4-4078", grinste Duke.
„Ich kenne beide." — „Du gehörst zu den Greifern, wie?" zischte sie. „Ich gehöre nicht zu den Greifern", sagte Duke. „Du willst mir doch nicht erzählen, daß du zum Club gehörst?" bläffte sie. „Du gehörst entweder zu den Greifern oder . . . " „Oder?" machte Duke. Er wußte jetzt, daß die Nummer 4-4078 zu dieser Bude dazugehörte. Er wußte jetzt, daß die Bude geteilt war. Sie harte von einem Club gesprochen. Duke ahnte, daß hier noch eine verdammte Geschichte dahinter steckte. „Von wem hast du die Nummer?" erkundigte sie sich. Sie blinzelte. „Vielleicht von AI?" grinste Duke. Sie riß den Mund auf und zitterte förmlich. „Von was für einem AI?" — „AI Lefter." sagte Duke. Jetzt nickte sie. „Dachte es mir doch gleich", freute sie sich. „Ich habe Menschenkenntnis, mein Lieber. Du könntest ein Greifer sein oder aber zu den Leuten um AI gehören. Die sehen so aus. Hat er dich herbestellt?" — „Ist er da?" fragte Duke dagegen. Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Jetzt ist er in seinem Geschäft. Er kommt erst abends." — „Was hat er für ein Geschäft?" fragte Duke. Sie wurde mißtrauisch. „Du weißt es nicht, was AI für ein Geschäft hat. Da . . . stimmt . . . was . . . " Sie sah ihn wütend an. Aber Duke erfand eine Ge schichte. „Hör.mal zu. Ich möchte mit AI ein Geschäft machen. Er kommt nicht schlecht dabei weg, ich auch nicht." Duke grinste fürchterlich. Er grinste deswegen, weil er daran dachte, was das für ein Geschäft sein würde." Aber jetzt sagst du, er war nicht da . . . " „Ach so!" Ihr Mißtrauen schwand. „Er hat eine Autohandlung in der Stadt. Dort ist er tagsüber. Aber er mag nichify, wenn man diese Geschäfte dort m8
„Bitte?" fragte eine Stimme. „Ich hätte gern Mister Loraine gesprochen", sagte Duke ins Mikrofon. „Wen darf ich melden?" — „Duke Gilberth. Ich komme in der Mordangelegenheit Daisy Prittwitt. In Mister Loraines Modehaus auf dem Broadway . . " „Einen Moment, bitte." Duke wartete. Dann schwang automa tisch das Tor vor ihm auf, und die unsichtbare Stimme sagte: ,,Mister Loraine läßt bitten." Duke ging durch, und das Tor schwang wieder zu. Über dem einfachen Treppenaufgang erwar tete ihn ein Mädchen an der Haustür. Sie hatte rQte Backen und ein gutes Gesicht. „Bitte, wenn Sie mir folgen wollen", sagte sie. Es ging durch eine einfach möblierte Diele. Sie machte die Eichentür auf, und Duke trat in ein Terrassenzimmer. Duke sah einen älteren Herrn mit dünnen, weißen, gescheitelten Haaren, der in einem Liege stuhl lag und jetzt eine Zeitung weglegte. „Gülten Tag. Mister Gilberth", «tagte er1. Er reichte Duke eine schmale., weiße Greisenhand. „Bitte nehmen Sie doch Platz. Ich bin Quentin Loraine. Sie wollen mich sprechen?" — ,,Ich komme wegen des Mordes an Daisy Pritt witt", begann Duke. Der alte Herr war sichtlich indisponiert und sah Duke fragend an. „Mein Mädchen sagte mir schon so etwas, als sie Sie anmel dete, Mister Gilberth. Aber Daisy Prittwitt? Es tut mir leid.." — „Eines Ihrer Mannequins", half Duke. Jetzt lächelte Loraine. Es schien ihm peinlich zu sein. „Ich muß Sie leider enttäuschen, Mister Gilberth",, sagte er. „Aber ich kenne Daisy Prittwrüt ber stimmt nicht. Ich kenne die Damen in meinen Geschäft nicht. Das ist Sache der Abteilungsleiter." „Es handelt sich um den Mord in Ihrem Modehaus auf dem Broadway, Mister Loraine", sagte Duke, während er den alten Herrn ansah. „Oh!" Er hob plötzlich den Oberkörper und betrachtete Duke aufmerksam. „Jetzt verstehe ich erst die Sache!" — ,.,Ja"» sagte Duke gedehnt. Loraine nickte heftig. Sein Gesicht nahm Farbe an. „Darin darf ich Sie um eins bitten, Mister Gilberth. Tun Sie alles, um dieses entsetzliche Verbrechen aufzuklären. Sie werden verstehen, daß es für mich sehr, sehr peinlich sein muß, daß da; gerade in einem meiner Häuser passiert ist." „Ich hatte gedacht, daß ich vielleicht von Ihnen etwas er fahren würde. Irgend etwas", sagte Duke. Der alte Herr schüt telte leicht den Kopf. „Da muß ich Sie abermals enttäuschen. Mister Gilberth. Lei der. Ich kannte das arme Geschöpf nicht einmal." — „Wanq waren Sie das letzte Mal in Ihrem Geschäft auf dem Broadway?" fragte Duke. „Warten Sie . . . Das war letzten Freitag." Das
war neun Tage her! Duke sa!h ein, daß er von dem alten Herrn wirklich nichts erfahren konnte. ,,Ich hätte nur gern gewußt, ob Ihnen da etwas aufgefallen ist? Irgend etwas?" Der alte Herr dachte wieder nach, aber er schüttelte den Kopf. „Ich sprach mit Miß Cutterway, mit Mister Lordsay und Mister Abel, den beiden Abteilungsleitern, und meinem Geschäftsführer, Mister Morning. Aber mir ist nichts dabei aufgefallen." Duke erhob sich. „Ich möchte dann Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Mister Loraine. Aber verstehen Sie bitte, daß es meine Pflicht war, auch mit Ihnen al* Inhaber des Hauses zu sprechen." Duke wollte gehen. ,,Ich werde Sie zur Tür bringen, Mister Gilberth, wenn Sie gestatten." — „Biitite bemühen Sie sich nicht. Ihr Mädchen . . . " Aber Loraine ließ sich davon nicht abbringen. Duke war froh, als er wieder in seinem Wagen saß. Er ärgerte sich jetzt, daß er den alten Mann in seiner Mittagsruhe gestört blatte. Er hätte sich denken können, daß Lonaine r,ichtts wüßte. Solche Leute kümmern sich kaum um jeden ihrer Angestellten, Sie können es gar nicht. Aber vielleicht brauchte er doch noch einmal seine Hilfe, die er ihm angeboten hatte. Und das vertrieb seinen Ärger. Er kam um punkt sechs Uhr bei Pat im Institut an. wo er noch einen anderen Mann vorfand, der einen weißen Laborant' mantel trug und graue Augen in einem hageren, pockennarbigen Gesicht. Das Gesicht wirkte wie eine von einem Brand zerstörte Herbstwiese. „Das ist Dr. Bothwell", sagte Pat, nachdem er Duke vor gestellt hatte. „Hei! Plus Anm. d. Übers.: Slangausdruck für „How are you?" sagte Bothwell gedehnt. „H-e-i", sagte Duke noch einmal „Das ist unbedingt eine Sache für uns", sagte Pat. „Setzt euch." Bothwell und Duke versanken gehorsam in zwei Sessel. „Hör zu, Duke, was dir Dr. Bothwell sagen kann. Mir nützt es nichts. Vielleicht kannst du etwas damit anfangen." Pat sah auf Bolfcy well, und Duke wendete ihm seine ganze Aufmerksamkeit zu. Dr. Bothwell hielt einen Vortrag von dem Duke begriff, daß es durchaus möglich war, ein Kraftfeld um seinen Körper zu schaffen, das diesen Körper unsichtbar zu machen vermochte und durch eine komplizierte Technik durchsichtig, unter Zuhilfe* nahmevon Luftspiegelungen im Sinne optischer Täuschung. Duke war von dem Ganzen nicht befriedigt. „Sie haben mir nidht gesagt, Dr. Bothwell, wie es mir möglich ist, das Kraftfeld, das der Unsichtbare um sich lagert, aufzuheben, und wie ich fflin fassen kann. Ich glaube, das sollte mich am meisten interessieren."
Bothwell lächelte und wiegte den Kopf. „Ich kann Ihnen natür lich nicht die Technik beschreiben, durch die es der Mann, den Sie suchen, möglich ist, sich vor anderen unsichtbar zu machen. Vielleicht trägt er ein Aggregat in seiner Hosentasche, mit dem er das benötigte Feld schafft und es auch wieder aufhebt. Viel! leicht trägt er es um den Hals. Vielleicht . . . " Bothwell sah Duke fest an. „Technisch, Duke, erscheint es mir dorchaug möglich, daß ein Körper, also auch Ihr Mann, dieselben opti« schen Eigenschaften annehmen klann wie die Luft, also folglich unsichtbar wird. Aber er kann viele Techniken dafür haben. Wer fen Sie Ihren Mann ins Wasser, Duke! Sobald er im Wass>er ist, werden Sie ihn sehen. Wasser hat einen anderen Lichfc brechungskoeffizienten als die Luft. Das ist das einzige, was ich Ihnen raten knn." „Dr. Bothwell stand auf. Duke sah ihn an und knurrte: „Ich werde den Mann eine Einladung zum Schwimmen schicken, Dok tor. Vielleicht ist er so nett und geht mit „mir baden." — „Ver suchen Sie das, Duke", sagte Dr. Bothwell ernsthaft, ehe er die Tür hinter sich zumachte. „Verdammt", sagte Duke, wobei er Pat ansah. Pat beugte sich vor und miaahte ganz kleine Augen'. „Du weißt, wer .der Mörder ist?" fragte er. „Du weißt es doch nicht etwa schon?" — „Wenn ich es wüßte", knurrte Duke wütend, „hätte ich ihm bereits den Hals umgedreht." Pat nickte vor sich hin. „Du kannst mit Dr. Bothwells Bericht nicht viel anfangen?" — ..Nein", sagte Duke gallig. „Hm." Pat hmte noch ein paar Mal. „Und du ahnst auch nicht, wer das Ungeheuer ist?" — '„Es kann genau so Miß Gutterxvay sein wie 'das Mädchen Judith", fauchte er. „Aber Miß Cutterway ist es auch -nicht, weil sie protokollgemäß erst später dazu kam. Und Judith ist es nicht, weil Dülberg sagte', sie hätte viel zu kleine Hände. Sie hat auch zu kleine Hä'nde. Ich habe mir das angesehen. Vielleicht ist es aber auch Dülberg oder Mister Lordsay oder Mister Loraine?" Duke strahlte vor Grimm. „Ich lernte ihh gerade kennen. Aber Lordsay kann es nicht sein, weil er kam. als da8 Mädchen schon tot war. und weil er a'ngab, er sah den Unsichtbaren gehen. Er sah, wie sich die Portiere bewegte. Und Lorafhe, du lieber Gott er hat Greisenhände, und ich fühle ihren leeren Druck noch." Duke strahlte .noch mehr. „Vielleicht ist es aber auch Bothwell", bellte er. „,Sein Vortrag war verdammt fachgewahdt, und ich habe seine Hände gesehen. Von allen Leuten sehe ich mir dauernd die Hände van. Und seine Hände waren die eines Gorillas. Auch deine Hände,sehe ich mir schon dauernd an. Pat . . . " Pat hatte ein immer.längeres Gesicht bekommen. Er starrte Duke an. dann brüllte er: ..Hör bloß auf!" — ..Du hast mich gefragt, wer es
sein kann", sagte Duke achselzuckend. „Alle können es sein. Alle." „Aber du weißt trotzdem was", sagte Pat. Er war noch immer böse. ,.Ich sehe es deinem Gesicht an." — „Ich weiß bis jetzt, daß es einen Mann gibt, der AI Lefter heißt. Lefter hat einen Club aufgezogen, für die großen Geldbonzen in New York. Für diesen Laden braucht Lefter Mädchen. Und diese Mädchen scheint sich Lefter aus Modehäuser zu fischen. Daisv schien so ein Mäd chen gewesen zu sein, das er sich gefischt hat, es halt was gege ben, und da haben sie sie umgebracht." Duke erzählte, wo er überall war. „Du glaubst, daß Lefter dieser Unbekannte wäre?" „Es ist möglich, daß Lefter der Mörder ist. der unsichtbar durch die Stadt geht. Aber ich glaube es nicht. Ich glaube, hinter dem ganzen steckt noch jemand anderer. Abwarten, Pst." Duke s'tand auf. „Du willst zu Lefter?" schnappte Pat. „Natürlich will ich zu Lefter", sagte Duke. „Daisy haltte seine Telefonnummer, und das genügt, mir den Heini anzusehen. Vielleicht kann ich bald mehr sagen, Pat." „Du gehst jetzt gleich?" — „Ich will sehen, ob ich Judith treffe. Ich muß sie sprechen, ehe ich zu Lefter gehe. Denn sie weiß was, Pat. Und ich will verdammt sein, wenn sie nicht genau die Zusammenhänge kennt, von denen ich noch nichts ahne." Pat wuchtette stich hinter dem Schreibtisch hoch. „Bleib filier, Duke", schrie er. „Was soll ich für ein Protokoll schreiben lassen, wenn dch von dir . . . " Duke sagte, ehe er aus der Tür ging: „Schreib, was du denkst. Pat." Die Tür ,klappte und Pat seltzte sich mit lauften Flüchen in seinen Sessel zurück. Aber Duke spazierte auf die Straße und kletterte in sein Auto. Duke fuhr quer durch die Stadt. Es war kein Vergnügen jetzt, durch die Sitadt durchzukommen und über den East River rüber nach Long Island. Duke war froh, aJls er wieder ruhiger wurde und er in die Straße kam, .wo Judith wohnlte. Er hatte gedacht, er würde sie in ihrer Wohnung treffen, iaber er sah sie schon von weiten, wie sie hastig über die Straße lief und auf eines der Häuser zug'ing, die sich hier alle gleichsahen. Judith hatte ihn und seinen Waa gen noch .nicht gesehen, aber er drückte das Pedal bis unten durch, und der aufbrüllende Wagen erreichte sie kreischend, als sie in .dem Haus gerade verschwinden wollte. Hier wohnte sie also.
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Mit weißem .Gesicht schwang sie herum und hielt instinktiv die Hände vors Gesicht. Duke lachte und machte die Tür auf und streckte den Kopf heraus. „Hallo, Judiith", sagte er. „Habe ich Sie erschreckt? Öh! Es tat mir leid, Judith. Sehr. I'm sorry."
