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“gescanned by Waldschrat“ “bearbeitet von Tecko“ Band 7
Das letzte Opfer Lautlos glitt der Drachensegler die Bergau...
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“gescanned by Waldschrat“ “bearbeitet von Tecko“ Band 7
Das letzte Opfer Lautlos glitt der Drachensegler die Bergausläufer entlang, deren schroffe Felsen aus den Nebelschwaden ragten wie die Klippen eines fremden Gestades. Matthew Drax wusste nicht, wie lange sie schon durch den feuchten Dunst schwebten. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, seit er mit Aruula von einem Alpengipfel aus gestartet war. Es bereitete dem ehemaligen Airforce – piloten erhebliche Mühe, das provisorische Fluggerät in der Luft zu halten. Immer wieder zerrten Fallwinde an den mit grobem Tuch bespannten Flügeln und ließen die Konstruktion bedenklich knarren. Schwankend ging es tiefer ins Tal hinab, bis zwischen den Nebelschwaden die Umrisse einiger Gebäude sichtbar wurden. Ein Dorf! Matthew wollte schon erleichtert aufatmen, als der Segler plötzlich in ein Luftloch geriet und wie ein Stein abstürzte!
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WAS BISHER GESCHAH
Durch die Druckwelle eines Kometen, der 2012 die Erde trifft, werden drei Jets in eine ferne Zukunft katapultiert Einer der Piloten ist Commander Matthew Drax, der von einem Barbarenstamm gerettet und von der Kriegerin Aruula, die leichte telepathische Fähigkeiten aufweist, gesund gepflegt wird Sie nennt ihn »Maddrax« Später trennt er sich mit ihr von der Horde und macht sich auf, seine fünf Kameraden zu suchen in einer Welt, in der Mutationen entstanden sind und die Menschheit in ein barbarisches Stadium zurückgefallen ist In Rom finden sie einen der Piloten Doch die »Gotter von Rooma« haben Captain Irvin Chester mit mutierten Fruchten in eine hirnlose Kampfmaschine verwandelt. Matt kann dem Kameraden nur noch einen gnadigen Tod gewahren Zuvor erfahrt er, dass sich Lieutenant Hank Williams nach Norden abgesetzt hat Nordwärts treffen sie auf von Affenmenschen verfolgte Menschen, Telepathen, die Matt zwingen, ihnen beizustehen Aruula, wegen ihrer Begabung gegen die Beeinflussung immun, erkennt, dass Matt zusehends zu einem Neandertaler degeneriert Die Sippe verursacht diese Veränderung! Sie bezieht ihre Kraft aus Splittern eines Kometenbruchstucks Offenbar liegt dann auch der Schlüssel zum Ruckfall der Menschheit in die Barbarei! Matthews Rettung ist ein direkter Kontakt mit dem Brocken, der ihn immunisiert In Mailand stoßen sie auf Matts Copiloten Jacob Smythe, der sich, wahnsinnig geworden, zum Konig der Nosfera aufgeschwungen hat, blutsaufender Mutanten Für Smythe aber sind sie Vampire, mit denen er die Weltherrschaft anstrebt Als Matt seine Plane durchkreuzt, stürzt Smythe sich in eine Monstergrube Mit einer Flugameise wollen Matt und Aruula die Alpen überqueren, stürzen aber in der weißen Holle ab und geraten m einen Krieg zwischen einem friedlichen Bergstamm, der eine heilkräftige Quelle hütet, und einer Armee unter dem Kommando General Alcams, der die Quelle in seinen Besitz bringen will Die beiden werden von Alcam getauscht und schlagen sich auf die Seite der Dörfler, denen sie zum Sieg verhelfen, bevor sie mit einem Drachensegler, den Matt zusammenbaut, weiter fliegen......
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Aruula, die unter Matt in der Konstruktion hing, schrie entsetzt auf. Matt hätte seiner Gefährtin gerne etwas Beruhigendes zugerufen, aber er war voll und ganz damit beschäftigt, das Fluggerät wieder auf Gleitkurs zu bringen. Doch so sehr er auch an den Lenkseilen zerrte, der Drachen trudelte in einer schnellen Abwärtsspirale hinab, genau auf eine grün bewachsene Ebene zu die so hart wie Beton sein würde, wenn sie in dieser Geschwindigkeit aufprallten. Kalter Angstschweiß bildete sich auf Matthews Stirn, als er sich der Hilflosigkeit ihrer Lage bewusst wurde. Trotzdem gab er nicht auf. Mit aller Kraft zog er an den Steuerungsleinen, bis ihm die rauen Seile in die Handflächen schnitten. Und endlich wurden seine Anstrengungen belohnt. Plötzlich erfasste sie ein starker Aufwind, der unter ihre Segel fuhr. Die Planen blähten sich schlagartig und rissen den Gleiter mit einem harten Ruck in die Höhe, so heftig, dass die Seile, mit denen Matt und Aruula festgeschnallt waren, wie scharfe Klingen in ihre Glieder schnitten. Doch der Schmerz wurde von der Freude überlagert, dem Tod entronnen zu sein. Einige Sekunden lang hegte Matt sogar die Hoffnung, dass er wieder an Höhe gewinnen und den Flug fortsetzen könnte dann jedoch erkannte er, dass sich ihr Sturz nur noch abbremsen, aber nicht mehr verhindern ließ. Eine unter ihnen liegende weite Lichtung wuchs rasend schnell heran. Matt zerrte erneut an den Führungsseilen, um zu verhindern, dass sich die Spitze des Seglers in die Wiese bohrte. Quälend träge gehorchte die Konstruktion seinen Lenkversuchen, bis sich die Nase des Gleiters endlich hob. Bodenkontakt! Die Holzstangen, die über das Segel hinausragten, zersplitterten unter der Wucht des Aufpralls. Einen kurzen Moment lang wirkte es fast so, als würde der Gleitdrachen in dieser aufrechten Position stehen bleiben, dann kippte er nach vorne. Knirschend zerbrachen die Stangen. Die Bruchlandung war so hart, dass die Luft aus Matts Lungen gepresst wurde, während sich
die Welt in einen grünen Wirbel verwandelte. Er spürte, wie die Seile rissen, mit denen er in dem Segler eingehängt war. Im hohen Bogen wurde er durch die Luft katapultiert. Das hohe Gras dämpfte ein wenig den Aufprall, als er mit der Schulter voran landete und sich abrollte. Nach einem doppelten Überschlag blieb er liegen. Sterne tanzten vor seinen Augen, und noch immer drehte sich alles. Übelkeit stieg in ihm empor. Er rang keuchend nach Atem, bis ihn die Sorge um Aruula wieder in die Höhe trieb. Hoffentlich war ihr nichts passiert! Matt spürte in diesem Moment deutlicher als je zuvor, dass die Barbarin für ihn weit mehr als nur eine Reisegenossin war. Kein Zweifel, er liebte sie! Nicht nur, weil sie die einzige Konstante in dieser fremden, verwirrenden Welt darstellte, sondern vor allem, weil sie sich als mutige und intelligente Gefährtin erwiesen hatte, die auch in höchster Not zu ihm stand. Schwankend stemmte sich Matthew Drax in die Höhe. Es dauerte einen Moment, bis er die Orientierung wiedererlangt hatte und zusammenfuhr. Aruula lag reglos in den Trümmern des Drachenseglers! Entsetzt rannte Matt los, sank neben ihr auf die Knie. Doch bevor er nach ihrer Halsschlagader tasten konnte, ließ ihn ein dunkles Knurren in der Bewegung erstarrten. Matts Nackenhaare richteten sich auf. Und als er den Blick vorsichtig in die Höhe hob, gefror ihm' fast das Blut in den Adern. Er starrte in die grün schimmernden Augen eines Raubtieres, das zwischen den Bäumen hervortrat. Im ersten Moment wirkte es wie ein schwarzer Wolf mit überproportional großem Schädel, doch als er die Lefzen zurückzog, präsentierte er ein zweireihiges Gebiss, das an einen Hai erinnerte. Es hätte nicht der mörderischen Zähne bedurft, um dem Untier feindliche Absichten zu unterstellen. Der muskulöse Körperbau und die selbstsichere Art, in der es sich langsam näherte, bewiesen, dass es sich von der Jagd ernährte. Eine böse Eleganz lag in seinem Gang, als sich die Muskeln bei jedem Schritt
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unter dem Fell bewegten. Für das Wolfswesen waren die vom Himmel gefallenen Menschen eine willkommene Beute, die seinen Magen füllen würden. Matts Hand tastete nach der Beretta G 98, die er in einer Uniformtasche am Oberschenkel trug. Während er mit fliegenden Fingern den Klettverschluss aufzog, stieß der mutierte Wolf einen drohenden Laut aus, als wollte er den Menschen warnen, sich zur Wehr zu setzen. Das heisere Knurren kam als Echo aus dem Wald zurück. Wenigstens dachte Matt erst, es wäre nur ein Echo doch als er sich umsah, zählte er insgesamt acht Wölfe, die den Drachensegler von allen Seiten umkreist hatten. Matt zerbiss einen Fluch, der ihm über die Lippen schlüpfen wollte. Verdammt, gegen eine der Bestien mochte er mit der Pistole eine Chance haben, doch gegen das ganze Rudel konnte er unmöglich bestehen! Trotz der Ausweglosigkeit seiner Lage visierte er den Leitwolf an, der sich ihm bis auf zehn Meter genähert hatte. Wenigstens wollte er sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Wenn er schnell und konzentriert schoss, konnte er vielleicht noch zwei oder drei Angreifer mit in den Tod nehmen. Mit schweißnassem Daumen legte Matt den Sicherungsbügel der Automatik um. Er wollte gerade den Finger um den Abzug krümmen, als ein dunkler Reflex durch die Luft zischte und sich blitzartig in den Leib des mutierten Wolfs bohrte. Heulend sprang die Kreatur zur Seite. Aus ihrer Flanke ragte ein schlanker Holzschaft, der tief zwischen die Rippen eingedrungen war. Trotz der Verletzung versuchte der Wolf in den Wald zurückzuhetzen, doch bereits nach wenigen Metern wurde er von zwei weiteren Speeren getroffen. An den stabilen Holzschäften waren Seile befestigt, die sich plötzlich spannten und das fliehende Tier mitten im Lauf von den Beinen rissen. Verwirrt wirbelte Matt herum. Sein erster Ölick galt dem restlichen Rudel. Doch die anderen Wölfe wurden ebenfalls mit Wurfspießen attackiert. Zwei Bestien lagen bereits blutend am Boden, während die übrigen in wilder Panik davon stürmten, um zwischen den Bäumen Schutz zu suchen. Ein fliehender
Wolf wurde getroffen und mittels der Seile an der Flucht gehindert. Matts zweiter Blick galt seinen Rettern, die sich in breiter Front näherten. Es mussten die Bewohner des Dorfes sein, das er kurz zuvor aus der Luft gesehen hatte. Fast vierzig Männer eilten auf ihn zu; sie alle führten Speere mit sich, die sie zielsicher auf die gefräßigen Kreaturen warfen. Trotz der Verletzungen blieben die Tiere weiterhin gefährlich. Knurrend drehten sie sich im Kreis und schnappten mit ihren scharfen Zähnen nach den Seilen, die sie in ihrer Bewegungsfreiheit hinderten. Doch die Jäger ließen ihnen keine Chance. Immer mehr Speere bohrten sich in die zuckenden Körper bis das Leben aus den Wölfen in roten Sturzbächen wich. ' Matt bewunderte die Zielsicherheit der anstürmenden Männer, denn nur wenige Spieße gingen fehl. Schließlich lagen alle Bestien leblos am Boden. Nur der Leitwolf leistete noch Widerstand, obwohl er bereits von zahllosen Speeren durchbohrt war. Aber schließlich brach auch er röchelnd zusammen und streckte alle Viere von sich. Sofort zogen einige Dörfler lange Messer hervor, die an Macheten erinnerten. Mit kräftigen Hieben trennten sie der Bestie den Kopf ab. Sie hatten ihre blutige Arbeit kaum beendet, als ein älterer Mann mit grauen Schläfen hinzu trat, vor dem sie ehrfürchtig zurückwichen. Offensichtlich war er ihr Anführer. Mit finsterer Miene beugte sich der Grauhaarige hinab, packte das abgetrennten Haupt zwischen den Ohren und riss es mit einem kräftigen Ruck empor. Triumphierend hielt er die blutige Trophäe in die Höhe und brüllte: »Lupa sä nac!« Die umstehenden Männer starrten ihn einen Augenblick lang ehrfürchtig an, dann stimmten sie in seine Worte ein. »Lupa sä nac! Lupa sä nac!« skandierten sie gemeinsam, während sie die Speere in die Luft reckten. Trotz dieses brachialen Ritus registrierte Matt erleichtert, dass die Menschen diesseits der Alpen einen ähnlichen Dialekt sprachen wie die Barbaren auf der südlichen Seite. Lupa musste der Name für diese Wolfskreaturen sein,
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und sä nac bedeutete, dass die Bestie tot war. Angesichts der aufgeheizten Atmosphäre war es sicherlich von Vorteil, dass er sich mit seinen Rettern verständigen konnte. Während Matt endlich Zeit fand, um Aruula näher zu untersuchen, gingen einige junge Kerle dazu über, auch die restlichen Wölfe zu köpfen. Natürlich wollten sie es ihrem Anführer gleichtun und die Häupter ebenfalls in der Luft schwenken. Da es aber mehr Jäger als Beutetiere gab, wurde daraus eine makabere Rangelei, die eher an American Football als an eine Siegesfeier erinnerte. Bei dieser Auseinandersetzung tat sich besonders ein Hüne hervor. Seine feuerroten Haare waren zu dicken Strähnen verfilzt, die bei hastigen Kopfbewegungen wie die Enden einer neunschwänzigen Peitsche durch die Luft sirrten. Nachdem der Riese einige harte Schläge ausgeteilt hatte, brachte er zwei Wolfsschädel an sich, die er den anderen mit triumphierendem Gebrüll präsentierte. Mehrere Männer, die ihr Haar in gleicher Weise trugen, schlugen ihm dafür begeistert auf die Schulter und stimmten in sein Geheul mit ein. Offensichtlich bildeten sie eine feste Gruppe, in der Feuerhaar eine führende Position einnahm. Matt wurde beim Anblick des blutrünstigen Freudentanzes etwas mulmig zumute. Einerseits konnte er den Jubel über den Tod der gefährlichen Bestien verstehen, andererseits missfiel ihm das aggressive Gebaren der jungen Männer, die offensichtlich Freude am Töten hatten. Musste er unter diesen Umständen damit rechnen, dass ihn die siegestrunkenen Jäger ebenfalls angriffen? Nachdem er sich überzeugt hatte, dass Aruula nur bewusstlos war, hielt es Matt für angebracht, mit seinen Rettern Kontakt aufzunehmen. Vorsichtig steckte er die Pistole zurück in die Tasche und erhob sich. Dann ging er langsam auf den Grauhaarigen zu, der dem Treiben der übermütigen Wolfstöter mürrisch zusah. Um den Häuptling hatten sich mehrere Männer fortgeschrittenen Alters versammelt, die den Fremden neugierig musterten, aber keineswegs feindselig wirkten. Matt hielt seine leeren Handflächen zum Zeichen der friedlichen Absichten in die Höhe und grüßte den Häuptling mit der Floskel: »Tuma sä feesa!«
Der Grauhaarige stieß einen wütenden Schrei aus, der Feuerhaar und seine herumtobenden Freunde sofort erstarrten ließ. Dann wandte sich der Häuptling lächelnd zu Matt um und überschüttete ihn mit einem schnellen Wortschwall, von dem der Amerikaner nicht das Geringste verstand. »Bitte nicht so schnell«, bat Matt in der Mundart der Barbaren, »ich eure Sprache spreche nicht gut.« Der Grauhaarige nickte verstehend, dann fuhr er langsamer fort: »Ich bin Rarok, der Häuptling unseres Dorfes. Bist du mit diesem fliegenden Zelt vom Himmel gefallen?« Matthew nickte. »Ich bin Maddrax«, stellte er sich mit dem Namen vor, den er von Aruulas Stamm erhalten hatte. »Ich komme aus dem Land hinter den Bergen und will mit meiner Gefährtin Aruula nach Norden. Vielen Dank für eure Hilfe. Ohne euch wären wir jetzt tot.« »Die Lupas schleichen schon seit Tagen um unser Dorf«, erklärte der Grauhaarige grimmig. »Sie fürchten sich vor unseren Harpoons, deshalb fielen sie über einige Frauen und Kinder her, die im Wald nach Feuerholz und Beeren suchten. Euer Auftauchen hat das Rudel aus seinem Versteck gelockt, so konnten wir viele der Bestien töten. Seid dafür unsere Gäste. Meine Familie wird sich persönlich um deine verletzte Gefährtin kümmern.« Der Häuptling deutete mit einer beiläufigen Geste auf einige Männer in seiner Nähe, die sich sofort daran machten, Aruula aus den Trümmern des Seglers zu befreien. Dann bedeutete er Matt mit einer einladenden Geste, ihm zu folgen. Feuerhaar und seine Freunde blieben noch eine Weile zurück, um die Wolfsköpfe auf ihre Harpoons zu spießen. Nachdem sie eine kleine Anhöhe am Rande der Lichtung überwunden hatten, sah Matt die aus Feldsteinen gemauerten Häuser, in denen Rarok und seine Leute lebten. Die Siedlung befand sich direkt am Ufer eines weitläufigen Sees, dessen Wasserfläche sich bis zur Horizontlinie erstreckte. Rarok bestürmte ihn mit vielen Fragen. Offensichtlich heizte es die Neugier des Dorfoberhauptes gewaltig an, dass Matt und
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Aruula geradewegs vom Himmel gefallen waren. Der Pilot hatte einige Mühe, Rarok erschöpfend Auskunft zu geben. Obwohl er in den vergangenen Monaten viel von der Sprache der Barbaren gelernt hatte, musste Matthew die Sachverhalte stark vereinfachen und immer wieder mit Gesten ausschmücken, um alles zu erklären. Im Gegenzug erfuhr Matt, dass die Menschen in diesem Landstrich vor allem von Ackerbau und Fischfang lebten. Der Binnensee, der sich vor ihnen erstreckte, wurde wegen seiner Ausdehnung das »kleine Meer« genannt. In ihm befanden sich so große Fischschwärme, dass sich rund um den See zweiundfünfzig Dörfer angesiedelt hatten, die alle ihre Boote ausschicken konnten, ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen. Einige Fischarten waren für den Fang mit Netzen zu groß, deshalb mussten sie mit Harpunen gejagt werden. Die zielsichere Handhabung dieser Waffe hatte sich auch beim Kampf mit den Lupas als sehr nützlich erwiesen. Am Rand des Dorfes wurden die siegreichen Heimkehrer von ihren Frauen und Kindern erwartet, die beim Anblick der aufgespießten Wolfsköpfe in ein wahres Freudengeschrei ausbrachen. Überall tanzten die Leute umher und schlugen sich gegenseitig auf den Rücken, doch obwohl Rarok ein stolzes Siegerlächeln nicht unterdrücken konnte, sorgte er mit kühlem Kopf dafür, dass Aruula sofort in sein Haus gebracht wurde. Matt begleitete die Männer, die seine Gefährtin zu einem großen Feldsteingebäude trugen, das mit einem Schilfdach bedeckt war. An der Eingangstür empfingen sie zwei Frauen, die sich nicht an den Freudentänzen der anderen beteiligten. Einen Moment lang meinte Matt sogar, einen niedergeschlagenen Zug auf ihren Mienen zu sehen. Beim Anblick der bewusstlosen Aruula verfielen die Frauen aber sofort in hektische Aktivität. Die ältere der beiden eine resolute Dame namens Berlit wies Matt an, Aruula in einem kleinen Raum aufs Bett zu legen. Die bestimmende Art, mit der Berlit auch dem Häuptling Anweisungen erteilte, ließ kaum einen Zweifel daran, dass sie sein Eheweib war.
