~
~
~ ""0
~ Der Mord an Rosa Luxemburg
~ und Karl Liebknecht Q.)
j
Dokumentation
(1j CI')
~
eines p...
209 downloads
763 Views
14MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
.......... ~
~
~ ""0
~ Der Mord an Rosa Luxemburg
~ und Karl Liebknecht Q.)
j
Dokumentation
(1j CI')
~
eines politischen Verbrechens
~o
tierausgegeben
c:
~ Q.)
Q
von Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover edition suhrkamp
SV
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Dokumentation eines politischen Verbrechens Herausgegeben von Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannov er
Elisabeth Hannover-Drück, geboren I928 in Maulbronn (Württemberg), hat in Freiburg, Göttingen und Tübingen Geschichte studiert. Publikationen: Politische Justiz 1918-1933 (gemeinsam mit Heinrich Hannover), I966. - Heinrich Hannover, geboren I925 in Anklam (Pommern), studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen und lebt heute als Rechtsanwalt in Bremen. Publikationen: Politische Justiz 1918-1933, 1966; Schriften zu Fragen des politischen Strafrechts und der Notstandsgesetzgebung. In diesem Buch werden die Hintergründe der Ermordnung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts im Januar 1919 in Berlin dargestellt. Die Autoren haben sich nicht vorgenommen, einen Kriminalfall aufzuklären, vielmehr gilt ihr Interesse den ideologischen und politischen Komponenten dieses Verbrechens. Erstmals werden hier ausführliche Dokumente - Zeugenaussagen, Prozeßakten, Briefe, Presseberichte, Stellungnahmen von Zeitgenossen - zur Vor- und N achgeschichte des Mordes an den zwei deutschen Sozialisten vorgelegt.
Suhrkamp Verlag
Inhalt 7
Vorwort
13
Die politische Vorgeschichte des Mordes
3I
Rosa Luxemburg, Ordnung herrscht in Berlin
33
Kar! Liebknecht, Trotz alledem!
35
Der Mord im Spiegel zeitgenössischer Presseberichte
59
Der Prozeß vor dem Feldkriegsgericht 6I r r6 122
125
117
Materialien zur Nachgeschichte des Mordes
r 33
Der Jorns-Prozeß
13 S 14 I
144 158 162 J
179 edition suhrkamp 233 2. Auflage, IJ .-20. Tausend 1968 © Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967. Erstausgabe. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der übersetzung, des öffentlichen Vortrags, des Rundfunkvortrags und der Verfilmung, auch einzelner Abschnitte. Satz, in Linotype Garamond, Dru
Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll des Feldkriegsgerichts Das Urteil des Feldkriegsgerichts Das Urteil im Spiegel der Pressebcrichtc Das Nachspiel
68
Schatten der Vergangenheit 179 183
185
Presseberichte Die Aussage des Zeugen Wilhelm Pieck Paul Levis »Anklageschrift" Das Urteil Prcssebcrichte Die Reaktion der BchördCII
Ein Briefwechsel Dokument einer Interpretation
Epilog
Vorwort
Diese Dokumentation hat sich nicht die Aufgabe gestellt, einen Kriminalfall aufzuklären. Die Täter interessieren nicht als Personen, sondern nur als typische Vertreter gesellschaftlicher Gruppen und der von ihnen beherrschten staatlichen Institutionen. Ihre Handlungen sollen hier nicht an Paragraphen gemessen, nicht als »schuldhaft«, »entschuldigt « oder »gerechtfertigt« im Sinne strafrechtlicher Terminologie qualifiziert werden, vielmehr geht es darum, deren politische Funktion zu erkennen, sie als das Ergebnis einer bestimmten Bewußtseinslage zu begreifen, aus der heraus die Angehörigen der herrschenden Klasse und deren Gesinnungsfreunde, unbekümmert um feierlich verkündete Rechtsgrundsätze, auch Lüge und Mord nicht verabscheuen, wenn es um die Verteidigung ihrer Herrschaft geht. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war nicht das zufällige Werk einiger Bösewichte in Uniform, sondern ein typisches Ereignis, nämlich Teil des Klassenkampfes zwischen antagonistischen gesellschaftlichen Gruppierungen. Die beiden Arbeiterführer waren nicht gefährlich, weil sie etwa über physische Gewalt verfügt hätten, sondern weil sie im Begriff standen, die deutsche Arbeiterschaft über ihre Klasseninteressen aufzuklären und damit den ersten Schritt zur Selbstbefreiung des Proletariats aus einer längst anachronistisch gewordenen Herrschaft des Kapitals zu tun. Gegen Aufklärung aber hat eine Herrschaftsordnung, die weder moralisch noch vernunftmäßig zu rechtfertigen ist, nur ein Mittel: die Gewalt. Die Institution, mit deren Hilfe die herrschende Klasse Gewalt gegen Aufklärung setzen und jede ihren Interessen gefährlich werdende Interessenvertretung zerschlagen kann, ist - neben der Polizei - das Militär. In unbegreiflicher Verblendung stellten die sozialdemokratischen »Revolutionäre« von 1918 die hierarchische Organisation des Militärs wieder her und übertrugen damit die Vollmacht, Demokraten zu erschießen, auf ein reaktionäres kaiserliches Offizierskorps, das gerade einen Krieg verloren hatte und diese Scharte nunmehr dadurch auszuwetzen gedachte, daß es seinen Heldenmut an Wehrlosen 7
ausließ. Dieser Entschluß der sozialdemokratischen Führer ist um so unbegreiflicher, als die SPD in den Arbeiter- und Soldatenräten, die sich in Anlehnung an das Vorbild der Russischen Revolution überall spontan gebildet hatten, durchweg über die Mehrheit verfügte. Die SPD-Führung hatte damit ein Instrument in der Hand, das eine Demokratisierung der aus dem monarchischen Staat übernommenen Institutionen (Militär, Verwaltungsbürokratie und Justiz) ermöglicht hätte. Die Vollmacht, einen bewaffneten Bruderkrieg gegen die sozialistische Linke zu führen, hätte die Regierung von den Arbeiter- und Soldatenräten allerdings kaum erhalten. Wer die politische Verantwortung dafür trägt, daß ein wesentlicher Teil der Staatsgewalt der jungen Weimarer Republik in die Hände eines in reaktionärem Geiste geführten Militärs gelegt wurde, ist audl von einer politischen Mitverantwortung für die Morde an Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht - und die vielen nachfolgenden Reichswehrmorde - nicht freizusprechen. Die Mörder konnten einer milden Beurteilung ihrer Taten sicher sein, weil die Justiz der Republik ebenfalls in den Händen von Angehörigen ihrer Gesellschaftsschicht lag. Die »Revolutionäre« von 1918 hatten auch die Vollmacht, über Demokraten und deren Mörder zu richten, einer aus dem monarchischen Obrigkeitsstaat übernommenen und als »unabhängig« und »unabsetzbar« bestätigten Richterschaft anvertraut.[ In dem Feldkriegsgericht, das über die Liebknecht-Luxemburg-Mörder zu urteilen hatte, saßen überdies nach der damals noch geltenden und durch Verordnung der Volksbeauftragten vom 5. Dezember 19 I 8 nur unwesentlich geänderten Militärstrafgerichtsordnung (MStGO) die eigenen Kameraden der Angeklagten, darunter der Kapitänleutnant Canaris, ein persönlicher Freund des angeklagten Kapitänleutnants von Pflugk-Harttung. Die spätere Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit beseitigte nur eine allzu offensichtliche und daher anstößige Identität der Gruppenzugehörigkeit von Mördern und Richtern; doch auch die nichtmilitärische Justiz - die übrigens vorwiegend aus Reserveoffizieren bestand - blieb »Klassenjustiz« und gab Angehörigen der herrschenden Schicht Gelegenheit, ihre antidemokratische und arbeiterfeindliche GeI Vgl. hierzu: Hcinridl Hannover u. Elisabeth Hann over-Drück, Politische Justiz 1918-19)), Frankfurt/Main [966, S. 22 If.
8
sinnung in Terrorurteilen gegen Linke und in Einstellungsbeschlüssen, Freisprüchen oder milden Urteilen zugunsten ihrer Gesinnungsfreunde zu betätigen. Auch der Prozeß Jorns gegen Bornstein offenbarte die Gesinnungsverwandtschaft zwischen Militärgerichtsbarkeit und »ziviler« Justiz zur Genüge, so daß es sicher falsch wäre, die »Justiz komödie« des Feldkriegsgerichtsverfahrens als untypisch abzutun. Die Vertuschung des Mordes und die Deckung der wahren Schuldigen begann bereits in der Mordnacht, als die Beteiligten auf Veranlassung des Hauptmanns Pabst eine Sachdarstellung zu Protokoll brachten und der Presse übergaben, die in wesentlichen Punkten frei erfunden war. Auch das entspricht einer Tradition. Falschmeldungen, durch die übergriffe der Staatsgewalt vertuscht werden sollen, beunruhigen eine autoritätsgläubige Offentlichkeit und deren Justiz nicht annähernd im gleichen Maße, als wenn, umgekehrt, ein Privatmann etwas Kritisches über das Verhalten staatlicher Institutionen sagt. Während im letzteren Falle der Kritiker in einem zermürbenden Prozeß die Wahrheit seiner Behauptungen nachweisen muß - wobei, wie der Fall Bornstein zeigt, seine Behauptungen gern so interpretiert werden, daß er dem Kritisierten eine böse Absicht beweisen muß - werden den Repräsentanten der Staatsgewalt in unserem Land Falschmeldungen selbst dann schnell verziehen, wenn sie durch Anheizung von feindseligen Emotionen gegen Minderheitsgruppen zu schwerwiegenden Folgen geführt haben. Der Kollektivhaß, der den bei den gefangenen Arbeiterführern im Foyer und vor dem Eingang des Eden-Hotels entgegenschlug, ist ein schreckliches Zeugnis für die Wirkung gelenkter Haßpropaganda gegen Minderheiten. Die Erzeugung von Pogromstimmung gegen aufklärerische Minderheiten - Sozialisten, jüdische Intelligenz, »Linksintellektuelle«, Studenten ist eines der Mittel, mit denen sich die herrschende Klasse die Assistenz der brutalen Dummheit sichert. Der Soldat Runge, das mißbrauchte Werkzeug der Offiziersclique, verkörpert diese Bundesgenossen der herrschenden Klasse in typischer Weise. Aber auch die Offiziere, die als Anstifter und Täter an der Mordaktion beteiligt waren, und die Juristen, die den Tätern Vorschub leisteten, waren nur Handlanger von Gruppeninter9
essen. Daß sie Typen und nicht etwa Außenseiter oder "Versager« waren, haben sich die handelnden Personen von Angehörigen ihrer eigenen Gruppe bescheinigen lassen. Das Feldkriegsgerichtsurteil zitiert die Führungszeugnisse der angeklagten Offiziere, in denen ihnen durchweg bestätigt wird, daß sie tüchtige Soldaten seien, und berücksichtigt dies, soweit es überhaupt zur Verurteilung kam, bei der Strafzumessung zu ihren Gunsten. Einer der verurteilten Offiziere, Leutnant Liepmann, kann später Jurist werden und den Doktortitel erwerben. Dem Reichsanwalt Jorns, der sich als Untersuchungsrichter, wie er selbst sagt, »geradezu darüber gefreut« hat, ,>wie kameradschaftlich diese Leute (nämlich die von ihm zu vernehmenden mordverdächtigten Offiziere) zusammenhielten «, und der es als seine Aufgabe ansah, die »Ehre« der mordverdächtigen Offiziere so lange wie möglich zu schützen, wird von seinen Kollegen schließlich bescheinigt, daß er sein Amt korrekt ausgeübt habe und weiterhin würdig sei, die Robe des Juristen zu tragen. Aus der AufgabensteIlung, nicht einen Kriminalfall zu lösen, sondern ein historisches Ereignis als Teil eines dialektischen gesellschaftlichen Prozesses darzustellen, ergab sich die Auswahl der Dokumente. Die Dokumentation veröffentlicht erstmals Auszüge aus dem von einem Parlamentsstenographen offenbar im Auftrage (oder jedenfalls mit Wissen) des Gerichts aufgenommenen Wortprotokoll der Verhandlung vor dem Feldkriegsgericht. Die Lektüre setzt kritische Leser voraus; wir glaubten, uns eine Kommentierung ersparen zu können. Wichtiger als das, was gesagt wird, ist meistens das, was nicht gesagt und auch nicht gefragt wird. Was hätte ein wirklich um Aufklärung der Tat und überführung der Täter bemühter Vertreter der Anklage aus dieser Verhandlung machen können! Aber immer dann, wenn ein Zeuge an einem kritischen Punkt angelangt ist, rettet die geschickte Verhandlungsführung des Vorsitzenden die Situation. Besonders deutlich wird dies bei der nochmaligen Vernehmung des Zeugen Janschkow zu einem Komplex, der zur überraschung aller Prozeßbeteiligten offenbar nicht vorher mit ihm einstudiert worden war - die einzige Panne dieses Prozesses, dessen Regie durch die kaum glaublichen Versäumnisse des Ermittlungsverfahrens ermöglicht worden war. Die Akten dieses Ermittlungsverfahrens sind lei10
der durch Kriegseinwirkung verlorengegangen; rekonstruierbar sind lediglich diejenigen Teile der Vernehmungsprotokolle, die wörtlich oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in den Akten des Prozesses Jorns gegen Bornstein zitiert werden. Die Auswertung der über dieses Verfahren noch vorhandenen Gerichts-, Staatsanwaltschafts- und Ministerialakten sowie des Verhandlungsprotokolls und des Urteils des Feldkriegsgerichts wurde uns in großzügiger Weise von Ost- und West-Berliner Archiven ermöglicht, denen wir gleichermaßen zu danken haben: dem Landesarchiv Berlin und dem Institut für Marxismus-Leninismus, Abteilung Zentrales Parteiarchiv der SED. Die Presseberichte fanden wir zum Teil in den Akten, zum größeren Teil in den Zeitun gsarchiven der Berliner HumboldtUniversität und der Bremer Staatsbibliothek. I r Die von uns gebrauchten Abkürzungen bei Quellenhinweisen bedeuten! IML, ZPA = Inst itut für Marxi smus-Leninismus beim Zentralkomi tee der SED, Abteilu ng Zentrales Parteiarchiv der SED, Berlin, Wilhelm-PieckStr. I; LAß = Landesa rchiv Berlin, ßerlin, Straße des 17 . .1t11li Nr. 111.
Die politische Vorgeschichte des Mordes
Um die Jahrhundertwende begannen Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht, beide 1871 geboren, ihre Tätigkeit in der deutschen Sozialdemokratie. Dieser Weg schien für den Sohn des bedeutenden sozialdemokratischen Politikers Wilhe1m Liebknecht vorgezeichnet, nicht aber für Rosa Luxemburg. Die aus Russisch-Polen stammende Tochter eines jüdischen Kaufmanns hatte schon mit 18 Jahren wegen Beteiligung an einer revolutionären Gruppe aus ihrer Heimat fliehen müssen und war J 896, nach Studienjahren in der Schweiz, nach Deutschland gekommen. Innerhalb der deutschen Sozialdemokratie standen beide auf dem linken Flügel. Eine glänzende Rednergabe, hoher persönlicher Mut und revolutionäres Engagement zeichneten Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht in gleichem Maße aus. Liebknecht, der sich 1899 als Rechtsanwalt in Berlin niedergelassen hatte, geriet als Verteidiger in politischen Strafprozessen notwendig in Konflikt mit den herrschenden Gewalten. Die aktuellen Probleme aus der praktischen Arbeit im Gerichtssaal nahm Liebknecht zum Anlaß, nicht nur in seinen Plädoyers, sondern auch auf zahllosen Versammlungen und in Zeitungsartikeln gegen das Unrecht der Klassenjustiz gegen Landarbeiter, streikende Bergleute, mißhandelte Gefangene und Soldaten und die oppositionelle Presse zu agitieren. Rosa Luxemburg dagegen gab ihr Debüt in der Partei mit einer grundsätzlichen Erörterung der Frage Sozialre/orm oder Revolution. Mit dieser ersten größeren Veröffentlichung hatte sich die junge Polin unter die führenden Theoretiker der Partei eingereiht. Gegen den Revisionismus in der deutschen Sozialdemokratie, der auf das allmähliche Hineinwachsen der Gesellschaft in den Sozialismus auf dem Wege legaler Reformen hoffte, vertrat sie den marxistischen Standpunkt, der Reformen nur als Vorbereitung für den Tag der Machtübernahme durch das Proletariat, nicht aber als Ersatz für die Revolution gelten läßt. 1905 nahm Rosa Luxemburg aktiv an der ersten russischen Revolution in Warschau teil und wurde in der Warschauer 13
Festung eingekerkert. Nach ihrer Freilassung entstand im Jahre 1906 aus den Erfahrungen der Revolution ihre Schrift Massenstreik, Partei und Gewerkschaften. Wieder nahm sie zu einer in der Partei schon lange erörterten Streitfrage in ganz grundsätzlicher Weise Stellung. Hatten die Gewerkschaften den Massenstreik ohne Organisierung der Mehrheit aller Arbeiter für unmöglich erklärt, hatten andere Gruppierungen in der Partei ihn als Repressalie in bestimmten Kampfsituationen vorgesehen, so vertrat Rosa Luxemburg die Auffassung, daß der Massenstreik kein taktisches Mittel, sondern die Erscheinungsform des proletarischen Kampfes in der Revolution sei. Genau wie die Revolution nicht einfach gemacht werden könne, so müsse auch der Massenstreik spontan aus dem Proletariat hervorgehen. Die Leitung aber habe die Aufgabe, das Bewußtsein der Massen auf die revolutionäre Situation vorzubereiten und dem Kampf die Richtung zu geben. Ziel des Kampfes könne nur die »Diktatur des Proletariats« sein, da eine bürgerliche Revolution in Deutschland nicht mehr zu erwarten sei. Während die Gewerkschaften, die um den Bestand ihrer Organisation und um ihre vollen Kassen fürchteten, und die Parlamentarier, die um begrenzte Aufgaben wie Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts rangen, sich von dieser Konzeption mit Entschiedenheit abwandten, erblickte eine kleine Gruppe innerhalb der Partei in diesen Thesen ein Programm: Es war die äußerste Linke der deutschen Sozialdemokratie, die sich in dieser Zeit als eine dritte Kraft neben den Revisionisten und dem ausgleichenden, auf die Einheit der Partei bedachten Zentrum herauszuschälen begann. Rosa Luxemburg, die im Jahre 1907 Dozentih an der Parteischule in Berlin geworden war, schuf in den aus dieser Arbeit erwachsenden Abhandlungen Einführung in die Nationalökonomie und Akkumulation des Kapitals bedeutende theoretische Werke, die für das Selbstverständnis der Linken von Bedeutung wurden. Ihre These vom Imperialismus als dem Endstadium des Kapitalismus bildete die erkenntnistheoretische Grundlage für die Tätigkeit der Radikalen. Eine Aufgabe von großer Bedeutung in jenen Jahren sich verschärfender weItpolitischer Spannungen wa~ der Kampf gegen die Kriegsgefahr. Auch in diesem Punkt schieden sich die Geister innerhalb der deutschen Sozialdemokratie. Rosa Luxemburg teilte nicht die Hoffnung der Parteimehrheit, durch Abrü14
stung und internationale Schiedsgerichte den Krieg zu bannen; sie war überzeugt, daß nur das internationale Proletariat einen dauerhaften Frieden errichten könne. Besondere Verdienste im Kampf gegen den Militarismus als einer wichtigen Stütze des Imperialismus, in dem er nicht nur eine Gefahr für den Völkerfrieden, sondern auch einen »Sturmbock« gegen den inneren Feind erkannte, hat sich Karl Liebknecht erworben; er forderte eine Intensivierung der Jugendarbeit und der antimilitaristischen Propaganda gerade in den Jugendorganisationen nach dem Motto: Wer die Jugend hat, hat die Armee. Scharf arbeitete Liebknecht in seinem 1906 erschienenen Rekrutenabschied die Erkenntnis heraus, daß der Proletarier in der Armee nicht dem Schutz des Vaterlandes dient, sondern dem Schutz einer Klasse, die dem Proletariat Feindschaft geschworen hat; daß beim Einsatz gegen Streikbrecher und politische Demonstranten der Proletarier im bunten Rock zum Kampf gegen sich selbst gezwungen wird. Diese Gedanken vertiefte Liebknecht in seiner Schrift Militarismus und Antimilitarismus, die ihm 1907 eine Anklage wegen Hochverrats und eine Verurteilung zu 1 1/ 2 Jahren Festungshaft einbrachte. Von der Sache her gesehen waren der aufsehenerregende Prozeß vor dem höchsten deutschen Gericht und die Verurteilung ein politischer Erfolg; sein mutiges und geschicktes Auftreten, das ihn aus einem Angeklagten zum Ankläger werden ließ, verlieh Liebknecht eine ungeheure Popularität. Bei seinem Strafantritt gab die Berliner Arbeiterschaft ihm eine Sympathiekundgebung; noch während seiner Festungszeit wurde er ins Preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Einen großen Erfolg konnten die revolutionären Kriegsgegner auf dem im August 1907 in Stuttgart tagenden Internationalen Sozialistenkonkreß erringen. Für eine Resolution zum Tagesordnungspunkt Militarismus und internationale Konflikte hatte Rosa Luxemburg als polnische Delegierte zusammen mit Lenin ~nd Martow Zusatzanträge zum Entwurf Bebeis eingebracht, 1Il denen der Sozialdemokratie nicht nur die Aufgabe gestellt wurde, den Ausbruch von Kriegen durch Anwendung entsprechender Mittel, »die sich je nach Verschärfung des Klassenkampfes [ .. . ] naturgemäß ändern und steigern «, zu verhindern und für die rasche Beendigung bereits ausgebrochener Kriege zu sorgen, sondern auch die Krisensituation des Krieges
»zur Aufrüttelung der Volksmassen und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen«. Dieses Programm wurde mit nur geringfügigen Abschwächungen in die Resolution übernommen. Mit Hilfe der ausl.ändischen Delegierten hatten sich die Ideen der deutschen Lmken auf diesem Kongreß durchgesetzt. Auch der anschließend in Stuttgart tagende erste internationale Jugendkongreß, auf dem Liebknecht, schon unter der Anklage des Hochverrats stehend, das Hauptreferat hielt, bekannte sich zu der Resolution. Aber schon der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie vom September 1907 und Gustav Noskes Bekenntnis zur Vaterlandsverteidigung und zum Patriotismus im Sinne der herrschenden Klasse machten deutlich, wie wenig sich die opportunistischen Kräfte in der Partei an die Beschlüsse der 2. Internationale gebunden fühlten. Hier zeichnete sich bereits die Tragödie des August 1914 ab. Im Schatten des heraufziehenden Weltkrieges verdoppelten die Kriegsgegner ihre Anstrengungen. Liebknecht war 19 I 2 in den Reichstag eingezogen und eröffnete von dieser Plattform aus den Kampf gegen die Heeresvorlage von 1913 mit einem Angriff auf das internationale Rüstungskapital, das er der »Vaterlandlosigkeit « bezichtigte; trotz allen patriotischen Beteuerungen zur Steigerung des Chauvinismus im eigenen Lande scheue sich die Rüstungsindustrie nicht, mit dem potentiellen Gegner Waffenlieferungen zu vereinbaren und Militärgeheimnisse auszutauschen. Liebknechts Enthüllungen über Beamtenbestechungen durch die Firma Krupp hatten zwei Prozesse gegen Angestellte von Krupp zur Folge. Rosa Luxemburg hatte im Herbst I 9 I 3 auf verschiedenen Kundgebungen erklärt, der deutsche Soldat werde die Mordwaffe nicht gegen seine ausländischen Brüder erheben. Für diese »Aufforderung zum Ungehorsam« diktierte ihr das Landgericht Frankfurt im Februar 1914 eine Gefängnisstrafe von einem Jahr zu. Dieses Urteil war für Rosa Luxemburg ein Grund mehr, ihre Agitation gegen Militarismus und Klassenjustiz zu verstärken. Ein Artikel über Soldatenmißhandlungen in deutschen Kasernen brachte ihr eine neue Anklage wegen Beleidigung der Armee ein. Zu ihrer Verteidigung meldeten sich viele tausend Opfer und Zeugen von Soldatenmißhandlungen, so 16
daß der Prozeß vertagt werden mußte und schließlich im Sande verlief. Den Ausbruch des Weltkrieges mit dem Zusammenbruch der Internationale und der Zustimmung der deutschen Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten empfand Rosa Luxemburg als niederschmetternde Enttäuschung. Karl Liebknecht beugte sich dem Fraktionszwang und stimmte mit für die Kredite. Im Ausland wurde die Meldung vom Selbstmord der deutschen Sozialdemokratie vielfach als ungeheure Propagandalüge betrachtet, wogegen man Gerüchten von der standrechtlichen Erschießung Liebknechts und Rosa Luxemburgs eher Glauben schenkte. Während führende Köpfe in der Partei mit in den Begeisterungstaumel der ersten Kriegswochen verfielen, suchten Rosa Luxemburg und ein winziges Häuflein Gleichgesinnter nach Möglichkeiten, unter den Bedingungen des Belagerungszustandes dem Protest gegen den Krieg Ausdruck zu verleihen. Karl Liebknecht war es schließlich, der am 2. Dezember 1914 bei der Abstimmung für die neue Heeresvorlage durch sein »Nein « diesem Protest Stimme und Gestalt verlieh. Nicht einer seiner Kollegen hatte gewagt, mit ihm vor dem Reichstag und der Weltöffentlichkeit seinem Gewissen zu folgen, und so wurde Karl Liebknecht zum Symbol für den Widerstand eines einzelnen gegen die Gewalten der entfesselten Kriegsmaschinerie und zur Hoffnung für die vielen, die in der Kirchhofstille des Burgfriedens zwar verstummt, aber ihren überzeugungen treu geblieben waren. Diese im ganzen Reich existierenden Gruppen von Sozialisten in einer wenn auch nur losen Organisation zusammenzufassen, bildete nun das Bestreben des Kreises um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Unter dem Namen ihrer neu gegründeten Zeitschrift, der ein Programm bedeutete, schlossen sich die linken Kräfte zusammen zur Gruppe Internationale. Die herrschenden Mächte reagierten sofort auf den Widerstand einer Minderheit: Im Februar 1915 mußte Rosa Luxemburg die ihr vom Frankfurter Landgericht zudiktierte einjährige Gefängnisstrafe antreten; Karl Liebknecht wurde als Armierungssoldat eingezogen. Ein Antrag des Gewerkschaftsvorsitzenden Carl Legien, Liebknecht aus der Partei auszuschließen, fand damals noch keine Mehrheit. Mehrere Führer der Linken wurden verhaftet, so daß die illegale Arbeit fast völlig zum Erliegen kam. Immerhin konnte Liebknecht beim 17
Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 durch ein illegales Flugblatt Der Hauptfeind steht im eigenen Lande! die Parole zur Fortführung des Klassenkampfs geben. In ihrer im »Weibergefängnis Barnimstraße« geschriebenen» Juniusbroschüre« mit dem Thema Die Krise der Sozialdemokratie analysierte Rosa Luxemburg die Entwicklung, die zur Katastrophe von 1914 geführt hatte, und beschwor die Schrecken des Krieges; in den der» Juniusbroschüre« beigefügten Leitsätzen über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie erhob sie die Forderung nach einer neuen Internationale, die vor allem im Kriege die Solidarität des internationalen Proletariats aufrechterhalten sollte. Den Beschlüssen dieser neuen Internationalen zu folgen, müsse für alle Mitglieder oberste Verpflichtung sein. A.uf ihrer illegalen Reichskonferenz im Januar 1916 bekannte sich die Gruppe Internationale, die sich jetzt Spartakus nannte, zu diesen Leitsätzen und grenzte sich damit gegen die in der offiziellen Sozialdemokratie geäußerte Ansicht ab, daß die Internationale ein Friedensinstrument mit den Aufgaben »Kampf für den Frieden«, »Klassenkampf im Frieden« sei und jedes revolutionären Charakters entbehre. Unermüdlich wirkte die Spartakusgruppe auf ihren illegalen Konferenzen für die Aktivierung der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, die in Karl Liebknecht ihren großen Führer verehrte. Der 1. Mai 1916 wurde zum Kampf tag gegen den Krieg erklärt. Auf einer riesigen Friedensdemonstration auf dem Potsdamer Platz in Berlin gab Liebknecht die Parole aus: »Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!« Er wurde sofort vernaftet und vom Militärgericht zunächst zu 2 1/2 Jahren, in 2. Instanz zu 4 Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Der Prozeß, den Liebknecht zu unentwegten Angriffen gegen die Kriegspolitik benutzte, wurde von der Arbeiterschaft mit Streiks und Massendemonstrationen, vom Spartakusbund mit unablässiger Agitation begleitet. Der Bann des Burgfriedens war gebrochen. Doch die Repressalien ließen nicht auf sich warten: Tausende von Arbeitern mußten für ihren Protest im Schützengraben oder im Gefängnis büßen; die Wortführer des Spartakusbundes verschwanden hinter Gittern. Rosa Luxemburg wurde am 10. Juli 1916 in »Schutzhaft« genommen, aus der sie erst am 9. November 1918 wieder freikam. Die Nachrichten aus Rußland verfolgte Rosa Luxemburg mit 18
den größten Hoffnungen, aber auch mit wachsender Ungeduld. Im Herbst 1918 nahm sie in einer Abhandlung Die russische Revolution kritisch zum Vorgehen der Bolschewiki Stellung. Das Heilmittel gegen die Mängel der Demokratie, das Lenin und Trotzki in der völligen Abschaffung der Demokratie erblickt hatten, hielt sie für verderblich; gerade die konsequente Verwirklichung nicht der bürgerlichen, sondern der sozialistischen Demokratie werde aus sich selbst alle regulierenden Kräfte zur überwindung der Mängel hervorbringen. Die Diktatur einer Partei oder Clique lehnte Rosa Luxemburg ab. Die Alternative Diktatur oder Demokratie habe in der sozialistischen Politik keinen Platz, vielmehr müsse die »Diktatur des Proletariats«, die zum Abbau der alten Gesellschaftsordnung nötig sei, mit der uneingeschränktesten Demokratie, mit der ungehinderten Teilnahme und Aktivität der Bevölkerung verbunden sein. Mit der Erörterung der Frage: Diktatur oder Demokratie hatte Rosa Luxemburg schon kurz vor ihrer Befreiung aus dem Gefängnis in die Auseinandersetzungen in der deutschen Sozialdemokratie eingegriffen. Die Anhänger des Burgfriedens in der SPD hatten Anfang 1916 zuerst Karl Liebknecht, dann die achtzehn oppositionellen Abgeordneten, die im Dezember 1915 gegen die Kriegskredite gestimmt hatten, aus der Reichstagsfraktion ausgeschlossen; nach ihrem Ausschluß aus der Partei gründeten die Kreditverweigerer 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Die USPD-Führung legte sich auf den parlamentarischen Kampf für Frieden und gleiches Wahlrecht fest. Trotz ihrer grundsätzlich anderen revolutionären Zielsetzung schloß sich die Spartakusgruppe der USPD an. So entstand wieder eine sozialistische Partei voll innerer Gegensätzlichkeiten und divergierender Strömungen. Unter der Führung von Leo Jogiches hatte Spartakus in der Hoffnung, die USPD von innen umgestalten zu können, auf eine eigene Parteigründung verzichtet. Je nach den lokalen Verhältnissen gewannen tatsächlich in manchen Orten die Ideen der Spartakisten großen Einfluß auf die Aktionen der Partei. Die offizielle Linie der USPD formulierte aber Kautsky, wenn er sich in der Frage Diktatur oder Demokratie wegen der Unreife des Landes für die bürgerliche Demokratie unter Verzicht auf die sozialistische Umwälzung entschied.
Im Oktober 1918 war die parlamentarische Demokratie im Deutschen Reich Wirklichkeit geworden. Das Ende des Krieges stand nahe bevor, und so sahen sich die Mehrheitssozialdemokr~ten, die mit zwei Staatssekretären in der Regierung des Pnnzen Max vertreten waren, und die rechten Führer der USPD in den wesentlichen Punkten am Ziel ihrer Bemühungen und strebten keine einschneidenden Veränderungen mehr an. Den Willen, die Bewegung weiter zu treiben, bekundete die Gruppe Spartakus auf einer Konferenz am 7. Oktober mit der Forderung nach Enteignung des Bankkapitals, der Bergwerke, Hütten und Großbetriebe und des Großgrundbesitzes. Die Dynastien und Einzelstaaten sollten abgeschafft, Arbeiter- und Soldatenräte überall eingerichtet werden. Das war, jedenfalls in den Grundzügen, das Programm, mit dem Spartakus in der deutschen Revolution auftreten sollte. Am 23. Oktober wurde Karl Liebknecht aus dem Zuchthaus entlassen. Im Triumphzug wurde er vom Bahnhof zum Potsdamer Platz geleitet, wo er zur Revolution aufrief. Die Polizei wagte nicht einzuschreiten. Die revolutionären Obleute von Berlin, die innerhalb der USPD die aktive Arbeiterschaft aus den Großbetrieben anführten, neigten im Gegensatz zum Parteivorstand im Oktober 1918, als sich die revolutionäre Hochspannung in immer neuen Demonstrationen entlud, der Auffassung zu, daß die sozialistische Umwälzung in Deutschland möglich sei. Auf zahlreichen Besprechungen suchte Liebknecht die revolutionären Obleute zum Losschlagen zu bewegen. Aber noch. am 4. November, als bereits die ersten Nachrichten von der Matrosenrevolte in Kiel eintrafen, wollten die Obleute noch eine Woche Zeit, um die Revolution in allen technischen Einzelheiten vorzubereiten. Liebknechts Warnungen, die Mehrhe.itssozialdemokraten würden den Zögernden zuvorkommen, bheben unbeachtet. So entstand die groteske Situation, daß die Matrosen den Aufruhr in vielen Großstädten bereits begonnen hatten, während in Berlin alles stillblieb. Wenn aber irgendwo, so mußte es in Berlin, wo durch das Bündnis zwischen Spartakus und den Obleuten eine einmalig günstige Konstellation gegeben war, gelingen, die revolutionäre Bewegung über eine bloße Machtübernahme hinauszutreiben und die sozialistische Umwälzung folgen zu lassen. Als überall im Lande die Massen der SPD-Anhänger Front 20
gegen die von ihrer Partei mitgetragene Regierung machten sahen sich die sozialdemokratischen Staatssekretäre gezwun~ gen, am 9. November aus der Regierung auszuscheiden. Obwohl Ebert ' die Monarchie gern aufrecht erhalten hätte erkl~rte Prinz Max die Abdankung des Kaisers und übertru~ das Reichskanzleramt an Ebert. Nur so, indem sich Ebert selbst an die Spitze der Revolution setzte, die er nach seinen eigenen Worten »haßte wie die Sünde «, schien es noch möglich, sie u.nte: K?n~rolle zu bringen. Denn seit dem Morgen bewegte sich 111 neslgen Marschsäulen die Arbeiterschaft aus den Großbetrieben der Innenstadt zu. Die starken Truppenteile, die man zum Schutz der Hauptstadt zusammengezogen hatte schlossen sich kampflos an. ' Es kam dann wirklich so, wie Liebknecht befürchtet hatte: Der wendige Scheidemann, morgens noch kaiserlicher Staatssekretär, rief mittags schon die »Freie Deutsche Republik« aus. Freilich meinte er damit etwas grundsätzlich anderes als Liebknecht der wenig später die »Freie Sozialistische Republik Deutsch~ land« proklamierte. Liebknecht hob gleich mahnend hervor daß die Hauptaufgabe, der Aufbau der Regierung der Arbei~ ter und Soldaten, noch bevorstehe. Die Verhandlungen über die Bildung der neuen Regierung begannen sofort. Die SPD-Führer forderten Liebknecht auf in die Regi~rung einzutreten, da sein Name sich günstig auf' die WaffenstIllstandsverhandlungen auswirken werde. Als Vorbedingung für einen befristeten Eintritt verlangte Liebknecht die übertragung der Legislative, Exekutive und der Jurisdiktion an die gewählten Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte und den A.usschluß al~er bürgerlichen Minister. Da diese Bedingungen mcht akzeptiert wurden, verzichtete Liebknecht auf eine Teilnahme, der Parteivorstand der USPD aber erklärte sich bereit. Am nächsten Tag gelang es den Mehrheitssozialisten mühelos, die revolutionäre Bewegung zu majorisieren. In der am 10. November tagenden Vollversammlung der Arbeiterund Soldatenräte hatte die SPD vor allem durch die Stimmen der Soldatenräte die Mehrheit. Mit der von Ebert propagierten und mit Begeisterung aufgenommenen Parole der »Einheit « wurden alle Bedenken Liebknechts, der vor dem Zusammeng~hen mit den rechten Sozialdemokraten warnte, niedergestImmt. Der Rat der Volksbeauftragten wurde paritätisch aus 21
SPD und USPD zusammengesetzt; der Vollzugsrat, das oberste Organ der Arbeiter- und Soldaten räte Deutschlands, erhielt eine SPD-Mehrheit. Da der Spartakusbund eine Zusammenarbeit mit den Mehrheitssozialdemokraten abgelehnt hatte, war er nun in keinem der obersten Gremien vertreten; es war ihm nicht gelungen, die Führung der Revolution an sich zu reißen, und bald sollte sich Spartakus gegenüber den in der Regierung etablierten »Revolutionären« schon wieder in der Rolle des auf außerparlamentarische Kampfmittel angewiesenen Störenfrieds befinden, den zu unterdrücken den Hütern der Ordnung oberstes Gebot schien. Rosa Luxemburg war am 9. November aus dem Gefängnis in Breslau befreit worden und am 10. November in Berlin angekommen. Geschwächt und krank durch die lange Haft, setzte sie in den ihr noch verbleibenden Wochen alle Kraft daran, in Artikeln und Flugschriften immer wieder aufs neue die Ziele der Revolution darzulegen und Wege zu ihrer Verwirklichung aufzuweisen. In der Roten Fahne, die seit dem 18. November regelmäßig erschien, kommentierte sie die Tagesereignisse. Ein wichtiges Dokument aus ihrer Feder ist das Programm des am Ir. November gegründeten Spartakusbundes. Als sofortige Maßnahmen zur Sicherung der Revolution forderte das Spartakusprogramm: Entwaffnung der Polizei und aller Angehörigen der herrschenden Klassen, Bewaffnung des Proletariats und Bildung einer Roten Garde; Beseitigung aller Parlamente und Gemeinderäte und die übernahme ihrer Funktionen durch Arbeiter- und Soldatenräte; Enteignung des großen und mittleren Grundbesitzes, aller Banken, Bergwerke, Hütten und Großbetriebe; Aufnahme der Verbindung mit den ausländischen Bruderparteien, um die Revolution auf eine internationale Basis zu stellen. Es ist auf die im Vergleich zu Rosa Luxemburgs Schrift über die Russische Revolution radikalere Tonart des Spartakusprogrammes hingewiesen worden. Zweifellos haben Formulierungen wie: »Dem Feinde [ ... ] Daumen aufs Auge und Knie auf die Brust! « dazu beigetragen, daß das Klischee von der »blutigen Rosa« entstehen konnte. Man wird jedoch den Wandel in der Diktion nicht nur auf den unterschiedlichen Charakter einer wissenschaftlichen Betrachtung und einer für die breiten Massen berechneten Kampfschrift zurückführen dürfen; aus dem 22
Inhalt des Programms ergibt sich klar, daß der Zusammenprall mit der rauhen Wirklichkeit der deutschen Revolution Rosa Luxemburg die Einsicht aufgedrängt hat, die proletarische Revolution brauche keinen Terror, um ihre Ziele zu erreichen, die herrschenden Klassen aber würden bei der Verteidigung ihrer Privilegien vor keiner Brutalität und Grausamkeit zurückschrecken und damit den Kampf unvermeidlich machen. Im Dezember 1918 begannen die gegenrevolutionären Kräfte, die die Schwäche und Laschheit der neuen Machthaber erkannt hatten, sich zur Abwehr zu formieren. Am 1. Dezember wurden das »Generalsekretariat zum Studium und zur Bekämpfung des Bolschewismus« und die »Antibolschewistische Liga« gegründet. Diesen Institutionen wurden von der Großindustrie ungeheure Summen zur Verfügung gestellt, die zur Anwerbung von Freiwilligenverbänden und zur Hetze gegen Spartakus verwendet wurden. Indem man Spartakus mit den russischen Bolschewisten gleichsetzte, deren Taten die bürgerlichen Schichten mit Schrecken erfüllten und ihren Willen zur Gegenwehr verstärkten, hatte die Haßpropaganda leichtes Spiel. Unter den Plakaten aus dem Dezember 1918, die das Gespenst des Bolschewismus bildlich als bluttriefende Bestie darstellten oder die Vernichtung der Religion, die Sozialisierung der Frauen durch Bolschewismus und Spartakusbund prophezeiten, ist das ruchloseste wohl jenes, das zur Rettung des Vaterlandes vor der inneren Bedrohung durch die Spartakusgruppe aufforderte mit den Worten: »Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet Ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten.« Die Unterschrift »Die Frontsoldaten« war eine Mystifikation, denn die aus dem Felde heimkehrenden Truppen hatten sich aufgelöst, wo immer sie in der Heimat mit der Revolution in Berührung gekommen waren. Einige besonders zuverlässige Divisionen waren jedoch nach einer geheimen Abmachung zwischen Ebert und General Groener in der Umgebung von Berlin zusammengezogen bzw. neu aufgestellt worden. Dem Wunsch der Obersten Heeresleitung, dem Räte-»Unwesen« ein Ende zu machen und die »Ordnung« in Berlin wiederherzustellen, zeigte sich Ebert sehr aufgeschlossen. Am 6. Dezember gab ein Putschversuch, bei dem der Vollzugsrat verhaftet und Ebert zum Präsidenten der Republik ausgerufen werden sollte, den 23
Bestrebungen der Gegenrevolution Ausdruck. Bezeichnenderweise sollten auch Rosa Luxemburg und Liebknecht festgenommen werden. Am Abend des selben Tages wurden sechzehn Teilnehmer einer Spartakusdemonstration von Regierungstruppen niedergeschossen. Der Putsch war fehlgeschlagen, trug aber zur Verschärfung der Gegensätze zwischen Regierungsanhängern und der radikalen Arbeiterschaft bei. Die trügerische »Einheit « der Novembertage wurde nicht mehr zur Schau getragen; der offene »Bruderkrieg« zwischen den sozialistischen Parteien war ausgebrochen. Was den Putschisten nicht gelungen war, die Ausschaltung der Räte, vollzog sich wenig später auf legalem Wege. Vom 16. bis 21. Dezember tagte in Berlin der Reichskongreß der Arbeiterund Soldatenräte Deutschlands. Liebknecht und Rosa Luxemburg hatten kein Mandat erhalten. Liebknecht forderte auf einer Massendemonstration von den Delegierten die Auflösung der Regierung und die Entwaffnung der Gegenrevolution. Der Kongreß jedoch, auf dem die SPD die absolute Mehrheit besaß, übertrug die gesetzgebende und vollziehende Gewalt bis zum Zusammentreten der Nationalversammlung auf den Rat der Volksbeauftragten. Der neu gewählte Zentralrat der Arbeiterund Soldatenräte, der lediglich eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung haben sollte, wurde von der SPD allein beherrscht, da die USPD unter dem Druck ihres linken Flügels auf eine Teilnahme verzichtet hatte. Damit war nicht nur in der grundlegenden Frage der deutschen Revolution die Entscheidung gegen die Räte gefallen; auch die Position der drei USPD-Volksbeauftragten in der Regierung war unhaltbar geworden. Eine neue Zuspitzung erfuhr die Lage in Berlin durch die Vorfälle der »Blutweihnacht«. In einem Streit zwischen der Volksmarinedivision und dem Stadtkommandanten Wels um rückständige Löhnung und Räumung des Schlosses gingen die Matrosen so weit, die Regierung unter Hausarrest zu stellen. Ebert forderte über seine geheime Telefonverbindung Hilfe von der Obersten Heeresleitung (OHL) an. Am Morgen des 24. Dezember traten Fronttruppen zum Sturm auf das Quartier der Matrosen in Schloß und Marstall an, wurden aber von Arbeitern und Arbeiterinnen, die sich in einer Gefechtspause unter die Soldaten mischten, in Diskussionen verwickelt und
zur Einstellung der Kampfhandlungen bewogen. Die Beerdigung der elf gefallenen Matrosen gestaltete sich zu einer Kampfansage der radikalen Arbeiterschaft gegen die »Matrosenmörder« Ebert, Landsberg und Scheidemann. Als nun unter dem Druck ihrer linken Anhängerschaft die Volksbeauftraten der USPD aus der Regierung ausschieden, machten Rosa Luxemburg und ihre Freunde den Versuch, die revolutionären Obleute zum Austritt aus der USPD und zur gemeinsamen Gründung der Kommunistischen Partei zu bewegen. Das hätte den tatsächlichen Gruppierungen entsprochen und in der neuen Partei ein starkes übergewicht der mit Plan und überlegung handelnden Revolutionäre gegen die Utopisten geschaffen, deren blindes Vorwärtsstürmen sich im Januaraufstand. so verhängnisvoll auswirken sollte. D iese Leute waren es auch, die zur Diffamierung der revolutionären Bewegung gute Ansatzpunkte boten. Als »Liebknechts bewaffnete Tagediebe «, als Straßenräuber und Verbrecher tauchen sie auf Plakaten, in Zeitungsartikeln und Reden auf und haben das Ansehen von Spartakus ruiniert. Der Zusammenschluß mit den Obleuten scheiterte, und so blieben auf dem Gründungsparteitag der KPD (Spartakusbund) die besonnenen und weitschauenden Mitglieder in der Minderheit. In der entscheidenden Frage der Nationalversammlung konnten die führenden Persönlichkeiten ihre Ansicht nicht durchsetzen. Befangen in revolutionärer Ungeduld und der Illusion, daß der Zusammenbruch des kapitalistischen Systems kurz bevorstehe, lehnte die Mehrheit den »Umweg « über die Nationalversammlung ab, während Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sich bewußt waren, daß noch zähe und ausdauernde Arbeit zur Gewinnung einer breiteren revolutionären Basis in der Arbeiterschaft nottue, und daß man auf die parlamentarischen Möglichkeiten, auf die die deutsche Arbeiterbewegung seit Jahrzehnten eingeschworen war, nicht verzichten sollte. In einer großen Rede entwickelte Rosa Luxemburg das Programm der neuen Partei. Nach der Periode der nur politischen Umwälzung müsse nun die Zeit der ökonomischen Auseinandersetzung folgen. Dies sei der Punkt, an dem die Bourgeoisie Ernst machen und die Regierung Ebert-Scheidemann zum Abtreten zwingen werde. Es stehe also eine Periode härterer 25
Kämpfe bevor. Entsprechend dem Massencharakter der Revolution könne die Umwälzung nicht oben ansetzen, sondern an unzähligen Punkten auf der untersten Ebene müsse der Proletarier praktische Erfahrung im Kampf am Arbeitsplatz und in der öffentlichen Verwaltung sammeln. Eine weitere Voraussetzung sei das Hinaustragen des Klassenkampfes aufs Land, das noch gewonnen werden müsse; denn nie werde der Spartakusbund die Regierungsgewalt anders übernehmen als durch die unzweideutige Zustimmung der großen Mehrheit des deutschen Proletariats. Eine Prophezeiung über den Endpunkt dieses revolutionären Pro~esses wollte Rosa Luxemburg nicht machen - »wenn nur unser Leben ausreicht, es dahin zu bringen«, so schloß sie ihr Referat. In diesen Worten scheint eine Todesahnung anzuklingen, die nicht nur in gesundheitlicher Schwäche, sondern auch in der planmäßig angeheizten Pogromstimmung gegen Spartakus ihre Wurzeln gehabt haben mochte. Selbst die Vorfälle der »Blutweihnacht« schob man den Spartakisten in die Schuhe, und immer wieder wurde der Spartakusbund als das Böse an sich mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht identifiziert. Auch von Liebknecht ist aus jenen Tagen überliefert, daß er mit Todesgedanken umging. Falls eine Mordkugel ihn treffen sollte, so sagte er in einer Rede, solle man den Täter schonen, die Schuldigen seien andere. Daß es schon in den ersten Januartagen in Berlin zum Entscheidungskampf zwischen der radikalen Arbeiterschaft und den Regierungsanhängern kam, hatte im Spartakusprogramm und in Rosa Luxemburgs letzter großer Rede keine Grundlage. Die psychologischen Voraussetzungen für den Ausbruch der Feindseligkeiten waren durch Agitation und Hetze auf beiden Seiten geschaffen; dennoch wurden alle Beteiligten von den Ereignissen des 5. Januar überrascht. Daß die OHL sich schon seit Woch~n durch Truppenkonzentrationen um Berlin auf den Kampf vorbereitet hatte, gab schließlich den Ereignissen die verhängnisvolle Wendung: Gestützt auf die Macht der kaiserlichen Offiziere schob die Regierung alle Möglichkeiten zum gütlichen Ausgleich beiseite und beschloß, mit Gewalt Ordnung zu schaffen. Nach dem Ausscheiden der USPD aus der Regierung waren fast alle ihr angehörenden höheren Beamten zurückgetreten, nur
26
der Polizeipräsident von Berlin, Eichhorn, weigerte sich, seine am 4. Januar verfügte Entlassung zu akzeptieren. Er betrachtete seinen Posten als eine Machtposition des revolutionären Proletariats, die man nicht preisgeben dürfe. Am 5. Januar erging ein von der USPD, den revolutionären Obleuten und der KPD gemeinsam verfaßter Aufruf an die Berliner Arbeiterschaft, der in starken Tönen, als gelte es das Schicksal der Revolution, zu Massendemonstrationen für Eichhorn aufforderte. Am 5. und 6. Januar beherrschten die revolutionären Arbeiter, unter ihnen viele Bewaffnete, die Straßen von Berlin. Die sie gerufen hatten, waren sich aber keineswegs darüber -im klaren, was weiter werden sollte. In pausenlosen Beratungen, während die Demonstranten nach Waffen und Entschlüssen verlangten, wurde schließlich ein Revolutionsausschuß unter dem Vorsitz von Liebknecht, Ledebour und Scholze gegründet. Unter dem Einfluß von unzutreffenden Nachrichten, daß die in Berlin stehenden Truppen auf die Seite der Revolution übergehen wollten, wurde der Beschluß gefaßt, den Kampf um die Macht zu wagen und die Regierung zu stürzen. In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar wurde der Ausschuß von der Meldung überrascht, daß bewaffnete Stoßtrupps radikaler Spartakisten auf eigene Faust das Vorwärts-Gebäude und Verlagshäuser anderer großer Tageszeitungen besetzt hätten. Damit waren die Feindseligkeiten eröffnet und ein Zurückgehen nicht mehr gut möglich. Zwischen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kam es zu schweren Auseinandersetzungen, weil Liebknechts intensive Beteiligung an dem gewagten Unternehmen keineswegs der Spartakus-Taktik entsprach. Nachdem aber die ersten Schritte getan waren, entschloß sich auch Rosa Luxemburg, Partei für die bereits kämpfenden Arbeiter zu nehmen. Tag für Tag suchte sie in der Roten Fahne erreichbare Teilziele für die Aktion aufzuzeigen und forderte vom Revolutionsausschuß schnelles und entschlossenes Handeln. Der aber kam über endlose Beratungen nicht hinaus und ließ die Massen ohne Führung. Bereits am 6. Januar traten die revolutionären Obleute in Verhandlungen mit der Regierung ein, nur der Spartakusbund harrte bei den Kämpfenden aus. Die letzten Lebenstage von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren von der tragischen Entscheidung verdüstert, die sie wider besseres Wissen an
den verfehlten und aussichtslosen Berliner Aufstand fesselte. Rosa Luxemburg erlitt mehrere Zusammenbrüche; Liebknecht eilte rastlos von einem Brennpunkt der Gefechte zum anderen und verzehrte so seine Kraft, die für eine vorausschauende Planung der Aktionen dringender gebraucht worden wäre. Die Regierung war entschlossen, diesmal aufs Ganze zu gehen. Zunächst war sie ohne Machtmittel, da die in Berlin stationierten Truppen sich neutral erklärt hatten, und deshalb bereit, auf Verhandlungen mit den Obleuten einzugehen. Mit der von der Regierung geforderten Vorleistung, der Räumung des Vorwärts-Gebäudes, die die Unterhändler nicht herbeiführen konnten, wurden aber die Erfolg versprechenden Unterredungen hingezogen, um Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig mit der Aufnahme der Verhandlungen war nämlich der Volksbeauftragte Noske zum Oberbefehlshaber von Berlin ernannt worden. Er nahm sein Amt an mit den Worten: »Einer muß der Bluthund sein, ich scheue die Verantwortung nicht.« Obwohl sich mehrere Freiwilligen-Regimenter aus regierungstreuen Arbeitern und Bürgerlichen bildeten, die die Hauptlast der Kämpfe in Berlin getragen haben und zur Niederwerfung des Aufstandes genügt hätten, wandte sich Noske an die Offiziere der alten Armee, um dann zu einem Zeitpunkt, als die blutigen Auseinandersetzungen mit der Rückeroberung des Vorwärts und der anderen Zeitungshäuser schon nahezu beendet waren, am Ir. Januar an der Spitze von dreitausend Mann in die Hauptstadt einzuziehen. In den nächsten Tagen folgten weitere Divisionen, die Berlin in ein Heerlager verwandelten. Die Garde-Kavallerie-Schützen-Division verkündete in einem Begrüßungsplakat, was der Sinn dieser Truppenmassierung jetzt nur noch sein konnte: die Ordnung endgültig wiederherzustellen. Nach der Niederwerfung des Aufstandes, der der Berliner Arbeiterschaft große Verluste nicht nur durch die Kampfhandlungen, sondern auch durch widerrechtliche ~r schießungen von Parlamentären und Gefangenen durch Regierungstruppen gebracht hatte, galt es nun im Sinne des »Ordnungrnachens« noch, der Anführer habhaft zu werden. Am I 3. Januar erschien im Vorwärts ein Gedicht von Artur Zickler, das mit den Zeilen endete:
Viel hundert Tote in einer ReihProletarier! Karl, Rosa, Radek und Kumpanei, es ist keiner dabei, es ist keiner dabei! Proletarier! Die so Apostrophierten befanden sich seit Tagen au~ der Flucht von einem illegalen Quartier zum andern. Berlm zu verlassen hatten sie aus Gründen der Solidarität abgelehnt" aber ihre Lage war bedrohlich. Polizei und Spitzelorganisationen die schon ein paarmal versucht hatten, Liebknecht und Rosa Luxemburg zu verhaften, waren den Spartakusführern auf den Fersen. In verschiedenen Prozessen des Jahres 1919 tauchte immer wieder das Gerücht auf, daß vom »Helferdienst der sozialdemokratischen Partei « eine Kopfprämie von 100000 Mark auf die Ergreifung von Liebknecht und Luxemburg ausgesetzt worden sei; schriftliche Bewe.ise für .die~e Behauptung gibt es verständlicherweise nicht. In emem Mmeilungs?latt gab Fritz Henck, der Schwiegersohn Scheidemanns, den Viele Zeugen mit der ausgesetzten Prämie in Ver?indung brachten~ am 14. Januar der Berliner Bevölkerung die makabre VeCSlcherung, die Häupter der Bewegung würden nicht u?gesch.oren davonkommen; schon in wenigen Tagen werde sich zeigen, »daß auch mit ihnen Ernst gemacht wird «. Als Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht am 15. Januar an ihrem letzten Zufluchtsort von der Wilmersdorfer Bürgerwehr verhaftet wurden, konnten sie sich keine Illusionen über das Schicksal machen, das sie erwartete.