Das Mädchen hatte Angst. Rasende Angst. Duke sah es jetzfc. Sie zitterte vor Furcht, und ihr ganzer Körper bebte. Ihr Gesichlf! war entstellt vor wahnsinniger Angst, und in ihren Augen loderte die Furcht. Duke dachte, wovor sie nur Angst hätte? Das war wahnsinnige Angst die sie geschüttelt hatte. Sie versuchte zu lächeln, obwohl es noch nicht ganz gelang. ,,Oh. Duke. Sie. Sie sind es", sagte sie. ,.Ich wollte nochmal mit Ihnen sprechen", sagte er. Sie sah sich scheu um. „Aber doch nicht hier", flüsterte sie mit zuckenden Mundwinkel, während sie sich dicht an den Wagen drängte. „Wir können zu Ihnen raufgehen, wenn Sie das wollen", sagte Duke erstaunt. Sie, schüttelte den Kopf, während es klang, als würde ein Schluchzen in ihrer Kehle aufsteigen. „Nein, Duke, nein . . . Auf keinen Fall. Nein, Duke." Duke betrachtete sie eine Sekunde lang. Dann riß er sie zu sich in den Wagen, machte die Tür zu und bearbeitete die Pedale. Der W a gen schoß schlingend davon. Sie saß ganz ruhig neben ihn. Nur langsam bekam ihr Gesicht wieder etwas Farbe. Ein paar Bäume hoben ihre schwarzen Äste in die riesigeLeinwand des Himmels. Dahinter rauschte das Meer. Die Einsamkeit der Dünnen begann. Jetzt wandte sie den Kopf. „Sie müssen ikeinie Furcht mehr haben", sagte Duke. „Es gibt nichts, wovor Sie Furcht haben müssen." Sie starrte ihn aus; ihren brennenden Augen an. Es war, als würde sie sich jetzt daran erinnern1. „Ich Jpabe keine Furcht, Duke", stammelte s i e in das Rauschen des Wassers. „Ich habe bestimmt keine Furcht, Dulke." Sie versuchte zu lachen .Aber es war eine Grimasse. „Wovor sollte ich Furcht haben?" Duike merkte, daß sie es ihm immer noch nicht sagen wollte. Sie hatte so viel Furcht, daß sie es ihm nicht einmal jetzt sagen wollte. „Sie wissen etwas, Judith", sagte er. „Ich habe es bereits ge merkt, als Sie mir Ihre Geschichte erzählt haben." — „Sie glau ben es nicht, Dulke?" murmelte sie. Sie starrte ihn noch immer mit ihren brennenden Augen an. In ihr kämpfte etwas. Aber dann sagte sie laut, und es klang wie eine Bitte: „Ich weiß nichts, Duke. Bestimmt nicht. Aber wenn ich was wüßte, dann hätte ich es Ihnen gesagt." Duike fragte langsam: „Sie kennen auch nicht die Telefonnummer 4-4078?" Jetzt riß es ihren Körper zurück, und in ihren Augen stieg Haß auf. „Woher kennen Siel diese Nummer?" — „Ich fand sie bei Daisy. In ihrer Wohnung", sagte er. „Und Sie wissen, was es für eine Nummer ist? Wie gefährlich diese Nummer ist, Dulke?" Ihr Blick war jetzt starr. „Ich weiß es noch nicht ganz", sagte Dulke vorsichtig, während er sich die Bejne ,abtrocknete, „aber iah werde es erfahren;." „Sie dürfen es nicht erfahren", sagte ihre Stimme neben ihn. „Kümmern Sie sich nicht um die Nummer. Man wird Sie töten,
wie man Daisy getötet hat." — „Was wissen Sie, Judith?" fragte er. ,,Vielleicht ist es besser, wenn ich es Ihnen sage. Ich weiß warum Violet ermordet wurde. Violet wußte etwas, und des wegen mußte sie sterben." — „Was wußte Violet?" stieß Duke hervor. Judith schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was es ist, was sie wußte. Wenn ich es wissen würde, lebte ich nicht mehr. Ich wäre tot, wie Violet. Dufke. Aber uns allen machte sie eines Tages eine Andeutung, daß es jemanden gäbe, der uns Mädchen zu einer Sache zwingen 'könnte, die uns nicht lieb wäre, und daß sie wüßte, wer es wäre. Sie muß etwas gesehen oder gehört haben. Aber am nächsten Tag war sie tot." „Zu wem hat sie diese Andeutung gemacht?" murmelte Duke. „Zu uns allen. Zu uns Mädchen", sagte Judith ernst. Duke schwieg lange. „Und Sie wissen nicht, wer Violet ermordet hat?" fragte er dann. „Ich weiß es nicht. Duke. Ich kann es mir auch nich?t denken. Wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen sagen. Er Ist unheimlich. Er ist . . . " Sie schüttelte sich. Ein kalter Fieberstrom ging durch ihren Körper. „Es ist ein Mann?" Judith sah ihn erstaunt an. „Ich weiß nicht", antwortete sie. „Vielleicht ist es auch eine Frau." Duke nickte grimmig. Er wußte jetzt, warum Violet getötet wurde. Das Motiv hatte er, wenn er auch noch nicht den Mörder hatte. Aber das Motiv würde ihm den Weg zeigen, der zum Mörder hinführte. ..Welche Mädchen waren es. zu denen Violet sagte, was sie ahnte?" — ^Ich kann mich nicht mehr erinnern, Duke, wer dabei war." — „Und durch wen wußte er das?" — „Ich weiß es nicht. Aber ich nehme an. durch Mary." „Wer ist Mary?" „Eines der Mädchen. Ich sah es erst später, daß sie schon länger dabei sein mußte. Sie schien mehr Geld zu verdienen, als wir alle." — „Kenne ich Mary? Wie sieht sie aus?" — „Sie hat rotes Haar. Leuchtend rotes Haar. Duke sagte: „Ich habe sie gesehen. Ich kann mich erinnern." Er konnte sich gut erinnern. Ihm war das Mädchen aufgefallen. Aber er hatte nicht mit ihr gesprochen. „Ich weiß nicht, wie Mary dazugekommen ist", fuhr sie fort. „Aber später sah ich sie dann dort, und sie schien wirklich schon länger dabei zu sein. Wahrscheinlich ist sie dazu gekommen, wie alle andern auch." „Wozu?" machte Duke. Judith sah ihn gequält an. „Es ist so, Duke", sagte sie mit zuckenden Lippen. „Es gibt hier ein Haus, in dem die Geldbonzen aus der Stadt verkehren. Und dieses Haus braucht neue Mädchen und dauernd hübsche und besondere Mädchen . . . Oh, Dufke! Es sind Mädchen aus allen möglichen Modehäusern dort, die am Tag als Mannequin arbeiten. Es sind
auch Mädchen dabei, die schon mal im Film gearbeitet haben. Aber wenn man einmal dabei ist, gibt es keinen Weg mehr zur rück. Oh, Duke!" Sie schluchzte. „Und . . . Sie . . . sind . . . auch dabei?" fragte Duke vorsichtig. Sie sah auf. Ihre Augen schwam men. ,,Ich bin auch dabei. Ich war einmal dort, weil sie mich hinbestellten und ich konnte wieder gehen." — „Wie sind Sie dazu gekommen?" Sie sah ihn mit flackernden Augen an. „Wie die andern, Dulke. Das Telefon läutete und eine Stimme sagte mir, daß ich mich ab sofort jeden Abend ab zehn Uhr zur Ver fügung halten müßte. Ich könnte gut verdienen, aber es könnte mir auch schlecht gehen, wenn ich nur irgend etwas davon sagen würde, was ich ab diesem Tage hören oder sehen würde." „Und niemand hat gefragt, ob Sie es wollen?" — „Niemand hat darnach gefragt, Duke. Es war ein Befehl." — „Und keines von euch Mädchen hat was dagegen getan?" — „Es gibt nichts, was man dagegen tun könnte. Duke", sagte sie tonlos. „Seit diesem Tage weiß ich, daß ich beobachtet werde. Manch mal stehen stundenlang Wagen vor meinem Haus, und manch mal stehen Leute da, die Hände in den Hosentaschen, Leute, die ich früher nie gesehen habe. Wir alle wfrssen, daß wir beobaefv tet werden. Es ist wie ein unsichtbares Netz, aus' dem es keir nen Ausweg gibt. Und dann. Duke", Judith schüttelte skh in den Schultern, als wäre ihr kalt, „sprach mich einmal die Stimme an, die auch viele anderen Mädchen schon angesprochen hatte. Eine aus dem N I C H T S , Duke, dicht neben mir, mitten auf der Straße. Ich sah nichts, aber ich hörte die Stimme." „Was sagte sie?" Auch Duke war kühl. „Sie fragte mich freundlich, wie es mir ginge, und dann warnte sie mich, nichts zu tun, was ich bereuen könnte. — Es war grauenvoll, Duke." „Der unsichtbare Mörder", knirschte Duke. „Der Unheimliche", flüsterte sie. „Ich habe die Stimme nicht erkannt. Aber wir wissen alle, daß wir ihr gehorchen müssen. •Wir wissen es jetzt ganz genau, seit Daisy tot ist." „Warum mußte sie sterben?" — „Auch sie bekam den Befehl, sagte sie leise. „Sie "kam früh ins Geschäft und sagte, daß sie nachts einen Anruf bekommen hätte." — „Was für einen Anruf?" — „Sie sollte zu einem Mann fahren, der ein Mädchen bestellt hätte, das blond wäre . . . und da haben sie Daisy gerufen." — „Sie ist nicht gefahren?" Juddth schüttelte den Kopf. „Sie hat am Telefon gesagt, daß sie gar nicht daran denke. Das hat sie uns am Morgen erzählt. Sie hat gesagt, daß 6ie nichts unternehmen wird, aber daß man sie auch in Ruhe lassen sollte." „Und was haben Sie ihr geantwortet?" fragte Duke hastig. ..Hat Daisy auch das erzählt?" — „Auch das hat sie erzählt",
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„Das ist Daisy", flüsterte sie mit einem Schauer, der über ihren Körper lief. „Was soll ich damit, Duke?" — „Wissen Sie wer dieses Foto gemacht hat?" Sie schüttele wieder den Kopf. Sie sah Duke offen an. „Woher sollte ich es wissen?" — „Es ist eine Privataufnahme", sagte Duke und steckte das Bild wieder ein. „Es ist auch nicht so wichtig, Judith."
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tapeten gelandet, hatte rechts durch eine Portiere in einem Club raum gesehen, in dem mehrere Herren saßen und ein paar Mäd chen, unter denen er Mary erkannte, und die Rote von unten hatte geradeaus auf eine lederbespannte, schalldichte Tür gezeigt, auf der das Schild „B ü r o" stand, und hatte dann die Wandtür zugemacht und war gegangen. Duke war auch gegangen. Aber auf die Ledertür los und durch sie durch- Und da hatten sie ihm fast den Schädel eingeschlagen.
Als er wlieder zu sich kam, sah er, daß er auf einem Stuhl saß, und merkte, daß seine Kanone nicht mehr da war. Ein schauendes Gelächter folgte auf die Bewegung nach seiner Anzugtasche. Duke sah sie sich an, dann spuckte er auf den Boden. Da wurden sie böse. „Du darfst nicht frech werden, Duke", sagte der Mann hinter dem Metalltisch. Es war der dritte, der im Raum war. Sonst war niemand da. Er sah ihn sich an. Es war ein kleiner, untersetzter Gangster mit kurzen, schwarzen, gelockten Haaren auf dem Kopf, einer dicken, Kalten Zigarre zwischen den runden, rosa Lippen und einem viel zu weit ausgebauten Jackett» ..ich hin AI Leiter", grinste der Kerl hinter dem Schreibtisch, „Wenn du willst, kannst du mich AI nennen» Wir haben auf dich gewartet, du bist pünktlich gekommen," Duke überlebte krampfhaft, woher AI Leiter hatte wissen kön nen, daß er kommen wollte. Aber es gab anderes zu denken. Außerdem nickte 'AI voller Fröhlichkeit. „Wir haben schon eine Menge von dir gehört, Duke", nickte er, „und von deinen Geschichten. Ich war ganz begeistert davon, was du so manchmal für Sachen anstellst — ja bestimmt! Ich hatte schon immer gedacht, du wärst ein Mann für uns. Abe* seit du in diese Falle reingetappt bist, Duke," AI sagte freund lich: „Ich finde eher, du bist ein Idiot, Duke!" Duke nickte ernsthaft und antwortete: „Ich bin ein Idiot, All Ein vollkommener!" Ich bin es auch, dachte er» Das Lächeln von Leiters Gesicht verschwand. „Wir ahnten, daß du her komme;- würdest, und dann hörte ich von Alberta, daß du schon mal da warst fragen." „Wer ist Alberta?" fragte Duke,. „Das Mädchen, mit dem du heute nachmittag gesprochen hast. Du warst verdammt vor sichtig, aber es war doch dumm von dir, zu Judith zu fahren. Dort härter, wir dich abknallen können. Aber wir ließen dich mit dem Mädchen losfahren, weil wir wußten, daß du kommen würdest und daß wir auch sie herholen konnten » . . " Letter grinste gan^ unverschämt. Duke riß es hoch. „Judith ist hier?" schrie er. ,,Natürlich ist sie hier", fuhr AI Lefter gemütlich fort. „Wir stellten einen Wagen bei ihr auf, der sie abholen sohle, wenn sie zurückkam. Wir ahnten schon, daß sie dir gegenüber einiges gequaselt haben würde, und wir ahnten, daß du postr wendend hier erscheinen würdest, sobald du sie abgesetzt hat test." Duke sagte nichts. AI betrachttiete ihn. „Ich nehme an, du willst sie gerne sehen ,wie?" meinte er dann» Duke sagte wieder nichts „Gut!" AI nickte. Er wandte sich an einen seiner Männer. „Er soll sie sehen. Ho! sie her, Lee."
Duke überlegte, ob er m't den beiden fertig wurde. Jetzt waren es nur noch zwei. Aber sie waren vorsichtig. Sie mußten zu viel von ihm gehört haben. AI schien über seine Gedanken Be scheid zu wissen, denn er grinste wieder und sagte: „Gib dir keine Mühe, Duke. Du siehst, wir sind vorsichtig. Wir wer den vorsichtig sein, bis es nicht »mehr notwendig ist. Wir werden solange vorsichtig sein, bis sie dich weggebracht haben." Duke konnte über seine Zukunftsaussichten gar nicht mehr rich tig nachdenken, weil hinten die Tür aufging und Lee Judith in das Licht brachte. Sie trug noch das graue Kleid von vorhinj, aber ihre Haare hingen ihr naß und verklebt ins Gesicht, und dort waren gräßliche Flecken drin. Duke wußte, daß man sig geschlagen hatte. Sie starrte auf ihn. „Duke?" flüsterte sie; „Das ist ein nettes Wiedersehen, Kinder, nicht wahr?" grinste Lefter. Sie starrte noch immer Duke an. Ihr Blick war voller Unglauben. Sie begriff es nicht. Jetzt sah Duke, daß ihr Kleid naß war und am Körper klebte. Die Tür ging auf, die Tür mit der Lederpolsterung. Aber die Türe ging alleine auf, und Duke sah die irrsinnige Angst iii Judiths Gesicht auftauchen. Sie schrie nicht. Nur die Augen in Angst waren nicht verstummt. Duke riß es herum, und er sah nach der Tür. Er sah nichts. Er fühlte nur etwas. Das Licht im Raum gefror plötzlich. Die beiden Männer standen wie Säulen und atmeten nicht einmal. AI Lefter erhob sich langsam hinter dem Schreib1 tisch. Und dann sah es aus, als wollte er einen Diener in Rich tung zur Tür machen. Duke sah, wie die Tür von selber wieder zuging, wie sich der Bronzeknopf drehte, .und wie sie dann ins Schloß schnappte. Aber es war kein Schritt zu hören. Dann sagte die Stimme: „Habt ihr ihn?" Es war nur die Stimme im Raum. Sie war hell ,und klingend, als würde man mit Eisen auf einen Stein schlagen. Sie hatte keine Tonlage und keine Melodie. Automaten sprechen so. AI Lefter sagte, daß sie ihn hätten. Er zeigte auf Duke und sagte, daß das Duke Gilberth wäre. „Was soll das Mädchen?" ihr Gesicht war ein Tempel aus Entsetzten, ihre Lippen ein Gebet lautloser Schreie und ihre Augen ein brennendes Räucher werk aus Furcht. „Sie war mit ihm", antwortete AI, .„und wir dachten uns schon, daß sie etwas erzählt hat." — „Was?" Die Stimme schnitit wie eine Sense durch den Raum. Judith drückte sich gegen die Sessellehne. v „Sie hat gesagt, warum Violet starb und warum Daisy starb", krabbelte AI. „Aber das ist nicht so schlimm. Duke wird es; nicht mehr weitersagen (k'önnen." — „Was noch?" — „Daß
außer ihr noch Mary und Coleen aus Loraines Modetempel dabei wären." Duke dachte, das härte sie nicht sagen sollen. „Was noch?" Die Stimme zischte wie berstendes Wasfeer. AI hob die Schulter. „Nichts", knurrte er. „Nichts mehr." Duke merkte, daß sie vor Furcht nicht mehr denken konnte. Duke schloß die Augen. Dann hörte er die Stimme. „Bringt sie rüber. Pierre und Andrew sollen es ihr zeigen. Hier gehorcht man." Lee tat es. Duke wußte, daß er nichts dagegen machen konnte. Er saß ganz ruhig, aber er zitterte. Sein Grimm stieß ihn in dem Stuhl hin und her. Er hätte jetzt vielleicht was machen können, aber er war jetzt schon zu schwach dazu. Lee holte alles aus den Taschen heraus und legte es auf APs Schreibtisch. Duke sah nicht auf Lee. Er sah nur auf den Schreibtisch. Und da sah er, wie Daisys Bild, das er noch immer in def Tasche gehabt hatte, hochsthwebte und dann in der Luft stfcsnd. Das Bild s-tand in der Luft. Es stand lange in der Luft. Dann wanderte es zu AI. „Verbrennen." Während AI Lefters Feuer zeug aufflammte und die Flamme das .Bild von Daisy erfaßten und verzehrten, fühlte Duke, daß sich der Unsichtbare ihm zuwandte. Er fühlte es instinktiv. Er sah auf das Bild von Daisy, bis AI die Asche zwischen den Händen zerrieb, dann bohrte er seinen rllick dorthin, wo 'die unsichtbare Stimmei herkam. „Das nätte dir so passen können, nach dem Fotogeschäft zu suchen, Gilberth. Oder hast du schon Auftrag dazu gegeben?" Duke hätte s'agen können, daß er .schon den Auftrag dazu gege ben hatte. Jetzt wußte er es. Der Mörder hatte selbst gesagt, er hatte es soeben gesagt, daß der Weg zu ihm über das Foto führen würde. Aber Duke tat es nicht. Wozu auch? Das Bild war verbrannt. Es existierte keine Geschäftsnummer mehr. Keine Seriennummer. Keine Produktionsnummer. Es war sinnlos, das jetzt noch zu tun, jetzt, wo bald alles aus war. Zu Ende. "Duke dachte nicht mehr. Er sagte: „Ich habe keinen Auftrag gege ben." Er fühlte sich hochgestoßen. Er fühlte sich aus dem Stuhl hochgestoßen. AI ging mit einem komischen Gesicht voraus, und Duke schwankte zwischen den beiden Visagen, die ihm ab und zu vor dem Blick verschwammen, zur hinteren Tür, wo sie Judith reingebracht und wieder rausgebracht hatten. Er wußte nicht, ob auch der Unsichtbare jolgte. Es ging durch einen Gang, in den ein paar Türen münde.en. AI sagte: „Er hat schon genug. Weg mit ihm." Duke glaubte, daß die Knochen seines Kopfes zersplitterten, und eine wahnsinnige rote Lohe schoß durch die Gehirngänge. Er merkte, daß er nach