Trotz ihres fortgeschrittenen Alters besaß sie ein schön geschnittenes Gesicht, das von haselnussbraunen, zu zwei kunstvollen Zöpfen geflochten Haaren eingerahmt wurde. Wenn man sich einige Lachfalten und etliche Körperpfunde wegdachte, dann war die jüngere Frau eine exakte Kopie von ihr. Matt brauchte nicht viel kriminalistischen Spürsinn, um zu erkennen, dass sie Berlits Tochter war. Anaka trug jedoch keine Zöpfe, sondern hatte ihr Haar ebenso zu Dreadlocks verfilzen lassen wie der rothaarige Hüne, der Matt auf der Lichtung aufgefallen war. Im Gegensatz zu ihm hatte Anaka ihr Haar aber mit einem Stoffstreif en. hochgebunden. Die Metallperlen, die in ihre Strähnen eingeflochten waren, schlugen klappernd gegeneinander, als sie mit einer Wasserschüssel in das Zimmer trat. Matt beobachtete sie dabei, wie sie Aruula mit einem Lappen vom gröbsten Schmutz befreite. Er konnte nicht umhin, Anakas Formen zu bewundern, die durch ihr einfaches Leinenkleid noch betont wurden. Wenn er nicht schon mit Aruula verbunden gewesen wäre, hätte er der anmutigen Schönheit sicherlich mehr als nur ein paar verstohlene Blicke zugeworfen. Nachdem Berlit der Bewusstlosen ein feuchtes Tuch auf die Stirn gedrückt hatte, scheuchte sie Matt und ihre Tochter aus dem Zimmer. »Deine Gefährtin braucht Ruhe«, erklärte sie dem Piloten fürsorglich, aber bestimmt. Bevor sie die Tür schloss, fügte sie mit einem vielsagenden Blick hinzu: »Draußen befindet sich ein Trog, an dem du dich waschen kannst!« Erst jetzt fiel Matt auf, dass der Absturz auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen war. Gehorsam trottete er aus dem Haus. An der Waschstelle entledigte er sich der olivgrünen Jacke und des gleichfarbenen T-Shirts. Das kühle Wasser, das er sich ins Gesicht schöpfte, belebte ihn. Routiniert griff er nach einigen Soo/blättern, die in einem Bündel über dem Trog aufgehängt waren. Matt wusste, dass diese Pflanze von vielen Stämmen als Seife benutzt wurde. Er zerrieb die Blätter und schmierte sich schweigend mit der cremigen Substanz ein, die sich im Inneren der Fasern befand.
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Während er sich gründlich wusch, trat Anaka vor die Tür und goss das Schmutzwasser aus ihrer Schüssel. Schmunzelnd blieb sie neben dem Fremden stehen und sagte: »Meine Mutter ist manchmal etwas grob, aber sie meint es stets gut mit allen!« Matt lächelte. »Daran ich habe keinen Zweifel«, antwortete er im Dialekt der Barbaren. »Und ich danken für eure Gastfreundschaft. Ohne euch wäre es schlecht bestellt um Aruula.« Anaka winkte verlegen ab, als wenn ihre Hilfe eine Selbstverständlichkeit wäre. Gleichzeitig ließ sie ihren Blick über Matts Oberkörper wandern. Der Pilot bildete sich nicht allzu viel darauf ein. Er war es inzwischen gewohnt, dass ihn die Menschen neugierig ansahen, weil sich seine Statur in feinen Nuancen von der ihren unterschied. Denn obwohl er als Air Force Commander durchtrainiert und topfit sein musste, war sein Körperbau durch die Zivilisation des 21. Jahrhunderts geprägt. Seine athletische Figur war viel feiner geschnitten als die der Menschen dieser rauen Zeit, die unter viel härteren Lebensbedingungen aufwachsen mussten. Anaka setzte gerade zu einer Frage an, als sie plötzlich überrascht an Matt vorbeisah. Einen Moment lang hielten sich auf ihren Gesichtszügen Freude und Unwillen die Waage, bis letztlich ein flüchtiges Lächeln über den Missmut siegte. »Du sollst doch nicht mehr herkommen, Fradak«, tadelte sie sanft, doch der Tonfall strafte ihre Worte Lügen. Matt ließ sich einen Moment Zeit, bevor er erkundete, wem die Ermahnung galt. Er war nicht sonderlich überrascht, den rothaarigen Hünen zu sehen. Auf dem Marktplatz hatten nur wenige Frauen mit Dreadlocks gestanden es war deshalb nicht schwer zu erraten, dass Anaka ebenfalls zu der Gruppe gehörte, die sich um Fradak scharte. Der Feuerschopf funkelte Matt wütend an. Offensichtlich passte es ihm nicht, dass sich ein Fremder halbnackt in der Nähe seiner Freundin aufhielt. Matthew ignorierte die Missbilligung und griff gleichmütig zu einem Leinentuch, um sich abzutrocknen. Er hatte im Moment
wirklich andere Sorgen als sich auf die Hirngespinste eines eifersüchtigen Fischers einzulassen.
Fradak wertete es scheinbar als Sieg, dass der Fremde seinen Blick nicht erwiderte. Zufrieden trat der Rotschopf vor Anaka hin und rammte die Spitze seiner Harpune in die Erde. Auf dem stumpfen Ende des Holzschaftes steckte noch immer ein Wolfskopf, um dessen blutigen Halsansatz sich die ersten Fliegen sammelten. »Wir haben die Bestien getötet, die unser Dorf bedrohten«, verkündete Fradak mit unüberhörbarem Stolz. Dann fügte er mit einen geringschätzigen Blick auf seinen vermeintlichen Rivalen hinzu: »Wir haben auch diesen Mann und seine Freundin gerettet.« »Ich weiß«, antwortete Anaka lächelnd, »alle Fischer sprechen davon.« Es schien ihr zu schmeicheln, dass Fradak ihr seinen Sieg widmete. Der nutzte die Gunst der Stunde und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Verstehst du, was das heißt?«, fragte er sie beschwörend. »Wir sind gemeinsam gegen eine Bedrohung vorgegangen und haben gesiegt! Was einmal gutgeht, kann wieder klappen!« Matt konnte nicht sagen, ob es Fradaks Worte oder seine Berührungen waren, die Anaka erschauern ließen. Auf jeden Fall war es an der Zeit, die beiden Liebenden allein zu lassen. Er hatte gerade seine Jacke aufgenommen, als Rarok aus der Tür trat. »Hör auf, meiner Tochter Flausen in den Kopf zu setzen«, knurrte der Häuptling streng. »Du weißt genau, dass du sie nicht zum Weibe nehmen kannst also halte dich fern von ihr, wie es der Dorfrat befohlen hat!« »E« gibt viele Männer, die nicht mit den Entscheidungen der Alten einverstanden sind«, begehrte Fradak wütend auf. Anaka versuchte ihren Freund mit unauffälligen Bewegungen zu beschwichtigen,
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doch der Hüne ignorierte ihre Gesten. Angriffslustig baute er sich vor dem Häuptling auf, den er um einen ganzen Kopf überragte. Rarok ließ sich von diesem aggressiven Gebaren keineswegs einschüchtern, sondern hielt dem Blick des Heißsporns stand. »Achte auf deine Worte, Fradak«, zischte er leise. »Sonst wirst du mit deiner Horde bald außerhalb unserer Gemeinschaft leben müssen. Ihr werdet dann feststellen, wie schwer es ist, sich alleine durchzuschlagen. Keines der anderen Dörfer wird euch aufnehmen. Spätestens dann wirst du erkennen, wie gut es sich unter unseren Gesetzen lebt!« Fradak ließ die Drohung wortlos über sich ergehen, doch sein Gesicht zeigte deutlich, wie schwer es in ihm arbeitete. Ehe er sich zu einer Antwort durchringen konnte, beendete der Häuptling die Auseinandersetzung, indem er seine Tochter ins Haus schickte. Anaka warf ihrem Freund einen stummen Blick zu, mit dem sie ihn anzuflehen schien, nichts Unbedachtes zu tun. Dann ging sie gehorsam nach drinnen. »Leiste uns in der Küche Gesellschaft, Maddrax«, wandte sich Rarok an seinen Gast. »Du wirst sicherlich hungrig sein.« Matthew entspannte sich ein wenig. Er war froh, dass der Streit nicht weiter eskaliert war, denn obwohl er den Zorn des unglücklich Verliebten verstehen konnte, hätte er sich bei einer Handgreiflichkeit auf die Seite seines Gastgebers schlagen müssen. Wortlos folgte er Raroks Einladung. Da Fradak keine Anstalten machte, ihm aus dem Weg zu gehen, musste Matt einen Bogen um ihn schlagen. Als er dem Feuerschopf beim Betreten des Hauses den Rücken zuwandte, spürte er ein unangenehmes Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Er traute dem aggressiven Fischer durchaus zu, dass er aus Wut hinterrücks auf ihn einschlug. Doch als Matt sich umwandte, um die Tür zu schließen, erwies sich sein Gefühl als unberechtigt. Fradak hatte sich längst abgewandt und verschwand gerade zornbebend zwischen einigen Häusern. Die Harpune mit dem Lupakopf ließ er zurück.
Aruulas Schädel dröhnte wie ein ganzer Steinbruch, in dem ein Sklavenheer mit riesigen Hämmern auf die Felswände einschlug. Stöhnend hielt sie den schmerzenden Kopf und richtete sich im Bett auf. »Geht es dir wieder besser?«, erkundigte sich Matt, der seit dem Essen an ihrer Seite wachte, seine Europalandkarte auf den Knien. »Falls mein Schädel nicht bis zum Abend geplatzt ist, werde ich es überleben«, antwortete die Barbarin auf Englisch. Die schöne Barbarin hatte Matts Sprache in den letzten Monaten wesentlich schneller erlernt als er den Wortschatz der hiesigen Bevölkerung, der sich im Wesentlichen aus Brocken von Italienisch, Französisch und Deutsch zusammensetzte. Vermutlich hing Aruulas schnelle Auffassungsgabe mit ihren telepathischen Fähigkeiten zusammen. Es schien, als würde sie den Sinn seiner Worte spüren und die Übersetzung automatisch in ihrem Unterbewusstsein abspeichern. Außer einer großen Beule am Kopf hatte Aruula keinerlei äußere Blessuren davon getragen. Trotzdem legte Matt seine Hand beruhigend auf ihren Oberarm, um sie von allzu hektischen Aktivitäten abzuhalten. »Du hast bei der Bruchlandung ganz schön was abbekommen.« Die Barbarin lehnte sich gehorsam auf das Strohkissen zurück. »Wo sind wir hier?«, fragte sie. »Bei Fischern, die uns Gastfreundschaft gewähren«, antwortete Matt. »Wenn ich meine Karte richtig deute, hat es uns an den Lac Leman verschlagen, einen großen Binnensee der früheren Schweiz.« »Und was sagt uns das?«, erkundigte sich Aruula, die mit den Begriffen aus seiner Vergangenheit nicht viel anfangen konnte. »Es bedeutet, dass wir auf dem richtigen Weg zu meiner ehemaligen Heimatbasis in Berlin sind«, erklärte Matthew, bevor er lächelnd hinzufügte: »Außerdem heißt das, dass
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wir uns in den nächsten Tagen vor allem von Fisch ernähren müssen.« Aruulas Augen leuchteten auf. »Das trifft sich gut«, freute sie sich. »Ich habe einen Bärenhunger.« »Als hätte ich es geahnt«, erwiderte Matt und hob einen Holzteller in die Höhe, auf dem ein Stück gebratene Forelle lag. Zumindest sah der Fisch wie eine Forelle aus obwohl er fast doppelt so groß war. Gierig stürzte sich die Barbarin auf ihre Mahlzeit. Unter Umgehung aller Tischmanieren zerpflückte sie den Fisch mit den bloßen Händen und stopfte sich die Portionen in den Mund. Matt ignorierte die brachialen Essgewohnheiten seiner Freundin, während er ihr vom Kampf mit den Lupas und den nachfolgenden Ereignissen berichtete. Als er zu dem Streit zwischen Rarok und Fradak kam, sah Aruula interessiert auf. »Wahrscheinlich ist Anaka schon einem anderen Mann versprochen«, sagte sie mit vollem Mund. »Vermute ich auch«, nickte Matt. »Das gefällt mir zwar nicht besonders, aber letztlich gehen uns die Sitten und Gebräuche dieser Gegend nichts an.« Er reichte Aruula eine Wasserschüssel, damit sie sich Hände und Gesicht reinigen konnte, bevor er das leere Geschirr in die Küche brachte. Rarok und seine Familie zeigten sich ehrlich erfreut, als sie hörten, dass es Matts Gefährtin wieder besser ging. Anaka sprang sofort auf, um Aruula die Kissen aufzuschütteln und sich nach ihren weiteren Wünschen zu erkundigen. Matt ließ sie gewähren. Es war offensichtlich, dass Raroks Tochter darauf brannte, sich mit einer anderen Frau unterhalten zu können. Vermutlich kam sie nicht oft aus dem Haus. Aruula und Anaka verstand sich auf Anhieb. Munter plauderten sie drauflos, als wären sie alte Freundinnen. Ihr Gespräch entwickelte sich so gut, dass Aruula beschloss, im Bett liegen zu bleiben, obwohl sie sich inzwischen wieder besser fühlte. Je länger die Unterhaltung andauerte, desto stärker spürte die mental begabte Barbarin aber, dass Anakas
Fröhlichkeit nur vorgetäuscht war. Tief in ihrem Inneren bedrückte die junge Frau etwas. »Bist du traurig wegen deinem Freund?«, erkundigte sich Aruula mitfühlend. Anaka erbleichte kurz, fand aber schnell ihre Fassung wieder. »Maddrax hat dir von dem Streit zwischen Fradak und meinem Vater erzählt«, stellte die sie niedergeschlagen fest. »Ja, das macht mir zu schaffen, aber ich möchte nicht darüber reden.« Aruula nickte verständnisvoll, obwohl ein kalter Schauer durch ihren Körper jagte. Sie spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass Anaka sie belog! Es war keineswegs eine verbotene Liebe, die ihr zu schaffen machte, sondern etwas Anderes ... Schlimmeres! Aruula versuchte die Gedanken ihrer Gesprächspartnerin unauffällig zu erlauschen, doch Anaka verdrängte anscheinend völlig, was ihr zu schaffen machte. So erhaschte Aruula nur eine flüchtige Ahnung von etwas Dunklem, Bedrohlichen, das die Fischerin in tiefste Angst versetzte. Die beiden Frauen setzten ihr Gespräch noch eine Weile fort, doch ihre Beziehung war plötzlich auf seltsame Weise getrübt. Nachdem sie noch einige Belanglosigkeiten ausgetauscht hatten, verabschiedete sich Anaka wieder. Aruula sah ihr ratlos hinterher, bevor sie sich aus dem Bett erhob. Sie hatte keine Lust mehr, allein hier im Zimmer zu liegen. So rückte sie ihre Kleidung zurecht kniehohe Stiefel, einen Lendenschurz und eine ärmellose Weste aus Rattenfell und ging in die Küche, wo sie von Maddrax empfangen wurde. »Du bist ja schon wieder auf dem Damm«, freute er sich. Aruula nickte. »Ich könnte etwas frische Luft vertragen«, erklärte sie, »kommst du mit?« »Sicher«, stimmte Matt schnell zu, froh, sich die Beine vertreten zu können. Er freute sich schon darauf, das malerische Fischerdorf zu erkunden. Nachdem sie das Haus verlassen hatten, erzählte ihm die Barbarin von dem Gespräch mit Anaka und den dunklen Ängsten, die sie im Geist der Fischerin gespürt hatte. »Du hast keine Ahnung, was dahinter stecken könnte?«, fragte Matt ratlos.
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Aruula schüttelte den Kopf, worauf der dröhnende Schmerz für einen kurzen Moment zurückkehrte. »Ich weiß nur, dass uns die ganze Familie etwas verheimlicht«, erklärte sie mit verkniffener Miene. »Auch ihre Mutter ist im Inneren sehr unglücklich.« »Vielleicht eine Familientragödie, die sie nicht jedem Fremden auf die Nase binden wollen«, mutmaßte Matt, während sie das Seeufer erreichten. »Na ja, wenigstens will zur Abwechslung mal niemand uns an den Kragen. Trotzdem sollten wir uns morgen früh wieder auf die Reise machen.« Aruula nickte geistesabwesend. Sie war völlig in den Anblick der glänzenden Wasseroberfläche versunken, die sich bis zum Horizont erstreckte. »Bist du sicher, dass wir nicht schon am Meer sind?«, hauchte sie verblüfft. »Ganz sicher«, bekräftigte Matthew. Auch er konnte sich der beruhigenden Wirkung des klaren Sees nicht entziehen. Nur ab und zu durchbrach ein überdimensionaler Hecht die spiegelglatte Fläche. Einige kleine Fischerboote kreuzten am Horizont. Knapp zwanzig Meter von Matt und Aruula entfernt führte ein hölzerner Bootssteg auf den See hinaus. Dort waren einige Fischer damit beschäftigt, ihre Boote zur Abfahrt vorzubereiten. Nachdem sie den Morgen mit der Lupajagd verbracht hatten, wollten sie den Rest des Tages noch für einen Fang nutzen. Obwohl eine leichte Brise übers Wasser zog, schwitzten die Männer bei ihren Vorbereitungen, denn die Sonne entwickelte um diese Tageszeit ihre größte Hitze. Matt hätte die Fischer gerne auf ihrer Fahrt begleitet, doch er wollte die nächsten Stunden lieber dafür nutzen, seine Ausrüstung zu überprüfen und zu ergänzen. »Wie wärs mit einem kleinen, Bad?«, riss ihn Aruula aus seinen Gedanken. Als er sich zu der Barbarin umdrehte, entledigte sie sich bereits ihrer Fellweste. Matt stoppte ihren Striptease mit einer schnellen Geste. »Wir können hier nicht einfach nackt ins Wasser springen«, warnte er. »Wer weiß, welche Sitten in diesem Dorf gelten.«
Aruula zuckte gleichmütig mit den Schultern. Ihr war es egal, ob die Leute sie nackt sahen oder nicht. Trotzdem behielt sie zumindest ihren Lendenschurz an, als sie barfuß ins Wasser lief. Als ihre Knöchel im kalten Nass versanken, jauchzte sie begeistert auf. Bevor sie sich jedoch gänzlich in die Fluten stürzen konnte, erscholl ein lauter Warnruf. Matt konnte nicht verstehen, was die Männer vom Bootssteg herüber riefen, aber da lief bereits ein stämmiger Fischer auf sie zu. Aruula blieb verdutzt im Wasser stehen, das ihr bereits an die Oberschenkel schwappte. »Was ist los?«, empfing sie den Dicken mürrisch. »Ich werde euch schon nicht die Fische verscheuchen.« »Darum geht es nicht«, schnaufte der Fischer, dem einige lange Haare im verschwitzten Gesicht klebten. »Aber in diesem See leben gefährliche Raubfische. Bei Vollmond sind sie besonders angriffslustig, deswegen geht in dieser Zeit keiner von uns schwimmen. Ihr solltet das auch nicht tun!« Aruula sah den Mann misstrauisch an, doch Matt musste sofort an südamerikanische Piranhas denken. Mit einer nur für Aruula wahrnehmbaren Kopfbewegung gab er ihr zu verstehen, wieder ans Ufer zurückzukehren. Dann bedankte er sich für die Warnung. Der Stämmige wartete noch, bis Aruula wieder trockenen Boden unter den Füßen hatte, dann nickte er Matt freundlich zu und ging zurück zu den Seglern. Aruula sah dem Fischer verärgert hinterher. »Nun stell dich nicht so an«, beschwichtigte Matt sie. »Wir können die nächsten Tage noch woanders schwimmen gehen.« Die Barbarin schüttelte unwillig den Kopf. »Der Mann hat gelogen«, zischte sie leise, »das habe ich deutlich gespürt!« Matt sah nachdenklich zu den Booten hinüber, die auf das kleine Meer hinausfuhren. Einige Fischer winkten ihnen zum Abschied freundlich zu. Doch dieser Anschein trog. Aruula hatte in den letzten Monaten ihre mentalen Fähigkeiten oft genug bewiesen. Es gab keinen Zweifel die Menschen in diesem friedlichen Fischerdorf hielten irgendetwas vor ihnen geheim!