Rosa Luxemburg, Ordnung herrscht in Berlin
[ ... ] >Ordnung herrscht in Berlin! < verkündet triumphierend die bürgerliche Presse, verkünden Ebert und Noske, verkünden die Offiziere der >siegreichen Truppen <, denen der Berliner kleinbürgerliche Mob in den Straßen mit Tüchern winkt, mit Hurra! zujubelt. Der Ruhm und die Ehre der deutschen Waffen sind vor der Weltgeschichte gerettet. Die jämmerlich Geschlagenen von Flandern und den Argonnen haben ihren Ruf wiederhergestellt durch den glänzenden Sieg - über die 300 >Spartakisten< im >Vorwärts" Die Zeiten des ersten ruhmreichen Eindringens deutscher Truppen in Belgien, die Zeiten Generals von Emmich, des Bezwingers von Lüttich, erblassen vor den Taten der Reinhardt und Gen. in den Straßen Berlins. Niedergemetzelte Parlamentäre, die über die übergabe des >Vorwärts< verhandeln wollten und von der Regierungs-Soldateska mit Kolben bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet wurden, so daß die Rekognoszierung ihrer Leichen unmöglich ist, Gefangene, die an die Wand gestellt und in einer Weise hingemordet werden, daß Schädel und Hirn herumspritzen: Wer denkt da noch angesichts so glorreicher Taten an die schmählichen Niederlagen vor den Franzosen, Engländern und Amerikanern? >Spartakus< heißt der Feind und Berlin der Ort, wo unsere Offiziere zu siegen verstehen. Noske, der >Arbeiter<, heißt der General, der Siege zu organisieren weiß, wo Ludendorff versagt hat. [ ... ] >Ordnung herrscht in Warschau!< - >Ordnung herrscht in Paris!< - >Ordnung herrscht in Berlin!< So laufen die Meldungen der Hüter der >Ordnung< jedes halbe Jahrhundert von einem Zentrum des weltgeschichtlichen Kampfes zum andern. Und die frohlockenden >Sieger< merken nicht, daß eine >Ordnung<, die periodisch durch blutige Metzeleien aufrechterhalten werden muß, unaufhaltsam ihrem historischen Geschick, ihrem Untergang entgegengeht. [ ... ] >Ordnung herrscht in Berlin!< Ihr stumpfen Schergen! Eure >Ordnung< ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon >rasselnd wieder in die Höh' richten< und zu
31
eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!' , Auszüge aus Rosa Luxemburgs letztem Aufsatz in Die Rote Fahne vom 14. Januar '919. Zit. nach: Rosa Lu xemburg, Politische Schriften 11; Frankfurt/Mo 1966.
Karl Liebknecht, Trotz alledem!
[ .. . ] Die Geschlagenen von heute werden die Sieger von morgen sein. Denn die Niederlage ist ihre Lehre. [ ... ] Denn Spartakus - das heißt Feuer und Geist, das heißt Seele und Herz, das heißt Wille und Tat der Revolution des Proletariats. [ ... ] Denn Spartakus, das heißt Sozialismus und Weltrevolution. Noch ist der Golgathaweg der deutschen Arbeiterklasse nicht beendet - aber der Tag der Erlösung naht. [ ... ] Himmelhoch schlagen die Wogen der Ereignisse - wir sind es gewohnt, vom Gipfel in die Tiefe geschleudert zu werden. Aber unser Schiff zieht seinen geraden Kurs fest und stolz dahin bis zum Ziel. Und ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht wird leben wird unser Programm: es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotz alledem!' , Aus Karl Liebknechts letztem Aufsatz in Die Rote Fahne vom, 5. Januar '919. Zit. nach: Geschichte der deutschell Arbeiterbewegung, Berlin 1966, Band 3, S. '91.
33
Der Mord im Spiegel zeitgenössischer Presseberichte
An jenem 15. Januar 1919, als Liebknechts Artikel Trotz alledem! erschien, wurden er und Rosa Luxemburg ermordet. Die Auseinandersetzung um den Mord wurde vor allem im Vorwärts, dem »Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands«, und in der Freiheit, dem "Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands« geführt. Die bürgerliche Presse zeigte nach der Nachricht vom Tode Liebknechts und Luxemburgs wenig Interesse an den Einzelheiten, die zu ihrem gewaltsamen Ende geführt hatten. Die Rote Fahne, das »Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands«, war nach dem Tode ihrer Herausgeber Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg bis zum 3. Februar nicht mehr erschienen. Am 12. Februar konnte Leo Jogiches die entscheidenden Feststellungen über das Mordgeschehen in der Roten Fahne veröffentlichen. Die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts entflammte die Leidenschaften, die eben gewaltsam erstickt worden waren, aufs neue. Der grundsätzliche Kampf zwischen den vorwärts drängenden revolutionären Kräften und den Schützern von »Ruhe und Ordnung« wurde nun in den Spalten der sozialistischen Presse ausgetragen. Wie der Januaraufstand war auch diese Zeitungsfehde ein »Bruderkrieg« innerhalb der Sozialdemokra tie. Der regierungsamtliche Vorwärts hatte als erstes Blatt Nachricht von der Verhaftung Liebknechts. In der Morgenausgabe vom Donnerstag, dem 16. Januar, erschien folgende Meldung: Verhaftung Liebknechts. Am Mittwoch morgen veröffentlichte die ~Rote Fahne« einen Artikel Liebknechts, worin er erklärte, die Spartakusführer seien nicht geflohen, und der schließliche Triumph sei ihnen sicher. Gegen Abend wurde einigen Wilmersdorfer Einwohnern bekannt, daß Liebknecht sich bei dem ihm eng befreundeten Ehepaar Marcusson in der Mannheimer Straße 43 aufhalte. Es gelang, Liebknecht
35
festzunehmen und einer Militärpatrouille zu übergeben, die ihn im Auto zum Stab der Garde-Kavallerie-Division in das Edenhotel am Zoologischen Garten brachte. Liebknecht soll zunächst geleugnet haben, Karl Liebknecht zu sein. Es wurden jedoch an ihn gerichtete Briefe bei ihm gefunden, die Wäsche des Verhafteten trug die Buchstaben K. L. überdies wurde Liebknecht auch von mehreren Personen zweifelsfrei erkannt. [ ... ]
Im Laufe des r6. Januar verbreitete das Wolffsche Telegraphenbüro eine »amtliche Darstellung« des Mordes, die in den Mittag- und Abendausgaben der Tageszeitungen abgedruckt wurde; so auch in der Vossischen Zeitung vom r 6. Januar r 9 r 9: Liebknechts und Rosa Luxemburgs Ende. über die Erschießung Liebknechts beim Fluchtversuch und über die Tötung der Frau Rosa Luxemburg auf der Fahrt zum Untersuchungsgefängnis erhalten wir vom Stabe der Garde-Kavallerie-SchützenDivision folgenden Bericht: I. Am Mittwoch, den I 5. Januar, gegen 9.30 abends, wurde durch Mannschaften der Wilmersdorfer Bürgerwehr der in Wilmersdorf, Mannheimer Straße 43 vorläufig festgenommene Dr. Karl Liebknecht und gegen IO Uhr die gleichfalls dort vorläufig festgenommene Frau Rosa Luxemburg beim Stabe der Garde-Kavallerie-Schützen-Division eingeliefert. Nach kurzer Vernehmung der vorläufig Festgenommenen zur Feststellung ihrer Personen wurde zunächst Dr. Liebknecht eröffnet, daß er sich weiterhin als vorläufig festgenommen anzusehen habe und auf Anordnung der vorgesetzten Dienststelle (Abt. Lüttwitz) in das Moabiter Untersuchungsgefängnis geschafft würde, wo die Weiterverfügung über ihn die Reichsregierung zu treffen habe. [ ... ] Die Nachricht von der Verhaftung und dem Aufenthaltsort von Liebknecht und Rosa Luxemburg hatte sich schnell in der Umgebung des Hotels verbreitet. Die Folge davon war eine große Menschenansammlung vor dem Eden-Hotel. Teile des Publikums drangen bis in die Halle des Hotels ein. Von der G. K. S. D. erhielt der Führer der in Aussicht genommenen Begleitmannsch'aft daher den ausdrücklichen Befehl, von der Menge unbemerkt Dr. Liebknecht durch einen Seitenausgang aus dem Haus zu schaffen, und ihn mit einem Dienstautomobil nach Moabit zu bringen. Der Führer machte Dr. Liebknecht ausdrücklich darauf auf-
merksam, daß er bei einem Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch machen werde. Inzwischen aber hatte sich bereits auch am Seitenausgang eine zahlreich'e Menschenmenge versammelt, so daß es der Begleitmannschaft nur mühsam gelang, sich einen Weg zu bahnen. Als Liebknecht und die Begleitmannschaften gerade im Wagen Platz genommen hatten, und der Wagen im Begriff war, anzufahren, erhielt Liebknecht aus der den Wagen umdrängenden Menge von hinten von einem unbekannten Täter einen wuchtigen Sd1lag auf den Kopf, durch den er eine stark blutende Kopfverletzung davon trug. Der Führer der Begleitmannschaft ließ daraufhin das Automobil so sd1l1ell wie möglich anlaufen, um L. vor der Menge zu sd1ützen. Zur Vermeidung von Aufsehen wählte der Führer der Begleitmannsroaft einen Umweg durch den Tiergarten nach Moabit. Am Neuen See blieb der Kraftwagen stehen, der offenbar durch das schnelle Anfahren in Unordnung geraten war. Als auf Befragen der Kraftwagenführer angab, daß die Wiederherstellung der Maschine einige Zeit erfordern würde, fragte der Führer der Begleitmannschaft Dr. Liebknecht, ob er sich kräftig genug fühle, die Charlottenburger Chaussee zu Fuß zu erreichen. Hierbei leitete ihn die Absicht, sich eines Mietwagens zu bedienen, falls der Dienstwagen nicht bald wieder fahrbereit gemacht werden könne. Als sich die Begleitmannschaft etwa 50 m vom Wagen entfernt hatte, machte sich Liebknecht von ihnen los und rannte eiligst in gerader Richtung von ihnen fort. Der eine Begleitmann wollte ihn halten, erhielt aber von Liebknecht einen Messerstich in die rechte Hand. Da Liebknecht auf mehrfaches Anrufen nicht stehen blieb, schossen mehrere Leute der Begleitmannschaft hinter ihm her; einige Augenblicke später stürzte Liebknecht zusammen und war anscheinend sofort tot. 2. Auf Befehl der G. K. S. D. wurde etwa um IO Uhr abends einer zweiten Begleitmannschaft befohlen, Frau Rosa Luxemburg in das Untersuchungsgefängnis zu überführen. Da sich wegen des Abtransportes von Karl Liebknecht durch den Seitenausgang gerade dort eine große Menschenmenge angesammelt hatte, versuchte der Führer der Begleitmannschaften die Menge dadurch zu zerstreuen, daß er mit lauter Stimme vor dem Seitenausgang rief, der Abtransport der Rosa Luxemburg sei bereits erfolgt. Der Führer ließ dann das Automobil abfahren und erteilte dem Wagenführer zur weiteren Irreführung der Menge mit lauter Stimme den Befehl, nach Hause zu fahren. Der Wagen fuhr dann in einem Bogen an der Kaiser-Wilhelm-
37
Teil des Berliner Stadtplans I Gedächtnis-Kirche vorbei und wieder zurück vor den Haupteingang des Hotels. Zur Zeit des Vorfahrens war der Haupteingang menschenleer. Der Führer der Begleitmannschafl:en forderte die in einem Zimmer des ersten Stockes befindliche Frau Rosa Luxemburg auf, ihm schnell nach dem Wagen zu folgen und ging selbst zu ihrem Schutze vor ihr
her, während die Begleitmannschaften sie umringten. Innerhalb der wenigen Minuten zwischen der Vorfahrt des Wagens und der Abholung der Frau Luxemburg hatte sich aber eine zahlreiche Menschenmenge vor dem Hotel und in der Halle des Hotels angesammelt. Die Menge nahm eine drohende Haltung gegen Frau Luxemburg ein, es fielen Verwünschungen und es wurde mehrfach der Versuch gemacht, gegen Frau Luxemburg tätlich zu werden. Den Begleitmannschaften gelang es, Frau Luxemburg zum Wagen zu bringen und den Eingang des Wagens freizuhalten. Da sich aber auch an der Straßenseite eine erregte Menschenmenge angesammelt hatte, welche gleichfalls dem Wagen zu drängte, so befand sich die Begleitmannschaft vorübergehend in einem erregten Menschenknäuel und wurde auseinandergerissen. In diesem Augenblick schlug die Menschenmenge auf Frau Luxemburg ein. Diese wurde von dem Führer der Transportmannschaften aufgefangen und bewußtlos von ihm und seinen Leuten in den Wagen gebracht. Frau Luxemburg lag halb zurückgelehnt auf dem Vordersitz des Wagens. Als sich dieser der Menge wegen langsam in Bewegung setzte, sprang plötzlich ein Mann aus der Menge auf das Trittbrett und gab auf Frau Luxemburg einen Pistolenschuß ab. Auf Befehl des Führers der Begleitmannschaften versuchte der Wagen daraufhin in schneller Fahrt den Kurfürstendamm in Richtung Berlin hinunterzufahren, wurde aber in der Nähe des Kanals plötzlich durch Haltrufe zum Anhalten aufgefordert. In der Annahme, daß es sich um eine kontrollierende Patrouille handle, hielt der Wagen führer. In diesem Augenblick drängte sich eine zahlreiche Menschenmenge an den Wagen heran, sprang auf die Trittbretter und zerrte unter den Rufen: Das ist die Rosa! den Körper der Frau Luxemburg aus dem Wagen heraus. Die Menge verschwand mit ihr in der Dunkelheit. Es ist anzunehmen, daß die Leute, die das Automobil zum Anhalten brachten, aus der vor dem Eden-Hotel versammelten Menschenmenge waren. Da sich der Kraftwagen vom Hotel aus nur langsam hatte in Bewegung setzen können, war es den Leuten möglich geworden, dem Wagen vorzueilen und ihm den Weg zu verlegen.
Außerdem ließ die Garde-Kavallerie-Schützen-Division noch folgende Meldung verbreiten (zitiert nach Vorwärts, 17. Januar 1919):
I Aus: Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution; Berlin '929, S. 295.
39
Zur Feststellung, ob die beiden Führer der Begleitmannschaften von Dr. Liebknecht und Frau Rosa Luxemburg ihre dienstliche Pflicht erfüllt haben, ist die kriegsgerichtliche Untersuchung eingeleitet worden. Der die Begleitmannschaft der Frau Rosa Luxemburg befehlende Offizier ist vom Dienst suspendiert, bis klargelegt worden ist, warum er zum Schutze der Frau Luxemburg nicht gegen das Publikum von der Waffe Gebrauch gemacht hat.
Diese wenig wahrscheinliche Darstellung der Vorgänge in der Mordnacht wurde zunächst hingenommen und in der bürgerlichen Presse, im Vorwärts und von der Regierung mit moralischen Betrachtungen kommentiert. Von dem geschichtlichen Hintergrund der Ereignisse weiß die Vossische Zeitung kein Wort zu sagen. Ganz oberflächlich versucht sie, aus dem »Temperament« der Ermordeten den Ausbruch der Kämpfe zu erklären, wobei noch ein Seitenhieb auf Liebknechts mangelnde Geistesgaben abfällt. Mit erhobenem Zeigefinger, aber doch mit schlecht verhohlener Befriedigung registriert die Vossische, daß das "Volk« selbst seine großen Führer »gerichtet« habe. Man glaubte gern an diese Version, die die beste Rechtfertigung für die Niederknüppelung der Spartakisten geliefert hätte. Vossische Zeitung, 16. J anuar 1919: Richter Lynch. Das Ende, das die bei den Führer der Spartakusbewegung Kar! Liebknecht und Rosa Luxemburg gefunden haben, erweckt zunäch'st, über jede andere Erwägung hinaus, rein menschlich den stärksten gefühlsmäßigen Widerwillen. Keine noch so berechtigte Empörung des Volkes gegen die Urheber der letzten traurigen Ereignisse vermag eine Lynchjustiz zu rechtfertigen, wie sie an Liebknecht wenigstens versucht, an Rosa Luxemburg aber in der abstoßendsten und fürchterlichsten Grausamkeit verübt worden ist. Gle ichgültig, wen dieses Verfahren betroffen hat, dennoch muß man sich von seinen Einzelheiten sch·audernd abwenden und im Namen der Menschlichkeit dagegen protestieren. Kar! Liebknecht und Rosa Luxemburg haben auf das denkbar schwerste gesündigt. Aber über ihre Strafe durfte nur ein ordnungsmäßiges Gericht entscheiden. Seine Aufgabe wäre es gewesen, sie für die Zukunft unschädlich zu machen, nicht aber grau-
same Rache an ihnen zu nehmen. Dieses Gericht würde bei seinem Spruch nicht außer Acht gelassen haben, daß Liebknecht, im Gegensatz zu vielen seiner angeblichen Anhänger, ein Idealist gewesen ist, der an die Heiligkeit seiner Mission geglaubt hat, daß er nicht erst seit heute und gestern wohl auch unter dem Zwang der Erinnerung an seinen größeren Vater sich Aufgaben zugemutet hat, denen zwar seine zähe Willenskraft, nicht aber die Höhe und Stärke seines Geistes gewachsen war. Auch Rosa Luxemburg verdient nicht als gemeine Verbrechernatur abgetan zu werden. Sie hat ungewöhnliche geistige Qualitäten besessen, in weit höherem Maße als Liebknecht; sie war eine Frau von ernster wissenschaftlicher Bedeutung; und es wird nie ganz zu verstehen sein, daß sie sich bei solcher Veranlagung von ihrem allzu heftigen Gefühlsleben auf die Bahn verderblichen Irrsinns fortreißen lassen konnte. [ ...] Es ist nicht zu verkennen, daß an den beiden terroristischen Führern eine Art Volksgericht vollstreckt worden ist. Nicht Haß gegen ihre Personen, sondern gegen die von ihnen geführte Bewegung hat ihr Ende herbeigeführt. Der Spartakus-Schrecken hat durch diese Tat seine furchtbarste Ablehnung von Seiten des Volkes erfahren.
In einer Rede in Kassel diffamierte Scheidemann die Toten als Spießgesellen von Verbrechern und als Wahnsinnige, gegen die man im Interesse der Arbeiterklasse zur Notwehr habe greifen müssen. Vorwärts, 17. Januar 1919: Eine Rede Scheidemanns. Zum Tode Liebknechts und Rosa Luxemburgs. Man hat die schrecklichen Ereignisse, die wir in Berlin in den letzten Tagen durchlebten, einen Bruderkrieg genannt. Ich kann die Berechtigung dieses Ausdruckes nur teilweise anerkennen. Verbrecher und Plünderer sind nicht meine Brüder. Der Kampf gegen das gemeine Verbrecherturn, das Geldschränke knackt und Kaufleuten mit vorgehaltener Pistole Geld und Waren wegnimmt, ist keine politische Angelegenheit. Sie hat nichts zu tun mit den inneren Auseinandersetzungen der Arbeiterbewegung. Die deutschen Arbeiter sind Sozialisten, aber keine Straßenräuber. Die Scharen von Spartakus sind ein seltsames Gemisch. An ihrer Spitze stehen und standen zum Teil Personen, die von einer politischen Wahnidee verblendet sind und waren.
Ich sage ausdrücklich waren, denn die Nachrichten vom Tode Liebknechts und der Frau Luxemburg sind richtig. Einzelheiten kenne ich noch nicht. Ich bedauere den Tod der beiden aufrichtig und aus gutem Grunde. Sie haben Tag für Tag das Volk zu den Waffen gerufen und zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgefordert. Sie sind nun selbst Opfer ihrer eigenen blutigen Terrortaktik geworden. Bei Frau Luxemburg, einer hochbegabten Russin, ist mir der Fanatismus begreiflich, nicht aber bei Liebknecht, dem Sohne Wilhelm Liebknechts, den wir alle verehrten und noch verehren. Sein Sohn, der nunmehr tote Karl Liebknecht, hat sich leider vollkommen in die russisch-terroristische Taktik einspannen lassen. Sozialdemokraten waren Liebknecht und Frau Luxemburg längst nicht mehr, denn den Sozialdemokraten sind die Gesetze der Demokratie heilig, gegen die sich jene auflehnten. Jener Auflehnung wegen und weil sich neben irrgeleiteten Arbeitern auch das wüsteste Verbrechergesindel an ihre Fersen geheftet hat, mußten und müssen wir sie bekämpfen. Wenn mein wahnsinniger Bruder die Flinte auf mich anlegt, so kann ich, wenn es (um) mich allein geht, mich erschießen lassen, um sein Blut zu schonen, aber wenn ich im Begriffe bin, mich in ein brennendes Haus zu stürzen, um Weib und Kind zu retten, und der wahnsinnige Bruder legt dann auf mich an, dann hilft nichts mehr, dann muß ich mich gegen ihn zur Wehr setzen, denn dann geht es nicht mehr um mich, sondern um viele andere. So aber lagen die Dinge. Wir sind ein geschlagenes Volk und kämpfen mit moralischen Waffen, denn andere haben wir nicht mehr, um einen gerechten Frieden. Wenn wir jetzt in Anarchie versinken, wenn wir jetzt durch den Willen Rußlands und der Spartakisten in einen neuen Krieg gehetzt würden, dann bräche auch das Letzte zusammen. Darum haben wir uns gewehrt, mußten wir uns wehren, und darum bedeutet die Niederwerfung des Spartakusaufstandes für unser Volk, ganz besonders auch für die Arbeiterklasse, einen Akt der Rettung, den zu vollbringen wir vor unserem Volk und vor der Geschich-te verpflichtet waren.
An der brutalen Offenheit, mit der die Tägliche Rundschau ihre Gesinnung enthüllte, nahm der Vorwärts Anstoß.
Vorwärts, 17. Januar 1919: Selbst den Tod respektieren sie nicht. Der »Täglichen Rundschau« blieb es vorbehalten, selbst die Toten noch zu beleidigen. In Deutschland gehörte der Respekt vor dem Tode bisher zu den einfachsten Anstandsregeln. Vor dem Tode senkt man die Waffen. Anders die »Tägliche Rundschau «. Sie schreibt zum Tode Liebknechts und Luxemburgs: »Blut schrie nach Blut! Das Blutbad, das Liebknecht und Rosa Luxemburg angerichtet, verlangt Sühne. Sie ist schnell eingetreten und war bei der Rosa Luxemburg grausam aber gerecht. Man schlug die Galizierin tot. Der Volkszorn, übermächtig und ungeheuerlich geworden, verlangte die Rache. « Gegenüber solch ekelhaften Sudeleien des »deutsch-nationalen« Blattes sind doch die verächtlichsten Spartakistentaten noch-grundanständige Handlungen.
Eine Erklärung der Reichsregierung zum Mord an Liebknecht und Rosa Luxemburg wurde vom Vorwärts kommentarlos abgedruckt, während die Freiheit sie in folgender Verpackung brachte: Freiheit, 17. Januar 1919: Die Schuldigen! Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind von feigen Meuchelmördern ermordet. Die Bravos, die die Regierung Ebert-Scheidemann-Noske gegen die Berliner Arbeiter aufgerufen, haben das fluchwürdige Verbrechen begangen. [ ... ] Diejenigen aber, die all diese dunklen Instinkte wachgerufen, und die bürgerliche Bestie mit Waffen aufgerüstet haben, die eigentlichen und wahren Urheber dieses Verbrechens, die Mamelucken der Regierung Ebert-Scheidemann, besitzen die unbeschreibliche Kühnheit, folgendes amtlich zu verkünden: »Die Regierung hat über die Umstände, die zum gewaltsamen Tode Dr. Rosa Luxemburgs und Dr. Karl Liebknechts geführt haben, die strengste Untersuchung angeordnet. Die beiden Getöteten hatten sich zweifellos schwer am deutschen Volke vergangen (!), sie hatten jedoch ebenso zweifellos Anspruch auf Recht, das Schuldige bestraft, aber auch sie vor Unrecht schützt. Ein Akt der Lynchjustiz, wie er an Rosa Luxemburg begangen worden zu sein scheint(!), schändet das deutsche
43
Volk, und jeder, auf welcher Seite er auch politisch stehen mag, wird ihn sittlich verdammen . Ist im Fall Luxemburg das Gesetz offenbar verletzt worden, so bedarf es auch im Fall Liebknecht noch der Aufklärung(!), ob hier nach gesetzlichen Vorschriften gehandelt worden ist. Sollten sie verletzt worden sein, so müßte auch hier in der schärfsten Weise eingegriffen werden. Die traurigen Vorgänge der letzten Wochen zeigen leider, wie tief infolge des Krieges die sittliche Verrohung eingerissen ist und wie wenig das Menschenleben geachtet wird. Es ist Zeit, daß auf allen Seiten die Besinnung wiederkehrt, wenn nicht blinder Fanatismus alle si ttlichen und materiellen Werte unseres Volkslebens vernichten soll.« Die amtliche Publizis tik, die reich ist an ekelhaften Erzeugnissen, dürfte kaum ein so widerliches Gemisch von Verlogenheit, Heuchelei und Rührseligkeit aufweisen, wie diese Kundgebung der Regierung Ebert-Scheidemann. Sie, die den Mord von Liebknecht und Luxemburg auf dem Gewissen hat, wagt es, vor den Leichen der Ermordeten von ihrer Schuld am deutsdl'en Volk zu sprechen. Sie, die die Mörder aufgerufen und aufgerüstet hat, wagt es, sie sittlich zu verdammen.
Schon in ihrer Abendausgabe vom 17. Januar brachte die Freiheit eine Kritik der Amtlichen Darstellung und die ersten Augenzeugenberichte. Freiheit, 17. Januar 1919: Nach dem Mord die Lügen! Die Verwischung der Spuren. Wir wollen es gleich deutlich sagen: die Untersuchung über die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs betrachten wir als eine freche Verhöhnung. Eine nichtswürdige Zumutung ist es, die Untersuchung einem Kriegs»gericht« zu übertragen, das natürlich nur die Wahrheit zu verhüllen und zu verwirren trachten wird. Aber auch zu irgendeinem Gericht, das diese Regierung einsetzt, haben wir nicht das geringste Vertrauen. Diese Regierun g ist willkürlicher, gesetzloser als je irgend eine Regierun g [ ... ]. Zudem ist sie gegenüber den Offizieren und der übri gen Reaktion, die sie bewaffnet hat, machtlos, auf deren Wohlmeinung angewiesen. [ ... ] Die Verdrehung und Vertuschung ist schon in vollem Gange. Wir 44
erklären, wir halten die amtliche Darstellung für vollkommen erlogen, mit Absicht und wider besseres Wissen erlogen. Nur ein paar Punkte: Liebknecht wurde bekanntlich unmittelbar nach der Verhaftung im Auto schwer verletzt. Es ist fast sicher, daß dies durch einen Kolbenschhg geschehen ist, das heißt durch einen Regierungssoldaten. Er war schwer verletzt. Dann fuhr das Auto in den Tiergarten und da gab es an einer an diesem Tage sehr wenig frequentierten Stelle eine Panne. Angeblich sollte die Reparatur längere Zeit in Anspruch nehmen . Das Selbstverständliche wäre, falls die Angabe wahr sein sollte, gewesen, einen Begleitmann um ein Auto zu schicken. Das Selbstverständliche geschah nicht. Der Schwerverletzte sollte zu Fuß weitergehen. Es ist klar, daß das sehr unpraktisch war, abgesehen von der Grausamkeit, denn er war ja dann schwerer zu bewachen [ ... ] und der Zug konnte größtes Aufsehen erregen, was doch zu vermeiden war. Deshalb glauben wir von der ganzen Erzählung von dem Fluchtversuch kein Wort . Daß sie nicht wahr ist, beweist auch die Tatsache, daß Liebknecht von vorn erschossen worden ist . ..... ' Ebenso erlogen ist die amtliche Darstellung über die Ermordung Rosa Luxemburgs. Es ist ganz lächerlich, daß die Soldaten nicht imstande gewesen sein sollten, sie zu schützen, eine dumme Ausrede ist die Erzählung von der angeblichen Kriegslist, von dem Mann, der mit der Pistole auf das Auto gesprungen sei und die Bewußtlose niederschoß. [ ... ] Vollkommen unglaubwürdig ist vor allem die Behauptung, daß die Leiche von einer Volksmenge verschleppt und seither unauffindbar sei. Einmal handelt eine Volksmenge nicht so. Sie schändet die Leiche, trampelt vielleicht auf ihr herum, läßt sie aber liegen. Hätte sie sie aber weggeschleppt, so mußten doch Leute der Begleitmannschaft da hinterher laufen, also wissen, was mit der Leiche geschah. Die ganze Erzählung ist eben ein Märchen. Die Leiche ist verschleppt worden von denen, die ein Interesse hatten, die Spuren ihrer Tat zu verwischen, von den wirklichen Mördern. Und die sind aller Wahrscheinlichkeit neben der Bewußtlosen im Auto gesessen. Und nun ein neues Beweisstück, das wir erhielten, nachdem das Obige geschrieben war. Ein Augenzeuge, ein Gast des Hotels, der nicht zur Partei gehört, schreibt uns aus dem Eden-Hotel: »Die Darstellung von der Ermordung des Dr. Liebknecht und der I
Diese Behauptung ist durch die Obduktion nicht bestätigt worden (d. Hsg.).
45
Rosa Luxemburg ist absolut unzutreffend, die beiden sind vorm Hotel gemeinem Mord durch die Soldaten zum Opfer gefallen. Offiziere haben die Soldaten ermuntert. Liebknecht ist mit dem Gewehrkolben beim Einsteigen ins Auto niedergeschlagen worden und brach beim zweiten Schlag sofort vollständig zusammen. Von einer versammelten Menge vorm Hotel kann keine Rede sein, es war vollständig abgesperrt. Als ich zehn Minuten vor der ersten Katastrophe gegen 1/ 2 I I Uhr ins Hotel gehen wollte, fragte ich einen der Ausweis verlangenden Posten, was denn eigentlich los sei, worauf er mir mitteilte, man habe Liebknecht gefangen eingebracht und es sei beabsichtigt, ihn totzuschlagen. Ich nahm an, daß die Soldaten zum Schutze gegen den Mob das Hotel abgesperrt hätten; daß ich im Hotel Eden mit gemeinen Mordbuben unter einem Dach wohnen muß, [ ... ] ist mir ein entsetzlicher Gedanke. Bitte, helfen Sie der Wahrheit zum Durchbruch; nicht die Menge, die Soldaten des Regiments Reinhard sind die Mörder.« Nach dem Mord die Lüge! Wir aber fordern Wahrheit! Sie kann nur festgestellt werden durch eine besondere Untersuchungskommission mit außerordentlichen Vollmachten, der Vertreter der unabhängigen und kommunistischen Partei angehören [ ... ]. Weitere Augenzeugenberichte, die sich zwar in Einzelheiten widersprechen, aber immer wieder die Tatsache des geplanten Mordes hervorheben, folgten.
worden, daß Liebknedlt und Rosa Luxemburg auf das Scheußlichste von den Soldaten mißhandelt worden seien. Liebknecht habe in der Notwehr den Soldaten in die Hand gebissen. Liebknecht wurde mit Fäusten und Gewehrkolben so zugerichtet, daß er zusammenbrach. Dann wurde er fortgeschleppt und im Auto erschossen. Ein Soldat rühmte sich dessen offen vor dem Personal des EdenHotels. Er erklärte, er habe sich nicht erst die Mühe nehmen wollen, Liebknecht in Moabit einzuliefern, und außerdem habe er verhindern wollen, daß Liebknecht von Moabit wieder entlassen würde. Genossin Luxemburg wurde nach der Aussage des Personals ebenfalls auf das fürchterlichste mißhandelt, mit Fäusten und Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen, bis sie zusammenbrach. Ob sie ohnmächtig gewesen oder bereits totgeschlagen, konnte das Personal nicht feststellen. Von den Soldaten sei sie dann im Flur herumgeschleift worden, und schließlich auf das vor dem Hause haltende Auto geworfen und dann vom Chauffeur, nach dessen Aussage, in den Kanal geworfen. Einer der beteiligten Soldaten besaß die unglaubliche Gefühlsroheit, einen Schuh der Genossin Luxemburg, der bei dem Umherschleifen im Flur ihr vom Fuß gefallen war, in der Küche des EdenHotels auszubieten. Um die übertragung der Untersuchung an ein Militärgericht entspann sich in den Spalten der Freiheit und des Vorwärts eine heftige Kontroverse.
Freiheit, 18. Januar, abends: Freiheit, 18. Januar 1919 (Morgenausgabe): Neue Beweise für den Meuchelmord. [ ... ] Zwei zuverlässige Zeugen haben ehrenwörtlich das Folgende ausgesagt: Die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs ist nicht vom Publikum, sondern von den Soldaten unter Anführung von Offizieren erfolgt. Von einer Volksmenge vor dem Hotel zur Zeit der Abführung Liebknechts und Rosa Luxemburgs konnte keine Rede sein. Das gesamte Personal des Eden-Hotels wird, wenn es eidlich vernommen wird, dieses aussagen müssen. Der Direktor des EdenHotels kam am Mittag nach der Ermordung mit der »B.Z. « zu dem Personal, las ihm den Bericht vor und erklärte dazu: So haben sich die Dinge zugetragen! Daß Ihrs wißt! Ober alles andere habt ihr den Mund zu halten. Von dem Personal de~ Eden-Hotels ist ausgesagt
Der Mord und die Mörder! Die Regierung bleibt dabei, die Untersuchung einem Kriegsgericht zu übertragen. Amtlich wird mitgeteilt: »Um in Sachen des Todes Karl Liebknechts die Schuldfrage zu klären, ist vom Gerichtsherrn der Kriegsgerichtsrat Kurtzig bestimmt worden, der Fall der Frau Rosa Luxemburg soll im Interesse der Beschleunigung von einem anderen Kriegsgericht behandelt werden. Die Reichsregierung hat angeregt, daß in beiden Fällen der Vollzugsrat wie der Zentralrat je ein Mitglied damit betrauen sollen, an der Untersuchung mitzuwirken und zwar hat sie dem Vollzugsrat empfohlen, für diese Aufgabe nach Möglichkeit ein Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratie zu bestimmen. Daraufhin hat der Zentralrat für
47
die Untersuchung im Falle Liebknecht sein Mitglied Hermann Müller, der Vollzugsrat sein Mitglied Wegmann delegiert. Für die Untersuchung im Falle der Frau Luxemburg sollen die Vertrauensleute noch bestimmt werden.« Diese Hinzuziehung zweier Delegierter ist absolut unzulänglich. Wir fordern nochmals eine besondere Untersuchungskommission [ ... ]. Vorwärts, 18. Januar 1919: Die Untersuchung. Die "Freiheit « hetzt und verleumdet. Wie wir schon gestern mitteilten, ist von der Regierung die strengste Untersuchung der Fälle Liebknecht und Luxemburg angeordnet. Mit der Durchführung dieser Anordnung ist Genosse Landsberg, der Jurist in der Reichsleitung, speziell beauftragt. Ferner soll je ein Mitglied des Zentral rats und des Vollzugsrats an der Untersuchung beteiligt werden in der Weise, daß auch ein Vertreter der Unabhängigen Partei mitwirkt und vollen Einblick in das Material erhält. [ ... ] Diese Anordnungen waren bereits getroffen, als die »Freiheit « einen Artikel losließ, in dem sie erklärte: ,.Wir sind überzeugt, daß die Ebert, Scheidemann, Noske, Landsberg aus persönlichem und Fraktionsinteresse alles daran setzen werden, um die Wahrheit zu vertu schen.« Die »Freiheit « schöpft ihre »überzeugungen« aus dem unerschöpflichen Born ihrer schmutzigen Gesinnung. Sie benutzt den traurigen Fall einfach dazu, um in ekelerregender Weise mit wahnwitzigen Verleumdungen gegen die Mehrheitspartei und ihre Vertreter in der Regierung zu hetzen. Sie zweifelt die persönliche Rechtschaffenheit dieser Männer an, denen sie zumutet, sie könnten den Meuchelmord unter Regierungsschutz stellen! Man kann zu der schändlichen Hetze des Organs der USP [ ...] nur sagen: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die uns haßten, haben wohl gewußt, warum sie für die Unabhängigen nur Verachtung übrig hatten! Wie voreilig die verleumderischen Ausstreuungen der »Freiheit« sind, geht weiter aus der Tatsache hervor, daß auch Haase vollen Einblick in das Untersuchungsmaterial erhalten wird. Mit der Führung der Untersuchung ist Kriegsgerichtsrat Kurtzig betraut, zu dem Haase gestern sagte: »Wir kennen uns ja. Ich habe zu Ihrer Objektivität das vollste Vertrauen.« Damit ist die edle »F reihcit « erkannt und gerichtet [ ... ].
Die Freiheit antwortete am 19. Januar 1919: Ein merkwürdiges Verfahren. Der» Vorwärts« wagt es, im üblen Polizei jargon von einer »Hetzc« der »Freiheit « zu sprechen, weil wir Garantien für cine wirkliche Ermittlung der Wahrheit verlangen. Er beruft sich darauf, daß je ein Mitglied des Zentalrats und des Vollzugsrats zur Untersuchung des Kriegsgerichts hin zugezogen seien und Haase die Objektivität des mit der Untersuchung beauftragten Kriegsgerichtsrats anerkannt habe. Dazu können wir mittcilen: Der Kricgsgerichtsrat Kurtzig, dcm der Gcnosse Haase das Bestreben nach Objektivität gestern bescheinigte, hat die Untersuchung in dem Verfahren wegen Ermordung Kar! Liebknechts nicht mehr in seiner Hand. Die Führung der Untersuchung ist auf den Kriegsgerichtsrat Jorns übergegangen. Entgegen der »am tlichen « Notiz in unserer gestrigen Morgenausgabe wird ferner von dem Kriegsgerichtsrat nur ein Mitglied des Vollzugsrats zugelassen, da das kürzlich veröffentlichte Gesetz diese Bestimmungen enthält. Das Mitglied des Zentralrats Hermann Müller ist nach dieser Erklärung bereits gestern schon wieder zurückgetrc ten. [ ... ]
Freiheit, 19. J an uar 1919: Ein Protest der Familie. Gcnosse Theodor Liebknccht, der Bruder des Ermordeten, schreibt uns: Trotz unseres Widerspruchs hat die »sozialdemokratische« Regierung die Untersuchun g wege n der Ermordung meines Bruders Kar! und der Genossin Rosa Luxemburg der Militärbehörde übertragen. Namens der Familie erhebe ich hiergegen vor der Offentlichkeit schärfstcn Protest. Es ist ein Verbrechen des Militarismus, das hier zur Anklage steht, und jede Militärbehörde ist deshalb Partei! Wir fordern um deswillen, daß der Militärbehörde die Untersuchung unter allen Umständen aus den Händen genommen wird. Und wir fordern weiter ihre übertragung an eine aus den revolutionären sozialistischkommunistischen Parteien gebildete Sonderkommission, die allein den wirklichen Hergang klarstellen kann. Wenn die Reichsregierung sich für ihr ablehnendes Verhalten auf das bestehende formale Recht bezieht, so vergißt sie, daß bei ihr und dem Zentralrat jetzt die oberste gesetzgebende Gewalt ruht. Und sie vergißt weiter, daß die Beseiti-
49
gung der Militärjustiz eme der ältesten Forderungen der Sozialdemokratie ist. [ ... ] Th. Liebknecht.
12. Februar eine detaillierte Darstellung der Vorgänge in der Mordnacht, die um so sensationeller wirkte, als der mit allen Vollmachten ausgestattete Untersuchungsrichter »gar nichts« hatte in Erfahrung bringen können.
Ein Schreiben des Rechtsanwalts und früheren Volksbeauftragten (USPD) Bugo Baase 'Vom 23.1. 1919 an den Untersuchungs/ührer, Kriegsgerichtsrat forns t :
Rote Fahne,
Am 15. Januar cr. hielt ein Automobil ca. 25 bis 30 Meter von der Lichtenstein-Brücke nach der Cornelius-Brücke hin gerechnet. Ihm entstiegen etwa 6 Soldaten, unter denen sich mindestens ein Offizier befand, der einen Pelzkragen trug und eine weiße Armbinde hatte. Ober das Gesträuch warfen die Soldaten einen menschlichen Körper mit Frauenhaar in den Kanal. Dieser Vorgang kann der Wache an der Lichtenstein-Brücke nicht entgangen sein. Soweit ich ermittelt habe, stand das Kommando der Wache unter dem Hauptmann Weller, der sich zu der angegebenen Zeit - es war etwa 10 Minuten vor 12 Uhr nachts - auf der Brücke befand. Der Leutnant und die Mannschaften der Wache müssen mit Leichtigkeit festgestellt werden können. Die Wache wurde bald darauf um 12 Uhr nachts abgelöst. Im Wachtlokal selbst - Eingang Zoologischer Garten - ist der Vorfall Gegenstand vertraulicher Gespräche gewesen. Diese Tatsachen widerlegen die phantastische, von vornherein unglaubliche Erzählung, daß Frau Dr. Luxemburg von dem Publikum den Begleitmannschaften während der Fahrt aus dem Wagen entrissen worden ist. Die Begleitmannschaften sind dringend verdächtig, ihren Tod herbeigeführt und die Leiche beseitigt zu haben. Ihre sofortige Verhaftung und Trennung von einander zur Vermeidung weiterer Verdunklungsgefahr ist danach notwendig. Die Vernehmung des Hauptmanns Weller und desjenigen Leutnants, der an der Lichtenstein-Brücke Wache hatte, wird zur Klärung des Sachverhalts wesentlich beitragen. Gemäß § 195 der MiI.StGO. erscheint die Beeidigung der Zeugen als Mittel einer wahrheitsgetreuen Aussage über eine entscheidende Tatsache erforderlich. [ ... ]
Nachdem die Untersuchung in Sachen Liebknecht - Luxemburg fast völlig zum Erliegen gekommen war, brachte die Rote 1 Zit. nach dem Urteil der IV. großen Strafkammer des Land gerichts III in Berlin vom 30. 1. 1931 (LAB Rcp. 58. Nr. 59. Bd. V).
Fahne am
12.
Februar 1919:
Der Mord an Liebknecht und Luxemburg. Die Tat und die Täter. Vier Wochen sind vergangen, seit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet worden sind . Vier Wochen sind vergangen, seit eine Untersuchung im Gange ist, die nicht vorwärts geht. Vier Wochen, daß untersucht wird, mit keinem andern Erfolg, als daß immer weiter verdunkelt wird. [ ... ] Wir haben, seit wir wieder die Möglichkeit haben zu reden, zu reden versucht. Wir haben versucht, das Gericht, das die» Untersuchung führt«, zu seiner Pflicht zu bringen. Das war vergebens. Wir hatten keinen anderen Erfolg, als daß die Garde-Kavallerie-Schützen-Division eine Mitteilung brachte, die unwahr war. Und weiter den Erfolg, daß unser verantwortlicher Redakteur als Zeuge geladen wurde, um festzustellen, wer uns .Material geliefert« habe. Die Suche nach dem Mörder scheint dem Gericht weniger wichtig als die nach den vermeintlichen Indiskretionen. Wir haben versucht, das große Schweigen zu brechen [ ...]. Hier ist ein Mord begangen von weltgeschichtlicher Bedeutung [ ... ], und die Presse schweigt. So wollen wir reden [ ... ]. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind am Abend des 15. Januar 1919 in das Eden-Hotel beim Stabe der Garde-Kavallerie-SchützenDivision eingeliefert worden. Sie waren von der Wilmersdorfer Bürgerwehr unter Führung zweier Mitglieder, Lindner und Mehring, festgenommen worden . Die Festnahme war ein Rechtsbruch. Es bestand kein Haftbefehl. Selbst wenn sie verhaftet wurden, mußten sie nach den gesetzlichen Vorschriften der Polizei übergeben werden. [ ... ] Sie hatten auf dem Stabsquartier nichts zu suchen und das Stabsquartier kein Recht, sich mit ihnen zu befassen. Was hat die Wilmersdorfer Bürgerwehr veranlaßt, die Verhafteten nach dem Stabsquartier zu bringen? Es besteht der dringende Verdacht, daß Lindner und Mehring Mitwisser des Mordplanes gewesen sind.
Sind sie es nicht gewesen, hat das Stabsquartier sie veranlaßt, die Inhaftierten dorthin zu bringen, so ist das ein Beweis dafür, daß von Anfang an der Divisionsstab die Absicht hatte, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in die Hand zu bekommen, um sie [ ... ] zu ermorden. Karl Liebknecht ist am selben Abend gegen 9 Uhr, Rosa Luxemburg etwa eine halbe Stunde später im Eden-Hotel [ ... ] eingeliefert worden. Rosa Luxemburg ist bereits beim Eintritt ins Hotel beschimpft worden. Ein Hauptmann hat sich besonders hervorgetan. Er war es, der zuerst die geplante Tat verkündete. Er erklärte in der Halle des Hotels: »Den bei den wird heute Abend das Maul gestopft.« Karl Liebknecht wurde gegen halb elf vom Hotel weggebradlt. Er sollte, wie man erklärte, nach Moabit gebracht werden. Er wurde begleitet von dem Kapitänleutnant Horst von Pflugk-Harttung, dem Leutnant Stiege, dem Leutnant Liepmann, dem Leutnant von Rittgen, dem Leutnant zur See Schulze, dem Leutnant Heinz von PflugkHarttung (einem Bruder des Kapitänleutnants) und dem Jäger Clemens Friedrich. Die sämtlichen waren schwer bewaffnet, trugen Handgranaten und entsicherte Pistolen, die Liebknecht gezeigt wurden. Zu derselben Zeit standen als Doppelposten vor dem Hotel die Jäger zu Pferde Runge und Träger. Gegenüber dem Hotel hielt ein Automobil, dessen Führer ein Chauffeur namens Göttinger war, nebst einem Beifahrer. Diese vier haben die Ausführu~g des Mordplanes besprochen. Sie besprachen, die zwei dürften nicht lebendig aus dem Hotel [ ... ]. Man dürfe sie nicht erschießen, das mache zuviel Lärm [ ... ], man müsse sie mit dem Kolben erledigen. [ ... ] Sie haben den Mordplan ins Einzelne f~stgelegt. Bis auf Runge hat das Gericht noch gegen keinen eine Hand gerührt. Karl Liebknecht kam aus dem Hotel. Er wurde nicht aus dem Hauptausgang [ ... ] geführt, sondern durch ' einen Nebenausgang. [ ... ] Runge lief um das Hotel und schlug dem bereits im Auto sitzenden Liebknecht zweimal mit dem Kolben auf den Kopf. Liebknecht sank halb bewußtlos zusammen. Auf der Straße war kein Mensch! Nur ein paar Soldaten. Die Offiziere standen und saßen um Liebknecht herum. Keiner hat nach dem ersten Schhg den zweiten zu verhindern versucht, keiner hat dem Mörder gewehrt, keiner auch nur ein Wort der Mahnung an ihn gerichtet. Das Automobil fuhr nicht den Weg nach Moabit. Es fuhr den Neuen See entlang in der Richtung nach der Charlottenburger Chaussee.
Wir behaupten, daß vom ersten Augenblick an die Absicht bei den transportierenden Offizieren bestand, Liebknecht zu ermorden, und wir folgern das aus diesen Tatsachen: 1. Sie ließen das Automobil ohne wichtigen Gru nd diesen nahezu unbeleuchteten Umweg fahren. 2. Sie haben die Lüge erfunden, daß das Automobil unterwegs eine Panne erlitten habe. Daß das alles eine Lüge ist, ergibt sich daraus, daß das Automobil sofort nach der Erschießung Liebknechts wieder gebraud1sfertig war. 3. Diese erlogene Panne trat ein genau in dem Augenblick, in dem das Automobil sich an einem völlig unbeleuchteten Nebenweg befand, also gerade an dem Punkt, den die Mörder für ihre Tat brauchten. 4. Sie haben die Lüge erfunden, Liebknecht habe einen Fluchtversuch gemacht. Daß dieser Fludltversuch erlogen ist, ergibt sich daraus: a. daß Liebknecht nach dem erlittenen schweren Schlag auf den Kopf kaum mehr im Stande war zu gehen, er war so benommen, daß selbst die Mörder ihn fragten, ob er noch gehen könne, b. daß auch nur der Gedanke an die Flucht eine Unmöglichkeit war, in Anbetracht dessen, daß zwei Mann vor, zwei Mann neben und drei Mann hinter Liebknecht gingen, schwer bewaffnet, mit entsicherten Pistolen und Handgranaten, wie Liebknecht wußte, c. daß jeder, der Liebknecht kannte, wußte, daß er noch nie sich einem Prozeß entzogen und an nichts auf der Welt weniger dachte als an Flucht. d. Sie haben nach der Tat Liebknechts »unbekannte Leiche« bei der Rettungsstation eingeliefert, sie haben also versucht, die Spuren der Tat zu ve rwischen. Der, wie hiernach festgestellt, geplante Mord vollzog sich in der Weise, daß das Automobil an der genannten Stelle, von der ein völlig unbeleuchteter Fußweg abging, hielt, daß Liebknecht in diesen Fußweg hineingeführt und nach etwa zwanzig Schritt aus allernächster Nähe erschossen wurde. Den ersten Schuß gab der Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung ab. Das ist der Vorgang des einen Mordes. Dann sollte Rosa Luxemburg abtransportiert werden. Derselbe Soldat Runge, der soeben den Mordversuch an Karl Liebknecht begangen, kehrte wieder auf seinen Posten zurück. Niemand wehrte ihm. Er stand bereit zu neuem Werk. Rosa Luxemburg kam die Haupttreppe des Hotels herab und schritt durch den Hauptausgang.