vorn kippte, und daß sich alle Wände um ihn drehten. Mitten drin war die Sonne. Sie war rot wie ein offenes Koksfeuer. Sie wurde immer größer und kam auf ihn zu. Sie wurde so groß, daß es nichts mehr wie Rot gab. Dann verrauchte sie, wurde klei ner, entfernte sich wie ein rasender Lichtpunkt un1 Stürzte als ein Funken in. die schweigende Nacht des Weltraumes. * Es summte, und er dachte, es wäre eine lästige Fliege. Und dann erkannte er es. Es war das Geräusch des Wagens, der schnell durch die Nacht fuhr. Duke erinnerte sich schnell, was los gewesen war. Seitdem wußte er nichts mehr. Aber er ahnte; daß man ihn hinuntergetragen und hinten in den Wagen gewor fen hatte, denn er lag in den Rückpolstern eines Wagens und hatte nur noch seine Hose und sein Hemd an. Die Schuhe fehlten ihm. Es tat nicht mal weh dort hinten, die Nervenbahnen mußten verletzt sein, es war nur so ein verdammtes klebriges Gefühl da, als würde er mit dem Kopf in warmem Tischlerleim liegen. Er hob den Kopf ein bißchen, und ihm wurde schlecht. Aber dann bezwiang er esi. Er blinzelte und sah hoch. Duke konnte sein umschattetes Gesicht sehen, das nur matt von dem zurückge worfenen Licht, das die Scheinwerfer des Wagens auf die Straße machten, erhellt wurde, und neben Lee die andere Scheinvisage, dessen Namen er nicht kannte. Beide schwiegen und blickten geradeaus. Die beiden schienen angenommen zu haben, daß ihn der Schlag fertig gemacht hatte. Aber sein Schädel war hart, verdammt hart, und daran hatten sie nicht gedacht Sie hatten ihn absolut nrxht fertig gemacht. Es war komisch, aber Duke fühlte seine Energien zurück kehren. Der wahnsinnige Schmerz hinten mußte das Blut wie verrückt durch die Adern treiben. „Wir werden ihn bis dorthin fahren, wo der Damm so niedrig jst, daß wir leicht mit ihm rauf kommen", sagte Lee in das eintönige Summen der Motore. Duke wußte, wovon er sprach, Er sprach vom Damm, vom dreischienigen Damm, über den der Expreß raste. „Warten wir, bis der Expreß rüber ist?" — „No. Zeitver schwendung. Der hat genug." Die beiden glaubten wirklich, sie hätten ihn fertig gemacht. Zehn Minuten. Zehn Minuten noch. Er dachte wie ein Verrück ter nach, aber es fiel ihm nichts ein. Seine Hand glitt, ohne daß er den Körper bewegte, lautlos über den Boden. Und da stieß snie an den Metallkasten, und er wußte sofort, daß es ein Werk zeugkasten war. Vielleicht hatten die Gangster das Nummern' schild ausgewechselt, und deswegen stand der Werkzeugkasten
hier drin, oder sie hatten ihn zu sonst was gebraucht. Nur die Hand machte den Kasten auf. Diese Hand tastete vorsichtig über die Werkzeuge, die drin lagen. Nichts klirrte. Dann berührten sie einen Schraubenschlüssel. Es war ein großer Schraubenschlüssel. Lang wie ein Unterarm, und die Hand zog ihn vorsichtig hoch. Zehn Minuten noch. Jetzt würden es bloß noch neun oder acht sein. Duke erhob siich, den Schraubenschlüsse) in der Hand, als der Wagen gerade durch eine Kurve ging. Er sah, daß Lee sein Ger sieht im Rückspiegel sah und daß er erschrack, gerade höchste Zeit, denn der führerlose Wagen ging über die Straße aus der Kurve., machte einen langen Sprung über die seitliche Straßenr erhöhung und den tiefer gelegenen Markierungsgraben, hopste über ein unebenes Feld, mit einem dünnen Zaun drum, und rammte endlich mit absterbenden Motor eine Bretjterhütte. Duke konnte durch die hintere Tür raus. Er sah^ daß der Wagen zu einem Wrack gefahren war und daß er mit ihm nicht weiter konnte, auch wenn er mühselig die Trümmer wegr räumte. So sehr Duke suchte, aber er 7and seine Schuhe nicht. Er ging über die Straße und stellte sich dort auf,, wo es Wagen gab, die in die Stadt hineinfuhren. Der vierte, der an ihm vorbeii kam, hielt erst. Es war ein kleiner, fleischiger Mann, der die Tür aufmachte. Er hatte edn dummes Gesicht^ das jetzt rot und verstört war. „Mann Gottes. Woher kommen Sie? Und wie sehen Sie aus?" sagte der fleischige Mann und vergaß seine Eile und ver gaß weiterzufahren. ; .„Bringen Sie mich zum Polizeipräsidium", sagte Duke. „Miif ist nicht ganz gut. Ich danke Ihnen jedenfalls!, daß Sie gehalten haben." Die Rede strengte ihn an. „Mann", sagte der Fleischige und fuhr los. Er schien beruhigt zu sein, daß Duke zum Polizeipräsidium wollte. Als Duke mit hämmernden Schädel ausstieg., sagte er: Ihre Unkosten werden Ihnen erstattet werden. Melden Sie sie» an." Aber der Mann schüttelte den Kopf», ließ das Fenster runter und machte die Tür zu. „Ich bin ein guter Bürger der Staaten und will nichts be zahlt haben"., sagte er, indem er den Kopf zum Fenster raus> streckte. Er sah Duke an. .„Mann Gottes", sagte er nochmal. Dann fuhr er weiter. E& war ein Zufall, daß Duke auf Murphey traf, gerade, als er zum Büro von Dülberg umschwenken wollte. „Du lebst noch?" schrie Murphey entsetzt, während er auf ihn zurannte, kämm daß er ihn gesehen hatte. „Himmel, Duke, du. lebst noch?" — „Wie kommst du darauf, daß ich nicht mehr leben könnte?" knurrte Duke böse, während er mit ihm ging.
„Ich erzähl's dir", beschwichtigte ihn Murphey. .„Aber erst mußt du zum Arzti." Er stieß ihn in das Zimmer hinein, wo der Polizeiarzt drin war. der Nachtdienst hatte. „Setzen Sie sich imal auf den Stuhl hier", sagte der Doktor, während er Duke einen Hocker hinstellte. Duke setzte sich. Der Doktor ging langsaim um ihn rum, Murphey aber tat das wie ein aufgeregter Truthahn. „Sie haben Glück gehabt", sagte der Doktor nach eÜrter Weile, als er sich den Schaden besehen hatte. „Sie werden ein paar Tage brauchen., aber dann wird es wieder mit Ihnen gehen, Duke." — „Narkose?"' fragte er. „Oder haben Sie wenig Zeit?" — „Ich habe wenig Zeit", sagte Duke. „Erzähle endlich, Mur phey, was los w a r ? " fragte Duke, während der Arzt tamponierte und mit Pinzetten), Skapellen und Klammem herumfuchtelte. Murphey nickte. „Du warst bei AI Lefter?" fragte er. „Woher weißt du d a s ? " knurrte Duke mißtrauisch. ,„Hör zu, Duke", sagte Murphey. „Pat rief mich an und sagte mir, daß du heute nacht zu AT Lefter wolltest. Als er von mir hörte;, was AI Lefter für ein g e fährlicher Bursche ist* bat er mich, etwas für -dich zu tum Ich ließ also ein paar Wagen besetzen,und fuhr mit den Leuten raus." — „ U n d ? " schnappte Duke. „Au", sagte.er im nächsten Augen* blick, weil er dabei den Kopf bewegt hatte und der Doktor ihm eine Pinzette in den Hals trieb. „Passen Sie auf, Doktor!" — >,Sie müssen ruhig sitzen", sagte der Doktor. „Es war so um Mitternacht rum", sagte Murphey. „Wir riegelten die ganze Gegend ah, und dann gingen wir in den: Laden. Vorn von der Bude konnten wir nichts machen v denn er hat seine Konzession. Aber jetzt wußten wir, daß da noch ein anderer Laden dtanhängt, durch dich, Duke, und da konnten wir was machen. Es dauerte lange k ,bis wir oben die Tür fan den, aber wir fanden sie und ^gingen durch." — „Die W a n d t ü r ? " ; ,Die Wandtür!" — „Habt ihr Lefter .gesehen?" — „ W i r haben ihn nicht gesehen",, gurg#lte Murphey grimmig. „Er war nicM mehr da W.-r hatten die Gegend vabgeriegelt, und trotzdem ist. er durchgebrochen. Wir können nichts gegen ihn .machen. Duke.4* Duke dachte an Judith. :,,Wer war d a ? " fragte er langsam. „Wen habt ihr angetroffen in dem Laden, Murphey?" „Ein paar Mädchen und verschiedene Leute,aus New York, von denen wir es nicht angenommen hätten^ daß sie nachts in solche Buden gehen", nickte Murphey. „Interessante Männer, Duke. Und verdammt interessante Namen!" „Diese Namen werde ich brauchen", sagte Duke. Murphey schüttelte traurig den Kopf. >,Du wirst da nichts profitieren.' Dein Unsichtbarer ist bestimmt nicht dabei. Er wind sich ver drückt haben, wenn er dort war."
L„Er war dort", sagte Duke langsam. T,Er wkr ijort?" schrie Murphey mit großen Augen. „Du hast ihn gesehen?" — „Ich habe ihn nicht gesehen,, aber ich habe ihn gehört", sagte Duke, „Er sprach mein Todesurteil." ,„W-w-a-s?" gurgelte Murphey. Ihn trieb es hoch. „Und dl* weißt, wer er ist?" — „Ich weiß nicht, wer er ist", sagte Duke, Dann starrte er Murphey an. L,,Aber . . . was . . . habt . . . . ihr noch gefunden?" — „Deine Sachen, Duke", grollte Murphey. „In einem Metallschreibtisch. Deine Papiere. Wahrscheinlich waren es auch deine Schuhe. Das,Zeug ist noch dort!" — „Und. sonst niemanden?" murmelte Duke. Murphey war erstaunt. „Wen sollen wir sonst gefunden haben?" „Judith!" machte Duke mit rauher Kehle. Murphey schüttelte den Kopf. „,Wir haben kein Mädchen gesehen", sagte er. Jetzt wußte Duketf daß sie auch Judith weggeschafft hafjten. .„Fertig", sagte der Doktor, trat mrück und betrachtete seim Werk. „Habt ihr ein graues Kleid gefunden? Es war zerrissen", fragte Duke. „,Das haben wir nicht ^gesehen", murmelte Mur phey. „Dann haben es die Männer .weggeräumt", sagte Duke. „Das haben wir nicht gesehen", murmelte Murphey. Sie hatte« Judith weggeschafft. Sie mußten sie noch weggeschafft haben. Er fragte nicht mehr. ,.Wollen Sie in den Spiegel sehen?" fragte der Doktor. „Ich will",, murmelte Duke. Der Doktor hielt einen Spiegel hin, und Duke sah hinein. Es klebte ihm .eine Menge Zeug* im Gesicht, aber es war eine schöne und saubere Arbeit, „,Danke, Doktor", sagte Duke. ,,,Es ist nicht der Rede wert", sagte der Doktor, wobei er anfing;, sich die Hände zu waschen. „Wo wolltest du hin?" fragte Murphey, während er auf die Tür zuging. ,„In Dulbergs Büro, sagte Duke und ging Murphey nach. Dülberg war nicht da, aber die Sekretärin saß hinter ihrem Tisch. Sie sab hoch und erkannte Duke. „Oh!" Dann sah sie sein Gesicht und seine Socken. „Oh?" Sie fiel bald in Ohnu macht, aber dann kam sie herangejagt. „Oh, Duke!" „Ich brauche dringend den Akt von heute mittag", sagte Duke. „Sie brauchen dringend ein Jackett, Duke, und Schuhe. Schuhe kann ich Ihnen keine geben. Aber ein Jackett . . . Warten Sie mal. Doch, Sie können von Mister Dülberg nehmen. Sie können es ja morgen wieder bringen." Sie ging zum Schrank, und dort holte sie wirklich ein Jackett raus.. Duke mußte es anziehen, und es paßte ihm fast. „Hat DüJw berg in Daisy Prittwitts Wohnung ein paar Leute geschickt, und haben (die dort Spuren gefunden?" fragte Duke, als er es an hatte. Sie ging zum Schreibtisch. „Ja, warten ,Sie mal. Ich glaube, hier ist der Bericht." Sie nahm ein Blatt hoch und las. „Finger
spuren an: . . . " sie las eine Reihe von Gegenständen herunter, „nur von Gilberth gefunden. Sonst nichts." — »Das ist alles?" — „Das ist alles, Duke!" Sie atmete ^schnell. „Ich habe es mir ge< dacht", sagte Duke und mußte sich einen Augenblick setzen. „Sie sehen nicht gut aus, Duke", flüsterte sie. Er nickte. „Ich weiß. Ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen. Ich muß etwas schlafen. Nach Hause kann ich nicht. Ich vmuß jetzt vorsichtig sein. Ver dammt vorsichtig." Er sah auf das Mädchen. „Wenn Dülberg morgen früh kommt, sagen Sie ihm, daß er in der Mordsache Daisy Prittwitt für mich ein paar Alibis nachprüfen läßt. Und zwar von allen Leuten. Ich weiß, Jeder wird sein Alibi haben." Duke sah auf das Mädchen. Sie hatte einen Block genommen und alles notiert. „Ich habe Dienst bis um zwei. vDann kommt Nicolette. Sie hat bis morgen mittag Dienst, sie wird /Aister Dülberg ausrichten, wenn er morgen früh ins Office kommt." Duke sah auf eine Uhr, die auf dem Schreibtisch stand. „Es ist gleich zwei", knurrte er. „Sie wissen, daß ich die Sache Prittwitt für Erik bearbeite. Geben Sie mir den Akt raus." Auch sie sah auf die Uhr. Darm sah sie auf Duke. Ihre Augen spielten. „Es ist gleich zwei", nickte sie heftig. „Aber Sie können in kein Hotelzimmer, Duke. Sie haben nur Socken. Sie können nicht in Socken in ein Hotel ^ehen. Sie können bei mir über nachten." — „Ich werde es tun", sagte Duke. Er wußte, warum sie es tat. Es war doch ein guter Gedanke. Er fand das ers't jetzt. Wenn diese Bestie, die hinter allem stand, ersp bemerkt haben würde, daß er noch lebte und daß er nicht mehr in seiner Wohnung war, würde es alle Hebel in Bewegung setzen, um ihn zu finden. Er war in keinem Hotel sicher. Er wäre sicher gewesen, aber der Mörder war unsichtbar, und Kr konnte sich nicht dagegen schützen, wenn plötzlich aus dem Nichts häßliche Bleikugeln in seinen Wagen rannten. Duke dachte an den Augenblick, wo Daisys Bild verbrannt war. Über dieses Bild führte der Weg zu de m Unsichtbaren. Duke wußte das jetzt klarer als j e . Und deswegen war er her gekommen. Er fluchte über sich' selbst, daß er das Bild mitgenommen hatte, und daß es jetzt verbrannt war. Aber er hoffte doch noch, daß er irgendwo im Protokoll etwas darüber fand. Er hatte beim ersten Male nichts gefunden. Aber vielleicht fand er doch jetzt was im Protokoll, das ihm einen Jiinweis gab. Da war eine Chance, eins zu tausend. „Was wollen Sie mit dem Akt nochmal, Duke?" fragte Wanda. Sie hatte den Akt in der Hand. Im Fach sah Duke die j Tasche von Daisy. „Sie können sich erinnern, Wanda, daß ich das Bild von Daisy mitgenommen habe", sagte Duke. „Die Banditen
haben mir es abgenommen. Aber es stand eine Nummer hinten drauf." — „Und diese Nummer brauchen Sie jetzt?" — „Diese Nummer brauche ich jetzt", sagte Duke. „Aber die habe ich ja", rief sie. „Ich glaube bestimmt, daß ich sie habe." Jetzt stürzjbe Duke vor und riß dem Mädchen die Mappe aus den Händen, die sie von ihrem Tisch aufgenommen hatte. „Mädchen!" schrie er. , ,Sie hätten . . . Sie haben die Nummer . . . " Sie verstand Duke nicht. „Ich mache alles immer sehr ge wissenhaft", sagte sie. „Ich habe die Nummer." Sie sah an ihm vorbei, während er in der Mappe blätterte. „Da ist die Liste", sagte sie dann und Duke zog sie raus. Es war ein mit der Ma schine geschriebenes Blatt, auf dem alle Gegenstände aufge führt waren, die sich in Daisys Tasche befunden hatten. Duke nahm das Blatt und las es. Er las es fieberhaft herunter. „Einlieferung einer Tasche durch Captain Dülberg, 11.32 Uhr." Das stand darüber. Darunter stand als Besitzerin der Name von Daisy und ihre Adresse sowie der Ort, wo die Tasche her gekommen war. Modehaus Qentin Loraine, durch Miß Cutter way. In dör Eck/e stand der Vermerk: zugehörig zu Akte D/P/33-1 V/386-32. Und dann folgte die genaue Aufstellung: 1 Taschentuch, ungebraucht, Batist, ohne Initialien, 10 VisMj karten auf den Namen D a i s y P r i t t w i t t , M a n n e q u i n , chamois Bütten, roter Aufdruck, 1 Spiegel, rechteckig, ungeschliffen, 1 Foto (wahrscheinlich Daisy Prittwitt), mit hinterem Stem pelaufdruck PA 32/1305 (die Zahl 1305 in Bleistift), Abt. VIII, Agfa Colour. (Reproduktion veranlaßt.) Weiter las Duke ni.cht. „Mädchen!" schrie er. Er sah sie an. Sie verstand noch immer nicht, daß sie mit ihrer pedantischen Sorgfalt Duke ein Weihnachtsgeschenk gemacht hatte, ein Weih nachtsgeschenk im Sommer. „Die Reproduktionen müssen auch schon zurückgekommen sein", stammelte sie hilflos. „Sie müssen noch im Rohrkorb liegen." Sie ging hinüber, wo ein Tragkorb unter dem Schlitz für die Rohrpostsendungen stand. Es lagen eine Menge Rollen drin, und sie begann, sie, li»fle aufzumachen. Duke half ihr dabei. Dann kamen drei Reproduktionen zum Vorschein. Duke starrte auf das Bild von Daisy, das die Banditen vor ein paar Stunden verbrannt hatten. Hier war es wieder. Daisy dreimal. Duke steckte si-ch eine davon ein. Die andern Heß er liegen. Für alle Fälle. *
Er wachte davon auf, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien. Sie schien ihm direkt ins Gesicht, weil sie mitten am Himmel stand. Es war Mittag, verdammt, es war Mittag, und Duke! schwang sich hoch. Er tappte grimmig in Ben Wohnraum mit den Plüschmöbel und entdeckte dort eine Hose, ein Paar Schuhe. Aber es waren nicht seine Hose, sein Hemd, »ein Jackett, seine ,Socken, und es waren auch nicht seine Schuhe. Es waren billige Sachen aus einem Warenhaus, und Duke fluchte solange über das Wunder, bis er den Zettel fand, der im Spiegel rahmen steckte. „Ich mußte ins Büro", stand darauf. Alles paßte, nur die Schuhe waren ein bißchen zu groß. Dann sah er, als Duke fertig war, das Telefon und rannte drauf los. Und dann hatte er die Ver bindung. „Hallo, Duke", sagte Dülberg. „Erik", machte Duke. „Hallo!" — „Sie haben alle Alibis", sagte Erik. „Alle haben ihre Alibis, Duke. Ich habe gleich heute morgen eine Menge Leute losgejagt und das überprüfen lassen." „Schnelle Arbeit", sagte Duke grimmig. „Und Lefter?" — „Auch Lefter hat sein Alibi Und was für eins. Er hat zehr» Zeugen." „Du hörtest von Murphey, was los y/ar?" — „Ich hörte es von Murphey", sagte Erik gallig. „Gibfs sonst noch was?" — „Sie haben eine Mädchenleiche gefunden", sagte Erik. „Heute morgen." — „"Wo?" Dukes'Kehle war trocken. „Auf den Schienen vom Küstenexpreß", sagte .Erik. Rainbow war draußen und hat ein paar Leute draußen gelassen. Es soll nicht gerade viel zu sehen sein." ;— „Indifiziert?" — „Noch nicht. Aber was ist los mit dir, Duke? Du bist auf einmal sp komisch?" — „Wo ist das?" Erik Dülberg nannte den Teil der Strecke. „Ich werde rausfahren", sagte Duke. Dann schmiß er den alten Hörer auf die Gabel. Er betrachtete sich eine halbe Sekunde im Spiegel. Ja, er konnte so auf die Straße gehen. Der Anzug paßte. Und dann dachte er an die Liste von Wanda und an das Foto von i Daisy, das er im alten Jackett gehabt hatte. Wanda würde es doch nicht . . . Duke erschrack. Instinktiv faßte er in die Tasche vom neuen Jackett. Aber er hatte keinen Grund zu erschrecken. Die Liste mit der Fotonummer und das Bild von Daisy steckte in der Tasche Dann verließ er die Wohnung. Er mußte blinzeln, weil die Sonne stach, als er auf die Straße trat. Aber dann ge wöhnte er sich daran. Er war vorsichtig. Jedoch passierte nichts. Er ging ein Stück und holte sich dann eine Taxe ran. Er nannte die Gegend, die er von Dülberg wußte. „Bis dort raus?" knurrte der Taxichauffeur. Er sah Duke miß trauisch an. Duke stieg in den Wagen und hieb den Schlag zu.