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»Bist du verrückt geworden?«, zischte sie leise. »Wenn dich Vater hier sieht, schlägt er dich tot!« »Bis Rarok aufwacht, sind wir längst über alle Berge«, grinste Fradak. »Los, komm mit, ich habe alles vorbereitet.« Anaka schüttelte traurig den Kopf. »Du weißt doch, dass das nicht geht. Mein Schicksal ist vorherbestimmt! Such dir eine Andere zum Weib. Eine, die dir Kinder schenken kann und mit dir alt wird.« Ihre Worte hatten mutig und überzeugt klingen sollen, doch als sie sie ausgesprochen hatte, füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Dein Vater mag dem Spruch der Priester gehorchen«, knurrte Fradak, »ich werde es nicht tun.« Mit diesen Worten zog er Anaka aus dem Bett. Er langte nach ihrem Leinengewand, das sie auf einem Holzschemel abgelegt hatte, und warf es ihr in die Arme. Statt es über das helle Unterkleid zu ziehen, presste Anaka den groben Stoff vor ihrer Brust zusammen. »Nein, ich komme nicht mit«, erklärte sie entschlossen. »Dann muss ich dich eben zu deinem Glück zwingen«, brauste der Hüne auf und griff mit beiden Händen nach ihr. Ehe seine Freundin sich versah, hatte er sie über seine Schulter geworfen und rannte mit ihr zum Fenster. Bevor er aber ein Bein durch die Maueröffnung schwingen konnte, schrie Anaka aus Leibeskräften nach Hilfe. Wütend setzte der Rotschopf sie ab und hielt ihr erneut den Mund zu. Diesmal war Anaka nicht starr vor Schreck, sondern biss kräftig zu. Ihre Zähne gruben sich so tief in seine Finger, dass sich zwischen ihren Lippen der Geschmack von Blut ausbreitete. Fluchend riss Fradak die Hand zurück und starrte ungläubig auf die Wunde. »Helft mir!« brüllte Anaka weiter. »Fradak will mich entführen!« Einen Moment lang sah es so aus, als ob der Fischer seine Freundin ohrfeigen wollte, dann zerrte er sie einfach mit sich zum Fenster hinaus. Anaka schlug wild um sich, doch dem harten Griff des Kraftprotzes hatte sie nichts entgegenzusetzen.
Die dunkle Gestalt, die zu nächtlicher Stunde zwischen den Häusern entlang schlich, hatte die Kapuze des Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Wie ein erfahrener Dieb nutzte sie den dunklen Teil der Gasse aus, um unentdeckt zu Raroks Haus zu gelangen. Trotz des fahlen Mondscheins war der Vermummte nur ein dunkler Schatten, denn er hatte sich Hände und Gesicht ebenso mit Ruß geschwärzt wie die schmale Messerklinge, die er nun vorsichtig zwischen die Fensterläden schob. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, den von innen vorgelegten Riegel nach oben zu drücken. Leise zog er die hölzernen Flügel auseinander, hinter denen ein schwarzes Loch gähnte. Ohne zu zögern schwang sich der Einbrecher durch das Fenster ins Haus hinein. Geschickt federte er den Sprung in den Knien ab, so dass er nicht das kleinste Geräusch auf dem festgestampften Boden verursachte. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Pupillen an die dunklen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, dann entdeckte er das Bett, m dem Anaka schlief. Auf leisen Sohlen schlich der Eindringling näher und beugte sich über das schlafende Mädchen. Ein natürlicher Instinkt schien Anaka vor der drohenden Gefahr zu warnen, denn plötzlich wälzte sie sich herum und schlug die Augen auf. Ihre Lippen formten sich zu einem entsetzten Schrei, doch ehe ein Laut ihre Kehle verlassen konnte, schoss die freie Hand des Einbrechers vor. Mit hartem Griff verschloss er ihr den Mund. »Still!« befahl der Unbekannte. Dann riss er sich die Kapuze vom Kopf und fuhr im weichen Tonfall fort: »Ich bin's, Fradak.« Er löste die riesige Pranke von ihren Lippen, als er sicher war, dass sie seine Anwesenheit nicht verraten würde. Auf Anakas Gesicht zeichneten sich erst Überraschung, dann Ärger ab.
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Sie waren gerade im Freien, da wurde die Tür ihres Schlafgemachs aufgestoßen. Ihr Vater stürmte herein, gefolgt von Maddrax und Aruula. Als die drei sahen, dass Anaka davongeschleppt wurde, eilten sie zum Fenster, Matt sprang als Erster nach draußen und nahm die Verfolgung auf. Zum Glück war Fradak nicht allzu weit gekommen. Anaka stemmte sich mit aller Kraft gegen ihren Entführer. »Lass sie los!« brüllte Matthew den Hünen an. Fradak fuhr ruckartig herum, so dass Anaka brutal zu Boden gerissen wurde. Während seine verfilzten Locken durch die Luft wirbelten, starrte er den Piloten mit wutverzerrter Miene an. »Was weißt du schon, Fremder?« brüllte er wie von Sinnen, während er den Dolch unter seinem Umhang hervorholte. »Geh mir aus dem Weg, oder du wirst es bereuen!« Da Matt nur mit seinen Shorts bekleidet war, stand ihm keine Waffe zur Verfügung. So blieb ihm nichts weiter übrig, als seine bloßen Hände in Verteidigungsstellung zu bringen. Doch ehe es zu einem Schlagabtausch kommen konnte, waren Rarok und Aruula heran. Gleichzeitig öffneten sich die Türen der umliegenden Häuser und weitere Fischer traten ins Freie. Einige führten Fackeln mit sich, die den Platz in flackerndes Licht hüllten. »Gib auf«, forderte nun auch Rarok von dem Entführer. »Du kannst uns nicht entkommen.« »Du Narr!« schnaubte Fradak verächtlich, »ich tue das nur zum Wohl deiner Tochter!« »Ich weiß«, erklärte der Häuptling überraschend verständnisvoll. »Aber auch du kannst sie nicht vor ihrem Schicksal bewahren. Lass sie gehen. Du siehst doch, dass "sie nicht mitkommen will.« »Niemand wird mich davon abbringen, Anaka in Sicherheit zu bringen!« schrie Fradak verzweifelt auf. »Nicht einmal sie selbst!« Knurrend sah er in die
schloss sich der Kreis, doch bevor jemand nach Fradak greifen konnte, wirbelte er mit ausgestrecktem Dolch im Kreis herum. Hastig wichen die Fischer zurück. Natürlich konnten sie den Hünen in einer gemeinsamen Attacke überwältigen, doch wenn es hart auf hart ging, würde er einige Angreifer mit ins Grab nehmen. Der fanatische Glanz seiner Augen bewies deutlich, dass er zu allem entschlossen war. Für einige Sekunden entstand ein Patt, denn Fradak konnte nicht fliehen und die Fischer ihn nicht überwältigen. Ehe sich die Situation beruhigen konnte, kam es unter den Umstehenden plötzlich zu Streitereien. Einige von Fradaks Anhängern hatten sich unbemerkt in den Kreis gemischt. Es dauerte nicht lange, bis es zu ersten Handgreiflichkeiten kam. Fradaks Clan war zwar in der Minderheit, trat aber entschlossener auf. Doch auch die übrigen Fischer formierten sich schnell, und die Dreadlockträger reagierten darauf mit stärkerem Gewalteinsatz. Es war nur eine Frage der Zeit, bis aus der Rangelei ein richtiger Kampf wurde. Matt entschloss sich zu einem Vorstoß, der dem Ganzen ein Ende machen konnte. »Ruf deine Freunde zurück«, fuhr er den Hünen an, »oder willst du nicht eingestehen deine Niederlage?« In Fradaks Augen blitzte es hasserfüllt auf. »Du wagst es mich einen Feigling zu nennen?«, keuchte er ungläubig. Es war dem Hünen anzusehen, dass er mit seiner misslichen Situation nur schwer zurecht kam. Er war es gewohnt, seine Probleme mit reiner Körperkraft zu lösen, doch gegen die Leute seines Dorfes wollte er nicht mit Gewalt vorgehen. Da kam es ihm gerade recht, dass sich ein Fremder in seine Angelegenheiten mischte. So konnte er dem mühsam unterdrückten Zorn freie Bahn schaffen. Einen Wutschrei ausstoßend, entließ er Anaka aus dem Griff, um mit vorgestrecktem Dolch auf Matt loszustürmen. Der hatte diese Attacke erwartet. Statt zurückzuweichen machte er einen Schritt auf Fradak zu, schoss seine Rechte ab und hämmerte sie dem Hünen direkt unter den
Runde, um die Umstehenden auf Distanz zu halten doch es half nichts. Die Dorfbewohner gingen gemeinsam gegen ihn vor. Blitzschnell
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Brustkasten, ganz so wie er es bei seiner Nahkampfausbildung gelernt hatte. Fradak stöhnte auf, als sich die Faustknöchel in seinen Solarplexus bohrten. Keuchend ließ er den Dolch fallen, bevor er zu Boden ging und zusammengekrümmt liegen blieb. Mit einem Mal war es so still in der Gasse, dass man den Flügelschlag eines Nachtvogels hören konnte. Die beiden Gruppen, die sich eben noch feindselig gegenüberstanden, starrten nun gemeinsam auf den Fremden, der den Stärksten ihres 'Dorfes niedergeschlagen hatte. Niemand von ihnen schien fassen zu können, dass Fradak mit einem einzigen Schlag zu bezwingen war. Beim Anblick des jammernden Hünen verließ seine Mitstreiter der Mut. In den Mienen der anderen Fischer zeichnete sich aber kein Triumph ab. Stattdessen starrten sie furchtsam zu Matt hinüber, den sie nicht richtig einschätzen konnten. Der Pilot nutzte den allgemeinen Schockzustand, um die Männer zur Vernunft zu rufen. »Statt uns zu schlagen, sollten wir lieber in Ruhe darüber reden, was es hier eigentlich für Probleme gibt«, schlug er mit einem Seitenblick zu Rarok vor. Der Häuptling nickte. »Maddrax hat recht«, bekräftigte er. »Wir sind ihm eine Erklärung schuldig.« Während die meisten Fischer in ihre Hütten zurückkehrten, versammelte sich der Dorf rat in Raroks Haus. Nur Fradak blieb bei den Ältesten, die den Heißsporn in ihrer Mitte eher mitleidig denn böse musterten. Obwohl der Hüne sich von Matts Attacke erholt hatte, starrte er niedergeschlagen zu Boden. Anaka streichelte ihrem Entführer sanft über die verfilzten Locken, doch Fradak entzog sich den Zärtlichkeiten mit einem unwilligen Kopfschütteln. Dann funkelte er Matthew Drax aus seinen blutunterlaufenen Augen an, als wollte er den Fremden für das Scheitern seiner Entführung verantwortlich machen. Matt ließ den hasserfüllten Blick gleichmütig an sich abprallen, während er betont ruhig etwas Suppe schlürfte.
Berlit hatte es sich nicht nehmen lassen, die Flammen unter dem großen Kessel zu entfachen, um einen Rest Fischsuppe zu erwärmen. Nachdem alle Anwesenden mit einer dampfenden Schüssel versorgt waren, kehrte Ruhe ein. Erwartungsvoll sahen die Fischer zu ihrem Häuptling hinüber. Würde er die Fremden wirklich in alles einweihen? »Das kleine Meer ist die Quelle unseres Reichtums«, erklärte Rarok ohne lange Umschweife. »Die Menschen, die an seinem Ufer leben, müssen niemals Hunger leiden. Nicht einmal im Winter, wenn wir Löcher in das Eis schlagen, um zu fischen. Diesen Reichtum haben wir Lemarr zu verdanken, dem dunklen Gott aus den unergründlichen Tiefen. Für die Beute, die er vor unsere Harpoons treibt, fordert er einen Tribut, der von den Fischern seit vielen Generationen gezahlt Wird. Früher holte Lemarr den Blutzoll willkürlich ein, trotzdem fuhren die Fischer immer wieder auf den See hinaus, denn die Jagd in den umliegenden Bergen ist noch weitaus gefährlicher.« Matt spürte, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief, als ihm klar wurde, dass es sich bei dem Blutzoll um Fischer handelte, die während der Jagd verunglückten. Angesichts der Größe, die einige Fische hatten, war es kein Wunder, dass es immer wieder dazu kam. Oder gab es ein einzelnes Lebewesen im See, das die Menschen als Gottheit anbeteten? Ehe Matt sich danach erkundigen konnte, setzte Rarok seinen Bericht fort. »Früher brachte Lemarr viel Leid über manchen Ort. Der Vater meines Vaters, der diese Zeit noch erlebte, konnte viele traurige Geschichten erzählen. Manchmal wurde innerhalb weniger Monde ein ganzes Dorf ausgerottet, während die Fischer vom gegenüberliegenden Ufer viele Sommer lang verschont blieben. Erst nachdem die Hohen Priester von Urlok den Frieden mit Lemarr schlössen, wurde es für alle besser. Die heiligen Männer erreichten, dass der Gott nicht mehr wahllos zuschlug, sondern sich mit den Opfern zufrieden gab, die von den Hohen aus erwählt wurden.
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Zweiundfünfzig Siedlungen befinden sich am Ufer des kleinen Meeres, so dass jedes Dorf im Jahreslauf nur noch einen Toten zu beklagen hat.« Matt konnte nicht glauben, was er da hörte. »Soll das heißen, dass ihr diesen Lemarr füttert mit Menschen, damit er nicht angreift eure Boote?«, fragte er ungläubig. »Lemarr erhält unseren Tribut«, korrigierte der Häuptling unwillig. »Nur wenn er alle sieben Tage ein Opfer bekommt, ist das kleine Meer sicher für uns. Jeder, der von den Priestern für die Heilige Aufgabe erwählt wird, kann drei Monde lang seinen Nachlass regeln und sich von seinen Lieben verabschieden. Ein Auserwählter hat so genügend Zeit, sein Weib in die Obhut eines anderen Mannes zu geben, und eine Auserwählte kann eine neue treusorgende Mutter für ihr Kind finden. Ist das nicht besser, als ohne Vorwarnung in den Tod gerissen zu werden?« Matt konnte den Lobgesang auf diesen unmenschlichen Ritus nicht länger ertragen, bei dem jede Woche ein Mensch geopfert wurde. »Warum jagt ihr nicht einfach dieses Wesen mit euren Harpunen?«, brauste er auf. »Dann muss keiner von euch sterben!« Raroks Miene verhärtete sich. »Gegen einen Gott kann man nicht kämpfen«, antwortete er mit klirrender Stimme. »Glaubst du vielleicht, unsere Vorväter hätten es nicht versucht? Viele gute Männer ließen ihr Leben, doch niemanden gelang es, Lemarr auch nur zu verletzten. Schließlich mussten sie einsehen, dass man sich einem unbesiegbaren Gott nur unterwerfen kann.« Fradak hatte die ganze Zeit still in einer Ecke gehockt, doch jedesmal wenn der Name Lemarr fiel, verzerrte sich sein Gesicht vor Wut. Schließlich hielt er sein Schweigen nicht mehr aus. »Es gab immer wieder Männer, die nicht an die Unsterblichkeit des Dämons glauben wollten«, mischte er sich grollend ein. Bei dieser Titulierung ihres Gottes stöhnten die versammelten Fischer gemeinsam auf, als habe er einen Akt der Gotteslästerung begangen. Trotzdem fuhr Fradak ungerührt fort: »Nicht alle Männer, die zum Kampf gegen Lemarr antraten, starben durch ihn! Etliche
fielen durch die Hand von Freunden und Verwandten, die fürchteten, dass der Dämon sonst Rache nehmen könnte. Genauso wie die Gläubigen alle Erwählten jagen, die nicht sterben wollen. Wer nicht freiwillig mit den Priestern geht, wird mit Gewalt zum Kloster von Urlok geschleppt.« »Niemand kann die Früchte unseres Glaubens ernten und sich dann den Opfern verschließen, die er verlangt«, erwiderte Rarok inbrünstig, obwohl es auch um das Leben seiner Tochter ging. »Böse Zungen behaupten, dass man sich die Gunst der Priester erkaufen kann«, gab Fradak gehässig zurück. »Wenn du im letzten Sommer mehr für den neuen Klosterbau gespendet hättest, müsste Anaka vielleicht nicht sterben.« Raroks Gesicht entflammte zu einer dunkelroten Maske, während er seine zitternden Hände zu Fäusten ballte. Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er sich auf Fradak stürzen, doch dann begnügte er sich damit, laut zu brüllen: »Deine Worte sind Gotteslästerung, du missratener Sohn einer Taratze! Noch eine solche unverschämte Lüge von dir, und die Hohen werden davon erfahren! Dem erhabenen Solek ist schon bekannt, dass du aufrührerische Reden führst!« Fradak erbleichte bei diesen Worten, trotzdem knurrte er: »Ich fürchte die Hohen von Urlok nicht!« Bedrohliches Schweigen senkte sich über den Raum, während sich Fradak und der Häuptling mit funkelnden Augen musterten. Bevor die Auseinandersetzung eskalieren konnte, fuhr Aruula dazwischen: »Anstatt euch zu streiten, solltet ihr lieber nach einem Weg suchen, wie wir Anakas Leben retten können!« »Den gibt es!« brüllte Fradak aufgebracht. »Wir sollten dich und Maddrax opfern! Dem Dämon ist es egal, wer ihm zum Fraß vorgeworfen wird. Andere Dörfer liefern ebenfalls Fremde bei den Priestern ab und sie tun gut daran.« »Unsinn«, schnitt Rarok dem Hünen das Wort ab. »Die Wahl der Priester ist eine heilige Handlung, die nicht durch Betrug entweiht werden darf. Meine Tochter ist eine Auserwählte, die sich würdig auf ihr Ende vorbereiten konnte. Ihr Tod wird nicht umsonst
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sein, denn aus ihrem Opfer entspringt neues Leben. Mehr gibt es nicht zu sagen. Geht nun alle heim.« Daraufhin erhoben sich die Männer des Dorfrates. Selbst Fradak schien sich nach anfänglichem Zögern zu fügen, nur Maddrax ignorierte die' Entscheidung des Häuptlings. »Einen Moment noch«, bat er, obwohl er an den entsetzten Gesichtern der Anwesenden sehen konnte, dass er ein Sakrileg beging. »Kein Wesen ist unsterblich, auch nicht dieser Lemarr. Mit den richtigen Waffen man kann ihn sicherlich besiegen. Ihr habt gesehen das Fluggerät, mit dem ich gekommen bin. Mir stehen noch andere Wunderdinge zur Verfügung. Gemeinsam könnten wir versuchen . . .« »Schweig, Maddrax!« unterbrach ihn Rarok entschlossen. »Du sprichst gegen unseren Gott! Wärst du nicht Gast in meinem Hause, würde ich dich für diese Lästerung auf der Stelle töten! So fordere ich nur von dir, dass du und Aruula unser Dorf im Morgengrauen verlasst!« Trotz der heftigen Abfuhr wollte Matt noch antworten, doch Aruula legte ihren Arm um seine Hüfte und kniff ihm warnend' in die Seite. Rarok wandte sich ab und verschwand im rückwärtigen Bereich der Stube, während die Fischer zur Tür gingen. Nur Fradak blieb noch einen Moment zurück. »Deine Waffen sind hoffentlich besser als das Fluggerät, mit dem du vom Himmel gefallen bist«, höhnte der Rothaarige und trat angriffslustig auf Matt zu. »Sonst verschlingt dich der Seedämon schneller als seine Opfergaben.« Anaka verstellte ihm den Weg. »Geh«, herrschte sie ihren Freund an. »Für heute hast du genug Unheil angerichtet.« Anakas scharfen Worte ließen den Hünen zurückweichen. Einen Augenblick sah er seine Geliebte traurig an, dann schlich er schweigend davon. Matt sah dem Hitzkopf mit gemischten Gefühlen nach. Fradak benahm sich zwar wie ein Kotzbrocken, aber er war der Einzige in diesem Dorf, der genügend Mumm hatte, sich gegen die bestehende Ordnung aufzulehnen. Das imponierte dem Amerikaner, der den Fischern gerne helfen wollte doch gegen den
Willen der Einheimischen konnte er kaum etwas unternehmen. Ein weiteres Gespräch mit dem Häuptling war sinnlos. Rarok saß dumpf brütend am Küchentisch, vor sich eine Kanne mit einem berauschendes Getränk aus vergorenen Waldfrüchten. Von Zeit zu Zeit füllte er damit seinen Trinkbecher auf, den er immer wieder mit großen Schlucken leerte. Entmutigt zogen sich Matt und Aruula auf ihr Zimmer zurück. Vielleicht gab es ja am nächsten Tag eine bessere Möglichkeit, mit Rarok zu sprechen.