53
Dicht hinter ihr ging der Oberleutnant Vogel, der den Transport führen sollte. Vor der Drehtür standen Runge und Träger. Als sie durch die Drehtür schritt, drehte Runge das Gewehr um und schlug ihr auf den Kopf. Sie sank um. Runge schlug ein zweites Mal auf den Kopf. Von einem dritten Schlag sah er ab, weil er sie für tot hielt. Der Oberleutnant Vogel muß die Schläge bemerkt haben, denn sie wurden sogar im Innern des Hotels gehört. Er hat nichts dagegen getan. Es war ihm gleichgültig, daß Runge das Geschäft des Mordes ihm abnahm. Denn Runges Tat entsprach seinem, Vogels, Plan. Man schob die Leblose in den Wagen, rechts und links ein Mann, darunter Vogel. Der Wagen fuhr an. Ein Mann sprang noch hinten auf und schlug die schon Leblose noch mit einem harten Gegenstand, etwa einer Pistole, auf den Kopf. Der Oberleutnant Vogel hat unterwegs der Leblosen alsdann die Pistole gegen die Schläfe gehalten, ihr noch einmal eine Kugel durch den Kopf gejagt. Man fuhr mit der Toten zwischen Landwehrkanal und Zoologischem Garten entlang. Auf der Straße war kein Mensch. Nur am Ausgang des Zoologischen Gartens gegen den Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt, die Soldaten nahmen die Leiche in Empfang, und wohin sie sie gebracht haben, das war bis heute nicht zu ermitteln. Es ist eine bewußte Lüge, wenn behauptet wird, die Leiche sei von der »Menge« oder von »Anhängern« aus dem Wagen gerissen worden. Das Auto fuhr ja einen Weg, auf dem [ ... ] es kein Mensch erwarten konnte, es sei denn solche, die dahin bestellt waren. Es müssen die Leute, die dort waren, von denen, die den Mord planten, hinbestellt worden sein. Rosa Luxemburg hatte, als sie leblos ins Auto gezerrt wurde, einen Schuh verloren. Dieser Schuh wurde von Soldaten als Trophäe im Eden-Hotel herumgezeigt. Die Mordgesellschaft hat sich am Tage danach fotografieren lassen. Der Haupttäter, Runge, ist im Mittelpunkt der Photographie [ ... ] . Das sind festgestellte Tatsachen. Wir klagen an: Den Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung und seine Begleiter des Mordes an Karl Liebknecht. Den Oberleutnant Vogel des Mordes an Rosa Luxemburg. 54
Die Jäger Runge, Träger und Göttinger des Mordversuch-es, Mordes und der Beihilfe dazu. Den Hauptmann Pabst der Begünstigung der Mörder: er hat bereits am selben Tage Kenntnis von dem Morde erhalten und pflichtwidrig die erforderlichen Maßnahmen unterlassen. Den Hauptmann Petry der Anstiftung zum Morde: Er hat die Mörder durch Aufforderungen wie: »der Kerl lebt noch «, »schlagt den Hund tot «, angestiftet. Den Hoteldirektor Ott vom Eden-Hotel der Begünstigung und der Verleitung zum Meineid. Er hat am Tage nach dem Morde die von dem Dr. Grabowski, dem »Pressechef« des Stabes geschriebene und erfundene Darstellung von dem Morde, deren Unwahrheit dem Ott [ ... ] bekannt sein mußte, dem Hotelpersonal vorgelesen zu dem Zwecke, es von der Aussage der Wahrheit abzuhalten. Das sind die Tatsachen, [ ... ] die auch dem Gericht bekannt sein müssen. Es hat daraufhin nichts getan [ ... ]. Es hat keinen Haftbefehl erlassen, weder das Militärgericht, noch die Staatsanwaltsch·aft. Nichts ist geschehen. Gegen Runge hat man Haftbefehl erlassen, als Runge in Sicherheit war. Man hat ihn schon, sofort nach dem Morde, »verschoben«, indem man ihn schon von seinem Regiment zum Husarenregiment Nr. 8 versetzte. Nun ist er wohl »unauffindbar« [ ... ]. Wir glauben für heute genügend gesprochen zu haben. Unserer beider Führer Blut schreit zum Himmel. Die Militärgerichte stehen tatenlos. Die Ebert-Scheidemann hören nichts. Sie glauben, man könne die Wahrheit totschweigen. Sie glauben, man könne vertuschen. Es ist noch nie Blut vergossen worden, das lauter geschrieen hätte. Die Proletarier werden ihr Urteil sprechen über die Mörder und ihre Helfershelfer. Und wir werden weiter reden zum deutschen Proletariat: »Die Wahrheit muß herfür! «
Drei Tage später veröffentlichte die Rote Fahne eine Denkschrifl: der zur Untersuchung hinzugezogenen Mitglieder des Vollzugs- und Zentralrats (Wegmann, Rusch und Struve), in der sie ihren Austritt aus der Untersuchungskommission bekanntgaben. Als Begründung führten sie an, daß die Reichsregierung hartnäckig die Einsetzung einer Sonderkommission verweigert 55
und das Verfahren beim Militärgericht belassen habe, und daß von J orns die Verhaftung der Verdächtigen trotz Verdunkelungs- und Fluchtgefahr nicht zu erreichen war. Die Regierung aber stellte sich weiterhin vor das Militärgericht un.d ,:erschanzte sich in ihrer Ohnmacht hinter dem Legalitätspnnzlp.
Freiheit, I9. Februar I9I9: Ein Triumph der Meuchelmörder. Bankrott der deutschen Justi z. In der gestrigen Morgennummer des »Vorwärts « sind Kußerungen des preußischen Justi zmin isters Wolfgang Heine zum Falle LiebknechtLuxemburg veröffentlicht, die den schmählichen Bankrott der obersten Justi zbehörde grell kennzeichnen. Danach erscheint die Verschleppung der Untersuchu ng nicht als eine Folge der Sabotage der Militärbehörden, sondern als Folge - der Teilnahme der Vertreter des Vollzugsrats und des Zentralrats an der Untersuchungskommission, denen allein es zu verdanken ist, daß die öffentlichkeit wenigstens einen Teil der Wahrheit in diesem Justizskandal erfahren hat. Mit kaum zu überbietender Naivität bekennt Herr Heine, daß die oberste Justizbehörde den Meuchelmördern und den sie schü tzenden Militärbehörden machtlos gegenübersteht. Trotzdem gegen einen der Mörder, den Jäger Runge, ein Haftbefehl erlassen wurde, ist er - zu seinem Truppenteil entlassen worden und unterwegs desertiert. Weshalb die angeschuldigten Offiziere und übrigen Teilnehmer des Meuchelmordes noch immer auf freiem Fuße sidl befinden, übergeht der »Wahrheitssucher« Heine mit rührender Bescheidenheit. Der Hauptpunkt seine r Argumentation besteht darin, daß die preußische Justizbehörde auf das Verfahren wegen der Ermordung Liebknechts gar keinen Einfluß nehmen könne, »weil hier von vornherein feststand, daß nur eine militärische Untersuchung eröffnet werden konnte «. Warum stand das von vornherein fest? Was hinderte die Regierung, die im vollsten Besitz der gesetzgebenden Macht war, das Verfahren von vornherein dem ordentlichen Gericht zu übergeben? Was hinderte sie [ ... ] in diesem Fall eine besondere Kommission mit den Rechten eines Untersuchungsrichters einzusetzen [ ...]? Auf alle diese Fragen gibt Herr Heine keine Antwort. Immerhin gab auch Herr Heine zu, daß im Falle Luxemburg eine zivilrechtliche Untersuchung notwendig sei. Dagegen macht eine Kundgebung in der offiziösen »Deutschen Allgemeinen Zeitung« auch
mit diese r Angelegenheit kurzen Prozeß. Es heißt in dieser Veröffentlichung [ ...] : " Wie wir hören, gedenkt das preußische Justizministerium dem Verlangen der Vertrauensleute der Angehörigen der Rosa Luxemburg und Liebknechts nach einem Sondergericht nicht nachzugeben. Es sei ein unbedingtes Gebot, gerade in diesen Zeiten die Grundlagen unseres Rechtswesens nicht zu erschüttern. Die Untersuchung gegen Leutnant Vogel wegen ungenügender Bewachung seines Häftlings nimmt ihren Verlauf. Die Ermittlungen waren außerordentlich schwierig, da es zunächst nicht möglich war, wegen Fehlens von Wachtbüchern, die in Frage kommenden Soldaten festzustellen. In den nächsten Tagen soll ein Taucher den ganzen Landwehrkanal [ .. .] absuchen. Bisher waren soldle Versuche wegen des Frostes unmöglich. Im Falle Liebknecht ist das Verfahren gegen die betreffenden Offiziere eingestellt worden. Es ist zur Zeit auf einem toten Punkt angelangt, über den es nicht hinwegkommen wird und kann. Ob das vorliegende Material ausreicht zur Erhebung einer Anklage wegen Meuchelmordes hat allein das Gericht zu entscheiden. In unterrichteten Kreisen ist man der Ansicht, daß jedes Geschworenengericht notgedrungen zu einem Freispruch gelangen müßte, wenn nicht im Verlauf des Prozesses durch irgendeinen Zwischenfall, etwa durch ein Geständnis oder durch Hinzutreten neuer Zeugen neue Momente sich ergäben. Diese Aussicht ist aber nadl Lage der Dinge gleich Null. « Das ist klipp und klar das Eingeständnis der vollsten Kapitulation [ ... ] vor dem Offiziersgericht im Eden-Hotel. Es sind in der Denkschrift [ ... ] die schwersten Anklagen gegen eine Anzahl Offiziere und andere Militärchargen [ ... ] erhoben worden. Das Regierungsblatt erklärt indes, das Verfahren [ ... ] sei auf einem »tOten Punkt« angelangt, über den es »nicht hin wegkommen wird und kann «. D as Gericht allein, also das Offiziersgericht im Eden-Hotel, habe zu entscheiden, ob Anklage wegen Meuchelmordes erhoben werden könne. Selbst vor dem Geschworenengericht müßten die Angeklagten freigesprochen werden, wenn nicht durch irgendeinen Zwischenfall, »etwa durch ein Geständnis ~, neue Momente sich ergäben. Jetzt weiß man wenigstens, weshalb die Untersuchung unbedingt in den Händen des Offiziersgerichts bleiben muß [ ... ]. Offener und ungeschickter sind noch nie die Hintergründe eines Verbrechens aufgedeckt worden. [ ... ]
57
Trotz den amtlichen Bagatellisierungsversuchen setzten die Veröffentlichungen in der Roten Fahne das Militärgericht so unter Druck, daß Kriegsgerichtsrat Jorns eine gewisse Aktivität zu entfalten begann: Oberleutnant Vogel muß, durch Augenzeugen überführt, zugeben, daß er die Leiche in den Kanal geworfen und sich dann mit seinen Begleitern darüber geeinigt hat, wie sie die Sache darstellen wollten. Zwei Tage später wird er verhaftet, zunächst nur wegen Transportvergehens, und erst am 22. ergeht ein Haftbefehl wegen Mordes. Am 27. Februar werden auch die übrigen Offiziere der Mannschaften der beiden Transportkommandos festgesetzt. Alle treffen sich im Moabiter Zellengefängnis wieder, wo sie in ständigem Kontakt miteinander stehen. Nun fehlt nur noch Runge, auf den die Rote Fahne am 26. Februar mit folgender Glosse hinweist: Der verschwundene Runge. Herr Jorns! Bei ihrer eifrigen Aufklärungstätigkeit in Sachen Liebknecht-Luxemburg ist Ihnen zufällig der Mörder Runge aus den Augen gekommen. Falls es Ihnen noch nicht bekannt ist, teilen wir Ihnen mit, daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß Sie ihn im Husarenregiment Nr. 8, 5. Eskadron [ ... ] finden werden - falls Sie gelegentlich Zeit finden, ihn zu suchen. Für das dem Mörder freundlich geneigte Publikum die Mitteilung, daß Geldsendungen an den Mörder nicht mehr nötig sind: Mit 120000 Mark reicht einer ganz hübsch lange.
Trotz solchen Hinweisen konnte Runge erst Mitte April dingfest gemacht und den übrigen Beschuldigten zugesellt werden.
Der Prozeß vor dem Feldkriegsgericht
Aus dem Prozeßbericht der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 1919 (Abend-Ausgabe): Im Schwurgerichtssaale des Landgerichts I hat heute vormittag um 9 Uhr der Prozeß gegen den Husaren Runge und Genossen begonnen. Runge wird beschuldigt, im Januar vor dem Eden-Hotel Frau Rosa Luxemburg vor ihrem Abtransport nach Moabit durch Kolbenhiebe schwer verletzt und so ihren Tod herbeigeführt zu haben. Unter Anklage stehen weiter Kapitän leutnant Horst von Pflugk-Harttung, Oberleutnant zur See Ulrich Rittgen, Oberleutnant zur See Heinrich Stiege, Leutnant zur See Bruno Schulze und Leutnant d. R. Rudolf Liepmann, denen vorsätzliche Tötung Liebknechts, und schließlich Oberleutnant Vogel, dem die Tötung Rosa Luxemburgs zur Last gelegt wird. Das Kriminalgericht war seit heute früh 8 Uhr abgesperrt. Starke Patrouillen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division hielten alle Eingänge besetzt und auf der Straße standen starke Patrouillen, um etwaige Ansammlungen zu verhindern. Der ganze Ostflügel des Landgerichts I war von Truppen besetzt. Die neben dem Schwurgerichtssaalliegenden Warteräume waren für die Zeugen und Zeuginnen bestimmt, die sich dort einer Waffenrevision unterwerfen mußten. Ebenso wurden die zu den Verhandlungen zugelassenen Zuhörer und Pressevertreter auf Waffen untersucht. Hunderte von Personen suchten vergeblich Einlaß zu erlangen. Für Einlaßkarten wurden 4 bis 5000 M von Engländern und Amerikanern geboten. Der Schwurgerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Man sah Vertreter fast aller Reichsbehörden. Kurz vor 9 Uhr erschienen Mitglieder des Feldkriegsgerichts im Saal. Den Vorsitz übernahm Kriegsgerichtsrat Ehrhardt. Als Beisitzer fungierten Kriegsgerichtsrat Meyer, Kapitänleutnant Canaris, Offiziersstellvertreter Ernst und Kürassier Chimilewski; die letzteren Drei waren vom Korpsvertrauensrat der Garde-Schützen-Kavallerie gewählt. Die Anklage vertrat Kriegsge richtsrat Jorn s, der lange Jahre bei der Schutztruppe in China und Deutsch-Südwestafrika gekämpft hat. [ ... ]
59
Freiheit, 8. Mai 1919:
AUSZÜGE AUS DEM VERHANDLUNGSPROTOKOLL DES FELDKRIEGSGERICHTS'.
Der Beginn des Liebknechtprozesses. [ ... ] Kurz nach 9 Uhr erscheinen die Angeklagten. Sie werden nicht auf dem üblichen Weg zur Anklagebank gebracht, sondern durchschreiten vom Richterzimmer aus den Saal. Sie kommen lachend und strahlend daher, die Brust mit Orden geschmückt, und es hat cher den Anschein, als ob sie zu einem Hochzeitsfest schreiten als auf die Anklagebank, um sich dort wegen eines der schrecklichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu verantworten. Auch auf der Anklagebank legen die Angeklagten ein entsprechendes Betragen zur Schau. Man sieht der militaristisch-feudalen Gesellschaft nicht an, daß sie während der Untersuchungshaft irgendwelche Not gelitten hat. Nur der Jäger Run ge paßt äußerlich nicht unter die Angeklagten. Er hat ein grobes, ungepflegtes Aussehen. [ ... ]
I .
Aus der Vernehmung des Angeklagten Runge>:
[ ... ] E Angeklagter, sagen Sie einmal, ist an Sie niemand herangetreten, daß Sie dem Liebknecht oder der Luxemburg irgend etwas tun sollen? Von keiner Seite, auch nicht von militärischer Seite? Sie haben lediglich auf Grund eigenen Entschlusses gehandelt, weil Sie eine persönliche Wut auf Dr. Liebknecht und die Frau Luxemburg hatten? A Ich bin von keinem Vorgese tzten oder Offizier beeinflußt worden oder begünstigt worden. E Sie haben auch kein Geld bekommen? Es ist Ihnen auch nichts versprochen worden? A Nein, nichts. [ ...] Aus der Vernehmung des Angeklagten Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung 3:
2.
[ ... ] Da wurde das Auto klar gemeldet. Ich brach den Disput ab und forderte Dr. Kar! Liebknecht auf, zu folgen. Da sagte Pabst noch: Also: Sie wissen, wie wichtig Ihr Transport ist, Sie kennen Ihre Pflicht und Ihre Verantwortung. E Vielleicht hat Herr Hauptmann Pabst darauf hingewiesen: Sie 1 Hauptverhandlung in der Strafsache wegen Ermordung von Dr. Kar! Liebknecht und Rosa Luxemburg vor dem Fcldkriegsgericht des Garde-Kavallerie-(Schützen)-Korps am 8.,9.,10.,12., '3. und '4. Mai '9'9 im großen Schwurgerichtssaal des Kriminalgerichts zu Berlin; Stenogramm des Parlamentsredakteurs Adolf Kuntze ; Band 1-7 (maschinenschriftlich) . (IML, ZPA St 8"9; Band 7 - Urteil - auch: LAB, Rep.58, Nr. 75). - Die Abkürzungen der Namen bedeuten: E = Kriegsgerichtsrat Ehrhardt; A Angeklagter; 1 = Kriegsgerichtsrat lorns, Vertreter der Anklage; Z = Zeuge; G = Grünspach, Verteidiger; R = Runge 2 A.a.O., BI. 30. 3 A.a.O., BI. 51, 52, 53, 58, 60,62,92.
6r
A
E A
E A
A
E A E A E
E A E
A
haben die für die Festnahme von Gefangenen geltende Dienstvorsmrift zu beamten. Das kann im nimt sagen. Das war nimt notwendig. Wenn im 10 Jahre Soldat bin, weiß im, was im zu tun habe. Im bin genau instruiert. Sie sind über die Vorsmriften wegen Waffengebraumcs orientiert. Draußen war eine furmtbare Erregung. Alle Leute drängten sim vor und wollten den Herrn sehen. Wir mußten einen Augenblick auf dem Absatz vor dem Saal warten. In diesem Augenblick wies ich Dr. Liebknecht meine Pistole und sagte, im würde bei Fluchtversum sofort smießen. Er nickte. Er erwiderte nimts darauf? Nein. Es ist auch möglim, daß er etwas gesagt hat, das weiß ich nicht, weil idl meine Aufmerksamkeit auf das Platzmamen rimtete. [... ] Ich weise den Vorwurf, der mir gemamt wird, auf das energismste zurück. Kein WOrt irgendeiner Verabredung ist gefallen. Im hatte dazu überhaupt keine Gelegenheit. Der Waffengebraum ist nach den Bestimmungen, die mir bekannt waren und die ich jetzt nom einmal durm gesehen habe, vollkommen beremtigt, ganz abgesehen von den Folgen, die ein eventuelles Entspringen, eine eventuelle Rückgriffnahme nimt bloß für mim persönlim, sondern für die Allgemeinheit haben konnte. Im habe nimts weiter zu sagen. Ich habe nom versmiedene Fragen bezüglim des Kolbensmlages. Für wie schwer haben Sie die Verletzung gehalten? Für sehr leimt. Denn er beugte sich vorn herüber, faßte mit der Hand drauf und sagte: Es blutet ja. Er soll gesagt haben: Ich bin gesmlagen. Im weiß es nimt. Sie sind nimt auf den Gedanken gekommen, ihn verbinden zu lassen? Sie haben gedamt, erst entledigen Sie sim Ihres Auftrages? [ ... ] Die anderen Angeklagten sagen, sie haben ihn für ziemlich smwam gehalten. Leutnant Stiege hat ihn gestützt. Mir ist nimts aufgefallen. Während der Fahrt hat er sim wieder erholt. Ihnen lag daran, Dr. Liebknemt möglimst smnell ins Untersumungsgefängnis zu bringen. Vorher smon haben Sie die Panne gehabt. Jawohl. [ ... ]
E Warum haben Sie, als Sie namher im Auto drinsaßen und mit Dr. Liebknemt losfuhren, Umwege gemamt? A Das habe im erklärt: Die Verhaftung war mehrere Stunden vorher. Ich mußte mit einer Gegenwirkung remnen. Wenn die Gegenpartei Wind bekommen hätte, mußte sie wissen, daß er nach Moabit geführt würde. [ ... ] J Dann hat der Angeklagte gesagt, er hätte mit einer Gegenwirkung von Spartakisten-Anhängern geremnet. Darf im fragen, wo er diesen überfall und dergleimen vermutete. A Im Tiergarten . ]. Aus der Vernehmung des Angeklagten Oberleutnant von Rittgen l
:
E Angeklagter Oberleutnant von Rittgen, wollen Sie sich zu der Ihnen zur Last gelegten Straftat äußern. A Im sm ließe mim den Ausführungen des Herrn Kapitänleutnants von Pflugk-Harttung an, ich habe weiter nimts dazu zu bemerken. [ ... ] .J Idl bitte, den Angeklagten zu fragen, weshalb er gcsmossen hat. A Weil der Führer gesmossen hat. Weil es selbstverständlim war. Es wurde Liebknemt darauf aufmerksam gemamt. J Sie haben dom nimt gewußt, daß der Führer gesmossen hat. A Erstens ist im Eden-Hotel in meinem Beisein die Waffe gezeigt worden und es wurde gesagt, es wird gesmossen beim Flumtversum, und wenn geschossen wird, und der Führer smießt, so schieße ich eben auch. [ ... ] A Von dem Moment im Eden-Hotel an stand klar in meiner Absimt fest: Wenn Flumtversum gemamt wird, wird gesmossen. [ ... ] A Als im in das Hotel kam, standen wir vor dem Eingang, und da wurde uns gesagt: Hier warten! Dort standen eine Menge Soldaten, im weiß nimt, ob Zivilisten dabei waren. Die sagten: Da oben ist Liebknemt. Einer sagte: Hier geht er weg, hier kommt er nimt lebendig vorbei, hier wird er ersmossen. Im sagte nom zu dem Betreffenden: Mamt eum nimt un glücklim, mamt keine Dummheiten. Ihr braumt keine Angst zu haben, wenn wir ihn transportieren, wir lassen ihn smon nicht laufen. I
A.a.O., BI. 92, 96, 98, 99.
4. Aus der Vernehmung des Angeklagten Liepmann ' : [ ... ] Ich stieg als erster ein und hatte meinen Platz auf der rechten Ecke des Wagens auf dem Rücksitz. Dann stieg Liebknecht ein, dann wieder ein Offizier. So saßen wir zu dreien auf dem Rücksitz eingeklemmt. In dem Augenblick wurde von hinten auf Liebknecht geschlagen. Es war selbstverständlich unmöglich, da wir zu dreien saßen, aufzustehen und einzugreifen. Liebknecht bewegte sich nach rechts herunter und griff mit beiden Händen nach der Wunde auf dem Kopf. Er blutete etwas. Das Blut lief über das Gesicht und tropfte auf meine Hose. In dem Augenblick, wo das Auto anfuhr, richtete er sich wieder auf, sah nach seinen Händen und sagte: »Blutet stark«. Um die Straßen, durch die wir gefahren sind, habe ich mich gar nicht gekümmert, da ich jetzt wußte, daß der Führer allein die Verantwortung für die Fahrtrichtung usw. trägt. Am Neuen See stoppte das Auto.
E Als Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung Dr. Liebknecht gefragt hat, ob er imstande wäre, zur Charlottenburger Chaussee zu gehen, hat da Dr. Liebknecht nichts gesagt? A Jawohl, er sagte wohl: »Wenn es denn sein muß!« oder so etwas.
5· Aus der Vernehmung des Angeklagten Hauptmann von PflugkHarttung ' : [ ... ] E Angeklagter Hauptmann von Pflugk-Harttung, wollen Sie sich einmal äußern. A Ich weise die Anklage aufs schärfste zurück. Ich bekam von Hauptmann Pabst den Auftrag, meinen Bruder mit einer Mannschaft zu holen, um Dr. Liebknecht wegzubringen [ ... ].
[ ... ] Als wir fertig waren, kam ein Mann und sagte: Liebknecht wird nicht zum Hauptportal, sondern aus der Kurfürstenstraße hinausgebracht. Wir fuhren hinüber, es war eine große Menschenmenge, auf den Dächern standen sie herum, an den Fenstern standen sie herum. Ich habe noch nie ein solches Schimpfen aus vollem Herzen gehört, wie da. Ich bedauerte, daß ich Begleitmann war.
[ ... ] E Wieviel Schuß haben Sie denn abgegeben? A Ich glaube, einen. Es ist auch möglich, daß es zwe i waren. Die Sache hat sich in Sekunden abgespielt. E Wohin haben Sie gezielt? A Ich habe gezielt, um zu treffen. Büchsenlicht war nicht mehr, es war ein Bruchteil von Sekunden. Ich habe darauf gehalten. E Sie haben auf den Rücken gehalten. Also ein feines Ziel war nicht möglich. Sie haben aber Grobziel auf den Rücken angeschlagen. A Angeschlagen, ja wohl. E Und gleich nach Ihrem Schuß ist Liebknecht gefallen? A Jawohl. E Wie weit war er da von Ihnen entfernt, als Sie schossen? A Ich habe da früher immer nur Schätzungen gemacht, indem ich auch bei den Vernehmungen angab: Ungefähr so weit von mir bis zu einem bestimmten Gegenstand, und danach ist ins Protokoll so und so viel Meter aufgenommen worden. E Schätzen Sie einmal hier! A Ich würde bis zur vorderen Kante des runden Tisches nehmen. E Auf wieviel Meter würden Sie das schätzen? A Das würde ich auf 5 Meter schätzen. I
A.a.O., BI. 123 f., 126 f., 130.
6. Aus der Vernehmung des Angeklagten Vogel>: [ ... ] Ich ging dann hinauf zu dem ersten Stock und holte Frau Luxemburg ab. Es können nur wenige Augenblicke gewesen sein, bis wir unten hinunter kamen. Sie hat noch ihre Sachen geordnet, dann habe ich ihr noch in den Mantel geholfen. [ ... ] Kurz bevor wir aus der Halle herauskamen, trat ich zur Seite und sagte: Bitte geradeaus in den Wagen! Beim Heraustreten aus der Drehtür - die Drehtür war aufgeklappt, es war also ein schmaler Gang - erhielt Frau Luxemburg von einem Soldaten mit Stahlhelm zwei Schläge auf den Kopf. Sie stürzte zu Boden, und ich eilte von hinten heran, um die Gefallene wieder aufzuheben. Mit Hilfe meiner Begleitleute wurde sie nun in den Wagen gelegt.
I
2
A.a.O., BI. 143, 144. A.a.O., BI. 153.
7. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Strassmann über die Verletzungen Liebknechts I: Weiter (fanden wir) eine Platzwunde auf der Höhe des Kopfes, die lag nach unserer Annahme 5 cm links vom Scheitel und war etwa 4 cm lang. Es war eine Schlagwunde, wie sie durch stumpfe Gewalt zu entstehen pflegt, wie sie sehr wohl durch einen Kolbenschlag bewirkt sein kann. [ ... ] Dann fanden sich drei Schußverletzungen, und zwar: eine am Kopf und zwei am Rumpf. Es handelt sich durchweg um Durchschüsse, nirgends war die Kugel im Körper geblieben, da überall ein durchgehender Schußkanal mit zwei entsprechenden Offnungen, Einschuß- und Ausschußöffnung, vorhanden war. 8. Aus der Vernehmung des Zeugen Hauptmann Pabst' : Zeuge Hauptmann Waldemar Pabst, 38 Jahre alt, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft E Bitte, wollen Sie sich zur Sache äußern? Z An dem fraglichen Januartage, die Stunde kann ich nicht mehr genau angeben, wurde von Angehörigen der Wilmersdorfer Bürgerwehr, die uns damals militärisch unterstellt war, eine Persönlichkeit angebracht, von der die Bürgerwehr angab: dies sei Dr. Karl Liebknecht. Nach den bei uns vorliegenden Bildern stimmte das auch. Die betreffende vorläufig festgenommene Persönlichkeit bestritt, Dr. Karl Liebknecht zu sein und ist auch bis zum Schluß meines Wissens - ich habe die letzten Verhandlungen nicht mehr mitgemacht - beim Bestreiten dieser Tatsache geblieben. Ich bat den Betreffenden, in dem Nebenzimmer - es sind zwei Zimmer: das eine war für mich als Chef des Stabes, im anderen arbeiteten die anderen Herren - Platz zu nehmen und meldete meiner vorgesetzten Dienststelle die Festnahme der betreffenden Persönlichkeit - das war die Abteilung Lüttwitz - und teilte gleichzeitig mit, daß die Division, damals noch das jetzige GardekavallerieSchützenkorps, beabsichtige, die betreffende Persönlichkeit den bürgerlichen Behörden zuzuführen, und zwar in das Untersuchungsgefängnis in Moabit. Dann befahl ich einem der Offiziere 1 A.a.O., BI. 167. 2 A.a.O., BI. 183, 195 f., 197, 198,212 .
66
von den Nachtdiensthabenden [ ... ], den Führer der Marine-Stabswache, Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung mit einem Begleitkommando zu holen [ ... ] und die betreffende Persönlichkeit nach Moabit zu bringen. [ ... ] Der Transport war weg; es hat, wie gesagt, ziemlich lange gedauert. Dann kamen wieder Angehörige der Wilmersdorfer Bürgerwehr und brachten eine Dame und gaben an, das sei Frau Rosa Luxemburg, die sie in demselben Hause festgenommen haben wollten. [ ... ] Ich fragte: Sind Sie Frau Rosa Luxemburg? Darauf sagte sie: Entscheiden Sie bitte selber. Da sagte ich: Nach dem Bilde müßten Sie es sein. Darauf entgegnete sie: Wenn Sie es sagen. Ich war also genau so schlau, wie vorher. Ich befahl nun, - ich weiß nicht, ob ich dem Oberleutnant Vogel direkt oder durch einen anderen Offizier den Befehl gegeben habe - Frau Rosa Luxemburg nach Moabit zu bringen. [ ... ] über die weiteren Vorkommnisse unten vor dem Hotel vermag ich keinerlei Auskunft zu geben, denn ich habe weiter auf meinem Arbeitszimmer gesessen und gearbeitet. Nachdem dann Frau Rosa Luxemburg bereits abtransportiert war, kam der Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung und meldete mir, daß Dr. Karl Liebknecht im Tiergarten einen Fluchtversudl unternommen habe, und daß er bei dem Fluduversuch ersdlOssen worden sei. Die Leiche sei in die Rettungsstation am Zoologischen Garten gebracht worden, er habe dort auf der Station nicht gemeldet, daß es sich um Dr. Karl Liebknecht handele. Ich meldete darauf später meiner vorgesetzten Dienststelle diesen Vorgang und benachrichtigte meinen Kommandeur [ ...] und billigte ausdrücklich die Maßnahme des Kapitänleutnants von Pflugk-Harttung, daß er auf der Unfallstation nicht angegeben habe, um welche Persönlichkeit es sich handele, da die Sensationspresse ja sonst nichts Eiligeres zu tun gehabt hätte, als die merkwürdigsten Gerüchte in die Welt zu setzen. [ ... ] Gleich nachdem Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung die Meldung gemacht hatte, kam Oberleutnant Vogel und meldete mir, Frau Luxemburg sei auf der Fahrt aus dem Wagen gerissen und verschleppt worden, er wisse nicht wohin. Bei dieser Darstellung ist er mir gegenüber auch geblieben. Auch diesen Vorfall meldete ich an meine vorgesetzte Dienststelle.
E Von den Kolbenschlägen hat der Oberleutnant Vogel damals nichts gesagt? Z Nein. E Er hat auch nichts von einem Schuß gesagt? Z Doch. Es sei geschossen worden, hat er gesagt. E Auch, daß die Frau Luxemburg getroffen wurde? Z Daß sie getroffen worden ist, hat er mir auch gesagt. E Oder können Sie das nicht genau sagen? Z Das kann ich nicht genau sagen. E Sie haben nun sofort die protokollarische Festlegung der Aussagen der verschiedenen Herren veranlaßt? Z Jawohl. E Und zwar der Herren, die bei dem Transport Liebknechts gewesen waren? Z Die dabei waren, sofern sie mir in der Nacht noch erreichbar waren. Es ging bis morgens, ich glaube 6 oder 112 7 Uhr, bis das Protokoll fertig war. E Sie haben auch gleich eine Darstellung für die Presse veranlaßt? Sie haben früher angegeben, daß der Grund für Sie der war, eventuellem Gerede die Spitze abzubrechen. Z Wenigstens es so darzustellen, wie sich uns der Sachverhalt nach den Meldungen und Angaben der betreffenden Persönlichkeiten ergab.
...
[ ] G Ich habe gehört, daß es dem Herrn Zeugen bekannt war, daß sein Bursche die Kolbenhiebe, die gegen Frau Rosa Luxemburg gerichtet worden sind, gesehen haben soll. Ist das richtig? Z Mein Bursche hat mir seinerzeit angegeben, er wäre Zeuge der Kolbenhiebe des Jägers Runge gewesen und er habe den Eindruck gehabt, daß sie absolut tödlich gewesen wären. E Das hat er Ihnen gesagt? Z Ich möchte den Weg dieser Ji.ußerung an mich gen au charakterisieren: Ich pflege mich mit meinem Burschen über derartige Dinge nicht zu unterhalten. Er hat es meiner Frau gesagt und meine Frau hat es mir gestern gesagt, als die erste Verhandlung bekannt wurde.
9. Aus der Vernehmung des Zeugen Souchon t : [ ... ] Zeuge Leutnant Souchon, 24 Jahre alt, evangelisch, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft. (Nach einer einleitenden Erörterung über die Gründe der Abwesenheit des Zeugen am Vortage:) E Herr Leutnant, ich weise Sie auf die Bedeutung des Zeugeneides hin. Sie müssen Ihre Aussage beschwören. Sie rufen dabei Gott zum Zeugen der Wahrheit und zum Rächer der Unwahrheit an. Sie stehen heute vor Gericht. Es gibt für Sie keinerlei politische Rücksichtnahme, keine Erwägungen der Zweckmäßigkeit und keine Rücksicht auf irgend einen Kameraden oder Vorgesetzten. Vor Gericht entscheidet lediglich die Wahrheit, von der Sie sich audl nicht um Haaresbreite entfernen dürfen; denn Sie müssen Ihre Aussage beschwören, Sie dürfen nichts verschweigen und dürfen nichts hinzusetzen. Die vorsätzliche Abgabe einer falschen Bekundung wird als Meineid mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft. Nun wollen Sie sich, nachdem ich Ihnen das vorgehalten habe, zur Sache einmal äußern. Sie waren also auch zu dem Transport Liebknechts ursprünglich vorgesehen? Z Ja. Ich saß an dem betreffenden Abend mit Herrn Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung beim Abendbrot, als Kapitänleutnant v. Pflugk-Harttung herausgerufen wurde und dann zu mir hereinkam und mir befahl, sofort eine Patrouille für eine Unternehmung zusammenzustellen. Daraufhin machte ich ihm mehrere Herren namhaft und rüstete uns aus, ging in ein draußen bereitstehendes Auto und wurde ins Eden-Hotel gefahren. Im EdenHotel mußten wir zunächst im Vestibül warten, wurden dann oben im ersten Stock vor den sogenannten kleinen Salon geführt und erfuhren dort im Hotel du rch das aufgeregte Gebaren der dortigen Hotelgäste und des ganzen Personals, daß Dr. Liebknecht verhaftet war und sich im Eden-Hotel befand.
[ ... ] Der Transport ging wie angeordnet vonstatten. Dabei machte das Publikum Bemerkungen. Ich erinnere mich, daß ein Oberkellner, der sich an mir vorbeidrängen wollte, von mir ewe Ohrfeige bekam. I
68
A.a.O., BI. ur f. , 224,
226.
E Z E Z
E Z E Z E Z 10.
[ ... ] Eine Bemerkung, die fiel, habe ich in Erinnerung; die habe ich in meiner Zeugenaussage auch wohl angegeben. Es handelte sich darum: "Was, den Menschen bringt ihr lebendig weg?« "Was, den Kerl laßt ihr wieder weg?« haben Sie früher gesagt. Ja, so ist es auch gewesen. Dann gingen Sie alle ins Auto? Nein, es war so: Die Leute drängten kolossal heran, und wir mußten uns durch die Menge hindurchdrängen. Ich war als letzter Mann hinter Liebknecht und wurde vielleicht, wie ich auf der halben Trottoirbreite war, von der Menge abgetrennt, mußte mich durchzwängen und versuchte, noch auf das Auto hinaufzukommen. Ich karn nicht mehr durch; das Auto fuhr los; ich blieb da. [ ... ] Sie haben das Auto nicht verfolgt? Das Auto fuhr sehr schnell los. Haben Sie dem Auto noch nachgesehen? Ich habe dem Auto noch nachgesehen. Dann müssen Sie doch bemerkt haben, daß noch jemand auf das Auto aufgesprungen ist? Nein, das habe ich nicht gesehen. Ich kann mich nicht erinnern.
Aus der Vernehmung des Zeugen Leutnant Sander t :
[... ] E Nun kommen Sie noch einmal auf einen Vorfall zurück, der sich mit dem Zeugen Stadtrat Grützner abgespielt hat. Z Ich wurde - das Datum kann ich nicht mehr angeben - zum Divisionsstab kommandiert. [ ... ] Ich meldete die übergabe der Wache an den Chef des Stabes, Herrn Hauptmann Pabst; vorher hatte ich sie Herrn Hauptmann v. Pflugk-Harttung gemeldet, weil Herr Hauptmann Pabst nicht da war. Ich erhielt von Hauptmann v. Pflugk-Harttung den Auftrag, dem Oberleutnant Grützner mitzuteilen, daß er mit den Leuten, die die Wache stellten, doch über diesen Fall Rosa Luxemburg-Liebknecht sprechen möchte, um zu sehen, welche Stimmung bei den Leuten herrschte. Ich begab mich zu dem betreffenden Oberleutnant und teilte ihm dies mit. [ ... ]
E Z
E Z
...
E Z E
Z
E Z
...
E I A.a.O., BI. 254 f., 256, 257, 258 f., 260.
Darauf antwortete der Stadtrat Grützner, es fiele ihm gar nicht ein, mit den Leuten darüber zu sprechen. Präzisieren Sie noch einmal genau Ihre Worte, deren Sie sich entsinnen können, die Sie dem Zeugen Grützner gesagt haben. »Herr Grützner, der Hauptmann v. Pflugk-Harttung hat mir aufgetragen, Ihnen mitzuteilen, daß Sie mit den Leuten der Wache noch ab und zu eine Rücksprache über den Fall Rosa LuxemburgLiebknecht pflegen, um auf diese Art und Weise die Stimmung resp. die Meinung über den Fall Rosa Luxemburg-Liebknecht zu hören.« [ ... ] Was sagte der Stadtrat Grützner, der damalige Oberleutnant Grützner? »Es fällt mir gar nicht ein, daß ich mit den Leuten darüber spreche. Ich betrachte es als eine Verleitung zum Meineid.« In dieser Art und Weise antwortete er. Darauf sagte ich ihm: »Aber erlauben Sie, bei dieser Sache ist doch insofern nichts dabei, als lediglich die Stimmung der Leute, ob sie den vielen umherlaufenden Gerüchten Rechnung trägt, erforscht werden soll. Er ließ sich aber nicht darauf ein, und ich begab mich nach oben und meldete das. [ ] Sie haben vorhin gesagt, daß der Hauptmann v. Pflugk-Harttung Ihnen diesen Auftrag gegeben hat. Jawohl. Sie sollten mit dem Nachfolger darüber sprechen. Wie kommt es, daß da ein anderer Name sich eingeschlichen haben soll. Wir werden von dem Zeugen Grützner, dem Sie damals gegenübergestellt worden sind, hören, daß Sie gar nicht den Namen des Hauptmanns v. Pflugk-Harttung gesagt haben, sondern den Namen des Hauptmanns Pabst, des ersten Generalstabsoffiziers. Das ist mir nicht verständlich. Mir ist nur in Erinnerung, daß ich den Namen des Hauptmanns v. Pflugk-Harttung genannt habe. Von dem hatten Sie auch die Weisung? Ich sehe keinen Grund, weshalb ich den Namen des Hauptmanns Pabst gebraucht haben sollte. [ ] Was sagte denn etwa der Hauptmann v. Pflugk-Harttung zu Ihnen?
Z Er sagte es ungefähr in derselben Art und Weise, wie ich midl nachher dem Oberleutnant Grützner gegenüber ausgedrückt habe. E Er sagte vielleicht: Orientieren Sie den Nachfolger, den Wachhabenden, daß er den etwa auftretenden Gerüchten, einer etwaigen Legendenbildung entgegentrete. So dem Sinne nach? Z Jawohl. [ ... ]
Z E Z E
Z I I.
E
Z E
Z E
Z E
J I
Aus der Vernehmung des Zeugen Dreger l
:
[ ... ] Früher haben Sie aber gesagt, er (Runge; d. Hsg.) wollte noch zu einem dritten Schlage ausholen. Da hätte ein Offizier etwas gesagt? Ja, der Offizier war doch dahinter. Der sagte also beim ersten Schlage schon: "Ihr seid wohl verrückt, was macht ihr da? « Das haben Sie aber bei Ihrer früheren Vernehmung anders dargestellt. Nach Ihrer früheren Vernehmung ist das so gewesen, als ob der Offizier das gesagt hat, als der Angeklagte Runge zum dritten Schlage ausgeholt hat. Nein, das hat er beim ersten gesagt. Na, dann werde ich Ihnen das zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses entgegenhalten. Da ist im ersten Bande Blatt 114 ein Protokoll, das ist am 2. Februar 1919 vom KGR Jorns aufgenommen, der hat Sie damals vernommen. Das wissen Sie? Jawohl, das weiß ich. »Als wir hörten, daß Rosa Luxemburg heruntergebracht wurde« - "wir«, damit sind Sie und Runge gemeint - " hatte er schon seinen Karabiner entsichert und die Patronen herausgenommen, da er bemerkte : »Die kommt nicht lebendig heraus. « Nach dem Schlage fiel sie in der Tür rücklings um, ohne einen Laut von sich zu geben. Sie fiel mir mit dem Kopf auf die Knie. Dann gab ihr Runge noch einen Schlag, der sie wohl an der Stirn traf. Er holte noch zu einem dritten Schlage aus, führte ihn aber nicht mehr aus. Ich sagte: "Hör auf, es ist genug.« Es hat niemand versucht, ihn am Schlagen zu verhindern.« [ ... ] Haben Sie irgend wie nach der Geschichte Geld erhalten, sozusagen als Belohnung? A.a.O., BI. 290 f., 30 8 f.
E Z E Z J R
E R E R E R E R E R E R
Nein, ich habe kein Geld ~rhalten. Sie sagen das mit einem gewissen Zögern. Ich möchte fragen: von wem? Von irgend einer Seite, seien es Hotelgäste, selen es ganz unbekannte Personen. Sind Ihnen nach dem Vorfall von irgend einer Seite Zuwendungen gemacht worden, deren Grund Sie sich nicht erklären können? Ich habe sonst gar kein Geld bekommen, außer von Runge 20 Mark. Von Runge haben Sie 20 Mark bekommen. Wann? An dem Abend. Ich bitte das ins Protokoll aufzunehmen. Was hat er dabei gesagt? Er hat dabei gar nichts gesagt. [ ... ] Was sagt der Angeklagte Run ge dazu, daß er dem Zeugen 20 Mark gegeben hat? Der Fall läßt sich aufklären. Die 20 Mark sind Liebesgaben gewesen. Die 50 Mark habe ich schon bekommen, ehe Liebknecht eingeliefert worden ist und von einer Person, die nicht genannt werden wollte, und die ich auch nicht kenne. Die hat mir den Auftrag gegeben, meinem Kameraden 20 Mark abzugeben, was ich getan habe. Es war ein 50-Markschein, den habe ich gewechselt und habe Dreger 20 Mark abgegeben. Das ist eine recht eigenartige Liebesgabe. Wann ist die gegeben worden, vor oder nach der Tat? Vor der Tat. Das wollen Sie behaupten. Was war das für el11e Person? Ein Hotelgast? Nein, ein besserer Herr, ein Zivilist. Da haben Sie das mit dem Dreger geteilt? Mit dem Dreger. Wie kamen Sie dazu, das Geld mit Dreger zu teilen? Weil mir das gesagt wurde und ich gerade mit dem Dreger zusammen war. Wo zusammen? Waren Sie besonders befreundet miteinander? Nein, nicht. Wie kamen Sie gerade dazu, nach der Tat dem Dreger 20 Mark zu geben? Das wurde mir von dem Gast gesagt, der mir die 50 Mark gege-
73
ben hatte, ich sollte ihm 20 oder 25 Mark geben, wie es mir beliebte. Hat er sie denn zuvor gegeben? Jawohl, vor der Einlieferung, da stand ich schon Posten. Sie meinen, der Gast hat es getan, ohne von den früheren Vorgängen zu wissen? Ohne zu wissen. Was haben Sie dem Zeugen Dreger gesagt? Ich habe gesagt, da sind 20 Mark, das sind Liebesgaben, und ich soll dir von dem Gelde etwas abgeben. Da hat er es freudestrahlend genommen. Er hat gesagt, wenn du mir etwas abgeben willst, nehme ich es eben. War das zu der Zeit, wo Sie Posten gestanden haben? Jawohl, wo wir Posten gestanden haben. Stimmt das, Zeuge Dreger? Jawohl, es stimmt. Was stimmt? Hat der Angeklagte Ihnen 20 Mark gegeben und was hat er gesagt? Er hat mir gesagt, daß er das Geld bekommen hat und mit dem andern Posten teilen sollte.
E R E R E R E R E R E Z E Z
I2.
Aus der Vernehmung des Zeugen Edwin v. Rzewuski I
;
[ ... ] Ich bin am 12. Januar 1919 von der Bürgerwehr zum Stabe der Garde-Kavallerie-Schützen-Division als Befehlsempfänger kommandiert worden und kam zum Kommando von Herrn Leutnant Liepmann. Am 15. Januar mittags I Uhr zog ich auf und hielt mich in dem Mannschaftsraum im Cafc auf. Als wir es uns abends gemütlich gemacht hatten, meldete uns ein Soldat, Liebknecht sei verhaftet und befände sich im Vernehmungszimmer. Wir diskutierten über die Lage der Zeit und sprachen, daß die ärgsten Feinde im Inlande seien. Ich habe 7 Jahre an der Front gekämpft, war auf See. - Wir gingen aus Neugierde ins 1. Stockwerk, dort hielten wir uns auf, auch Hotelpersonal. Dann habe ich nur gesehen, wie Dr. Liebknecht nach einer Weile abgeführt wurde. [ ... ] E Sind Sie nicht auf das Auto hinten aufgesprungen und haben Liebknecht geschlagen? I
A.a.O., BI. 3 I9 ff.
74
Z Jawohl! E Sie wollen also auch heute in der Beziehung von Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch machen? Z Nein. E Sie sind auf das Auto des Dr. Liebknecht hinaufgesprungen? Wie weit sind Sie mitgefahren? Z Noch keine 10 Meter. E Haben Sie mit der Faust geschlagen oder mit emem Gegenstand? Z Mit der Faust, ich habe keinen Gegenstand in der Hand gehabt. E Wie war es nun beim Auto der Luxemburg? Z Da habe ich keinen Gegenstand in der Hand gehabt, sondern ich bin da heraufgesprungen, ich habe auf Rosa Luxemburg mit der Hand leicht zugeschlagen, als das Auto kurz vor der Kurve war, und bin nachher mit Vizewachtmeister LilienthaI zusammen gewesen. E Sie geben heute zu, daß Sie Frau Luxemburg auch geschlagen haben? Früher haben Sie gesagt, Sie haben sie nur an den Haaren hochgehoben. Wie war der Zustand der Frau Luxemburg? Wie lag sie da, hielten Sie sie für tot, leblos, besinnungslos? Blutete sie? Z Das kann ich nicht sagen, ich habe darauf keine Obacht gegeben. Ich nehme an, daß sie vielleicht durch den Schlag getötet war oder besinnungslos, das kann ich nicht feststellen. E Sie haben aber ihre blutige Faust gezeigt. Z Bei Rosa Luxemburg nicht, aber bei Liebknecht, weil der geblutet hat. Ich hatte einen Blutfleck auf der rechten Hand. E Wie war denn die Stimmung im allgemeinen, war große Aufregung? Z Eine Aufregung, eine kolossale Aufregung, denn es waren noch Menschen draußen vor dem Eingang am Kurfürstendamm, an der Nürnberger Straße vielmehr, und es haben selbst Leute aus dem Publikum gerufen. E War denn da Zivilpublikum? Z Es war einiges Zivilpublikum. E Einige? Wie viel waren es im ganzen, I0-50? Z Ungefähr 20-30. Ich habe mich nicht hingestellt und gezählt. Ich habe nicht gedacht, daß aus der Sache etwas wird. Die Empörung ist so groß, wenn man so lange Soldat gewesen ist und kommt zurück und sieht, wie unsere eigenen Angehörigen behandelt wer-
75
E
G
Z
E
den. Man ist entlassen und muß selber zum Schwert greifen, um diese Leute zu verteidigen. Diese Leute sind es gewesen, die die Sache angestiftet haben. Alle politischen Erwägungen scheiden hier aus, nicht wahr, und ich habe die Bemerkung auf Ihre Erregung hin zugelassen, soweit es zur Richtigstellung des Sachverhalts dient. Verzeihen Sie gütigst: Für die Frage, ob evtl. Mord oder Totschlag vorliegt, ist natürlich von Bedeutung, die Stimmung der Leute kennenzulernen. Ich habe die Leute bisher nicht danach gefragt. Ich habe von diesem Zeugen den Eindruck gewonnen, daß er es wiedergeben kann. Die Politik hat hier nichts zu tun, aber es ist von Bedeutung, die Wirkung der damaligen Unruhen auf die Beteiligten zu schildern. Weiß der Herr Zeuge etwas davon, wie die Offiziere, die hier angeklagt sind, sich bei dem Abtransport Liebknechts benommen haben? Haben sie die andrängende Menge zurückgedrängt oder mit unterstützt? Davon habe ich nichts gesehen. Ich bin ganz ruhig hinausgegangen. Die Situation hat mich dazu verleitet, auf beide einzuschlagen. Die Situation, die Erbitterung der Menge und die Zustände. [ ... ]
E Sie haben etwas Dumpfes aufschlagen hören? Sie selbst standen wo? Z Ich selbst stand beim Portier. E Der Portier hat einen Verschlag, der neben dem Rondell ist, und die Fenster gehen auf die Straße. Von diesem Platz aus haben Sie gesehen, wie die Frau Luxemburg hineingetragen wurde? Z Nein, hinein gezerrt wurde. Sie konnte nicht allein gehen, ich sehe es heute noch, mit einem Arm wurde sie hineingezerrt. E War es roh oder ein Tragen? Z Nein, es war richtig, als wenn sie sie hineingeschmissen hätten. Frau Luxemburg war nicht mehr imstande zu gehen. E Wie fanden Sie dies ganze Verhalten? Z Meiner Ansicht nach war die Tat sehr roh. I4· Zeuge Kellner Max Krupp', '7 Jahre alt, evangelisch, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft.
IJ. Aus der Vernehmung der Zeugin Pauline Baumgartner', 33 Jahre alt, katholisch, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft. [ ... ]
E Erzählen Sie einmal, was Sie von den Vorfällen wissen! Z Liebknecht sah ich nur ins Hotel herein führen bis zum Fahrstuhl hin, sonst habe ich nichts mehr davon gesehen. Rosa Luxemburg sah ich beim Portier vorbeiführen, geführt von 2 Soldaten, und vor und hinter ihr gingen auch Soldaten. Da trat ich ans Fenster zurück. Da sah ich ein Auto stehen und einen Ring von Soldaten, in das Frau Luxemburg hineingezerrt wurde. Sie wurde auf den Rücksitz gesetzt. Da strömte ihr Blut durch Nase und Mund. Das Auto fuhr dann gleich weg. E Weiter haben Sie nichts gesehen. Sie haben den Schlag in der Drehtür gehört? Z Es war wie ein Schlag. t A.a.O., BI. 327 f.