„Fahren Sie schon los, Mann", sagte er. „Es gibt keine Zeit zu verlieren. Sie können beruhigt sein, es geht in Ordnung." Der Mann rieb sich hinter dem Ohr. „Ich bin Duke Gilberth", sagte Duke, „wenn Ihnen das was sagt! Und jetztt fahren Sie!" Der Fahrer grinste auf einmal und traft aufs Pedal. „Sie sind Duke? Holla! Dann gehfs in Ordnung. Hoffentlich knallen mir nicht einige Gangster meinen Wagen zusammen, wenn man Sie dann sitzen sieht." Duke grinste. „Fahren Sie schneller." — „Die Geschwindig keitsbegrenzung", knitfrte der Mann ärgerlich. „Das nehme ich auf mich", sagte Duke. Es dauerte nicht lange, da tauchte die Bahn auf. Der dlreischienige Damm hob sich gegen den Mittagshimmel ab wie ein langer, unendlicher Be tonstrich. „Was gibfs dort draußen?" — ,,'n Leiche", sagte Duke. Er fühlte wie es ihm im Munde wieder trocken wurde. „Was für eine?" fragte dejr Fahrer neugierig. Aber Duke antwortet nicht. Er glaubte es zu wissen. Verdammt nochmal, er glaubte es zu wissen. Er dachte nicht meh|r dran, daß er gar kein Geld bei sich hatte, um den Fahrelr zu bezahlen, aber er könnite sich sein Geld im Institut abholen. Und dann sah er sie. Sie lag in einer zusammengeschlagenen Zeltbahn unterhalb des weiten Dammes, und zwei Leute standen dabei, die Rainbow hier gelassen hatte . . . . „Der Expreß hat sie zerfetzt", sagte der eine, indem er die Zigarette für eine Zeitlang aus dem Mundwinel nahm. „Es muß der Na,chtexp(reß gewesen sein. Aber wahrscheinlich hat sie ni,chts bemerkt. Wahrscheinlich war sie schon vorher tot. Kennen Sie sie, Gilberth?" „Hat Rainbow sonst was gefunden?" fragte Duke. Es war nicht seine Stimme. Der Mann zuckte die Achseln. „Ein paar Reifen spuren von einem Wagen. W i r haben sie abgenommen. Und ein paar Spuren, wo die Leute sie den Damm raufgeschleift haben. Aber damit ist nichts anzufangen. Sonst nichts, Gilberth. Haben Sie eine Ahnung, was dahinter steckt?" — „Ich habe eine Ahnung", sagte Duke. „Ihr braucht nicht weiter in der Sache zu arbeiten. Es ist meine Sache." Er wollte sich abwenden. Aber der Mann mit der Zigarette zeigte auf die Zeltbahn, wo es drin wa|r. „Kennen Sie sie, Gäri berth?" — „Mein Gott", sagte Duke. „Mein Gottf!" „Was ist mit Ihnen los, Gilberth?" Duke taumelte zur Taxe zurück. Er hatte es geahnt. Trotzdem taumelte er, obwohl ihm ganz gut gewesen war. Er gab keine Antwort. Es war Judith. „Fahren Sie mich in die Stadt zurück", sagte er, wobei er in den W a g e n stieg. „Halten Sie an der-nächsten Telefonzelle." — „Haben Sie die Leiche gesehen?" fragte deir Fahrer neugierig.
„Ich habe nichts wie einen unsichtbaren Teufel gesellen", sagte Duke. Es war immer noch nicht seine Stimme. Der Taxv Chauffeur fuhr los, aber er schüttelte den Kopf und sah miß trauisch auf Duke, weil er dachte, es wäre nicht mehr alles ganz richtig bei ihm. Vor der nächsten Telefonzelle hielt der Wagen. Weil Duke kein Geld hatte, ließ er sich vom Fah|rer das Kleingeld geben. Der wunderte sich zwar, aber er tat es. Duke rief Murphey an. „Wo wohnt AI Lefter?" fragte er. „Privat?" — „Du bist so sonderbar, Duke", murmelte Murphey auf der anderen Seite. „Was ist los?" — „Wo wohnt AI Lefter", wiederholte Duke. „Privat?" — „Er hat ein Haus", sagte Murphey, dann nannte er die Privatadresse von Lefter. „Werde ich ihn dort antreffen?" fragte Duke. „Du willst hin?" schrie Murphey. „Duke, du willst hin? Lefter hat immer ein paar Wachhunde um sich. Dort erst recht . . . " „Reg dich nicht auf", sagte Duke. Seine Stimme war ganu kalt und ohne Farbe. Murphey fluchte laut und anhaltend. Er sagte eine Menge. Aber Duke sagte: „Richte Dülberg aus, daß es Judith war." — „Wer war Judith?" schrie Murphey. „Das Mädchen, das vom Expreß überfahren wurde", murmelte Duke, „Wer ist Judith? Duke, sage es mir. Ich habe keine Ahnung." Aber Duke sagte nichts. Er hatte bloß noch eine Bit^e. „Tu mir den Gefallen, Murphey, und schicke mir einte Staffel von Leuten aus, die sämtliche Geschäfte abklappern, in denen Fotos entwickelt werden. Sämtliche Geschäfte, hörst du? Ich kann das nicht allein. Aber ich brauche ein Geschäft, das auf Fotos die Seriennummar PA (Duke nahm die Liste raus und las es ab),, PA 32/1305, Abteilung römisch acht, Agfa Coloujr stempelte. Ich wiederhole, Murphey, zum Mitschreiben." „Was willst du damit?" fragte Murphey. „Es gehört zu meinem Fall. Wirst du es tun?" — „Dann werde ich es ^un1", sagte Murphey. ,,Ich rufe dich an, \venn ich glaube, du bist so weit. Hör zu, ich wiederhole." Duke wiederholte. Dann hängte er ab, obwohl Mu'rphey noch einiges sagte. „Ich muß nach New Rochelle hinaus", sagte Duke, als er wieder in die Taxe stieg. „Schnell, möglichst schnell. Kennen Sie auf dem Weg dorthin ein Waffengeschäft?" Der Chauffeur dachte einen Augenblick mach. Dann nickte er. „Gut, fahren Sie", sagte Duke. Die Taxe fuhr über Union City und bei Yonkers über den Hud son, um dann scharf nach Osten abzubiegen. Das war zwar ein Umweg, aber es ging trotzdem schneller, als mitten durch die Stadt. Sie hielt vor einem größeren Waffengeschäft. „Warten Sie", sagte Duke, während er raussprang und durch die Laden tür ging. Es war ein modernes Geschäft mit einer alten Ladeiir
tür. Ein Glockenspiel klang auf, als Duke durchging. Dafür kam ein Mann hinter einer Portiere "hervor, der wie ein Juwelier aus sah und Duke auch genau so mißtrauisch musterte. „Womit kann ich Ihnen dienen, Mister?" Duke sagte, was er brauchte. Er wollte ein Schießeisen haben, womit man einen Ochsen niederstrecken konnte. Dazu Munition. Der „Juwelier" hinter dem Ladentisch wollte erst den Waffenschein und dann Dukes Papiere sehen. Duke hatte weder das eine noch da9 andere. Er hatte nicht mal Geld. Er sagte, warum er das alles nicht hätte und daß er Duke Gilberth wäre. Aber den Juwelier schien das nicht zu interessieren. Er hörte es gar nicht. Sein Mißtrauen war jetzt in Ärger übergegangen. „Rufen Sie Mister Kent an. Dr. Patrick Kernt vom Institut für wissenschaftliche Sonderaufgaben", sagte Duke wütend. „Pal wird Ihnen meine Angaben bestätigen." — „Ich kann es versur chen", sagte der Geschäftsmann vorsichtig, ohne Duke aus den Augen zu lassen. „Warten Sie, bitte." Er verschwand hinter der Portiere und Duke hörte, daß er telefonierte. Nach einer Zeit kam er zurück und nickte. „Ich habe mit Mister Kent gesprochen. Entschuldigen Sie bitte, Mister Gil bert." Er hatte keinen Zweifel. Der Mann hob die Schublade aus einem Regal und stellte sie auf den Ladentisch. „Bitte, Mister Gilberth", sagte er noch einmal, „das wird das richtige Schieß eisen sein." Es war das richtige. Es war jetzt seinie Waffe. Der „Juwelier" legte die Munition dazu, und Duke steckte alles zusammen in die Tasche, nachdem er ein Magazin in die Kammer geschoben hatte. Es machte dort eine Beule, als hätte er eine kleine Henne darin. „Wenn Sie hier unterzeichnen wollen?" Duke mußte eine Quit tung unterschreiben. Er tat es gern. „Wenn Sie nur bei Ge legenheit Ihren Waffenschein vorbeibringen wollten, Mister Gil bert, daß die Nummer eingetragen werden kann. Ich könnte sonst Ärger haben. Bitte verstehen Sie mich!" Duke nickte und ging unter dem Glockenspiel durch. Es machte einen ganz wilden Lärm. „Wenn ich es noch kann, selbstver ständlich", sagte er. „Ihr Geld bekommen Sie auf alle Fälle durch's Institut)" — „Oh!" sagte der Juwelier erschreckt, als! er nochmals Dukes Gesicht gesehen hatte. Das war gar nicht schön. Das merkte auch der Fahrer, als Duke wieder in den Rücksitz kletterte, um die letztfc Etappe zu rückzulegen. „Wollen Sie jemanden umlegen, Mister Gilberth?" fragte er mit den ersten Anzeichen des Schrecks. „Ich lege nie jemanden um", sagte Duke. „Es ist verboten, jemanden umzulegen. Durch das Gesetz. Aber ich kann nichts dagegen tun, wenn ich in Notwehr handle."
hatte er aiuc'h fertig gebracht, mehr abeT nicht Duke trat ihn so, daß er stürzte, als er .seinen Colt herfummeln wollte, AI grinste nicht mehr. AI begann zu zittern, nachdem er es gesehen hatte, /und sein Gesicht wurde erst rot und dann wieder weiß, als Duke zu ihm herumschwang. Und jetzt hatte Duke se'inen Colt in der Hand. Er hatte ihn bei dem „Juwelier" nicht ausprobiert, aber er würde das jetzt .tun. AI mußte sehen, daß Dukes Gesicht nicht mehr grinste, son dern auf einmal ganz anders war. AI zitterte noch mehr. Jetzt kam Angst in ihm hoch. Er hörte es auch. Duke sagte 'langsam /und leise, während das Loch seiner Waffe auf AI Lefters; gerichtet war: „Bis jetzt haben wir .gespielt, AL Es war ein Kinderspiel. Wir haben uns gegenseitig was auf den Kopf ge hauen, aber jetzt wird es ernst. Es wird jetzt ernst, AI!" Lefters Arme hingen ihm ,an den Seiten runter, und er zitterte so, daß sie baumelten wie die Arme einer angestoßenen Marionette. Seine Augen starrten und quollen vor. Er konnte es; nicht glauben, daß er vor dem Gericht stand. Aber es war so. Duke sagte leise: „Ihr habt Violet umgelegt. Ihr habt Judith gequält, und ihr habt sie umgelegt. Sie haben euch beide nichts getan. Auch ich habe euch nichts getan. Ich weiß nicht, ob du es weißt, AI, aber es ist aus mit dir. Ich habe Judith gesehen, und es gibt keine Gnade mehr. Es gibt bei mir so wenig Gnade wie bei euch, AL Abet das wußtest >du, nicht wahr? Das wußtest du, sonst wärst du Eiscremeverkäufer ge worden oder Wanderprediger und nicht der Boß eines Gangsters, der Mädchenpens'ionate besitzt und Mädchen umlegen läßt, die niemanden etwas getan haben. Ihr kennt keine Gnade .und ich kenne sie jetzt auch nicht." „Gilberth", stieß Lefter hervor. Schaum stand ihm vor dem Mund. Duke nickte. „Ich weiß. Du willst mich bitten. Aber es nützt keine Bitte." — „Gilberth, du kannst doch nicht . . . " — „Ich will wissen wer der Unsichtbare ist?" sagte Duke, Es sah aus, als würde AI Lefter wahnsinnig werden. So schüttelte er den Kopf. „Ich weiß es nicht. Niemand weiß es." Duke merkte, daß er es wirklich nicht wußte. „Du ahnst es auch nicht?" — „Nein, Duke." „Wem gehören die Bordelle?" — „Ihm. Er streicht die Profite ein. Ich bekomme nur Provision." .— „Und er zog den Laden auf? Den Laden mit der Nummer 4-4078?" Lefter nickte. Etwas Hoffnung war in seinem Blick. „Er zog den Laden auf", sagte er. „Gibfs noch mehr solche Läden?" — „Er will weitere einrichten." — „Es ist gut, AI", .nickte Duke. „Nimm deap Schießeisen raus!" AI verstand erst nicht. Dann verstand er..
