ФЕДЕРАЛЬНОЕ АГЕНТСТВО ПО ОБРАЗОВАНИЮ ГОСУДАРСТВЕННОЕ ОБРАЗОВАТЕЛЬНОЕ УЧРЕЖДЕНИЕ ВЫСШЕГО ПРОФЕССИОНАЛЬНОГО ОБРАЗОВАНИЯ «ВОРОНЕЖСКИЙ ГОСУДАРСТВЕННЫЙ УНИВЕРСИТЕТ»
DER MARKT ALS REFERENZSYSTEM Учебно-методическое пособие для вузов Составитель Л.М. Борисова
Издательско-полиграфический центр Воронежского государственного университета 2007
Утверждено научно-методическим советом факультета романо-германской филологии 12 декабря 2006 г., протокол № 10
Рецензент канд. пед. наук, доц. каф. немецкой филологии М.В. Щербакова
Учебно-методическое пособие подготовлено на кафедре немецкого языка факультета РГФ Воронежского государственного университета. Пособие содержит аутентичные тексты, отражающие специфику современной социально-рыночной экономики Германии, механизмы функционирования рынка в условиях глобализации. Текстовой материал снабжен коммуникативными упражнениями, развивающими различные навыки извлечения информации из текстов для дальнейшей их интерпретации. Рекомендуется для студентов 2 курса экономического факультета д/о в рамках самостоятельного обучения.
Для специальностей: 080100 – Экономика; 080500 – Менеджмент
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Text 1 Der Koordinationsmechanismus «Markt» 1.1. «Was ist der Markt?» Dem «Markt» kommt im ökonomischen Denken ein zentraler Stellenwert zu. Das moderne Verständnis des Konzepts des Marktes kann durchaus als eine Ausweitung des traditionellen Wochen- oder Bauernmarktes aufgefasst werden, auf dem Anbieter und Nachfrager zusammenkommen, um Güter zu tauschen. Ganz allgemein versteht man unter einem Markt sämtliche Austauschprozesse, die aus dem Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern (Akteuren) erwachsen. Bei den Marktakteuren kann es sich sowohl um einzelne Personen als auch um Organisationen bzw. Kollektive (Haushalte, Unternehmen) handeln. Anders als auf einem traditionellen Markt, wo sich Anbieter und Nachfrager an einem bestimmten Ort treffen, können sich die Akteure während der Markttransaktion allerdings auch räumlich weit voneinander entfernt aufhalten, wie dies etwa beim Versandhandel, bei Devisengeschäften per Telefon oder dem Computerhandel von Wertpapieren der Fall ist. Auch müssen Leistung und Gegenleistung nicht zwangsläufig simultan erfolgen, sondern können zeitlich versetzt stattfinden (Beispiel: Garantie- oder Versicherungsleistungen, für die im Vorhinein bezahlt wird). Märkte (oder genauer; Marktprozesse) lassen sich in nahezu allen Lebensbereichen beobachten, in denen Akteure über Freiheitsspielräume verfügen und versuchen, diese Freiheitsspielräume durch Eingehen von Austauschbeziehungen zur Erreichung ihrer eigenen Ziele (= Vorstellungen über erwünschte Daseinszustände) zu nutzen. Marktprozesse finden statt, weil sie es den Akteuren ermöglichen, ihre Ziele durch Spezialisierung und Tausch besser zu realisieren, als sie dies könnten, wenn sie ausschließlich auf sich selbst gestellt wären (z.B. etwas produzieren, wozu sie gar nicht oder nur unzureichend in der Lage sind). Nach dem modernen Ökonomischen Verständnis sind Marktprozesse keineswegs auf die rein wirtschaftliche Sphäre des Daseins beschränkt. Begriffe wie «Heiratsmarkt» oder «Parteienkonkurrenz» deuten daraufhin, dass es durchaus möglich und sinnvoll sein kann, soziale Phänomene außerhalb des rein wirtschaftlichen Bereichs als Austauschprozesse rational egennützig handelnder Akteure zu interpretieren. Märkte sind untrennbar mit Wettbewerb bzw. Konkurrenz hinsichtlich der Nutzung knapper Güter verbunden: Denn da sich die Akteure im Allgemeinen nicht mit dem bescheiden, was angesichts begrenzter Ressourcen alle in gleicher Weise haben könnten, stehen sie bei dem Versuch der Realisierung eigener Ziele notwendig in Konflikt zu anderen Akteuren, die dieselben Güter beanspruchen. Diese Konkurrenz schlägt sich dann in den Austauschverhältnissen der Güter, den Preisen, nieder. Der Preis eines Gutes ist ein Indikator für seine Knappheit, gemessen an den verfügbaren Mengen und der auf diese Mengen gerichteten Nachfrage aller Akteure. Er gibt an, auf welche Menge anderer Güter man verzichten muss, um eine Einheit des nachgefragten Gutes zu erlangen. 3
Wichtig ist insbesondere der dynamische Charakter dessen, was Ökonomen unter dem Begriff «Markt» verstehen. Sie kennzeichnen damit insbesondere einen wettbewerblichen Prozess, der mit Konkurrenz um knappe Güter und ausgeprägten Anreizen zu Leistungssteigerungen verbunden ist. Diese Leistungsanreize stellen in der Regel einen entscheidenden Vorteil einer marktwirtschaftlichen Steuerung der Wirtschaft gegenüber alternativen Organisationsformen der Wirtschaft dar. Die Funktionsweise des Marktes wird gelegentlich mit dem Bild vom Wirken einer ,unsichtbaren Hand’ umschrieben. Damit soll hervorgehoben werden, dass ein funktionierender Markt die individuellen Handlungen und Entscheidungen in einer Weise koordiniert, die keiner Lenkung durch eine zentrale Instanz bedarf. Weil die Koordination durch den Markt ohne jede kollektive Steuerung über eine Vielzahl von individuellen Anpassungsprozessen abläuft, wird er auch als ein spontanes (d.h. von niemandem als Ganzes geplantes) Entdeckungsverfahren gekennzeichnet. Entdeckt wird dabei nicht nur der jeweils beste Zustand des Gemeinwohls, sondern entdeckt werden auch technisch-organisatorische Möglichkeiten, diesen Zustand zu verbessern. Die Sicht des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren betont insbesondere den dynamischen Charakter von Marktprozessen. Den Gegensatz zur marktlichen Koordination stellt die Lenkung durch Anweisung im Rahmen einer Hierarchie dar. Die Leistungserbringung innerhalb eines Unternehmens oder die Bereitstellung bestimmter Güter durch den Staat (z.B. von Einrichtungen der Straßen Infrastruktur, im Bereich der öffentlichen Verwaltung etc.) erfolgt in der Regel durch eine solche zentral-bürokratische Steuerung. In ihrer jeweils ,reinen’ Ausprägung stellen Markt und Hierarchie Extremformen der Organisation der Leistungserstellung dar. Zwischen diesen Extremen existiert ein weites Spektrum an Mischformen, in denen beide Koordinationsprinzipien kombiniert gelten. Beantworten Sie die Fragen 1. Wie läßt sich das moderne Verständnis des Konzepts des Marktes auffassen? 2. Was erfolgt auf einem traditionellem Markt? 3. Wie erfolgen moderne Markttransaktionen? 4. Wo lassen sich Marktprozesse beobachten? 5. Warum sind Märkte mit dem Wettbewerb verbunden? 6. Was ist der Preis eines Gutes? 7. Was ist der entscheidende Vorteil einer marktwirtschaftlichen Steuerung der Wirtschaft? 8. Wie läßt sich die Funktionsweise des Marktes beschreiben?