E Z E Z
E Z E Z I
[ ... ] Ich war damals oben im IH. Stock, da hörte ich, daß Dr. Liebknecht eingeliefert wurde. Ich ging dann hinunter nach dem 1. Stock, um ihn zu sehen. Es war gegen 1/ 2 '0 Uhr, als er abtransportiert wurde. Ich ging dann durch den Haupteingang durch und lief alsdann bis zum Seitenausgang Kurfürstenstraße herum, da wurde ein Spalier gebildet, wo Dr. Liebknecht durchging. Als er sich setzen wollte, bekam er einen Kolbenschlag auf den Kopf. Wer hat ihn ausgeführt? Das weiß ich nicht, es war ein Soldat im Stahlhelm. Das Gesicht haben Sie nicht erkannt? Nein. Als das Auto anruckte, sprang ein Soldat im Pelzmantel auf das Trittbrett und versetzte ihm mit der Hand ein paar Schläge ins Gesicht. Er kam zurück und rühmte sich seiner blutigen Tat. Er zeigte die Hand? Jawohl. Haben Sie das Gesicht von ihm erkannt? Es war der Zeuge Rzewuski. Zeigen Sie einmal, wo er sitzt. Jawohl. A.a.O., BI. 329 f.
77
G Gehen Sie einmal hin. (Zeuge Krupp geht auf den auf der Zeugenbank sitzenden Zeugen v. Rzewuski zu). E Was wissen Sie noch von der Menschenmenge, die vor dem Ausgang stand ? Z Ich habe noch gehört, daß der Hauptmann Petri ausgerufen hat: »Haut das Schwein!« E Sie haben noch gehört, daß Hauptmann Petri ausgerufen hat: »Haut das Schwein«? Z Er hat das so hingesagt, nicht zu einer bestimmten Person. E Er hat es allgemein gesprochen. Haben Sie gesehen, daß einer der Soldaten versucht hat, die Mißhandlungen von Liebknecht abzuhalten? Z Nein. E Einer der Offiziere? Z Nein, ich habe nichts davon gesehen.
Z Der Hauptmann Petri. E Was hat er gesagt? Z Er sprach zu den Umstehenden: »Seht nur zu, daß die nicht lebendig herauskommen oder nicht lebend ins Gefängnis kommen.« I6. Der Anklagevertreter forns beschwert sich über telldenziöse Berichterstattung der ,Freiheit, (Tageszeitung der USPD). Dazu äl~ßert sich der Vorsitzende, KGR Ehrhardt r :
[ ... ] Was die übrigen Ausführungen des Herrn Vertreters der Anklage anbelangt, so muß ich auch mit Bedauern feststellen, daß in den Zeitungsberichten vor abgeschlossener Beweisaufnahme schon Würdigungen von Zeugenaussagen enthalten sind. In der Tat kann ein solches Vorgehen unter Umständen geeignet sein, Richter zu beeinflussen. Wenn in Laienkreisen also die Ansicht bestehen sollte, ein Kriegsgericht wäre ein Militärgericht und hätte nach irgendeiner Richtung hin Rücksicht zu nehmen, 'so ist das ein bedauerlicher Irrtum. Ein Kriegsgericht ist ein Gericht, wie jedes andere Gericht, und steht über allen politischen Parteien. Vor Gericht gibt es keine Politik. Es entscheidet die Wahrheit und das Recht, und kein Richter läßt sich in seinem Empfinden, in seinem Rechtsgefühl durch irgend welche Ausführungen nach irgendeiner Richtung hin beeinflussen, weder in ruhigen Zeiten, noch in ernsten und erregten Zeiten, wie wir sie jetzt haben.
IJ. Aus der Vernehmung des Zeugen Walter Mistelskir, '7 Jahre alt, evangelisch, mit keinem der Angeklagten ve rwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft.
[ ... ] E Nun haben Sie etwas von dem Gespräch der Offiziere gehört. Z Ja, einige Offiziere beklagten sich, daß das so grob und bestialisch gewesen wäre, und ein anderer oder zwei sagten, es wäre sehr gut gewesen oder so was. E Sie sagten: man solle zufrieden sein, daß die Leute um die Ecke gekommen wären, sie hätten der Menschheit genug geschadet. Daß sie um die Ecke gebracht seien oder sei? Z Das weiß ich so genau nicht. E Früher sagten Sie: daß die Leute um die Ecke gekommen selen. Darauf kommt es an, wie ist das gewesen? Z Nein, nur der eine Fall. E Die Kußerung hat sich Ihres Erachtens nur auf den Fall Luxemburg bezogen? Z Ja. E Weiter haben Sie sich nun auch geäußert, daß auch ein Offizier vor dem Abtransport Liebknechts sich ähnlich geäußert habe. Wer war das? I
A.a.O., BI. 345, 347 f.
I7. Aus der Vernehmung des Zeugen Peschel 2 (Fahrer des Liebknecht-Transports):
[ ... ] E Haben Sie unterwegs oder überhaupt irgendeinen der Angeklagten mit jemand anderem darüber sprechen hören, was darauf hat hindeuten können, daß eine Verabredung bezüglich der Panne vorgelegen hat? Z Nein. E Unterwegs? Z Auch nicht. E Haben Sie vielleicht zwei der Angeklagten »quatschen« hören? I
A.a.O., BI. 387.
2
A.a.O., BI. 449.
79
Tags zuvor wären auch 5 Mann der Wache, die sich als unzuverlässig erwiesen hätten, schlicht endassen worden. Ich wurde aus dem Gespräch nicht klar und fragte: "Was meinen Sie eigen dich?« Da wiederholce er mir den Inhalt des Gespräches noch einmal und fügte hinzu: ~Sie wissen doch, was hier im Eden-Hotel passiert ist?« Ich hatte natürlich auch von diesen Vorgängen aus den Zeitungen Kenntnis und wiederholte nun die von mir wiedergegebene Außerung. Daraufhin wurde ich natürlich etwas erregt und sagte ihm sofort: »Sagen Sie dem betreffenden Herrn, der Ihnen den Befehl gegeben hat, daß er durchaus an den Falschen gekommen ist. Ich bin zufällig Jurist, und ich würde, wenn ich eine derartige Handlung begehen würde, mich einfach der Verleitung zum Meineid schuldig machen. Sagen Sie außerdem, daß das eine politische Dummheit erster Güte ist, mir einen derartigen Befehl zu geben. Ich weigere mich, ihn auszuführen. « - Das war im Wesendichen der Inhalt des Gesprächs. Wir sind dann auseinander gegangen.
Z Auch nicht. E Ist Ihnen an dem Verhalcen der Angeklagten irgend etwas Verdächtiges aufgefallen? Z Auch nicht. E Daß man der Ansicht sem konnte, sie wollten Herrn Dr. Liebknecht zu Leibe gehen? Z Auch nicht. E Ich weise Sie darauf hin, daß Sie das Recht haben, auf diese meine letzte Frage Ihr Zeugnis zu verweigern, falls Sie befürchten müssen, sich durch Ihre wahrheitsgemäße Aussage selbst der Gefahr einer strafgerichdichen Verfolgung auszusetzen, da Sie früher im gerichdichen Ermitdungsverfahren nichts gesagt haben. Z Ich gehe nur von dem Gesichtspunkt aus: Ich bin mit Leib und Seele Soldat. Ich habe mich gefreut, daß der Transport vorschriftsmäßig vor sich gegangen ist, wie er vom militärischen Standpunkt aus gemacht werden sollte.
...
18. Alts der Vernehmung des Zeugen Walter Grützner I , 37 Jahre alc,.
[ ]
evangelisch-lutherisch [ ... ].
...
[ ] Ich wurde am rB.Januar-ich gehörte damals dem Jägerregiment 1 zu Pferde an - während der Januar-Unruhen vom Regimentsführer für den Sonntag zu r übernahme der Divisionss tabswache ins Edenhotel abkommandiert. Am Sonntag früh habe ich mich hinbegeben und übernahm zunächst von dem Wachhabenden Leutnant Sander die Wache. Zu diesem Zwecke ging ich mit ihm die Posten ab und ließ mir die sonstigen Sicherheitsmaßnahmen, die im Edenhotel getroffen waren, zeigen. Das dauerte etwa bis 1/ 2 9 Uhr. Zum Schluß gingen wir wieder in das Wachlokal, in das Cafe Eden-Hotel hinunter. Dann nahm mich Herr Leutnant Sander in eine Nische dieses Cafes beiseite und sagte mir in gedämpftem Tone, er hätte im Auftrage - er nannte meines Erinnerns den Namen des Hauptmanns Pabst - mich zu bitten, ich solle auf die Mannschaften einwirken, daß sie günstig aussagten. Außerdem wies er darauf hin, daß sich unter den Mannschaften ungeeignete Elemente befänden. Ich hätte gewissermaßen pIe in pouvoir dafür zu sorgen, daß ungeeignete Elemente herauskämen. I
A.a.O ., BI. 475 f.
80
19. Aus der Vernehmung des Zeugen Willy Grantke I , Jäger zu Pferde, 19 Jahre alc, evangelisch, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft. E (beginnt seine Vernehmung) Sie haben nichts gegen emen der Angeklagten? Z Nein. E Hat Ihnen einer etwas getan, Sie schlecht behandelt? Z Nein. E Sie müssen heute die reine Wahrheit sagen, was Sie wissen. Sie dürfen nichts unterdrücken und nichts hinzufügen. Sie waren ja zugegen, als ich Sie darüber belehrt habe, daß Sie vor Gericht stehen und daß jede Rücksicht auf einen Kameraden oder Vorgesetzten hier vor Gericht ausscheidet. Z Jawohl. E Nun erzählen Sie einmal. Was wissen Sie vom Fall Dr. Liebknecht und vom Fall Frau Rosa Luxemburg? Z Vom Fall Liebknecht weiß ich nichts. Ich bin bloß beim Transport von Frau Luxemburg mitgewesen. I
A.a.O., BI. 572 f., 574, 576, 577, 580, 581.
Sr
E Z E Z
E Z E Z
E Z E Z E Z E G Z E Z
E Z
E
Erzählen Sie einmal. Vom Wachtmeister Gorkow sind wir kommandiert. Wer »wir «? Drei Mann, Hoppe und Weber. Wir sind zum Auto am Hauptportal gegangen. Da kam Frau Luxemburg. Da hat Runge mit dem Kolben auf sie eingeschlagen. Zwei Schläge. Beim ersten Schlag fiel Frau Luxemburg. Und dann wurde sie ins Auto hereingezogen. Und das Auto fuhr dann ab. Da kam einer hinterher und hat draufgeschlagen, ins Gesicht. Ob er Waffen hatte, weiß ich nicht. Wo fuhren Sie dann da im Auto? Das Auto fuhr langsam an. Wie saßen Sie da? Ich saß links; hier war Frau Luxemburg, hier (rechts von Frau Luxemburg) saß Weber, vorn stand noch einer, den habe ich nicht gekannt. Der war dahin kommandiert. Poppe stand auf dem Trittbrett und der OberleutnantWo war der Oberleutnant? Der stand auf dem Trittbrett. War der nicht vielleicht im Wagen drin? - Woher wissen Sie das genau, daß der Oberleutnant Vogel auf dem Trittbrett stand? Es war ein größerer, der im Wagen drin war. [ ... ] Von wem wurde im Auto geschossen? Vom Trittbrett aus, von OberleutnantVon Oberleutnant Vogel? - Erkennen Sie den Angeklagten Oberleutnant Vogel? Sehen Sie sich ihn auf der Anklagebank an. Welcher ist es denn? Der, der hinter Runge sitzt. [ ... ] Erzählen Sie einmal, wie das im einzelnen war. Der Herr Oberleutnant nahm seinen Revolver 'rum und wollte schießen. Da ging der nicht ab, weil er gesichert war. Da ist im Auto gesagt worden, er soll nicht schießen. Da nahm der Herr Oberleutnant den Revolver noch einmal und entsicherte ihn und schoß. Wo schoß er hin? Hier oben, die linke Seite. (Der Zeuge deutet mit dem Zeigefinger an die Schläfe). [ ... ] Oberleutnant Vogel schoß auf die Luxemburg?
82
Z Jawohl. E Sie saßen doch ganz nah an der Frau Luxemburg. Trat eme Veränderung mit dem Körper ein? Z Sie zuckte nur noch einmal zusammen. E Und dann? Z Dann blieb sie liegen. [ ... ] E Wohin hat der Schuß getroffen? Z Oben an die Schläfe. E Früher sagten Sie: »Drückte ab zwischen Auge und Ohr«. An welche Schläfe, links oder rechts? Z An die linke Schläfe, wo ich saß. [ ... ] E Wie sah die letzte Person, die nicht ermittelt wurde, aus? Z Der auf der Führerlehne war ein großer starker Mensch. E Hat er Infanterieuniform gehabt? Z Einheitsrock und Wickelgamaschen. J Trug er Monokel? Z Das weiß ich nicht. E Aber der Transportführer, der Oberleutnant Vogel, trug der ein Monokel? Z Jawohl. E Wie war das mit dem Unbekannten; hatte der eine Waffe? Z Das habe ich nicht gesehen. E Sie wissen aber mit Bestimmtheit, sagen- Sie, daß der Oberleutnant Vogel erst den Revolver aus seinem Futteral geholt hat, schießen wollte und daß der Schuß versagte? Das stimmt? Z Jawohl. E Ist dann noch etwas zu ihm gesagt worden, er solle das nicht tun, er solle das sein lassen? Z Jawohl. E Das haben Sie gesagt, und die anderen haben das auch gesagt? Z Jawohl. E Ist es möglich oder ausgeschlossen, daß diese dritte Person, die im Wagen war, geschossen hat? Z Der hat nicht geschossen. [ ... ]
Aus der Vernehmung des Zeugen Max Weber r, 26 Jahre alt, evangelisd!, mit keinem der Angeklagten verwandt oder versd!wägert, wegen Verletzung der Eidespflid!t nid!t vorbestraft.
20.
[ ... ] E Jetzt geben Sie nun einmal an, wie Sie im Auto saßen, wer fuhr da alles mit? Z Das waren zwei Chauffeure, - ein Chauffeur, ein Mitfahrer dann aud! der Jäger Poppe, eine unbekannte Militärperson, die id! nid!t kannte, und Oberleutnant Vogel. E Oberleutnant Vogel und Sie. Wo saßen Sie denn nun? Z Id! saß red!ts. E Sie saßen red!ts neben der Luxemburg? Z Jawohl. E Auf dem hinteren Sitz, wie man sagt, 1m Fond des Wagens, also mit Rid!tung nad! vorn? Z Jawohl. E In der Mitte die Frau Luxemburg. Und wer saß links? Z Mir war damals, als ob da Poppe gesessen hätte, aber id! habe gehört, daß es der Zeuge Grantke gewesen sein soll. [... ] E Wenn nach Ihrer Erinnerung Poppe da gesessen hat, müssen Sie das aussagen. Z Jawohl, nad! meiner Erinnerung hat da Poppe gesessen. E Nun war nodl Oberleutnant Vogel im Wagen oder auf dem Wagen? Z Auf dem Wagen. E Wo denn auf dem Wagen? Z Auf dem linken Trittbrett. [ ... ] Z Wir waren etwa 100 m gefahren, als Oberleutnant Vogel den Revolver zog und auf Frau Luxemburg schoß. E Ja, wie mad!te er das? Wo hatte er den Revolver? Z In der Hand. E Hatte er ihn vorher im Futteral stecken? Z Das habe id! nid!t gesehen. E Das haben Sie nid!t gesehen. Weiter. Z Nad! dem Sd!uß ... 1 A.a.O., BI. 609, 612 f., 616,617 f., 623 If., 626, 627, 628, 646, 647 , 648, 653·
84
E Ging das so sd!nell? Ging das alles so sd!nell? Haben Sie nur gesehen, wie er plötzlid! den Revolver da gehabt und gesd!osscn hat? Z Nein. E Sondern? Z Id! glaube, daß er das erstemal versagte. E Das erste Mal versagte der Sd!uß? Z Jawohl. E Ist da zu dem Angeklagten Oberleutnant Vogel von den Insassen etwas gesagt worden? Z Id! glaube, daß id! gesagt habe: »Nid!t sd!ießen! « E Sie glauben, daß Sie gesagt haben: »Nid!t sd!ießen! ~ Z Jawohl. E Hat sonst nod! jemand etwas gesagt? Z Das kann id! nid!t sagen. Das weiß id! nid!t. E Dann weiter. Wo hielt er denn den Revolver hin? Z Vor den Kopf. [ ... ] E Erkennen Sie heute in dem Angeklagten Oberleutnant Vogel denjenigen wieder, der den Sd!uß abgegeben hat? Darüber sind Sie am 1. April 1919 vernommen worden und da ist Ihnen der Angeklagte Oberleutnant Vogel aud! gegenübergestellt worden. Z Jawohl. G Id! möd!te doch bitten, ihm das vorläufig nod! nid!t vorzuhalten. Damals haben Sie ihn erkannt? Z Jawohl. G Erkennen Sie ihn heute wieder? Z Id! habe den Herrn damals ohne Bart kennen gelernt. E Erkennen Sie ihn heute trotzdem? Denken Sie sid! den Bart weg. Erkennen Sie den Angeklagten Oberleutnant Vogel heute wieder, wenn Sie ihn sid! ohne Bart vorstellen? - Sehen Sie ihn einmal an. Das kann man ja. (Zeuge Weber sd!weigt) Na, Weber, nun sagen Sie einmal. (Zeuge Weber sd!weigt) Weber, nun sagen Sie einmal. Z Id! glaube bestimmt, daß es Oberleutnant Vogel ist. E Sie glauben bestimmt, daß es Oberleutnant Vogel ist. In dem Wagen fuhr nod! eine andere Person mit, will id! nod! einmal einsd!alten.
G Wo saß denn die Person? E Wo saß diese andere Person im Wagen? Oder stand die auf dem Trittbrett? Z Die saß im Wagen. E Können Sie heute beschwören und wollen Sie beschwören, daß diese andere Person, die im Wagen saß, keinen Schuß auf die Rosa Luxemburg abgegeben hat? Z Das kann ich mit Bestimmtheit sagen. [ ... ] E Jetzt fahren Sie einmal fort. Der Schuß ist gefallen. Sie sagen, es ist ein Zucken durch den Körper gegangen. Sie haben es gemerkt, weil Sie ganz dicht daneben saßen. Jetzt sagen Sie, was geschah nun? Z Wir sind dann zum Lützow-Ufer gefahren und links umgebogen und eine Strecke noch da entlang gefahren. [ ] Z Auf einmal, als wir noch eine Strecke am Ufer entlang gefahren sind, wurde Halt gerufen. Das Auto hielt, und da sagte Oberleutnant Vogel: ~ Wir wollen die Luxemburg hier herausnehmen.« Oberleutnant Vogel und ich haben an der Leiche angefaßt und haben sie ein Stück in die Anlagen getragen. [ ...] Z Wir legten die Leiche hin. Es wurde noch einmal gerufen: »Halt oder wir schießen!~ Darauf ist der Angeklagte Oberleutnant Vogel bis zur Brücke gegangen und gab sich zu erkennen, kam wieder zurück und sagte zu Poppe und mir, wir sollten die Leiche nehmen und ins Wasser schmeißen. [ ... ] Poppe und ich haben angefaßt und haben dann die Leiche inS Wasser geschmissen. [ ] G Erinnert sich der Zeuge daran, dem Schützen, der auf dem Trittbrett stand, in dem Augenblick, als er schoß, ins Gesicht gesehen zu haben, um zu prüfen, wer ist denn der Mann, der jetzt schießt? E Haben Sie die Person, die geschossen hat, von Gesicht gesehen? G Im Augenblick des Schusses? E Als er schoß? Z In dem Augenblick wohl nicht. E Aber? Z Ich habe nur gesehen, daß, wie ich angenommen habe, der Ober-
E
...
E
Z E
G E
...
...
86
leutnant Vogel das gewesen ist, weil er auf dem Trittbrett gestanden hat. Weil er auf dem Trittbrett gestanden hat, haben Sie angenommen, es sei der Oberleutnant Vogel. [ ] Sie haben vorher gesagt, Sie wissen genau, daß Oberleutnant Vogel auf dem Trittbrett beim Abfahren gestanden hat. Das weiß ich genau. Sie haben gesagt, Sie wissen genau, daß Oberleutnant Vogel von dem Trittbrett geschossen hat, wenigstens die Person, die auf dem Trittbrett stand. Mit dem Hinzufügen, daß er der Person nicht ins Gesicht gesehen hat. Sie haben aber gesagt, ob die Person nach dem Schuß ins Auto gestiegen ist, können Sie nicht sagen, d. h., das wissen Sie nicht, ob der Oberleutnant Vogel, als der Wagen an der Brücke anlangte, auf dem Trittbrett gestanden hat oder im Auto. Das kann ich auch nicht sagen. [ ... ] Wissen Sie, ob die Person, die geschossen hat, ein Einglas trug, ein Monokel? Jawohl. Das wissen Sie? Ja. Sie wissen genau, daß die Person, die geschossen hat, ein Einglas getragen hat? Hat der Zeuge im Augenblick des Schusses gesehen - das ist das Wesentliche - hat er dem Schützen ins Gesicht gesehen und sich überzeugt: Er trägt ein Monokel? In dem Augenblick habe ich dem Schützen nicht ins Gesicht gesehen. [ ] Das weiß ich, daß die Person, die auf dem Trittbrett gestanden ha t, geschossen hat. Das wissen Sie, daß die Person, die auf dem Trittbrett gestanden hat, geschossen hat? Das wissen Sie auch bestimmt? Jawohl. Sie halten trotz der Aufgeregtheit einen Irrtum für unmöglich? So verstehe ich Sie eben. Jawohl.
Z E
Z E Z E G
Z
...
Z E Z E Z
G Was heißt »jawohl«? Ich möchte bitten, daß der Zeuge das beantwortet, was er mit dem» Jawohl« zum Ausdruck bringt. . E Was wollen Sie mit dem» Jawohl« zum Ausdruck bringen? Z Daß es die Person gewesen ist, die auf dem Trittbrett gestanden hat, daß die geschossen hat. [ ... ] 21.
Nochmalige Vernehmung des Angeklagten Voge/r:
E (in sehr eindringlichem Tone, die Eindringlichkeit mit jeder Frage steigernd): Angeklagter Oberleutnant Vogel! Wer war die dritte Person, die im Auto saß? A Ich bleibe bei der Aussage bei meiner letzten Vernehmung: darüber verweigere ich die Aussage. E Angeklagter, ich halte Ihnen vor, daß das Material gegen Sie außerordentlich schwer ist, nicht nur durdl die Aussagen der Zeugen, sondern auch schwer durch die anderen Umstände, durch die Umstände, die der Tat gefolgt sind. Ich lege Ihnen nahe, wenn Sie die Tat begangen haben, die Tat zuzugeben. A Ich habe es nicht getan, und über die Person lehne ich die Aussage ab. G Ich möchte bitten, dem Herrn Angeklagten dasselbe, was ich ihm schon vorhin gesagt habe, nunmehr nochmals wiederholen zu dürfen: Auch ich rate Ihnen, wenn Sie die Tat begangen haben, ein Geständnis abzulegen. E Angeklagter Vogel! Es spricht so viel gegen Sie. Sie waren der Transportführer, das wissen Sie? A Jawohl. E Sie hatten die Frau Luxemburg 10 das Untersuchungsgefängnis in Moabit zu bringen! A Jawohl. E Die dritte Person war im Auto. Sie haben selbst früher erst angegeben, die Frau Luxemburg wäre Ihnen von Spartakisten geraubt worden. A Jawohl. E Sie haben selbst dann früher bei Ihrer Vernehmung - das habe ich bei der Vernehmung bisher nicht so scharf hervorgekehrt noch ausdrücklich gesagt, Sie hätten versucht, die Spartakisten abzuwehren. I
A.a.O., BI. 655 If.
88
A Jawohl. E Sie wollen sich dieser Aussage nicht mehr entsonnen haben, die Sie damals zu Protokoll gegeben haben? A Doch, dessen entsinne ich mich noch. E Sie geben zu, daß Ihre Meldung an Herrn Hauptmann Pabst bewußt falsch war? A Jawohl. E Sie geben zu, daß Sie die Frau Rosa Luxemburg ins Wasser geworfen haben? A Jawohl. E Sie geben zu, daß em Schuß gefallen ist, während das Auto gefahren ist? A Jawohl. E Sie behaupten, nichts davon gewußt zu haben und sich nicht nach dem Körper der Frau Luxemburg umgekehrt zu haben und sich nicht überzeugt zu haben, ob die Rosa Luxemburg getroffen worden ist? A Nein. E Sie behaupten, sich nicht davon überzeugt zu haben, ob diese unbekannte Person, die im Auto gesessen hat, geschossen hat? A Jawohl. E Darüber, wer diese unbekannte Person ist, verweigern Sie die Aussage? A Jawohl. E Das stelle ich fest. G Ist es richtig, daß Oberleutnant Vogel früher überhaupt bestritten hat, daß eine dritte Person mitgefahren ist? E Sie haben früher behauptet, eine Person wäre aufgesprungen und wieder abgesprungen? A Jawohl. E Sie geben zu, daß Sie diese Person beschrieben haben und gesagt haben, diese Person sei kein Soldat, sondern ei n Zivilist gewesen? Jedenfalls hätten Sie nichts Blankes gesehen. Sie hätte keinen Stahlhelm getragen, sie hätte auch keine Armbinde getragen, aus der Sie auf eine militärische Eigenschaft hätten schließen können? A Jawohl. E Und trotzdem wollen Sie dabei bleiben, daß Sie der Tat nicht schuldig sind, und andererseits auch die Aussage darüber verweigern, wer die dritte Person gewesen ist? A J awoh l.
E Angeklagter, Sie haben aber gehört, daß die Zeugen hier uns gesagt haben: Die dritte Person hat sich an den V
Z E Z E Z E Z E Z E Z E
Z E Z E Z
Jaw~hl. Wissen Sie das genau? Jawohl. Wo waren Sie, während der Schuß fiel? Ich saß links von Frau Luxemburg. Haben Sie dem Oberleutnant Vogel, während er geschossen hat, ins Gesicht gesehen? Nein. Nein, nicht ins Gesicht gesehen? Nein. Sie saßen ihm doch gerade gegenüber. Warum nicht? Nein. Sie haben ihn nicht gesehen? Kann es nicht möglich gewesen sein, daß die andere Person, die im Auto gewesen ist, den Schuß abgefeuert hat? Nein, es ist vom Trittbrett aus . . . Wissen Sie, daß im Auto noch eine andere Person gewesen ist? Jawohl, vorn auf der Führerlehne. War diese Person von derselben Figur wie der Oberleutnant Vogel? Nein, der war größer.
[ ... ] 22.
Nochmalige Vernehmung des Zeugen Grantke t : 23.
E Grantke, Sie sollen uns nun sehr kurz noch einmal darüber etwas sagen, wer den Schuß abgegeben hat, und über die Persönlichkeit des Täters. Erzählen Sie das noch einmal kurz. Z Das ist der Oberleutnant gewesen, der auf dem Trittbrett gestanden hat. E Wissen Sie das genau, daß der Oberleutnant auf dem Trittbrett gestanden hat? Z Jawohl. E Haben Sie ihn vom Gesicht erkannt? Z Jawohl. E Ist der Oberleutnant auf dem Trittbrett während der ganzen Fahrt stehen geblieben? Z Jawohl. E Hat der Oberleutnant während des Schießens auch noch auf dem Trittbrett gestanden? I
A.a.O., BI. 665 ff.
9°
Aus der Vernehmung des Zeugen Poppet :
[... ] E Damals haben Sie etwas von einem Mann ausgesagt, der Ihnen eine Summe angeboten hat. Z Ja, das war, als das Auto leer da stand. Da wurde mir gesagt, wenn ich den ersten Schlag ausführe, dann bekäme ich soundsoviel. E Das wissen Sie genau, daß das gesagt worden ist? Z Ja. G Will das der Zeuge wirklich aufrechterhalten? Wer soll sich da hinstellen und das sagen? Wer war das, wie sah die Person aus? War die Person in Zivil oder eine Militärperson? Z Wenn ich das eidlich sagen soll, das kann ich einfach nicht. E Das können Sie nicht sagen. Wissen Sie überhaupt, daß das gesagt worden ist? I
A.a.O., BI. 690 f., 695.
Z Meines Wissens, wie ich es mir vorstelle, war es eine Militärperson. E Früher haben Sie gesagt, es wäre ein Fähnrich oder Wachtmeiste r gewesen. Z Ein Soldat kann es nicht gesagt haben. E Warum nicht? Z Er sprach mich mit "Sie« an. E Was haben Sie darauf geantwortet? Z Das kann ich nicht sagen. E Früher haben Sie gesagt: "Machen Sie es doch! « Z "Machen Sie es doch; ich kann kein Weib totschlagen.« E Daß diese Außerungen gefallen sind, wissen Sie noch? Z Ja. E Das können Sie auch heute beschwören? Z Ja. E Aber Sie wissen nicht mehr, von wem? Z Das weiß ich nicht. [ ... ] E (aus den Akten vorhaltend): Dann habe n Sie gesagt: »Der Mann sprang gleich ab nach der nächsten Ecke. Dann nahm Oberleutnant Vogel den Revolver aus dem Futteral und hielt ihn an die Schläfe. Er setzte aber zunächst wieder ab und machte sich an seinem Rockärmel zu schaffen. Dann hielt er die Pistole, indem er sich wieder vorb!!ugte, abermals an dieselbe Stelle und hat in einer Entfernung von höchstens I cm vom Kopf abgeschossen.« Das sagten Sie damals. Z Ja, das sagte ich damals. E "Ich habe wahrgenommen, daß unmittelbar nach dem Schuß noch eine Bewegung durch den Körper ging. « Das wissen Sie noch? Z Jawohl. E »Die Brust hob sich und sank wieder zusammen .•... "Es wurde eine Decke über den Körper, insbesondere den Kopf gedeckt.« [ ... ]
24. Aus der Vernehmung des Zeugen Janschkow r :
[ ... ] E Jetzt kommen wir zu dem verhängnisvollen Schuß. Sie haben gesagt, der Oberleutnant Vogel hat Ihnen gesagt, Sie sollen einen Umweg machen. Z Jawohl. E Und da fiel-ein Schuß? Z Jawohl. E Wann fiel der Schuß? Z Währenddessen er mit mir gesprochen hat. E Können Sie das beschwören? Z Jawohl. E Ist es möglich, daß Oberleutnant Vogel sich während des Sprechens umgedreht hat? Z Ja, das kann ich nicht sagen. E . .. und geschossen hat? Z Das weiß ich nicht. E Sie können nur sagen: Während Vogel mit Ihnen sprach, fiel der Schuß. Z Fiel der Schuß, jawohl. E Wo fiel der Schuß? Z Links hinter mir. E So war Ihr Eindruck? Z Jawohl. E Das haben Sie früher auch schon gesagt. G Hat der Oberleutnant Vogel einmal auf dem Trittbrett gestanden? Z Nein, er hat nicht auf dem Trittbrett gestanden. E Wissen Sie das genau? Z Jawohl. E Hat der Oberleutnant Vogel auch beim Anfahren nicht auf dem Trittbrett gestanden? Z Nein, er hat doch zu mir gesprochen. Er saß drinnen im Wagen. E Wäre es möglich, daß Oberleutnant Vogel sich vom Trittbrett soweit in das Auto hineingelegt hat, daß er eine Hand auf Ihrer Schulter hatte? Z Darüber habe ich einmal mit Herrn Kriegsgerichtsrat Jorns gesprochen. Da habe ich noch einmal am Wagen nachgesehen. Da ist 1
92
A.a .O ., BI. 737-741, 743.
9>
das Trittbrett viel zu tief. Da kann er nicht den Arm auf meine linke Schulter legen. E Das wissen Sie genau, auf der linken Schulter? Z Auf der linken Schulter, genau. E Das wissen Sie genau? Z Genau. E Es ist unmöglich, daß Oberleutnant Vogel auf dem Trittbrett gestanden hat, weil er unmöglich dann mit seinem Arm auf Ihre linke Schulter kam? Z ... und mit dem Gesicht so herankam, mit dem Hauch. Man merkt doch, wenn jemand mit einem spricht. J Janschkow, sind Sie ganz sicher, daß Oberleutnant Vogel diese Äußerung in dem Augenblick geta n hat, wo der Schuß gefallen ist? Z Jawohl. J Sie haben früher angegeben, unmittelbar nach dem Schuß. G Ich bitte, den Satz nachzulesen. Z D ann ist das vom Herrn Kriegsgerichtsrat nicht richtig verstanden worden. Dann hat er die Sache nicht richtig aufgefaßt. Ich habe von Anfang an betont: Während er mit mir gesprochen hat, fiel der Schuß. G Darf ich noch einmal den Satz vorzulesen bitten? Es war mir immer nicht klar. Es ist ein Widerspruch. E Im dritten Bande, BI. 35 muß es sein. Das ist Ihre Vernehmung vom 6. März gewesen: »Der Schuß, welcher abgefeuert wurde, als das AutO zwischen der Hotelrampe und der Nürnberger Straße war, fiel in meiner unmittelbaren Nähe, und zwar links rückwärts von mir. Hall hat ihn nicht abgegeben. Links, unmittelbar hinter mir, saß Oberleutnant Vogel auf dem Rücksitz. In dem Augenblick als der Schuß fiel, sagte Oberleutnant Vogel gerade zu mir : Machen Sie einen Umweg. Unmittelbar nach dieser Bemerkung fiel der Schuß.« G Also »In dem Augenblick, als der Schuß fiel, sagte er zu mir « - »unmittelbar nach dieser Bemerkung fiel der Schuß«. J Das hat er damals auch so gesagt. Ich habe es so aufgefaßt. Z Ich habe die Sache seinerzeit so gemeint, daß Oberleutnant Vogel mit mir sprach. Währenddessen fi el der Schuß. So habe ich die Sache hingestellt. Es ist vielleicht ein Mißverständnis gewesen. E Was Sie aber heute gesagt haben, können Sie mit ruhigem Gewissen beschwören: Während er sprach, ist geschossen w orden.
94
[ ... ] E Wer war die Person, die noch mitgefahren ist? Z Das war ein großer starker Herr, glatt r asiert, dunkle Haare, ein Marineoffizier.
[ ...]
E Z E Z
Wo hat der betreffende H err gestanden? Auf dem Trittbrett. Wissen Sie das genau? Das weiß ich genau; denn innen im Wagen konnte keiner mehr sitzen, da standen die ganzen Koffer.
[ ... ] 25. Aus der Vernehmung des Zeu gen Halir : Z [ ... ] Jedenfalls wurde Frau Luxemburg in den Wagen gehoben, und wir fuhren ab. Oberleutnant Vogel saß auf dem Rücksitz des Wagens und zwar vorn auf dem Rücksitz des Führersitzes. Ich saß links von Janschkow und hatte d as Signalhorn. Oberleutnant Vogel sprach mit uns und sagte, welchen Weg wir am zweckmäßigsten nehmen würden. Wir wollten nicht gerade belebte Straßen befahren. In dem Moment fiel der Schuß. Ich hatte die überzeugung, daß man auf den Wagen schoß. Ich wa r etwas irritiert. Ich muß sagen, ich habe A ngst gehabt. Ich dachte: N a, na, das geht ja hier schon los, die Ballerei. J eden fa lls versuchte ich, mich n ach hinten umzudrehen. Mein Gesichtsfeld w ar aber etw as beschränkt dadurch, daß Oberleutnant Vogel dort saß, und ich habe nicht gesehen, was eigentlich im Wagen los war. J anschkow fuhr dann schneller, weil er w ahrscheinlich auch geglaubt hat, daß irgendeine Einwirkung von außen stattgefunden hätte. Wir fuhren bis zum Lützowufer, bogen dann links in das Lützowufer ein und hielten vis-a-vis von dem Wirtschaftshof des Zoologischen Gartens. Warum wir eigentlich da gehalten haben, kann ich nicht mehr sagen. Ich glaube aber, wir sind durch einen Halt-Ruf angehalten worden; denn sonst lag gar kein Grund vor, da zu halten. Mit einem Mal wurde die Frau Luxemburg herausgehoben und über das Geländer ...
[ ... ] E Haben Sie damals bei Ihrer Vernehmung im zweiten Bande BI. 85 Rückseite die Wahrhe it gesagt? Können Sie das beschwören? I
A .a.O ., BI. 748 f., 750, 751 , 753 f.
95
Z E J Z J Z
E Z E Z E Z E
G E
G E G
- Vernehmun g vor dem Kriegsgerichtsrat Jorns vom 19. Februarda haben Sie gesagt : "Wir bogen nach links ab den Kanal entlang. Eine Strecke vor der nächsten Brücke hielten wir an, und zwar auf Befehl des Oberleutnants Vogel. D er Motor lie f weiter, die beiden Begleitleute nahmen Frau Luxemburg aus dem Wagen und verschwanden in der Richtun g nach dem U fe r. N achher kamen sie ohne Frau Luxemburg zurü ck. In der Zwischenzeit war ein O ffizier zur Revision ge kommen .~ Das stimmt. Es ist richtig, Sie haben den Befehl zum H alten bekommen. [ ...] Wo haben Sie den n den Schuß gehört, in welcher Richtu ng ? Der Schuß ist hinter mir gefallen. Rechts von Ihnen, links von I hnen? Das weiß ich nicht mehr; ich glaube mit H errn K;iegsgerichtsrat schon persönlich darüber gesprochen zu haben. Ich kann mich nicht entsinnen, ob das rechts oder links gewesen ist. Der Wagen ist an sich schmal. Es ist ganz dicht hinter mir gewesen, aber ob rechts oder links, konnte ich damals nicht sagen - heute noch wenige r. Wo saß der unbekannte Marin eoffizier? D avon we iß ich gar nichts. Davon wissen Sie nichts? Nein. Als Sie ausgestiegen sind, hat sich der Marineoffi zie r daran beteiligt? Ne in. [ ...] Zeuge Grantke, kommen Sie noch ein mal her. Sie haben vorhin bekundet, wer die Leiche der Frau Luxemburg - ich will nicht Leiche sagen, ich will mich verbessern - den leblosen Körper aus dem Auto getragen hat. H at diese unbekannte Person sich daran beteiligt ? Das weiß ich nicht, das habe ich nicht gesehen. Können Sie heute noch behaupten, daß der Marineoffi zie r oder diese unbekannte P erson im Mannschaftsmantel nicht geschossen hat? Jawohl, das kann ich beschwören. Das können Sie bestimmt bekunden? Wo stan d d iese P erson Ihrer Ansicht nach? Hinter dem Wage nführe r.
96
E Zeuge Weber, dieselbe Frage richte ich an Sie : Hat sich die unbekannte Person, die nicht ermittelt ist - Sie wissen, was ich meine an den Vorgängen beteiligt? Ist es Ihrer Ansicht nach möglich, daß diese Person den Schuß auf Frau Luxemburg abgegeben hat? Z Das kann möglich sein insofe;n : dann müßte eben diese Person eine ve rblüffende Khnlichkeit mit Oberleutnant Vogel gehabt haben. E Wenn nun aber diese verblüffende Khnlichkeit besteht, ist es dann möglich? Z Dann ist es . . . Nein. E H at sich diese Person beim Heranschleppen ans Wasser beteiligt? Z N ein. [ ... ]
26. Eine Frage an Vogel und Liepmann r : J Eine Frage an den Oberleutnant Vogel: War dem Oberleutnant Vogel bekannt, daß Liebknecht bereits erschossen war, als Sie mit dem Transport der Frau Luxemburg aus dem Hotel weggingen? V Nein. E Haben Sie einen anderen der Angeklagten im Hotel getroffen? V Ich entsinne mich nicht, nein. E Haben Sie den Angeklagten Liepmann im Hotel gesehen, als Sie herunter kamen? V Jawohl, ich glaube, ich habe ihn auf der Treppe gesehen. E Angeklagter Leutnant Liepmann? L Als der Transport mit Frau Rosa Luxemburg herunter kam, traf ich ungefähr mit dem Transport auf dem ersten Treppenabsatz zusammen und sprach dort mit Graf Baudissin. E Haben Sie mit dem Angeklagten Vogel nicht gesprochen? L N ein, ich kann mich nicht entsinnen, mit ihm gesprochen zu haben. Ich habe mir die Rosa Luxemburg gen au angesehen - und die Offiziere, die darum standen, nicht. E Auf welchem Wege? L Auf dem Wege von der Unfallstation zu dem Hauptmann Pabst. E Um Meldung von dem Tod Liebknechts zu machen? - Was haben Sie erfahren? L Als ich oben in das Zimmer kam, da erfuhr ich - von wem, weiß ich nicht -: Das wissen wir schon alles. [...] r A.a.O. , BI. 76r f.
97
27. Aus der Vernehmung des Zeugen Walter Alker t , 28 Jahre alt, katholisch.
[... ] E Erzählen Sie einmal, was Sie von den Vorgängen Liebknecht und Luxemburg wissen. Sie müssen sich aber an die reine Wahrheit halten. Z An dem betreffenden Tage - es mochte I I Uhr gewesen sein, ich lag auf meinem Lager - hörte ich plötzlich ein Geräusch, als wenn sich Menschen auf der Kurfürstenstraße ansammelten. Verschiedene meiner Kameraden stürzten zur Türe. Ich begab mich gleichfalls zur Tür, und als ich herankam, da hörte ich, daß man soeben Liebknecht weggebracht hat. Er soll mehrere Kolbenschläge bekommen haben und er soll nach Aussage der Kameraden auch bereits tOt gewesen sein. Ich begab mich nun wieder auf mein Lager zurück und konnte vor Aufregung nicht schlafen. Nach einer Weile hörte ich, daß man auch Frau Luxemburg eingebracht hat, und sie sollte sich ebenfalls nach Aussage der Kameraden hier im Hotel befinden. Nach dem Vorgefallenen hatte ich so das unbewußte Gefühl, daß die Sache nicht gut gehen würde. Ich beschloß aufzupassen, was nun eigentlich geschehen würde. Es dauerte auch gar nicht lange, da kam ein Offizier herein und forderte zwei Mann von der Wache an. Ich dachte, das ist der Moment, wo man Frau Luxemburg abführen würde. Ich ging nun hinaus, Ausgang Kurfürstenstraße, und fragte den Posten, wo Frau Luxemburg abgeführt werden sollte. Er deutete mir an, daß dies auf der Kurfürstendamm-Straße geschehen sollte. Ich begab mich dorthin und konnte feststellen, daß bereits ein Auto dastand und um das Auto mehrere Soldaten. Es mochten ungefähr 15 Stück gewesen sein. Ich begab mich nun ebenfalls dahin und mochte eine Weile da gestanden haben. Da trat Frau Luxemburg heraus. Kaum hatte sie die Schwelle betreten, da hob der daneben an der Tür stehende Posten seinen Kolben und schlug mit diesem auf die Luxemburg ein. Sie stürzte zu Boden. Der Soldat holte zum zweiten Schlage aus und führte ihn auch gleichfalls aus. Nun wurde Frau Luxemburg in den Wagen gehoben. Der Posten konnte sich aber immer noch nicht beruhigen. Er holte zum dritten Schlage aus, konnte ihn aber nicht ausführen wegen der Geschwindigkeit, mit der Frau Luxemburg in das Auto gebracht wurde. Man brachte noch den Koffer I
A.a.O., BI. 764 f.
98
und den Hut von Frau Luxemburg ins Auto, und nachher fuhr das Auto ab. In dem Moment, wo das Auto abfuhr, sprang von hinten ein Soldat auf das Auto und schlug, nachdem das Auto 10 Schritt gefahren war, auf Frau Luxemburg ein. Nachdem das Auto ungefähr 100 m sich entfernt hatte, fiel der Schuß. Ich begab mich nun wieder in die Wachstube zurück. Nach ungefähr einer Stunde kam Runge zurück und machte Anstalten, sich schlafen zu legen. In dem Moment kam auch eine Abteilung zurück, die wahrscheinlich Dr. Liebknecht weggebracht haben mochte. Die unterhielten sich angeregt und hatten auch zwei Flaschen Wein und mehrere hundert Zigaretten, die sie untereinander verteilt haben. Ich ging nun an den Tisch heran und fragte, ob Dr. Liebknecht schon wirklich tOt sei, worauf mir von einem der Kameraden zur Antwort gegeben wurde, daß Liebknecht durchlöchert wäre, wie ein Sieb. Ich fragte auch, von wem sie die Zigaretten und den Wein hätten. Da wurde mir ebenfalls gesagt: Das ist von Offizieren gestiftet worden. - Mehr kann ich nicht aussagen. [ ... ] . 28. Aus der Vernehmung der Zeugin A nna Wandinger t , 23 Jahre alt, katholisch, mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, wegen Verletzung der Eidespflicht nicht vorbestraft, Wäschenäherin im Eden-Hotel.
[ ... ] Als ich am Tage nach der Tat ins Geschäft kam, kam mir ein Mann von der Maschinengewehr-Kompagnie entgegen und fragte mich, ob ich wüßte, was am Abend vorher geschehen sei. Ich verneinte. Darauf sagte er, er hätte gesehen, wie Rosa Luxemburg getötet worden sei. Er schilderte: Sie wäre auf den Kopf geschlagen worden und habe sehr geblutet. Darauf warf man sie in ein Auto, wobei sie ihren Schuh verlor, einen Halbschuh; den nahm der Soldat an sich und wollte ihn sich als Andenken aufbewahren. Er zeigte ihn uns auch. Er nannte sich Kurt Becker. Das ist alles, was ich weiß. [ ... ]
I
A.a.O., BI. 778.
99
29. Aus der Vernehmung der Zeugin Frau Emma Peschel':
Z Mir erzählte mein Mann, daß er etwas Geld bekomme, wenn die Same gut abläuft. E Von wem denn? Z Das hat er mir nimt gesagt. [ ...] E Wissen Sie etwas darüber, daß I hr Mann sim einmal von dem Angeklagten Kapitänleutnan t z. S. Horst v. Pflugk-Harttung Geld geborgt hat? Z Nein. E Angeklagter Kapitänleutnant v. Pflugk-Harttung. Sie haben es damals smon bei Ihrer Vernehmung angegeben, im will es jetzt nom einmal, damit es hinein paßt, wiederholen, wieviel? A 500 Mark. Es war Anfang Februar, kurz vor der Auflösung meiner Smwadron. Pesmel kam zu mir und sagte mir, er hätte Gelegenheit, sim ohne Bezugsmein einen Anzug und zwei oder drei Hemden zu besorgen. Es sei ziemlim smwer, er hätte kein Geld und wüßte nimt, an wen er sich wenden sollte. Im gab ihm 500 Mark unter der Bedingung, sie mir sofort wiederzugeben, wenn er sie nimt mehr braumt. Zwei oder drei Tage später kriegte im 380 Mark oder so etwas zurück, den Res t habe im nom nimt. E Wann war das Gespräm? Z Vier oder fünf Tage nam dem Vorfall. J Seit wann kennt Kapitänleutnant v. Pflugk-Harttung den Pesmel? A Den Pesmel habe im am Tage nam der Fahrt kennen gelernt, mir war gesagt worden, es ist der Fahrer Pesmel, im aber kannte ihn nimt. [ ... ] J Im mömte nom eine Frage an den Zeugen Pesmel rimten. - Wie ist das mit der Behauptung Ihrer Frau, daß Sie Geld bekämen? Z Das habe im meiner Frau gesagt, indem im ihr 200 Mark gegeben habe. Sie frug mim, und da habe im gesagt, daß im wahrsmeinlim nom eine Belohnung bekommen würde. J Wahrsmeinlim? Z Wie im das wörtlim wiedergegeben habe, weiß im nimt. J Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen? Z Ehe die Festsetzung Liebknemts kam, stand in der Zeitung, daß es 100 000 Mark Belohnung gäbe. I
A.a.O., Bi. 788, 789. 793.
100
G Z G Z
Wofür? Weil im ihn gefahren hatte. Für die Festnahme? Für die Festsetzung, damit hatte im geremnet. Im hatte ihn nam dem Zellengcfängnis nam Moabit gefahren.
30. Aus der Vernehmung des Zeugen WegmannI:
[ ... ] Wir wollten am Donnerstag vor dem Begräbnis (Liebknemts; d. Hsg.) zur Vernehmung des Herrn Hauptmanns (Pabst; d. Hsg.) smreiten. Da war Herr Hauptmann Pabst krank. Dann wurde das auf Freitag versmoben. Er war immer nom krank. Wir gingen an sein Zimmer und Herr Kriegsgerimtsrat (Jorns; d. Hsg.) trat in das Zimmer ein. Wir blieben draußen stehen, und er kam zurück und sagte. er sei nom nimt vernehmungsfähig. Dann wurde von dem Kriegsgerimtsrat erklärt: Wir werden ein paar Tage aussetzen müssen und wir bekommen Besmeid, wann die Vernehmung stattfindet. Am Sonnabend war das Begräbnis (Liebknemts). Am Montag kam im wieder zur Vernehmung, da war bereits das Protokoll da. Er war also inzwismen ohne unsere Anwesenheit vernommen worden. [ ... ] Meine Ansimt ist die - im muß diese Ansimt jetzt kundgeben - daß gerade aum in der Vernehmung des Hauptmanns Pabst es den Ansmein erwecken konnte, daß da besondere Gründe vorliegen, daß der Hauptmann Pabst z. B. Donnerstag krank war, Freitag nom bettlägerig krank war und die Verhandlungen vertagt wurden, und daß er Sonnabend vernommen wurde. Aus der Zeitung habe im ersehen, daß er Sonnabend die Absperrmaßregeln geleitet hat. Das ist sonderbar gewesen. J Da war es einfach, bei mir Aufklärun g zu holen. Z Ja, Sie haben mir gesagt, Herr Kriegsgerimtsrat, daß Sie ihn in unserer Abwesenheit vernommen haben. Was sollten wir da für weitere Aufklärung verlangen! G Was war dem Zeugen sonderbar? Die Krankheit des Herrn Hauptmanns Pabst, der am Sonnabend die Absperrungsmaßnahmen leitete? Z Mir war sonderbar - im glaubte, im hätte das deutlim zum Ausdruck gebramt - daß mir von Herrn Kriegsgerimtsrat Jorns I A.a.O., Bi. 832. 834 f. 101
am Freitag erklärt wurde, daß wir einige Tage die Verhandlungen aussetzen werden und daß ich zur nächsten Vernehmung Bescheid bekommen werde. Und als ich zur nächsten Vernehmung am Montag erschien, wurde mir bereits das Protokoll vorgelegt. E Also Sie sind so zu Ihrer Vermutung gelangt. Es kann Ihnen kein Mensch verwehren, Vermutungen auszusprechen und zu haben, vor Gericht müssen wir anders vorgehen, denn das Gericht kann auf Vermutungen nicht urteilen. Wir haben - il'h will das vergleichsweise bemerken - wir haben keine Inquisitionsmaxime mehr wie im Mittelalter, d. h. wenn der Verdacht sich ergibt: Du bist schuldig, weise deine Unschuld nach. Sondern es ist umgekehrt. Wenn ein Angeschuldigter irgendeiner Straftat beschuldigt wird, sagt er: Ich bin nicht schuldig, ich verlange, daß mir meine Schuld nachgewiesen wird. - Wir werden uns da verstehen. 3 I. Aus der Vernehmung des Zeugen Rusch':
...
[ ] E Sie sind nun vom Vertreter der Anklage, vom Gerichtshof deshalb hier auch für alle Fälle vorgeladen worden, weil Sie in früheren Schreiben davon gesprochen haben, daß der Tatbestand verdunkelt würde. Z Ja. E Wie kommt das? Müssen Sie nach der Lektüre der Zeitungen, nachdem Sie das Material jetzt in seiner Gesamtheit übersehen können und übersehen haben . . . Z Das kann ich nicht berichtigen. Die Gefahr der Verdunkelung lag nach meiner Auffassung schon vor. Weil die Beschuldigten im Eden-Hotel zusammen wohnten, auch zusammen verkehrten, auch zusammen zu Tisch gingen, war die Verständigung untereinander durchaus gegeben. E Aus welchem Grunde war denn für Sie die Verdunkelungsgefahr so groß, daß Ihrer Ansicht nach schon ein Grund zu einer Festnahme vorgelegen hat? Die Angeklagten sind ja tatsächlich festgenommen worden. Z Ja, die sind erst festgenommen, nachdem mehrere Anträge gestellt waren. Die erstmalig gestellten Anträge sind vom Gerichtsherrn abgelehnt worden. E Das beruht darauf, daß das Material, das gegen die AngeklagI A.a.O., BI. 840 f. 102
ten damals vorhanden war, nicht ausreichend genug war, um einen Haftbefehl zu erlassen. Sie sind ja wohl Laie im Prozeßverfahren? Z Ganz recht. E Sie wissen aber, daß unsere heutige Rechtsprechung nicht dem Mittelalter zuneigt, sondern weiter fortgeschritten ist [ ...]. 32. Aus der Vernehmung des Zeugen Ingenieur Franz Röpke t , 38 Jahre alt, evangelisch, mit keinem der Angeklagten [ ...].