Seine Augen quollen und taumelten irrsinnig im Gesicht. Der Schaum lief jetzt aus den Mundwinkeln und tropfte auf den Teppich. „Nimm dein Schießeissen raus, AI", sagte Duke noch mal. „Ich habe es von dir nicht erfahren", sagte Duke. „Aber ich werde es von Mary vielleicht erfahren. Oder von Coleen. Ich weiß von Judith, daß beide dabei waren. Und ich weiß, daß Mary schon lange dabei ist. Sie weiß vielleicht etwas. Frauen, die lange bei sowas sind, haben einen siebenten Sinn. Und jetzt nimm dein Schießeisen raus, AI." Noch schwankte AI. Dann aber begann er geifernt zu lachen. Es war das Gelächter eines Wahnsinnigen. Es füllte den Raum und schwoll gellend an. „Mary! Von Mary! Duke Gilberth! Von Mary! — „Was ist mit Mary?" fragte Duke. „Haha! W*& mit Mary is*t", tobte Leiter;. „Geh nur hin -und du wirst sehen, was mit ihr ist. Es war gut, daß sie uns sagte, wo sie gequaselt hat. Daß sie was von Mary und Coleen gesagt hat. Die beiden werden verschwinden, Duke. Verschwinden. Alle die müssen verschwinden, die quaseln und von denen du etwas erfahren könntest. Sie müssen verschwinden, wie du verschwin den mußt." Jetzt gellte seine Stimme. Aber sie gehorchte ihm auch nicht mehr. Und jetzt sah Duke, daß er sein Schießeisen aus dem Jackett riß, a u s dem es gegen ihn zu spucken begann. Die Tür hinter ihm splitterte. „Verschwinden wie du, Duke", gellte der dreckige Gangster, indem er schoß. Aber es traf nicht eine Kugel aus seiner Kanone. Er schwankte zu sehr, und die Hand bebte vor Erregung hin und her. Duke stand ganz ruhig in diesem Regen. Er dachte an Judith, als sein Schuß losging. Lefter stürzte. Duke steckte die Pistole ein und stieg ruhig über die Revolvermänner, die auf dem Boden lagen, und ging zur Tür und machte sie hinter sich zu. Er ging längsam die Treppe runter und war jetzt noch ruhiger. Der Staubsauger verstummte gerade, als er durch die Halle unten ging, und das Mädchen kam aus einem Zimmer und zog ihn in ein anderes Zimmer. „Haben Sie Mister Lefter gesprochen?" fragte sie. „Doch", nickte Duke. „Es hat nicht lange gedauert." — „Werden Sie auch die Dollars nicht vergessen?" — „Bestimmt nicht, mein Kind. Es war nur durch dich möglich, mit AI Lefter zu Sprechern Ich bin Duke Gilberth, und du kannst dir deine Dollar bei mir im Institut abholen." — „Oh, Duke?" Sie machte große Augen. Auch sie kannte ihn. Duke nickte. „Geh' aber jetzt nicht oben rauf, Kindchen", sagte er mit trockenem Mund." Du könntest dich erschrecken." Ihre Augen wurden noch größer. Aber Duke ging aus dem Haus und sah gerade noch, wie sie die Treppe raufrannte. Diese verdammte Neugierde bei den Frauen.
„Zum Teufel, warum?" Es dauerte etwas, bis Murphey sagte: „Ein Mann hat sich für sie eingesetzt, und dessen Rechtsanwalt. Deswegen mußten wir sie laufen lassen." „Wann?" schrie Duke. „Noch in der Nacht." — „Verdammt", schrie Duke. Jetzt war es mittag. „Wer war der Mann, Murphey, der sie rausholen ließ?" Es dauerte wieder eine Weile, ehe Murphey trocken sagte: ..Senator Ashtry, Duke!" — „Ashtry?" schrie Duke. Er begriff es nicht. Senator Abraham Ashtry war ein bekannter Politiker, Und dieser Mann sollte mit einem Mädchen wie Mary in einem Hause wie das mit der Nummer 4-4078 in Zusammenhang gebracht werden? „Wenn Mary tot ist, ist das deine Schuld, Murphey", schrie Duke durch die Muschel. Er wollte auffegen. Aber ihm kam noch ein Gedanke. „Was ist's mit dem Fotogeschäft PA 32/1305?" — „Wir sind noch nicht so weit", keuchte Murphey. „Aber was ist mit Mary. Wenn sie tot ist . . . ?" „Ich rufe später' an", sagte Duke und warf auf. Er ließ die Zigarette fallen, zertrat sie auf dem Boden und schwang zu "Pat herum. „Ich muß gleich wieder weg, Pat." Er hatte das Geld von Pat eingesteckt und verließ das Institut nicht nach vorn auf die Straße, sondern durch ein paar Seitengebäude. Er war so vor^ sichtig, wie er es noch nie gewesen war. Er nahm erst die dritte Taxe, die an ihm vorbeiführ, und ließ sie iauch nicht vor den* Haus harten, in dem Mary wohnte. Eigentlich war es eine ver schachtelte Bruchbude. Er ließ die Taxe langsam vorbeifahren und sah sich die Gegend an, aber weil er nkhHs Auffälliges sah, ließ er sich ein Stück weiter weg halten, bezahlte sie und ging zu Fuß zurück. Er ging yorskhtig d|e Treppe rauf und fand Marys Wohnung. Er klingelte .nicht, und er machte die Tür auch nicht so auf. Er sah das Fenster, daß auf einen Lichthof raus ging, und einen halben Meto davon entfernt ein anderes Fenster, das auch in den Lichthof rausging und zu Marys Wohnung gehöre^ mußte. Es stand einen Spalt weit offen. Da Duke niemanden sah, der ihn daran hätte hindern können, mach'te er das Fenster auf, kletterte auf die Fensterbank und sprang zu dem arideren Fenster hinüber. Einen Augenblick, den Bruchteil einer Sekunde, hing er in der Luft zwischen den Fenstern. Dann prallte er mit den Hän'den gegen den Rahmen und klammerte sich fest. Es war .eine alte Küche. Wenn es hier jemanden gab, 'dann ^mußte Duke ihn über raschen. Deswegen war er nicht durch die Tür gegangen, um gleich in die Schußlinie zu laufen, sondern durchs Fenster.
Aber es gab hier niemanden. Er hatte sich nach ein paar Minuten davon überzeugt. Mary war auch nicht mehr in Ge fahr. Sie war tot. Sie lag in einem Wohnzimmer auf einem alten, abgetretenen Teppich, und dicht vor ihr stand der Tisch mit dem Telefon. Duke wußte ganz genau, wie es vor sich gegangen war. Sie war nach Hause gekommen. Daß war aber auch gleichgültig. Wichtig war nur, daß sie es merkte, daß da er war, und daßsie zum Telefon rann'te, um Hilfe herbeizuholen, daß sie vorher abelr die würgenden Hände erreichten. Mary war von den verfluchten Händen erwürgt worden, und über dem Scheitel fehlte ihr ein ganzes Bündel roter Haare. Duke suchte, ob er etwas fand. Aber er fand nichts. Es war schon alles durchsucht. Er sah sich das Mädchen an, das einmal sehr hübsch gewesen' sein mußte. Und wie ein Blitz schoß es Duk^ durchs Gehirn, wie ein heißer, „schmerzhafter Blitz, als c auf Mary, sah und an Coleen dachte. Himmel, hier würde der Fehler sein, den der Unsichtbare machen mußte. Himmel, wenn Coleen noch lebte! Duke sah weg und auf das Telefon. Er läutete an. „Mary ist tot, Murph'ey", sagte er. „Gib das weiter, daß sie ein paar Leute rausscrficken." — „Duke!" schrie Murphey. Aber Duke hängte schon ein. Er verließ dfie Wohnung, ehe die Beamten eintrafen. Diesr mal verließ er sie ganz normal durch die Wohnungstür. Er mußte ein ganz schönes Stück laufen, ehe er eine leere Taxe fand. „Zum Broadwayv Modehaus Quentin Loraine. Es wäre mir lieb, wenn es schrrell gehen würde. Er ging durch den hinteren Eingang, den er schon kannte. Der Quatschpopf Steffen Carbet hatte ihn als Lßeferanfeneingang bezeichnet. Es schien nicht viel los zu sielin. ;denn er begegnete keinem Menschen, als er ifri <3en Kabineneingang hinten ging, in dem Djaisy umgelegt worden war. Und als er die Puppen in den Glasvitijinen sah, verstärkte) sich noch der Gedanke, der lihm wtie ein Blitz das Gehirn ge martert hatte. Es waren leblose Puppen, aber sie sahen aup^ als lebten sie. Sie trugen kostbare Kleider, unter denen sie die Beine bewegten, und sie bewegten auch die Augen, den Kopf und die Arme. Duke drehte sich \Y-eg und sah in ein paar Kabinen,, aber die Kabinen volaren leer. Nur hinter einem der seegrünen Samtvorhänge entdeckte er endlich ein Mädchen» das in einem Magazin blätterte und ian einer Zigarette rauchte. „Sie haben wohl nichts zu tun?" feixte Duke, wobei er sie ansah. „Ich habe nichts zu tun", sagte sie. „Es* stimmt. Aber
wenn ich gebraucht werde, werde ich gerufen." — „Von wem werden Sie gerufen?" fragte er. ,„Von Miiß Cutterway oder von Mister Lordsay." — „Ist Master Lordsay Im Hause?" — „Er kam wie immer. Um vier." Duke nickte. Es war ihm lieb. Das Mädchen mit »den Stoffetücken betrachtet^ ahn aufmerksam, während sie <sich zurücklehnt und weiter rauchte. Das MigazLn hatte sie .auf den Boden geworfen. .„ICann ich sonst etwas für Sie tun, ,M;ister?" fragte sie. Duke zeigte auf die Glasvitrinen auf der arideren Seite des Kabinenganges. ^Das sind Puppen, nicht wahr?" fragte er. Sie sagte erstaunt: „.Modellpuppen. Natürlich." — „Wenn Sie mir sagen, wo ich Coleen finden kann^ lasse ich Sie gern wieder allein." meinte Duke. „Sie können Coleen überhaupt nicht finden", antwortete sie. Duke wurde aufmerksam. „Wo ist sie denn?" stieß er nach. „Ich bin für sie da", erklärte das Mädchen. „Coleen hat gestern abend Urlaub genommen und ist aufs Land gefahren. Zu Ver wandten.'' Duke wurde ruhiger. „Wann kommt sie zurück?" fragte er. „Sie bleibt heute und heute nacht. Ich glaube,, morgen kommt sie wieder." — „Wann?" „Ich glaube, früh um sechs hat sie gesagt. Sie muß um halb acht wieder im Geschäft sein." Himmel Coleen war sicher, solange sie weg war. Und wenn sie wiederkam, würde er sich um sie kümmern. Er würde sich in einer ganz verrückten Art um sie kümmern, denn der Blitz, der in seinem Gehirn war, war zu einem ganzen Planet geworden. Eine Inzenierung wie in einem exotischen Broadwaytheater. Eine Puppenrevue. Verdammt nochmal. Duke nickte. Jetzt griniste er wieder. „Ich muß noch mit Mister Lordsay sprechen", erklärte er. „Sie können ihn im Büro finden", sagte sie. „Es war nett bei Ihnen", sagte Duke .als er ging. „Auf Wiedersehen." Duke marschierte zum Büro, das er sofort fand. Mister Lord say und Miß Cutterway starrten aufgebracht auf Duke, als es. durch die Tür k(am. Miß Cutterway sah schlecht aus, und die Haftgläser in ihren Augen funkelten Duke wie zwei Scheinwerfer entgegen, die aus weiter Ferne durch eine Nacht kommen. Dann lächelte sie säuerlich. „Oh, Mister Gilberth", sagte sie. Sie stand neben dem zier lichen Schreibtisch, hinter dem ein Mann saß, der wie eine gut gekleidete Mücke wirkte. Aber es war eine kräftige Mücke. „Das ist Mister Gilberth", sagte Miß Cutterway noch ein* mal säuerlich lächelnd, während sie sich zu der Mücke umwandte.
,.Mister Lordsay?" fragte Duke, wobei er die Mücke ansah. „Ich bin Lordsay. Sie haben eine etwas seltsame Art, hier herein zukommen. Mister Oilberth." — „Ich suche Sie schon längere Zeit zu sprechen. Ist Ihnen das nicht ausgerichtet worden?" — „Das ist es", nickte Lordsay. Er schien sehr unangenehm bet rührt zu sein von Dukes Verhalten. Duke hatte den Eindruck, daß Lordsay aristokratische Manieren liebte. Ein Pseudoaristo krat. „Sind Sie der Mann, der den . . . äh . . . Fall . . . äh, Daisy Prittwitt behandelt?" fuhr er fort. „Das ist . . . äh . . . sehr schön, und ich wünsche, Sie können das . . . äh . . . bald zum Abschluß bringen,, aber ich glaube, das berechtigt Sie noch immer nicht, hier einfach . . . äh . . . einzudringen." Duke hatte gar nicht zugehört. „Sie haben das tote Mädchen gesehen, Mister Lordsay?" Lordsay sagte erstaunt „jV. — „Sie blieben .allein bei der Kabine, während Miß Cutterway die Polizei verständigte und Sie die Mädchen weggeschickt hatten?" „Das steht ..doch im Protokoll", sagte Lordsay aufgebracht. „Ich weiß gar nicht, was Sie wollen." — „Was dachten Sie, als der Vorhang sich bewegte?" — „Dachten? Was dachte ich?" stotterte er. „Hm. Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht." — „Noch eine Frage", sagte Duke. „In welcher Höhe bewegte sich der Vorhang?" — „In welcher, ich weiß es nicht." Duke stand auf und sagte: „Haben Sie Fotos hier von sämtlichen Mädchen,, die bei Ihnen beschäftigt sind?" Lordsay verstand nicht. Er verstand gar nichts mehr. Aber er nahm aus, einem Fach einen Stapel Fotografien., die sich Duke ansah. Er fand die von Coleen darunter. Es war eine sehr gute und scharfe Aufnahme. Er nahm sie heraus und noch ein paar andere, daß es nicht auffiel, und steckte sie sich in die Tasche. „Das wäre dann alles, Mister Lordsay", sagte er. „Besten Dank für Ihre Freundlichkeit." Miß Cutterway begleitete ihn, während Lordsay in seiner Verwirrung zurückblieb und sich staunend in den Schreibtisch zurücksetzte. „Haben Sie schon etwas bestimmtes im Auge, Mister Gil berth?" fragte sie aufgeregt. Sie sah sich die Kopfpflaster an* schien aber nicht fragen zu wollen. „Nicht direkt", murmelte Duke, während er schnell über die Teppiche ging, daß ihm Miß Cutterway kaum folgen konnte. „Ich will nur noch Mister Loraine sprechen. Er war sehr freundlich, und ich fahre zu ihm hinaus. Mit seiner Hilfe hoffe ich die Angelegenheit zum Abschluß bringen zu können." *
Quentin Loraine war .nicht überrascht, daß Duke kam. „Sie waren so freundlich, mir damals Ihre Hilfe zuzusagen, Mister Loraine", sagte Duke, während er sich in einem Lehnstuhl Loraine gegenübersetzte. „Und jetzt würde ich Sie brauchen, Muster Loraine." — „Womit kann ich Ihnen dienen, Mister Git berth?" — „Ich sah die Puppen in Ihrem Geschäft", meinte Duke, wobei die Blitze in seinem Gehirn wiederkehrten. Es war ein ganzes, nahes Wetterleuchten. „Und ,ich möchte Sie bitten, mir eine dieser Puppen zu überlassen." Loraine zog er staunt die Augenbrauen in die Stirn. „Sie möchten eine; Puppe haben, Mister Gilberth? Ich begreife noch .nicht recht. Sie meinen doch . . . " — „Die Modellpuppen. Die Schaufenster puppen", nickte Duke. „Oder noch besser: ich wäre Ihnen dank bar, wenn Sie mir sagen wollten, woher Sie diese Puppen be ziehen?" Loraines Erstaunen wuchs. „Es ist eine kleine Fabrik hier in New York. Aber ich be greife immer noch nicht, Mister Gilberth, was Sie mit diesen Puppen wollen." Duke lachte. „Mir ist da ein Einfall gekommen. Ganz plötzlich", sagte Duke. „Ich weiß sedber noch nicht, ob ich es werde durchführen können und ob es klappen wird. Aber ich werde es mit Pat besprechen . . . " — »Mit Pat?" „Mit Dr. Patrick Kent vom Institut'. Es steht noch -nicht fest, es ist vorerst nur ein Plan, aber wenn er gelungen ist, Mister Loraine, bin ich gern bereit, Ihnen darüber zu berichten . . . " „Ich wäre Ihnen äußerst dankbar, Mister Gilberth. Äußerst", sagte Loraine voller Staunen. „Wollen Sie mir die Adresse der kleinen Fabrik sagen, Mistet Loraine?" Der alte Herr erhob sich sofort und schritt zu einem Sekretär hinüber, dann nahm er ein Blatt aus einem Block und schrieb etwas darauf. Er kam mit dem Blatt zurück. „Selbstverständlich wäre ioh auch gern bereit- gewesen, Ihnen die Puppen aus meinem Haus am Broadway zu überlassen, Mister Gilberth." Duke nahm das Blatt und Sah die Adresse. Er kannte die Gegend dort. Er steckte das Blahti ein und sali Loraine fröhlich'an. „So ist es vielleicht noch besser", meinte er. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mister Loraine. Es mag gut sein, wenn man in Ihrem Modehaus nicht weiß, was ich vorhabe." Der alte Herr schüttelte verständnislos den Kopf. '„Man soll in meinem Modehaus nicht wissen, was Sie vor haben?" Loraine war entsetzt. „Sie glauben doch nicht etwa, daß in meinem Haus am Broadway . . . " Er twach erschreckt ab. „Ich glaube nie etwas", sagte Duke. 0,Ich glaube immer erst das, was ich sehe. Bis jetzt habe ich Viel gesehen, aber noch nialrf das richtige."