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Text 2 Was wird auf einem Markt getauscht? Wenn man sagt, dass auf Märkten Güter bzw. Dienstleistungen getauscht werden, so ist dies nur eine sehr unscharfe Beschreibung des Gegenstandes der Transaktionen. Beispielsweise findet ja nicht selten – etwa auf Warenterminmärkten – ein Tausch im physischen Sinne gar nicht statt. Was im Grunde auf Märkten transferiert wird, sind Verfügungsrechte (Property-Rights), wobei sich solche Verfügungsrechte auf unterschiedliche Sachverhalte beziehen können. Die sich unmittelbar aufdrängende Übersetzung des englischen Begriffes «Property-Rights» mit «Eigentumsrechte» ist zu eng, da Verfügungsrechte nicht notwendig an Eigentumsrechte gebunden sind und Eigentumsrechte nicht notwendig alle denkbaren Verfügungsrechte umfassen. Beispielsweise schließl das Eigentumsrecht an einem Auto nicht das Property-Right des Autofahrers ein, öffentliche Straßen zu benutzen; Eigentum an einer Wohnung berechtigt nicht dazu, uneingeschränkt über diese zu verfügen (also etwa die Mieter nach Belieben zu kündigen). In Anlehnung an den in der Rechtswissenschaft üblichen Sprachgebrauch lassen sich vier Gruppen von Verfügungsrechten (Property-Rights) unterscheiden, nämlich: • Rechte, welche die Art der Nutzung eines Gutes betreffen (Usus); beispielsweise das Recht, ein Gut zu gebrauchen und den Rest der Welt vom Gebrauch auszuschließen. • Rechte, formale oder materielle Veränderung an einem Gut vorzunehmen (Ab Usus). • Rechte der Aneignung von Gewinnen und Verlusten, die durch die Nutzung des Gutes entstehen (so genannte «Fruchtziehungsrechte», Usus Fructus). • Rechte zur vollständigen oder teilweisen Veräußerung oder Übertragung des Gutes an Dritte (etwa durch Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder Verschenken). Die Verfügungsrechte an einem Gut setzen sich aus diesen vier Typen von Property-Rights zusammen. Dabei ist das Ausmaß dieser Verfügungsrechte durch die Rechtsordnung begrenzt. Beispiel PKW: Die Verfügungsrechte über einen PKW sind sehr vielgestaltig. Das Eigentum an einem PKW berechtigt zum Fahren dieses Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (Nutzungsrecht), jedoch nur dann, wenn der Fahrer im Besitz eines gültigen Führerscheins ist und die Verkehrsregeln beachtet. Der PKW-Eigentümer kann das Fahrzeug mit einem stärkeren Motor versehen (Recht zur Änderung von Form und Substanz), muss jedoch zur Nutzung auf öffentlichen Straßen den Nachweis der Verkehrssicherheit (TÜV-Zulassung) erbringen. Mit Hilfe des Fahrzeuges Erträge aus der Personenbeförderung, etwa durch Nutzung als Taxi, zu ziehen setzt eine spezielle Zulassung (Fruchtziehungsrecht) voraus, für deren Erteilung der Nachweis besonderer 5
Ortskenntnis des Fahrers verlangt wird (Personenbeförderungsschein). Der Eigentümer eines PKWs kann sein Fahrzeug vermieten, verkaufen, verschenken oder vererben, unterliegt hierbei aber u.U. der Steuerpflicht (Einkommen-, Umsatz-, Schenkung bzw. Erbschaftsteuer). Beispiel Grundstück: Grundstückseigentum berechtigt nicht zur unbeschränkten Nutzung des betreffenden Areals. So muss etwa für eine Verwendung als Gewerbefläche erst eine entsprechende Genehmigung eingeholt werden. Das Eigentum kann mit Wegerechten für andere Grundstücke (Recht auf Durchfahrt) verbunden sein. Die Bebauung wird durch die staatliche Flächennutzungsplanung und das Baurecht begrenzt. Ist ein Grundstück als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen, so ist der Eigentümer u.U. verpflichtet, mindestens einmal pro Jahr zu ernten oder zumindest zu mähen. Will man das Grundstück veräußern, so sind u.U. bestehende Vorkaufsrechte zu beachten. Auch die grundbuchrechtliche Teilung von Grundstücken ist durch staatliche Vorschriften reglementiert. Diese Typen von Verfügungsrechten oder Kombinationen davon können Gegenstand von Markttransaktionen sein. Beispielsweise wird bei einem Pachtvertrag über ein Grundstück das Nutzungsrecht für einen bestimmten Zeitraum übertragen. Ist die Nutzungsweise durch den Pächter nicht vertraglich oder gesetzlich beschränkt, so gehen auch die Fruchtziehungsrechte sowie die Rechte zur Vermietung (Untermietvertrag) und Verpachtung für den Zeitraum des Vertrages auf ihn über. Notwendige Voraussetzung für einen Tausch von Verfügungsrechten auf Märkten stellt die Definition dieser Rechte, verbunden mit der Möglichkeit zu ihrer Durchsetzung, dar. Denn ohne die Definition der betreffenden Verfügungsrechte wäre der Gegenstand der Transaktion unklar, und ohne die Durchsetzbarkeit von Rechten wäre wohl kaum jemand bereit, hierfür eine Gegenleistung zu erbringen. In einem Zustand ohne klar definierte und zu vertretbaren Kosten durchsetzbare Rechte (= Anarchie) würde kaum ein nennenswertes Ausmaß an Markttransaktionen zustande kommen. Verfügungsrechte können von den Privaten mehr oder weniger frei definiert werden, wobei der Staat häufig bestimmte Rahmenregelungen vorgibt, die diese Vertragsfreiheit begrenzen. Aufgabe des Staates ist es insbesondere, für die Existenz einer funktionsfähigen Zivilgerichtsbarkeit zu sorgen und so die Einhaltung der (staatlich definierten oder privat vereinbarten) Rechte sicher zu stellen, Markt und Staat stehen somit nicht zwangsläufig im Gegensatz zueinander, vielmehr setzt der durch einen bestimmten rechtlichen Rahmen geregelte Austausch auf einem Markt ein bestimmtes Mindestmaß an staatlicher Aktivität zur Überwachung der Einhaltung von bestehenden rechtlichen Regeln voraus. In diesem Sinne hat bereits der schottische Moralphilosoph Adam Smith (1723– 1790), einer der ,Väter’ der Nationalökonomie, betont, dass «die drohende Hand des Rechts» gut sichtbar sein muss, damit «die unsichtbare Hand des Marktes» funktioniert. 6