In dieser Nacht fand Matthew keinen rechten Schlaf. Immer wieder wälzte er sich unruhig herum. während er sich das. Hirn darüber zermarterte, wie er für Anaka helfen konnte. Schon bald drehten sich seine Gedanken im Kreis. Denn an einer Tatsache kam er nicht vorbei, so barbarisch ihm der Opferkult der Fischer auch schien: es war der Glauben, dem diese Menschen anhingen. Mit welchem Recht wollte er sich in ihre Angelegenheit einmischen, wenn sogar Anaka selbst dem Ruf der Priester aus freien Stücken folgte? Schließlich fand Matt sich damit ab, dass er die Sitten dieser Gegend nicht ändern konnte und die Fischer über ihr eigenes Schicksal bestimmen lassen musste. Mit diesem Gedanken verfiel er in einen leichten Dämmerschlaf, aus dem er nur wenige Stunden später durch ein helles Klingen geweckt wurde. Zuerst dachte er, das melodische Singen wäre nur Teil seiner wirren Traumbilder. Aber dann merkte er, dass sich das Geräusch auf Raroks Haus zu bewegte. Neugierig öffnete Matt die Fensterläden und erblickte eine kleine Prozession, die in gemessenen Schritten durch die Gassen des Dorfes ging. Die fünf kahlköpfigen Männern waren in rote Gewänder gehüllt, die bis über
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ihre Füße fielen. Ihr Anführer war von hagerer Gestalt; seine schmalen Gesichtszüge verliehen ihm Ähnlichkeit mit einem Raubvogel. In seinen dürren Fingern trug er ein kunstvoll verdrehtes Metallrohr, das entfernt an eine Triangel erinnerte. In regelmäßigen Abständen schlug er mit einem Klöppel gegen das Instrument, das einen singenden Klang von sich gab, der durch das ganze Dorf hallte. »Das müssen die Priester aus Urlok sein«, flüsterte Aruula neben Matt. Matthew Drax nickte. Während er hastig in seinen Kampfanzug schlüpfte, beobachtete er, wie die Prozession an dem aufgespießten Lupakopf vorbeizog und vor der Haustur zum Stehen kam Der Priester mit dem Vogelgesicht schlug dreimal schnell hintereinander gegen sein Instrument, als ob er auch dem Schwerhörigsten im Dorf seine Ankunft mitteilen wollte Nachdem der schrille Klang verhallt war, nef er mit lauter Stimme »Die Hohen aus Urlok sind gekommen, um die Auserwahlte Anaka zu holen'« Seme Worte waren kaum verklungen, als sich die Haustur öffnete Zuerst trat Rarok mit seiner Frau nach draußen, ihnen folgte Anaka, die ihr feinstes Kleid trug Ein Festtagsgewand aus blauem Stoff, der mit goldenen Faden durchwebt war »Ich grüße euch, hoher Mokas«, empfing Anaka den Pnester mit fester Stimme »Ich will euch folgen, um unseren Gott Lemarr milde zu stimmen, damit das kleine Meer mein Volk weiter nähren möge« Die junge Frau wirkte bei ihrer Rede sehr gefasst, wahrend ihre Mutter hemmungslos weinte Die Priester nahmen Anaka schweigend in ihre Mitte und kehrten auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren Die Menschen, die überall aus ihren Hausern traten, verneigten sich vor der Prozession, die an ihnen vorüber zog In einigen Gesichter spiegelte sich Mitleid mit Anaka wider, andere Fischer hatten dagegen eine feierliche Miene aufgesetzt, als wurde die junge Frau dem größten Tag ihres Lebens entgegen sehen Wahrend die Priester zwischen den Passanten hindurch schritten, schwang Mokas den mit bunten Bandern verzierten Klöppel in
die Hohe und nahm den alten Takt wieder auf Begleiten vom sirrenden Klang des seltsamen Instruments verschwand die Prozession in Richtung Ufer, wo ein rot gestrichenes Boot mit schwarzen Segeln wartete Zweifellos das Totenschiff, mit dem die Auserwahlten aus ihren Dorfern abgeholt wurden Nachdem Aruula und Matt sich angekleidet hatten, nahmen sie ihre Sachen auf und gingen in die Küche Dort trafen sie auf ihre Gastgeber, die niedergeschlagen ms Haus zurückkehrten »Bitte stärkt euch noch, bevor ihr wieder auf die Reise geht«, bat Rarok, als wurden ihm die harten Worte der vergangenen Nacht leid tun Obwohl Matt keinen Hunger verspurte, setzte er sich an den Tisch Es wäre unhöflich gewesen, Raroks Einladung abzulehnen Kurz darauf bereute er seine Entscheidung, denn es fiel ihm schwer, angesichts der leise wimmernden Berlit auch nur einen Bissen herunter zu würgen Rarok entzog sich der bedruckenden Atmosphäre, indem er sich hastig auf sein Boot verabschiedete Matt kam es erst hartherzig vor, dass der Häuptling an diesem Tag auf Fischfang gehen wollte Aber vermutlich floh der praktisch veranlagte Mann nur in seinen gewohnten Tagesablauf, um seine Haltung zu bewahren Gleich nachdem Rarok das Haus verlassen hatte, nahm sich Aruula der weinenden Mutter an Tröstend schloss sie Berlit in die Arme, doch welche Worte des Trostes konnte sie in dieser Situation spenden' Hilflos sah die Barbarin zu Matthew hinüber Der Commander hatte in diesem Moment lieber einer Horde angriffslustiger Taratzen gegenüber gestanden, als weiterhin das elende Gefühl der Hilflosigkeit zu ertragen Doch es wäre feige gewesen, sich in diesem Moment aus dem Staub zu machen Frustriert schob er den mit Brot und Fisch belegten Holzteller zur Seite, wahrend er nach Worten rang Er wollte gerade zu einigen Phrasen über Glaube und Hoffnung ansetzen, als die Haustur mit einem lauten Knall aufgestoßen wurde Ehe Matt wusste, wie ihm geschah, stürmte eine Horde Harpunen schwingender Fischer ms
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Haus Instinktiv griff Matthew an seine Hüfte, doch ehe er die Beretta aus der Tasche ziehen konnte, waren er und Aruula von blanken Stahlspitzen umringt. »Keine hastige Bewegung«, warnte Fradak, »oder deine Gefährtin stirbt.« Die Spitzen seiner Filzlocken bebten, als er sich mit geballten Fäusten vor Matt aufbaute. Die Männer an seiner Seite gehörten zu seinem engsten Freundeskreis, das war an den gleichen Frisuren zu erkennen. »Verlasst sofort das Haus und belästigt meine Gäste nicht!« begehrte Berlit gegen die jungen Fischer auf. Ihre Stimme war zwar durch den Verlust ihrer Tochter kraftlos geworden, trotzdem drohte sie: »Wenn Rarok von deinem Frevel erfährt, wird er dich strafen!« »Wenn der Häuptling zurückkehrt, sind wir längst fort«, wischte Fradak ihren Einwand beiseite. »Wir werden zur Opferstelle der Priester ziehen. Wenn der Seedamon wirklich erscheint, wird ihn der großspurige Fremde töten, wie er es gestern Nacht vorgeschlagen hat. Oder hat dich inzwischen dein Mut verlassen, Maddrax?« »Keineswegs«, gab Matt ungerührt zurück, und mit einem Seitenblick auf Aruula: »Ich habe es auch nicht nötig, die Hilfe eines anderen mit Waffengewalt zu erzwingen.« Die beidseitig geschliffenen Spitzen zweier Harpunen schwebten so dicht vor Aruulas Kehlkopf, dass sie nicht mehr tief einatmen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass sie ihre Haut einritzten. Die Barbarin funkelte ihre Gegner wütend an, während sie innerlich bereute, dass sie ihr Schwert beim Gepäck gelassen hatte. »Du hast die Wahl«, knurrte Fradak mit einem fanatischen Glitzern in seinen Augen. »Entweder du kämpfst gegen Lemarr, oder eure Köpfe landen genauso auf den Harpunen wie die der Lupas. Falls du gegen den Seedämon verlierst, rettest du damit wenigstens das Leben deiner Gefährtin.« Angesichts der erdrückenden Übermacht blieb Matt nichts anderes übrig als einzuwilligen. Er hätte schon schneller als sein Schatten ziehen müssen, um die Fischer auszuschalten, bevor sie Aruula mit ihren
Harpunen durchlöchern konnten. Außerdem interessierte er sich selbst dafür, was im Kloster von Urlok vor sich ging. »In Ordnung«, stimmte er zu. »Ich werde euch zu helfen versuchen. Aber ich brauche dafür volle Bewegungsfreiheit. Und ihr müsst mir alles erzählen, was ihr über Lemarr wisst.« Fradak starrte sein Gegenüber einige Sekunden lang an, als wollte er ihn mit seinen glühenden Augen durchbohren, doch Matt hielt dem Blick mühelos stand. Schließlich nickte der Hüne. Nach einem Fingerschnippen senkten die Fischer ihre Harpunen. »Wenn ihr zu fliehen versucht, werdet ihr es bereuen«, warnte Fradak, bevor sich ein leichter Anflug von Hilflosigkeit in seine Miene mischte. »Den Dämon kennen wir nur aus den Geschichten unserer Väter. Niemand von uns hat ihn je gesehen. Er erscheint seit langer Zeit nur noch den Priestern.« Matt sah verblüfft von einem Fischer zum nächsten. »Und woher ihr wisst dann, dass dieses Untier noch existiert?«, keuchte er ungläubig. »Vielleicht ihr opfert eure Brüder und Schwestern schon seit einer Ewigkeit völlig umsonst!« Fradak. schüttelte nur traurig den Kopf. »Lemarr ist noch da draußen«, erklärte er düster. »Dämonen sind unsterblich!«
Wegen ungünstiger Windverhältnisse dauerte die Fahrt zum Kloster bis zum späten Nachmittag. Die lange Zeit in der Gesellschaft der schweigsamen Priester zerrte so sehr an Anakas Nerven, dass sie schließlich froh war, die Türme von Urlok zu sehen. Das Kloster lag in einer geschützten Bucht, an die sich eine Landzunge anschloss, welche durch einige Sandaufschüttungen verlängert worden war. In der Mitte dieser künstlich angelegten Halbinsel stand ein großes, innen hohles Metallgebilde, das mit seiner offenen Unterseite auf einigen Baumstämmen ruhte. Anaka wusste
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aus den Erzählungen ihres Vaters, dass dieses birnenförmige Instrument dazu benutzt wurde, um Lemarr anzulocken. Nicht weit davon entfernt lag ein Floß am Ufer. Es bestand aus sechs aneinander gebundenen Baumstämmen, die von einer Metallplatte abgedeckt wurden. Darauf war eine Art Mast errichtet, dem aber ein Segel fehlte. Anaka brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, dass dieses Floß für sie bestimmt war. Trotz der warmen Sommersonne spürte die junge Frau ein eisiges Frösteln, als streife sie der Hauch des Todes. Fast so, als ob es erst des Anblick des Kultplatzes bedurfte, um ihr die Konsequenzen des Rituals aufzuzeigen. Wie alle Fischer am kleinen Meer hatte auch Anaka seit ihrer Kindheit in der Furcht gelebt, als Opfer für Lemarr erkoren zu werden. Als sie schließlich die Nachricht erhielt, dass sie die neue Auserwählte des Dorfes sei, hatte sie ihr Schicksal verhältnismäßig gefasst aufgenommen. Vielleicht war es nur der Schock über ihren baldigen Tod gewesen, aber sie war viel ruhiger geblieben als viele Freunde und Verwandte. Insbesondere Fradak hatte sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden wollen, doch sie hatte immer wieder an ihn apelliert, die Entscheidung der Priester zu achten. Jetzt, da sie das Floß sah, bereute sie zum ersten Mal, dass sie nicht mit ihm in den Norden geflohen war. Aber so sehr sie sich auch in Fradaks Arme zurückwünschte, für eine Umkehr war es endgültig zu spät. Obwohl sie gut schwimmen konnte, war eine Flucht aussichtslos, denn im Kloster hatte man ihre Ankunft bereits bemerkt. Während Mokas das Segel einholte, strömten am Ufer weitere rot gewandete Priester zusammen, um sie in Empfang zu nehmen. Als der Bootskiel in dem weichen Sandstrand auf Grund lief, sprangen sofort einige Novizen herbei, um Anaka herauszuhelfen und sie zu dem Hohepriester zu führen. Solek, der Höchste unter den Gläubigen des Lemarr, war ein kleiner, aber wohlgenährter Mann, der vergeblich versuchte, eine betretene Miene zur Schau zu stellen. Als Anaka näher trat, spalteten sich seine feisten Lippen zu einem anzüglichen Lächeln.
»Was für ein Jammer, dass ein so hübsches Mädchen so früh sterben muss«, heuchelte er mitfühlend. »Aber Gott Lemarr fordert von uns allen Opfer, damit wir weiter in seinem Paradies auf Erden leben können. Gern würde ich die Auserwählte ins Kloster bitten, um ihr die Einzigartigkeit ihrer heiligen Tat näher zu erläutern, doch der Tag ist leider schon zu weit fortgeschritten, so dass wir unverzüglich mit der Zeremonie beginnen müssen.« Anaka nickte dem Hohen mit verkrampften Gesicht zu. Sie benötigte inzwischen all ihre Kräfte, um die Fassung zu bewahren. Während sich Solek abwandte und nach einigen Weintrauben langte, die ihm auf einem silbernen Tablett serviert wurden, nahm Mokas die Auserwählte bei der Hand. Er führte sie zu einem Zelt, das ein Stück weiter hinten aufgebaut war. »Hier kannst du dich waschen, damit du unserem Gott in aller Reinheit gegenüber trittst«, erklärte der Priester. »Das Kleid kannst du einem der Novizen geben; er wird dir dafür eine Opfertracht aushändigen.« »Das ist die Brautgewand meiner Mutter«, stammelte Anaka verwirrt. »Was geschieht damit?« »Es geht in den Fundes des Kloster über«, sagte Mokas, »wie es Sitte ist.« Ohne weitere Erklärungen schlug er die Eingangsplane des mannshohen Rundzeltes zurück. Anaka trat ein, zog ihr Kleid aus und wusch sich an einer bereitgestellten Wasserschüssel. Sie trocknete sich gerade mit einem Leinentuch ab, als ein halbwüchsiger Junge in roter Tracht ins Zelt trat. Einen Moment lang schämte sich Anaka wegen ihrer Blöße, aber der Novize betrachtete sie ohne großes Interesse. Vermutlich hatte er in diesem Zelt schon viele nackte Menschen gesehen. »Dies ist dein Opfergewand«, erklärte der Junge, während er Anaka ein kurzes weißes Stoffstück reichte. »Dein Kleid werde ich in die Truhe mit den kostbaren Stoffen legen.« Anaka ignorierte seine letzte Bemerkung, denn sie starrte fassungslos auf das knappe weiße Höschen, das er ihr aushändigte. »Bist du sicher, dass das nicht für einen Mann gedacht ist?«, erkundigte sie sich bei dem Novizen.
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Der Junge zuckte nur mit den Schultern, bevor er antwortete: »Es ist das Gewand, dass mir der Hohe übergab. Sein Wille wird von Lemarr gelenkt!« Ohne weitere Erklärungen nahm er das blaue Seidenkleid auf und verschwand wieder. Anaka blieb nichts anderes übrig, als sich den knappen Stoff über die Beine zu streifen, um wenigstens ihren Unterleib so gut wie möglich zu bedecken. Ihre langen Dreadlocks drapierte sie sorgfältig über die blanken Brüste, trotzdem kam sie sich nackt und schutzlos vor.
seltsame Weise entrückt, als ob sich ihr Geist in einer anderen Welt befände. Der Hohepriester nahm Anaka an der Hand, um sie zur Opferstätte zu führen, derweil sich die Priester in einer Zweierkette hinter ihnen einreihten. Während die Prozession die Landzunge entlangschritt, schlug Mokas wieder sein Metallinstrument, das nun einen düsteren, geradezu bedrohlichen Klang von sich gab. Als sie das Floß erreichten, zog plötzlich eine leichte Brise auf. Obwohl keine Wolke zu sehen war, die Sonne oder Mond verdeckte, schien sich der Himmel plötzlich zu verfinstern, als ob etwas Dunkles, Lichtschluckendes nahte, dem sich selbst die Gestirne beugen mussten. Trotz der heiligen Zeichen auf ihrem Körper fühlte Anaka plötzlich, wie die Furcht ihre Glieder lahmte. Die nachfolgenden Priester mussten sie die letzten Schritten bis zur Landspitze gewaltsam voran schieben, bis sie direkt vor dem Opferfloß stand. Mokas warf dem zitternden Mädchen einen mitfühlenden Blick zu. »Komm mit«, bat er, während er sie sanft am Arm fasste. »Je weniger du dich wehrst, umso schneller ist es für dich vorüber.« Er führte sie zu dem Mast, der in das Floß eingelassen war. Widerstandslos ließ sich Anaka mit den Händen daran fesseln. Als Mokas einen Knebel aus seinem weiten Gewand hervorzog, schrak sie aber zurück. »Das ist nicht nötig«, versicherte sie. »Ich werde nicht schreien.« »Doch, das wirst du«, widersprach der Priester traurig. »So laut, wie du nur kannst. Glaub mir, es muss sein. Viele von uns können die Hilferufe der Auserwählten nicht mehr ertragen.« Die Panik sprang Anaka an wie ein wildes Tier. Während Mokas ihr den Knebel in den Mund stopfte, zerrte sie verzweifelt an ihren Handfesseln, doch für eine Flucht war es zu spät. Die Geistlichen versammelten sich in einem Halbkreis um ihren Hohepriester, der das Ritual einleiten wollte. Solek kreuzte seine Hände vor dem Brustkorb und stimmte einen dunklen Brummton an, der laut über die vor ihm
Als sie vor das Zelt trat, war bereits der Mond am hellen Abendhimmel aufgegangen, während die Sonne noch vor ihrem nächtlichen Verfolger floh, indem sie hinter dem Horizont versank. Anaka fröstelte, nicht nur wegen der heraufziehenden Kühle des Abends. »Die Zeit des Opferrituals ist gekommen«, empfing sie Mokas, der einen Farbtopf und mehrere Federn in den Händen hielt. »Empfange diese heiligen Zeichen, damit du furchtlos in den Tod gehst.« Ehe sich die Auserwählte versah, tauchte der Priester die Federspitzen in die Farbe und malte ihr religiöse Symbole auf Rücken und Oberschenkel. Anaka fühlte, wie sie von neuer Kraft durchströmt wurde. Sie wusste nicht, ob die Zeichen wirklich die Macht besaßen, ihr die nächsten Schritte zu erleichtern, oder ob sie nur halfen, weil sie fest darauf vertraute. Eigentlich war ihr das auch ganz egal. Hauptsache sie brachte die kurze Lebenszeit, die ihr noch blieb, so würdevoll wie möglich hinter sich. Gemessenen Schrittes folgte sie Mokas, der sie zurück an den Strand führte. Die Lippen einiger Geistlicher verzogen sich bei ihrem barbusigen Anblick zu einem lüsternen Lächeln, die meisten wirkten aber auf
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liegende Wasserfläche hallte. Wie auf ein unsichtbares Kommando fielen die übrigen Priester in den düsteren Gesang ein, der wie ein Lockruf auf den See hinausgetragen wurde. Es klang wie ein unheiliger Appell, der das Böse dazu einlud, ihre menschliche Opfergabe entgegenzunehmen. Begleitet von dem monotonen Gesang nahmen vier Priester einen langen Holzstamm auf und rammten ihn gegen den Leib der großen Eisenkuppel, worauf ein dumpfer Laut erklang, der sich wie ein Gewittergrollen über die glatte Seefläche fortpflanzte. Dieser Ton diente als Warnung für die Fischer auf See, aber auch als Zeichen für Lemarr, dass sein Opfer bereit war. Während die Priester in gleichmäßigem Takt gegen die Metallkuppel schlugen, gab Mokas drei Novizen einen kurzen Wink. Sofort stemmten sich die Jungen gemeinsam gegen das Floß und schoben es keuchend ins flache Wasser. Kaum wurden die Baumstämme von den Wellen ergriffen, schwoll der dunkle Choral der Priester weiter an. Mit jedem Wellenschlag, der Anaka aufs offene Wasser hinaus trug, wurde der aufpeitschende Rhythmus lauter und drängender, als ob die Komposition aus Gesang und Kuppelklängen den Gott wecken sollte, der drunten im See schlief. Plötzlich riss Solek die Hände zum Himmel empor und schrie: »Komm zu uns, großer Gott Lemarr! Nimm das Opfer deiner untertänigen Diener an, damit wir uns auch in Zukunft an deinen reichen Gaben laben können!« Die ihn umgebenden Priester begannen mit ihren Oberkörpern vor und zurück zu pendeln, während sie ihren Choral bis zur Ekstase steigerten. Sie wurden nur noch von ihrem Hohepriester übertönt, der immer neue Beschwörungen in den Himmel schrie, um den dunklen Gott herbeizuflehen.