[ ...] E Sie waren auch in der fraglichen Nacht vom 15. zum 16. Januar auf der Lichtensteinbrücke zusammen mit Leutnant Jansen? Z Jawohl. E Da ist ein Auto angekommen und ist etwas ins Wasser geworfen worden. [ ...] Z Zwei Männer verließen das Auto und trugen einen Gegenstand zwischen sich. Ich glaubte in der Dunkelheit, daß es sich um einen Spartakisten-Angriff handelte und daß der Gegenstand ein Maschinengewehr sei. Ich sprang an mein Maschinengewehr zurück und richtete es auf die Leute und rief: Halt oder ich schieße! In demselben Moment kam mir jemand entgegengelaufen und rief: "Halt, um Gotteswillen nicht schießen! Wir bringen die Rosa Luxemburg. « Die beiden Leute waren, während sie den Gegenstand gegen den Kanal hin trugen, durch Gebüsch von mir getrennt, so daß ich es also nicht sehen konnte. Als ich mit dem Mann, der mich anrief, dorthin heranging, waren die Leute schon am Kanal angelangt, und ich sah nur noch den Körper ins Wasser fliegen. E Haben Sie auch etwas gehört, das Aufschlagen aufs Wasser, wie man sagt, plumpsen? Z Jawohl, das habe ich gehört. E Was für einen Eindruck hatten Sie von dem Körper, war noch Leben in dem Körper? Z Nein, es war offenbar ein lebloser Körper. E .Woraus haben Sie das geschlossen? Z Ich sah von dem Körper entweder Arme oder Füße herunterhängen, will das aber nicht ganz bestimmt behaupten. Es können natürlich auch Kleiderfetzen gewesen sein. Oder habe ich mir das eingebildet, da mir der Mann zugerufen hatte »wir bringen die I
A.a.O., BI. 868 ff.
1°3
E Z
E Z
E Z E Z
E Z
E Z
Rosa Luxemburg«. Hierauf entfernte sich das Auto. Wenige Augenblicke später kam Herr Hauptmann Weller. Ich meldete ihm. Früher haben Sie gesagt, Sie konnten sehen, daß es ein menschlicher Körper war. Nein, ich muß mich dahin berichtigen, das kann ich nicht ganz bestimmt behaupten. Es war doch so dunkel, daß ich das nicht ganz bestimmt behaupten kann. Bitte weiter! Ich meldete Herrn Hauptmann Weller: »Eben ist die Rosa Luxemburg ins Wasser geworfen worden, man kann sie noch schwimmen sehen.« Der Kanal trug nämlich die Leiche an der Oberfläche, unter der Brücke durch, so daß man sie bequem beobachten konnte, und verschwand. Weiter weiß ich nichts zu bemerken. Sie standen nun auf der Mitte der Brücke, und wer stand da noch bei Ihnen? Ich stand mit dem Leutnant Jansen zusammen, und der Angeklagte Hauptmann Weller kam hinzu. Was sagten Sie nun zu dem Angeklagten Weller? »Herr Hauptmann, eben ist die Rosa Luxemburg ins Wasser geworfen worden, man kann sie noch schwimmen sehen.« Ich habe sie Herrn Hauptmann Weller auch gezeigt. Wie gaben Sie das äußerlich zu erkennen? Erzählten Sie das nur gesprächsweise oder haben Sie das als eine Meldung aufgefaßt? Ich habe das als eine Meldung aufgefaßt und glaubte das äußerlich dadurch zu erkennen gegeben zu haben, daß ich die Hand an den Helm legte. Was sagte Hauptmann Weller dazu? Soviel ich weiß, nichts. [ ... ]
33. Aus der Vernehmung des Zeugen Fritz Wolf':
...
[ ] Z Ich bin in der Artillerie-Werkstatt Süd in Spandau im Arbeiterrat tätig. Dort kam eines Tages der Schlosser Hartwig zu mir. E Was sind Sie im Zivilberuf? Z Ich bin Kaufmann - und erzählte mir, er könnte mir einige I
A.a.O., BI. 892, 897, 898,9°0,9°1 f., 906, 912.
1°4
Mitteilungen über die Ermordung der Genossin Rosa Luxemburg machen. Er kenne den Chauffeur, der die Rosa Luxemburg gefahren habe und es wäre ihm auch möglich, mich mit diesem zusammen zu bringen. Er wäre mit ihm zusammengekommen und Janschkow - er nannte mir dann auch den Namen - wäre sehr deprimiert und gedrückt gewesen und hätte den Wunsch geäußert, sich zu erleichtern und vor allen Dingen ein Geständnis abzulegen, gerade der Partei gegenüber, um sich zu rehabilitieren. [ ... ] Z Am darauffolgenden Tage (25. oder 26. Februar 1919) - ich nahm einen Kollegen aus dem Arbeiterrat Lichtenberg, Hermann Walter, als Zeugen mit - trafen wir uns dann im Cafe Fürstenhof. [ ... ] Z Der Janschkow wollte, das möchte ich ausdrücklich feststellen, sich vor der öffentlichkeit rehabilitieren. Er machte den Eindruck, als ob er damit rechnete, daß die sei nerzeit gerade aufgenommene freiwillige Formation wieder verschwinden würde, daß evtl. ein neuer Umsturz bevorstände und daß er sich von den Offizieren im Edenhotel freimachen wollte. Er schimpfte auch sehr viel auf die Offiziere und beklagte sich häufig, so daß die Bande ihn um die Ecke bringen würde, falls es bekannt würde, daß er über die ganze Affäre etwas verlautbar werden ließe. Er wäre aber bereit, falls wir ihm Sicherheit geben würden und für ihn und seine Frau sorgen würden, Aussagen zu machen, die er mir eben auch gemacht hat, unter Eid zu machen. Ich habe ihn dann gefragt, in welcher Form er eine Sicherheit verlangen würde. Da hat er uns gesagt, er wäre Garagenbesitzer und er hätte 5 Automobile, die einen ziemlichen Wert repräsentieren, die müßten wir ihm abkaufen und ihm selbstverständlich auch Pässe besorgen und was nötig wäre, um ihn fortzubringen, und auch für seine Familie die Sicherheit übernehmen. Ich habe dann gebeten, diese Forderung etwas näher zu präzisieren, und angeblich wollte ich mit anderen Stellen darüber sprechen. Bei der zweiten Zusammenkunft hat er dann gesagt, was er verlangen würde. [ ... ] Z Er präzisierte seine Forderung etwa in der Weise: er hätte fünf Automobile. Wir müßten die Garage übernehmen, es wäre ein Gesamtbetrag von 100000 Mark an ihn zu zahlen. Ich habe da nicht ohne weiteres zustimmen können und habe im Gegenteil im Hinblick auf die sehr unruhigen Zeiten damals zu vertrösten ge-
sucht, daß eine Flucht nicht nötig sein würde und daß er dadurch, daß er die Aussage gemacht hat, falls die Herren im Edenhotel das Ruder nicht mehr in der Hand haben würden, dann gewissermaßen durch uns den anderen gegenüber rehabilitiert werden würde. Das war auch das, worauf er immer wieder Wert gelegt hat. [ ] E Wollen Sie mit Bestimmtheit bekunden und beschwören, daß Janschkow Ihnen erklärt hat, Oberleutnant Vogel hätte im Auto zunächst mit dem Gesicht nach rückwärts gestanden, sich dann zu Janschkow umgedreht und wieder Frau Luxemburg im Auge gehabt? Wiederholen Sie das noch einmal. Z Janschkow hat, und das möchte ich feststellen, auf eine spezielle
...
E Und ferner: Daß Janschkow erklärt hat - das ist das wesentliche - Oberleutnant Vogel hätte die Luxemburg durch den Kopf geschossen? Z Ja, und zwar hat er die Stelle angegeben. E Hat er etwas darüber erzählt, daß er das gesehen hat? Z Das ist eine Frage, die wir ihm bei der letzten Zusammenkunft in bestimmter Form vorgelegt haben und die er dann mit einem Achselzucken mit der Bemerkung beantwortete: ~ Ich habe jetzt schon sehr viel gesagt, ohne daß ich irgend etwas erhalten hätte«, und zwar - das ist auch wohl wesentlich, wie er dann, um sich zu decken, sagte - »etwas erhalten hätte, um für seine Sicherheit zu sorgen« - so daß das nicht etwa als Erpressung aufgefaßt würde. Er könnte nichts mehr sagen, ehe er nicht etwas Positives von uns sehen würde. Er meinte, daß wir ihm eine Summe Geldes bereitstellen sollten. [ ] E Janschkow und Hall sollen sofort hereinkommen, wenn sie da sind. Z Der Janschkow hat uns in der ersten Zusammenkunft gleich erklärt, Oberleutnant Vogel- das möchte ich ausdrücklich feststellen - hätte so gestanden, daß er mit dem Rücken an seinem Rücken stand und vor sich Rosa Luxemburg hatte. Dann hätte er ihm die Fahrtrichtung angegeben, wonach er sich scheinbar umgedreht habe. Die genauen Angaben hat er nicht gemacht, er hat nur gesagt, daß Oberleutnant Vogel sich wieder zurückwendete und Rosa Luxemburg ins Gesicht geschossen habe, und zwar hat er noch gezeigt, daß es die Stelle zwischen Lippen und Nase gewesen wäre.
...
10 6
E Kann es nicht auch sein, daß Janschkow eme andere Stelle am Kopf gezeigt hat? Z Nein. E Haben Sie die Zeitung darüber gelesen? Z Ja. E Haben Sie gelesen, was andere Zeugen darüber gesagt haben? Z Ja, ich glaube, daß gesagt wurde, sie wäre durch die Schläfe geschossen worden. Das ist auch der Punkt, wo das auseinandergeht. E Ist das möglich, daß Janschkow auch die Stelle zwischen Augen und Schläfe Ihnen damals als die Einschußstelle bezeichnet hat? Z Nein, das ist nicht der Fall. [ ] G Geld! Er wollte anscheinend nicht sich, sondern andere erleichtern (Heiterkeit im Zuhörerraum). E Ruhe dahinten! Z Darf ich noch etwas ausführen. Die Zusammenkunft mit Hall kam zustande, nachdem er (Janschkow) sich anfangs bei der ersten Zusammenkunft gegen ein Zusammenkommen mit der Begründung gewehrt hatte, Hall sei unzuverlässig, man dürfe ihm nicht trauen und infolgedessen möchte er uns bitten, keinesfalls Verbindung mit ihm zu suchen. Bei der zweiten Zusammenkunft hingegen erklärte er, daß er doch mit Hall gesprochen habe. Er sei doch auf einmal sehr vernünftig und er bitte uns, mit ihm auch zusammenzukommen. Hall wäre außerdem in großer Verlegenheit - er schimpfte auch da wieder auf die Herren aus dem Edenhotel- und brauchte auch nötig etwas Geld; wenn wir ihm wenigstens eine bestimmte Summe vorstrecken würden. [ ...] G Ich beantrage, Herrn Dr. Grabowski als Zeugen über folgendes zu vernehmen: Eines Tages kam Janschkow zusammen mit Herrn Kapitänleutnant zu Herrn Dr. Grabowski, der beim Stabe der Garde-Kavallerie-Schützen-Division tätig ist, und sagte ihm, daß man an ihn oder er an andere herangetreten sei, damit er belastende Aussagen macht, und darauf hat ihm Dr. Grabowski den Rat gegeben, er solle sich darauf einlassen, solle auch sagen, Herr Oberleutnant habe geschossen, solle aber einen ganz unmöglichen Sitz des Schusses angeben, z. B. zwischen Nase und Mund, damit daraus hinterher gleich festgestellt werden könne, daß diese Angaben nur erfolgt sind, um zu prüfen, ob man es versucht, durch Gewährung
...
von Geldmitteln einen Einfluß auf Zeugenaussagen zu gewinnen. J Ich schließe mich dem Antrage an. E Ins ProtOkoll ist aufzunehmen: Der Vertreter der Anklage schließt sich dem Antrage an. Beschlossen und verkündet: den im Zuhörerraum anwesenden Dr. Grabowski als Zeugen auf Antrag des Verteidigers und Vertreters der Anklage zu den Angaben des Zeugen Janschkow zu vernehmen. (Zum Zeugen Dr. Grabowski:) Gehen Sie bitte hinaus, ich möchte erst den Zeugen Janschkow vernehmen.
Z E
Z E
34. Nochmalige Vernehmung des Zeugen Janschko wI:
E Z E Z E Z E
Ich habe Sie gestern als Zeugen hier vernommen. Jawohl. Haben Sie gestern die reine Wahrheit gesagt? Jawohl. Heute ist ein Zeuge Wolf hier erschienen, den kennen Sie? Jawohl. Der hat uns erklärt, daß Sie mehrfach Zusammenkünfte mit ihm im Fürstenhof gehabt haben? Z Zweimal, einmal im Wagen auf der Straße. E Es soll dreimal gewesen sein. Z Und das dritte Mal auf der Straße. E Erzählen Sie einmal, was Sie dem Zeugen über Ihre Kenntnis der Sache erklärt haben, über Ihre Kenntnis darüber, ob Oberleutnant Vogel auf die Frau Luxemburg geschossen hat. Z (Empört) Da habe ich nichts gesagt, nein. Entschieden - wo werde ich so etwas sagen! Es ist ausgeschlossen. Es wurde mir in den Mund gelegt: »Nicht w:lhr, Oberleutnant Vogel hat doch geschossen?« E Janschkow, Sie stehen unter Ihrem Eid. Der Verteidiger hat beantragt, daß Dr. Grabowski darüber vernommen wird, daß Sie den Leuten gesagt haben sollen Z Ich werde das doch nicht sagen, wo ich das nicht weiß. E Sie wollen behaupten, daß Sie nicht gesagt haben, ob Oberleutnant Vogel geschossen hat? Z (Aufgeregt u~d hastig :) Nein, entschieden! E Sprechen Sie langsamer, daß wir das Stenogramm wörtlich aufnehmen können! Sie wollen auch bestreiten, daß Sie etwas darI A.a.O., BI. 91} f., 915 /f. 108
Z
E Z
G J E Z E
,z E Z E Z E Z E
über gesagt haben, wie Oberleutnant Vogel im AutO gestanden hat? Auch nicht! überhaupt nicht ein WOrt darüber gesprochen! Der Zeuge Wolf behauptet, Sie hätten ausführlich darüber gesprochen .. . Sie hätten erklärt, der Oberleutnant Vogel hätte im Auto gestanden und zwar mit dem Gesicht nach der Frau Luxemburg. Das ist eine Lüge ist das. (Aufgebracht) Das ist eine Lüge, das 1st Der Zeuge Wolf behauptet ferner, Sie hätten sich dann einmal zu ihm (Vogel) umgedreht und hätten gesehen, daß er dann die Frau Luxemburg - so sollen Sie gesagt haben, erklärt der Zeuge Wolf - mit dem Revolver ins Gesicht geschossen habe, und zwar zwischen Nase und Mund. (Empört) Aber das ist der Gipfel, der Höhepunkt, Herr Kriegsgerichtsrat! [ ... ] Der Zeuge Wolf stellt es ferner so dar, als ob es Ihnen um die Erlangung von Geld zu tun gewesen wäre. Die Leute haben mir 100000 Mark angeboten. Dem Zeugen Hall haben sie auch 100000 Mark angeboten, in dem kurzen Zeitraum von 2 Minuten. Ich bitte, dem Zeugen nochmals folgendes vorzuhalten, daß Herr Dr. Grabowski mir selbst eben draußen auf dem KorridorIch bitte den Zeugen zu fragen , was er mit Dr. Grabowski Ich habe Dr. Grabowski eben ausgeschieden, um den Zeugen nicht stutzig zu machen. - Sie wissen, worauf es ankommt? Jawohl, ich bin mir meiner Sache bewußt. Haben Sie einmal mit Grabowski gesprochen? Jawohl. Was hat er zu Ihnen gesagt, haben Sie mit ihm darüber gesprochen, daß Sie mit dem Zeugen Wolf zusammengekommen sind? Jawohl, das habe ich sogar einige Male zu Dr. Grabowski gesagt. Was hat Dr. Grabowski zu Ihnen gesagt? Ja, ich glaube, ich habe es Herrn Kriegsgerichtsrat (Jorns) auch gesagt. Wissen Sie es nicht mehr? Sie dürfen nur beschwörenWas ich weiß. Nach bestem Wissen und Gewissen! Wissen Sie es noch? Dr. Gra10
9
Z
E Z E
Z E Z E Z E Z
E G
Z
bowski wird auf Antrag des Herrn Verteidigers hier als Zeuge auftreten und soll bekunden, daß er zu Ihnen gesagt hat, Sie sollen sich ruhig mit denen einlassen. Ach so - jawohl, das hat er gesagt. Ich soll mich ruhig mit ihnen einlassen, mir kann nichts passieren, ich soll ruhig verhandeln. Also da brauche ich keine Befürchtung zu haben. Ich soll das alles melden. Hat er auch gesagt, Sie sollen dem Fritz Wolf eine unmögliche Stelle angeben, wo die Frau Luxemburg getroffen worden ist? Wer hat das gesagt? Das soll Dr. Grabowski zu Ihnen gesagt haben, daß Sie, wenn Sie gefragt würden, den Leuten sozusagen die Hucke voll lügen. Sie verstehen den Ausdruck? Er hat gesagt, ich soll den Leuten etwas erzählen. Um-? Um vielleicht ein Schriflstück in die Finger zu kriegen. Darüber wurde gesprochen. Sind Sie nun diesem Ersuchen, diesem Hinweis von Dr. Grabowski nachgekommen? Nein. Sie sind dem nicht nachgekommen. Nein. Ich habe mich mit den Leuten nicht eingelassen, im Gegenteil, die Leute haben verschiedene Male gefragt: »Nicht wahr, Oberleutnant Vogel hat doch geschossen?« Darauf habe ich gesagt, ich sage überhaupt nichts. Sie haben sich mit den Leuten nicht eingelassen? Hat der Zeuge nicht doch etwas gesagt und erst im letzten Augenblick so durchblicken lassen: Ich will erst Geld haben, bevor ich Näheres sage? Ach so - das habe ich gesagt. [ ... ] (Die Vernehmung Janschkows wurde gleich darauf beendet. Eine Aufklärung der Widersprüche in seiner Aussage unterblieb. Auch wurde nicht weiter gefragt, was er denn nun über die Rolle des Oberleutnants Vogel zu Wolf gesagt haben will. Man befürchtete offenbar eine weitere Panne.)
110
35· Aus dem Plädoyer des Anklagevertreters (Jorns) ! : E Das Wort hat der Herr Vertreter der Anklage. J Als am 16. Januar die Tageszeitungen die Nachricht von dem gewaltsamen Tode des Dr. Karl Liebknecht und der Frau Rosa Luxemburg brachten, da hat wohl mancher im Innern gedacht und haben es vielleicht auch viele ausgesprochen: Gottseidank, daß wir von diesen Menschen endlich befreit sind! Gegen beide hatte sich im Laufe der Revolution, namentlich nach den letzten Januarunruhen, die kurz voraufgegangen waren, eine ganz gewaltige Erbitterung angehäufl. Beide waren Führer der sogenannten Spartakistenpartei, die als Urheber der Unruhen angesehen wurde, und galten als gemeingefährliche Verbrecher, die die anderen Bürger in den Bürgerkrieg hinein gehetzt hatten und eigentlich ihren Tod verdient hätten. Den Tod der Beiden haben dann die Freunde und Anhänger Liebknechts und der Frau Luxemburg sowie die ihnen nahestehende Presse dazu benutzt, um eine gan z beispiellose Hetze gegen die Untersuchungsführung, gegen die Militärgerichtsbarkeit und auch gegen die Regierung zu inszenieren und eigentlich bis zum heutigen Tag durchzuführen. Insbesondere sind dies die Blätter »Die Rote Fahne « und »Die Freiheit« gewesen. In diesen beiden Blättern wurde das Gericht als »eine Parodie auf jede Justiz« bezeichnet, es als »Kulisse « bezeichnet, hinter der sich das scheußlichste Verbrechen verberge, es wurde eine »J ustizkomödie« und eine " Farce « genannt. Von der Regierung wird gesagt, sie wolle die Mörder der Strafe und die Tat der Aufklärung nicht zuführen, sie habe ja die Gemordeten selbst an das Messer geliefert und sie wolle nicht, daß über ihre eigene Schande zu Gericht gesessen werde. Die »Freiheit« hat es gewagt, noch vorgestern ihren Bericht "Die Justizkomödie in Moabit« zu überschreiben. Herr Rechtsanwalt Rosenfeld hat noch vor wenigen Tagen, kurz vor der Hauptverhandlung, das Gericht als eine Farce bezeichnet. Meine Herren, das ist derselbe Rechtsanwalt Rosenfeld, an den mich die "Freiheit« als denjenigen gewiesen hatte, dem sie ihr Material, um das ich die »Freiheit« gebeten hatte, übergeben habe. Als ich dann den Rechtsanwalt Rosenfeld als Zeugen lud, verweigerte er unter Berufung auf sein Berufsgeheimnis sein Zeugnis, er erklärte mir allerdings nebenbei - mit dem Bemerken, ich möchte es nicht aktenmäßig machen - daß das Material an sich belanglos I A.a.O., BI. 936 ff. 111
sei. Das ist ja das Tiefbedauerliche an diesem Prozeß gewesen, daß zu mir als Untersuchungsführer von selbst niemand gekommen ist und sich als Einen gemeldet hat, der irgend wie Aussagen vom Hörensagen, oder weil er selbs t Augenzeuge gewesen wäre, irgendwelche Angaben gemacht hätte. Sogar bezüglich der Behandlung der Untersuchungsgefangenen ist noch in der letzten Zeit in der »Freiheit« ein Artikel erschienen, der behauptet, die Untersuchungsgefangenen würden durch Gewährung ganz außerordentlicher Erleichterungen außerordentlich bevorzugt, und merkwürdigerweise hatte 4 Tage vorher " Die Tageszeitung« sich veranlaßt gefühlt, die Aufmerksamkeit der höchsten Justizbehörden, die Aufmerksamkeit des Herrn Justizministers auf die außerordentlich rigorose Behandlung der Untersuchungsgefangenen zu lenken. Meine Herren, das Gericht hat sich selbstverständlich nicht von irgendwelchen politischen Gesichtspunkten und persönlichen Stimmungen hier leiten lassen können, sondern ist einfach den Weg gegangen, den das Gesetz und die pflichtgemäße überzeugung vorschrieb, und davon hat es auch kein Gezeter, von welcher Seite es auch kommen mochte, abbringen können. Ich hatte vor, noch im einzelnen auf einiges hier einzugehen und Ihnen das vorzuführen. Ich sehe aber heute nach dem Verlauf der Hauptverhandlung und nach den Erklärungen der Zeugen Rusch und Struve keine Notwendigkeit mehr dazu ein. Ich meinerseits stehe jedoch nicht an, hier von diesem Platz aus zu erklären, daß die Anwürfe, die bis zum heutigen Tage in der Zeitung gegen das Verfahren und gegen die Regierung gerichtet worden sind, eine ganz gemeine niederträchtige Verleumdung gewesen sind. [ ... ] Aus den li.ußerungen von Runge geht aber jedenfalls hervor, daß er damals auf Liebknecht und Rosa Luxemburg eine ziemliche Wut hatte, und das ist ja auch schließlich gar kein Wunder. Damals war er, wenn ich mich so ausdrücken soll, Regierungsmann, er fühlte sich als solcher und glaubte nun auch, diesem Gefühl nach außen hin einmal Ausdruck zu geben. Vielleicht, meine Herren, ist seine Wut auch durch die 50 Mark künstlich angefacht worden, die er, noch während er auf Posten stand, von einem Zivilisten bekommen haben soll, haben will, um sie mit Dräger zu teilen, was er nachher auch getan hat, allerdings etwas zu seinem Vorteil. Auffällig ist es jedenfalls in Verbindung mit der Aussage des Zeugen Weber, der später im Falle der Frau Rosa Luxemburg ein ähnliches Erlebnis gehabt hat, wo jemand zu ihm gekommen 112
ist, um ihm Geld für den Fall anzubieten, daß er den ersten Schlag auf Rosa Luxemburg führte. Ich möchte jedoch hier feststellen, daß in keiner Weise irgendwie anzunehmen ist, daß die Offiziere, die hier angeklagt sind, in irgendeinem Zusammenhang mit der Tat des Runge standen, objektiv hat sich in keiner Weise irgendein Anhaltspunkt ergeben, insbesondere nicht, daß sie ihn etwa zu seiner Tat angestiftet hätten. Das ist bei dieser Verhandlung auch nicht herausgekommen. [ ...] Nach der Aussage des einen Zeugen, glaube idl, kann man audl schließlich damit rechenen, daß Liebknecht möglicherweise einen Fluchtversuch gemacht hat. Auffallend ist ja, daß er in dieser Umgebung dazu gekommen ist, wo er selbst eigentlich infolge des Schlages noch etwas betäubt und benommen war und er sich sagen mußte, daß, wenn er in der Umgebung von 6 jungen kräftigen Menschen ist, diese ihn sofort einholen, selbst wenn sie nicht schießen. Dieser Zeuge hat aber einen Vorfall bekundet,I der es möglich erscheinen läßt, daß Liebknecht auf diesen Gedanken gekommen ist. Möglicherweise hat er gedacht, man wolle ihm ein Leid antun. [ ... ] Die Schüsse müssen in einer ganz unmittelbaren Nähe, nach meine~ überzeugung auf wenige Schritte, erfolgt sein. Das ergibt der Augenschein und das ergibt die ganze Situation. Wie gesagt, ich stelle nochmals fest, daß nicht ein Einziger auch nur einen Schritt gemacht hat, um irgend wie des Liebknecht wieder habhaft zu werden. Der Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung hat die Wirkung seines Haltrufes auch gar nicht eigentlich abgewartet. Der Zeuge Friedrich hat hierzu erklärt, daß er sofort geschossen hätte. Das geht aus der Aussage des Kapitänleutnants auch selbst hervor. Also, meine Herren, ich wollte damit sagen, daß jedenfalls die Voraussetzung für den Gebrauch einer Waffe überhaupt bei dieser Sachlage nicht gegeben war. [ ... ] Dagegen haben sich meiner Ansicht nach doch die für die Anklage wichtigsten Punkte anders herausgestellt, als im Ermittlungsverfahren. Im Ermittlungsverfahren waren einmal die Angaben der Zeugen, die auf der Corneliusbrücke waren und gesehen hatten, wie das Auto über die Corneliusbrücke kam, als sehr belastend zutagegetreten. Sämtliche Zeugen hatten damals auf die Frage, in welchem Tempo das Auto über die Brücke gefahren wäre, angegeben, es sei »schnell« über die Brücke gefahren, »ganz schnell«, »sehr I
Gemeint ist der von dem Zeugen Dr. G. geschilderte Vorfall; vgl. S.
II9 .
113
schnell«, in »auffallend schnellem Tempo«, sogar in »rasendem Tempo«, wie einer sagte. Als sie dann hier in der Hauptverhandlung vernommen worden sind, da hat sich allerdings herausges tellt, daß sie das »rasende Tempo« auf 15-20 km geschätzt haben. Das ist noch nicht einmal eine mittlere Geschwindigkeit. Also das kann jedenfalls nicht als Beweismoment für eine gemeinschaftliche frühere Verabredung angeführt werden. Es wäre ganz klar, wenn das wahr wäre, was die Zeugen früher ausgesagt hatten, dann stellten sie sich sehr in Gegensatz zu der Angabe der Angeklagten, da sie seinerzeit besonders betont hatten, das Auto sei infolge der Defekte außerordentlich langsam gefahren. [ ... ] Ich komme nun auf den Fall Rosa Luxemburg. Auch hier stelle ich zunächst fest, daß eine Mißhandlung der Frau Luxemburg bis zu ihrem Austritt aus dem Edenhotel nicht stattgefunden hat. [... ] Meine Herren, meiner Meinung nach ist auch nicht anzunehmen, daß die unbekannt gebliebene Person, die jedenfalls ein Offizier gewesen ist, j'e tzt, nachdem sie in den Zeitungen von den außerordentlich schwer belastenden Aussagen gegen Oberleutnant Vogel gehört hat, sich nicht gemeldet haben würde. Eine solche Feigheit kann ich wenigstens von einem Offizier nicht annehmen, daß er seinen Kameraden so in der Tinte stecken lassen würde. [ ... ] Meine Herren, hiernach habe ich die überzeugung, daß der Angeklagte Vogel derjenige gewesen ist, der den Schuß auf Frau Rosa Luxemburg abgegeben hat. [ ... ] Nun ist, wie die Zeugen Grantke, Poppe und Weber übereinstimmend bekundet haben, kurz nach Abgabe des Schusses ein Zucken durch ihren Körper gegangen. Zweie habe es gesehen, und der dritte hat es gefühlt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen muß aber meiner Ansicht nach damit gerechnet werden, daß dieses eine Reflexbewegung gewesen ist, wenn etwa Frau Rosa Luxemburg schon tOt war. Andererseits ist meiner Ansicht nach bei Runge nicht nachzuweisen, daß er seinerseits den tödlichen Streidl durch seine Kolbenschläge geführt hat. Wir stehen also hier vor der eigentümlichen Sachlage, daß durch die Handlung eines der beiden Angeklagten zweifellos der Tod der Frau Rosa Luxemburg herbeigeführt worden ist, daß wir aber nicht sagen können, wer von den beiden dies ausgeführt hat. Bei Runge würde hier also nur Versuch vorliegen, und man wird auch den Oberleutnant Vogel nur wegen Versuch einer strafbaren Handlung verurteilen können. [ ... ]
Also hier, bei dem Angeklagten Vogel, halte ich versuchten Mord für vorliegend. [ ... ] Ich halte es jedenfalls für möglich, daß der Angeklagte (Runge) nicht mit überlegung gehandelt hat. [ ... ] Bei dem Angeklagten Runge nehme ich natürlich versuchten Totschlag an. [ ... ] Ich will hier gleich bemerken: Ich bitte dem Angeklagten mit Rücksicht auf seine verminderte Zurechn ungsfähigkeit mildernde Umstände zuzubilligen. [ ... ] Ich komme dann noch zu der Strafbemessung, soweit ich Verurteilung beantrage, und da möchte ich folgendes bemerken: Was die Tötung Liebknechts und der Frau Rosa Luxemburg ~n belangt, so handelt es sich hier um einen Akt von Lynchjustiz, wie er bis dahin in Deutschland noch nicht vorgekommen war. Strafschärfend ist für die Offiziere besonders zu berücksichtigen, daß die Straftaten von Personen begangen sind, deren Schutz die Festgenommenen anvertraut waren und für deren Sicherheit sie verantwortlich waren, und daß diese Taten sich gegen Personen gerichtet haben, die nicht in der Lage waren, sich zu wehren und die bereits vorher schwer mißhandelt waren. Bei Runge und Vogel kommt strafschärfend die Schwere der Mißhandlung in Betracht. Strafmildernd kommt für sämliche Angek~gt en ihre bisherige tadellose Führung in Betracht und für die Offiziere das außerordentlich glänzende Zeugnis, das allen Angeklagten von ihren vorgesetzten Dienstbehörden ausgestellt worden ist. Es kommt auch in Betracht, daß sie die ganze Kriegszeit über unter Waffen gestanden haben. Meine Herren, der Krieg hat ja leider die Begriffe von Recht und Unrecht, von Moral und Unmoral etwas verwischt. Namentlich wird jetzt ein Menschenleben ge ring geachtet. Die Revolution hat in dieser Beziehung auch im Innern unseres Vaterlandes leider nicht dazu beigetragen, das sittliche Niveau zu heben. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Nerven nicht mehr so auf der Höhe sind, wie man das unter normalen Umständen voraussetzen muß. Ferner ist zu berücksichtigen, daß sämtliche Angeklagte zu der Tat nicht aus gemeinen Motiven gebracht worden sind, sondern daß sie in einer überaus erregten Zeit aus mißverstandene n politischen Interessen begangen worden ist.' [... ] I Jorns beantragte u. a. gegen Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung, Stiege, von Rittgen und Liepmann die Todesstrafe wegen vollendeten Mordes, gegen Vogel 5 Jahre I Monat Zuchthaus und 6 Wochen Haft wegen versuchten Mordes u. a.
DAS URTEIL DES FELDKRIEGSGERICHTS
I.
[ ... ]
Kapitänleutnant Horst v. Pf/ugk-Harttung, geb. 17.6.1889 [ ...] als ehelicher Sohn des Universitätsprofessors a. D ., Archivrats am Geh. Staats archiv Berlin [... ] Das Führungszeugnis vom 15.3.1919 lautet: Kapitänleutn ant von Pflugk-Harttung ist seit Januar 1919 beim Divisions-Stabe .. Er ist ein außergewöhnlich begabter, kluger Soldat von eiserner Willenskraft, ein vorzüglicher Organisator und ganz vortrefflicher Kamerad und Mensch. [ ... ] 3. Oberleutnant zur See Vlrich v. Rittgen, geb. 2.6. 1894 [...] als ehelicher Sohn des Geh. Baurats [... ] 4. Leutnant zur See Heinrich Stiege, geb. I. 3. 1895 [ ... ] als ehelicher Sohn des Konteradmirals a. D. [ ... ] 5. Leutnant zur See Bruno Schulze, geb. 29. 3. 1895 [ ... ] ehelicher Sohn des Landgerichtsrats [... ] 6. Leutnant der Reserve Rtldolf Liepmann, geb. 23. 4.1894 als ehelicher Sohn des Geh. Justizrats [... ] Er ist ein fleißiger, unermüdlicher Arbeiter, sehr tüchtiger Organisator, sehr beliebter Kamerad und hat der Division hervorragende Dienste geleistet. 7. Hauptmann Heinz v. Pf/ugk-Harttung, geb. 17.9. 1890 [ ... ]. Das Führungszeugnis vom 15.3.19 lautet: Hauptmann v. PflugkHarttung hat dem Divisions-Stabe bereits im Felde angehört, abgesehen von Unterbrechungen zur Dienstleistung als Flieger und in der Front (Zug- und Batterieführer). überall leistete er vorzügliches und zeichnete sich durch vorbildliche Unerschrockenheit vor dem Feinde aus; mehrfach verwundet. Er ist ein ganz besonders sympathischer Mensch. 8. Oberleutnant a. D. Kurt Vogel, geb. am 11. 10. 1889 [ ...] als ehelicher Sohn des Oberzollrevisors [ ...] Das Führungszeugnis vom 15 . 3. 19 lautet: Oberleutnant Vogel hat während seiner Zugehörigkeit zum Divisions-Stabe seit Januar 1919 bis jetzt, sich als ein gan z besonders eifriger, umsichtiger, klar disponierender Arbeiter gezeigt und ganz vorzügliches geleistet. Obltn. Vogel ist ein entschlossener, tüchtiger Offizier. 9. (Aus den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung). [ ... ] Beide Festgenommenen wurden von Hauptmann Pabst einem kurzen Verhör, welches der Feststellung der Personalien diente, unterzogen. Da kein dienstlicher Auftrag zur vorläufigen Festnahme vorlag, 2.
I. Es werden verurteilt: I. der Angeklagte Husar Runge wegen Wachtvergehens im Felde, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Mißbrauch der Waffe, begangen in zwei Fällen, in einem Falle auch in Tateinheit mit erschwertem Wachtverbrechen im Feld, sowie wegen Gebrauchmachens von falschen Urkunden zwecks besseren Fortkommens zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren Gefängnis, 2 Wochen Haft, 4 Jahren Ehrverlust und Entfernung aus dem Heere. Die Haftstrafe wird durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erachtet; 2. der Angeklagte Leutnant der Reserve Liepmann wegen Anmaßung einer Befehlsbefugnis in Tateinheit mit Begünstigung zu 6 Wochen geschärften Stubenarrestes; 3. der Angeklagte Oberleutnant a. D. Vogel wegen erschwerten Wachtverbrechens im Felde in Tateinheit begangen mit Begünstigung während Ausübung des Dienstes, Mißbrauch der Dienstgewalt nach § 115 M.St.G.B. und Beiseiteschaffung einer Leiche, sowie in einem weiteren Falle wegen vorsätzlich unrichtiger Abstattung einer dienstlichen Meldung zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren 4 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung. 11. Der Angeklagte Leutnant der Reserve Liepmann wird von der weiteren Anklage des gemeinschaftlichen Mordes, in Tateinheit mit rechtswidrigem Waffengebrauch begangen, freigesprochen . III. Der Angeklagte Oberleutnant a. D. Vogel wird von der weiteren Anklage der Duldung einer strafbaren Handlung aus § 143 M.St.G.B., sowie von der Anklage des erschwerten Wachtverbrechens im Felde, in Tateinheit mit rechtswidrigem Waffengebrauch im Dienst und Mord, freigesprochen. IV. Die Angeklagten Kapitänleutnant v. Pf/ugk-Harttung, Oberleutnant zur See v. Rittgen, Leutnant zur See Stiege, Leutnant zur See Schulze, Hauptmann v . Pf/ugk-Harttung und Hauptmann der Landwehr Weller werden freige sprochen. Aus den Gründen : Persönliche Verhältnisse der Angeklagten. I
LAB Rep. 58 Nr. 75.
II6
117
fragte Hauptmann Pabst telefonisch bei seiner vorgesetzten Kommandobehörde Abteilung Lüttwitz an, ob die Festnahme aufrecht zu erhalten sei und ordnete auf deren Veranlassung die überführung der beiden Festgenommenen in das Untersuchungsgefängnis Moabit an. [ ... ] Als das Stubenmädchen Belger gegen 3/. 10 Uhr abends im vierten Stock in einem Zimmer die Betten abdeckte, hörte sie auf dem Flur einen nicht ermittelten Offizier, anscheinend einen von den dortigen Befehlsempfängern, sagen: »Die Herren werden unten im Tiergarten erwartet, um Liebknecht zu begrüßen«. Diese Kußerung fiel jedenfalls vor 1/2 II Uhr, weil die Zeugin in dieser Zeit zu Bett ging und nach der Uhr sah. Liebknecht befand sich zu dieser Zeit noch im Hotel. [ ... ] Als die Angeklagten ausgestiegen waren, folgten sie zunächst nicht der Fahrstraße des Großen Weges, was der nächste Weg gewesen wäre, um nach rechts zur Charlottenburger Chaussee zu gelangen, sondern bogen nach links auf einen kleinen Seitenweg ein, der die Fortsetzung des dem Großen Weg entlang liegenden Fußweges ist, an dieser Stelle aber infolge eines dazwischen liegenden Rasenstückes eine Biegung nach links macht. Weshalb dieser kleine Umweg gemacht wurde, der nach etwa 40 m wieder auf den Großen Weg mündet, konnten die Angeklagten zu 2 und 5 nicht mehr angeben. [ ... ] Der Zeuge Schai gab in der Hauptverhandlung an, es habe in der Wache allgemein geheißen, die Panne sei nur vorgeschützt gewesen. Liebknecht sei gefragt worden, ob er noch ein Stück gehen könne, und sei dann niedergeschossen worden. [ ... ] Nach dem Schuß wurde Frau Luxemburg eine Decke über den Kopf gezogen. Nach wenigen Minuten hatte das Auto die Corneliusbrücke erreicht, bei welcher es links abbog und am Lützowufer am Landwehrkanal entlang fuhr. Nach einigen hundert Metern Fahrt erreichte das Auto kurz vor der Lichtensteinbrücke ein mit Gebüsch bewachsenes Rasenstück, das zwischen Kanal und Fahrtstraße liegt. Der Angeklagte Vogel, der in dieser Beziehung geständig war, gab den Zeugen Janschkow und Hall etwa 50 Meter vor der Brücke den Befehl, zu halten, und sagte etwa: ~ Wir wollen sie hier herausschleppen.« Auf sein Geheiß faßten Weber und Poppe an und trugen Frau Luxemburg zum Kanalgebüsch. Auch der Angeklagte Vogel selbst faßte hierbei zu und berührte eine schlaff herunterhängende Hand der Frau Luxemburg, was ihm ein unangenehmes Gefühl verursachte. [ ... ]
118
Die photographische Aufnahme auf der Wache des Edenhotels. Einen oder zwei Tage nach der Festnahme Liebknechts und der Frau Luxemburg fertigte auf der Wachstube im Eden-Cafe der Photograph Eichner einer Illustrationsfirma eine photographische Aufnahme der dort befindlichen Soldaten an, wobei der Angeklagte Runge in der Mitte saß. Auf dem Tablett, das die Zeugin Kellnerin Zöllner, die auf Wunsch der Soldaten mit auf das Bild kam, trug, stand eine leere Weinflasche. Wie der Zeuge Eichner und die übrigen vernommenen Zeugen eidlich bekundeten, lag keinerlei absichtliche Gruppierung vor. Der Angeklagte Runge saß zufällig in der Mitte am Tisch, da er gerade zu Mittag gegessen hatte. Dies Bild wurde unter der überschrift ~Zechge lage der Mörder« in der Zeitung »Rote Fahne« veröffentlich t, durch wessen Vermittlung ist nicht aufgeklärt. Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen wurde damals nur Bier getrunken und Kuchen gegessen. Von einem Zechgelage konnte keine Rede sein, so daß dieser Vorgang eine harmlose Aufklärung findet. [ ... ] Vielmehr hat das Gericht als einwandfrei festgestellt sehen müssen, daß der Angeklagte Run ge nur aufgrund eigenen Entschlusses gehandelt hat. [ ... ] Da nicht sicher nachgewiesen werden kann, ob der Tod der Frau Luxemburg auf die Kolbenschläge oder auf den Schuß zurückzuführen ist, kann sowohl dem Angeklagten Runge als auch dem Schützen nur eine versuchte Tötung nachgewiesen werden. [ ... ] Für einen Fluchtversuch Liebknechts spricht auch ein vom Zeugen Dr. G. (unleserlich) bekundeter Vorgang. Dieser traf Liebknecht gegen Neujahr 18-19 abends auf der Straße in der Nähe seiner Wohnung in Friedenau und nannte halblaut seiner neben ihm gehenden Frau den Namen Liebknechts. Letzterer entfernte sich darauf fluchtartig, ging auch, wie der ihn verfolgende Zeuge feststellte, nicht nach seiner Wohnung, sondern zunächst weiter, wartete eine Weile und ging erst dann zur Wohnung zurück, als er sich nicht mehr beobachtet glaubte. Dieser Umstand beweist, daß Liebknecht sich verborgen hielt, und läßt die weitere Annahme als möglich zu, daß er sich unter allen Umständen seiner Partei als Führer erhalten wollte. [ ... ] Wenn alle diese belastenden und entlastenden Momente zusammengefaßt und einander gegenübergestellt werden, so ergibt sich also eine Möglichkeit, daß der Fluchtversuch Liebknechts von den Angeklagten fingiert sein kann. Der Vorgang könnte sich etwa so abgespielt haben, daß der Angeklagte Kapitänleutnant von PflugkHarttung beim Umdrehen nach dem Auto absichtlich den Arm Lieb-
knechts losließ, zum Rufen stehen blieb und hinter dem weiter schreitenden Liebknecht dann einen Schuß in die Luft oder gegen dessen Körper abgab, worauf Liebknecht in natürlicher Angst und Erregung vorwärts und seitwärts zu laufen begann und dann von den übrigen Angeklagten mit deren Pistolen erschossen wurde. Eine solche Vermutung genügt aber für den Nachweis des den Angeklagten zu 2-7 zur Last gelegten Verbrechens des gemeinschaftlichen Mordes nicht. Denn die Panne des Wagens war tatsächlich echt. Die Angeklagten haben Liebknecht vor dem Hotel auch vor Mißhandlungen tatsächlich zu schützen versucht. Hiernach läßt sich ein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis der Angeklagten zu 2-7 bezüglich der Erschießung Liebknechts nicht nachweisen und entfällt mithin die gegen sie erhobene Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes mangels hinreichenden Beweises. [ ... ] Fest steht, daß ein Schuß in dem Auto gegen die Schläfe der Frau Luxemburg von einem Täter abgefeuert worden ist, dessen entsicherte Pistole zunächst beim ersten Abdruck versagte und erst beim zweiten Abdruck losging. Als Schütze kommt nach den in dieser Beziehung übereinstimmenden Zeugenaussagen nur der Angeklagte Vogel oder ein im Auto mitfahrender unbekannter Offizier - wahrscheinlich ein Marine-Offizier - in Betracht. Der Zeuge von Rzewuski war, als der Schuß fiel, schon abgesprungen, wie die Zeugen Weber und LiebenthaI gen au beobachtet haben. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Angeklagte Vogel der Schütze war. Dafür spricht außer den noch näher zu beurteilenden Zeugenaussagen die eigene Angabe des Angeklagten, der sich nach dem Schuß nicht umgesehen haben und nicht wissen will, wer den Schuß abgegeben hat, vielmehr im Ermittlungsverfahren behauptet hat, ein Zivilist sei nach dem Schuß abgesprungen. Für die Täterschaft des Angeklagten spricht ferner das im Gegensatz zu der oben genannten Behauptung in der Hauptverhandlung abgegebene Zugeständnis, daß er den unbekannten Offizier, der im Wagen mitgefahren sei, kenne, aber seinen Namen nicht nennen wolle. Ferner belastend ist der in der Hauptverhandlung vom Angeklagten zugegebene Befehl an die Chauffeure, am Kanal zu halten. Ferner die Tatsache, daß der Angeklagte Frau Luxemburg ins Wasser werfen ließ, daß er aber auf der Rückfahrt zum Edenhotel mit den Chauffeuren kameradschaftlich besprach, wie sie das Verschwinden der Frau Luxemburg darstellen wollten. [ ... ] Es ist daher möglich, sogar nach den ganzen Umständen wahrscheinlidl, daß der Angeklagte Vogel den Schuß abgegeben hat. Jedoch 120
kann bei derartigen Widersprüchen in den Zeugenaus~agen durch die bestimmte Aussage des einen Zeugen Grantke, der den Angeklagten zum ersten Male an dem Tage der Tat und dann bis zur kriegsgerichtlichen Hauptverhandlung überhaupt nicht mehr gesehen hat, kein lückenloser Schuldbeweis für die Täterschaft des Angeklagten Vogel erbracht werden. [ ... ] Bei dem Angeklagten Vogel fiel mildernd ins Gewicht seine bisherige Unbescholtenheit, seine gute und tapfere Führung im Kriege, Verrohung durch den langjährigen Aufenthalt im Felde, seine starke persönliche Erregung, welche durch die von ihm vorher gesehene entfesselte Wut des Angeklagten Runge und durch den von dem unbekannten Marineoffizier abgegebenen Schuß noch angestachelt worden ist, ferner die allgemeine Erbitterung, die, wie bereits oben beim Angeklagten Runge ausgeführt ist, besonders bei den Regierungstruppen gegen die erschossenen Führer der Spartakuspartei herrschte. [ ... ]
DAS URTEIL IM SPIEGEL DER PRESSEBERICHTE
er tat, hat er nicht für sich getan, sondern für die Klasse derer, die über ihn urteilen sollten. Deshalb wendet sich unsere Empörung nicht so sehr gegen das Gericht des Edenhotels, sondern gegen die beschämende Tatsache, daß ein solches Gericht überhaupt noch amtieren konnte. [ ... ]
Freiheit, 15. Mai 1919: Freiheit, 15. Mai 1919:
Das Urteil des Kriegsgerichts der Garde-Kavallerie-Schützen-Division in Moabit wird vom deutschen Proletariat, wird vom Proletariat der ganzen Welt mit einem Aufschrei der Entrüstung aufgenommen werden. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind auf bestialische Weise hingeschlachtet worden. Sie, die ihr Leben der Befreiung der Menschheit vom Joche des Kapitals geweiht haben, sind den bewaffneten Handlangern des Kapitals zum Opfer gefallen. Aber diejenigen, die beschuldigt waren, die ruchlose Tötung der beiden Helden des Proletariats verursacht oder begünstigt zu haben, sie wandeln heute im Licht, sie werden weiter eine Zierde der bürgerlichen Gesellschaft sein. [ ... ] Konnten wir ein anderes Ergebnis dieses Prozesses erwarten? Von vornherein war es klar, daß ein Kriegsgericht, zusammengesetzt aus Kameraden und Gesinnungsgenossen der Angeklagten, niemals deren Schuld feststellen werde. Darum haben wir, darum haben die Angehörigen und politischen Freunde der Erschlagenen mit Recht gefordert, daß dieser Prozeß vor einem Revolutionstribun al verhandelt werde, das allein Licht über den Mord bringen, die Täter ermitteln, die Untat sühnen konnte. Was aber ist den heutigen Machthabern die Revolution? Was sind ihnen revolutionäre Grundsätze? Die Klassenjustiz des Vornovember herrscht so unumschränkt wie nur je zuvor, alle Paragraphen des alten Deutschlands werden aufrechterhalten, um je nachdem die revolutionären Arbeiter zu foltern und zu bestrafen oder die gegenrevolutionären Elemente zu belohnen und freizusprechen. Der Beginn und der Verlauf der Untersuchung, die Einleitung des Prozesses, der Gang der Verhandlung, alles das zeigte, daß es der Justiz des Edenhotels nicht darauf ankam, den Mord zu sühnen und die Mörder ihrer Bestrafung zuzuführen. Wir können das verstehen und entrüsten uns darüber nicht: denn die Leute, die auf der Anklagebank saßen, waren Fleisch und Blut vom Fleisch und Blut der über sie zu richten Berufenen. Selbst der Soldat Runge, diese klägliche Abart eines Proletariers, mußte milde Richter finden, denn was 122
Es gehört eine bodenlose Verstocktheit dazu, um mit diesem Gericht und mit diesem Urteilsspruch zufrieden zu sein. Es gehört das Gefühl der Mitschuld dazu, um die Wege dieser Justiz, der Justiz des Edenhotels, für einwandfrei auszugeben. Der »Vorwärts « ebenso wie Herr Heilmann in seiner Korrespondenz haben das ihrige dazu beigetragen, um den Tatbestand zu verdunkeln, die Bestrafung der Schuldigen zu hintertreiben und die Ehre des Noskeschen Militarismus zu retten. Darum ist es begreiflich, wenn sie jetzt entweder an dem Urteil schandenhalber nur leise Kritik zu üben wagen oder gar den Spruch des Edenhotels gutheißen. Frankfurter Zeitung, 16. Mai 1919:
Der Ausgang der vor dem Kriegsgericht wegen der Ermordung von Liebknecht und Rosa Luxemburg geführten Verhandlungen ist aus rechtlichen wie aus politischen Gründen durchaus unbefriedigend. Denn zwei schwere Mordtaten bleiben ungesühnt, da die über einige Angeklagte verhängten Strafen nicht das Hauptverbrechen, den Mord selbst, sondern nur die Begleitumstände betreffen. Das Gericht ist im Gegensatz zu den Anträgen des Anklagevertreters für die meisten Angeklagten zu einem freisprechenden Ergebnis gelangt, weil es den Schuldbeweis nicht als geführt ansah. Selbstverständlich kann man aus diesem Ergebnis noch keinen Vorwurf gegen das Gericht herleiten, das seine Entscheidung nach rein juristischen Erwägungen gefällt und die Zweifelsmomente den Angeklagten zugutegehalten hat, und noch weniger gegen die Anklagebehörde, die allen Spuren gewissenhaft nachgegangen ist.
[... ] Der »Vorwärts « stellt fest , daß es nicht Schuld der Anklagebehörde ist, wenn die Verbrechen, die an Liebknecht und Frau Luxemburg verübt worden sind, nicht restlos aufgeklärt worden seien, und auch der Strafantrag beweise die Objektivität der Anklagebehörde. Es sei 12 3
wirklich alles geschehen, den Tatbestand aufzuklären, und wenn das nicht gelungen sei, so liege das an den Umständen. [ ... ] Die »Freiheit« erblickt in dem Urteil natürlich einen Ausfluß dei Klassenjustiz [ ... ].