Der Nutzen eines Gutes und damit sein Preis wird entscheidend durch die damit verbundenen Verfügungsrechte bzw. Verwendungsmöglichkeiten bestimmt. Allgemein kann man sagen: Je größer das Spektrum der legalen Nutzungsmöglichkeiten eines Gutes und je nützlicher diese Handlungsmöglichkeiten für den einzelnen Akteur sind, desto höher ist der Preis, den die Nachfrager hierfür zu zahlen bereit sind (und umgekehrt). Hieraus folgt unmittelbar, dass Veränderungen der mit dem Eigentum an Gütern verbundenen Verfügungsrechte Auswirkungen auf die Austauschverhältnisse (die Marktpreise) haben. Beispiel Wohnttngsmarkt: Die Preise für mietfreie Eigentumswohnungen liegen in der Regel deutlich über denen für vermietete Eigentumswohnungen. Dies erklärt sich daraus, dass der Käufer einer vermieteten Eigentumswohnung ein Nutzungsrecht nur dann wahrnehmen kann, wenn bestimmte Voraussetzungen (etwa für eine Eigenbedarfs-Kündigung des Mieters) erfüllt sind, wobei der Gesetzgeber bestimmte einzuhakende Schutzfristen für den Mieter vorgibt. Wenn also beispielsweise die Kündigung vermieteter Eigentumswohnungen bei Eigenbedarf erleichtert wird, so ist zu erwarten, dass sich auf Grund dieser Erweiterung des Spektrums der zulässigen Handlungsmöglichkeiten der Marktpreis für vermietete Eigentumswohnungen erhöht; wird der Kündigungsschutz für die Mieter hingegen verstärkt, so stellt diese eine Einschränkung der Nutzungsrechte dar, die eine Tendenz zu Preissenkungen und zu einer Erhöhung der Preisdifferenz zwischen vermieteten und mietfreien Eigentumswohnungen zur Folge hat. Beispiel Arbeitsmarkt: Arbeitsverhältnisse unterliegen dem Arbeitsrecht, das u.a. bestimmte Kündigungsschutz-Regelungen umfasst. Je restriktiver die Bedingungen, unter denen ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen darf, um so zögerlicher wird er sich verhalten, wenn es um die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte geht. Beantworten Sie die Fragen 1. Was macht die Spezifik von Warenterminmärkten aus? 2. Wie lassen sich die Verfügungsrechte unterscheiden? 3. Was kann Gegenstand einer Transaktion werden? 4. Wie läßt sich die Aufgabe des Staates unter den Bedingungen der Marktwirtschaft definieren? Text 3 Was kostet die Inanspruchnahme des Marktes? Die Inanspruchnahme des Marktes ist mit bestimmten Aufwendungen verbunden, die man als Transaktionskosten bezeichnet. Sie umfassen jene Kosten, die mit jeder Austauschbeziehung, insbesondere mit dem Abschluss von Verträgen, verbunden sind. Die Einteilung der Transaktionskosten in die folgenden fünf Typen hat sich vielfach als analytisch zweckmäßig erwiesen: 7
• Anbahnungskosten; z.B. Ressourcenverzehr bei der Informationssuche und -beschaffung über potenzielle Transaktionspartner und deren Konditionen. • Vereinbarungskosten; dies sind solche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Intensität und zeitlicher Ausdehnung von Verhandlungen, Vertragsformulierung und Einigung entstehen. • Abwicklungskosten; also Aufwendungen, die mit der Durchführung der Transaktion verbunden sind, wie etwa Transport- und Managementkosten. • Kontrollkosten; etwa jene Kosten, die zur Sicherstellung der Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, Preis- und evtl. Geheimhaltungsvereinbarungen dienen. • Anpassungskosten; z.B. Aufwendungen zur Durchsetzung von Termin-, Qualitäts-, Mengen- und Preisänderungen auf Grund veränderter Bedingungen während der Laufzeit der Vereinbarung. Da die Anbahnungs- und die Vereinbarungskosten vor Beginn der Vertragslaufzeit anfallen, bezeichnet man sie auch als ex-ante-Transaktionskosten; die Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten stellen dementsprechend die ex-post-Transaktionskosten dar. Die Höhe der Transaktionskosten wird wesentlich von der Art der geltenden rechtlichen Regelungen und ihrer Durchsetzbarkeit bestimmt. Kann der Einzelne nicht darauf vertrauen, dass der Tauschpartner bestimmte Regeln einhalten wird, so fallen die Abwicklungs-, Kontroll- bzw. Vereinbarungskosten u.U. derart hoch aus, dass eine Transaktion nicht lohnt. Entsprechende Regeln, deren Einhaltung vom Staat überwacht wird, führen zu einer Reduktion solcher Transaktionskosten und machen somit viele Austauschbeziehungen erst vorteilhaft. Beispiele für solche staatlich überwachten Regeln sind das Strafrecht sowie das Eigentums- und das Vertragsrecht. Ohne die Setzung derartiger allgemeiner Regeln durch den Staat würden viele Formen der Zusammenarbeit bzw. des Austauschs zwischen autonomen Individuen an der Höhe der damit verbundenen Transaktionskosten scheitern. Je ausdifferenzierter und je angemessener der vom Staat vorgegebene rechtliche Rahmen ist, desto geringer fallen tendenziell die Transaktionskosten aus. Insbesondere bei Verträgen, wo Leistung und Gegenleistung nicht simultan, sondern verteilt über einen längeren Zeitraum erfolgen, ist es vielfach kaum möglich, alle möglichen und für das Vertragsverhältnis relevanten Entwicklungen im Vorhinein schriftlich mit hinreichender Genauigkeit zu regeln. Allein schon auf Grund der damit verbundenen Vereinbarungskosten sind reale Verträge häufig lückenhaft. Das Risiko, dass ein Akteur mit dem Abschluss derart unvollständiger Verträge auf sich nimmt, ist um so geringer, je stärker er auf einen funktionsfähigen rechtlichen Rahmen bauen kann, der bei solchen Vertragslücken für einen fairen Interessenausgleich sorgt. Beispiel: Für Käufer und Verkäufer eines Gutes wäre es sehr aufwändig, sämtliche Eventualitäten ihres Vertragsverhältnisses (Wann ist der Käufer zur Rückgabe der Ware berechtigt? Inwieweit haftet der Verkäufer für das Pro8