Anaka hatte keinen Blick für das bizarre Ritual, das sich am Ufer abspielte. In wilder Panik zerrte sie an ihren Fesseln, während sie den See nach einem Zeichen des dunklen Gottes absuchte, dem sie geopfert werden sollte. Anfänglich war nichts zu entdecken, doch als sie gerade schon Hoffnung schöpfte, dass sie vielleicht vor der Gefräßigkeit des Dämons verschont bliebe, sah sie einen dunklen Schatten unter der Wasseroberfläche entlang huschen. Zuerst dachte sie, ihre überreizten Sinne würden ihr einen Streich spielen, doch dann wiederholte sich das Phänomen mehrmals, bis Anaka erkannte, dass dort etwas in der Tiefe kreiste. Etwas, das nur darauf wartete, dass sie mit dem Floß weiter hinaus trieb. Kein Zweifel, dort lauerte Lemarr!
»Verdammt, wir sind zu spät gekommen«, fluchte Fradak lauthals, als er sah, wie einige Priester das Opferfloß auf den See hinaus schoben. Matthew trat neben dem Fischer auf die Hügelkuppe, die ihnen die Sicht zum Strand versperrt hatte. Einen Moment lang nahm ihn der Anblick der riesigen Kirchenglocke gefangen, die von den Priestern am Ende der Landzunge geschlagen wurde. Vermutlich stammte sie aus den Trüjnmern einer großen Kirche, die nach dem Kometeneinschlag zusammengestürzt war. Es musste ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, das schwere Instrument an den See zu transportieren doch dies war nicht der Zeitpunkt, die Leistungen der Priester zu bewundem. So riss sich Matt von dem Relikt seiner Vergangenheit los und knurrte: »Wir haben so viel Zeit verloren, weil wir das letzte Stück zu Fuß marschiert sind!« »Das weiß ich auch!« gab Fradak gereizt zurück, denn es war sein Vorschlag gewesen, sich von der Landseite aus anzuschleichen. »Aber wenn wir direkt in die Bucht gesegelt wären, hätten uns die Priester vorzeitig entdeckt
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und Anaka vielleicht umgebracht. So etwas ist schon vorgekommen.« Matthew nickte. Er wusste, dass Fradak nur aus Sorge um seine Freundin gehandelt hatte. Niemand von den Fischern hatte schließlich damit rechnen können, dass die Priester ihre Zeremonie so schnell durchführen würden. Nun mussten sie das Beste aus der misslichen Situation machen. Grübelnd wandte sich der Commander zu Aruula um, die sich neben ihn hockte. Die Barbarin senkte ihren Kopf zwischen die angezogenen Knie und schien angestrengt über etwas nachzudenken. Maddrax wusste, dass dies ihre bevorzugte Position war, um mit ihren telepathischen Sinnen die Umgebung abzuhorchen. »Kannst du etwas Verdächtiges ausmachen?«, fragte er sie. Aruula schüttelte den Kopf. »Ich spüre nur Anakas Angst und die Ekstase einiger Priester.« Bei diesen Worten sprang Fradak wütend auf. »Wir müssen sie sofort aus dem Wasser holen!« forderte er aufgebracht. »Und wenn die Priester sich uns in den Weg stellen sollten, dann können sie ihr blaues Wunder erleben.« »In Ordnung«, stimmte Matthew zu, denn die Geistlichen wirkten nicht gerade so, als wären sie gegen einen Überfall gewappnet. »Aber wenn wir sind am Wasser, wir müssen vorsichtig sein. Dass Aruula nichts Ungewöhnliches spürt, heißt nicht, dass es dort gibt nichts.« Fradak wartete ungeduldig das Ende von Matts ungewandt formulierter Erklärung ab, dann rannte er wortlos zum Strand hinab, direkt auf die Landzunge zu. Seine Freunde eilten ihm schweigend nach, damit die Geistlichen nicht vorzeitig auf ihren Angriff aufmerksam wurden. Matt und Aruula blieb nichts anderes übrig, als den Hitzköpfen so schnell wie möglich zu folgen.
Die Priester konzentrierten sich so sehr auf ihr unheilvolles Ritual, dass sie die heranstürmenden Aufrührer erst bemerkten, als diese schon mitten unter ihnen waren. Selbst Solek starrte entsetzt auf die erhobenen Harpunen, während die Beschwörungen, die über seine Lippen drangen, zu einem jammernden Laut erstarben. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, besann er sich aber auf seine führende Position als Hohepriester. Wütend sah er zu Fradak hinüber, der seine Getreuen anwies, die unbewaffneten Geistlichen in Schach zu halten. »Für dieses Sakrileg wirst du auf dem Meeresgrund landen«, schrie Solek erbost. »Dort wird dir Lemarr einen leidvollen Tod bescheren.« »Mag sein«, schnaufte Fradak, während er die Spitze seiner Harpune auf den Hohepriester richtete. »Aber du stirbst auf jeden Fall vor mir!« »Halt«, ging Matt dazwischen. »Wenn du tötest diesen wehrlosen Mann, benimmst du dich nicht besser als jene, die du verachtest!« »Ist mir doch egal«, gab der Hüne trotzig zurück, obwohl seine Wut langsam wieder verrauchte. »Mir nicht«, konterte Matt, »und du willst doch immer noch, dass ich Anaka zurückhole, oder?« Ohne seine Harpune auch nur einen Fingerbreit aus dem Ziel zu nehmen, sah Fradak zu dem Floß hinüber, das weiter auf den See hinaus trieb. Beim Gedanken an das, was auf Anaka lauern mochte, begannen seine Augenlider zu flackern. »Ich kann sie selbst von dort zurückholen«, erklärte er mit eisenharter Miene, die im direkten Widerspruch zu seiner zitternden Stimme stand. »Nein«, wandte Matt ein. »Du musst hier bleiben, um deine Freunde unter Kontrolle zu halten. Ich werde zu Anaka schwimmen, sie losschneiden und mit ihr zurückkehren.« Fradak stimmte ihm nicht zu, widersprach aber auch nicht. Er schwieg einfach. Vermutlich, weil er keine kostbare Zeit durch sinnlose Streitereien vergeuden wollte, vielleicht aber auch nur deshalb, weil er sich vor dem fürchtete, was auf dem See lauern
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mochte. Auf jeden Fall sorgte er mit energischen Kommandos dafür, dass sich die Priester in einem dicht gedrängten Kreis auf den Boden setzten und jede Gegenwehr einstellten. Selbst Solek wagte es nicht mehr, weitere Verwünschungen gegen den Hünen auszustoßen. Maddrax entledigte sich inzwischen seiner Kampfstiefel. Bevor er mit den nackten Füßen ins Wasser laufen konnte, hielt ihn Aruula am Arm zurück. »Sei vorsichtig«, warnte ihn die Barbarin. »Hier sind zu viele Menschen, als dass ich etwas erlauschen könnte, aber ich spüre trotzdem, dass da draußen etwas ist.« »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Matthew sie, bevor er ihr einen KUSS auf die Lippen hauchte. Dann griff er nach seiner Waffe. Mit routinierten Bewegungen lud er die Beretta durch und klemmte sie zwischen seine Zähne. So gerüstet lief er in den See hinein. Schon nach wenigen Schritten fiel der Grund unter seinen Füßen so tief ab, dass er in die Fluten eintauchten musste. Mit kräftigen Armstößen schwamm er auf das Opferfloß zu, auf dem Anaka immer wilder an ihren Fesseln zerrte. Statt auf die turbulenten Vorgänge am Ufer zu achten, starrte sie mit angstgeweiteten Augen auf den See hinaus, als ob sie dort etwas Unheilvolles sah, das ihm verborgen blieb. Matt vermutete, dass Anaka in ihrer Panik noch gar nichts von der nahenden Rettung gemerkt hatte. So verstärkte er seine Schwimmbewegungen, um schneller bei ihr zu sein. Der Pilot konnte nicht ahnen, dass Anaka nur deshalb so verzweifelt an ihren Fesseln zerrte, weil der Schatten vor ihrem Floß immer größer wurde. Und je deutlicher sich das Wesen abzeichnete, das dort unter der Wasseroberfläche kreuzte, umso größer wurde ihre Angst. Denn dieses Ding, das jeden Moment zu ihr empor steigen konnte, war schrecklicher als alles, was sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte. Als sie schon dachte, dass sich ihre Ängste nicht mehr steigern ließen, brach der dunkle Gott zwischen den Wellen hervor. Für einen
Moment schienen die Bewegungen der Kreatur zu gefrieren, so deutlich konnte sie sehen, wie sich ihr geschuppter Körper in einer Wasserfontäne erhob und mit der vorderen Hälfte das Floß streifte.
Es war ein Monstrum, der Schädel so groß wie Zelt, die langgestreckte Schnauze wie die eines monströsen Krokodils. Trotz des Knebels schrie Anaka entsetzt auf, als die Metallplatte unter ihren Füßen bedenklich schwankte und sie direkt in den weit aufgerissenen, mit langen Fangzähnen bestückten Rachen der Bestie starrte. Die frostkalten Augen des Ungetüms fixierten sie, während die schnaubenden Nüstern ihre Witterung aufnahmen. Einen Moment lang konnte Anaka den fauligen Atem spüren, der aus der langen Schnauze drang, dann schloss sich das furchtbare Maul und der Dämon verschwand wieder in den Fluten.
Matt hatte die Distanz bis zum Floß gerade zur Hälfte überwunden, als ihn der heiserer Schrei des Mädchens erstarren ließ. Einen Sekundenbruchteil darauf schoss das Monstrum aus den Fluten. Verdammt, er würde zu spät kommen! Aus seiner jetzigen Position konnte er keinen gezielten Schuss abgeben, ohne Anakas Leben zu gefährden. Außerdem hatte er seine Zweifel, ob dieses Vieh mit dem Kaliber der Beretta überhaupt zu erledigen war. Matthew hatte in den letzten Monaten etliche Mutationen zu Gesicht bekommen. Nichts davon war mit dem Anblick des gigantischen Reptils vergleichbar, über dessen
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Kopf sich ein Hornwulst zog, der ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem prähistorischen Dinosaurier verlieh. Die nach außen gewölbten schwarzen Augen glänzten vor primitiver Mordlust. Schon dachte Matthew, die Bestie würde Anaka mit einem schnellen Vorstoß ihres Mauls verschlingen, da tauchte das mutierte Riesenkrokodil wieder ab. Offenbar hatte es zunächst nur die Witterung aufgenommen um sich seine Opfergabe beim zweiten Auftauchen zu holen. Mit kräftigen Stößen kraulte Matt durchs Wasser. Er verdrängte den Gedanken daran, was er gegen die Bestie unternehmen konnte, falls seine Kugeln sie nicht aufhielten. Als Soldat hatte er gelernt, nicht vorschnell aufzugeben und noch die kleinste Chance zu nutzen. Selbst wenn es an Selbstmord grenzte . . . Wieder spritzte Wasser in einer hohen Fontäne auf zu früh; Matt war noch gut zehn Meter von dem kleinen Floß entfernt, auf dem sich Anaka vor Angst wand und den Kopf verzweifelt hin und her warf. Grollend tauchte die Bestie auf den Fluten, warf sich nach vorn und ließ ihre monströsen Kiefer zuschnappen. Die handgroßen Reißzähnen gruben sich knirschend in den Mast, an den Anaka gefesselt war, und verfehlten ihre nach oben gebundenen Hände nur um Haaresbreite. Der mächtige Ruck riss den Pfahl aus seiner Verankerung. Anaka warf sich gedankenschnell zur Seite und die nachschnappenden Zähne verfehlten sie aufs Neue. Dann war Matt heran.
wollte? Wütend riss das Reptil seinen Schädel herum und stellte sich zum höchst ungleichen Kampf. Matt spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten, als ihm der stinkende Atem aus dem Rachen des Ungetüms entgegen wallte. Weg von hier! schrie alles in ihm. Doch statt sich nach hinten abzustoßen, um aus der Reichweite der mörderischen Fänge zu fliehen, krallte er sich mit einer Hand am Floß fest, während er mit der Rechten die Beretta zwischen seinen Zähnen ergriff. Einen Sekundenbruchteil später hatte er die bereits entsicherte Waffe ins Ziel gebracht und drückte ab. Das Projektil schlug dem Ungeheuer ins Maul eine der wenigen ungepanzerten Stellen, wo es verletzlich sein musste. Der Blutschwall, der aus dem Rachen schoss, bestätigte seinen Treffer. Die Riesenechse zuckte zurück, bäumte sich auf. Hastig visierte Matt das linke Auge des Monstrums an. Doch ehe er den Abzug erneut durchreißen konnte, wälzte es sich brüllend zur Seite und tauchte unter. Matt stemmte sich hastig in die Höhe und kletterte auf das Floß, denn er befürchtete, die Bestie würde unter Wasser nach seinen Beinen schnappen. Er irrte sich. Der »Dämon« hatte genug. Bereits einen Speerwurf entfernt, tauchte Lemarr noch einmal auf und ließ ein schmerzerfülltes Brüllen hören, bevor er endgültig in der Tiefe verschwand. Nur die Blutspur, die auf der Wasser Oberfläche zurückblieb, zeugte noch von der Niederlage des dunklen Gottes. Vom Ufer aus drang Freudengeschrei zu Matt und Anaka herüber, doch der Commander blieb misstrauisch. Erst nach einigen Minuten, in denen er mit der Beretta angespannt in die Tiefe gezielt hatte, war er sicher, dass die Bestie wirklich geflohen war. Doch er war sich darüber im Klaren, dass er Lemarr nur vertrieben und längst nicht besiegt hatte ...
Gerade wollte das Monstrum noch einmal nachfassen, als es plötzlich eines zweiten Menschen gewahr wurde, der neben ihm aus dem Wasser empor schoss und sich auf den aneinander gebundenen Stämmen abstützte. Das Riesenkrokodil war irritiert; handelte es sich um ein zweites Opfer oder um einen Gegner, der ihm die Beute streitig machen
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Fradak und seine Gefährten grölten vor Begeisterung, als Matt mit Anaka ans Ufer zurückkehrte. Zum ersten Mal seit Menschengedenken hatte jemand die Begegnung mit Lemarr überlebt und ihn dazu noch in die Flucht geschlagen! Nachdem Fradak seine Freundin überglücklich in die Arme geschlossen hatte, stapfte er zu ihrem Retter und schlug ihm begeistert auf die Schulter. »Ich habe dich falsch eingeschätzt, Maddrax«, gestand der Hüne ein. »Ohne dich hätte ich Anaka wohl niemals wiedergesehen. Ich danke dir . . . Freund!« Matthew war sich der Ehre bewusst, die Fradak ihm zuteil werden ließ, entzog sich aber trotzdem weiteren Beifallsbekundungen durch Schulterschläge, bevor ihm der Hüne noch das Rückgrat brach. »Lemarr wird sich erholen von seiner Niederlage«, dämpfte er den Enthusiasmus der Fischer. »Dann wird er wieder zuschlagen.« »Sehr richtig!« schrie Solek dazwischen, der sich ihnen im allgemeinen Trubel unbemerkt genähert hatte. »Lemarr wird euren Frevel nicht ungesühnt lassen! Es wird ein Vielfaches an Opfern bedürfen, um ihn wieder gnädig zu stimmen.« »Unsinn!« brauste Matthew auf. »Euer sogenannter Gott ist weiter nichts als ein Tier, das kann bluten und Schmerzen empfinden! Und es kann auch besiegt werden!« »Du wagst es . . .!« keuchte Solek entsetzt. »Deine Worte sind Gotteslästerung!« Ehe der Hohepriester zu weiteren Triaden ansetzen konnte, wurde er von Mokas, der um das Leben des Hohen fürchtete, zurückgezerrt. Fradak beobachtete zufrieden, wie die Geistlichen vor seinen verächtlichen Blicken flohen, bevor er lachte: »Achte nicht auf die Priester, Maddrax. Wenn sich unser Sieg erst einmal herumgesprochen hat, wird niemand mehr auf sie hören.« »Freu dich nicht zu früh«, dämpfte Matt die Hoffnungen des Hünen. »Wenn Lemarr Hunger verspürt, wird er wieder Fischerboote angreifen. Spätestens dann wird die Stimmung umschlagen gegen uns.« »Dann müssen wir die Bestie eben zur Strecke bringen, bevor sie Schaden anrichten
kann«, verlangte Fradak im Brustton der Überzeugung. »Mit deiner Donnerhand kann uns Lemarr nicht gefährlich .werden.« Matt wünschte sich, er hätte genauso zuversichtlich sein können wie die Fischer, die ihn feierten. Aber er wusste es besser. Er hatte bei seinem Schuss das Glück gehabt, das offene Maul der Riesenechse zu treffen. Durch den Schuppenpanzer wäre das Projektil wohl kaum gedrungen. Grübelnd sah er zu Aruula hinüber, deren Gesichtsausdruck seine eigene Meinung widerspiegelte. Er war schon viel zu weit in die ganze Angelegenheit verstrickt, als dass er die Fischer nun sich selbst überlassen konnte. Er würde ihnen helfen müssen, ob er sich nun gute Chancen ausrechnete oder nicht. »Gehen wir!« riss ihn Fradak aus den Gedanken. »Ich kenne ein Dorf, in dem viele Fischer gegen die Rituale der Hohen sind. Dort wird man uns bei der Jagd unterstützten.« So machten sie sich auf den Weg zu Booten der Fischer. Unterwegs grübelte Matt bereits darüber nach, wie sie die Jagd nach dem gepanzerten Reptil organisieren konnten. Durch seine militärische Ausbildung war er es gewohnt, taktische Pläne zu entwerfen, doch hier gab es viele Faktoren zu bedenken, die sich seiner Kenntnis entzogen. Schon aus diesem Grund musste er Fradak und die anderen Fischer mit einbeziehen. Während sie dicht am Seeufer entlang segelten, um Lemarr einen möglichen Angriff zu erschweren, legte Matt den Bootsinsassen seine Vorschläge dar. Erst einmal musste man so rasch wie möglich Boten aussenden, um die anderen Dörfer zu warnen, auf den See hinaus zu fahren. Dann mussten Freiwillige gefunden werden, die bereit waren, sich bei Jagd nach dem vermeintlichen Gott zu beteiligen. »Wir könnten Lemarr mit der Eisenkuppel der Hohen anlocken«, schlug Oslong vor. Matt nickte dem untersetzten Jungen mit den strohblonden Filzlocken anerkennend zu. »Eine gute Idee«, lobte er. » Aber wir müssen damit rechnen, dass die Bestie nach der Niederlage misstrauisch ist und nicht mehr auf den Glockenschlag reagiert.«
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genden Tag endlich auf ein Strohlager sinken lassen. Der Schlaf kam schnell, und mit ihm die Träume. Gedankenbilder von spitzen Zähnen und fauchenden Rachen, von schuppigen Leibern und tückisch glitzernden Augen, in denen Matt eine abseitige Form von Intelligenz zu erkennen glaubte. War der dunkle Gott Lemarr tatsächlich nur ein Tier, wie er den Fischern gegenüber behauptet hatte? Was, wenn er einen ähnlichen Verstand wie die Taratzen entwickelt hatte, primitiv zwar, aber durchaus zu logischem Denken fähig? Im Traum bohrten sich die schwarzen Blicke des Reptils tief in Matthews Augen, und sie schienen eine Botschaft zu übermitteln: Ich kriege dich, Mensch! Noch einmal entkommst du mir nicht...!