DAS NACHSPIEL'
Die Ehrenmänner im Stab der Morddivision ließen ihre Kameraden nicht im Stich. Der Unabhängige Abgeordnete Dr. Cohn teilte am 14. Mai, dem letzten Verhandlungstag, dem Kriegsminister Reinhardt telephonisch mit, daß für die Angeklagten Pässe auf falsche Namen besorgt seien, so für den Oberleutnant Vogel auf den Namen Kurt Velsen. Zur Erledigung der Paßformalitäten konnten die angeblich in strenger Haft gehaltenen Angeklagten in Gesellschaft ihrer hohen Gönner die in Frage kommenden amtlichen Stellen persönlich aufsuchen. Dieselbe Mitteilung machte Cohn der Reichskanzlei. Noske ermahnte die Abteilung Lüttwitz, daß die Meldung über die falschen Pässe »nachgeprüft« und ein Fluchtversuch keinesfalls fahrlässig oder schuldhaft erleichtert werden solle. Da aber sonst nichts unternommen wurde, durften Hauptmann Pabst und Dr. Grabowski im Stab der Division die Flucht in richtiger Würdigung der Noskeschen Mitteilung weiter vorbereiten lassen. Der Hauptmann Janssen von der Abteilung VIII der Garde-Kavallerieschützendivision versah einen Ausweis, mit dessen Hilfe Vogel aus dem Zellengefängnis Moabit herausgeholt wurde, mit dem Stempel der Division. Der aus dem Prozeß bekannte Entlastungszeuge Janschkow verkaufte für eine hübsche Summe für die Durchführung der Flucht sein Auto an die Division. Am 17. Mai flog der Vogel nach Holland, und nachdem er sicher gelandet war, teilte am 20. Mai die Division der Offentlichkeit die Flucht mit. Die Vollendung des stinkenden Skandals war den Ebert-Noske-Landsberg vorbehalten: Die Untersuchung der Flucht Vogels übertrugen sie - der Garde-Kavallerieschützendivision. Nun war noch das Urteil gegen, richtiger für die Mörder zu bestätigen. Ebert, als Wilhe1ms Nachfolger, wäre der nächste dazu gewesen. Da ihm als Reichsoberhaupt diese moralische Belastung doch zu stark erschien, entdeckten seine Juristen, daß die preußische Regierung zuständig sei. In der preußischen Regierung saß der Sozialdemokrat Heine, der bei jeder Gelegenheit seinen fanatischen Haß gegen alles Revolutionäre offen kundgab, saß der Kriegsminister Reinhardt, der Kamerad der Lüttwitz-Hoffmann-Pabst. Aber selbst die Preußenregierung lehnte dankend ab, um sich nicht vor aller Welt mit dem I Zitiert nach: Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution , Berlin 1929; S·3 0 7·
Eden-Hotel zu solidarisieren. Hatte doch selbst Beilmann nach Vogels Flucht angesichts der Stimmung der Arbeiterschaft zugestehen müssen, im Prozeß habe die »militärische Lügengemeinschafl:« gesiegt. Nachdem das Versteckspiel eine Reihe von Monaten gegangen war, übernahm Gustav Noske auch diese Arbeit und bestätigte das Urteil. Damit am Bild nichts fehle: am 23. Dezember 1920 wurde Oberleutnant Vogel amnestiert.
Materialien zur Nachgeschichte des Mordes
Auffindung und Obduktion der Leiche Rosa Luxemburgs In der Nacht zum 1. Juni 1919 wurde in Berlin an der Freiarchenbrücke am Landwehrkanal eine weibliche Leiche angetrieben. Der Körper wurde auf Anordnung des Polizeipräsidenten in das Leichenschauhaus in der Hannoverschen Straße überführt und da aufgebahrt. Dort erschien am darauffolgenden Sonntag ein Leutnant Kehler, der ein Schreiben des Reichswehrministers Noske vorwies und die Herausgabe der Leiche verlangte. Trotz dem Einspruch des wachhabenden Leichendieners wurde der Leichnam von den Soldaten ins Lazarett des Truppenübungsplatzes Zossen gebracht. Erst dann wurde der Untersuchungsrichter im Fall Rosa Luxemburg benachrichtigt. Kriegsgerichtsrat Ehrhardt, der in Vertretung von Jorns mit diesem Amt betraut war, protestierte sofort scharf gegen den Eingriff Noskes in seine Befugnisse. Noske erklärte, er habe mit der überführung der Leiche nach Zossen politischen Demonstrationen vorbeugen wollen. Die Freiheit bemerkte dazu, daß hier die Regie der Offiziere im Eden-Hotel wieder sehr wirksam gewesen und daß Noske jetzt öffentlich als ihr Komplice entlarvt sei. Wegen der schon weit fortgeschrittenen Verwesung konnte die Obduktion zunächst keine Sicherheit über die Identität ergeben. Nur aus äußerlichen Kennzeichen, wie der Größe, dem Alter und der Zeitspanne, die der Körper im Wasser gelegen haben mußte, ergab sich eine Vermutung für Rosa Luxemburg. Erstaunlicherweise war die Schädeldecke völlig unversehrt, was man nach den Kolbenschlägen Runges nicht erwartet hätte. Die Leiche wies aber eine Schußverletzung an der linken Stirn auf. Da das Gehirn völlig in Verwesung übergegangen war, konnten über die Wirkungen des Schusses keine Feststellungen getroffen werden. Erst die langjährige Sekretärin Rosa Luxemburgs konnte an Hand der noch an der Leiche haftenden Kleiderreste, der Handschuhe und eines Medaillons die Tote identifizieren. Die Leiche wurde zur Beerdigung freigegeben und am 13. Juni zu Grabe getragen. 12 7
Am 9. Januar 192 I veröffentlichte die Freiheit einen Brief Runges: Dem Jäger Runge, der von den Offizieren des Eden-Hotels den Befehl bekommen hatte, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit dem Kolben niederzuschlagen, war versprochen worden, daß er seine Gefängnisstrafe nicht abzubüßen brauche. Er nahm deshalb die Hauptschuld verabredungsgemäß auf sich, zumal er auch durch größere Geldbeträge bestochen war und weitere materielle Hilfe in Aussicht hatte. Runge ist aber später von seinen Hintermännern im Stich gelassen worden, das hat ihn veranlaßt, vor einem Jahr in einer Berliner Militärarrestanstalt, wo er damals untergebracht war, ein schriftliches Geständnis abzulegen. Es liegt im Original vor uns, ist vom 6. Januar 1920 datiert und hat folgenden Wortlaut: Das Geständnis. Am 15. Januar 1919 wurde ich abends zwischen 7 und 9 Uhr als Posten vor das Hauptportal des Eden-Hotels zusammen mit dem Jäger zu Pferde Dräger kommandiert. Gegen 9 Uhr wurde alles laut und kam in Erregung, weil es hieß, Liebknecht und Luxemburg seien eingeliefert. Ich erhielt sofort mehrere Befehle von Offizieren und Wachtmeistern und es wurde bemerkt, daß diese Bande das EdenHotel nicht wieder lebend verlassen dürfe. Was die Sache Liebknecht anbetrifft, hatte ich strikten Befehl von Offizieren, diesen Lumpen niederzuschlagen mit dem Kolben an der Stelle, wo er herauskommt. Ich war neu und konnte die Offiziere nicht erkennen, sah aber nachträglich, daß die meisten meine Mitangeklagten waren. Was die Luxemburg anbetrifft, kamen Offiziere zu mir und sagten, ich gebe Ihnen den Befehl, daß die Luxemburg das Eden-Hotel nicht mehr lebend verläßt, merken Sie sich das! Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung schrieb sich meinen Namen auf und sagte zu mir: »Sie wird Ihnen ja durch den Oberleutnant Vogel in die Arme geführt, so daß Sie nur zuschlagen dürfen.« Als Luxemburg ins Auto gezerrt wurde, sprang beim Abfahren noch einer hinten auf und schoß Frau Luxemburg eine Kugel in den Kopf, was ich genau in der kurzen Entfernung sehen konnte. Er sprang dann ab und ging von der Nürnberger Straße ins Eden-Hotel zurück. Gleich darauf kam ein Offizier vor das Portal zu mir und sagte, ich solle sofort nach oben 4 Treppen gehen und da Ordnung schaffen. Mit denen da oben ist nichts los, das sind Scheißer. Da ist auch der
128
von der »Roten Fahne ~ , ich gebe Ihnen den Befehl, ihn sofort zu erschießen. Auf der Treppe kam mir ein Vizewachtmeister entgegen und sagte, ich solle sofort nach oben kommen und Ordnung schaffen. Sie haben den Befehl, den Redakteur der »Roten Fahne« zu erschießen. Ich sagte ihm, daß ich schon meine Befehle hätte und woher er den seinen habe. Da antwortete er mir : Die Befehle kommen von Hauptmann Pabst. Oben angekommen stand ein Mann an der Wand, einer saß daneben. Ein Wachtmeister befahl mir, das Gewehr zu entsichern und beim dritten Male, wenn er wieder zurückkomme, solle ich sofort schießen; denn das sei das Zeichen. Ich hatte das Gewehr schon eingezogen, mir kamen aber Bedenken und nahm es wieder ab und auch der Mann der »Roten Fahne~ kam zu mir und sagte, er hätte noch einen Auftra g zu erledigen. Er wurde in ein Zimmer geführt und bei Verlassen sagte ein Offizier zu einem Wachtmeister: »Führen Sie den Mann ab und sorgen Sie dafür, daß nichts passiert.« Ich ging nun wieder auf Posten zurück und Dräger sagte mir: »Nun hast du den da oben wohl doch nicht erschossen, es hat ja so lange gedauert.~ Inzwischen waren die anderen zurückgekommen und brüsteten sich: Liebknecht haben wir eine gebrannt. Es wurde eine Panne markiert und so die Flucht künstlich herbeigeführt. Das hat mir auch Oberleutnant von Rittgen später in der Untersuchungshaft noch einmal gesagt, er sagte auch, er habe das Knarren der Pistolen gehört. über Luxemburg hieß es: »Die alte Sau schwimmt schon.« über meine Flucht habe ich folgendes zu sagen: Ich wurde anfangs im Eden-Hotel von allen beglückwünscht und mir wurde gesagt, Ihnen passiert nichts, dafür werden wir schon sorgen. Sie kommen nach ein anderes schönes Städtchen und es wird für Sie gesorgt. Als ich eines Abends von Posten kam und durch den Zoo ging, kam mir Leutnant Liepmann mit dem Jäger Friedrich entgegen. Leutnant Liepmann sagte zu mir: »Na, Mensch, Sie suche ich schon lange. Sie müssen fort, Sie müssen flüchtig werden, sonst fliegen wir alle ins Zuchthaus.« Auch meine sämtlichen Vorgesetzten vom Jägerregiment zu Pferde drangen auf mich ein, daß ich flüchtig werden müsse. Leutnant Liepmann brachte mich dann vom Werbebureau aus zu dem HusarenRegiment Nr. 8. Ich verständigte auch da sofort meine Vorgesetzten eingehend über die Mordsache und wurde sofort als ein Held angesehen. Eines Tages im Januar oder Anfang Februar 1919 war ich mit dem Reini gen der Gulaschkanone beschäftigt. Es kamen zweI
I29
Kinder auf den Hof, wo die Gulaschkanone stand, und sagten: ~Hu sar Runge soll auf die Straße zu einem Soldaten kommen.« Ein Unteroffizier kam mir entgegen und sagte: »Runge, ich bin auf Befehl hierher geschickt worden vom Adjutanten der 8. Husaren, Freiherrn von (Name unleserlich im Brief. Die Red.).' Er hat den Haftbefehl gegen dich, du sollst verhaftet werden, das darf nicht sein. Hier ist die Abschrift vom Haftbefehl. « Er gab mir 240 M. und einen Militärfahrschein nach Köln. Ich setzte sofort meinen Rittmeister davon in Kenntnis, wurde gelohnt und der Rittmeister Weber sagte, ich soll machen, daß ich fortkomme, mich aber im Eden-Hotel noch einmal melden. Was ich auch tat. Im Eden-Hotel ging die Sache weiter, es wurde mir gesagt, der Haftbefehl wird nicht eher losgelassen, bis Sie fort sind. In meine Wohnung wurden mir 4000 M. gebracht und ein Zettel, ich solle nach Prag fahren und mich auf dem deutschen Konsulat bei dem Konsul Schwarz (der später in das famose Staatskommissariat für öffentliche Ordnung kam! D. Red.) zur weiteren Beschäftigung melden. Das verweigerte ich, weil ich keinen Ausl andspaß hatte. Ich wurde dann 4 Tage in der Wohnung des Leutnants Liepmann in der Kurfürstenstraße gefangen gehalten, bis es den Leuten auffällig wurde. Dann erhielt ich einen Militärfahrschein nach Flensburg und falsche Papiere, die mir bei meiner Verhaftung abgenommen wurden. Die Untersuchung ist eine Komödie gewesen. Ich sprach mit Kriegsgerichtsrat Jörns wiederholt privat und er sagte mir: Nehmen Sie ruhig alles auf sich, 4 Monate werden es nur, und Sie können sich dann immer wieder an uns wenden, wenn Sie in Not sind. « Die Zellen türen standen stets offen. Sämtliche Angeklagten machten den Richter, ich mußte den Angeklagten spielen, und es wurde immer wieder gesagt, wenn ich meine Aussage nicht richtig einlernte, läge mal eine Handgranate im Bett, wenn ich schlafen ginge. Ich wurde auch beeinflußt zu der Aussage, daß ich die falschen Papiere, die mir die Offiziere gaben, von Spartakisten in der Weinmeisterstraße gekauft hätte. Die Offiziere haben oft bis 12 Uhr nachts ihren Damenbesuch in den Zellen gehabt, mit Musik, und der Wein ist geflossen . Mit dem Stab des Eden-Hotels stand ich öfters in telephonischer Verbindung. Ich mußte ihm von meiner Flucht genau angeben, mit welchem Zuge ich nach Flensburg fahre und wenn ich dort ankomme. Husar OttO Runge. 1 Laut Vorwärts vom 29 . 5.1922: Oberst Weims.
13°
Der Vorwärts vom 30. 5. 1922 (Morgen-Ausgabe) veröffentlichte eine Aussage Runges gegenüber dem Redakteur Kuttner, in deren Verlauf Runge folgenden Brief des Rechtsanwalts Fritz Grünspach vorlegte: Notar Fritz Grünspach Drs. Schumann u. Asch Rechtsanwälte
Berlin W. 15, den 17. September Kurfürstendamm 185 (Ecke Wielandstraße)
1920
Herrn Otto Runge Berlin Untersuchungsgefängnis Alt-Moabit 12 a Sehr geehrter Herr! Idl habe alles getan, was ein Rechtsanwalt für Sie tun kann. Ein Gnadengesuch ist eingereicht, ein Antrag auf Strafaussetzung, schon vorher habe ich mich an den Reichswehrminister gewandt, habe eine Eingabe an die Staatsanwaltschaft gemacht, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Ich werde auch in der Lage sein, wenn Sie entlassen sind, Ihnen einen Betrag von 3000 Mark zu zahlen, der von einem Spender, welcher nicht genannt sein will, für Sie mit der ausdrücklichen Weisung hinterlegt ist, Ihnen diesen Betrag erst bei Ihrer Entlassung zu übergeben, und zwar nicht auf einmal, sondern in monatlichen Raten von 300 Mark. Mit vorzüglicher Hochachtung Grünspach, Rechtsanwalt. Der Leutnant Rudolf Liepmann schrieb 1924 eine Doktorarbeit über das Thema Die polizeilichen Aufgaben der Deutschen Wehrmacht', in der er sich u. a. auch mit dem Waffengebrauch gegen Fliehende beschäftigte. Wir zitieren daraus: Die Anschauung der tatsächlichen Vorgänge für nachfolgende Untersuchung entstammt insbesondere meiner militärischen Tätigkeit in den Jahren 19191z0 beim Stabe des Oberbefehlshabers der Regierungstruppen und später beim übergangsheer. [ ... ] 1 Vcröffcntlimt als Heft 16 der Leipziger rechtswissenschafllichen SIlIdien , Leipzig 1926.
13 1
Als die Fronttruppen im November 1918 in die deutsche Heimat zurückkehrten, galt es einem zügellosen Treiben irregeleiteter Elemente ein Ende zu machen, dem Ansehen der Reichsregierung Geltung zu verschaffen und die Vorbereitungen für die Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung zu sichern. Damals scharten sich Teile des zurückflutenden Heeres als Freikorps zusammen, die mit außerordentlichen Mitteln die Staatsautorität wieder herstellten und der Diktatur einer Minderheit wehrten. Die wilden Verbände und Wehren verschiedenster politischer Färbung, oder auch ohne solche, wurden nach kriegsmäßigem Kampfe entwaffnet und aufgelöst. Staats- und Privateigentum wurde gesichert, Heeresgut gesammelt, Rechtsbrecher ergriffen und abgeurteilt. Noch einmal wurden alle Zweige staatlicher Tätigkeit von Militärbefehlshabern ausgeübt. Rechtssätze konnten in diesen erbitterten Kämpfen der Truppe ihr Vorgehen nicht vorschreiben. [ ... ] Die Zivilbehörde, welche auf das große Kraftzentrum der Wehrmacht zurückgreift und damit an diese Gewalt appelliert, vermag über dieselbe so wenig, wie etwa die vom Feind Bedrängten, welche Schleusen öffnen und Deiche durchstechen, den Lauf des Elements bestimmen. [ ... ]
Der Jorns-Prozeß Am 24. März 1928 erschien in der Zeitschrift Das Tagebuch ein anonymer Aufsatz mit dem Titel Kollege farns, der sich mit der Rolle des inzwischen zum Reichsanwalt avancierten Kriegsgerichtsrats J orns in dem Ermittlungsverfahren gegen die Liebknecht-Luxemburg-Mörder befaßte und gegen Jorns den Vorwurf erhob, er habe den Mördern Vorschub geleistet t : Seit acht Jahren hatte den Namen des ehemaligen Kriegsgerichtsrats Jorns ein wohltätiges Schweigen umfangen. Jetzt erst, in dem Landesverratsprozeß gegen Fritz Küster und Berthold Jacob, kam er uns als Reichsanwalt wieder zu Gesicht; uns Kollegen, die die juristischen Qualitäten des Mannes stets ungemein niedrig bewerteten und die wir uns niemals genug wundern konnten, als man ihn vor einigen Jahren ans Reichsgericht berief. Das konnte - so war die allgemeine Meinung unter denen, die ihn kannten, als Menschen und auch beruflich - schwerlich wegen seiner juristischen Verdienste geschehen sem. Kriegsgerichtsrat Jorns hat bekanntlich die Untersuchung gegen die Mörder des kommunistischen Volkstribunen Karl Liebknecht und der Frau Luxemburg geführt. Die Mörder gehörten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division an, die Generalleutnant Hofmann kommandierte und deren Stab im Edenhotel residiert hat. Zur Teilnahme an der Untersuchung hatte man drei Mitglieder des Berliner Zentralund Vollzugsrats, die Herren Wegmann, Rusch und Struve zugeordnet. Diese Herren sind aber bereits einige Tage später, am 3 I. Januar 1919, wieder aus ihrer Untersuchungstätigkeit geschieden. Unter diesem Datum haben sie in einer Denkschrift ihre Gründe dargelegt: sie waren von allen wichtigen -Vorgängen innerhalb der Untersuchung fern gehalten worden und wollten nicht durch Hergabe ihrer Namen die mageren Ergebnisse der von Kriegsgerichtsrat Jorns geleiteten Erhebungen decken. Alle drei haben im Prozeß selbst übereinstimmend ausgesagt, daß Jorns ihre Kontrolltätigkeit arg behindert habe. Wegmann insbesondere, der später eine Zeitlang der unabhängigen Vgl.: Heinrich Hannover, Elisabeth Hannover-Drück: Politische Justiz 200 ff. Zum Prozeß gegen Küster und Jacob, ebd. S. 181 ff. 1
1918-193J, Frankfurt/M. 1966, S.
133
Fraktion des Reichstages angehörte, hat am fünften Verhandlungstag, am 12. Mai 1919, dargestellt, wie ihn Jorns von der Vernehmung des schwer beschuldigten, aber noch schwerer verdächtigten - nämlich der Anstiftung zum Morde verdächtigten - Hauptmann Pabst ferngehalten habe. An einem Sonnabend habe Hauptmann Pabst, Generalstabsoffizier der Division, in Gegenwart Wegmanns vernommen werden sollen. Jorns ließ Wegmann mitteilen, das Verhör müsse verschoben werden, der Hauptmann sei krank. Tatsächlich aber hatte Pabst an demselben Sonnabend, an dem er nach Jorns Auskunft krank im Bette liegen sollte, über so viel seelische und physische Kräfte verfügt, daß er die militärischen Absperrungsmaßnahmen für das Leichenbegängnis seines Opfers Karl Liebknecht leiten konnte! Als Wegmann dann am Montag an die fällige Vernehmung erinnerte, ward ihm der Bescheid, Pabst sei bereits vernommen. Wegmann, Rusch und Struve erklären auf das bestimmteste, sie hätten den Eindruck gehabt, daß Jorns die Untersuchung verschleppe, er habe besonders die Offiziere viel zu lange auf freiem Fuß gelassen. Jorns hat dann in dem Prozeß vom 8. bis 14. Mai 1919 vor dem außerordentlichen Kriegsgericht die Ankl~ge vertreten. (Unter Vorsitz des Kriegsgerichtsrats Ehrhardt saß da übrigens als Beisitzer, gewählt vom »Vertrauensrat« der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, neben einem Offizierstellvertreter und einem Kürassier auch der damalige Kapitänleutnant Canaris).' Er hat den Angeklagten nicht weh getan! Der Kapitän Pflugk-Harttung durfte während der ganzen Untersuchungshaft sein Gewehr in der Zelle behalten. Am 14. Mai, dem letzten Verhandlungstag, setzte das unabhängige Mitglied der Nationalversammlung, Rechtsanwalt Doktor Oskar Cohn, den damaligen preußischen Kriegsminister Reinhardt und den Pressechef der Reichsregierung Ulrich Rauscher davon in Kenntnis, daß der Oberleutnant zur See Vogel, der schwere Strafe zu gewärtigen hatte, in den kommenden Tagen mit einem gefälschten Paß auf den Namen Kurt Velsen flüchten werde. Am 17. Mai, an einem Sonnabendnachmittag, entstieg tatsächlich vor dem Zellengefängnis in der Lehrter Straße einem Auto ein unbekannter Offizier, legitimierte sich durch Ausweis der Garde-Kavallerie1 Canaris wurde später Abwehrchef Hitlers und wegen seiner Verbindung mit den Widerstandskämpfern vom 20.7. 1944 kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs hingerichtet.
134
Schützen-Division und verlangte die übergabe des Strafgefangenen Vogel, die auch erfolgte. In den Tageszeitungen vom 19. Mai 1919 wurde damals von einer Berliner Lokal-Korrespondenz mitgeteilt: »Die schnelle Entdeckung (der Flucht) ist einem Zufall zu danken, sonst wäre sie erst in drei oder vier Tagen möglich gewesen. Am Sonntag (18. Mai) wollte Kriegsgerichtsrat Jorns die im Zellen gefängnis untergebrachten Verurteilten Vogel, Runge sowie Liepmann aufsuchen, um ihnen Mitteilung davon zu machen, daß bis zur Vollstreckung des Urteils noch geraume Zeit vergehen werde ... « Die gleiche Quelle teilt mit, daß der die Befreiung Vogels ausführende unbekannte Offizier einen von der Garde-Kavallerie-SchützenDivision stammenden, zwar nicht unterstempelten, aber »mit der sorgfältig gefälschten Unterschrift des Kriegsgerichtsrats Jorns« versehenen Ausweis vorgewiesen habe. Wer es verstanden hatte, die Unterschrift des Kriegsgerichtsrats Jorns so »sorgfältig zu fälschen«, ist niemals herausgekommen. Die hier und da von linksradikaler Seite geäußerten Vermutungen gelten als Verdächtigungen, für die kein sachlicher Anhaltspunkt vorliege. Ebenso wurden die Aussagen der Vollzugsratsmitglieder gewertet. Politische Voreingenommenheit mochte die drei Zeugen zu der unerhörten Anschuldigung verleitet haben, daß Kriegsgerichtsrat Jorns, mit der Aufklärung des Sachverhalts beauftragt, selber an der Vertllschung mitgewirkt habe. Ein Jahr verging. Da erschien, am 6. Januar 1920, in den Zeitungen die Nachricht, der Husar Runge, das blinde Werkzeug der Mörder, habe einem sozialdemokratischen Redakteur gegenüber sein Gewissen entlastet. Ober das damalige Verfahren hatte Runge ausgesagt: »Die Untersuchung ist eine Komödie gewesen. Ich sprach mit Kriegsgerichtsrat Jorns wiederholt privat, und er sagte mir: ,Nehmen Sie nur alles auf sich, vier Monate werden es nur, und Sie können sich dann immer wieder an uns wenden, wenn Sie in Not sind.< Die Zellentüren standen stets offen.« Unmöglich, daß ein Untersuchungsrichter einen derartigen Vorwurf auf sich sitzen ließ! Aber nichts geschah. Jorns hat der Aussage Runges niemals widersprochen. Heute nun vertritt Jorns vor dem Reichsgericht Anklagen von hoher politisch-moralischer Bedeutung. Wie kommt er auf diesen Posten, für den wenige deutsche Juristen ungeeigneter sind als er? Im Reichs-
135
gericht selbst hat er noch weniger Freunde. In Privatgesprächen hat man von seinen engeren Kollegen mitunter gehört, daß sein juristisches Können weit unter Mittelmaß bleibe, ihn jedenfalls keineswegs zur Dienstleistung im Verbande der Reichsanwaltschaft qualifiziere, deren ganzem Niveau er in keiner Weise adäquat sei. Aber abgesehen von der Befähigungsfrage: gegen diesen Mann schwebt mindestens noch immer der dringende Verdacht, daß er als Ankläger jenes Oberleutnants Vogel dessen Flucht selbst förderte - eine Flucht, die sein Intimus Pabst und der Dr. Fritz Grabowski organisierten. Der Verdacht ist auch heute nicht entkräftet. Wie eine solche Erscheinung am obersten deutschen Gericht als Reichsanwalt fungieren kann, ist unerfindlich !
Reichsanwalt Jorns und dessen Dienstvorgesetzter, Oberreichsanwalt Werner, stellten Strafantrag wegen Beleidigung und übler Nachrede. Der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht in Berlin riet von der Erhebung der öffentlichen Klage ab, weil die Folge »eine Wiederaufrollung der mit der Revolution in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Prozesse« bilden und sich an diese »zweifellos scharfe Angriffe der linksradikalen Presse knüpfen« würden, die »die tlffentlichkeit in unliebsamer Weise längere Zeit beunruhigen« würden. Aber der Reichsjustizminister Dr. Koch-Weser bejahte - mit Rechtein öffentliches Interesse, und auch Herr Jorns wollte seinen P rozeß haben. Am 17. April 1929 begann vor dem Schöffengericht in BerlinMitte die Hauptverhandlung gegen den verantwortlichen Redakteur der Zeitschrift Das Tagebuch, Josef Bornstein. Der anonyme Verfasser des Artikels, Berthold Jacob, wurde von ihm nicht preisgegeben und konnte daher nicht angeklagt werden. Den Vorsitz führte Landgerichtsdirektor Dr. Marcard. Als Verteidiger des Angeklagten Bornstein fungierte Rechtsanwalt Dr. Paul Levi, Reichstagsabgeordneter der SPD, ein Freund Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, der die Kommunistische Partei in ihrer putschistischen Periode verlassen hatte und nunmehr innerhalb der SPD zum linken Flügel gehörte. Wir zitieren zunächst einige Tageszeitungen, die interessante Einzelheiten aus der Verhandlung mitteilen, und sodann ein Wortprotokoll über die Vernehmung des kommunistischen
13 6
Reichstagsabgeordneten (späteren Staatspräsidenten der DDR) Wilhelm Pieck, in der erstmalig - Jorns hatte die Vernehmung dieses Zeugen seinerzeit unterlassen - eine Episode zur Sprache kam, die eines der stärksten Indizien für die Planmäßigkeit der Morde darstellt. überdies bestätigte die Aussage Piecks die Angaben Runges in einem wesentlichen Punkt.
PRESSEBERICHTE
Details durchgesprochen. Er habe damals die Überzeugung von einer schweren Schuld der Offiziere gehabt und auch sicherlich alle Bedenken rückhaltlos an Jorns mitgeteilt. [ ... ]
Berliner Tageblatt, 20. April 1929:
Berliner Tageblatt, 2 I. April 1929:
[ ... ] Angekl. Bornstein: Am 23. Februar 1919 haben Sie, Herr Wegmann, in der »Freiheit « eine Erklärung der Vollzugsratsmitglieder über Ihren Austritt veröffentlicht, in der Sie sagten: Wir konnten es nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, dieser Justizkomödie weiter beizuwohnen. Haben Sie, Herr Wegmann, nicht damit rechnen können, daß Herr Jorns Sie wegen Beleidigung verklagen würde? Wegmann: Bedauerlicherweise hat uns Herr Jorns nicht verklagt. Wir hätten damals sehr gern an Hand von Akten alles das bewiesen, was wir gesagt haben. Leider ist uns dann durch eine Haussuchung des Reichswehrministeriums, die im Vollzugsrat stattfand, ein ganzer Wagen voll Akten, die sich auf diesen Fall bezogen, auf Nimmerwiedersehen weggeführt worden. (Große Bewegung) Staatsanwalt: Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es damals noch kein Reichswehrministerium gab, der Zeuge meint . . . Wegmann: Ich meine den späteren Wehrminister Noske. [...]
[ ... ] Rechtsanwalt Levi: Ich teile weiter mit, daß der Leutnant Liepmann greifbar ist. Er befindet sich im Restaurant "Zieten« gegenüber dem Kriminalgericht. Da man glaubte, Liepmann wolle sich der Vernehmung entziehen, so löst die Mitteilung des Verteidigers im Saale großes Erstaunen aus. Der Vorsitzende entsendet einen Justizwachtmeister, der in wenigen Minuten mit Liepmann zurückkehrt. Dr. jur. Liepmann, der jetzt erscheint, gibt an, Referendar in POtsdam, zur Zeit wegen Krankheit beurlaubt, zu sein. Eine Ladung sei ihm nicht zugekommen. Er ist 34 Jahre alt, war also 23 zur Zeit der Mordtaten. Er geht an einer Krücke und mit einem Stock. Man sieht ihm an, daß er schwer leidend ist. Er sagt aus: Am Abend des 15. Februar 1919 sagte mir Pabst, ich solle Liebknecht, der kurz vorher eingeliefert worden war, nach Moabit transportieren. Ich ließ ihn nach dem hinteren Ausgang zur Kurfürstenstraße hinführen. Draußen sah ich mit Erstaunen, daß im Automobil schon fünf Mann saßen. Ich sage ausdrücklich »Mann «, weil die Leute Mannschaftsmäntel trugen und sich nicht als Offiziere zu erkennen gaben. Neben dem Chauffeur saß allerdings der mir bekannte Hauptmann von Pflugk-Harttung vom Stabe, auch in einem Mannschaftsmantel. Kaum saß ich auf dem Rücksitz neben Liebknecht, als ein Kolbenschlag auf seinen Kopf fiel. Sogleich zog der Wagen an. Im Tiergarten hieß es plötzlich Panne. Hauptmann Pflugk sagte, an der Charlottenburger Chaussee sei ein neuer Wagen. Wir stiegen aus, der Zug formierte sich so, daß Liebknecht in der ersten, ich in der letzten Reihe ging. Plötzlich hieß es im Dunkel, Liebknecht sei geflohen, und ein Schuß fiel. Rechtsanw. Levi: Konnten Sie Liebknecht sehen, als er fiel? Dr. Liepmann: Die Ereignisse dieses Abends spielten sich wie im Rausch ab. Wir hatten vier Jahre einander getötet, es kam auf einen mehr nicht an. Am 28. Februar kam ich in Untersuchungshaft. Die Haft war sehr frei, morgens wurden die Zellen aufgeschlossen, die Häftlinge konn-
Frankfurter Zeitung, 21. April 1929:
[ ... ] Danach wurde der Oberregierungsrat Kurtzig als Zeuge vernommen, der zuerst die Untersuchung als Kriegsgerichtsrat geführt hatte. Er berichtet, schlecht mit Hauptmann Pabst gestanden zu haben. Als er die Nachricht vom Tode Liebknechts und Rosa Luxemburgs erhielt, sei er äußerst erregt gewesen und habe sofort erklärt, daß alles Erdenkliche getan werden müsse, um die Täter, ganz gleich, auf welcher Seite sie stünden, zu ermitteln. Zur Beschleunigung sollte dann ein zweiter Kriegsgerichtsrat mitarbeiten und dafür wurde Jorns genannt. Der Zeuge hatte einen Tag beide Untersuchungen geführt und dabei Kapitänleutnant Pflugk-Harttung verhaftet. Dann übergab er die Untersuchung über Rosa Luxemburg an Jorns; nach weiteren zwei Tagen kam es zu seiner Abberufung. Wie und warum hat er selbst nicht verstanden. Mit Jorns habe er vor der übergabe sämtliche
139
ten miteinander verkehren, ich stand in einem gespannten Verhältnis zu den anderen. Kapitän von Pflugk-Harttung gab die Parole aus, wie er die Dinge gesehen hatte. Das war für mich als jüngeren Offizier maßgebend.
DIE AUSSAGE DES ZEUGEN WILHELM PIECK'
Der Zeuge Wilhelm Pieck, 53 Jahre alt, Reichstagsabgeordneter, politischer Leiter der K. P. D., Berlin-Brandenburg, wird vereidigt. Vors.: Es ist Ihnen so gegangen, daß Sie am 15 . 1. 19 I 9 im Edenhotel gewesen sind, nicht freiwillig, sondern als Festgenommener. Können Sie uns sagen, daß Sie aus eigener Wissenschaft etwas über die Ermordung von Liebknecht und Frau Luxemburg wissen? Pieck: Ich war in der Wohnung von Marcussohn gemeinsam mit Liebknecht und Rosa Luxemburg verhaftet und per Auto nach dem Edenhotel gebracht worden. Beim Betreten des Hotels waren im Vorraum eine Menge Soldaten und Offiziere. Die Offiziere beschimpften Frau Luxemburg ganz fle gelhaft, etwa: »Röschen, da kommt die alte Hure!« Ich erhob dagegen Protest. Da erklärte ein Offizier:» Was will der Kerl, ist wohl ihr Kavalier, haut ihm in die Fresse!« Dann wurde Rosa Luxemburg die Treppe hinausgeführt. Ich wurde daneben an . einen Pfeiler gestellt. Ich sah dann, daß ein Offizier, der von den anderen als Hauptmann angeredet wurde, herumlief, den Soldaten Zigaretten anbot und sagte: »Die Bande darf nicht mehr lebend das Edenhotel verlassen!« Nach einer Viertelstunde erhielten zwei Soldaten den Auftrag, mich die Treppe hinaufzuführen. Ich wurde den Korridor hinaufgeführt und sah im Vorbeigehen an einer Tür das Schild »Hauptmann Pabst«. Kurz dahinter hatte der Korridor eine viereckige Ausbuchtung. Ich wurde in die Ecke gestellt mit der Aufforderung: »Gesicht an die Wand!« Zwei Soldaten bewachten mich. Beim Hinaufgehen hatte ich gesehen, daß der Korridor umlagert war von Hotelgästen. Kurz darauf hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde und wie die Hotelgäste riefen: »Liebknecht!«, - "Pfui «, ich hörte auch, wie gespuckt wurde. Dann wurde er hinuntergeführt. Es war eine Zeit lang still, bald darauf hörte ich wieder Lärm. Es wurde »Rosa Luxemburg« gerufen, die wurde heruntergeführt, es wiederholte sich das Gleiche wie bei der Abführung von Liebknecht. Kurze Zeit kam ein Dienstmädchen herauf, fiel einer Kollegin in die Arme und rief: »Ich werde den Eindruck nicht los, wie man die arme Frau niedergeschlagen und herumgeschleift hat!« Dann hörte ich, wie die I LAB Rep. 58 Nr. 59 Bd. I (Es handelt sich um ein von losef Bornstein in einer späteren Verhandlung übergebenes Wortprotokoll eines unbekannten Stenographen) .
Hotelgäste genotlgt wurden, den Korridor zu verlassen. Es wurde dann ziemlich still. Dann erschien ein Soldat mit einem Wachtmeister. Die beiden Soldaten wurden beordert, sich zu entfernen. Ich hatte mich inzwischen längst umgedreht, und die Wachtsoldaten legten kein Gewicht darauf. Der andere Soldat forderte mich auf, mich umzudrehen. Ich hatte aus dem ganzen unruhigen Gebaren dieses Soldaten den festen Eindruck, der soll mich erschießen. Ich habe mich nicht umgedreht. Der Mann bastelte an dem Gewehr herum. Es kam wieder der Wachtmeister mit der Lederjacke. Als ich bemerkte, daß der Mann das Gewehr heben wollte, lief ich auf ihn zu und rief: Kamerad, nicht schießen, ich bin hier festgenommen worden und bin noch nicht vernommen worden, ich weiß nicht warum, ich verlange zunächst meine Vernehmung. Der Mann wurde dadurch irritiert und kommandierte »Marsch!« Als ich an der Tür von Pabst vorbeikam, riß ich die Tür auf und ging zu Pabst. - Nachträglich habe ich erfahren, daß der Soldat, der mich erschießen wollte, Runge war. Pabst fragte: »Was wollen Sie?« Ich sagte: »Ich bin festgenommen und hierher transportiert worden und verlange meine Freilassung! « Er sagte, »Ach so, Sie sind der Redakteur der ,Roten Fahne«d Ich sagte: »Nein, ich bin freier Journalist, arbeite für die ,Rote Fahne< und für andere Blätter.« Man hatte bei Marcussohn in meiner Tasche Manuskripte für die ,Rote Fahne< gefunden. Ich erklärte Pabst, ich hätte dieses Manuskript von einem Journalisten in einem Cafe erhalten, und es hätte mich interessiert. Da sagte Pabst: »Dann müssen wir nähere Feststellungen machen, Sie werden festgenommen und abgeführt! « Ich erklärte: »Ich werde das Zimmer nicht verlassen ohne ausreichende Garantie für mein Leben «, denn ich hatte aus den Vorgängen entnommen, daß man Liebknecht und Rosa Luxemburg niedergeschlagen hatte. Pabst redete erst hin und her, aber er beorderte dann zwei Leutnants, mich abzuführen und für meinen Schutz Sorge zu tragen. Ich bin dann an das Auto geführt worden. Da sagte der Chauffeur, daß er einen solchen Kerl wie mich nicht fahre. Darauf wollten die Leutnants weggehen. Ich hielt den einen fest und erinnerte ihn an seinen Auftrag. Er ging weg und kam mit einem Auftrag von Pabst wieder. Ich wurde dann in ein Depot der G. K. S.Division eingeliefert, wo ich festgehalten wurde. Ich wurde dann später nach der Waldschänke im Zoo gebracht, wo ich in einem unterirdischen Gelaß festgehalten wurde. Dann wurde ich auf mein Verlangen zum Polizeipräsidium geschafft, wo es mir gelang, zu entfliehen. Aus alledem hatte ich die feste überzeugung gewonnen, daß
gegen mich ein Mordplan bestand, den Runge ausführen sollte und den ich nur dadurch verhindern konnte, daß ich auf Runge zugelaufen war. Als ich entlassen war, habe ich sofort meinen Freunden von der ,Roten Fahne< Mitteilung gemacht, und diese Mitteilungen sind nach dem Wiedererscheinen der ,Roten Fahne< verwertet worden. Als der Prozeß stattfand, war ich umso mehr erstaunt, daß angeblich kein Beweismaterial für den Mord vorlag. Vors.: Hielten Sie sich damals verborgen? Pieck: Ja, ich mußte mich verborgen halten, weil ich damals gesucht wurde. Ich konnte mich im Mai noch nicht melden; aber im Juni gelang es, mich zu kriegen. Ich glaubte auch, meine ausführlich wiedergegebenen Mitteilungen in der ,Roten Fahne< würden genügen, um das Gericht auf die richtige Spur zu lenken. Ich hatte aus der ganzen Atmosphäre im Edenhotel den Eindruck, daß der Mordplan schon bestand bei der Einlieferung von Liebknecht und Rosa Luxemburg, und daß es nur noch um das Wie ging. Ich hatte auch von Hauptmann Pabst den Eindruck, daß er nicht genügende Maßnahmen getroffen hat, um Liebknecht und Rosa Luxemburg vor der Ermordung zu schützen. Der Prozeßablauf, die Vernehmun gen und Mitteilungen waren für mich so überraschend, daß ich den Eindruck gewann, daß bei der ganzen Untersuchung nicht die wirklichen Vorgänge beachtet worden sind, so daß es nachher möglich war, die Mörder freizusprechen. [ ... ]
Die Behandlung des Oberleutnants Vogel
PAUL LEVIS » ANKLAGESCHRIFT « '
Vor den Plädoyers im Jorns-Tage-Buch-Prozeß überreichte die Verteidigung dem Gericht, dem Staatsanwalt und dem Nebenkläger Jorns die nachstehende Zusammenstellung. In ihr sind diejenigen Punkte zusammengefaßt, die sich nach Ansicht des Verteidigers und des Angeklagten aus der fünftägigen Beweisaufnahme zugunsten ihres Wahrheitsbeweises ergeben hatten.
Verdrängung des zuständigen Untersuchungsrichters Am 16. Januar 1919 wurde die Untersuchung des am Abend des 15. geschehenen Liebknecht-Luxemburg-Mordes dem zuständigen Kriegsgerichtsrat der Gardeschützen-Kavalleriedivision, Kurtzig, übertragen. Der Divisionskommandeur und Kurtzig kamen überein, noch einen zweiten Untersuchungsführer zuzuziehen und wählten den der Division nicht angehörigen Kriegsgerichtsrat Jorns. Der Zweck dieser Maßnahme war laut amtlicher Bekanntgabe »die Beschleunigung der Ermittlungen ~ . Jorns wurde die Sache Luxemburg zugewiesen, während Kurtzig, bei ständiger Verbindung mit Jorns, die Sache Liebknecht untersuchen sollte. Am Morgen des 18. Januar wurde im »Vorwärts « mitgeteilt, der USP.-Volksbeauftragte Hugo Haase habe erklärt, zu Kurtzigs Objektivität könne man volles Vertrauen haben. Am selben 18. Januar beantragte der von Kurtzig zugezogene Jorns insgeheim beim Gerichtsherrn, daß dem zuständigen Kurtzig auch die Sache Liebknecht abgenommen werde und daß er, der Divisionsfremde, beide Fälle erhalte. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Kurtzig hatte damals bereits mehrere energische Maßnahmen unternommen, - u. a. den Kapitänleutnant v. Pflugk-Harttung verhört und verhallet - während Jorns mit seinen ersten Vernehmungen überhaupt erst am 20. Januar begann.
I. Der Führer des Lu xemburg-Transports, Oberleutnant a. D. Vogel, wurde am 16. Januar 1919 vorläufig festgenommen, und zwar auf Befehl des 'Kommandierenden Generals von Lüttwitz. Begründung; »hinreichender Verdadlt, daß er das Erforderliche zum Schutze der Festgenommenen verabsäumt hat. « Kriegsgerichtsrat Jorns setzte Vogel bereits am 17. Januar auf freien Fuß, ohne ihn oder einen seiner Begleiter vorher vernommen zu haben, und ohne Rücksicht darauf, daß zweifellos die Gefahr einer Verdunkelung bestand. Ohne Rücksicht auch darauf, daß bereits Berliner Zeitungen vom 17. Januar' die auf Vogels Angaben beruhende amtliche Darstellung des Verbrechens als erlogen bezeichnet hatten. Insbesondere die damals vielgelesene » Freiheit ~ vom 17. Januar veröffentlichte die Aussage eines Hotelgastes aus dem Eden-Hotel, der im Gegensatz zu Vogel entschieden bestritt, daß bei dem Abtransport von Rosa Luxemburg eine große Menschenansammlung vor dem Eden-Hotel stattgefunden habe.
2.
[ ... ]
1 Paul Levi : Der Jorn s-Prozep . Rede des Verteidigers . Berlin 1929. S. 7 ff.
3· Am 24· Januar erhielt Jorns einen Brief des Rechtsanwalts und früheren Volksbeauftra gten Hugo H aase, wonach die Begleitmannschallen Rosa Luxemburgs am 15. Januar abends ihren Körper in den Landwehrkanal geworfen hätten. Eine Wache unter dem Kommando des Hauptmanns Weller habe diesen Vorgang beobachtet. Zur Feststellung der Wahrheit forderte Haase, unter Berufung auf den § 195 der Militärprozeßordnung, die eidliche Vernehmung des Hauptmann Weller und des ihm unterstellten Leutnants. Hauptmann Weller wurde erst 8 Tage später, am 3 I. Januar, durch Jorns vernommen, trotz der Mahnung Haases nicht vereidigt und leugnete, irgend etwas gesehen zu haben. In einer späteren Aussage erklärte Weller, er habe die Unwahrheit gesagt, weil er nicht eidlich vernommen worden sei. Bei der ersten Vernehmung Wellers wußte Jorns bereits durch die Aussagen des am 27. Januar vernommenen Hotelpersonals, daß Vogel ihn in wesentlichen Fragen belogen hatte, insbesondere mit der Angabe, daß sich beim Abtransport Rosa Luxemburgs eine große Menschenmenge vor dem Hotel befunden habe. Auch der Sergeant Alker hatte am 28. Januar unter Angabe zahlreicher Details bekundet, daß die von Vogel gegebene Darstellung unrichtig sei. Nach der
(Die Verweisungen auf die Ermittlungsakten sind hier nicht abgedruckt) .
1
144
Im Original steht irrtümlich statt Januar: . Mai •.
I45
sensationellen Mitteilung des Rechtsanwalts Haasc mußte demnach Jorns die Größe der Verdunkelungsgefahr und die Notwendigkeit, durch eidliche Zeugenaussagen die Wahrheit festzustellen, erkannt haben. 4. Am 2. Februar wußte Jorns aus der Aussage des Jägers Dräger, die Transportmannschaften Rosa Luxemburgs hätten bei ihrer Rückkehr ins Eden-Hotel erzählt: "An der Brücke haben wir sie rüberbefördert.« - Vorher schon, am 3 I. Januar, hatte Jorns vom Nachtportier des Eden-Hotels erfahren, ein Wachtposten habe bereits eine Viertelstunde nach dem Abtransport von Rosa Luxemburg erzählt: >Die ist erledigt, die schwimmt schon.« Beide Aussagen bekräftigten die briefliche Darstellung Hugo Haases. Am 4. Februar forderten die Beisitzer Rusch und Struve in einem Brief von Jorns, er möge Oberleutnant Vogel verhaften, weil er auf Grund dieser Zeugenaussagen dringend verdächtig sei, »die Leiche der Ermordeten beiseitegeschafft zu haben, um dadurch die Spuren der Tat zu verwischen«. Jorns lehnte die Verhaftung ab. Seine briefliche Antwort an Rusch vom 5. Februar beschäftigt sich zwar mit den verschiedenen Forderungen der Beisitzer in bezug auf andere Personen, berührt aber gerade den gegen Vogel vorliegenden Verdacht mit keinem einzigen Wort. Daß Jorns bewußt eine Verhaftung Vogels hinauszuschieben sucht, bezeugt sein Bericht an die Regierung vom 4. Februar, in dem eine der bis dahin wichtigsten Zeugenaussagen falsch wiedergegeben wird. Jorns berichtet, der Nachtportier des Eden-Hotel habe 24 Stunden nach dem Abtransport von Frau Rosa Luxemburg von einem Posten gehört, »die ist erledigt, die schwimmt schon längst! Wir sind nicht weit gefahren damit! « In Wirklichkeit hatte der Portier diese Mitteilung schon eine Viertelstunde nach dem Abtransport von Frau Luxemburg erhalten, ein Umstand, der Vogel besonders schwer belastete. I 5. Erst am 18. Februar verhört Jorns die Untergebenen des Hauptmann Weller: Jansen und Röpke. Beide sagen übereinstimmend aus, daß Rosa Luxemburg tatsächlich vor ihren Augen von de r Transport-Mannschaft in das Wasser geworfen worden sei. Unter dem Druck dieser Aussagen, die schließlich auch Hauptmann Weller selbst bestätigt, legt Vogel endlich vor Jorns ein halbes Geständnis ab. Er I Joms verteidigte sich mit der Behauptung, der Gerichtsschreiber habe aus dem Manuskript versehentlich statt '/ 4 Stunde 24 Stunden abgeschrieben, er, Jorns, habe diesen Fehler im Protokoll versehentlich überlesen. (D. Hsg.)
gibt an, daß zwei seiner Leute mit seiner Zustimmung Rosa Luxemburg in den Landwehrkanal geworfen haben, ohne daß er wußte, ob Rosa Luxemburg noch am Leben war. Er gibt ferner an, daß er nach dieser Tat mit seinen Begleitern - er machte Hall und Janschkow namhaft - eine übereinstimmende falsche Aussage über diesen Vorgang vereinbart habe. Obwohl also bereits feststeht, daß Vogel an einem vermutlichen Mord teilgenommen und die Kraftfahrer Hall und Janschkow zu einer falschen Zeugenaussage verleitet hat, obwohl ferner die Einzelheiten der Mordtat noch völlig ungeklärt sind und im höchsten Grade weitere Verdunkelungsgefahr besteht, wird Vogel noch immer nicht verhaftet. Es wird ihm von Jorns die »Verpflichtung auferlegt «, mit seinen bei den Begleitern Hall und Janschkow, mit denen Vogel sich bereits einmal über die Verdunkelung des Tatbestandes geeinigt hat, »vor ihrer Vernehmung nicht zu sprechen«. Erst am 20. Februar 1919 erläßt Jorns einen Haftbefehl gegen Vogel, und zwar lediglich wegen Verletzung seiner Pflicht als Transportführer. Am 22. Februar dehnt Jorns den Haftbefehl endlich auch »auf versuchten Mord« aus, obwohl in der Zwischenzeit nicht eine einzige Zeugenaussage den Mordverdacht gegen Vogel verstärkte. Zwischen dem 20. und 22. Februar lag lediglich eine Unterredung zwischen Jorns und dem Reichsjustizminister Landsberg, in der Landsberg seine Erregung darüber zu erkennen gab, daß Jorns die Verdächtigen im Fall Liebknecht noch nicht festgenommen habe. Von der bereits erfolgten Festnahme Vogels hatte Jorns dem Justizminister noch nid1t berichtet. (Aussage Landsberg.) Ferner hatte am 19. Februar der Preußische Justizminister Heine in einem Brief an den Kriegsminister schwere Anklagen gegen die Jorns'sche Untersuchung erhoben und die Nichtverhaftung Vogels gerügt. Jorns hatte damals den Erlaß eines Haftbefehls gegen Voge l bis zur äußersten Grenze des Möglichen hinausgeschoben. 6. Bereits am 26. Februar stellt Jorns fest, daß sein Untersuchungshäftling Vogel sich mit Nichtinhaftierten im gleichen Zimmer aufhält und Besucher empfängt, die nicht einmal einen Ausweis vorzeigen müssen. Er erh~ilt auch im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder Kenntnis davon, daß Vogel alle Möglichkeiten hat, sich mit der Außenwelt zu verständigen, und daß seine überwachung grüblichst vernachlässigt wird. J orns stellte diese Mißstände nicht ab, sondern machte nur einige papiere"ne Verfligungen, von denen er selber merkt, daß sie nicht durchgeführt werden.