dukt?) explizit in einem Vertrag zu berücksichtigen. Durch die staatliche Vorgabe von «Normalkonditionen», die – sofern nichts anderes vereinbart wurde – solche Fragen regeln, verringern sich die Transaktionskosten (Vereinbarungs- kosten und Kontrollkosten) der Vertragspartner. Neben dem Staat können aber auch private Akteure durch Schaffung bestimmter Regeln bzw. Institutionen zur Senkung von Transaktionskosten beitragen. Beispielsweise verringert die Definition und Überwachung von Gütesiegeln zur Sicherstellung bestimmter qualitativer Eigenschaften von Gütern durch Verbände von Anbietern die Such- und Kontrollkosten für die Kunden. Viele Regelungen von Arbeitsverhältnissen sind zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden vereinbart und nicht staatlich vorgegeben. Beantworten Sie die Fragen 1. Wie werden die Transaktionskosten definiert? 2. Was sind die wichtigsten Typen von Transaktionskosten? 3. Wie können die Transaktionskosten verringert werden? Text 4 Markt versus Hierarchie? Akteure haben zwei polar gegensätzliche Alternativen, ein Gut zu erlangen: Sie können es über den Markt erwerben oder sie können – sofern sie dazu in der Lage sind – es selbst erstellen. Für Unternehmen beinhaltet dies die Entscheidung «Make or buy», also zwischen Eigenfertigung oder Fremdbezug. Beide Organisationsformen sind mit Transaktionskosten verbunden. Bei Eigenfertigung erfolgt die Koordination der Ressourcen durch interne Weisung, also im Rahmen einer Hierarchie. Neben den reinen Produktionskosten fallen hierbei insbesondere auch Aufwendungen für die unternehmensinterne Organisation der Leistungserstellung an (= interne Transaktionskosten). Rational handelnde Akteure werden sich immer dann für den Bezug eines Gutes über den Markt und gegen die interne Bereitstellung entscheiden, wenn dies für sie mit geringeren Kosten verbunden ist. Neben dem Preis des betreffenden Gutes sind dabei insbesondere auch die mit dem Erwerb über den Markt verbundenen Transaktionskosten zu berücksichtigen. Je niedriger die Transaktionskosten des Marktes, um so eher lohnt es sich für einen Akteur, die von ihm gewünschten Güter bzw. Dienstleistungen auf dem Markt zu erwerben anstatt sie selbst bereitzustellen. Die Höhe der Transaktionskosten bei Erwerb eines Gutes über den Markt wird wesentlich bestimmt durch: • Die Aufwendungen für die Identifikation eines geeigneten Transaktionspartners (betrifft die Anbahnungskosten). • Die geltenden rechtlichen Regelungen und die für ihre Durchsetzung erforderlichen Aufwendungen (betrifft die Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten). Beispielsweise ist der Rechtsrahmen für internationale Verträge 9
meist in deutlich geringerem Maße ausdifferenziert als für Austauschbeziehungen innerhalb eines Landes; die Durchsetzung der betreffenden Rechte ist mit relativ hohen Kosten verbunden, und allein schon die Erfordernis, sich über den anderen Rechtsrahmen zu informieren, bedeutet zusätzlichen Aufwand. Aus diesem Grunde werden die Unternehmen inländische Geschäftspartner c.p. vorziehen. Eine Erhöhung der Rechtssicherheit bei internationalen Verträgen oder die Angleichung des rechtlichen Rahmens in den verschiedenen Ländern verringert die Transaktionskosten für internationale Vereinbarungen und bewirkt tendenziell eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung. • Die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Transaktion mit einem Partner durchgeführt wird (betrifft die Anbahnungs- und Vereinbarungskosten). Bei einer Wiederholung der Transaktion müssen die Konditionen eventuell nicht vollständig neu ausgehandelt werden, so dass der Anteil der Transaktionskosten an den insgesamt anfallenden Aufwendungen mit der Anzahl der Wiederholungen sinkt. • Die Eigenschaften des betreffenden Gutes (betrifft die Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten). Bestimmte Güter sind deshalb nur schwer einer Transaktion über den Markt zugänglich, weil die Erfüllung der vereinbarten Leistung nur mit außerordentlich hohem Aufwand kontrolliert werden kann. Beispielsweise sind die Transaktionskosten für den Erwerb eines standardisierten Gutes gegen sofortige Bezahlung (etwa Tanken des Autos an einer Tankstelle) relativ gering. Der Erwerb von Dienstleistungen im Bereich von Forschung und Entwicklung über den Markt ist demgegenüber mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden, da das Ergebnis von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten nicht sicher prognostiziert werden kann und sich die entsprechende Leistung im Vorhinein nur entsprechend ungenau spezifizieren lässt. • Das Ausmaß spezifischer Aufwendungen und die Unsicherheit über das zukünftige Verhalten des Transaktionspartners (betrifft die Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten). Viele Austauschbeziehungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Leistung und Gegenleistung nicht vollständig simultan erfolgen. Tätigt ein Transaktionspartner im Vertrauen auf eine spätere Gegenleistung spezifische («irreversible») Aufwendungen, die in anderen Transaktionsbeziehungen ökonomisch wertlos oder deutlich weniger wert sind, so wird er erpressbar, sofern in dem entsprechenden Vertrag nicht sämtliche Details erschöpfend geregelt sind (so genanntes «Hold-up-Problem»). In solchen Konstellationen kommt dann der Unsicherheit über das zukünftige Verhalten des Transaktionspartners eine wesentliche Bedeutung zu. Muss man damit rechnen, dass der Transaktionspartner die durch spezifische Aufwendungen gegebenen Ausbeutungsspielräume ausnutzt, so wird man dazu neigen, die entsprechende Transaktion zu unterlassen. Diese Übersicht über verschiedene Bestimmungsfaktoren der Transaktionskosten macht deutlich, dass die Höhe der Transaktionskosten 10