Als sie das befreundete Dorf erreichten, war die Nacht bereits hereingebrochen und die meisten Hütten lagen dunkel da. Doch nachdem Fradak an einige Türen geklopft hatte, verbreitete sich in Windeseile die Nachricht vom Sieg über Lemarr. Aus allen Häusern strömten die Menschen zusammen, um den Mann zu sehen, der die Begegnung mit dem dunklen Gott überlebt hatte. Wenn Matt gedacht hatte, dass alle Widerständler an ihren Dreadlocks zu erkennen seien, sah er sich getäuscht. Dies schien Fradaks persönlicher Look zu sein, der nur von seinen Freunden übernommen worden war. Doch auch die Opfergegner dieses Dorfes schienen nicht weniger entschlossen zu sein, dem blutigen Ritual ein Ende zu setzten. Man musste ihnen nur die Chance bieten, gegen Lemarr zu bestehen. Nicht alle Fischer beglückwünschten 'Matt zu seiner Tat. Einige sahen ihn wie einen Todesboten an, der das Elend über sie brachte. Erste Meldeläufer wurden bestimmt, die die umliegenden Dörfern warnen sollten, damit niemand mehr auf den See hinausfuhr. Jeder Ort, der gewarnt war, sollte einen eigenen Mann losschicken, so dass bis zum Morgengrauen jeder Fischer rund um das kleine Meer informiert war. Zur selben Zeit, als die ersten Läufer mit ihren Fackeln in der Dunkelheit verschwanden, machten sich auch jene Männer davon, die Matthew mit Ablehnung begegnet waren. Vermutlich wollten sie die Hohen von Urlok über die Pläne der Aufrührer informieren. Matt ließ sie ziehen. Er konnte ohnehin nicht verhindern, dass die Priester von seinem Aufenthaltsort erfuhren. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, zogen sich die Menschen in ihre Häuser zurück. Auch die Gäste erhielten Unterkünfte. So konnte sich Matthew nach dem anstren-
Lemarr war wütend, denn sein Maul schmerzte. Lemarr war hungrig, denn seine Beute war geflohen. Lemarr war aber auch verwirrt, denn zum ersten Mal seit unendlich langer Zeit hatte sich wieder eines der Opfer gewehrt. Seine letzte Jagd auf die Hellhäute lag so weit zurück, dass er sich kaum noch daran erinnern konnte. Früher hatte er die Landwesen in ihren hohlen Baumstämmen angegriffen, wenn sie kamen, um ihm seine Nahrung mit ihren spitzen Spießen streitig zu machen. Und als er das erste Mal von ihnen gekostet hatte, schmeckte ihm das weiche Fleisch so gut, dass er sie von nun an bevorzugt jagte. Bis sie sich ihm schließlich freiwillig auslieferten und er sich nicht mehr anstrengen musste. Nun aber hatten die Hellhäute ihn angegriffen! Für diesen Schmerz, der in seinen Eingeweiden wühlte, wollte Lemarr Rache nehmen. Er wollte viele der Landwesen reißen und verstümmeln und seinen Hunger an ihnen stillen, um den bitteren Geschmack der Niederlage zu vergessen.
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Mit einem Schlag seines Schwanzes stieß er sich vom schlammigen Seegrund ab und tauchte zur Oberfläche hinauf. Als er an den Lichtern vorbei schwamm, zog er seine Augenlider zu schmalen Schlitzen zusammen, um nicht geblendet zu werden. Mit kräftigen Schwanzbewegungen brachte er Abstand zwischen sich und das glänzende Kugelgebilde, das weder Beute noch Gegner war, ihn aber stets mit Ungewisser Furcht erfüllte. Weil es fremd war, nicht hierher gehörte. Immer höher stieg Lemarr empor, bis er die Wasseroberfläche in einer riesigen Fontäne durchstieß und einen kreisförmigen Wellenring auslöste. Einen Moment trieb er unbeweglich wie ein Baumstamm dahin und suchte die Umgebung nach hellen Punkten ab. Er wusste, dass die Hellhäute die Dunkelheit mit Lichtern vertreiben konnten. Sie nutzten diese Fähigkeit, um des Nachts Fische anzulocken, die sie mit ihren Spießen erstachen. Lemarr fühlte ein dumpfes Gefühl
einer der Schatten ihm zu. Offenbar hatte er ihn bemerkt. Doch es war zu spät. Das Landwesen stieß noch einen ängstlichen Laut aus, dann donnerte Lemarr gegen den hohlen Baumstamm und kippte ihn mitsamt der Menschen um. Er konnte hören, wie die Hellhäute ins Wasser schlugen und mit unbeholfenen Schwimmbewegungen zu flüchten versuchten. Geschickt tauchte er unter dem Stamm hindurch und schnappte nach ein paar Beinen, die direkt über ihm zappelten. Mit einem saugenden Geräusch schlugen die Zähne tief in das weiche Fleisch, bevor Lemarr den Druck seines Kiefers verstärkte und die Knochen mit einem schnellen Biss durchtrennte. Der dumpfe Schmerzensschrei, der zu ihm hinab drang, verschaffte ihm eine primitive Freunde, während der Blutgeschmack seine Magensäfte anregte. Aber noch war nicht die Zeit zum Fressen gekommen! Achtlos ließ Lemarr die abgetrennten Glieder aus seinem Rachen gleiten und wandte sich der nächsten Hellhaut zu. Aus den Beinstümpfen seines ersten Opfers drang ein roter Nebel, der ihm für Momente die Sicht raubte, doch das verzweifelte Schlagen seiner zweiten Beute wies ihm den Weg. Blitzschnell schoss er nach oben und tauchte vor der.Hellhaut auf. Lemarr erfreute sich an dem Entsetzen, das sich auf dem Gesicht des Schwimmers widerspiegelte. Dann stülpte er sein riesiges Maul über den Kopf des Landwesens und ließ seine Kiefer zuschnappen. Diesmal kam sein Opfer nicht mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Zuckend versank der Rumpf vor ihm in der Tiefe. Lemarr zermalmte den Schädel zwischen seinen kräftigen Kiefern und hielt gleichzeitig Ausschau nach der dritten Hellhaut. Es dauerte einen Moment, bis er sie in der Dunkelheit entdeckte, denn sie hatte sich auf die Rückseite des umgekippten Stammes geflüchtet. Mit zwei schnellen Schwanzbewegungen schoss Lemarr auf sein letztes Opfer zu, das sich plötzlich aufrichtete und einen Spieß nach ihm schleuderte. Wie ein dunkler Blitz schoss die Waffe heran. Sie schlug ihm direkt zwischen die Augen, prallte von seinem
der Zufriedenheit in sich aufsteigen, als er daran dachte, dass ihm diese Waffen nichts anhaben konnten. Er war zu mächtig für die Landwesen. So blitzartig wie dieser Gedanken gekommen war, so schnell erreichte ihn die Erinnerung, dass er vor kurzem einer Hellhaut begegnet war, die ihn trotzdem verletzt hatte. Lemarr wurde wütend, doch er fand niemanden, an dem er seinen Zorn auslassen konnte. Auf dem Wasser war nirgendwo Licht zu sehen. Fürchteten die Hellhäute seinen Zorn und wagten sich deshalb nicht auf den See? Grollend bewegte sich Lemarr im Kreis, bis er in weiter Ferne endlich den matten Schein eines beleuchteten Stammes ausmachen konnte. Mit weit ausholenden Schwanzbewegungen schoss er dicht unter der Wasseroberfläche dahin. Das Licht an der Spitze des Stammes wurde immer größer, bis er drei dunkle Schatten erkennen konnte, die sich darauf bewegten. Drei Hellhäute! Lemarr beschleunigte den Takt seiner Schwanzbewegungen und schoss immer schneller werdend auf den Baumstamm zu. Kurz bevor er ihn erreicht hatte, drehte sich
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Schuppenpanzer ab und landete nach einem doppelten Überschlag im Wasser. Lemarr spürte, wie der Schaft seine rechte Pupille berührte und für einen Moment schmerzhaft blendete. Fauchend wälzte er sich herum und holte mit seinem muskulösen Schwanz zu einem fürchterlichen Schlag aus. Die gepanzerte Spitze peitschte die Luft, bevor sie durch Landwesen und Stamm hindurch fuhr. Krachend splitterte das Holz in einer roten Fontäne auseinander, dann senkte sich eisiges Schweigen über den See. Selbst der Beinlose hinter ihm jammerte nur noch leise vor sich hin und stellte seine Paddelbewegungen ein. Ehe er in den Fluten versinken konnte, schnappte Lemarr nach dem zuckenden Oberkörper, um ihn mit sich hinab in die Tiefe zu zerren. Dort konnte Lemarr endlich seinen Hunger stillen.
abbekommen hatten. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Streit zu einem blutigen Gemetzel eskalierte, zumal die Gefolgsleute der Priester hoffnungslos in der Minderheit waren. Matthew musste der sinnlosen Gewalt sofort Einhalt gebieten, sonst würden die Kultanhänger noch unter den Harpunen von Fradaks unbesonnenen Freunden sterben. Schnell entsicherte er seine Beretta und feuerte einen Warnschuss über die Köpfe der tobenden Menge. Der ohrenbetäubende Knall ließ die Kontrahenten mitten in ihren Bewegungen erstarren offensichtlich hatten alle schon von der verheerenden Wirkung der Donnerhand gehört. »Hört sofort auf!« rief Matt laut. »Ihr alle habt nur einen Feind, und der befindet sich draußen auf dem See!« Energisch bahnte er sich einen Weg durch die dicht gedrängte Menge, die ehrfürchtig vor ihm zurückwich. Aruula folgte ihrem Gefährten mit gezogenem Schwert. Wie ein Todesschatten, bereit jeden zu erschlagen, der ihm zu nahe kam. »Was ist hier los?«, erkundigte sich Matt, als er Fradak erreichte. Der Rotfuchs, der eine leichte Schramme an der Stirn davon getragen hatte, informierte ihn in knappen Worten. So erfuhr Matt, dass sich die Bewohner vieler Dörfer in zwei Lager gespalten hatten. Einige hielten ihn für den Befreier, der das Joch des Seedämons von ihnen nehmen würde andere sahen in ihm einen Gotteslästerer, der sie ins Unglück stürzen würde. Es gab bereits Gerüchte darüber, dass ein Boot nicht vom nachtlichen Fischen zurückgekehrt sei. Vermutlich waren die Männer von Lemarr angegriffen worden und natürlich machte man Maddrax dafür verantwortlich. Matt sah seine schlimmsten Ahnungen bestätigt. Er hatte befürchtet, dass er zum Zankapfel beider Parteien werden würde. »Der Kampf, den ihr führt, ist sinnlos«, rief er und hob die Beretta wie ein Zeichen seiner Macht in die Höhe. Wenn er die nächsten Tage lebend überstehen wollte, durfte er aber keine Schwäche zeigen. »Seit der missglückten
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Matt und Aruula von lautem Geschrei geweckt wurden. Als Matthew die hölzernen Fensterläden öffnete, konnte er sehen, dass sich auf dem Marktplatz eine große Menschentraube zusammengefunden hatte, die heftig miteinander stritt. Fradak stand inmitten einiger gestikulierender Fischer, die ihn erbost anschrien, obwohl sie einen ganzen Kopf kleiner waren als er. Auch ohne dass Matt ihre Worte verstehen konnte, wusste er, dass es um ihn und den Kampf gegen Lemarr ging. Hastig kleidete er sich an. Er warf sich gerade seine Natogrüne Jacke über, als Kampflärm vom Marktplatz herüber drang. Irgendetwas hatte die explosive Stimmung entzündet. Die verfeindeten Fischer gingen plötzlich mit Harpunen, Knüppeln und Messern aufeinander los. Als Matthew und Aruula durch die Haustür ins Freie stürmten, glich der Konflikt noch einer Prügelei, aber es ertönten auch schon die ersten Schreie von Verletzten, die eine Stichwunde
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Opferung ist Lemarr verletzt und damit gefährlicher als je zuvor wie jedes waidwunde Tier. Die Priester können euch mit ihren Gebeten nicht mehr helfen. Eure einzige Chance besteht darin, dass wir aufstöbern die Bestie gemeinsam und sie endgültig zur Strecke bringen!« Gemurmel wurde laut, aber es kam zu keinen weiteren Handgreiflichkeiten. Schließlich löste sich die Rotte auf. Die Anhänger des Opferkults strebten dem Dorfrand zu. Einige zogen heim in ihre eigenen Dörfer und Hütten, andere wandten sich dem Kloster zu. Sie würden zweifellos die Hohen von Urlok über die Geschehnisse unterrichten. Bei diesem Gedanken sah sich Matt unbehaglich um. Wer wusste schon, ob nicht bereits irgendwo ein Meuchelmörder lauerte, der ihm bei nächster Gelegenheit einen Dolch zwischen die Rippen jagen würde? »Keine Sorge«, beruhigte ihn Fradak, als er den misstrauischen Blick sah. »Viele Männer und Frauen aus anderen Dörfern haben sich aufgemacht, um sich unserer Sache anzuschließen. Ich werde unter ihnen Wachtposten auswählen, die uns in Zukunft vor solchen Überfällen schützen.« »Ich will nicht führen einen Krieg gegen deine Leute«, knurrte Matthew missmutig in der Sprache der Wandernden Völker. »Wir müssen die Echse töten, bevor die Priester können eine Streitmacht gegen uns versammeln.« »Diese Feiglinge werden sich niemals selbst in unsere Nähe wagen«, winkte Fradak ab. »Da wäre ich mir nicht so sicher«, mischte sich eine hagere Gestalt ein, die unbemerkt hinter Matt und Aruula getreten war. »Solek bebt vor Zorn, weil er seine Macht schwinden sieht. In diesem Zustand ist ihm alles zuzutrauen.« Obwohl der Fremde einen grauen Kapuzenumhang trug, erkannte Matt in ihm den Priester wieder, der Anaka mit dem Totenschiff abgeholt hatte. Ehe Mokas eine verdächtige Bewegung machen konnte, riss Aruula ihr Schwert in die Höhe. Sie stoppte die scharfe Klinge erst im letzten Moment, so dass sich die Klinge in das weiche Fleisch unter seinem Kinn drückte. Es bedurfte nur einer kurzen
Handbewegung der Barbarin, um den Hohen zu töten. »Was willst du noch hier?«, zischte Aruula wütend. »Die Männer, die du aufgewiegelt hast, sind längst gegangen.« Zum Zeichen seiner friedlichen Absichten hob Mokas seine feingliedrigen Hände langsam in die Höhe. Mit der Linken umklammerte er eine Pergamentrolle. »Ich bin hier, weil ich euch helfen möchte«, erklärte er mit ruhiger Stimme. »Warum sollte uns ausgerechnet ein Hoher unterstützen?«, schnaubte Fradak verächtlich. Mokas wandte sein Raubvogelgesicht zu Anaka um, trotz der scharfen Schneide unter seinem Kinn. Er zeigte nicht die geringste Spur von Angst, als er Fradaks Gefährtin bei der Antwort tief in die Augen sah. »Weil ich die Schreie der Opfer nicht mehr ertrage«, erklärte er heiser. Anaka nickte, denn sie hatte diese Worte bereits aus seinem Munde gehört. »Lass ihn«, wies sie die Barbarin sanft an, »er sagt die Wahrheit.« Mokas holte tief Luft, als sich der Druck unter seinem Kinn lockerte. Dann fuhr er fort: »Die Gläubigen, die Lemarr anbeten, sehen nur den Auserwählten ihres Dorfes, der im Jahreslauf verschwindet. Ich aber sehe vier Opfer zu jedem Mond, die vor meinen Augen verschlungen werden. Und obwohl wir sie knebeln, höre ich sie jede Nacht in meinen Träumen schreien, schon seit ich als Novize nach Urlok kam. Ich kann und will das nicht länger ertragen. Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden, selbst wenn der Kampf gegen Lemarr unser aller Leben kostet! Mag sein, dass das Boot von heute Nacht wirklich der wütenden Bestie zum Opfer fiel. Vielleicht wird Lemarr sogar noch mehr Menschen anfallen, bevor wir ihn vernichten können. Zehn, zwanzig, vielleicht dreißig. Und , wenn schon! In meiner Zeit als Hoher von Urlok wurde die zehnfache Anzahl getötet. Alles ist besser als der jetzige Zustand!« Noch während der Priester sprach, ließ Aruula das Schwert langsam zu Boden sinken, ohne jedoch die Bereitschaft aufzugeben, es bei Bedarf wieder in die Höhe zu schwingen.
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»Was ist das für ein Pergament?«, erkundigte sich Matthew. Er war willens, dem Priester Glauben zu schenken. »Das ist eine Karte des kleinen Meeres«, antwortete Mokas, bevor er das brüchige Pergament mit seinen dünnen Spinnenfingern auseinander rollte. »Es gibt eine Stelle im See, an der sich Lemarr häufig aufhält. Vielleicht hat er dort einen Unterschlupf, vielleicht ist diese Gegend auch einfach nur besonders fischreich, ich weiß es nicht. Wenn ihr die Bestie wirklich aufspüren wollt, dann solltet ihr es dort versuchen.« Matt studierte die detaillierte Karte. Während der Priester mit seinem knochigen Finger einen bestimmten Punkt markierte, der nicht allzu weit von der Klosterbucht entfernt lag, überschlugen sich die Gedanken des Commanders. Wenn Mokas' Angaben stimmten, hatten sie eine echte Chance, Lemarr aufzustöbern. Sie brauchten nur noch ein geeignetes Mittel, um das Riesenreptil auch töten zu können. Fradak schienen die gleichen Gedanken zu plagen. »Mit unseren Harpunen können wir den Panzer des Ungeheuer nicht durchdringen«, erinnerte er. »Deshalb müssen wir eine Waffe bauen, das eine höhere Durchschlagskraft besitzt«, erklärte Matt. »Schick Männer in den Wald, die Bäume aus hartem Holz schlagen sollen. Außerdem brauche ich Schwefel, Salpeter und Holzkohle!« Der Hüne kratzte sich nachdenklich zwischen den roten Filzlocken, bevor er antwortete: »Holzkohle ist kein Problem, in dieser Gegend gibt es viele Köhler. Schwefel kann ich bis morgen aus einer nahen Höhle holen lassen. Aber ich habe keine Ahnung, was >Salpeter< ist, geschweige denn, wo man es bekommen kann.« »Das macht nichts«, beruhigte ihn Matt. »Lass einen leeren Trog am Dorfrand aufstellen, in den die Bewohner ihr Wasser lassen sollen.« Fradak verzog angewidert das Gesicht. »Wozu soll das gut sein?«, fragte er zweifelnd. »Aus getrocknetem Urin kann Salpeter gewonnen werden«, erklärte Matt knapp. Er verschonte den Hünen mit Details der
Herstellung. Fradak hätte es doch nicht begriffen. Als sich die Kampfgefährten trennen wollten, um ihren Aufgaben nachzugehen, hielt Mokas Matthew am Arm zurück. »Gibt es noch etwas, das ich tun kann?«, fragte er hilfsbereit. Matt nickte. »Bete darum, dass Lemarr noch einige Tage Ruhe gibt!«
Die Jagd hatte Lemarr gut getan, denn bei ihr hatte er seine Schmerzen vergessen. Doch je länger er nun auf dem Grund des Sees vor sich hin döste, umso stärker verspürte er wieder das dumpfe Pochen in seinem Maul, das durch den Fremdkörper ausgelöst wurde, der sich tief in Fleisch und Sehnen gewühlt hatte. Poch-Poch-Poch-Poch... So sehr sich Lemarr auch im Schlamm umher wälzte und auf Steine und Knochenreste biss, er kam nicht an die schmerzende Stelle heran, die ihn um den Verstand brachte. Schließlich wurden seine Qualen so stark, dass sie jedes andere Gefühl verdrängten und er sich in einer unkontrollierten Drehbewegung langsam in die Höhe schraubte. Poch-Poch-Poch-Poch... Lemarr musste etwas gegen die Schmerzen tun! Er musste Hellhäute töten dann würde es ihm besser gehen. Er hatte schon den ganzen Tag lang die Wasseroberfläche abgesucht, doch nirgends waren hohle Stämme zu entdecken gewesen. Was war nur mit den Landwesen los? Sie kreuzten doch sonst jeden Tag über den See! Poch-Poch-Poch,.. Da fiel ihm der Fressplatz ein, an dem ihm die Landwesen lange Zeit freiwillig ihre eigenen Leute überlassen hatten. Wenn er sich die Gefesselten von den Baumstämmen holte, hatten am Ufer stets weitere Hellhäute gestanden und zu ihm herüber gesehen. Poch-Poch... Ja, an diesem Platz lebten viele Hellhäute! Allein der Gedanke an ihr weiches,
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wohlschmeckendes Fleisch ließ den Schmerz in seinem Maul abklingen. Poch... Blitzschnell schoss Lemarr an die Oberfläche, um Luft zu schnappen. Dann tauchte er wieder zum Grund hinab und suchte sich seinen Weg zum Fressplatz. Doch diesmal war es anders als sonst. Da war kein dumpfer Ton, der zu ihm in die Tiefe drang, um das freudige Ereignis anzukündigen. Da war kein eckiger Schatten an der Oberfläche, auf dem das zarte Fleisch eines Opfers wartete. Diesmal würde er zu den Hellhäuten an Land gehen müssen! Endlich erreichte er die Bucht. Mit schnellen Stößen schwamm Lemarr durch das flacher werdende Wasser, bis er festen Grund unter dem Körper spürte. Sofort streckte er die kurzen Beine aus und schob seinen massigen geschuppten Leib das Ufer hinauf, direkt auf den großen Steinhaufen zu, in dem die Hellhäute hausten. Mit selbstgefälliger Langsamkeit wuchtete sich Lemarr auf die Zuflucht seiner Opfer zu, die noch nichts von ihrem bevorstehenden Ende ahnten. Obwohl es schon eine Ewigkeit her war, das er die Hellhäute an Land heimgesucht hatte, erinnerte er sich, dass die Steinhaufen einen schwachen Punkt besaßen. Knurrend tapste Lemarr auf die große Öffnung zu, die nur durch dünnes Holz bedeckt war. Angriffslustig ließ er die gepanzerte Spitze seines Schwanzes gegen die Sperre donnern, die krachend in zwei große Teile zersplitterte. Lemarr fuhr wieder herum und hieb die Bruchstücke mit seinen Pranken beiseite. Die Einzelteile flogen wie Fischgräten durch die Luft. Vor ihm erstreckte sich nun ein großer, von Steinen umschlossener Platz, auf dem sich viele Landwesen drängten. Lemarr registrierte zufrieden, dass die Menge zwischen den aufgetürmten Steinen gefangen war. Nur einige Rotgefärbte flohen nach links, in den großen Steinhaufen, den sie wie eine Höhle bewohnten. Die anderen schrien vor Entsetzen auf, als sie ihn sahen.