147
Durch die faktische Duldung der Verhiiltnisse im Untersuchungsgefängnis ermöglicht es Jorns, daß Vogel alle Vorbereitungen zu seiner Flucht trifft, und insbesondere, ebenso wie andere Mitgefangene, sich persönlich einen Paß und ein Auslandsvisum besorgt. 7. Am 14. Mai erläßt Reichswehrminister Noske einen Befehl, in dem er darauf hinweist, daß die Gefahr einer Flucht der Angeklagten im Liebknecht-Luxemburg-Prozeß bestehe, und ferner die Nachprüfung der Meldung verlangt, daß die Angeklagten im Besitz falscher Pässe wären. Er erklärt, daß unter keinen Umständen eine Flucht fahrlässig oder leichtfertig erleichtert werden dürfe. Hauptmann Pabst erhält diesen Befehl am 15. Mai persönlich vom Kriegsminister und trifft verschiedene Anordnungen, die er sofort mit Jorns bespricht. Bei dieser Unterredung wird auch über die - dann unterbliebene - Verlegung von Vogel in ein anderes Gefängnis und die Aufstellung von Posten gesprochen. Obwohl daraus zu entnehmen ist, daß Jorns von dem dringenden Befehl des Reichswehrministeriums Kenntnis hatte, mindestens aber von einer Fluchtgefahr wußte, unterläßt er jede vorbeugende Maßnahme. Er gibt insbesondere nicht die naheliegende Anweisung an das Zellen gefängnis, ihn vor allen überführungen Vogels persönlich zu verständigen. Von dem Befehl Noskes vom 14. Mai, dessen Beachtung durch Jorns eine Flucht unbedingt verhindert hätte, wird in den Akten erst am 22. Mai Notiz genommen, einen Tag nachdem die Berliner Zeitungen ihn in einer amtlichen Meldung veröffentlicht hatten. Die Behandlung des Jägers Runge 1. Von allen Seiten darauf hingewiesen, daß ein Posten vor dem Portal des Eden-Hotels Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen habe, »e rsucht« Jorns am 22. Januar den Kommandanten des Stabsquartiers, die Leute festzustellen, die in der fraglichen Zeit Posten gestanden haben. Er knüpft daran den Vermerk: .Es ist dafür Sorge zu tragen, daß diese Leute nicht etwa vor ihrer gerichtlichen Entlassung aus dem Dienst entlassen werden.« Er wiederholt dieses Ersuchen am 24 . Januar. Kommandant des Stabsquartiers ist Hauptmann Pabst; sein Adjudant, in dessen Hände die Schreiben von Jorns kommen, und der sie teilweise persönlich erledigt, ist der Hauptmann von Pflugk-Harttung, der zur Belgeitmannschaft von Karl Liebknecht gehörte und dringend verdächtig ist, an seiner Ermordung teilgenommen zu haben.
Das Ersuchen von Jorn s, an einen Mitschuldigen gerichtet, hat tatsächlich die Folge, daß Leutnant Liepmann (gleichfalls Teilnehmer am Liebknecht-Transport) den Auftrag bekommt, den in Frage kommenden Posten, Jäger Runge, verschwinden zu lassen. Liepmann erwirkt am 24. Januar bei dem Vorgesetzten Runges dessen Entlassung. Es wird Runge gesagt: »Sie müssen verschwinden! Sonst fliegen wir alle herein.« 2. Am 2. Februar erfährt Jorns durch den Mitposten Runges, den Jäger Dräger, in welcher Weise Runge Liebknecht und Rosa Luxemburg bei ihrem Abtransport mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen hat. Er erläßt einen Haftbefehl gegen Runge. In einer Unterredung mit dem Gerichtsherrn wird Jorns auf die Gefahr hingewiesen, daß Runge durch eine Indiskretion vorzeitig gewarnt würde und flüchtete. Trotzdem betraut Jorns niemanden persönlich mit Runges Verhaftung, sondern übergibt den Haftbefehl der gleichen Registratur der Gardeschützen-Kavalleriedivision, von der auch die Schriftstücke des Hauptmanns Pabst resp. Pflugk-Harttungs befördert werden. Runge kann infolgedessen gewarnt werden und flüchten. Er bekommt für diese Flucht vom Eden-Hotel Geld und Papiere. 3. In dem Brief vom 12. Juni deutet Runge ferner an, daß er vor seiner Aburteilung mit Versprechungen zu falschen Aussagen verleitet worden sei. In seinem ~ Tatbericht«, in dem er die als wahr bewiesene Szene bei der ihm befohlenen Erschießung Piecks schildert, gibt er an, daß Jorns bei der von diesem selber bestätigten Privatunterhaltung ihm geraten habe, alles auf sich zu nehmen, weil er sich in der Not wieder an die Division wenden könne. Er schildert ferner, daß im Untersuchungsgefängnis von den beteiligten Offizieren seine Aussagen in den Gerichtsverhandlungen mit ihm durchgeprobt wurden, und zwar unter Drohungen für den Fall, daß er anders aussage. 4. Als Offizialverteidiger für Runge stellte Jorns den gleichen Rechtsanwalt, der die mitangeklagten Offiziere verteidigte, obwohl es ihm klar sein mußte, daß eine Interessenkollusion vorliegen konnte, insbesondere, daß möglicherweise Runge seine Straftat auf Befehl der mitangeklagten Offiziere ausgeführt hatte. Tatsächlich hat dies Runge schon wenige Monate nach seiner Aburteilung behauptet, wobei er zugleich erklärte, daß ihn der Verteidiger beeinflußt hätte, die mitangeklagten Offiziere zu schonen.
149
Die Ausschaltung der Beisitzer 1. Schon am ersten Tage der Morduntersud1Ung hatte der Gerichtsherr von Hoffmann selber beim Rat der Volksbeauftragten beantragt, zur Untersuchung des Kriegsgerichts Beisitzer vom Zentralrat der Republik und vom Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldaten-Räte Berlins hinzuzuziehen. Entgegen diesem Antrag des Gerichtsherrn machte Jorns von Anfang an gegen die Hinzuziehung der Beisitzer »juristische Bedenken« geltend. 2. Später bestritt Jorns den Beisitzern das Recht, selber an die Zeugen und die Beschuldigten Fragen zu stellen und führte die Verhöre in einer Art, die bei den Beisitzern schärfstes Mißtrauen hervorrief. Die sehr verständigen Anregungen der Beisitzer wurden niemals beachtet. Am 18. Januar beantragte der Beisitzer Wegmann die Vernehmung der Begleiter Liebknechts noch vor der Obduktion. Jorns bezeichnete dies, im Widerspruch zu den primitivsten kriminalistischen Auffassungen, als »nicht zweckmäßig «. Am 20. Januar verlangte Wegmann nach wiederholten vergeblichen mündlichen Bitten in einem Brief die Verhaftung aller am Liebknecht-Transport Beteiligten, mit dem Hinweis, daß zweifellos die Gefahr der Verdunklung bestehe. Jorns lehnte die Verhaftung ab, unter Berufung auf den § 176 der Militärgerichtsordnung. 3. Am 23. Januar bat der Beisitzer Rusch schriftlich um Vernehmung des Sergeanten Alker, der als Augenzeuge der Mißhandlungen von Rosa Luxemburg und Liebknecht von besonderer Wichtigkeit war, und dessen später in fast allen Einzelheiten als authentisch erwiesene Schilderung die »Freiheit« bereits am 18. I veröffentlicht hatte. Jorns lehnte die Vernehmung von Alker ab und forderte zunächst die »Angabe des Beweisthemas «. Alker wurde erst am 28. Januar vernommen. (Aussage Rusch.) 4. Am 28. Januar beantragte der Voll zugsrat, unter Hinweis auf die Aussagen des Hotelpersonals, durch die zahlreiche wichtige Angaben der beschuldigten Offiziere als erlogen festgestellt sind, nochmals dringend die Verhaftung der Schuldigen. Jorns erwiderte wiederum, entgegen der Wahrheit, daß Tatsachen für eine Kollusionsgefahr noch nicht bekannt seien. 5. Die wichtigsten Vorgänge bei der Untersuchung wurden von Jorns den Beisitzern verschwiegen. Sie erfuhren beispielsweise nichts von dem Haftbefehl gegen Runge, bis zum 5. Februar, d. h. bis Runge sich in Sicherheit befand.
6. Einen wohlbegründeten schriftlichen Antrag der Beisitzer Rusch und Struve vom 4. Februar, der die Verhaftung des Oberleutnants Vogel verlangte, weist Jorns zurück, ohne überhaupt auf die Sache Vogel einzugehen. Die Behandlung der Liebknecht-Mörder I. Die erste richterliche Maßnahme von Jorns in der Sache Liebknedn war die Haftentlassung des Kapitänleutnants Horst von Pflugk-Harttung, des Führers des Liebknecht-Transports, den Kurtzig im Anschluß an seine erste Vernehmung festgenommen hatte. 2. Pflugk-Harttung hatte behauptet, daß das Auto, in dem er Liebknecht transportierte, unterwegs eine Panne erlitten habe. Diese Panne habe ihn genötigt, im Tiergarten mit dem Häftling auszusteigen, der dann angeblich einen Fluchtversuch machte. Jorns unterließ es, die Erzählung von der Panne durch sofortige Sicherstellung und fachmännische Untersuchung des fraglichen Wagens nachzuprüfen. Erst am 2r. Januar, also sechs Tage nach der Tat, wurde der Wagen einem Offizier als Kraftwagensachverständigen übergeben, der ein vollkommen haltloses und unbegründetes Gutachten abgab. 3. Sogar, als die schon an sich viel zu spät erfolgte Vernehmung des Hotelpersonals, der Hotelgäste, des Sergeanten Alker und des Posten Dräger völlig einwandfrei ergeben hatte, daß sämtliche Offiziere des Liebknecht-Transports in wichtigen Punkten falsche Angaben gemacht hatten, lehnte Jorns es ab, die von Tag zu Tag schwerer Verdächtigten in Haft zu nehmen. 4. Der wichtigen Frage über den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Rückkehr des Liebknecht-Transports und dem Abgang des Luxemburg-Transports ging Jorns überhaupt nicht nach. Hierdurch blieb ungeklärt, daß Rosa Luxemburg erst fortgeschafft wurde, als der Tod Liebknechts bereits im Edenhotel bekannt war, wodurch ein wichtiges Indiz für die Planmäßigkeit beider Mordtaten beseitigt wurde. 5· Zwischen dem 20. und 22. Januar hatte Jorns eine Unterredung mit dem Reidlsjustizminister Landsberg, der ihn in größter Erregung auf die zahlreichen Verdachtsmomente hinwies, die bis zu diesem Zeitpunkt schon in den eigenen Akten von Jorns festgestellt waren. Jorns ließ sich durch die Argumente von Landsberg am Ende dieser Besprechung zu dem Eingeständnis veranlassen, daß er unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Berlin die Offiziere des Liebknecht-Trans-
151
POrts in Haft setzen werde. In Wirklimkeit erließ er jedoch erst am 28. Februar die Haftbefehle. 6. Nom kurz vor Erlaß des Haftbefehls duldete es Jorns ohne Widersprum, daß einer der Hauptverdämtigten, Hauptmann von PflugkHarttung, als Adjutant des Hauptmanns Pabst die Smriftstücke bearbeitete, die Jorns im Ermittlungsverfahren gegen die Mörder Liebknemts dem Stabe der Gardeschützen-Kavalleriedivision zugehen ließ.
4. Obwohl Jorns mindestens wissen mußte, daß Pabst sich mit den verhafteten Mördern von Liebknemt und Frau Luxemburg zum Teil solidarisch fühlte, gab er ihm nach der Verurteilung Vogels die Erlaubnis, ihn im Untersumungsgefängnis aufzusuchen und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem Jorns bereits amtlim erfahren hatte, daß Vorbereitungen zu einer Flumt Vogels getroffen seien.
Verwischung des Verdachts gegen Hauptmann Pabst
Schon wenige Tage, nachdem Jorns die erste Verhaftung vorgenommen hatte, mußte er erkennen, daß ganz besondere Vorsimtsmaßnahmen erforderlich seien, um den Haftzweck zu sichern. 1. Am 26. Februar stellte Jorns fest, daß Oberleutnant Vogel tagsüber in seiner Zelle mit Fremden zusammenkomme und Besucher empfangen konnte, die von der Wame nimt einmal zum Vorzeigen eines Ausweises veranlaßt wurden. 2. Am 1. März, einen Tag nam seiner Inhaftierung, stellte Leutnant Liepmann den Antrag auf zahnärztliche Behandlung. Dieser Antrag war das erste Schriftstück in der ganzen Morduntersumung, das von Jorns mit dem Vermerk »Eilt « versehen wurde. 3. Am 8. März stellt Jorns fest, daß ihm die Korrespondenz der Häftlinge nicht vorgelegt wurde. Erst am 2 . April meldete Jorns dem Gerichtsherrn, daß ihm noch immer die Korrespondenz der Häftlinge nicht gezeigt werde. Er hatte demnach, nachdem seine erste Verfügung unbeamtet geblieben war, sich fast einen vollen Monat ohne Einspruch gefallen lassen, daß die Häftlinge in unkontrollierter brieflicher Verbindung mit der Außenwelt blieben. 4. Am I4. März erfuhr Jorns durm die Ehefrau des Häftlings Peschel, daß ihr Mann im Untersuchungsgefängnis wiederholt die Besuche einer fremden Dame empfangen habe und daß sie selber ohne gültigen Erlaubnisschein zu ihrem Mann in die Zelle gelassen werde. Jorns begnügte sich wiederum, amt Tage später in einem Brief den Kommandanten des Zellengefängnisses zu »bitten «, den diesbezüglimen Angaben noch nachzugehen und darüber Bericht zu geben. 5. Am 25. März begegnete Jorns in den Abendstunden dem Untersuchungshäftling Liepmann auf dem Wittenbergplatz, als dieser sich auf dem Wege in die Kolibri-Bar befand. Jorns unterließ es, diese Begegnung in den Akten zu vermerken und für eine Bestrafung Liepmanns zu sorgen. Erst am 2. April teilte er dem Gerichtsherrn, unter Verschweigung des Wichtigsten, den Tatbestand mit. Die ein-
1. Als Liebknecht getötet war, wurde Pabst durch den Hauptmann Pflugk-Harttung und den Kapitänleutnant Pflugk-Harttung Bericht erstattet. Um diese Zeit befand sich Rosa Luxemburg noch im EdenHotel. Trotzdem ließ Pabst auch den zweiten Transport abgehen, und zwar mit dem gleimen Erfolg wie den ersten Transport. Jorns unterließ es, dieser bedeutsamen Frage nachzugehen und die genauen Zeitpunkte festzustellen, obwohl er sim als erfahrener Kriegsgerichtsrat darüber klar sein mußte, daß in einer Morduntersuchung die Feststellung der Zeit, soga r nam Minuten, von äußerster Wichtigkeit ist. 2. Durch die Aussage des Stadtrats Grützner erfuhr Jorns aus dem Munde eines völlig unbeteiligten und zuverlässigen Zeugen, daß Pabst angeordnet hatte, die Mannschaften im Eden-Hotel, die vom Hörensagen von der Ermordung Rosa Luxemb urgs wußten, zu einer falschen Aussage zu beeinfluss!!n. Den dadurch entstandenen Verdacht, der ihn, seiner eigenen Angabe nach, zum Gedanken einer Verhaftung des Hauptmanns Pabst brachte, ließ Jorns sofort fallen, als ein selber verdächtigter Dritter, der Leutnant Sander, bestritt, bei der von ihm im übrigen bestätigten Anregung an Grützner, Zeugen zu beeinflussen, den Namen Pabst genannt zu haben. Die Tatsache, daß Grützner einen weiteren Zeugen namhaft mamte, dem er noch am gleichen Tage von dem Pabst'schen Verdunkelungsversuch berichtet hatte, ließ Jorns unberührt. 3. Bei der Vernehmung des Hauptmanns Pabst, die trotz ihrer großen Bedeutung erst am 26. Januar, also I I Tage nach dem Mord, vorgenommen wurde, hatte Jorns die Beisitzer ausgeschaltet, die dadurch verhindert waren, an Pabst unangenehme Fragen zu stellen. Ebenso wurde die Vernehmung des Stadtrats Grützner, die Pabst verdächtigte, ohne Beisitzer durchgeführt.
I52
Die Behandlung der UnterSllchungshäfllinge
153
zige Folge der Begegnung zwischen Liepmann und Jorns war die Anweisung, daß der Häftling nur noch in Begleitung eines Offiziers ausgehen dürfe. 6. Erst am 27. März zog Jorns für Vogel und Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung die bisher allgemein erteilte Sprecherlaubnis zurüdt. Bis dahin hatten demnach gerade die an der Verdunkelung des Tatbestandes am meisten Interessierten und mit der härtesten Strafe bedrohten Häftlinge mit Wissen von Jorns die völlig unbeschränkte Möglichkeit, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten. 7. Jorns wußte, daß die Häftlinge die Möglichkeit hatten, sich untereinander über ihre Aussagen in der bevorstehenden Hauptverhandlung zu verständigen. Alle Zellen türen standen offen und die Häftlinge verkehrten ungehindert miteinander. Trotzdem verlegte Jorns auch den Jäger Runge nach seiner Verhaftung in das Moabiter Zellengefängnis und veranlaßte gleichzeitig, daß sämtliche Angeklagte, die teilweise vorher abgesondert waren, wieder in Moabit vereinigt wurden. Daraufhin wurde im Gefängnis mit Runge eine regelrechte Generalprobe durchgeführt, bei der die einzelnen Offiziere die Rollen der Richter und des Anklägers spielten. 8. Jorns wußte, wie aus seinen eigenen Vermerken und »Beschwerden « hervorgeht, daß die Häftlinge die Möglichkeit hatten, sich falsche Pässe für den Fall ihrer Verurteilung zu besorgen. Am 14. Mai wußte er auch von der Mitteilung des Abgeordneten Oskar Cohn, daß Vogel einen falschen Auslandspaß auf den Namen Kurt Velsen und Liepmann einen Paß auf den Namen Lohmann besaß. Trotzdem unterließ er es, nach der Verurteilung Vogels die Bewachung nachzuprüfen, sondern übertrug diese Aufgabe dem Hauptmann Pabst. Er ermöglichte dadurch Vogels Flucht.
Aus Paul Levis Plädoyer': Am 18. Mai 1919 saß Runge im Kasten, und Vogel war entflohen. Am 8. Juni 1919 zum erstenmal schreibt Runge: »Wo bleiben die Befehle, die ich hatte, und die Befehle, die meinerseits nicht mehr zur Ausführung kamen?« Der Befehl, der nicht mehr zur Ausführung kam, war der Befehl zur Tötung des Piedt, bestätigt durch die Aussage von Piedt. Am 12. Juni schreibt er: 1 A.a.O. S. 48 ff.; weitere Auszüge aus dem Plädoyer in: Politische Justiz 1918-1933,S. 202 ff.
154
»Ich habe dodl aber Befehl dazu gehabt, die niederzuschlagen und den Redakteur von der »Roten Fahne« zu erschießen im Edenhotel, was aber nicht mehr zur Ausführung kam. Ich will in der Offentlidlkeit nicht mehr als Mörder gelten, ich werde den ganzen Sachverhalt klarlegen, wie er zutage getreten ist. Allerhand Versprechungen sind mir ja vorher gemacht worden, jetzt bin ich lächelnd abgeurteilt worden, jetzt bekümmert sich kein Herr Verteidiger um mich.« Am 9. Oktober 19 19: »Welcher Herr Gerichtsrat doch Versprechungen gemadu hat, ich soll ruhig auf mich nehmen, es kommt doch eine Amnestie. Dieser Herr Gerichtsrat hat diese Versprechungen auch meiner Frau gegenüber geäußert.« Am 5. Januar 1920 : "Auch die eigentlidlen Schuldigen und die richtigen Mörder werde ich namhaft machen, auch die Gerichtsräte werde ich namhaft machen, die mich fortwährend beeinflußt haben auf meine falsche Aussage.« Am 13. Januar 1920: »Voruntersuchung, das ist eine komische Vernehmung. Gerichtsrat Jorns: Ich spreche mit Ihnen noch privat. Nehmen Sie ruhig alles auf sich. Vier Monate werden es nur, und Sie können sich immer wieder an uns wenden in der Not.« An demselben Tage wiederholt er die Erklärung über die Erschießung von Piedt, von der es heißt: " Ich hatte das Gewehr eingezogen, mich kommt aber doch Bedenken, reiße das Gewehr wieder ab und dieser Mann kam auf mich zu und sagte, er hätte noch eine Aussage zu machen. Er wurde in ein Zimmer geführt und nach dem Verlassen sagt Offizier: Ich gebe Sie den Befehl, den Mann abz uführen. « Diese Schilderung vom 13. Januar 1920 entspricht wörtlidl der Schilderung, die Runge heute gibt. Am 13. Januar 1920 schreibt er an den Präsidenten des Reichsmilitärgerichts, er hätte doch auf Befehl gehandelt: »Eure Exzellenz bitte nodlmals davon Kenntnis zu nehmen, daß idl nach eigenmächtig vollbrachter Tat, wie man es mir zur Last legt, doch unbedingt sofort wegen dieses Eigenmächtigen hätte in Haft genommen werden müssen. Daß dies nicht geschah, müßte doch Euer Exzellenz genügen, um daraus zu ersehen, daß keine Eigenmächtigkeit vorlag. Ich möchte wohl bezweifeln, daß man mir in einem solchen Falle freiließ, mich zu entfernen.« Am 2r. Februar 1920 : J
55
»Auch Herr Kriegsgerichtsrat Jorns hat mich beeinflußt, fal sche Aussagen zu machen und dazu auch meine Ehefrau zu veranlassen gesucht, daß ich so aussage, wie es dem Militär genehm sei. Ich be ziehe mich auf die Aussage meiner Ehefrau.« Und dann fährt der, wie man ihn hinstellt, Halbidiot in demselben Schreiben fort: "Weiter wende ich mich ausführlich an zwei Parteien des Reichstags um Richtigstellung und mit einem ausführlichen Antrag, wie sich die Sache eingehend richtig verhält und für die tHfentlichkeit des Volkes Klarheit geschaffen wird, da ich mich für Schuldige nicht hängen lasse. Die Justiz ist dazu da, Verbrechen aufzuklären und nicht zu
verdunkeln.« Und weil er dieses schreibt, wird er von der Militärjustiz für verrückt erklärt. (Heiterkeit.) [ ... ] Am 13. Februar platzt die Bombe. Grützner steht auf und nennt den Mann, der hinter allem stand, den Hauptmann Pabst. Ich habe bereits zuvor gesagt, welche Folgen daraus der Untersuchungsführer Jorns zog. Am Vormittag wollte er Papst verhaften und am Nachmittag gab er ihm Nachricht über den Inhalt der Akten, damit er den Kriegsminister sachgemäß informiere. Aber das, was diesen Mann, den Hauptmann Papst, ja am schwersten belastet haben würde, das wiederum hat Jorns aufzuklären unterlassen. Beide Mordtransporte gingen aus vom Kabinett des Hauptmann Pabst. Es war filr die Führung der Untersuchung von ausschlaggebender Bedeutung, festzustellen, wie stehen die Transporte zeitlich zueinander. Jorns hat keinen Schritt dazu getan. Nur aus nebensächlichen Bemerkungen müssen wir uns heute das rekonstruieren nämlich nach dem Protokoll des Schutzmanns auf Blatt 22 der Akten. Danach war Liebknecht auf der Rettungswache eingeliefert worden um I I Uhr 15 Minuten abends. Wir haben aus den Aussagen der Angeschuldigten vernommen, daß, als das Automobil mit dem toten Liebknecht an der Rettungswache vorfuhr, Hauptmann von PflugkHarttung sofort zu Pabst hinüberging und die Erledigung der übrigen Dinge dem Leutnant Liepmann überließ. Da die Rettungswache direkt gegenüber ist, kann also angenommen werden, daß Pabst um I I Uhr 20 Minuten im Besitz der Kenntnis von den Geschehnissen war. Von Frau Luxemburg ist festgestellt, daß der Transport wenige Minuten vor 12 Uhr an die Lichtensteinbrücke gekommen ist. Da alles unterwegs geschah und das Auto sich nicht aufhielt, ist das Automobil frühestens um 3/4 12 Uhr, wahrscheinlich später vom Eden-
15 6
hotel abgegangen. Wir können also heute nicht in folge der Bemühungen des Herrn Jorns, sondern trotz seiner Bemühungen feststellen: nachdem der Mord an Liebknecht im Edenhotel bekannt war, war Frau Luxemburg noch mindestens 20 Minuten im Hotel, ehe ihr Abtransport begann. Die Verantwortung für das, was nun geschah, fällt auf den, der diesen zweiten Transport anordnete, auf den Hauptmann Pabst. Ich sage, meine Herren, es ist alles mit Sinn und Verstand in diesem Verfahren, zweckbewußt, zielstrebig. Es hat seinen Sinn, warum gerade im Falle Pabst in allen Punkten die Mitglieder des Vollzugsrats ausgeschaltet worden sind. Das mit dem anderen zusammengenommen ergibt den tiefen Sinn. Ich kann mir vorstellen, daß Hauptmann Pabst von der Höhe seiner Macht herab erklärte, er wolle mit den »Zivilschnöseln« nichts zu tun haben. Ich kann mir die Bemerkungen denken. Es war nicht nur militärischer übermut, es war mehr, daß er sie nicht wollte, und es war mehr, daß Jorns so tat.
DAS URTEIL
Das Urteil des Schöffengerichts sprach den Angeklagten Bornstein am 27. April 1929 von der Anklage der Beleidigung und der üblen Nachrede frei. Es sah den Wahrheitsbeweis für die ehrenkränkenden Behauptungen des Aufsatzes in allen wesentlichen Punkten als erbracht an. Die Kommentierung dieses Urteils in der Presse markiert nicht nur die gegensätzlichen Positionen, sondern veranschaulicht die prinzipiellen Unterschiede der Berichterstattung und des politischen Denkens, die wir auch in der Presse unserer Tage wiederfinden. Aus dem U rteil des Schöffengerichts vom 27. April 1929' : [ ...] Tatsächlich wa r bereits anfangs Februar der Verdacht gegeben, daß Vogel den Körper der R osa Lu xemburg beseitigt habe . Der Nebe nkläger erklärt, d aß damal s Tatsachen, aus denen eine Verdunkelungsgefahr sich ergeben habe, gefehlt hätten. Es stand aber fest, daß Vogel, Hall und J anschkow bisher übere in stimmend da s Märchen von der Verschleppung der Lux emburg erzählt hatten. Wenn d er Verdacht best an d, daß dies unrichti g war, ergab sich daraus, daß d iese drei vereinbarungsgemäß die Unwahrheit gesagt hatten. Am 17. und 18. Februar jedenfalls konnten hierüber ernstliche Zweifel nicht mehr bestehen. Die Verhaftung erfolgte erst am 20. Februar. Die Behauptung des Angeklagten, der Nebenkläger habe die Verhaftung Vogels bis z ur äußersten Grenze des Möglichen h inausgeschoben, ist erwiesen. [ ... ] Der Angeklagte behauptet, Jorn s habe auch in anderen Punkten es unterlassen, Spuren, die zur überführung der Täter führen konnten, z u verfolgen. Er vermißt eine Nachprüfun g der zeitlichen Zusammenhänge. Tatsächlich hat der Nebenkläger offenbar auf die Prüfun g dieser Punkte, aus denen wichtige Aufschlüsse zu erwarten waren, keinen Wert gelegt. Es stehen im wesentlichen nur zwei Zeitan gaben fest. Der Kraftwagen mit Liebknecht fuhr nach der Aussage mehrere r Posten um I I Uhr 10 Minuten über die Corneliusbrücke nach dem Tiergarten. Um I I Uhr 20 Minuten wurde Liebkn echt in der Rettungswache eingeliefert und die f:inlieferung dort im Ta gebuch verI
Gedruckt in: Die Ju stiz (1918119), S. 567/f.
15 8
bucht. Dies bestätigt der Zeuge Jakobi. Diese Angaben hätten Veranlassung geben können zur Nachprüfung, ob die Vorfälle im Tierga rten , so wie sie die Beschuldigten darstellen, sich in diesem Zeitraum abspielen k onnten. Nach der Leichenöffnun g hatte Jorns den vorläufig festgenommenen Kapitänleutnant von Pflugk-Harttung auf freien Fuß gesetzt. Am 21. Januar regte der Beisitzer Wegmann die Verhaftung der Beschuldigten an. Der Nebenkläger lehnte dies ab, da Tatsachen, die den Verdacht der Verdunklung rechtfertigten, nicht zu erkennen seien. Die Verhaftung erfolgte ers t am 28. Feb ruar. Ende Januar hatten bereits einige Zeugen Bekundungen gemacht, die darauf hinzuweisen schienen, daß die Tötung geplant gewesen sei. Wien er hatte von einem Soldaten gehört, Liebknecht solle es an den Kragen gehen. Die Zeugin Anna Belger hatte gehört, wie ein Offizier einem anderen zu ri ef: »Die Herren werden unten im Tiergarten erwartet, um Liebknecht zu begrüßen.« [ ...] Der Angeklagte behauptet, der Nebenkläger habe Spuren, die geeignet waren, eine Verabredung zum Morde aufzudecken, nicht verfolgt, und zwar besonders d ann, wenn diese Spuren zu Hauptmann Pabst zu führen schienen. Der Angeklagte trägt mehrere Beispiele vor, in denen Spuren vorlagen, aber nicht verfolg t wurden. 1. [ . •. ] D er Angeklagte findet es auffällig, daß Pabst den Bruder seines Adjutanten als Transportführer wählte und ihm die Zusammenstellung der Begleitmannschaft überließ. Dem Beweggrund dieser Handlungsweise sei Jorns nicht nachgegangen. [ ... ] Der Angeklagte ist d avon überzeugt, daß Pabst die Ermordung befohlen hat. Von seinem Standpunkt ist daher der Rückschluß, daß die Zusammenstellun g der Begleitm annschaft äußerst verdä chti g sei, berechtigt. J orns war damal s nicht von der Mitschuld Pabsts überzeugt. Es ist deshalb verständlich, d aß er dieser Spur nicht die Bedeutung beimaß, die ihr der Angeklagte jetzt beimißt, und sich mit der Aufklärung, die ihm gegeben wurde, beruh igte. 2. (Nichtvernehmung des Zeugen Pieck) [ .. .] Es k ann nicht verkannt werden, d aß diese Aussage, wäre sie damals z u den Akten gelangt, ein Verdachtsgrund dafür gewesen (wä re), daß Run ge nicht in plötzlichem Zorn, sondern auf Befehl die Kolbenschläge auf Liebknecht und Rosa Luxemburg ausführte.
[... ] 6. Am 11. April 1919 war Runge auf Alse n verhaftet worden. Eine Drah tung vom 12. April aus Hamburg, die seine Ankunft am n äch-
159
sten Tag meldete, war nidlt an Jorns geridltet, und kam deshalb verspätet in seine Hände. Als ihm am 13. April, einem Sonntag, Runge überrasmend vorgeführt wurde, war der Militärgeridltssmreiber Bassler nom nimt anwesend. Der vorführende Kriminalbeamte bat, entlassen zu werden, da er nom nimts gegessen habe. Jorns genehmig te dies und blieb mit Runge etwa eine Stunde lang allein im Zimmer. Runge behauptet, Jorns habe ihm bei dieser Gelegenheit zugeredet, er solle alles auf sim nehmen, es kämen hömstens vier Monate für ihn heraus, und dann käme eine Amnestie. Wenn er in Not sei, solle er sich nur immer an Jorns wenden. [ .. .] Der Nebenkläger bestreitet die Rimtigkeit dieser Darstellung und mamt folgende Angaben: er habe sim freundsmaftlim mit Runge unterhalten und ihm nom eine Zigarette gegeben . [ ... ] Dann habe Runge gesagt, seiner Frau gehe es gut, sie habe Geld bekommen. Darauf habe er, der Nebenkläger gesagt, wenn es seiner Frau jetzt gut gehe, dann könne er doch aum annehmen, daß es ihr gut gehen werde, wenn er im Gefängnis sei. Um 1/ 2 12 Uhr etwa ersmien dann der Gerimtssmreiber und Runge wurde verantwortlim vernommen. In das Protokoll wird aufgenommen: ~Geld hat mir niemand gegeben. Aum meine Familie hat keins erhalten. « Es bedarf keiner Erörterung, daß die Frage, ob und von wem einer der Mittäter Geld bekommen hatte, geeignet war, etwaige Anstifter der Tat zu ermitteln. [ ... ] Eine befriedigende Erklärung dafür, daß der Nebenkläger das Gegenteil von dem ins Protokoll aufgenommen hat, was ihm Runge gesagt hat, hat der Nebenkläger nimt gegeben. Er sagt, er habe das für Gesmwätz gehalten. Der Nebenkläger wußte als Jurist, daß er in seiner Eigensmaft als Untersumungsrimter Aussagen von dieser Bedeutung selbst dann in das Protokoll aufnehmen mußte, wenn er sie selbst aum für Gesmwätz hielt. In jedem Falle wußte er, daß er nimt das Gegenteil dessen in die Akten smreiben durfte, was ihm der Besmuldigte gesagt hatte. [ ... ] Das Gerimt hält es hiernam für erwiesen, daß der Nebenkläger wimtige Spuren nimt verfolgt hat. [ ... ] Der Angeklagte behauptet weiter, Jorns habe während der Ermittlungen und in der Untersumungshaft Umstände geduldet, welme die Verdunklungsgefahr begünstigten. [ ... ] Bei Beginn der Untersumung war der Nebenkläger auf Wunsm des Gerimtsherrn in das Edenhotel übergesiedelt. Dort lag aum der Stab der Division, deren Chef Hauptmann Pabst war. Im Vorzimmer des 160
Chefs arbeitete dessen Adj utant Hauptmann von Pflugk-Harttung, de r Begleiter des Liebknemt-Transportes. Briefe, die an Pabst gingen, sah aum Pflugk-Harnung. [ ... ] Am 13. Februar erfolgte dann die Vernehmung des Zeugen Grützner, die, wenn man aum die Nennung Pabst's als einen Irrtum ansah, wenigstens auf den Hauptmann Pflugk-H:trttung den Verdamt fallen ließ, er habe versudlt, Grützner zu einer Beeinflussung seiner Leute zu veranlassen. Der Nebenkläger sah sich also vor die Tatsamen gestellt, daß seine Ermittlungsersumen, soweit sie an beteiligte Abteilungen der Division gingen, versmleppt oder ungenügend erledigt wurden und daß einer der im Falle Liebknemt Mitbesmuldigten versumt hatte, einen neueintretenden Offizier zu beeinflusse n. Wenn ihm dies als Tatsachen, die den Verdamt einer Verdunklungsgefahr begründeten, nimt ausreimte, so mußte er sim dom sagen, daß ein weiteres Zusammenarbeiten mit dem Stabe der Division das Ergebnis seine r Untersumung gefährden mußte. Aber nom bis in den März hinein bediente er sich der Hilfe der Division zu Ermittlungen. [ ...] Die Haft war sehr frei. Die Zellentüren waren tagsüber offen. Die Häftlinge konnten miteinander und mit den Militärpersonen, die dort einquartiert waren, verkehren. [ ... ] Der Nebenkläger wußte, daß die Untersumungshaft äußerst milde gehandhabt und den Gefangenen nahezu keine Besmränkung auferlegt werde. Er wußte, daß der Verkehr zwismen dem Stabe und den Besmuldigten durm die Haft nimt unterbromen, sondern nur unwesentlim ersmwert war. Er wußte, daß die Verhaftung der Offiziere nur eine Umquartierung war und, soweit dadurm eine weitere Verdunklung vermieden werden sollte, ein Smlag ins Wasser blieb. [ ... ] Es handelt sich nimt darum, festzustellen, daß der Nebenkläger absimtlich die Täter der gesetzlimen Strafe remtswidri g entzogen habe. Es handelt sim darum, ob der Nebenkläger durch sein Verhalten das Ergebnis der Untersuchung gefährdet hat. Tat er dies derart, daß es den Tätern zum Vorteil ge reimen konnte, so hat er ihnen Vorschub geleistet. Daß er dies tat, hält das Gerimt nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung für erwiesen. [ ... ]
PRESSEBERICHTE
Berliner Volks zeitung, 28. April 1929: Der Freispruch
[ ... ] Das Gericht hat einen Spruch gefällt, der sicher dem Ansehen der deutschen Justiz außerordentlich zuträglich sein wird. Es hat in vollem Maße das Recht der Presse auf Kritik anerkannt und sich weder auf die formale Ausrede zurückgezogen, daß die Kritik in der Form gefehlt habe, noch auf die, daß in Nebenpunkten der Wahrheitsbeweis nicht erbracht sei. Wenn jetzt gesagt wird, daß der Freispruch für Bornstein eine Verurteilung für Jorns bedeutet, so ist das zutreffend. Aber man muß doch wohl noch einen Schritt weitergehen. Verurteilt worden ist in Moabit das ganze System jenes Helldunkels, das in den Januartagen 1919 Deutschland beschattete. Die Dinge von damals sind nicht nur mit dem Maßstab der Paragraphen zu messen, sondern sie bedürfen der politischen Würdigung. [ ... ] Dienaive Schwarz-Weiß-Kunst der kommunistischen Reportage entspricht der historischen Wahrheit ebenso wenig wie die Unschuldsbeteuerungen prominenter Sozialdemokraten oder gar die abgrundtiefe Verlogenheit der nationalistischen Radaupresse, die jahrelang die Mörder und heute noch die Fememörder zu nationalen Helden stempelt. [ ... ] Herr Noske verschrieb sich den Männern der Gardekavallerie-Schützendivision, reaktionären Offizieren mit sehr zweifelhaftem Anhang. Nicht die republikanische Abwehr, sondern der weiße Terror wurde die Parole. Sicher war das den meisten der Volksbeauftragten nicht recht, aber Herr Noske hatte die Macht, und man wollte ihm nicht dreinreden. Die Landsknechte der Gardekavallerie-Schützendivision sorgten in ihrer Weise für Ruhe; es war die Ruhe des Kirchhofs. Als die Nachricht von der Ermordung des kommunistischen Führers und seiner Mitstreiterin bekanntgegeben wurde, verlegte man sich auf eine Berichterstattung, die an die schlimmsten Lügenberichte aus der Kriegszeit anknüpfte. Man hatte nicht den Mut, zu seinen Taten zu stehen, und die Führer der herrschenden Partei, der damaligen Mehrheitssozialdemokratie, hatten nicht den Mut, ihre exzedierenden Landsknechte zur Verantwortung zu ziehen. Gewiß hat mancher
r61
jetzt treu und brav nachgewiesen, wie er aktenmäßig seinen Protest gegen die Untat angemeldet hat und wie er formell zur Bestrafung der Schuldigen aufforderte. Aber man wurde doch in Moabit den fatalen Eindruck nicht los: Pontius Pilaws, der vor versammeltem Volke seine Hände in Unschuld wäscht! Vielleicht war es auch gar nicht möglich, in jenem Stadium die Geister wieder zu bannen, die man gerufen hatte. Der General Reinhardt und die Freikorps verstärkten ihre Macht Tag für Tag. Herr Noske war der Gefangene seiner Offiziere. Auf diesem geschichtlichen Hintergrund agierte Herr Jorns: ein Gesinnungsfreund jener Kreise, die die Untat vollbrachten und ein Instrument der machtlosen Regierung, bei der er auf eine Karriere hoffte. Konnte er in dieser Zwiespältigkeit die Rolle eines Untersuchungsrichters spielen? Es war unmöglich. Und wenn man heute aussprechen muß, daß der Staatsanwalt mit seinem falschen Zungenschlag das Richtige traf, als er Herrn Jorns zum Angeklagten stempelte, wenn man Herrn Jorns als den Verurteilten ansprechen muß, so ist es dennoch notwendig, den Kreis der Verurteilten weiter zu ziehen. Es war jenes System Noske, das die Freiheit der jungen Republik mit den Landsknechten der alten Armee verteidigen wollte. Ein entsetzlicher Irrtum! Denn Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht waren zwar die ersten, die von jenen Gewaltmenschen gemordet wurden, aber nicht die einzigen. Die blutige Straße führt von ihnen und Leo Jogiches über die 28 Matrosen, die Marloh niedermetzeln ließ, bis zu Kurt Eisner, Matthias Erzberger und Walther Rathenau. 1 Jene Landsknechte waren es, die den Kapp-Putsch entfesselten und die dann ihren Unmut über das Mißlingen ihrer staatsstreichierischen Pläne an den verfassungstreuen Arbeitern des Ruhrgebiets kühlten, wohin sie wiederum die Kurzsichtigkeit einer republikanischen Regierung rief. Wozu diese Reminiszenzen heute? Nun, die republikanischen Regierungen von heute sollen bei der Aufstellung ihrer Machtmittel endlich lernen, wie man es nicht machen darf. Das ist vielleicht die eindringlichste Lehre des ganzen Jorns-Prozesses und das größte Verdienst, das sich der Redakteur Bornstein erworben hat.
1 Vgl. Politische Jll stiz 1918- 1933, S. 45 If., 53 If., I071f.,
112
If.
Frankfurter Zeitung, 28. April 1929:
Sühne für das beleidigte Recht. [... ] Weit über die Person des Herrn Jorns hinaus wurde hier der Indizienbeweis gegen ein System geführt, dem ein Totschlag erst als rechte Würze des Lebens erschien. Vielleicht hat Herr Jorns gar nicht gemerkt, daß er für die Nutznießer dieses Systems, die im bürgerlichen Leben »den Reiz des Gruselns und des Abenteuers vermißten «, nur Lakaiendienste getan hat. Immer bestrebt, seine »Stellung zu wahren«, wohl auch gut versorgt während der Zeit, die er als aktiver Kriegsgerichtsrat im aufständischen China und in Afrika zugebracht hatte - vom Weltkrieg ganz zu schweigen -, fühlte er sich wohl in jener Tafelrunde, an deren unterstem Ende der Soldat Runge saß, den man nach dem Mord »noch mit einem Knochen in der Hand« gnädigst zu photographieren geruhte. Zwischen beiden befand sich der Leutnant Liepmann, der freiwillig-unfreiwillige Transportführer Liebknechts, und alle drei sonnten sich am Gefühl ihrer Wichtigkeit. Armselige Werkzeuge! Wer sie hier vor Gericht wiedersah, den durch jahrelang eingetrichterte Lügen ganz wirr gewordenen Runge, den an Krücken der Verzweiflung humpelnden Liepmann, den ratlos und verbissen schimpfenden Jorns, wußte, was er von einer »Kameradschaft. zu halten hatte, die unter dem Deckmantel der Mannestreue die raffinierteste Ausnutzung menschlicher Dummheit verbarg. Noch am letzten Tage der Verhandlung sang Herr Jorns sein Preislied auf die militärische Zusammengehörigkeit - ohne die schreckliche Ironie gegen sich selbst und die anderen, jetzt nicht mehr gebrauchten und von allen verlassenen Diener dieses Kameradschaftssystems zu bemerken. [ ... ] Runge und Liepmann, jeder in seiner Art, haben die Zusammenhänge, deren Opfer sie wurden, besser verstehen gelernt. Vielleicht ist es ihnen nicht so gut gegangen wie Herrn Jorns; sicher haben sie mit ihrer Tat keine Karriere gemacht. Das schärft den Blick. Jorns klammerte sich bis zum letzten Augenblick an die Illusion seines guten Spiels - Runge und Liepmann hadern seit langem mit ihrem Geschick. Die Erkenntnis, die kein Spieler erträgt, hat sie zerbrochen. Runge, hin und her gestoßen von unsichtbaren Gewalten, verlangt nun, da er keinen seiner Peiniger mehr greifen kann, daß man ihn für unschuldig an allem erklärt; Liepmann aber, der Gebildete, sieht seine Tat wie einen bloßen »Irrtum «, er schreibt eine Doktordissertation über den unberechtigten Waffengebrauch gegen Fliehende.
Auch das Schicksal des Herrn Jorns ist jetzt ungewiß. Die Staatsanwaltschaft, die Reichsjustiz und Herr Jorns selbst werden aus dem Urteil ohne Säumen ihre Schlüsse ziehen müssen. Ein Verfahren wegen Begünstigung läßt sich nicht mehr vermeiden. Dann kann sich Herr Jorns nicht mehr darauf berufen, er müsse als Reichsanwalt »demagogische« Angriffe eines einfachen Journalisten für unter seiner Würde erachten. Erst dann wird man auch ihm gerecht werden können. Diesen mißbrauchten »Kameraden « des Generalstabshauptmanns Pabst, der selber ein Werkzeug Klügerer war. Wesentlicher aber als die Entlarvung eines schlechten Reichsanwalts ist, daß deutsche Richter die unter Militärmänteln halb erstickte Idee der Gerechtigkeit wieder befreit haben. Das ist der tiefere Sinn dieses wichtigen Prozesses. Deutsche Zeitung, 28. April 1929:
Kommunistenrache an Jorns. [ ... ] Man ist zu fragen geneigt, welche Kreise Wert darauf legen, die Geschehnisse vom Januar 1919 aufzuklären. Es wird behauptet, daß der damaligen sogenannten Regierung die Tötung Liebknechts und der Rosa Luxemburg durchaus nicht unerwünscht gewesen sei. Wäre es anders, so hätte sich das unwahre Gerücht, daß Scheidemann für diese Tötung dreihunderttausend Mark ausgesetzt habe, nicht so hartnäckig erhalten können. Wir haben in unserer letzten Ausgabe schon kurz die Hintergründe angedeutet, auf denen der Prozeß erwachsen ist. Es galt, einen Mann außer Gefecht zu setzen, der als Reichsanwalt dem landesverräterischen Pazifismus zu Leibe ging, man wollte ihn unmöglich machen. [ ... ] Herr Bornstein hat den Aufsatz vom März, wegen dessen er unter Anklage stand, nicht selbst verfaßt, er ist ihm von außen zugetragen worden. Ein ausgezeichnet durchgearbeiteter Beweisstoff stand seinem Verteidiger, Dr. Levi, zur Verfügung. Es kann kein Zweifel sein, daß dahinter die Kreise stehen, die seit jeher bemüht sind, für Landesverrat Straffreiheit zu erkämpfen, in erster Linie die »Liga für Menschenrechte •. Man wollte »pazifistische Skribenten«, wie das »Tagebuch « sie nennt, vor Herrn Jorns schützen. Man wollte diejenigen, die er hinter Schloß und Riegel zu bringen gedachte, an ihm rächen. An diesem Strange zog während des Prozesses die gesamte Linkspresse. Reichsanwalt Jorns selbst sprach als Nebenkläger vor
Gerimt von »frivoler Ehrabsmneiderei, der endlim das Handwerk gelegt werden mÜsse«. Der damalige Aufsatz und der von den Händen des Herrn Levi geformte Prozeßveriauf können nur rimtig bewertet werden, wenn man sie eingliedert in die Hetze gegen die Justiz. Daß die Rimter in Moabit das nimt erkannt haben, ist auf eine Art Psychose zurückzuführen, sie waren dem Ansturm von Links nimt gewachsen. [ .. .]
Berliner Tageblatt, 29. April 1929: Die Rote Robe. [ ... ] Es konnte nimt allein die Parole sein, die den bei den revolutionären Führern den Tod bramte, jene Worte, die an dem verhängnisvollen Abend durm die Halle des Luxushotels gesmmettert wurden: »Die Sau muß smwimmen!«, an einem Flum stirbt niemand, die Parallelität der Fälle bewies, daß hier ein zentraler Wille gewaltet hatte, und diese Willensquelle mußte ein entsmlossener Untersumungsführer nach noch einmal vierundzwanzig Stunden gefunden haben. D.l trat Herr Jorns in das Verfahren ein, verdrängte den Kollegen daraus, der rasm gehandelt hatte, ließ die Festgenommenen frei, und das Licht der Wahrheit verdämmerte, die Spuren verwismten sim, vom Mittelpunkt rückten die Ermittlungen der Peripherie zu, die Helligkeit versickerte im Dunkel. Wären dem Kriegsgerimtsrat nimt wieder und wieder von außen Indizien und Anzeigen zugetragen, ja aufgedrängt worden, wer weiß, ob es jemals überhaupt zu einer Verhandlung gegen die Beteiligten gekommen wäre. Aber der Hauptschuldige, da s kann man heute mit fast völliger Gewißheit sagen, ist nie vor Gerimt gekommen, er konnte, namdem ein hömst ungenügender Urteilssprum erfolgt war, das seinige tun, um seine Complicen vor der Vollstreckung der geringen Strafen zu smützen. [ ... ] Die rote Robe des hömsten deutsmen Gerimtshofs wird Herr Jorns nie mehr tragen können.
Das Deutsche Tageblatt, 30. April 1929: Die Bolschewisierung der Justiz. [ ... ] Der Reimsanwalt Jorns, der den jüdismen Redakteur eines gifterfüllten Womenblattes, Bornstein, wegen Beleidigung verklagt hatte, ist
166
- verurteilt worden. Bornstein wurde vom Smöffenrimter Marcard freigespromen. Seit Sonnabend jaumzt die jüdisme Presse: Hosianna Zion! Bornstein hatte den Reimsanwalt bekanntlim der Duldung der Tötung der bolsmewistismen Hetzer Liebknemt und Luxemburg bezimtigt. Ein wahres Trommelfeuer gegen die deutsmen Rimter war die Folge. Das Ergebnis ist da: Bornstein geht als Triumphator aus. Einer der hömsten Rimter wird gestürzt. Sein Kollege Marcard hat ihn preisgegeben. Der Smrei: »Gebt Barrabas los !« ist der bolschewistismen Front erfüllt worden. [ ... ] Nach dem Siege der Levi, Bornstein über die deutsme Justiz wird die innere Bolsmewisierung hemmungslos fortgesetzt werden. [ ... ] Der Remtgedanke ist ein Spielball der jüdismen Minierarbeit, die hömst zweckvoll eine Position nam der andern untergräbt. [ ... ]
DIE REAKTION DER BEHÖRDEN
Schreiben des Oberstaatsanwalts bei dem Landgericht II Berlin vom 1.5.1929 an den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Wilhelm
Pieck': Auf Ihre Anzeige vom 27. April 1929 gegen den Reichsanwalt Jorn s: Ich habe das Verfahren gemäß § 1/2 des Gesetzes über Straffreiheit vom 13 . Juli 1928 eingestellt, da das Vorgehen Jorns', in dem Sie die Rechtsbeugung gemäß § 346 StGB erblicken, nach dem ermittelten Sachverhalt auf politischen Beweggründen beruht. Unter diesen Umständen kam ein Eingehen auf die Schuldfr:lge und die Fr:lge der Verjährung nicht mehr in Betr:lchr.
Aus einem Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Landgericht I in Berlin vom 2. 5. 1929 an den Preußischen Just izminister!:
[ ... ] Ich trage Bedenken, die Einlcgung der Berufung zu empfehlen, da m. E. kein :lusreichender Anhalt dafür vo rliegt, daß das Rechtsmittel Erfolg haben wird. Als einen Erfolg würde ich es nur betrachten, wenn der Nebenkläger in der neuen Verhandlung völlig rehabilitie~t werden würde. Ich sehe aber keinen Weg, wie die aus der bereits mitgeteilten Urteilsbegründung sich ergebenden für den Nebenkläger un gün stigen Feststellungen ausgeräumt werden könnten. Was die üble Nachrede gemäß § 186 St. G. B's anlangt, so steht eine Verurteilung, insbesondere nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht, nur dann zu erwarten, wenn man mit der Anklage annimmt, daß in dem Zeitungsartikel gegen den Nebenkläger der Vorwurf der Begünstigung oder Red1tsbeugung erhoben ist. Denn der hierzu erforderliche strafrechtliche Vorsatz ist dem Nebenkläger nicht nachzuweisen, der Angeklagte hat den Beweis hierfür auch nicht angetreten. Nachdem nun aber das Schöffengericht entsprechend den Ausführungen des Verteidigers festgestellt h:lt, daß dem Nebenkläger eine , IML, ZPA, St , f IlZ. 2
LAB Rep. 58 Nr. 59 Bel.