„Sie ahnen noch nicht einmal, wer ,der fürchterliche Mensicfi sein könnte, der diesen Mord b,eging?" Duke schüttelte den Kopf und sah Loraine offen an „Aber ach werde ihn finden, Mister Loraine, Ganz bestimm* werde ich ihn finden. Mit Ihrer Hilfe." — „Mit meiner Hilfe7" „Sie haben mir Ihre Hilfe zugesagt, und jetzt habe ich sie durch Sie erhalten. Vielleicht wird £s auch Ihr Verdienst sein, wenn mein Experiment gelingt." — „Das Experiment7" „Das mit den Puppen", sagte Duke. ,Sie hören .noch von.iriir, Mister Loraine. Jetzf möchte ich nicht länger stören. . . . " Der alte Herr nickte beeindruckt. Er hatte . bestimmt gern mehr er fahren, aber Duke wußte seibar noch nicht, wie er es machen würde, und verabschiedete sich. Das Mädchen mit dem runden gesunden Gesicht steckte dankbar den Dollar ein, den Duke ihr gab. Duke war zufrieden mit sich selbst und ging auf die Straße. Er Ließ sich zurückfahren. Es war in der Nähe von Wandas Wohnung, daß er sich vor einem ^einfachen Restaurant absetzen! ließ und hineinging, um etwas zu essen. Er erregte ein bißchen Aufmerksamkeit mit seinem Kopf und seinem Gesicht. Aber er kümmerte sich nicht darum. Er aß zum Abschluß ein paar Eier und Fleisch. Er zahlte, als er fertig! war. Dann (ging er. Wanda mußie jetzt schon vom Büro zurück sein, und un willkürlich ging er dortihinl Er hatte wenig Verlangen danach,: es zu tun, aber schließlich mußte er irgendwo wohnen, seit ier nicht mehr in seine Wohnung gönnte, und er fand auch keinen Grund, um £s nicht tun zu, müssen. Aber dann fand er den. Grund. Er bog in die Straße ein, in der Wanda wohnte und sah schräg von ihrem Haus einen geschlossenen Wage Riehen, in dem einige Leute ganz ruhig saßen, als würden sie auf jemand warn ten. Er wußte nicht, ob sie .auf ihn warteten, aber er battte. auch keine Lust, in einen Feuerregen hineinzulaufen. Er hatte sich vorgenommen, vorsichtig zu sein. Der Wagen konnte ganz harmlos sein, aber jetzt war es auch der Grund, warum er nicht mehr zu Wanda gehen mußte. Duke .machte kehrt und schlenr derte die Straße lang, um nun doch nach einem Hotel zu suchen: Er fand dann auch epi Hotel, .das mehr einem Absteigquartier glich, aber es machte ihm nichts aus. „Ich brauche für diese Nacht ein Zimmer und vielleicht noch für die nächste", sagte er zu dem schmierigen Burschen, der die Zlimnlerschlüssel bewachte. Er reichte eine , Zehndollarnote hinüber und hatte richtig gedacht, daß niemand nach seinem
Namen oder was anderem fragte. „Und dann möchte ich teler fonieren." — „Zimmer 11. Ein Telefon ist in jedem Zimmer." Der Kerl, dem Duke die zehn .Dollar gegeben hatte, grinste und reichte einen Schlüssel rüber, an dem ein Schild mit der Zimmernummer hing. „Ist es ein besseres?" fragte Duke. v„Es ist ein einfaches", sagte der Kerl. Duke nickte und,wußte, daß er in Wandas Waren hausanzug nicht gerade besonders wirken mußte. Das Zimmer war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Auf einem Tisch stand das Telefon. Duke ging zuerst vauf das Telefon los und wählte die Nummer Murphey. „Habt iihr schon den Laden gefunden, in dem das Foto von Daisy Prittwitt entwickelt wurde ?" fragte er. Murphey schnappte fast über. „Duke. Verdammt nochmal, Duke! Wo bist du? Wo treibst du dich rum? Ich habe .schon überall angerufen. Bel dir zu Hause. Bei Pat. Du .bist nirgends zu erreichen." „Was gibt's?" schrie Duke, und der Petroleumgesehmack ging aus dem Mund. „Wir haben den Laden", sagte Murphey. Duke ging der Hut hoch. Die Polizei hatte wieder gut und ver flucht schnell gearbeitet. „Und das sagst du ersH jetzt?" schrie eu. „Wo Murphey? Sohnell, wo?" — „Du kannst selber hin gehen. Du sagtest mjr, wir sollten den Laden finden. Und den haben wir. Alles andere kannst du selber machen." „Wo, Murphey? Wo? Du kannst es .nicht wissen, aber ich weiß es. Ich weüß es von .dem Banditen direkt: dieses Bild hat der iMörder von Daisy machen lassen. Wahrscheinlich der Mörder." Murphey war ruhiger geworden und sagte unbeein druckt die Adresse. Aber Duke antwortete .nicht mehr. Er rannte die Treppe hfmunter und rannte auf die Straße. Wenn man in dem Laden noch wußte, wer das Bild von Daisy hatte ent wickeln lassen, dann hatte er den Weg zum Mörder Dafsys oder aber den Mörder selber gefunden . . . * Man wußte es noch, weil es auf dem AuftragSjchein stand. Es war ein kleiner armseliger Laden in ,der Vorstadt, und der Mann, dem er gehörte, wollte ihn gerade zumachen. Duke sah es von der Straße aus. Aber er ging^gar nicht vorn hiniein. Er war jetzt vorsichtiger. Er machte einem Umweg, bog um ein paar Häuser herum und ging hinten ins Haus. „Ich bin Duke Gilberth", sagte er, als er sah, daß der Mann erschrak, wie er hereinkam. Er hatte vorn gerade die Gitter heruntergelassen und war in den Laden zurückgesehkirft. „Es waren vorhin ein paar Leute bei Ihnen", redete Duke weiter,
,,die sich für ein Foto interessierten. Für ein Foto mit* dem Stempel PA 32/1305, Abteilung VIII." Duke grinste. „Wieviel Abteilungen haben Sie?" Er sah sich um. Es war ein Ladentisch da, und dahinter Regalen Ms an die Decke. Aus den Regalen konnte man so gut wie alles kaufen, aber Duke hätte wetjtein mögen, daß der Mann hinter dem verblichenen Ladentisch alles alleine machte. Von eiiner Abteilung VIII .war nichts zu sehen. Der Mann hatte etin zerdrücktes Gesfcht und sah Duke rhi\ Hasenaugen aufmerksam an. Er schüttelte den Kopf. „Ich habe überhaupt keine AbteSlungen", sagte er. „Ich »nehme Filme an und gebfe sie zum Entwickeln weiter." Duke wurde es heiß. Er lehnte s^ch dem Mann gegenüber. ,„Wohlin?" — „In eines der großen Spezialgeschäfte. Die entwickeln, kopieren und stem peln cl.i'e Bilder." Der Mann lächelte trübselig. „Es gibt mehrere Geschäfte, d,ie das so machen. Der Stempel PA 32/1305, Abtei lung VIII heißt nichts anderes als: PA, Paul Argone, und das ist mein Name, 32/1305 und das ist die Auftragsnummer; und Abteilung VIII — ün dieser Abteilung des Spezialgeschäftes wer den di'e Filme entwickelt, die aus unserem Beirzk dort ein laufen. Es ist alles sehr vortefilhaft für Rückfragen." „Aber Si'e können sich erinnern?" — 0 ,Ich habe nachdem der Mann da war, in meinem Auftragbuch geblättert . . . " „Welcher Mann?" fragte Duke. „Der heute vor Ihnen da war und sich nach dem Stempelaufdruck erkundigte", sagte Argone erstaunt. „Was hatten Sie ihm gesagt?" — „Er hat nur gefragt, ob ein Foto mit diesem Stempel vielleicht aus meinem Ger schäft stammt, und ich habe ihm > gesagt, daß es so wäre. Weiter hat er niohts gesagtl Er ist wieder gegangen." — 0,Ah!" „Und dann habe ich mein Auftragbuch nachgesehen, worum es sich eigentlich handeln konnte." — „Sie haben das Buch hier?" fragte Duke schnell. Er verschluckte sich fast. „Natür lich habe »ch das Buch hier." Der Mann fummelte in einer verklemmten Schublade herum und brachte endlich ein Buch zum Vorschein. Es war vollga kritzeft mit Eintragungen. Es dauerte ein bißchen lang, bis er es gefunden hatte, und währenddessen sagte er: „Ich konnte mich sogar erinnern, um was es sich handelte, als ich -den Auftrag in meinem Buch fand." Duke wurde verrückt. Das zerdrückte Gesicht hinter dem Ladentisch konnte sich sogar persönlich ,an den Auftrag geber erinnern. Er riß das Bild von Daisy aus der Tasche und hielt es ihm, vor die Augen. „War es das?" fragte er. Der Mann blickte da> rauf, dann sah er Duke an und sagte: „Doch. Das war auch bei
der Seriie. Ich kann 'mich genau erinnern." — „Und Sie haben den Namen des Auftragsgebers?" schrtie Duke. „Gewiß habe ich den. Ich wußte ihn vorhin noch, als :ch schon imal nachsah. Ich hab's inzwischen Vergessen. Warten Sii^ . . . " Dite Seiten knisterten in dem Buch, das der Mann vor sich hatte. Sre knisterten eine Ewigkeitt. Duke schien es so. Aber 'er wartete. Er brauchte nicht lange zu wantcn, bis es passierte, Die Scheiben schepperten, vor dienen Paul Argone vor ein paar Minuten dve Gitter runter gelassen haltlie, und Duke iag hinter dem Ladentisch, während wilde, brenniende, stahlharte Hummeln durch den Ladenraum sausten und mit bösen Lauten gegen die Wandte splitterten und ,in die Stellagen der Regale zischten. Es war 'ein ganz verdammtes, knatterndes Reuerwerfc. Duke hätte auch hinter dem Ladentisch gelegen, aber wahr scheinlich als Leiche, wenn er nicht rechtzeitig den großen Wagen auf der Straße gesehen hätte, der langsam herankam, und dessen Se,itenfenster nach dieser Seite offen standen. Und aus diesem Seitenfenster war es aus dem Lauf der Maschinen pistole hervorgequollen, gerade in dem Augenblick, als Duke hinter dem Ladentisch flog. Er hob vorsichtig den Kopf. Der Laden war leergefegt. Dil? Ladentür war demoliert und die Schaufensterscheibe in der Mitte durchschnitten. An ein paar Gitterstäben zeigten sich blanke Stellen. Und in einer treff lichen geraden Reihe saß.en diie Kugeln hinten in der Wand und jn den Regalen. Es war gute Arbeit. Aber diie Leute, waren nicht mehr da. Der "Wagen war davongekreisqht, als der Spuk vorüber war. Die Straße war leer. Aber auch der M'ann ;m,it dem zerdrückten Gesicht war nicht mehr da. Duke 'hörte e,in Wimmern und sah noch, woher es kam. Er fand «ihn, auf der anderen Seite hinter dem Ladentisch. Duke fürchtete, daß da nicht mehr viel zu machen war, aber er sagte nichts, weil es der Mann noch nicht zu begreifen, schien. Das zerdrückte Gesicht sah ihm mit einem ärgerlichen Ausdruck an und wimmerte dann giftig: „Me,in Gott, schon wieder." — ,,Schon wieder?" schrie Duke. „Was he,ißt das? Sagen Sie es schnell], was heißt .das?" — „Schon gestern in der Nacht, in den Morgenstunden . . . " Ar gone wo'flte sich vom Boden aufrappeln. Duke merkte jetzt deutlich, daß der Mann wirklich nicht wußte, was mit ihm los war. „Was war in den Morgenstunden?" schrie Duke. Arv gone fiel zurück und schloß die Augen. Seih Gesicht wurde jetzt grün und seine Hand fuhr zum Hemdkragen, um ihn ^auf zuzerren. Er glaubte wahrscheinlich, er kriege durch den Kra
gen keine Luft. Aber Duke wußte, daß es etwas anderes war, warum er keine Luft mehr bekam. Seine Worte bröckelten in den demolierten Raum, wie es der altersschwache Mauerkalk getan hafte* als die Kugeln in ihn hineingefahren waren. „In den Morgenstunden. Sie müssen wissen, ich wohne hinten, Ich hörte was. Ich s'ah nach. Es wollte jemand in den Laden rein. Ganz dunkel. G'anz schwarz. Ich komrte noch telefonieren. Telefonieren. Sie versteh'eni? Der Streifenwagen. Ja. Er vertriels ihn. Vertrieb ihn. Rechtzeitig . . . rechtzeitig . . . rechtzeitig." Duke wußte jetzt, wer an den Morgenstunden in den arm seligen Laden einbrechen wollte. Er wußte auch, wie wichtig das Buch War. Vielleicht war sein Experiment gar nicht mehr notwendig. Vielleicht . . . Duke mußte nur noch zwei Seiten weiter blättern, bis er ,es gefunden hatte. Die Schrift bellte ihm riesengroß entgegen, und da stand der Name. Der Name stand da, und nichts hatte ihn auslöschen können. Duke zeriß es fast. Er begriff es nicht. Er s'ah nochmal hin.. Aber es stand noch immer da. Und er begriff es piocti immer nicht. Hier stand der Name, den Duke nicht wissen sollte. Der Unr sichtbare harte alles getan, daß er ihn nich* erfuhr. Aber ert hatte ihn erfahren und er wußte, daß er der Mörder war, oder daß er durch ihn den Mörder fand. Duke hatte viel eiAvartei,, aber d'as nicht. Er schwang zu dem Mann mit dem zerdrückten Gesicht hemm und wollte etwas fragen. Der Mann hätte es nichtt' mehr ge hört. Seine offenen Augen waren gläsern. Duke ließ d'as Buch liegen und das Bild von Daisy. Er brauchte beide jetzt nicht mehr. Er ging aus dem Laden, hinten hinaus wie er hereingekom men war, als sich die Straße gerade belebte und die, Leute auf die zersplitterte Scheibe zurannten, um zu sehen, w&s pässl|er5l war. Und in der Ferne jaulte bereits ein Streifenwagen, der .läher kam. Duke hatte keine Zeit mehr für so was. Es wurde dunkel, und er brauchte jetzt nur noch hinzugehen. Ehe er das H'a»us erreichte, dachte er über alles noch einmal ganz genau nach. Er wußte jetzt, warum man die Bilder ge* macht hatte, von Daisy und wahrscheinlich auch von vielen anderen Mädchen. In ihm rauchte es. Es war sein Grimm. Er stieg die Treppe hinauf und dann nochmal eine Treppe, und dann sah er das Schild mit dem Namen. Es war genau'derselbe Name. Er stand ein paar Minuten und lauschte. Aber er hört
daß die Tür sich automatisch öffnete. Er maqhte sie hinter sich zu und ging durch den halbdunklen Korridor, in dem es na'Ch Mottenkugeln roch, direkt 'auf die Zimmertür zu, die einen Spalt weit offen stand und hinter der Licht; schimmerte. * Duke machte die Wohnzimmertür ganz auf und stand direkt Miß Cutterway gegenüber. Miß Cutterw'ay lächelfte freundlich. Die Haftseh'alen in fhren Augen blitzten diesmal gar nicht ärger lich. ..Wir haben Si'e erwartet, Mister Gilberth", läehtelte sie „Wir haben Sie erwartet, obwohl wir annehmer! mußten, daß Sie nun nicht mehr kommen können " Miß Cutterway lächelte stärker. „Wiie ist 'es möglich, daß Sie nun doch noch kommen?" — „Ihre Leute haben vorbeigeschossen. Miß Cutterway", sagte Duke. ,,Paul Argone hat es erwischt, aber "ich* mich." Miß Cutterway lächelte liebenswürdig. Aber sie hatte einen Revolvei in der Hand. Der Lauf war auf Duke gerichtet und schwankte keinen Zentimeter aus der Richtung. Duke fluchte lautlos darüber, Miß Cutterway sagte entwaffnend: „Es ist schade um Paul Argone. Er war ein netter Mensch. Ich habe viel bei ihm gekauft. Wenn es Sie aber-nicht erwischi hat, Gilberth, dann werden wir wohl Sorge tragen müssen, daß es Sie jetzt erwischt. Jetzt endlich." „Wir?" machte Duke. Er merkte es im nächsten Augenblick, daß Miß Cutterway nicht allein war. Es bohrte sich ihm wieder einmal etwas in den Rücken, von dem er annahm, daß es ein Revolver war. „Das ist Pency Bright", sagte Miß Cutterway. „Einer von AI Leiters Leuten. Sie kennen AI Letter, nicht wahr?" — „Ich kannte ihn", knurrte Duke. „Wir haben uns schon gtr dacht, daß Sie vielleicht doch noch zu Paul Argone kommen könnten, um von ihm zu erfahren, wer das Bild von Daisy -an Auftrag gab." „Sie haben gute Arbeit geleistet", knurrte Duke. Die alte Dame war ein Satan. Duke merkte es erst jetvzt. Sie fummelte ganz niederträchtig mit ihrem Schießeisen herum. „Sie haben Daisv Prittwitt ermordet. Miß Cutterway?" fragte er. „Ich habe Daisy Prittwitt nicht ermordet", lachte sie. „Aber ich sehe, Mister Gilberth. daß Sie wirklich wenig wissen." „Wenn es Ihnen Freude macht, werde ich es Ihnen erzählen. Es ist vielleicht die einzige Freude, die ich Ihnen noch machen kann?" „Es würde mich freuen", murmelte Duke. „Sie sind ein gefährlicher Mensch, Mister Gilberth", sagt« sie. „Ich hatte am Anfang nicht den Eindruck, daß Sie es wären, als Sie in Mister Loraines Modehaus zum ersten Mal Judith ver