Lemarr verstand nicht, was die Hellhäute in ihrer Sprache brüllten, doch er sah, wie sie furchtsam vor ihm zurückwichen. Das gefiel ihm. Ehe die Roten in den großen Steinhaufen fliehen konnten, schnitt Lemarr ihnen den Weg ab. Blitzschnell schlug er mit dem langen Schwanz zu. Die Körper der Getroffenen schlugen dumpf aneinander, als er sie wie ein paar lästige Fleggen zur Seite fegte. Ihre Schmerzensschreie wurden nur noch vom Splittern ihrer brechenden Knochen übertönt, als sie leblos zu Boden stürzten. Ehe sich die übrigen Landwesen von dem Anblick erholen konnten, schob sich Lemarr auf seinen geschuppten Beinen weiter. Wie der rachsüchtige Dämon, den sie in ihm sahen, fuhr er zwischen die dicht 'gedrängte Menge der Adepten. Die Getroffenen wirbelten wie Blätter im Herbstwind umher, als er ihre Leiber zerschmetterte. Blut färbte die Mauern rot. Einer der Hellhäute landete direkt vor dem Monster aus dem See. Er lebte noch, doch seine angstverzerrten Schreie verstummten abrupt, als Lemarr eine krallenbestückte Pfote auf seinen blutverschmierten Kopf setzte und mit dem ganzen Gewicht seines tonnenschweren Leibes belastete. Lemarr schlug um sich und schnappte in Raserei nach allem, was sich bewegte, um nach jedem Todesschrei sofort ein neues Opfer zu suchen. In kürzester Zeit war der Platz mit Leichen übersät. Die Menschen versuchten zu fliehen, doch in ihrer Panik behinderten sie sich gegenseitig, so dass Lemarr weiterhin reiche Beute machte. »Halt ein, Gott Lemarr!« scholl es plötzlich von dem Steinhaufen herüber. »Wir sind deine gehorsamen Diener!« Lemarr hielt in seinem Amoklauf inne und wandte sich neugierig um. Wem gehörte diese Stimme, die nicht vor Furcht zittere? Etwa dem, der ihn verletzt hatte? Nein, das war er nicht. Lemarr entdeckte einen fülligen Mann, der im Staub kniete, seine Arme gen Himmel streckte und sich dann vor ihm verneigte. Ein Opfer! Sie boten ihm erneut ein Opfer an!
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Obwohl der Boden unter Lemarrs schweren Tritten bebte, als er sich näher heran schob, sah der Dicke erst zu ihm auf, als Lemarr bereits seinen Rachen fauchend aufriss. Im letzten Moment zeichnete sich auf dem Gesicht des Knienden die Erkenntnis ab, einen Fehler gemacht zu haben. Da schnappten die beiden Zahnreihen bereits zu. Begleitet vom Angstgeheul der Überlebenden trennte Lemarr mit einem schnellen Biss den Kopf vom Körper des Dicken. Angsterfüllt stürmten die wenigen Überlebenden davon. Doch der Rachedurst der Riesenechse war noch lange nicht gelöscht. Fauchend stürzte Lemarr in den Steinhaufen hinein, in dem sich die Hellhäute versteckten wollten, zerschmetterte wütend die Holzplatten, die ihm den Wege versperrten. Wieder und wieder peitschte sein gepanzerter Schwanz durch die Luft, schnappten seine Kiefer zu, bis sämtliche Wände mit dem Blut der Erschlagenen besudelt waren. Erst nachdem kein Landwesen mehr aufzuspüren war, ließ sich Lemarr in dem Trümmerhaufen aus Holzsplittern und Leichenteilen nieder. Nun konnte er sich endlich der reichen Beute widmen und seinen Hunger stillen.
Nachdem ihm Fradak gestern zwei Säcke voller Schwefelablagerungen gebracht hatte, besaß er endlich die nötigen Grundstoffe für den Sprengstoff, den er herstellen wollte. Doch es hatte etlicher Experimente bedurft, um das richtige Mischungsverhältnis herauszufinden. Nach der Explosion einiger kleiner Mengen, die kaum mehr Krach machten als ein Chinaböller zu Sylvester, wagte sich schließlich kein Fischer mehr in seine Nähe. Erst spät in der Nacht war Matt so zufrieden gewesen, dass er seine gesamten Vorräte zu einer großen Schwarzpulvermenge vermischt hatte. Nach einigen Stunden Schlaf wollte er nun endlich einen größeren Sprengsatz basteln, den er zur Jagd auf Lemarr einsetzen konnte. Deshalb schaufelte er das Schwarzpulver mit dem Esslöffel vorsichtig in den Trinkbecher, bis er bis knapp unter den Rand gefüllt war. Dann presste Matt die Holzscheibe mit der Zündschnur auf das Pulver. Die Ritze versiegelte er mit Baumharz, so dass kein noch so feines Korn hindurchrieseln konnte. Zufrieden stellte er den verschlossenen Becher auf den Tisch. Wenn alles nach Plan lief, brauchte er die aufgerichtete Zündschnur nur anzustecken und die Ladung würde mit solcher Wucht explodieren, dass die mutierte Riesenechse mehr als nur Kopfschmerzen davon bekam. Matt wollte gerade ein zweites Trinkgefäß präparieren, als Oslong hereingestürmt kam. »Fradak schickt mich«, keuchte der Blondschopf atemlos. »Ein Späher hat gemeldet, dass Lemarr ein fürchterliches Blutbad im Kloster angerichtet hat. Solek wurde in Stücke gerissen und viele der Priester getötet. Nun ist eine Streitmacht der Hohen im Anmarsch. Die Überlebenden machen uns für den göttlichen Zorn verantwortlich! Sie wollen deinen Kopf, und unsere dazu.« Matt schlug wütend auf den Tisch. »Verdammt«, fluchte er. »Warum lassen die uns nicht einfach in Ruhe die Jagd organisieren?« Der anschwellende Lärm, der ins Dorf drang, machte ihm klar, dass die religiösen Fanatiker diesmal nicht für sachliche Argumente zugänglich sein wurden. Trotzdem
Seit dem Frühstück schnitzte Matt geduldig an einem kreisrunden Holzstück, bis es haargenau in die Öffnung eines schlichten Trinkbechers passte. Danach bohrte er mit der Spitze seines Kampfmessers ein Loch in das Plättchen, durch das er einen Kerzendocht führte, den er zuvor in einer flüssigen Schwarzpulverlösung getränkt hatte. Matt sicherte den steifen Faden mit einem Knoten vor dem Herausrutschen, dann tauschte er seine Bastelarbeit gegen den Trinkbecher ein. Mit einem Esslöffel bewaffnet wandte er sich dem Schwarzpulver zu, das er in einer kleinen Metallkiste aufbewahrte, um es vor Feuchtigkeit zu schützen.
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musste er das sinnlose Blutvergießen verhindern, irgendwie. Während Oslong ungeduldig an der Tür wartete, fiel Matts Blick auf den vor ihm stehenden Sprengsatz. Innerhalb von Sekunden reifte in ihm ein gewagter Plan, der sie vielleicht vor einer verlustreichen Schlacht bewahren konnte. Hastig packte er den Trinkbecher und folgte Oslong nach draußen. Am Dorfrand erwarteten ihn Fradak und Aruula, die gerade einige mit Harpunen und Messern bewaffneten Fischer hinter die Barrikaden einteilten. Während Fradaks Anweisungen widerspruchslos ausgeführt wurden, zweifelten einige Männer an der Befehlsgewalt der jungen Barbarin, doch ein Blick auf ihr Schwert belehrte die meisten schnell eines Besseren. »Da bist du ja endlich«, wurde Matt von Fradak ungeduldig empfangen. »Die Fanatiker müssen jeden Moment hier sein. Den Spähern zufolge sind es rund dreihundert Mann, also doppelt so viele wie wir. Aber wir haben den Vorteil der Barrikaden. Sobald sie in Reichweite unserer Harpoons sind, können wir sie aus der Deckung heraus angreifen. Die Überlebenden müssen wir dann im Nahkampf niederringen.« »Befiehl deinen Männern, sich zurückzuhalten«, unterbrach ihn Matt. »Ich gehe alleine den Angreifern entgegen.« Fradaks Gesichtszüge entgleisten vor Entsetzen. »Bist du wahnsinnig geworden?«, keuchte er. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst?!« Matt lächelte dem Hünen an und schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. »Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue.«
entgegen, die jeden Moment auf der Anhöhe auftauchen mussten. Er hatte die Barrikaden gerade zwanzig Schritte hinter sich gelassen, als der erste Vortrupp der Hohen sichtbar wurden. Erst waren es nur zwei, dann fünf Männer, die die Lage erkundeten dann schwappte die Angriffswelle in breiter Front über den Hügel. Die aufgebrachten Gläubigen waren keine disziplinierte Truppe, sondern ein ungeordneter Haufen, der sich in weit auseinander gezogener Linie näherte. Als sie des einzelnen Mannes gewahr wurden, der sich so weit vor die Verteidigungslinie gewagt hatte, schwangen viele von ihnen drohend ihre Waffen. Einige machten ihrer Wut sogar Luft, indem sie Harpunen auf Matt schleuderten. Die Entfernung war aber noch viel zu groß, so dass die Wurfgeschosse weit vor dem Piloten niedergingen und zitternd im Boden stecken blieben. Obwohl ihm angesichts der anrückenden Streitmacht durchaus die Nerven flatterten, ging Matt ruhig weiter und kramte dabei sein Feuerzeug hervor. Seine scheinbare Gelassenheit stachelte die Angreifer noch mehr an, so dass die ersten losliefen, um so schnell wie möglich in Wurfweite zu gelangen. Erst stürmten nur die Mutigsten vor, dann folgten jene, die nicht die Gelegenheit verpassen wollten, den Tod des verhassten Frevlers auf ihre Fahnen zu schreiben. Schließlich rückte die gesamte Streitmacht in ungeordneter Schlachtreihe vor. Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, strebte Matthew der blutrünstigen Meute entgegen. Was er vorhatte, war ein gewagtes Spiel. Insbesondere, weil der Sprengsatz in seiner Hand noch nicht erprobt war. Es war zwar für einen Rückzug noch nicht zu spät, doch schon in wenigen Sekunden würden die Angreifer so nah heran sein, dass sie ihn mit ihren Harpunen erreichen konnten. Seine einzige Chance bestand darin, die Feinde durch sein selbstbewusstes Auftreten zu beeindrucken. Matt ließ den Daumen über das Metallrädchen des Feuerzeugs ratschen. Vorsichtig hielt er die selbstgefertigte
Ehe seine Freunde ihn zurückhalten konnten, sprang Matt über die Deichsel eines quer gestellten Holzkarrens, der die Straße blockierte, und eilte den lärmenden Angreifern
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Zündschnur an die Flamme, bis sich die Schwarzpulverreste zischend entzündeten. Während die Lunte abbrannte, lief Matt los und warf den Angreifern seinen Sprengsatz schwungvoll entgegen. Der Becher wirbelte im hohen Bogen durch die Luft und landete ein ganzes Stück vor der feindlichen Angriffswelle in einem Brombeerbusch. Lautes Gelächter brandete durch die anstürmenden Reihen der Männer, die natürlich dachten, dass der Frevler sie mit seinem Wurfgeschoss verfehlt hätte. Matt blieb stehen, um nicht in den Wirkungskreis der eigenen Waffe zu gelangen. Die nächsten Sekunden verliefen quälend langsam. Die ersten Fanatiker näherten sich dem Brombeerbusch, doch alles blieb ruhig. Matt zerquetschte einen Fluch zwischen den Lippen. Verdammt, was war schiefgegangen? War die Zündschnur erloschen? Oder brannte sie langsamer ab als geplant? Er wollte keinen der Feinde ums Leben bringen, doch wenn sie sich dem Sprengsatz noch weiter näherten, gab es dafür keine Garantie mehr. Matt riss die Arme in die Höhe. »Bleibt stehen!« brüllte er und erntete natürlich nur Gelächter ob seiner Warnung. Schon holten die vordersten Angreifer mit ihnen Harpunen aus, um sie abermals auf Matt zu schleudern.' Und diesmal waren sie in Reichweite! Eine Sekunde später wandelte sich das Gelächter in erschrockene Schreie. Ein scharfer, ohrenbetäubender Knall ertönte. Der Brombeerbusch wurde in einer feurigen Explosion auseinander gerissen. Die Druckwelle warf die Harpunen schwingenden Angreifer von den Beinen. Matthew spürte, wie er von einigen Holzsplittern getroffen wurde, die wie Schrapnellstücke durch die Luft wirbelten. Zum Glück blieben Gesicht und Augen verschont. Die Angriffswelle seiner Gegner brach auseinander. Viele erstarrten vor Schreck und glotzten ungläubig auf den verbrannten Fleck, wo kurz zuvor noch ein Brombeerstrauch gestanden hatte, andere warfen sich ins hohe Gras. Angst griff nach den Menschen. Über welche zauberischen Kräfte musste der Fremde verfügen, dass er so etwas zustande brachte?
Matt ließ ihnen noch etwas Zeit, sich des Schreckens vollends bewusst zu werden. Dann, nachdem sich die dunklen Pulverschwaden gelichtet hatten, reckte er seine Arme theatralisch gen Himmel wie der Hohepriester während der Opferzeremonie. »Hört mich an, ihr Fischer vom kleinen Meer!« rief er in der Sprache der Barbaren. »Ich bin Maddrax, der Mann, der zu euch kam über die großen Berge, um euch vom Terror des Lemarr zu befreien. Ich habe die Macht, das Monster zu vernichten und auch euch, wenn ihr euch gegen mich und meine Streitmacht stellt! Schließt euch uns an und wir werden das Monster gemeinsam bezwingen!« Nach einigen Sekunden überraschten Schweigens klang lautes Gemurmel unter den Fanatikern auf. Man stritt offenbar, ob der Fremde tatsächlich gegen eine solche Übermacht bestehen könnte. Die Angst vor dem dunklen Gott Lemarr war groß genug, um nicht gleich klein beizugeben. Schon fürchtete Matt, dass die Fanatiker ihren Angriff fortsetzen würden, da hörte er schnelle Schritte hinter sich. Als er sich umwandte, erkannte er Mokas, der den schwarzen Umhang abgeworfen hatte und nun wieder sein rotes Priestergewand trug. »Hört mich an!« schrie er den Fanatikern entgegen. »Ihr kennt mich! Ich bin der Hohe Mokas! Und ich sage euch, dieser Mann hat Recht! Wir müssen die Bestie bekämpfen, die dort draußen im See auf uns lauert. Mit seiner Hilfe können wir sie töten. Legt eure Waffen nieder und schließt euch uns an!« Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Dass ein hoher Priester wie Mokas sich für Maddrax einsetzte, schien viele der Dörfler zu überzeugen. Schon fielen die ersten Harpunen zu Boden. Nach anfänglichem Zögern folgten immer mehr Männer diesem Beispiel, bis fast alle Waffen abgelegt waren. Nur einige Fanatiker wollten sich nicht beugen. Angesichts der erdrückenden Übermsteht in den eigenen Reihen konnten sie den Kampf aber nicht weiterführen. Murrend zogen sie mit der Drohung von dannen, dass Lemarr alle Abtrünnigen grausam strafen werde.