sowohl vorn Staat als auch von den beteiligten Akteuren beeinflusst werden kann. Der Staat kann etwa dadurch für relativ niedrige Transaktionskosten von Austauschbeziehungen der Privaten sorgen, indem er einen zweckmäßigen rechtlichen Rahmen schafft und für kostengünstige Möglichkeiten zur Durchsetzung der Property-Rights sorgt. Gelingt es den Akteuren, die Unsicherheit über das zukünftige Verhalten tatsächlicher oder potenzieller Transaktionspartner abzubauen, so kann auch dies eine wesentliche Verringerung der Transaktionskosten bewirken. In der wirtschaftlichen Praxis finden sich diverse Beispiele für organisatorische Arrangements, bei deren Anwendung eine Nutzung des Marktmechanismus auch für unvollständig spezifizierte Verträge und/oder bei Notwedigkeit eines hohen Maßes an irreversiblen Aufwendungen ökonomisch vorteilhaft ist. Solche Arrangements lassen sich in der Regel als Kombination von ,reiner’ Marktsteuerung und Hierarchie auffassen. Man kennzeichnet derartige Mischformen auch als «hybrid». Beispiele für solche Mischformen von Marktsteuerung und hierarchischer Lenkung sind etwa: • Langfristige Rahmenverträge, in denen lediglich Grundprinzipien und nicht die konkreten Bedingungen für einen bestimmten Austausch geregelt sind, und die entsprechende Geschäftsbeziehungen mit anderen Partnern zulassen. • Kooperationsbeziehungen (z.B. im Bereich der Forschung- und Entwicklung, Kartelle, Strategische Allianzen). • Franchise-Systeme; der Franchise-Nehmer ist unter der Marke bzw. entsprechend dem Geschäftskonzept des Franchise-Gebers tätig und durch den Franchise-Geber in seinem Geschäftsgebaren beschränkt. • Gemeinsames Eigentum an bestimmten Produktionsmitteln z.B. im Rahmen einer Genossenschaft (nicht-gewinnorientiertes Gemeinschaftsunternehmen, dessen Eigentümer Transaktionspartner der Genossenschaft sind), gegenseitige Kapitalbeteiligung, die Gründung eines gemeinsamen Tochter-Unternehmens (Joint Venture) bei grundsätzlicher Wahrung der rechtlichen Selbstständigkeit. Je geringer die Transaktionskosten des Marktes, um so eher wird die Alternative «Markt» der internen Erstellung einer Leistung in einer «Hierarchie» vorgezogen und desto intensiver lassen sich die Vorteile einer Koordination über den Markt nutzen. Beantworten Sie die Fragen 1. Von wem kann die Höhe der Transaktionskosten beinflußt werden? 2. Wie kann sie beeinflußt werden? 3. Was versteht man unter Kombination von «reiner» Marktsteuerung und hierarchischer Lenkung?
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Text 5 Was soll der Markt leisten? Die Entdeckung, dass Marktprozesse dem Vorteil aller Beteiligten dienen können und dazu beitragen, die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu steigern, markiert die Geburtsstunde der modernen Volkswirtschaftslehre. Man verbindet diese Erkenntnis gewöhnlich mit dem Namen von Adam Smith und seinem 1776 erschienenen Werk «An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations», obwohl der belgische Arzt Bernard Mandeville in seiner berühmten, 1714 erschienenen Satire «Die Bienenfabel» zumindest das Grundprinzip der Wirkungsweise der ,un-sichtbaren Hand’ des Marktes schon Jahrzehnte vorher plastisch beschrieben hatte. Aus solchen Beschreibungen der Wirkungsweise von Marktprozessen ist das erwachsen, was man heute als «Funktionen des Wettbewerbs» bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um ,Aufgaben’, welche die Gesellschaft dem Markt zugeordnet hätte, sondern um erfahrungsgestützte Erwartungen über Verlaufsmuster, die funktionierenden Märkten eigen sind. Das nachfolgend dargestellte Schema umfasst die fünf wesentlichen Funktionen des Wettbewerbs und kann als (jedenfalls unter Ökonomen) allgemein anerkannt gelten. Demnach sollte ein funktionsfähiger Wettbewerb folgende Funktionen in zufrieden stellender Weise erfüllen. I. Verteilung der Markteinkommen entsprechend der Marktleistung. Dabei bestimmt sich die Marktleistung nach der Produktivität bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen bzw. nach der Zahlungsbereitschaft der auf die hergestellten Güter und Dienstleistungen gerichteten Nachfrage. Eine in diesem Sinne leistungsgerechte Entlohnung («Entlohnung nach dem Erfolg») bzw. die Verhinderung nicht-leistungsgerechter Einkommen wird deshalb als erstrebenswert angesehen, weil sie mit relativ stark ausgeprägten Anreizen zur Leistungssteigerung verbunden ist. Die funktionelle Einkommensverteilung nach der Marktleistung impliziert nicht zwangsläufig ein ethisches Gerechtigkeitsprinzip und macht verteilungspolitische Eingriffe des Staates nicht unbedingt überflüssig. Die mit dieser Form der Leistungsgerechtigkeit verbundenen effizienzfördernden Anreize führen aber dazu, dass die für solche Umverteilungsmaßnahmen zur Verfügung stehende Masse relativ groß ausfällt. Die Verteilung entsprechend der Marktleistung stellt eine Form der «kommutativen» Gerechtigkeit dar; Grundsätze der kommutativen Gerechtigkeit sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich allein auf die Regeln für das Zustandekommen eines bestimmten Ergebnisses beziehen, das Ergebnis selbst aber nicht thematisieren («Gerechtigkeit durch Verfahren»). Man bezeichnet sie auch als «Längsschnitt»-Grundsätze der Gerechtigkeit. Im Gegensatz dazu stehen Grundsätze der «distributiven» Gerechtigkeit, die allein das Ergebnis und nicht den zu Grunde liegenden Entstehungsprozess betrachten; sie werden auch als «Querschnittsgrundsätze» gekennzeichnet. II. Erstellung und Verteilung des Angebotes an Waren und Dienstleistungen entsprechend den Präferenzen der Konsumenten (Prinzip der Konsumenten12