168
Ir.
strafbare Handlung oben bezeichneter Art nicht nachgesagt, vielmehr lediglich behauptet sei, der Nebenkläger habe infolge mangelnder Eignung - nur objektiv - den Beschuldigten Vorschub geleistet, ist nicht damit zu rechnen, daß das Berufungsgericht den vom SchöffengeridH beschrittenen Weg aufgeben wird. Sollte dies aber dennoch geschehen und eine Verurteilung aus § 186 St. G. B's erfolgen, weil der in dem Artikel zu erblickende Vorwurf der Rechtsbeugung oder Begünstigung nicht erwiesen sei, so blieben immerhin die ungünstigen Feststellungen des ersten Urteils bestehen. Das neue Urteil würde in der Offentlichkeit als formal juristisch betrachtet werden und nicht nur zu neuen Angriffen gegen den Nebenkläger, sondern auch zu dem Vorwurfe gegen die Justiz Anlaß geben, daß sie versuche, das in erster Instanz abfällig kritisierte Verhalten des Nebenklägers bei Führung der Untersuchung zu vertuschen. [ ... ]
Aber Jorns und Oberreichsanwalt Werner wußten, daß sie sich auf ihre Kollegen vom Reichsgericht verlassen konnten, der Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht I in Berlin wehrte sich vergebens gegen die Einlegung eines Rechtsmittels. Zwar kam es zunächst auch in der Berufungsinstanz zu einer moralischen Verurteilung des Reichsanwalts Jorns, da auch die 3. große Strafkammer des Landgerichts I in Berlin unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Hoer in ihrem Urteil vom 14. Februar 1930 den Wahrheitsbeweis für die Behauptung, Jorns habe den Mördern Vorschub geleistet, für erbracht hielt und lediglich in dem Vorwurf mangelnder juristischer Qualifikation eine dem Wahrheitsbeweis nicht zugängliche Beleidigung sah, die es mit 100 Mark Geldstrafe ahndete. Aber der 2. Strafsenat des Reichsgerichts unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Witt - eines Mannes, der es wegen sein~r Feindschaft gegen den republikanischen Staat abgelehnt hatte, in den »Staatsgerichtshof zum Schutze dieser Republik« einzutreten - fand einen Weg, den Kollegen Jorns zu rehabilitieren. Auf dessen Revision entwickelte das Reichsgericht in einem Urteil vom 7. Juli 1930 Auslegungsgrundsätze für eine neue Interpretation des inkriminierten Artikels, die dem Angeklagten Bornstein den Nachweis subjektiver Voraussetzungen in der Person des Herrn Jorns aufbürdeten, die schlechthin nicht zu beweisen waren. Einer anderen Strafkammer des Landgerichts 111 in Berlin unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirek16 9
tors Ohnesorge fiel die Aufgabe zu, dem Reichsanwalt Jorns in einem 228 Seiten langen Urteil zu bescheinigen, daß er subjektiv besten Willens gewesen sei. Sie verurteilte Bornstein zu 500 Mark Geldstrafe und in die Kosten des gesamten Verfahrens. Für die historische Betrachtung ist die Eingrenzung auf die Frage einer individuellen Schuld des Untersuchungsrichters Jorns ohne Interesse. Es interessieren lediglich die objektiven Fakten, die bei Gelegenheit dieses Prozesses ans Licht gekommen oder bestätigt worden sind. Dazu gehören auch die für die Geisteshaltung des Untersuchungsführers Jorns aufschlußreichen handschriftlichen Stellungnahmen, deren Sachdarstellung sich Richter Ohnesorges Kammer fast durchweg zu eigen machte. Schreiben ]orns' vom 4. Febmar 1921 zum Verfahren 2C J. 129.21; abschriftlich von ]orns am 22.12. 1930 dem Landgericht zur Sache ( IV) E. 1 J. 735a (202/29).!. Bornstein übergeben r :
[ ... ] Die Behauptung des früheren Husaren Runge ist en tweder eine gemeine, vielleicht von dritter interessierter Seite beeinflußte Verleumdung oder, wie ich nach meinem persönlichen Eindruck über Runge und dem Gutachten des Gerichtsarztes Geheimen Medizinalrat Leppmann in der Hauptverhandlung gegen Runge für wahrscheinlicher halte, das Phantasie-Produkt eines geistig minderwerti gen Menschen. Ich bin im Verlaufe der ganzen Untersuchung nicht um eines Haares Breite (Hervorhebungen im Original; d. Hsg.) vom Wege des Rechts abgewichen. [ ... ] Ich habe Runge bis zur Hauptverhandlung, soviel ich mich wohl noch genau entsinne, nicht wiederholt, wie er behauptet, sondern nur ein einziges Mal privat gesprochen, und zwar, als er mir von dem Kriminalschutzmann infolge von verspäteten Eintreffens dessen Telegramms gegen 10 Uhr am Sonntag Morgen, wo mein Sekretär erst um 1/ 212 Uhr auf das Geschäftszi mmer kam, in meiner Wohnung unvermutet vorgeführt und nirgends zweckmäßig untergebracht werden konnte. Er erklärte mir hier gleich, daß er schon immer die Absicht gehabt habe, sich zu stellen und alles anzugeben, wie es sich zugetragen habe, aber er sei weggeschickt worden und habe auch I
LAB Rcp. 58 Nr. 59 Bd. I.
17°
Angst um seine Familie gehabt. Da er hierzu erwähnte: Alle:d~ngs hätte man auch gut für sei ne Frau gesorgt (er sprach von el11lgen Tausend Mark, die sie erhalten habe), habe ich ihm, wie ich noch sehr wohl in Erinnerung habe, gesagt: Da könne er ja sehen, daß er wegen seiner Familie keine Sorgen z u haben brauche, ebenso wie bisher würden sich auch später Leute {inden, die für seine Familie sorgten, er könne also ruhig auch alles angeben. [ ... ] Inwiefe rn Runge beurteilen kann , daß die Untersuchung eine »Kommödie « war, ist mir unverständlich, da er ihren ganzen Verlauf gar nicht gekannt hat. Ich fand bei übernahme der Untersuchung bereits Tatsachen vor, die, wie z. B. die nicht erfolgte sofortige Festnahme der der Tat Verdächtigen, den weiteren Verlauf der Untersuchung sehr ersdlwert haben. Ich habe daraus nie ein Hehl gemacht, aber es fällt mir nicht zur Last. [ ... ] Handschriftliche Stellungnahme 10.1. 1931 iiberreicht r :
]orns',
dem
Landgericht
am
[ ... ] (Zitiert zunächst aus der von Jorns protokollierten Aussage Vogels im Ermittlungsverfahren von 19 1 9): »Ich gebe heute zu, daß es eigentlidl überflüssig war, die L. ins Gefängnis zu überführen, wenn ich annahm, daß sie tot war. Idl kann hierzu auch nur wieder angeben, daß die ganzen Vorgänge unter den augenblicklichen politischen Zuständen derart auf mich eingewir~t haben, daß ich eigentlich gar nichts überlegt habe. Insbesondere Ist mir nicht der Gedanke gekommen, mich zu überzeugen, ob sie wirklich leblos war, und daran zu denken, daß es sich doch dann um ein Verbrechen ' an ihr handle, wo auch die Ermittlung des Täters in Frage kam [ ... ].« [ ... ] Demnach nur »erschwertes Wachverbrechen « (§ I4 I MStGB). [ ... ] Bestehen eines vorher gefaßten Planes zur Beiseiteschaffun g der Frau L. habe ich stets für ausgeschlossen geha lten. [ ... ] Es handelte sich (bei Vogel; d. Hsg.) um einen unbescholtenen, mit glänzenden Zeugnissen versehenen Offizier, der sich nach seiner Verabschiedung in schwerer Zeit wieder zur Verfügung gestellt und Vorzügliches geleistet hatte. Auch aus diesem Grunde verständlich, wenn Gerichtsherr ihn möglichst lange mit Untersuchungshaft verschonen I
LAB, Rcp. 58, Nr. 59, Bd. I.
17!
wollte. [ ... ] Wie ich unter allen diesen Umständen hätte energische Gegenvorstellungen erheben sollen, mir unbegreiflich. Ich weise auch die Auffassung des Urteils scharf zurück, daß ich die Hinausschiebung des Haftbefehls als unsachgemäß erkannt hätte. Im Gegenteil habe ich volles Verständnis für das Verhalten des Div. Kommandeurs gehabt. [ ... ] Landsberg fragte audl, ob ich mich nidn entschließen könnte, gegen die an der Erschießung Liebknechts Beteiligten Haftbefehl zu erlassen und legte die Gründe dafür dar. Ich habe ihm erwidert, daß m. E. bisher ein dringender Thatverdacht dafür nicht vorliege. über die Zumutung, die Offiziere unter Hinweis auf Nichtvollstreckung der Todesstrafe vielleicht zum Geständnis z u bewegen, war im empört. Selbstverständlich den Ausführungen Landsbergs Beachtung geschenkt, ihm sicher auch gesagt, daß ich dem Gerichtsherrn nommals Vortrag halten u. mag auch hinzugefügt haben, daß dieser sim gewöhnlidl nam meinen Vorsmlägen zu rimten pflege. Letzteres aum bis dahin im Laufe des Ermittlungsverfahrens der Fall, wo er mir nie Smwierigkeiten gemamt hatte. [ ... ] Von meinem Vortrag in Weimar, der Ansicht Landsbergs u. Vortrag in der Rechtsabteilung mit Ansicht des stellv. Abteilungsmefs am gleidlen Tage pflichtgemäß Mitteilung an den Gerichtsherrn, der daraufhin ohne weiteres etwa: »Na, dann wollen wir meinetwegen auch Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen.« Eine Beeinflussung meinerseits hat überhaupt nicht stattgefunden, war hiernam aum gar nimt mehr nötig. Also irrig, daß im meine Ansimt auf Zureden Landsbergs geändert. Wohl aber sprimt mein ganzes Verhalten für meine überzeugung, daß dringender Verdamt des versuchten Mordes nimt vorlag. Nach Vorstehendem aum vollkommen harmlos zu erklären, daß Gerichtsherr Haftbefehl ergänzt hat, u. aum ersimtlim, daß kein Widersprum in meinem u. des Gerichtsherrn Verhalten zu finden.
Handschri/lliche Stellungnahme forns' zum Schöffengerichtsurteil, dem Landgericht (Kammer Ohnesorge) überreichtl : (Zur Flucht Vogels.) Pabst teilte mir m. E. am 16.5. mit: Kriegsminis ter habe Mitteilung erhalten, daß Vogel mit falsmem Paß ins Ausland flümten wolle und ihn deswegen kommen lassen. [ ... ] , I
LAB Rep. S8 Nr. S9 Bd. 1.
172.
Mit meinem Einverständnis fuhr Pabst zum Gefängnis, um nötigenfalls nom weitere Simerungsmaßnahmen zu treffen. Er wollte auch Vogel ins Gewissen reden u. ihn aum von einem voraussimtlimen Strafaufsmubsantrag seines Verteidigers in Kenntnis setzen zur Beruhigung - Vogel wurden damals Selbstmordabsichten zugetraut. Pabst stellte fest, daß im Gefängnis besondere Posten gestellt waren und teilte mir dies sowie auch die sonst von ihm dort nom getroffenen Maßnahmen mit (z. B. Durmsuchung der Zelle). [ ... ] Mit Fludn stehe ich in keinerlei Zusammenhang. Vogel besaß falsme n Paß schon 31. 1., wo ihm vom Auswärtigen Amt Dreisprachenausweis auf »Kurt Velsen« ausgestellt (Eintragung ins Paßbuch der Waffenstillstandskommission). Auch Liepmann hat in dieser Zeit seinen falschen Paß erhalten (also beide lange vor Verh:lftung). Auch im habe demn ämst falsmen Paß erhalten für alle Fälle, ausgestellt vom Polizeipräsidium Berlin u. formell vollkommen in Ordnung. [ ... ] (Zur Person Pabsts) Gegen Pabst sonst kein Verdamt geäußert. Heine hat nach seJl1cr jetzigen Aussage gegen ihn nie irgendwelchen Verdadn gehabt. Noske hat ihm (Pabst) Mitte März als »seiner treuesten Stütze« zur Hochzeit ein Glückwunschtelegramm geschickt (s . .. Freiheit« Nr. 129 v. 18.3.19). (Betr. Nachforschungen nam dem geflohenen Runge) Auf richtige Spur erst durch Pabst, als dieser einmal mit mir über Maßnahmen zur Ergreifung Runges sprach u. ich dabei erwähnte, daß Anhaltspunkte für Aufenthalt bei Grenzschutzformation. Darauf Mitteilung Pabst's, wie auf meinen Wunsch von ihm dann schriftlim zu den Akten gegeben. Ich Vermutung: vielleimt Spur, worauf Pabst sofort Leutnant Teßmar mit Abschrift Haftbefehls abgeschickt zur Herholung Runges, falls zutreffend. [ ... ] (Betr. »Privatgespräch « mit Runge in Jorns' Wohnung) [ ... ] Dann wieder ruhi ger u. erzählte: Habe immer Angst gehabt (z. B. während seines Freiseins!), daß die Spartakisten seiner Familie etwas tun würden, aber ihr sei es ganz gut gegangen, Frau hätte auch Geld gesmickt erhalten. Diese Gelegenheit benutzt, ihm ein Geständnis leich ter zu machen: da könne er also ja auch ruhig alles angeben, denn er sähe ja, daß für sie (die Familie) gesorgt, wenn er etwa später im Gefängnis. Behauptung des Zuredens, alle Smuld auf sich zu nehmen, glatter Unsinn. Seine, wie die Beteiligung der Offiziere u. deren Umfang stand ja smon einwandfrei fest. [ ... ]
173
Unterstützung der selbst ganz unverdächtigen Frau eines Mannes, dessen Tat in weiten Volkskreisen als verdienstvoll angesehen, in Zeiten der Not 1 Monat nach der Tat, doch nur lediglich aus Mitleid u. Sympatie (sie!) mit Geschehenem zu erklären; keineswegs Hindeuten auf Zusammenhang des Geldgebers mit Täter selbst vor der Tat, umsomehr da mir bekannt, daß auch SOnst von dritter privater Seite für die Täter Geld einging. Hotelgäste hatten ja sogar unmittelbar nach der Tat offenbar aus gleicher Gesinnung heraus an Soldaten Geld verteilt (Aussage Dreger). Verweise auch auf Liepmann, den Runge an gebettelt hat; L. hat darin nicht ein Bestreben R's erblickt, von Mittätern Schweigegeld zu erhalten, so ndern von Leuten, die mit seiner T :n symp:nisierten. [ ... 1 Zu forns' Dm'stellung des »privaten « Gesprächs mit Runge hatte sich das Urteil des Land gerichts (Vorsitzender: Hoer) vom I4. 2. I930 wie folgt geäußert l : Die vom Nebenkläger gegebenen Erklärungen haben das Gericht nicht zu überzeugen vermodn. Der Nebenkläger mußte sich darüber klar sein, daß die von Runge gemachte Bemerkung geeignet war, nach etwaigen Anstiftern der Tat Nachforschungen anzustellen. Wenn der Nebenkläger mit keiner Silbe den Widerspruch aktenkundig macht, der nach seiner eigenen Erklärung zwischen dem Inhalt der der Vernehmung vorausgehenden Unterhaltung und der Vernehmung selbst bestand, hat er audI nach Ansicht des Berufungsgerichts wichtige Spuren verwischt. [ ... ] Nach der Zurückverweisung der Sache durch das Reichsgericht fand die Strafkammer Ohnesorge im Urteil vom 30. I. I9JI folgenden ' Ausweg: Das Gericht ist der Ansicht, daß es doch wohl richtiger gewesen wäre, wenn der Nebenkläger auch bei seiner Auffassung die private li.ußerung Runges - nachdem er sie einmal kannte - durch Aktenvermerk oder protokollierten Vorhalt aktenkundig gemacht hätte; es kann aber nur dann der Vorwurf der Verwischung von Spuren gemacht werden, wenn feststeht, daß der Nebenkläger diese AußeI 2
LAB, Rcp. 58, Nr. 59, Bd. III. LAB, Rcp . 58 Nr. 59 Bd. V.
rung Runges als eine . bedeutungsvolle Spur « angesehen hätte. Dieser Nachweis ist aber nicht erbracht. Welt am Montag, lz.Januar 1931: [ ...] Das Blatt berichtet über die zeuge nsdIafl:liche Vernehmung des Obersten Reinhardt, der im Januar 1919 Stadtkommandant von Berlin war.) Seine Aussage war im schön sten Kasinodeutsch gehalten. Wir geben sie in ihren Grundzügen im WOrtlaut, denn sie stellt ein historisches Dokument dar. Es sind die Meinungen eines entschlossenen Konterrevolutionärs und eingefleischten Militaristen, der 1918 unter der Revolutionsregierung der sozialistischen Volksbeauftragten in ein Amt von verhängnisvollem Einfluß gesetzt wurde. [ ... ] Am 24. Dezember 1918, gerade um Mitternacht, erhielt ich die Nachricht, daß ich Kommandant von Berlin geworden sei. Meinen Vorgänger Wels hatten die Matrosen gefangen gesetzt. Da es damals in Berlin nichts z u kommandieren gab, erbat ich vom Kriegsmini ster ein Patent, wonach ich Truppen aufstellen durfte. Dann hab' ich mir meine alten Leute vom 4. Garde-Regt. zusammentelegraphiert. Damit besetzte idI zuerst das Gefängnis hier, damit auch sofort wieder Rechtspflege eintreten konnte. [ ... ] Wen ich hier im Gefängnis hatte? Ja, also zuerst hab' ich mal die »Vorwärts «-Besatzung eingesperrt. Da sollten ja wohl die Stäbe der roten Armee drunter sei n, und es schien mir enorm wichtig, diese Stäbe der roten Armee bei mir zu haben. Dann hatte ich auch noch den Ledebour. Den Roten Soldaten rat von Ber!in hatte ich auch. Und etwa 300 bis 400 Matrosen, das waren die Reste der VolksmarineDivision. [ ... ] Ich habe damals einen Kommandanten für das Zellengefängnis ernannt. Das war der Fregattenkapitän von Zitzewitz. Von dem hab' ich mir aber ausgebeten, daß mir die Herren (die Mörder Kar! Liebknechts und Rosa Luxemburgs) sehr anständig und ordentlich behandelt würden. Ich habe sie nicht als Mörder angesehen und habe auch Befehl gegeben, daß ihnen abends das Ausgehen ermöglicht würde. Als ich da nun von dem ersten Prozeß des Herrn Jorns las, was man ihm alles anhängen wollte, da hab' ich ihm geschrieben, daß ich ihm, der damals als Jurist treu bei uns ausgehalten hat, jetzt wieder helfen wollte. Und so bin ich denn als Zeuge geladen wo rden. [ ... ]
'7i
Ich hab' meinen Kriegsge richtsräten immer gesag t, man soll erst die Schwerverbrecher aburteilen und die Offiziere ungeschoren lassen. Ich habe die Verhaftung von diesen Offizieren, die sich vidleicht beim Ordnungmachen etwas überhoben hatten, stets für eine Schwäche gehalten. [ ... ] Ich muß sagen, daß ich damals sehr dankbar und erfreut war, daß wir so brave und gute Juristen bei der Truppe hatten. Rechtsanwalt Löwenthai will wissen, auf welche Erfahrungen denn der Zeuge sein Werturteil gründe. Das könnte vielleicht doch da-s" Ge richt interessieren. Reinhardt: Auf das ~gute« lege ich keinen Wert, sagen wir ~ treue". Herr Jorns war ein treuer Jurist, weil "Ni bei der Truppe ausgehalten ha t. Das war ein Warner für die Jugend, für all die jungen Soldaten, die merkten, daß da noch alte preußische Disziplin war. [, .. 1
Vorwärts, 23. Januar 1931: Der Fall Canaris. Richter begünstigt die Angeklagten. Im Jorns-Prozeß wurde gestern der frühere Rechtsanwalt Dr. Bredereck als Zeuge vernommen. Seine Aussage hellte die Rolle auf, die Kapitän Canaris, einer der Ridner des Kriegsgerichts gegen die Mörder, bei der Begünstigu ng der Mörder gespielt hat. [ ... ] Zur Sad1e selbst äußerte sich Bredereck wie folgt: In der fraglichen Zeit sei er im Vorstand des Nationalverbandes Deutscher Offi ziere gewesen. Damals wurde in den Offiziersverbänden, die die Macht in Händen hatten , erwogen, ob es zweckmäßi~ sei, das Verfahren gegen die Offiziere zum Austrag bringen zu lassen. Man befürchtete Blutvergießen. Es wurde daher erwogen, 30 000 Mark zur Flucht der Offiziere zu beschaffen. Diese Summe habe er auch von einer Stelle erhalten. Er habe nur einen Teil des Geldes - er wisse nicht, ob es 5000 oder 15 000 Mark waren - sofort zur Flucht gegeben, der Rest sollte ins Ausland nachgeschickt werden. Mit der Schwester des Hauptangeklagten, Kapitänleutnant v. PflugkHarttung, sei er mehrmals im Gefän gnis gewesen. Die Schwester wurde ohne weiteres, da sie bekannt war, von den Posten durchgelassen, und er habe sie begleitet. Dann habe sich Fräulein v. PflugkHarttung und eine andere Persönlichkeit an die Stelle gewandt, die das Geld gegeben hatte. Er sei durch ein Schreiben aufgefordert wor-
den, das Restgeld auszuhändigen. Er habe die Summe an Fräulein v. Pflugk-Harttung und ihren Begleiter ausgehändigt. Rechtsanwalt Dr. Georg Löwenthai: Wer war der Begleiter? Zeuge Bredereck (nach einigem Zögern): Kapitänleutnant Canaris. Rechtsanwalt Dr. Löwenthai: War Canaris bekannt, welchem Zweck diese Gelder dienten? Zeuge: Jawohl. [ ... ]
Aus dem Urteil des Landgerichts (Kammer Ohnesorge)': Nach der Aussage Liepmanns und des Obersten Reinhardt steht fest, daß die gefangenen Begleitleute, soweit und solange sie im Zellengefängnis Moabit waren, nicht wie gewöhnliche Verbrecher behandelt wurden. Sie hatten nachts häufig Ausgeherlaubnis, am Tage zeitweise die Möglichkeit des Verkehrs untereinander und des unbehinderten Besuches der Offiziere der Garde-Kavallerie-Schützendivision und der Inhaber des sogenannten Noske-Ausweises und auch sonstige Erleichterungen. Der Oberst Re inhardt hat bekundet, daß er als Chef der bewachenden Brigade und als Stadtkommandant von Berlin diese Erleichterungen ausdrücklich befohlen habe, zumal er auf freiwillige Stellung von Offizieren und Mannschaften zur Bildung seiner Regierungsrruppe angewiesen gewesen sei, ein scharfes Vorgehen gegen die Liebknecht-Luxemburg-Leute weitere Meldungen aber behindert hätte. Eine ~ besonders anständige Behandlung « der Begleitleute sei unter den damaligen Umständen eine politische und militärische Notwendigkeit gewesen. Die Aussage Liepmanns ergibt weiter, daß man in Erwartung weiterer spartakistischer Angriffe - ein Angriff war am 6. Januar abgeschlagen worden - den inhaftierten Offizieren sogar Posten anwies, wo sie im Falle eines Angriffs Maschinengewehre und Flammenwerfer bedienen sollten.
Die Welt am Abend, 21. Februar 1931: Auf einer Tagung der Juristischen Vereinigung der Nationalsozialistischen Partei wurde eifrig die Frage erörtert, wer als Ankläger des Dritten Reiches beim Staatsgerichtshof in Leipzig zu wirken habe. I
LAB, Rcp. 58, Nr. 59, Bd. V.
Der Vorschlag, Herrn Jorns mit diesem Posten, der praktisch einer Beförderung zum Oberreichsanwalt gleichkäme, zu betrauen, stieß zunächst insofern auf Widerspruch, als von den reinen Antisemiten unter den versammelten Juristen geltend gemacht wurde, Joros stelle eine gewisse Belastung der Bewegung dar, da er sich in seinen drei Prozessen wegen der Beschuldigung, die Liebknechtmörder begünstigt zu haben, ausgerechnet den jüdischen Justizrat Dr. Löwenstein als Verteidiger genommen habe. Diese Einwände wurden jedoch nach längerer Debatte mit dem Hinweis darauf widerlegt, daß Jorns unter den Richtern, die für diesen hohen Posten zur Auswahl stehen, unbedingt der beste sei. Seine Zuverlässigkeit stehe nach Erkundungen, die man vor allem bei den sympathisierenden Richtern des Reichsgerichts in Leipzig eingezogen habe, außer jedem Zweifel. Nun erst wurde der Vorschlag bei einigen Stimmenthaltungen angenommen.!
1 Jorns blieb Reichsanwalt und wurde 1936 von der Hitler-Regierung zum Reichsanwalt beim Volksgerichtshof berufen. Am 1. April 1937 trat Jorns in den Ruhestand und erhielt eine Dankesurkunde, in der Hitler die . hervorragenden Verdienste . des scheidenden Beamten würdigte. (Vgl. Politiscbc Justiz 1918-1931. S. 2! 3 f.)
Schatten der Vergangenheit
EIN BRIEFWECHSEL
Schreiben des Preußischen Justizministers vom Preußischen Ministerpräsidenten!,'
20.
Juni 1933 an den
[ .. .] Für Runge, der jetzt den Namen Wilhelm Radolf führt und von Beruf Eisendreher ist, hat der Rechtsanwalt Justizrat Dr. Hahn den Antrag gestellt, »das Justizministerium möge in eine Nachprüfung der Angelegenheit eintreten und grundsätzlich anerkennen, daß die dem Runge (Radolf) zur Last gelegten Straftaten als Staatsnotwehr erfolgt sind.« [ ... ] Runge (Radolf) hat persönlich im Justizministerium vorgesprochen; aus seinem Vortrag ergab sich, daß es ihm darauf ankommt, eine Entschädigung in Geld (er nannte eine Summe von etwa 12 000 RM) zu erhalten. Er hat geltend gemacht, daß er nur auf Anordnung von Offizieren gehandelt habe und daß er nach Verbüßung seiner Strafe lange Zeit hindurch Verfolgungen von kommunistischer Seite ausgesetzt gewesen, auch mehrfach körperlich mißhandelt worden sei; es sei ihm unmöglidl gewesen, irgendwo eine feste Arbeitsstelle zu finden. [...] Es kann dahingestellt bleiben, was an seinen Einlassungen richtig ist; jedenfalls mag die Tatsache, daß er im Januar 1921 die Veröffentlichung seines Briefes wollte, und daß er im Mai 1922 dem "Vorwärts«-Redakteur Angaben machte, scheinbar berechtigten Anlaß geben, an seiner nationalen Einstellung zu zweifeln. Ich bin jedoch der Ansicht, daß Runge bei seiner Tat als Angehöriger eines Truppenteils handelte, dessen nationale Gesinnung in der Gesamtheit nicht bezweifelt werden kann. Runge gab der Tatsache, daß diese Gesinnung auch seine eigene sei, durch seine Tat Ausdruck. [ .. .] Mittel für die Erfüllung der von Runge vorgebrachten Bitte stehen mir nicht zur Verfügung; ich beabsichtige daher, die Angelegenheit in einer Sitzung des Staatsministeriums zur Besprechung zu bringen. [... ] 1 IML, ZPA, St 6/ 107.
179
Brief Runges an Ministerialrat Witte, Preußisches Justizministerium in Berlin (Eingangsstempel vom IJ. Juli I933)1: Sehr geehrter Herr Ministerialrat In meiner vorgeschichte vom Jahre 1919 möchte ich Sie höflig und bescheiden bitten. In wie weit die Sache gediehen ist, und balt zum Abschluß gelangt. Damit ich weiß was nun Endlich los ist. Es geht nicht an, und es bedarf keines Hinweises, so das ich vom Nationalsozialistischen Staate auch noch verlaßen werde. Denn ich weise mit der bitte darauf hin das ich mein gutes Recht habe, und das Urteil, wie die Sache liegt, nicht gegen mich zu Recht besteht. Genau so wie das Deutsche Volk sein Recht fordert gegen den Vertrag von Versaiich, genau so bitte ich um mein Recht. [ ... ] Aber mein hoher Führer Volkskanzler Adolf Hitler hat auch seine Idiale mit Gefängnis vertauscht ... Mit Deutschem Gruß und Hitler Heil Parteign. Wilhelm Radolf
Schreiben des Preußischen Ministers des lnnern vom 3. August I933 an den Preußischen Justizminister ' : Nach dem mit der Bitte um Rückgabe beiliegenden Vorgange befindet sich der seinerzeit in die Affäre der Rosa Luxemburg verwickelt gewesene Oberleutnant a. D. Vogel in Holland in mißlichen gesundheitlichen und finanziellen Verhältnissen. Der Herr Reichsarbeitsminister hat sich auf meine Vorstellung bereit erklärt, zur Wiederherstellung der Gesundheit des treudeutsch gesinnten Mannes eine Kur im Inland zu bewilligen. Es würde einen Akt der Gerechtigkeit bedeuten, wenn dem Oberleutnant a. D. Vogel ebenso wie dem früheren Husaren Runge eine allgemeine Geldentschädigung gewährt würde. [... ]
Schreiben des Preußischen Ministers des lnnern vom I933 an den Preuß. Justizminister:
I2.
Oktober
Im Nachgange zu meinem Schreiben vom 3. August 1933 - II 1228
hin -, in dem ich ausgeführt habe, daß dem Oberleutnant a. D. 1 2
IML, ZPA, St 61107. IML, ZPA, St 6/I07.
180
Vogel ebenso wie dem früheren Husaren Otto Runge eine allgemeine Geldentschädigung gewährt werden könnte, teile ich ergebenst mit, daß ich auf Grund der inzwischen angestellten polizeilichen Ermittlungen meine Stellungnahme bezüglich des Runge, wie ich aus dem abschrifHich in der Anlage beigefügten Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten zu entnehmen bitte, einer Revision unterziehen mußte.
Schreiben des Preußischen Ministers des lnnern vom I933 an den Preußischen Ministerpräsidenten:
I2 .
Oktober
[ ... ] Die bisherigen polizeilichen Ermittlungen in der Angelegenheit Runge berechtigen zu der Annahme, daß Runge nicht als ein Mann mit der bei ihm vermuteten nationalen überzeugung angesehen werden kann. Nach Verbüßung seiner Strafe ist er von seinen früheren Vorgesetzten und Kameraden keineswegs im Stich gelassen worden. Runge hatte vielmehr Gelegenheit, in verschiedenen Stellungen, insbesondere in der Landwirtschaft, tätig zu sein. [ ...] Nachdem sich infolge seines Verhaltens, insbesondere im Hinblick auf seine Unlust zur Arbeit, die Beziehungen zu seinen früheren Vorgesetzten schon stark gelockert hatten, forderte er von einem früheren Vorgesetzten die Zahlung einer monatlichen Rente von 5°0,-- RM unter der Drohung, er würde seinen früheren Vorgesetzten wegen Beteiligung an der Tötung und Beseitigung des Liebknecht und der Luxemburg anzeigen, falls die verlangten Beträge nicht gezahlt werden sollten. [ ... ]
Schreiben Wilhelm Radolfs (Runge) vom I9 . März I934 an den Preußischen Justizminister (maschinenschriftlich)l: Nachdem nunmehr das Gesetz über die Versorgung der Kämpfer für die nationale Erhebung vom 27. Febr. 34 erlassen wurde, bitte ich um Festsetzung einer Rente für mich. Es ist der N .S.D.A.P., Pg. General Daluege, Herrn Reichsminister Dr. Frick und Herrn Minister-Präsident Hermann Göring, sowie dem Justizministerium wohl bekannt, was ich für die nationale Bewegung getan habe, so daß ich dies nicht nochmals zu erläutern brauche. Durch die zahlreichen über fälle und Verwundungen, die ich von meinen politischen Gegnern erhalten habe, ist mein geistiger Zustand 1 IML, ZPA, St 61107. 181
ein sehr schlechter und mein gesamtes Nervensystem ist so mitgenommen, daß ich kaum die einfachsten Arbeiten ausführen kann. Vor allen Dingen hat mein Gedächtnis sehr gelitten. Ich bitte daher das Justizministerium, mein Gesuch wohlwollend zu unterstützen, damit auch bei mir das so oft angeführte Wort: »Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiß« endlich zur Geltung kommt. Heil Hitler! Wilhelm Radolf
Aus dem Protokoll über die Sitzung des Ministerrats vom 13.6. 1934 -StM.1639 11 : Zu Punkt 8 der Tagesordnung (Entschädigung der in den sogen. Fememordprozessen verurteilten Personen) beschloß der Ministerrat, dem ehemaligen Husaren Otto Runge eine einmalige Entschädigung von 6000 RM aus Staatsmitteln zu gewähren. [ ... ]
Schreiben Wilhelm Radol/s (Runge) vom 19.7. 1934 an den Preußischen Justizminister (handschrifllich)2: Sehr geehrter Herr Minister Ihr Schreiben vom 16.7.34 zwecks Entschädigung ist bei mir eingegangen. Ich spreche Ihnen sowie dem Staatsrat meinen besten Nationalsozialistischen Dank aus. Einen Teil des Geldes werde ich gebrauchen, meinen Gläubigern gerecht zu werden, um jede Mahnung aus dem Wege zu gehen. Einen anderen Teil werde ich Gebrauch machen die Winterhilfe zu Stiften sowie den Luftschutz. Da ich auch noch meine Stellung habe, denn da mier diese Summe nicht reitzen kann, Lebe ich einfach und schlicht. Hitler Heil Wilhe1m Radolf Ich hätte auch gern meinen Nahmen Otto Emil Runge wieder gehabt, wenn es nicht soviel Umstände macht.
I IML, ZPA, St 6/J07. 2 IML, ZPA, St 6/J07.
DOKUMENT EINER INTERPRETATION
Auszug aus dem Bulletin des Presse- und In/ormationsamtes der Bundesregierung vom 8. 2. 1962: (Es werden l\ußerungen Pabsts gegenüber dem rechtsradikalen Deutschen Studenten-Anzeiger - ohne Quellenangabe - referiert, die seine Rolle bei der »standrechtlichen Erschießung « von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht betreffen, sodann heißt es wörtlich [d. Hrsg.]): Er ist ein bekannter Freikorpsführer gewesen und im Nazi-Reich von der Gestapo verhaftet worden. Einer nochmaligen Festnahme entzog er sich durch die Flucht in die Schweiz. Pabst bestreitet nicht seine Verantwortung für die standrechtlichen Erschießungen, aber er versichert, es in höchster Not und in der überzeugung getan zu haben, nur so den Bürgerkrieg beenden und Deutschland vor dem Kommunismus retten zu können.
Epilog Kein Gedenkstein erinnert an die Sr:itten, wo Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht ermordet wurden. Wenige hundert Meter hinter dem Hilton-Hotel liegt der heute noch idyllische Fleck am Landwehr-Kanal, an dem sich der letzte Akt der brutalen Tragödie abgespielt hat. Ein nach den Plänen des Architekten Ludwig Mies van der Rohe im Jahre 1924 auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde errichtetes Denkmal wurde von den Nazis abgebrochen, im Jahre 1941 wurden auch die Gräber eingeebnet und im Friedhofsregister mit roter Tinte die Verfügung eingetragen, daß eine Umbettung Kar! Liebknechts nicht in Frage käme.' Auch heute, über zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der faschistischen Herrschaft, gibt es im westlichen Teil Deutschlands wohl kaum eine Straße, die nach einem der beiden großen Sozialisten benannt ist ; die Partei, deren Mitgründer sie waren, ist verboten; sich zu ihnen zu bekennen, ein Buch über sie zu schreiben, ist fast ein Wagnis. Der Kommentar des Bulletins des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung aus dem Jahre 1962 ist ein beredtes Zeugnis dafür, daß jedenfalls die damalige Repräsentation der westdeutschen Bevölkerung dem Denken und Handeln der Liebknecht-Luxemburg-Mörder näher stand als dem der Ermordeten. Aber auch die Partei, die sich rühmen könnte, Rosa Luxemburg und Kar! Liebknecht bis in den Ersten Weltkrieg hinein als Mitglieder geführt zu haben, scheint sich nicht gern an sie zu erinnern. Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil mit ihrem Leben und Sterben die Erinnerung daran verbunden ist, daß es Sozialdemokraten waren, die damals reaktionärem Militär Schießfreiheit gegen ihre eigenen Klassengenossen gegeben haben. Und mit der Erinnerung an die Toten werden auch die politischen Erkenntnisse verdrängt, die aus dem Schicksal einer Republik zu ziehen wären, die sich mit ihren Feinden verbündete. I
Nach Mitteilungen des Stadtarchivs Berlin; Berlin, Marx-Engels-Platz 7.
Bibliothek Suhrkamp
165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 181 182 184 185 186 188 '90 '91 192 193 194 '95 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209
Joseph Roth , Das falsche Gewicht Tage Aurell, Martina. Erzählung Sherwood Anderson, Dunkles Lachen. Roman Slavko Kolar, Das Narrenhaus. Erzählung Tarjei Vesaas, Nachtwache. Roman Georges Poulet, Mareel Proust. Essays Jean Coeteau, Kinder der Nacht. Roman Carlos Droguett, Eloy. Roman Hjalmar Söderberg, Doktor Glas. Roman Hugo von Hofmannsthai, Gedichte und kleine Dramen Jean-Paul Sartre, Die Kindheit eines Chefs. Erzählung Witold Gombrowiez, Die Ratte. Erzählungen Seumas O'Kelly, Das Grab des Webers. Erzählung Jaroslaw Iwaszkiewiez, Heydenreich. Mephisto-Walzer Georg Heym, Gedichte Hermann Hesse, Der vierte Lebenslauf Josef Knechts. Zwei Fassungen Wladimir Majakovskij, Politische Poesie Rainer Maria Rilke, Ausgewählte Gedichte Tommaso Landolfi, Erzählungen Anna Seghers, Wiedereinfühurng der Sklaverei in Guadeloupe Ivan Olbracht, Wunder mit Julka Uon-Paul Fargue, Der Wanderer durch Paris Wright Morris, Die gläserne Insel. Roman Christian Branner, Erzählungen Aime Cesaire, Zurück ins Land der Geburt. Zweisprachig Italo Svevo, Vom guten alten Herrn und vom schönen Mädchen J. M. Synge, Drei Stücke Willy Kyrklund, Meister Ma Henry Miller, Das Lächeln am Fuße der Leiter. Erzählung Hermann Broch, Demeter. Romanfragment James Joyee, Dubliner. Kurzgeschichten Philippe Soupault, Der Neger. Roman Gottfried Benn, Weinhaus Wolf Veijo Meri, Der Töter und andere Erzählungen Hermann Broch, Die Erzählung der Magd Zerline Jean-Jaeques Mayoux, Joyee Bertolt Brecht, Turandot Leszek Kolakowski, Der Himmelsschlüssel Sylvia Plath, Die Glasglocke Heinrich Mann, Politische Schriften
edition suhrkamp
224
225 226 194 Tadeusz R6iewicz, Schild aus Spinngeweb. Aufzeichnungen aus der
227
Werkstatt Institutionen in primitiven Gesellschaften. Acht Vorträge Deutsche und Juden. Von Baron, Gerstenmaier, Goldmann, Jaspers, Mann und Scholem Jurij Tynjanov, Die literarischen Kunstmittel und die Evolution in der Literatur Joscf W. Janker, Aufenthalte. Sechs Berichte Klaus Horn, Dressur oder Erziehung. Schlagrituale und ihre gesellschaftliche Funktion Vha Linhartova, Diskurs über den Lift Theodor W. Adorno, Ohne Leitbild. Parva Aesthetica Paul van Ostaijen, Grotesken Hans Magnus Enzensberger, Deutschland, Deutschland unter anderm. Außerungen zur Politik Germanistik - eine deutsche Wissenschaft. Beiträge von Eberhard Lämmert, Walter Killy, Karl Otto Conrady und Peter v. Polenz Manin Walser, Der Abstecher / Die Zimmerschlacht Axel J ensen , Epp. Erzählung Bertrand RusselI, Probleme der Philosophie Milo, Crnjanski , Kommentare zu ,Ithaka , Max Frisch, Offentlichkeit als Partner. Reden Otto Vossler, Die Revolution von 1848 in Deutschland I van Vyskol'il , Knochen. Gesd,ichten Olof Lagercrantz, Versuch über die Lyrik der Nelly Sachs Thomas Bernhard, Prosa Rudolf Augstein, Meinungen zu Deutschland Arnold Wesker, Die Trilogie. Hühnersuppe mit Graupen / Tag für Tag / Nächstes Jahr in Jerusalem Stanislaus Joyce, Dubliner Tagebuch Hans Magnus Enzensberger, Blindenschrift Roland Barthes, Kritik und Wahrheit Manfred Wekwenh, Notate . über die Arbeit des Berliner Ensembles 1956 bis 1966 Otto Kirchheimer, Politische Herrschaft. Fünf Beiträge zur Lehre vom Staat Jacques Hamelink, Horror vacui. Erzählungen Werner Hofmann, Stalinismus und Antikommunismus. Zur Soziologie des Ost-West-Konflikts Francis Ponge, Texte zur Kunst
228
195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206
207 208 209 210 211 212
213 214
215 216
217 21 8
219 220 221 222
22}
23 0 23 1 232
233
234
235 23 6 237 23 8
239
Dolf Sternberger, ,Ich wünschte ein Büregr zu sein.' Neun Versuche über den Staat Marek Nowakowski, Kopf und andere Erzählungen Folgen einer Theorie. Essays über ,Das Kapital , von Marx Robert Creeley, Gedichte. Zweisprachig Peter Gäng / Reimut Reiche, Modelle der kolonialen Revolution. Beschreibung und Dokumente Jan Mukarovsky, Kapitel aus der Poetik Kenneth Burke, Die Rhetorik in Hitlers ,Mein Kampf, und andere Essays zur Strategie der überredung Materialien zu Peter Weiss' ,Marat/Sade< Elisabeth Hannover-Drück/Heinrich Hannover, Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dokumentation eines politischen Verbrechens Ror Wolf, Pilzer und Pelzer. Eine Abenteuerserie Vithslav Nezval, Ausgewählte Gedichte Wolfgang Haug, Der hilflose Antifaschismus Alexander Mitscherlich, Krankheit als Konflikt 2 Mirko Koval', Meine Schwester Elida. Romall Gabriel Kolko, Besitz und Macht. Sozialstruktur und Einkommensverteilung in den USA Daniel Guerin, Anarchismus. Begriff und Praxis Rudolph M. Loewenstein, P sy choanaly se des Antisemitismus Antonio Di BenedeIto, Stille. Erzählung Heide Berndt, Alfred Lorenzer, Klaus Horn , Architektur als Ideologie Claudio Napoleoni, Grundzüge der modernen ökonomischen Theorien Bertolt Brecht, Leben Eduards des Zweiten von England . Vorlage, Texte und Materialien Bertolt Brecht, Im Dickicht der Städte. Erstfassungen und Materialien Materialien zu Bertolt Brechts ,De r gute Mensch von Sezuan , Bertolt Brecht, Baal. Der böse Baal der asoziale. Texte, Varianten, Materialien
249 über Theodor W. Adorno 250 über Walter Benjamin 251 über Ernst Bloch
252 über Ludwig Wittgenstein 253 Helmut Böhme, Prolegomena zu einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Deutschlands 254 Nell Dunn, Leben in Battersea. Sechzehn Geschichten 255 Jürgen Horlemann, Modelle der kolonialen Konterrevolution.
Beschreibung und Dokumente Bohumil Hrabal, Reise nach. Sondervorschrift, Zuglauf überwacht. Neue Erzählungm
Alphabetisches Verzeichnis der edition suhrkamp
Abendroth, Sozialgeschichte 106 Adorno, Drei Studien zu Hegel 38 Adorno, Eingriffe 10 Adorno, Jargon der Eigentlichk. 91 Adorno, Moments musieaux 54 Adorno, Ohne Leitbild 201 Ober Theodor W. Adorno 249 Andersch, Die Blindheit 133 Architektur als Ideologie 24} Augstein, Meinungen 214 Baran, Unterdrückung 179 Barthes, Kritik und Wahrheit 218 Barthes, Mythen des Alltags 92 Baudelaire, Tableaux Parisiens 34 Baumgart, Literatur f. Zeitgen. 186 Becker, Felder 61 Beckett, Aus einem Werk 145 Beckett, Fin de partie· Endspiel 96 Beckett, Warten auf Godot } Benjamin, Das Kunstwerk 28 Benjamin, Kritik der Gewalt 103 Benjamin, Städtebilder 17 Benjamin, Versuche über Brecht 172 Ober Walter Benjamin 250 Bergman, Wilde Erdbeeren 79 Bernhard, Amras 142 Bernhard, Prosa 2 I} Bloch, Avieenna 22 Bloch, Christian Thomasius I9} Bloch, Durch die Wüste 74 Bloch, Tübinger Einleitung I I I Bloch, Tübinger Einleitung II 58 Ober Ernst Bloch 251 Block, Ausgewählte Aufsätze 71 Blumenberg, Wende I}8 Böhme, Soz.-u. Wirtschaftsgesch. 253 Brandys, Granada 167 Brecht, Antigone / Materialien 134 Brecht, Arturo Ui 144 Brecht, Ausgewählte Gedichte 86 Brecht, Baal 170 Brecht, Baal der asoziale 248 Brecht, Der gute Mensch 73 Materialien zu ,Der gute Mensch< 2-47
Brecht, Die heilige Johanna I I} Brecht, Die Tage der Commune 169 Brecht, Gedichte aus Stücken 9 Brecht, Herr Puntila 105 Brecht, Im Dickicht 246 Brecht, Jasager - Neinsager 171 Brecht, Kaukasischer Kreidekreis 3 I Materialien zum ,Kreidekreis< 155 Brecht, Leben des Galilei I Materialien zu Brechts ,Galilei< 44 Brecht, Leben Eduards II. 245 Brecht, Mahagonny 2 I Brecht, Mutter Courage 49 Materialien zu Brechts ,Courage< 50 Brecht, Schweyk 132 Brecht, Ober Lyrik 70 Brooks, Paradoxie im Gedicht 124 Brudzinski, Katzenjammer 162 Burke, Dichtung I5} Burke, Rhetorik 2}I Cree!ey, Gedichte 227 Crntevic, Staatsexamen 192 Crnjanski, Ithaka 208 Dalmas, schreiben 104 Davico, Gedichte 136 Deutsche und Juden 196 Di Benedetto, Stille 242 Dobb, Organis. Kapitalismus 166 Dunn, Battersea 254 Duras, Ganze Tage in Bäumen 80 Duras, Hiroshima mon amour 26 Eich, Botschaften des Regens 48 Eich, Mädchen aus Viterbo 60 Eich, Settlbal / Lazertis 5 Eich, Unter Wasser 89 Eichenbaum, Aufsätze II9 Eliot, Die Cocktail Party 98 Eliot, Der Familientag 152 Eliot, Mord im Dom 8 Eliot, Staatsmann 69 Eliot, Was ist ein Klassiker? 33 Enzensberger, Blindenschrift 217 Enzensberger, Deutschland 20} Enzensberger, Einzelheiten I 6}
Enzensberger, Einzelheiten II 87 Enzensberger, Gedichte 20 Eschenburg, Ober Autorität 129 Existentialismus und Marxismus 116 Filho, Corpo vivo 158 Folgen einer Theorie 226 Formalismus '9' Franzen, Aufklärung 66 Frisch, Ausgewählte Prosa }6 Frisch, Biedermann 4 I Frisch, Chinesische Mauer 65 Frisch, Don Juan 4 Frisch, Frühe Stücke 154 Frisch, Graf Oderland }2 Frisch, Offendichkeit 209 Frisch, Zürich - Transit 161 Gäng / Reiche, Revolution 228 Germanistik 204 G rass, Hochwasser 40 Gründgens, Theater 46 Guerin, Anarchismus 240 Guggenheimer, Alles Theater 150 Haavikko, Jahre II 5 Hacks, Stücke nach Stücken 122 Hacks, Zwei Bearbeitungen 47 Hamelink, Horror vaeui 221 Handke, Publikumsbeschimpf. 177 Hannover, Rosa Luxemburg 233 Haug, Antifaschismus 2}6 Heller, Nietzsche 67 Heller, Studien zur Literatur 42 Herbert, Ein Barbar im Garten II I Herbert, Gedichte 88 Hesse, Geheimnisse 52 Hesse, Späte Prosa 2 Hesse, Traetat vom Steppenwolf 84 Hildesheimer, Das Opfer Helena I I 8 Hildesheimer, Die Verspätung 13 Hildesheimer, Mozart / Beckett 190 Hildesheimer, Nachtstück 2} Hildesheimer, Walsers Raben 77 Hofmann, Stalinismus 222 Höllerer, Gedichte 8} Horlemann / Gäng, Vietnam 173 Horlcmann, Konterrevolution 255 Horn, Dressur oder Erziehung 199 Hrabal, Tanzstunden 126 Hrabal, Die Baner 180
Hrabal, Zuglauf überwacht 256 Huppert, Majakovskij 182 Hyry, Erzählungen 1}7 Institutioneni. primit. Gesellsch. 195 Janker, Aufenthalte 198 Jensen, Epp 206 Johnson, Karsch 59 J ohnson, Das dri tte Buch 100 Joyee, Dubliner Tagebuch 216 Juhasz, Gedichte 168 Kasack, Das unbekannte Ziel 35 Kaschnitz, Beschreibung 188 Kipphardt, Hund des Generals 14 Kipphardt, Joe! Brand 1}9 Kipphardt, Oppenheimer 64 Kirchheimer, Polit. Herrschaft 220 Kirchheimer, Politik u. Verfass. 95 Kolko, Besitz und Macht 2}9 Kovat, Schwester Elida 2}8 Kraeauer, Straßen in Berlin 72 Kritik der reinen Toleranz 181 Krolow, Ausgewählte Gedichte 24 Krolow, Landschaften für mich 146 Krolow, Schattengefecht 78 Lagererantz, Nelly Sachs 212 Lange, Marski 107 Lefebvre, Marxismus 99 Lefebvre, Materialismus 160 Levi-Strauss, Totemismus 128 Linhartova, Diskurs 200 Linhartova, Geschichten 141 Locwcnsteio, Antisemitismus 241 Majakovskij, Verse 62 Mandy, Erzählungen 176 Mareuse, Kultur u. Gesellsch. I 101 Mareuse, Kultur u. Gesellsch. II 135 Mayer, Anmerkungen zu Brecht 143 Mayer, Anmerkungen zu Wagner 189 Mayoux, Ober Beckett 157 Merleau-Ponty, Humanismus I 147 Merleau-Ponty, Humanismus II 148 Michclsen, Drei Akte / Helm 140 Michelsen, Stienz / Lappschiess }9 Michiels, Das Buch Alpha 121 Mitscherlich, Krankheit I 164 Mitscherlich, Krankheit II 2}7 Mitscherlich, Unwirtlichkeit I2} Moore, Geschichte der Gewalt 187
Müller, Philoktet / Herakles 5 163 Münchner Räterepublik 178 Mukarovsky, Poetik 230 Napoleoni, Okonom. Theorien 244 Nezval, Gedichte 235 Nossack, Das Mal u. a. Erzähl. 97 Nossack, Das Testament 1'7 Nossack, Der Untergang '9 Nossack, Der Neugierige 45 Nossack, Literatur 156 Nowakowski, Kopf 225 Obaldia, Wind in den Zweigen 159 Olson, Gedichte 112 Ostaijen, Grotesken 202 Penzoldt, Zugänge 6 Pinget, Monsieur Mortin 185 Plädoyer f. d. Abschaff. d. § 175 175 Ponge, Texte zur Kunst 223 Priee, Ein langes Leben 120 Proust, Tage des Lesens 37 Queneau, Mein Freund Pierrot 76 Queneau, Zazie in der Metro 29 Riesman, Freud 110 Ritter, Hegel "4 Roehler, Ein angeschw. Mann 165 Romanowiezowa, Der Zug 93 R6:i:ewiez, Schild a. Spinngeweb 194 RusselI, Probleme d. Philosophie 207 Sachs, Ausgewählte Gedichte 18 Sachs, Das Leiden Israels 5 I Schklowskij, Zoo 130 Schklowskij, Schriften zum Film 174 Schnurre, Kassiber/Neue Gedichte 94 Schram, Die perm. Revolution 151 Shaw, Cäsar und Cleopatra 102 Shaw, Die heilige Johanna 127
Shaw, Der Katechismus 75 Sternberger, Bürger 224 Strindberg, Ein Traumspiel 25 Szondi, Theorie des mod. Dramas 27 Tardieu, Museum 131 Tumler, Abschied 57 Tumler, Volterra 108 Tynjanov, Literar. Kunstmittel 197 Vossler, Revolution von 1848 210 Vyskocil, Knochen 211 Wald mann, Atlantis 15 Walser, Abstecher / ZimmerschI. 205 Walser, Der schwarze Schwan 90 Walser, Eiche und Angora 16 Walser, Ein Flugzeug 30 Walser, Leseerfahrung 109 Walser, Lügengeschichten 81 Walser, überlebensgroß Krott 55 Weiss, Abschied von den Eltern 85 Weiss, Fluchtpunkt 125 Weiss, Gespräch 7 Weiss, Jean Paul Marat 68 Materialien zu >Marat/Sade< 232 Weiss, Schatten des Körpers 53 Wekwerth, Notate 219 Wcllek, Konfrontationen 82 Wesker, Trilogie 215 Wispelaere, So hat es begonnen 149 Wittgenstein, Traetatus 12 über Ludwig Wittgenstein 252 Wolf, Pilzer und Pelzer 234 Wosnessenskij, Dreieckige Birne 43 Wünsche, Der Unbelehrbare 56 Wünsche, J erusalem 183 Zahn, Amerikan. Zeitgenossen 184