nahmen. Aber ich merkte es, als Sie kurz darauf wiederkamen und die Telefonnummer 4-4078 wußten. Und wie gefährlich Sie noch sein konnten, bemerkte ich erst, als ich hörte, daß Sie in dieser Nacht nicht starben, sondern erneut auftauchten und es zu befürchten war, daß Sie von Judith noch mehr erfuhren." ,,Deswegen mußte Judith sterben?" fragte Duke. ,,Deswegen mußte sie verschwinden. Sie hatte sieh schon zu viel mit Ihnen eingelassen. Und sie hat Ihnen auch etwas von Mary erzählt und von Coleen. und deswegen mußten auch Mary und Colcen verschwinden. Ihre Gefährlichkeit, Mister Gilberth, hat kein« Grenzen." „Auch Coleen ist tot?" schrie Duke. „Sie wird sterben", lächelte Miß Cutterway." ER hat es beschlossen. Es wird für alle anderen eine Warnung sein." Duke starrte das Insekt an, „Wer ist E R ? " Seine Stimme zitterte nicht, als er danach fragte. ,^5ie weraen es hören, ehe Sie sterben." — „Sie kennen IHK?" „Ich bin mit ihm befreundet", flüsterte sie. „Ich war es, die die Mädchen für ihn aussuchte, als er mit AI das Geschäft aufgemacht hatte, und ich war es, die die Fotos von den Mäd chen machte, ganz unverfänglich während der Betriebsausflüge ans Meer. Es war der einzige Fehler, den wir machten." Duke schüttelte den Kopf. „Nicht?" fragte Miß Cutterway 'erstaunt. „Es war Ihr Fehler", sagte er langsam. „Es war aucji Ihr Feh ler, daß Sie Daisys Foto in ihrer Tasche liegen ließen, als Dülberg die Tasche mitnahm." Sie fixierte ihn eine Zeitlang. ,.Es war ein. Versehend Aber es nützt Ihnen nichts mehr, daß' Sie es gefunden haben. Sie werden dieses Wissen mit hinabneh men in die Erde. Mach die Tür zu, Percy." Als Duke sich umdrehte, sah er, daß die Wohnzimmertür noch offen stand. Duke wußte, daß es jetzt so weit war und daß sie ihm keine Chancen gaben, nochma! zu entkommen, sondern daß sie es hier tun würden, hier im Zimmer. Und daß sie die Tür zumachten, daß der Schuß nicht durch den Konri» dor und durchs ganze Haus bellte. Für einen Moment über legte er, wer von den beiden es tun würde, aber dann sah er, daß Percy sich umdrehte und zur Tür trottete, um sie zuzumachen. Das hätte er nicht tun sollen. Duke glaubte, daß es ihm den ganzen rechten Arm zerriß, als er mit der blanken Hand, die Glasampel samt den Leuchtkörper zertrümmerte und in der aufbrüllenden Dunkelheit zu den Polster sesseln sprang und sich dahinter verbarg. Aber er fühlte nicht nach dem Arm, der jetzt ein (Gebilde aus Blut und Glassplittern war, sondern riß sein Schießeisen aus
der Tasche, das ihm die naiven Gangster unbegreiflic.herweise gelassen hatten, und schoß in die Richtung, aus der di>e Schüsse gegen ihn heranpeitschten. Der Mann mußte irgendwo dort vorn auf der Erde liegen, denn er sah die Mündungsfeuer seines Schießeisens, wenn es gegen ihn losbellerte. "Aber die Kugeln rauschten in den dicken Sessel, hinter dem Duke steckte, oder zertrümmerte die Zimmer einrichtung. Dafür merkte Duke, daß er kurz darauf mehr Glück hatte. Der Heine war auf einem Fleck liegen geblieben, während er schoß, und Duke hatte genau dorthin gezielt, wo die;Mün dungsflamme herkam. Ein Stückchen höher. Und der Gangster hatte gejault und war dann ruhig gewesen. Aber Duke wußte nicht, wo das verdammte Insekt Cut^er way war. Sie hatte nur einmal geschossen, als er gegen das Licht angesprungen war, und die Kugel mußte ein Stückchen Haut aus dem Oberschenkel herausgerissen haben. Duke fühlte, daß es dort brannte. Seitdem war nichts mehr von ihr zu hören. Dafür waren draußen auf der Treppe, etwas zu hören, und drau ßen vor der Wohnung. Duke wurde nervös, weil es harte Tritte waren und weil er nicht wußte, was für Leute dort janrückttem Er hatte das Licht zerschlagen und lag hinter dem Sessel i
Und in dieser Sekunde sah und tat Duke soviel, wie er e9 innerhalb einer Sekunde noch1 nie in seinem Leben gesehen oder getan hatte. Der Mann, der hinter dem blendenden Lichtstrahl ins Zimmer treten wollte, wäre beinahe über Percy gefallen, aber er kam nicht dazu. Duke fühlte, wie ihm das ganze Gesieht weh tat, so angespannt war es. Im Schein des Lichtes hatte er das böse Inöekt Cutiterway gesehen. Für einen Augenblick hatte er sie nur gesehen, wie sie. a n die Wand gepreßt, hinter dem Regal stand, den Arm mit dem Revolver hochgehoben, und das kleine, verbissene Gesicht zu einer boshaften Maske erstarrt. Miß Cutterway fiel. Sie fiel langsam. Und er sah auch, daß sie mit blitzenden Haftschalen und haßerfüllten Augen sttlarb. die auf ihn gelenkt waren. Duke steckte die Waffe ein und erhob sich hinter dem Sessel. Im Korridor brannte ein ganzes Meer von Taschentampenlicht, und ein ganzes Arsenal von Waffen wjar auf ihn gerichtet, als er hinausging. — Ein Riese in Uniform mit einem Boxergesicht schrie Duke an: „Du hast geschossen." Auch die andjenti Polizisten sahen nicht freundlich aus. Duke sah sie all,e an. Es waren vier. „Ich würde Ihnen ratein, mit Ihrem Schießeisen etwas vorsichtiger zu sein", sagte Duke. „Es könnte losgehe(n." — „Der Gangster will noch frech werden!" schrie der Riese. „Ich heiße Duke Gilbert", sagte Duke. „Außerdem habe ich nicht geschossen;." Der Riese schien nicht überzeugt zu sein voin dem was Duke gesagt hatte, denn er starnte Ihn inoch immer «erbost an, bis einer seiner Leute, der Duke aufmerksam fixiert hatte, knurrte: „Ich glaube, es ist doch Duke!" Da setzte sich der Ri'ese in Bewe gung und sah vorsiohtig in dafö Zimmer hüneln. „Hm!" Der Riese grunzte mißtrauisch. Dann sah er Miß Cutterway, und er bekam riesengroße Augen, w'ejl er wohl nooh nie gehört haben mochte, daß ältere Damen bei Soh*eßübungen beteiligt sind. „Und diese Dame?" japste er. „Das ist keine Dame, sondern Miß Cutterwa\\" Die desenhaften, empörten Augen des Riesen) wanderten, bis sie auf der Le.iche des Mannes mtit der Lampe haltl machten. „Und Benjamin Wool?" bellte er. „Wer hat Benjamin WooJ kaltgemacht?" — „Miß Cutterway", sagte Duke. Der Riese nickte grimmig. „Wir werden das feststellen. Wir werden die Kugel prüfen.''
„Das würde mich beruhigten. Das ist mein Schießeisen", sagte er. „Vielleicht ist es gut, Sie stecken es sich gleiori ein, daß Sie es zur Prüfung haben." Der Riese nahm es in die Hand, als wäre es ein rohes Ei, und gab es dann einem seiner Leute, der es in die Tasche steckte. ..Vielleicht erzählen Sie mir aber auch, wie Sie dazu kommen, hier einzudringen?" knurrte Duke. „Es würde mich interessieren." — „Kennen Sie zufällig einen Mann, der Panl Argone hieß?" ent gegnete der Riese grollend. Duke nickte. ..Ich kenne ihn zufällig. Denn ich war dort, als er starb." Den Riesen zerriß das raB*. ;,Sie waren d o r t ? " schnaubte er. Als Duke nichts darauf sagte, grollte er: „Dann werden Sie auch wissen, daß auf dem Laden tisch ein Bild lag mit einer Nummer und ein Buch, in dem die selbe Nummer drin stand und eine Adresse dabei. Die Adresse von Miß Catterway. Dieses Zusammentreffen mußte uns auf fallen. Deswegen kamen wir her. Und dann hörten wir Schüsse." Die Leute waren nicht nur schnell gewesen, sie hatten auch nachgedacht. „Sie kamen rechtzeitig", sagte Duke. ..Ich häijte sonst vielleicht die ganze Naoht hier hinter einem Sessel hocken müssen und warten. Kann ich jetzt telefonieren?" — „Mit wem?" — ..Mit Pat", sagte Duke. „Pat Kerat' vom Institut." •— „Wo ist das Telefon?" — „Ich weiß es nicht. Ich müßte es .erst suchen. Aber ich glaube, es wird hier irgendwo ein Telefom geben." Der Riese war noch immer mißtrauisch. Aber er suchte selber mit, bis Duke das Telefon gefunden hatte. Es stand •£>. einer Art Arbeitszimmer mit Büromöbeln und war ein Bild fernsprecher mit einer kleinen 15-cm Bildscheibe. Sein Miß trauen schwand erst, als er sah, daß Duke wirklich das Insti tut wählte. Man sagte Duke, daß Pat vor zwanzig Minuten aus dem Haus gegangen wäre. Duke fluchte ein bißchen darüber und wählte Pats Privatwohnung. „Hallo, Duke?" bläffte Pat. als er ihn erkannte, „Wo bist du? Was ist los?" — „Es ist allerhand passiert, Pat. Kann ich zu dir hinkommen?" „Du kannst", brummte Pat verstört^ Er wollte abschalten. „Halt", schrie Duke. „Ich glaube, du mußt erst mit einem Mann reden, ob er mich gehen läßt. Willst du für mich bürgen, Pat?" — „Mann neden? Bürgen?" schrie Pat. Duke schob ohne ein weiteres Wort den mißtrauischen Riesen vor den Apparat. Der Riese schnaubte ein bißchen ärgerlich und tastete dann den Apparat aus. „Sie können gehen", murrte er. „Aber das eine
sage ich Ihnen: machen Sie mir ja keine Scherereien, an denen ich mir alleine die Zähne ausbeißen muß." — „Ich werde zum Protokoll kommen", sagte Duke, während er durch die Tür ging. * Duke zog das Foto von Coleen aus der Tasche und setzte sich Pat gegenüber auf den nachgiebigen Schaumgummiwürfe;. „Weißt du, wer das ist, Pat? Es ist Coleen", s^gte Duke. „Es ist das Mädchen, das als nächstes sterben wird. „Und was willst du mit dem Bild?" bellte er endlich. „Ich war bei Mary, Pat. Mary war tot, und sie ist genau so getötet worden wie Violet und Daisy. Und da ist mir der Gedanke gekommen." — „Was für ein Gedanke?" Pat war ganz aufmerk sam. „Die Modellpuppen", sagte Duke. „Wir werden in die Fabrik gehen und tins eine kaufen." — „Ich glaube du hast eine verrückte Idee." „Es ist keine verrückte Idee. Wir werden gleich gehen, weil es morgen zu spät ist." Pat sprang auf. „Gleich? Jetzft in der Nacht?" schrie etf. „Jetzt, Pat", spgtfe Duke. „Ich weiß, daß Coleen sterben soll. Ich weiß es von AI Leftex und ich weiß es von Miß Cutterway. Es wird der Fehler sein, den der Unsicht bare macht. Es wird die einzige Möglichkeit sein, um ihn zu finden. Hast du deinen Wagen unten?" „Ich habe ihn", nickte Pat. „Dann hol ihn raus. Wir fahren." Pat war wirklich ganz vernünftig, denn er "knallte seinen Hut auf seinen borstigen Kopf und ging mit Duke aus der Wohnung. „Was willst du in der Puppenfabrik?" fragte Pat endlich. „Ich werde den Leuten das Bild von Coleen zeigen", sagte Duke, während er sich ganz genau überlegte, was er sagte. Jetzt mußte er seinen Plan aufbauen. Bis ins kleinste Detail. Und jetzt wußte er, daß er es konnte. „Und wir werden eine Puppe bestellen, Pat. Eine Puppe, die genau so aussieht, wie Coleen. Eine Puppe, die sich bewegt wie in Quentin Loraines Modehaus. Ich weiß es, wo Coleen wohnt, und wir werden die Puppe in ihre Wohnung schaffen und sie ins Bett legen. Wir werden die Vorhänge zuziehen und das Radio anschalten und die Puppe rauchen lassen, und dann werden wir die Wohnung verlassen und warten, bis Coleen kommt. Ich werde mit ihr reden und ihr sagen, daß sie in ihrem Geschäft anrufen soll und sagen soll, daß sie krank ist. Und dann werden wir warten, bis das Ungeheuer kommt. Es wird kommen. Es wird Coleen töten wollen, wie es die anderen
getötet hat. Aber ich werde dabei sein, und ich werde es sehen, und ich werde vorspringen, und an dem Bett ihn erkennen." „Du selber wirst Schaden leiden'', knurrte Pat. Aber trotzdem fuhr Pat weiter. .„Ich werde keinen Schaden leiden", sagte Duke grimmig. „Wird er kommen?" „Wer?" „Der Unsichtbare?" „Er wird kommen, Pat. Es gibt Menschen, deren Hobby das Verbrechen ist. Leiter hat gesagt, daß Coleen sterben soll, und das böse Insekt Cutterway hat es gesagft, daß sie sterben soll. Aber beiden würde ich es nicht glauben, wenn ich das unsichtbare Ungeheuer nicht kennen würde." Pat riß es herum. „Du kennst ihn?" schrie er. Duke schüttelte den Kopf und grinste. „Nicht so, wie du meinst, Pat. Wenn ich ihn so kennen wurde, würde ich hingehen. Aber ich kenne seinen Charakter. Er mag ihn nach außen hin verbergen, aber in ihm steckt die Gier zu töten. Deswegen wird er den Fehler machen und kommen." Pat stoppte den Wagen, und als Duke hinaussah, sah er altes Gemäuer mit blinden Scheiben, und hinter einer leuchtete ein gelbes Licht. „Die Puppenfabrik, P a t ? " — „Ich glaube es", sagte Duke heiser. Duke stieg aus dem Wagen und kletterte über einen Berg Gerümpel hinweg, der auf dem morastigen Weg lag, um zu der verrosteten Eisentür zu kommen, die er Im blendenden Licht der Scheinwerfer sah. Daneben war das blinde Fenster mit dem gelben Licht. Pat kam ihm laut fluchend hinterher. Duke brauchte sich nicht anzustrengen, weil die Eisentür.ganz leicht aufging. Ein Mann saß an einem Tisch und drückte an einem Mädchenkopf herum, den er vor sich auf den Knien hatte, und ein anderer war mit dem Verpacken einer Kiste beschäftigt. „Ich hätte gern eine Puppe gekauft", sagte Duke. „Da müssen Sie morgen früh wiederkommen, wenn wir hier arbeiten", sagte der Mann mit dem Mädchenkopf auf den Knien. „Können Sie mir sagen, was Sie jetzt t u n ? " grinste Duke. Der Mann mit dem Kopf nickte ruhig und sagte: „Ich arbeite jetzt auch. Wir haben soviel Arbeit, daß ich oft auch nocfa nachts arbeiten muß. Aber ich bin der Werkmeister. Ich kann Ihnen weder eine Puppe verkaufen, noah einen Auftrag entgegen nehmen. Sie müssen morgen früh wiederkommen." „Sie werden mir trotzdem eine Puppe verkaufen", sagte Duke. „Was kostet so eine Puppe?" Erst haltje der Mann Duke scha denfroh angesehen, jetzt grinste er. „Sie werden sie bestimmt