souveränität). Hierdurch wird das Maß an individueller Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der jeweiligen Faktorausstattung und der jeweiligen Einkommensverteilung maximiert. III. Lenkung der Produktionsfaktoren in ihre jeweils produktivste Verwendungsmöglichkeit. Ein solcher Einsatz der Produktionsfaktoren minimiert – bei gegebenem Produktionsvolumen und gegebener Produktionstechnik – die Gesamtkosten der Produktion bzw. maximiert die mit einer bestimmten Faktorausstattung erzielbare Wertschöpfung. Man bezeichnet die Aufteilung der Produktionsfaktoren auf die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten als «Faktorallokation». IV. Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen (Anpassungsflexibilität). Die Wirtschaft soll sich durch den Wettbewerb derart an sich wandelnde Rahmenbedingungen (z.B. Veränderungen der Nachfragestruktur, der Produktionstechnik) anpassen, dass die drei zuerst genannten Aufgaben auch im Zeitablauf zufrieden stellend erfüllt sind. V. Förderung des technischen Fortschritts bei Produkten und Produktionsmethoden. Da technischer Fortschritt definitionsgemäß den Output bzw. das Niveau der Bedürfnisbefriedigung bei gegebenem Input erhöht, wird durch Steigerung des technischen Fortschritts auch das Wachstum der gesellschaftlichen Wohlfahrt beschleunigt. Neben diesen ökonomischen Funktionen wird dem Wettbewerb auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung zugesprochen (Freiheitsfunktion des Wettbewerbs). Märkte bzw. Wettbewerb sind untrennbar mit individueller Freiheit (= Abwesenheit von Zwang) verbunden. Denn Wettbewerb setzt das Vorhandensein von Handlungsalternativen, also von Freiheitsspielräumen (Freiheit zum Wettbewerb), voraus. Dies erfordert zum einen, dass die Marktteilnehmer Alternativen hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens haben. So muss etwa gewährleistet sein, dass ein Nachfrager wählen kann, ob er ein bestimmtes Gut kaufen will oder nicht, und dass Anbieter entscheiden können, ob sie ihr Leistungsangebot verändern wollen (indem sie beispielsweise Innovationen durchführen), ob sie den Preis für die von ihnen angebotenen Güter variieren oder ob sie aus dem Markt austreten (Freiheit im Parallelprozess). Zum anderen bedeutet Wettbewerb auch, dass die Akteure die Wahl zwischen mehreren Anbietern bzw. Nachfragern haben und somit über Ausweichmöglichkeiten verfügen (Freiheit im Austauschprozess). Insofern wird dem Wettbewerb auch die Aufgabe zugesprochen, den einzelnen Akteuren Freiheitsspielräume offen zu halten bzw. zusätzliche Freiheitsspielräume zu schaffen. Die Koordination von Angebot und Nachfrage auf einem Markt, der Wettbewerb, stellt einen dynamischen Prozess dar, dessen konkretes Ergebnis zu Beginn einer Periode nicht exakt prognostiziert werden kann. So lassen sich beispielsweise ex ante keine genauen Aussagen darüber machen, welcher Marktpreis sich einspielen wird, wie groß die zu diesem Preis abgesetzte Menge 13
ist, welche Marktanteile auf die einzelnen Anbieter entfallen, was für Güterqualitäten umgesetzt werden und welche Produktinnovationen erfolgreich sein werden und welche nicht. Denn erst mit der Kaufhandlung zeigt sich, ob ein bestimmtes Gut nachgefragt wird und welches der alternativen Angebote am vorteilhaftesten erscheint. Erst dann weiß ein Anbieter, ob er sein Angebot auch absetzen kann oder ob sich seine Konkurrenten durchsetzen. Was die besten Lösungen sind, müssen die Akteure im Verlauf des Marktprozesses erst durch Versuch und Irrtum herausfinden. Der Wettbewerb entscheidet, welche Güter, Ideen bzw. Unternehmen ökonomisch tragfähig sind und welche nicht. Wettbewerb stellt ein Entdeckungsverfahren, also einen Such- bzw. Lernprozess, dar, dessen genaues Ergebnis auf den dezentralen Entscheidungen der Marktakteure beruht und vor Ablauf dieses Prozesses unbekannt ist. Denn würde man das genaue Ergebnis dieses Suchprozesses im Vorhinein kennen, so wäre der Wettbewerb überflüssig. Es lassen sich allenfalls Muster-Voraussagen darüber machen, wie gut die angeführten Wettbewerbsfunktionen unter alternativen Bedingungen erfüllt werden. Aussagen dazu, welche konkrete Rate des technischen Fortschritts sich einstellen wird oder welche Gütermengen, Güterpreise und Güterqualitäten genau bereitgestellt werden, sind hingegen ex ante nicht möglich. Zu welchen konkreten Ergebnissen der Marktprozess führt, hängt von zahlreichen Umständen ab, wie etwa von • den Regeln, welche für die Ausübung wirtschaftlicher Aktivitäten gelten (z.B. dem Kartellrecht, dem Gesellschaftsrecht, dem Gewerberecht, dem Arbeitsrecht, dem Umweltrecht); • den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die einzelnen Akteure handeln (z.B. der Infrastmkturausstattung, der Geldversorgung, der Steuerbelastung); • den Fähigkeiten der Akteure (z.B. ihrer Qualifikation, ihrem finanziellen, technischen und organisatorischen Potenzial) sowie; • den Handlungszielen, denen die Akteure folgen. Alle genannten Umstände kann der Staat durch entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen zu beeinflussen versuchen. Die Marktergebnisse werden dadurch zwar verändert, aber der Marktmechanismus selbst wird grundsätzlich nicht anders funktionieren als ohne diese Maßnahmen. Beantworten Sie die Fragen 1. Was sind die Funktionen des Wettbewerbs? 2. Was wird unter Freiheit zum Wettbewerb verstanden? 3. Warum stellt derWettbewerb einen dynamischen Prozeß dar? 4. Von welchen Umständen hängt der Marktprozess ab?
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Text 6 Wie «moralisch» ist der Markt? Dem Koordinationsmechanismus «Markt» wird vielfach vorgeworfen, die in der Gesellschaft vorhandenen moralischen Grundsätze und Werte nicht oder nicht in ausreichendem Maße zu berücksichtigen. So lautet ein Einwand gegen die Marktwirtschaft, dass der Wettbewerb kaum soziales oder umweltfreundliches Verhalten erzeugen würde, weil sich solche Verhaltensweisen nicht im Einklang mk den eigennützigen, gewinnmaximierenden Zielen der Akteure befinden. Insofern könne man sich aus ethischen Gründen nicht (allein) auf den Marktmechanismus als gesellschaftliches Entscheidungsverfahren verlassen. M. a. W.: Der Marktmechanismus und die Durchsetzung von moralisch erwünschtem Verhalten können im Gegensatz zueinander stehen. Schon A. Smith hat hinsichtlich dieser Frage zwischen der Rahmen-Ordnung des Handelns und den Handlungen innerhalb einer solchen Rahmenordnung unterschieden. Handlungen eigennütziger Individuen werden wesentlich durch die Rahmenordnung, also die geltenden Regeln (Gesetze) und die vorhandenen Anreize, geprägt. Dies bedeutet, dass man das Handeln der Akteure durch geeignete Ausgestaltung der Rahmenordnung beeinflussen kann. Dementsprechend lässt sich moralisches Verhalten stimulieren, indem man unerwünschte Handlungsweisen verbietet bzw. verteuert und/oder moralisch erwünschtes Verhalten besonders belohnt. Sofern das moralisch erwünschte Verhalten für den einzelnen Akteur nicht von vornherein die günstigste Handlungsalternative darstellt, ist eine Verhaltensänderung nur dann zu erwarten, wenn die Rahmenordnung entsprechend modifiziert wird. Es bietet sich der Vergleich zum Verhalten in sportlichen Wettkämpfen an: Faires Verhalten kann von ehrgeizigen Wettkämpfern nur dann erwartet werden, wenn die Spielregeln unfaires Verhalten verbieten und diese Regeln mittels entsprechender Sanktionen (z.B. unter Einsatz eines Schiedsrichters) auch durchgesetzt werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so führt der Wettkampf zum Ergebnis, dass der bessere, und nicht etwa der sich unfair verhaltende Konkurrent gewinnt. Gelingt es der Wirtschaftspolitik in der Rahmenordnung des Handelns die geeigneten Anreize zu setzen, dann kann auch das Verhalten eigennützig motivierter Individuen im Marktprozess den jeweiligen Moralvorstellungen entsprechen. Für die Umsetzung moralischen Verhaltens durch Modifikation der Rahmenordnung sind jedoch Vorkehrungen zur Durchsetzung dieser Regeln erforderlich. Kann nämlich ein Anbieter durch die Missachtung einer nicht hinreichend durchgesetzten Regel Kosten einsparen, so erleiden diejenigen Konkurrenten, die sich an die betreffende Regel halten, einen Wettbewerbsnachteil. Dieser Nachteil zwingt sie dazu, sich diesem regelwidrigen Verhalten anzuschließen, denn bei Befolgung der Regel laufen sie Gefahr, aus dem Markt gedrängt zu werden. Moralische Motive der Marktakteure spielen freilich für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs eine allenfalls untergeordnete Rolle. Entscheidend sind vielmehr die 15
Regeln bzw. Anreize, die den eigennützig handelnden Individuen vorgegeben sind. Insofern bestätigt sich auch bei der Frage nach der Moral eine der berühmtesten Aussagen von Adam Smith: «Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen». Folglich sind solche Handlungen, die aus der Sicht der Gesellschaft als moralisch verwerflich gelten, nicht durch ,schlechte Menschen’ oder unzulässig eigennützige bzw. profitsüchtige Handlungsmotive bedingt, sondern Ergebnis von nicht zieladäquat ausgestalteten oder unzureichend durchgesetzten Regeln. Für die Wirtschaftpolitik folgt daraus, nicht an den Handlungsmotiven der Individuen (Präferenzen) anzusetzen, sondern die Rahmenbedingungen entsprechend zu verändern. Beispiel Umweltpolitik; Ein Appell an Unternehmen mit schadstoffintensiver Produktion, die Umweit zu schonen, ist solange wenig Erfolg versprechend, wie die Reduktion des Schadstoffausstoßes mit Kosten verbunden ist und der einzelne Emittent nicht davon ausgehen kann, dass seine Konkurrenten gleichzeitig ebenfalls ihren Schadstoffausstoß reduzieren. Nur wenn durch entsprechende staatliche Maßnahmen (z.B. Emisionsabgaben) sichergestellt ist, dass die Reduktion der Etmssionsmenge für das betreffende Unternehmen von Vorteil ist (etwa weil es wesentlich teurer wäre, die entsprechende Abgabe zu zahlen), kann mit einer wesentlichen Verringerung des Schadstoffausstoßes gerechnet werden. Beispiel Arbeitsmarktpolitik: Ein Aufruf an die Unternehmen, aus «sozialer Verantwortung» Arbeitskräfte einzustellen, und Arbeitslosigkeit zu reduzieren, muss dann folgenlos bleiben, wenn sich die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte nicht lohnt und ein Unternehmen bei Missachtung dieser ökonomischen Zwänge u. U. seine Überlebensfähigkeit aufs Spiel setzt. Erst wenn die Rahmenbedingungen die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte als ökonomisch vorteilhaft erscheinen lassen, ist ein entsprechendes Verhalten der Unternehmen zu erwarten. Im Ergebnis zeigt sich, dass der Markt für sich genommen ohne eine adäquat ausgestaltete Rahmenordnung, d.h. ohne Berücksichtigung moralischer Aspekte in der Rahmenordnung, wohl nicht dazu in der Lage ist, moralische Ansprüche und Wettbewerb zu harmonisieren. Um eine solche Übereinstimmung herbeizuführen, bedarf es der Berücksichtigung dieser Aspekte in der Rahmenordnung, indem man moralisch erwünschtes Handeln begünstigt und moralisch verwerfliches Handeln benachteiligt. Damit diese Regelungen auch ihre Wirkungen entfalten, müssen sie faktisch durchgesetzt werden. Sind diese Bedingungen erfüllt, so stehen Markt und Moral nicht im Widerspruch zueinander. Beantworten Sie die Fragen Was wird dem Koordinationsmechanismus «Markt» vorgeworfen? 16
Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Gemäß einer allgemeinen Definition liegt ein Markt immer dann vor, wenn eigennützig handelnde Akteure in Austauschbeziehungen zueinander treten, die nicht zentral geplant sind. Dabei ist der konkrete Gegenstand dieser Austauschbeziehungen weit gehend beliebig. Getauscht werden allerdings nicht die Güter oder Dienstleistungen an sich, sondern die entsprechenden Handlungsbzw. Verfügungsrechte (Property-Rights), die sich letztendlich aus der rechtlichen Rahmenordnung ableiten. Das Ausmaß dieser Handlungsrechte ist von wesentlicher Bedeutung für den Nutzen eines Gutes und damit für den Preis, der sich dafür am Markt erzielen lässt. Die Inanspruchnahme des Marktes ist mit Transaktionskosten verbunden. Die Höhe der Transaktionskosten hat Auswirkungen auf das Ausmaß an Arbeitsteilung zwischen den Akteuren (Individuen, Haushalten, Unternehmen): Je geringer die Transaktionskosten, desto vorteilhafter ist es, ein Gut auf dem Markt zu erwerben anstatt es selbst herzustellen. Der vom Staat vorgegebene rechtliche Rahmen, die für die Durchsetzung von Rechten erforderlichen Kosten, die Häufigkeit von Transaktionen mit einem bestimmten Partner sowie bestimmte Eigenschaften des betreffenden Gutes bzw. der betreffenden Leistung haben wesentliche Bedeutung für die Höhe der anfallenden Transaktionskosten. Allgemein unterscheidet man fünf Funktionen, die ein Markt erfüllen sollte, um als «funktionsfähig» zu gelten. Dabei handelt es sich um: • die Verteilung der Markteinkommen entsprechend der Marktleistung; • die Erstellung und Verteilung des Angebotes an Gütern und Dienstleistungen entsprechend den Konsumentenpräferenzen; • die Lenkung der Produktionsfaktoren in ihre jeweils produktivste Verwendungsmöglichkeit; • die Anpassung der Produktion an sich ändernde Rahmenbedingungen sowie; • die Förderung des technischen Fortschritts bei Produkten und Produktionsmethoden. Darüber hinaus soll der Wettbewerb individuelle Freiheitsspielräume schaffen bzw. offen halten. Da Wettbewerbsprozesse auf den dezentralen, individuellen Entscheidungen der Marktakteure beruhen, lässt sich das Marktergebnis nicht genau prognostizieren. Es wird vielmehr von den Marktteilnehmern im Verlauf des Wettbewerbs erst entdeckt («Wettbewerb als Endeckungsverfahren»). Inwieweit das Verhalten der Akteure bzw. das Marktergebnis ein bestimmten ethisch-moralischen Vorstellung entspricht, ist wesentlich von den rechtlichen Rahmenbedingungen bzw. den Anreizen der Marktteilnehmer abhängig; der Markt an sich hat keine «Moral». Will man das Marktergebnis in Übereinstimmung mit gesellschaftlichen Wertvorstellung bringen, so sollte man an den Rahmenbedingungen für individuelle Entscheidungen ansetzen.
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Übungsaufgaben 1. Stellen Sie dar, was unter einem Markt zu verstehen ist! In welcher Hinsicht stellt ein Wochen- oder Bauernmarkt nur einen Spezialfall eines Marktes dar? Was sind die dynamischen Aspekte des Marktes bzw. des Wettbewerbs? 2. Was sind Verfügungsrechte (Property-Rights)? Welche verschiedenen Formen von Property-Rights lassen sich unterscheiden? Verdeutlichen Sie diese verschiedenen Arten von Verfügungsrechten am Beispiel eines PKWs! 3. Wieso sind Property-Rights nicht mit Eigentumsrechten gleichzusetzen? Geben Sie ein Beispiel für ein Verfügungsrecht, das mehr umfasst als das Eigentum an einem Gut. 4. Erläutern Sie anhand von Beispielen, wie sich Veränderungen in der Definition von Property-Rights auf den Marktpreis auswirken! 5. Was für Aufwendungen subsumiert man unter dem Begriff der Transaktionskosten? Welche Arten von Transaktionskosten fallen vor Vertragsabschluss, welche Arten fallen nach Vertragsabschluss an? 6. Inwiefern hat die Art der herrschenden Property-Rights Auswirkungen auf die Transaktionskosten? Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Staat zu? 7. «Je niedriger die Transaktionskosten, desto geringer auch die Leistungstiefe bzw. der Grad an vertikaler Integration der Unternehmen!» Begründen Sie diese Aussage. 8. Erläutern Sie wesendiche Transaktionskosten abhängt.
Faktoren,
von
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die
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der
9. Was soll ein funktionsfähiger Wettbewerb in dynamischer Hinsicht leisten? 10. Wieso lassen sich Marktergebnisse nicht genau prognostizieren? Geben Sie Beispiele für Aspekte des Marktergebnisses, die sich einer genauen Prognose in der Regel entziehen! 11. Nehmen Sie Stellung zu dem Vorwurf, der Marktmechanismus vernachlässige als gesellschaftliches Entscheidungsverfahren ethisch-moralische Grundsätze! Erläutern Sie, wieso die Politik an den Rahmenbedingungen ansetzen sollte, wenn das Marktergebnis nicht den herrschenden ethischmoralischen Grundsätzen entspricht. 18
Literatur M. Fritsch, Th. Wein, H.-Jü. Ewers Marktversagen und Wirtschaftspolitik. Mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns. 5. Auflage, Verlag FranzVahlen München. – 2003. – 420 S.
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Учебное издание
DER MARKT ALS REFERENZSYSTEM Учебно-методическое пособие для вузов
Составитель Борисова Людмила Митрофановна
Подписано в печать 6.12.2007. Формат 60×84/16. Усл. печ. л. 1,2. Тираж 50 экз. Заказ 2474. Издательско-полиграфический центр Воронежского государственного университета. 394000, г. Воронеж, пл. им. Ленина, 10. Тел. 208-298, 598-026 (факс) http://www.ppc.vsu.ru; e-mail:
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