nicht bezahlen können", sagte er. „Es kommt ganz darauf an. Sie kann 300 Dollar kosten. Sie kann sogar 1000 Dollar kosten, wenn sie so ist. als würde sie wirklich leben." „Sie soll so sein, als würde sie wirklich leben", sagte Duke. Er drehte sich um. „Kannst du 1000 Dollar für eine Puppe be zahlen, P a t ? " Pat nickte ohne Anstrengung. Der Mann mit dem Mädchenkopf auf den Knien hatte aufgehört, Haare durch die Kopfhaut zu stecken. Er sah von einem zum anderen. Er schnub^ berte, aber er roch nichts von Alkohol. Duke wandte sich ihm zu und grinste stärker. „Wir sind nicht betrunken, mein lieber Mann", sagte er. „Wir wollen wirklich eine Puppe haben. Für 1000 Dollar. Eine Puppe, die so ist, als würde sie leben." Pat begriff, worum es ging. Er griff in die Tasche und wedelte mit einem Tausenddollarschein. Duke wußte, daß das Betriebs unkosten waren, aber immerhin. Pat war heute verdammt ver nünftig. Duke zog das Bild von Coleen aus der Tasche und hielt es dem Werkmeister vors Gesicht. „So soll die Puppe aussehen." Der Werkmeister sah einen Moment darauf, dann sah er auf den zweiten Mann, der an der Kiste herumpackte. „Mike, nimm die Puppe wieder raus", sagte er. Mike schüttelte verblüfft den Kopf, aber er nahm die Puppe wieder aus der Kiste raus. Pat blieb die Spucke weg und er bekam Stilaugen. Auch Duke sah auf die Puppe. Die Puppe war ein Mädchen, und sie stand auch so da wie ein Mädchen. „Ich möchte, daß sie läuft." —> „Mike!" Mike ging schon zur Puppe und fummelte vor ihren Augen herum. Und kurz darauf lief das Mädchen. Sie bewegte die Beine, die Hüften, den Rücken, die Arme bewegten sich und der Kopf drehte sich, um ihren roten Mund spielte ein Lächeln, und ihre Augen wanderten glitzernd, als wäre es wirklich ein Mädchen, .daß einen Mann verrückt machen willi, „Wollen Sie sie kaufen?" — „Ich würde sie kaufen, wenn sie in einem Bett liegen kann, sich aufrichten kann und Angst zeigen kann Und wenn sie wie Coleen aussieht." „Sie kann das alles. Ich werde Ihnen den Reflex genau erklären und ihn einstellen. Und wie Coleen wird sie auch ausgehen." Der Werkmeister nahm das Bild aus der Hand und sah es sich eine Weile an. Dann nickte er, ging auf die Puppe los und be gann ihr vorsichtig die Augen auszuquetschen. Er erklärte da bei: „Sie muß andere Augen kriegen. Die Haare werden ge färbt und das Gesicht wird etwas ummodelliert. Bis wann brauchen Sie s i e ? "
„Heute nacht noch", sagte Duke. „Ich werde es mit Mike bis in die ersten Morgenstunden schaffen", nickte der Werkmeister. „Ich glaube schon, daß ich es schaffen werde." „Ist sie warm?" fragte Duke, während er auf die Puppe zur ging. Der Werkmeister bekam Riesenaugen. „Was soll das heißen?" bläffte er. Duke faßte die Puppe an. Am Arm. Es war ein Arm wie jeder Mädchenarm. Es gab kaum einen Unterschied. Aber sie war kalt. „Sie sollte Körpertemperatur haben", meinte Duke skeptisch. Der Werkmeister lächelte erleichtert. „Ich kann das vielleicht machen. Auf wieviel Grad?" — „Körpertemperatur!" Der Werkmeister nickte wieder. „Wann wollen Sie sie ab> holen?" „Sagen wir um vier!" „Um vier. Gut um vier." Pat nahm den Blick von der Puppe und marschierte mit Duke aus der Eisentür. * Coleens Wohnung war eine Wohnung, wie sie viele gutver dienende junge Mädchen haben. Duke hatte keine fünf Minuten gebraucht, um die Wohnungstür aufzumachen. Pat stand an der Tür und hielt verzweifelt die Puppe im Arm. „Ich werde ein Nachthemd für sie suchen", sagte Duke und durchsuchte den eingebauten Schrank. Er fand zwei Hemden, von denen er an nahm, daß es Nachthemden waren. Duke ging zum Bett und nahm die Puppe hoch und.zog ihr das Hemd an. „Und jetzt?" gurgelte Pat. „Ich werde gleich fertig sein", sagte Duke, während er die Szene ausbaute. Er nahm Schuhe aus dem Schrank und stellte sie neben das Bett, verjagte Rat von dem Situhl und hing e*n Paar Strümpfe über die Lehne, legte einen Rock und eine Bluse dazu und fand endlich auch einen Strumpfhalter und das Fach mit den Panties. Der Strumpfhalter war schwarz und das spinnwebeartige Ge bilde, das er dazulegte, war von einem so wilden Lila, wie er •es noch nie gesehen hatte. Zuletzt legite er ein-aufgeschlagenes Magazin auf die Bettdecke. „Bist du endlich fertig?" fragte Pat heiser. Duke sah aus den Fenster, und er sah, daß hier niemand hereinkommen konn te. ..Ich möchte eine Generalprobe machen", sagte Duke und fummelte an der Puppe herum, wie es ihm der Werkmeister gezeigt hatte. Er haittje ihm erklärt, daß sie auf den Reflex rea-i gieren würde, wenn die Tür aufging. Rat war außer sich, aberi
er ging hinaus. Er machte die Tür hinter sich zu. Duke sab., daß er im Schrank Platz hatte, und er zwängte sich zwischen die Kleider. Von dort pfiff er, und die Tür 'ging auf, und «Pat kam herein. Duke erschrak fast, als er sah, was die Puppe machte. Sie richtete sich etwas auf, die Augen starr nach der Tür gericlh tet. is chob sich dann im Bett zurück unjd ibewegjbe die Lippen, als wollte sie schreien. Aber Rat blieb stehen (und flüstertte mit grimmigen Gesicht: „Zum Teufel, Duke, wo bist d u ? " Duke kam aus 'dem Schrank, legte die Puppe wieder zurück und sagte: „Wir können gehen. Es ist alles okay." Er sah auf die Uhr und setzte hinzu: „Coleen muß bald .ankommen." Er machte die Tür hinter sich zu und sagte zu Pat, ehe er aus der Wohnung ging: „Du wirst draußen im Haus warten, Pat„ und (die Wohnung beobachten. Er kann nicht durch die Fenster kommen. Er kann nur durch die Tür kommen. Du wirst diese Tür nicht aus den Augen lassen, Pat, und mir sagen, ob sie sich bewegt hat, wenn ich wiederkomme." — „Und wenn sie sich bewegt hat, ehe du wiederkommst", muffelte Pattt „Ich glaube es nicht, daß er kommen wind, ehe ich wieder da bin. DaJsy ist in ihrer Kabine ermordet worden, und auch Coleen kann in ihrer Kabine ermordet werden, wenn sie ins Geschäft geht;." „Und wenn er doch eher kommt?" beharrte Pat». Duke zuckte) die Achseln. „Dann haben wir dieses Spiel verloren, und wir müssen es anders anfangen." Pat sah Duke lange an. Sein Blick zeugte von einer fürchterlichen Aufregung, obwohl er ganz sanft war. Er ging hinter Duke aus der Wohnung und kletterte eine halbe Treppe höher von wo aus er die Wohnungstür im Auge hatte, ohne gesehen ,zu werden. Duke lief hinab und kletterte vor dem Haus in Pats Wagen, den er wegfuhr. Er fuhr bis <m einer Telefonzelle, an der sie vorbeigekommen waren. Hier ließ er ihn stehen. Er ging in die Telefonzelle hinein und rief ein Taxi heran, von dem er ausfr drücklich verlangte, daß es Spiegelscheiben hatte. Dann ging er wieder auf die Straße und wartete. Da kam die Taxe, f Sie hatte Spie'ge'ischeiben. Man sah von außen nicht nadh innen. Sie konnte auch leer sein. „Lassen Sie dein Taxameter unten", sagte Duke, während er hinten hineinstieg. „Fahren Sie ruhi'g weiter und halten Sie vor dem »Haus, wo ich es Ihnen ga'gen werde." Der" Mann betrachtete Duke eine Weile miß trauisch, aber als er den Schein sah, den Duke "In der Hand harte, 'grinste er.
j,Wollen wohl nicht gesehen werden?" — „'Genau das", grinste Duke .zurück. Die Taxe fuhr. Sie hielt, als Duke es sagte. Sie mußten nicht lange warten, und doch schien es Duke, als würden alle Uhrzeiger auf einmal langsamer laufen. Aber ..dann sah er Coleen und erkannte sie sofort. Sie kam schnell auf dap Haus zu und hatte einen kleinen Koffer in der Hand. „Coleen", sagte er. Sie drehte sich erstaunt um und sah nach ihm. Sie zögerte. „Sie müssen Ihr Geschäft anrufen. Coleen. Hören Sie." Sit kam ein Stück näher, aber in ihrem Gesicht zeichnete sich Miß trauen ab. Duke zögerte nicht lange, sondern griff sie am Arm und zerrte sie in den Wagen. „Fahren Sie", sagte er zum Fahrer. „Sie haben Daisy gekannt, Coleen, nicht wahr?" fragte er. Jetzt riß es ihr den Kopf herum, unid sie starrte Duke fassungs: loß an. „Sie wissen, was passiert ist mit ihr?" „Dann ist es gut";, sagte er. „Sie werden jefefc Ihr Geschärt an* rufen und sagen, daß Sie krank sind. Sie werden sagen, daß Sie nach New York zurückgekommen sind, aber daß Sie nicht kom men können, weil Sie krank sind,. Sie wenden sagen, daß Sie im Bett liegen. Haben Sie das verstanden?" Es schüttelte sie* „Mein Gott", sagte sie. „Es geschieht Ihnen nkhtts, wenn Sie tun3 was ich Ihnen gesagt habe", sagte Duke. „Aber es könnte Ihr Tod sein, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage." ' Der Wagen hielt vor der Telefonzelle, und Duke drückte dem Fahrer den Sahein in die Hand. Der Mann schien froh zu sein, daß er losfahren konnte. Er ging mit dem Mädahen in die Teta fomzelle, und weil sie so zitterte, daß sie nicht wählen konnte, ließ er sich von ihr die Nummer des Geschäftes sagen und wählte dann selber,. „Ist schon jemand dort?" fragte er dabei. Sie schüttelte den Kopf. Duke fluchte und wollte wieder einhängen. Aber er sagte noch:' „Dann nimmt niemand das Gespräch auf?" — „Das Band", murmelte sie. „Und wer hört es ab?" — „Mister Lordr say. Oder Miß Cutterway. Am Morgen, wenn sie ins Geschäft kommen." Jetzt wählte TJuke doch durch und zischte ihr zu: „Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe." Er drückte ihr den Hörer in die Hand, aber sie zitterte so, daß sie ihn kaum halten konnte. Sie mußte eine furchtbare Angst haben. Ihre Stimme Schwankte, als sie spraah. Aber das war nur gut so. Auch dap Band mußte diese Stimme wiedergeben. Duke hörte genau, was Sie sagte, und sie sagte es so, wie er 'es von (ihr verlangt hatte. „Ich werde Sie jetzt zu einem Wagen bringen", sagte er, „und Sie werden drin sitzen bleiben. Wenn Sie aus dem Wagen raup gehen, wird man eine Leiche aus Ihnen machen."
Duke führte sie aus der Zelle raus und in Pats Wagen. Duke knallte den Schlag zu, und saih noch, wie sie da saß und lautlos schluahzte. Es waren drei Minuten, bis er izu Pat kam. Pat war noch dort, wo er iihn verlassen hatte. Er saßauf der Treppe, wie einer, der hier übernachtet hat. „Coleen sitzt in deinem Wagen", sagte Duke hasti,g. „Der Wagen steht vor der Telefonzelle, wo wir vorhin vorbeikamen. Fahr sie ins Institut und ihalt sie dort fest, bis alles vorüber ist Erzähl ihr, was los ist. Jetzt heult sie. Sie glaubt^ wasiganz an deres). Aber es war besser für mich." Pat wollte etwas sagen, aber Duke ließ es nicht zu. „Wenn was passiert sfein sollte,! kommst du zurück und läutest unten. Dann weiß ich es. Dann, war alles umsonst." Duke grinste, obwohl «hm nicht danach izumute war. Er lief die halbe Treppe wieder ihjinab und hatte jetzt die Tür vom Coleens Wohnung noah schneller offen. Pat -.zischte ihm nach: ,,Duke!" Aber Duke machte ihinter sich die Tür /zu. Er wartete hinter der Tür. i • Nach einer Sekunde hörte er Schritte, die von oben kamen; und' schnell vorbeigingen und naah unten liefen, und er wußte, daß das Pat gewesen war. Er drehte sioh um und ging in die Woh nung . Alles war ruhig. Jetzt ging es dem Ende entgegen. Jetzt. Tir machte die Tüi* izum Wohnzimmer auf. , Beinahe .hätte es ihn zurückgeworfen, denn die Puppe rich tete sich leicht im Bef$ auf und starrte ihn mit ihren weiten Augen an. Duke legte die Puppe ins Bett zurück. Er deckte sie schön zu, wie das erste Mal, und dann nahm er eine Zigarette, rauchte sie, wjisohte das Zigarejtfenende der Puppe ein paar Mal über die geschminkten Lippen und izer drückte sie dann im Aschenbeaher, den er neben das Bett stellte. Er zog den Vorhang halb zu. Und jetzt war es echt. Es konnte nicht echter sein. Duke sah sich um, ob er einen Fehler gemacht hatte. Aber er hatte keinen Fehler gemacht. Er mußte jeübzt nur noch warten, bis der andere seinen Fehler machen würde. Er mußte nur noch etwas warten, bis der Unsichtbare kam, um Coleen zu töten. Duke stieg in den Schrank. Es gab keine Unklarheiten mehr. Er brauchte nur noch zu warten. Da hörte er das Geräusch. Er kam! Die Tür ging auf. Sie ging laut und ohne Gnade auf. Duke sah nichts. Aber er hörte die Schritte, # e an ihm vorbet
gingen und zum Bett gingen. Duke sah noch immer nichts. Er sah nur erstarrt, was die Puppe wieder machte. Sie machte ge nau dasselbe, wie das erste Mal und das zweite Mal. Aber füi daß Ungeheuer war es das erste Mal. und er glaubte noch daran. Die Puppe richtete siah etwas auf, die Augen starr nach der Tür gerichtet, schob sich dann zurück und bewegte die Lippen, als wolle sie schreien. Er warf sioh aus dem Schrank, noch ehe der Mann bemerkte, daß es eine Puppe war. Duke sah niohts. Aber er fühlte den Widerstand eines Korr pexs, gegen den er prallte. Er drückte den unsichtbaren Körper auf das Bett nieder, er fühlte, wie er sioh gegen jhn auf' bäumte, und wie die Arme nach ihm faßten und wie sich Fitir gernägel in seinen Körper krallten, aber wie sie schlaff würden und losließen. Die Puppe saß steif und etwas verrutscht, aber immer noch mit weiten Augen und furchtverzerrtem Gesjaht lauf dem Bett, während Duke wie blödsinnig über den Körper des Ungeheuers fuhr und iihn abtasteten. Er konnte es nicht mehr aushalten. Er mußte wissen, wer er war. Und dann fand er es. Es war ein Gerät'über der BruBt mit einer einfachen Schaltung. Mit einer lächerlich einfachen Schaltung, die das Kraftfeld um den unsichtbaren Körper auf* hob. Der Körper trat ins Liaht rn,it einem enfcfellten Gesicht, wie der Kopf eines Fernsehsprechteilnehmers in einer Itangsam pich erhellenden Bildscheibe. Duke starrte darauf und konnte es nicht fassen. Es war ins Moment zu viel für ihn. Denn er |S»aih das Gesicht von Quent.n Laraine und dachte daran, wie er ihm zugesichert hatte, daß er ihm über seinen Plan noch berichten würde. "Jetzt brauchte er es nicht mehr. Er hatte es erfahren. Alles. Es war zu Ende. Er wandte sich zum Gehen. Es war schon spät, und es gab einige Leute, die auf ihn warteten. Auf Quentin Loraine aber wartete der Elektrische Stuhl."
ENDE