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Lächelnd wandte sich Matthew an den neben ihm stehenden Hohen: »Du hast recht getan, Mokas gemeinsam werden wir es schaffen.«
den Schaft. Damit war die Armbrust schussbereit. Gespannt versammelten sich Oslong, Fradak und Aruula hinter ihm, um der Premiere beizuwohnen. Matt zielte mit der Waffe einfach in die Bucht hinaus und trat gegen den Auslöser. Die Sehne schnellte nach vorn und katapultierte die Harpune blitzartig über das Wasser. Der angespitzte dunkle Holzschaft war kaum noch mit bloßem Auge auszumachen, als er endlich auf die Wellen schlug. Begeisterter Beifall brandete von den anwesenden Zuschauern auf. Seit Tagen lungerten am Strand Hunderte von Schaulustigen aus den umliegenden Dörfern herum, die dem großen Kampf beiwohnen wollten. Allerdings waren nur die Wenigsten bereit, tatkräftig mit anzufassen. »Wenn es gegen Lemarr geht, werde ich zusätzlich befestigen eine Ladung Schwarzpulver an der Spitze«, erklärte Matt. »Das wird ihm den Rest geben. Die einzige Voraussetzung ist, dass er hier auftaucht, denn zum Transport ist die Armbrust zu groß.« Aruula nickte. »Soll ich das Signal geben?« Matt griff nach einer der Sprengladungen, die er in den letzten Tagen hergestellt hatte, und wog sie in seiner Hand. »In Ordnung, gehen wir es an«, sagte er entschlossen, nahm einen Lederriemen und befestigte die Kapsel an einer der bereit liegenden Harpunen. Dann spannte er die Armbrust erneut. Aruula ging in der Zwischenzeit zu der großen Glocke hinüber und wies die dort stehenden Männer an, sie zu schlagen. Während die dumpfen Töne weit über den See klangen und sich unter den Zuschauern atemlose Stille breit machte, legte Matthew die Harpune mit dem Sprengsatz in den Schaft der Armbrust. Über Kimme und Korn sah er auf den See hinaus. Nun konnte er nur noch warten und hoffen, dass das Monster noch immer der Lockung der Glocke erlag. Eine halbe Stunde später war seine Hoffnung und die der anderen geschwunden. Noch immer regte sich nichts, blieb die Wasseroberfläche unbewegt bis auf die leichten Wellen, jäie plätschernd ans Ufer rollten. Der
Die warmen Strahlen der Maisonne ließen die Klostermauern von Urlok in freundlichem Licht erscheinen, doch Matthew hatte an diesem Morgen keinen Blick für die Schönheiten der Natur. Er war voll und ganz damit beschäftigt, die Sehne der gigantischen Armbrust zu spannen, die Ffadaks Männer nach seinen Anweisungen gebaut hatten. Fünf Tage waren seit dem Zweckbündnis zwischen Gläubigen und Widerständlern vergangen, und inzwischen warteten beide Parteien ungeduldig darauf, dass Maddrax die Jagd auf das Monster eröffnete. Die Vorräte gingen allmählich zur Neige, denn keiner der Fischer wagte sich noch aufs Wasser hinaus. Seit dem Blutbad im Kloster hatte Lemarr zwar nichts mehr von sich hören lassen vermutlich, weil er satt und träge in seinem Versteck lag doch es war nur eine' Frage der Zeit, wann er wieder über eine Siedlung am Ufer des kleinen Meeres herfallen würde. Jeder Fischer lebte in der Furcht, dass seine Familie zu den nächsten Opfern zählen könnte. »Du glaubst wirklich, dass wir Lemarr mit diesem Gestell bekämpfen können?«, fragte Mokas ungläubig. Mindestens schon zum dritten Mal. Trotzdem erklärte Matt ruhig: »Die Harpunen, die wir hiermit abschießen, besitzen genügend Wucht, um den Panzer der Riesenechse zu durchschlagen da bin ich mir sicher. Ich zeige es dir gleich.« Der Armbrustbogen war aus so hartem Holz gefertigt, dass Matt die Sehne nur mit einer speziellen Kurbelvorrichtung spannen konnte. Nach ein paar abschließenden Drehungen verschwand der aus Tierfasern geflochtene Strang hinter der Abschussnut. Wenige Handgriffe später legte Matt eine Harpune in
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stete Klang der Glocke tat ein Übriges, die Nerven der Wartenden zu strapazieren. »Es hat keinen Sinn«, fasste Fradak schließlich in Worte, was alle dachten. »Lemarr ist zu schlau, um in diese Falle zu gehen.« Matt nickte. »Du hast Recht. Also Plan B.«
und sein Leben in die Waagschale zu werfen so wie jene Männer und Frauen, die ihn auf dieser gefährlichen Fahrt begleiteten. Die Entschlossenheit, die sich auf ihren Gesichtern abzeichnete, entsprang keinem blinden Heldenmut, sondern der blanken Erkenntnis, dass es Schlimmeres gab als im Kampf gegen die Bestie sein Leben zu lassen: ihr auf einem Floß gefesselt entgegenzutreiben. Bereits nach einer Viertelstunde kreuzten sie über dem bevorzugten Aufenthaltsort des gefährlichen Reptils. Auf Matthews Wink hin vergrößerten die drei Boote ihren Abstand zueinander, bevor sie die Segel refften. Nun hoffte Matt, dass auch der nächste Punkt seines Plans funktionierte. Die Boote mussten die Aufmerksamkeit der Echse erregen, doch wenn diese einen Überraschungsangriff startete, konnte es die ersten Menschenleben kosten. Also baute er auf Aruulas mentale Fähigkeiten. Sie sollte in die Tiefe hinab lauschen und sie vor der Annäherung der Bestie warnen. Nur so würden sie sich rechtzeitig für den Angriff wappnen können. Die Bootsbesatzungen stellten ihre Gespräche ein, während die Barbarin ihre Sinne aktivierte. Nachdem sie ihre Kräfte gesammelt hatte, tastete sie die Umgebung nach fremden Gedanken ab. Sie konnte nur ein unterschwelliges Gefühl von dumpfem Hass empfangen, das zu weit entfernt war, um es genauer lokalisieren zu können. Sie spürte aber deutlich, dass der aussendende Verstand tierischer Natur war, denn der Kontakt begann nach kurzer Zeit zu schmerzen. Die fremden Emotionen lösten ein starkes Ekelgefühl aus, als ob jemand mit unreinen Fingern über ihren Verstand tasten würde. Die ereignislosen Minuten zerrannen so zäh wie Sirup, während die drei Köderboote still im Wasser dümpelten. Fradak trommelte bereits unruhig mit den Fingern auf einer Holzplanke herum, als Aruula plötzlich auf ihrem Platz unruhig hin und her rutschte. Die animalischen Eindrücke, die auf sie einstürmten, wurden so intensiv, dass sie den Kontakt mit dem fremden Verstand abbrechen musste.
Gemeinsam mit Fradak und Aruula ging er zu den drei Booten, die an der Uferlinie bereit lagen. Neben Oslong und Anaka wartete dort auch Mokas, um sie mittels seiner Karte zu dem bevorzugten Aufenthaltsort der Echse zu führen. Es war ein riskantes Unternehmen, aber anders würden sie die Echse nicht aus der Reserve locken können. Die günstige Morgenbrise ausnutzend, fuhren sie unter vollen Segeln aus der Bucht hinaus. Während sie über die ruhige See glitten, hielten sich Fradak und Anaka zärtlich umschlungen, als befürchteten sie, es könnte das letzte Mal sein, dass sie sich so nahe waren. »Versuch nicht den Helden zu spielen, wenn wir Lemarr begegnen«, flüsterte Anaka, während sie ihrem Gefährten zärtlich über die Wange strich. »Wenn du stirbst, hast du mich ganz umsonst vor dem Opfertod gerettet.« Fradak sah sie einen Moment nachdenklich an. »Ich würde lieber im Kampf fallen und dich in den Armen eines anderen glücklich sehen, als mich weiterhin Lemarrs Terror zu unterwerfen«, erklärte er schließlich. Matt sah zu den beiden Liebenden hinüber, denn die Worte des Hünen waren weithin hörbar gewesen. In Momenten wie diesen bekam Matt eine flüchtige Ahnung davon, wie traumatisch es für die Fischer sein musste, seit Generationen die Herrschaft des Monsters zu ertragen. Doch die Leidensfähigkeit eines Menschen war begrenzt, deshalb verlor der Tod irgendwann seinen Schrecken angesichts der ausgestandenen Ängste. An diesem Punkt war jedermann bereit, über sich hinauszuwachsen
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Das konnte nur eines bedeuten! »Er kommt!« stieß sie heiser hervor. Matthew sprang von der Sitzplanke auf und winkte den Begleitbooten zu. Die Anspannung jagte wie ein unsichtbarer Blitz durch sämtliche Besatzungen, während sie verstärkt nach der Bestie Ausschau hielten. Obwohl Matt noch nichts entdecken konnte, entzündete er einen der Sprengsätze und warf ihn mit Schwung auf den See hinaus. Der hölzerne Trinkbecher sank mit der schweren Unterseite ein, trieb aber mit dem oberen Drittel über der Wasseroberfläche, so dass die hochragende Zündschnur weiter abbrennen konnte. Mit Hilfe der handlichen Ladungen wollte Matt das Monster wie ein Dynamitfischer aufscheuchen, um es in Richtung der Klosterbucht zu treiben. Vorsichtig beugte er sich vor, um zu kontrollieren, ob die Lunte weiterbrannte. Da sah er, wie zwischen den drei Seglern ein dunkler Schatten unter der Wasserfläche anwuchs. Donnernd tauchte Lemarr aus den Fluten und nahm sofort Kurs auf Matt, als hätte er in ihm den Mann erkannt, der ihn vor Tagen verletzt hatte. Die Bestie hatte den Segler fast erreicht, als die Lunte das Schwarzpulver entzündete. Eine ohrenbetäubende Explosion zerriss die Stille, dicht gefolgt von einer Druckwelle, die nicht nur Lemarr, sondern auch die Boote kräftig durchrüttelte. Die Bootsbesatzungen waren vorbereitet gewesen und hielten sich krampfhaft fest, um nicht über Bord zu gehen; das mutierte Riesenkrokodil wurde dagegen von der Flutwelle regelrecht unter Wasser gedrückt. Gereizt wälzte es sich herum und wollte den Ursprung der Attacke ergründen. Dabei schien es unschlüssig, ob es abtauchen oder erneut angreifen sollte. Ehe es zu einer Entscheidung kam, klatschten drei weitere Holzbecher in direkter Nähe der Bestie ins Wasser. Das Untier reagierte instinktiv: Es schnappte nach einem der zischenden Schwarzpulverbehälter. »Ja!« Matt ballte die Faust. Wenn die Bombe im Maul der Echse detonierte, dann hatten sie so gut wie gewonnen!
Doch Lemarr machte ihm wenn auch unwissentlich einen Strich durch die Rechnung. Bevor der Sprengsatz hochgehen konnte, ging er unter, und das einströmende Wasser löschte die Lunte. Kaum war das Ungeheuer von der Oberfläche verschwunden, explodierten die übrigen Sprengkörper kurz hintereinander. Die Segler wurden von einer neuen, heftigeren Flutwelle erfasst, und es war pures Glück, dass keiner von ihnen kenterte. Aber auch die mutierte Echse musste die Auswirkungen der nahen Explosionen diesmal um einiges stärker gespürt haben. Die Druckwellen pflanzten sich im Wasser viel intensiver fort als in der Luft. Die toten Fische, die Sekunden später mit geplatzter Schwimmblase an die Oberfläche trieben, waren ein Beweis dafür. Matt Drax starrte schweigend aufs Wasser hinaus. War auch die Echse ein Opfer des plötzlichen Überdrucks geworden? Doch die Sekunden verrannen, ohne dass auch nur eine gepanzerte Schuppe der Bestie sichtbar wurde. »Vorsicht, er kommt!« brüllte Aruula plötzlich. Ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie die Nähe des Monsters spürte, obwohl auf dem aufgewühlten Wasser nichts von ihm zu sehen war. Ehe Matt nur den Hauch eines Schattens entdecken konnte, wurde der Segler plötzlich von einem gewaltigen Stoß erschüttert. Er ist unter uns! dachte Matthew entsetzt da wurden Boot und Besatzung auch schon in die Höhe geschleudert. Das kalte Nass schlug über ihm zusammen und raubte ihm den Atem. Automatisch begann Matt mit den Beinen zu strampeln, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Dabei versuchte er die Beretta aus der Tasche seines Kampfanzugs zu zerren. Als er auftauchte, rang er keuchend nach Luft. Und starrte direkt in das aufgerissene Maul des Riesenkrokodils, das ihn wütend aus seinem rechten Auge anstarrte! Die linke Pupille war zu einem ausgefransten roten Klumpen zerplatzt und aus den Nasenlöchern rann ein stetiger Blutstrom. Trotzdem war Lemarr keineswegs außer Gefecht gesetzt.
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Matt versuchte verzweifelt, außer Reichweite der messerscharfen Zähne zu gelangen, doch im Wasser war Lemarr in seinem Element. Hier konnte ihm kein Landwesen entkommen. Mit zwei schnellen Schwanzbewegungen setzte ihm die Echse nach, doch bevor sie Matt erreichte, zischte ein dunkler Schatten heran. Es war eine Harpune, die sich tief in den Schlund der Bestie bohrte und dort stecken blieb. »Guter Wurf, Fradak!« jubelte ein junge Männerstimme, die zweifellos Oslong gehörte. Matt konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass sich die Fischer auf das kieloben treibende Boot gerettet hatten. Von dort aus nahmen sie den verhassten Feind mit ihren Harpunen unter Beschuss. Da sie den Schuppenpanzer nicht durchdringen konnten, konzentrierten sie sich auf das gesunde Auge und das Maul der Bestie. Schon schlug Oslongs Harpune auf dem geschuppten Schädel ein. Die Metallspitze schrammte haarscharf am rechten Auge vorbei, bevor sie dicht vor Matthew ins Wasser fiel.
Als er die Augen wieder öffnete, erkannte er, dass sich der Speer im Maul der Echse verklemmt hatte, so dass Lemarr es nicht mehr schließen konnte zu Matts Glück, denn er stand fast aufrecht darin! Blut floss den Harpunenschaft entlang über seine Hände und unter sich spürte er die nachgiebige Masse der Zunge. Mit einem gequälten Brüllen versuchte Lemarr die Sperre zwischen seinen Zähnen zu zermalmen, doch Matt verhinderte mit seinem ganzen Körpergewicht, dass sich die Stange biegen konnte. So sehr sich die Bestie auch bemühte, es gelang ihr nicht, an ihren Peiniger heranzukommen. Weder mit den krallenbestückten kurzen Pfoten noch mit dem wendigen Schwanz, den sie nicht über den Kopf hinaus schwingen konnte. So blieb dem Reptil nur noch eine Möglichkeit: Abzutauchen. Matt holte tief Luft und hielt die Harpune umklammert, als sich das Tier kopfüber in die Tiefe stürzte. Er wusste, dass ihn Lemarr packen und in Stücke reißen würde, wenn er sich von ihm löste. Deshalb war der einzig sichere Platz so paradox es klang in seinem Maul. Doch wie lange konnte er sich dort halten, wenn ihm der Sauerstoff ausging? Matt kratzte alle Informationen über seinen »Grundkurs in der Tauchschule von Long Beach zusammen, wo er als Teenager viele Sommerurlaube verbracht hatte. Mit schnellen Bewegungen tauchte Lemarr immer tiefer in den See hinab, wohl wissend, dass sein Gegner hier nicht lange überleben konnte. Bereits nach wenigen Metern machte sich der zunehmende Wasserdruck auf Matts Trommelfellen bemerkbar. Hastig sorgte er für einen Druckausgleich, indem er seinen Unterkiefer hin und her bewegte. Als Matt die Sprungschicht erreichte, in der das Wasser von einem Zentimeter auf den anderen empfindlich kühler wurde, wusste er, dass er schon mindestens fünf Meter weit hinab gezogen worden war. Auch das Oberflächenlicht ließ immer weiter nach. Doch er konnte nichts anderes tun als darauf zu
Lemarr erkannte die Gefahr, gänzlich geblendet zu werden, und warf sich wutschnaubend nach vorn direkt auf Matt zu. Der hatte inzwischen Oslongs Harpune gepackt und schwang sie nun in einer verzweifelten Gegenwehr hoch. Es gab für ihn nur diese eine Überlebenschance! Dann war Lemarr heran! Sein gewaltiger Rachen wuchs vor Matt Drax auf. Seine gezackten Zahnreihen blitzten. Übler Odem wehte ihm entgegen. Unwillkürlich schloss Matt die Augen. Mit einem wilden Schrei rammte er die Harpune vor. Er traf die Innenseite des Oberkiefers, wurde förmlich hinein gerissen in den klaffenden Schlund, fand irgendwo mit den Stiefeln Halt und schob das Ende des Schafts nach vorn.
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hoffen, dass das offene Maul das Reptil zur Umkehr zwingen würde. Doch Lemarr ignorierte die eigene Atemnot und den Schmerz und zog ihn noch tiefer in die Dunkelheit hinab. Als Matt einen Blick nach unten warf, wollte er zuerst seinen Augen nicht trauen. In weiter Ferne erblickte er eine große Ansammlung von Lichtern, die auf dem Seegrund schimmerten! Wie war das möglich? Die Folgen eines Tiefenrauschs? Nein, das konnte nicht sein. Der entstand nur unter Pressluftatmung ab sechzig Meter Wassertiefe. Matt befand sich dagegen höchstens zehn Meter tief, während das seltsame Schimmern noch einmal genau so weit entfernt war. Er würde aber niemals herausfinden, was auf dem Grund des Sees los war, wenn er nicht schleunigst an die Wasseroberfläche zurückkehrte! Verzweifelt riss er am Schaft der Harpune, um sie noch tiefer in den Rachen zu treiben als sie plötzlich unter den heftigen Bewegungen zerbrach! Das Maul klappte zu!
Körper eindrang und einen langen Schnitt hinterließ, statt an dem Schuppenpanzer abzuprallen! Fassungslos blickte der Pilot auf die Blutschwaden, die aus der Stichwunde traten. So gut die Oberseite der Bestie auch gepanzert war, ihre Unterseite war, obwohl auch sie so aussah, als wäre sie mit Hornplatten besetzt, so durchlässig wie ein mürbes Steak! Vermutlich hätte eine rundum laufende Panzerung die Echse zu schwer für ihre amphibische Umgebung gemacht. Vielleicht hatte die Evolution aber auch nur entschieden, dass eine weitere Panzerung bei einem so starken Wesen überflüssig war, und sich mit reiner Mimikry beholfen. Matt konnte der Grund egal sein. Wichtig allein war, dass Lemarr seine Verletzlichkeit spürte und die richtigen Schlüsse daraus zog. Und tatsächlich griff die Riesenechse nicht weiter an, sondern zog sich mit schnellen Schwanzbewegungen aus Matts Reichweite zurück, um in der Tiefe zu verschwinden. Matt hatte keine Zeit zu beobachten, wie das Monstrum mit der Dunkelheit verschmolz. Er musste so schnell wie möglich zurück an die Oberfläche! Mit kräftigen Schwimmstößen arbeitete er sich empor. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Mit jeder Sekunde brannten seine Lungen stärker, bis er das Gefühl hatte, sie würden jeden Moment platzen. Zum Glück entsprach die Restluft in seinen Lungen dem Oberflächendruck, so dass er sie nicht durch kontinuierliches Ausatmen entweichen lassen musste. So konnte er sich ganz auf seinen Aufstieg konzentrieren. Matt versuchte sich zur Ruhe zu zwingen, trotzdem wurden seine Bewegungen immer hektischer. Es fiel ihm zunehmend schwerer, den Reflex des Atemholens zu unterdrücken. Doch mit jedem neuen Lichtstrahl, der ihn bei seinem Aufstieg aus der Dunkelheit begrüßte, schöpfte er mehr Hoffnung, dass er es schaffen konnte. Endlich durchstieß er mit dem Kopf die Wasseroberfläche und schnappte in einem verzerrten Siegesschrei nach Luft. Dann drehte er sich keuchend auf den Rücken, um sich erschöpft treiben zu lassen.
Im letzten Moment stieß Matt sich ab, schoss zwischen den zuschnappenden Kiefern hindurch und zog die Beine an. In derselben Bewegung packte er den Messergriff, der aus seinem rechten Stiefel ragte, und zog die Waffe hervor, fest entschlossen sich zu wehren wortwörtlich bis zum letzten Atemzug. Das mutierte Reptil zog über ihn hinweg. Matt sah die Unterseite des Tieres dicht an sich vorbeigleiten. In wenigen Sekunden würde es umdrehen und ihn erneut attackieren. Und mit dem lächerlichen Messer allein würde er gegen die gewaltige Bestie keine Chance haben. Unter Wasser war ihm Lemarr hoffnungslos überlegen. Blind vor Verzweiflung stach Matt die Klinge nach vorn. Und spürte ... wie sie in den
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Er horte, wie jemand auf ihn zu schwamm. Sekunden später umschlang ihn Aruula mit ihren Armen und stützte sein Kinn, bevor sie ihn zu einem der nicht gekenterten Boote zog. Obwohl sie damit rechnen musste, dass Lemarr erneut zuschlug, war sie ihm sofort zur Hilfe geeilt. Als sie den Segler erreichten, auf den sich Fradak gerettet hatte, streckten sich ihnen viele helfende Hände entgegen. »Schnell«, trieb sie der Hüne zur Eile an. »Der Dämon kann jeden Moment wiederkommen.« Matt schüttelte erschöpft den Kopf. »Das glaube ich nicht. Der muss erst mal seine Wunden lecken.« Im Gegensatz zu den jubelnden Fischern blieb Matt auf der Heimfahrt eher nachdenklich. Sie hatten diese Schlacht zwar für sich entschieden, aber der Krieg gegen das Seemonster war noch lange nicht gewonnen. Was Matt aber noch viel stärker beschäftigte, waren die Lichter, die er auf dem Seegrund gesehen hatte. Für dieses Phänomen konnte er sich keinen natürlichen Ursprung vorstellen. Aber was mochte die Beleuchtung dann bedeuten? Gab es dort unten etwa Elektrizität? Stand die Beleuchtung vielleicht sogar in Zusammenhang mit dem mutierten Reptil? Matt wäre am liebsten sofort zurück ins Wasser gesprungen, um dem Rätsel wortwörtlich auf den Grund zu gehen. Doch sein Atem reichte nicht aus, um bis in zwanzig Meter Tiefe vorzustoßen. Verdammt, es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, mit der er sich behelfen konnte! Grübelnd sah er dem Kloster entgegen, dessen Umrisse sich bereits am Strand von Urlok abzeichneten. Als sie die Landzunge mit der alten Kirchenglocke umfuhren, hatte Matthew plötzlich die zündende Idee! Natürlich! Wenn er seinen Atem nicht lange genug anhalten konnte, um so tief hinabzutauchen, dann musste er die Luft eben mit hinunter nehmen! Am besten in einer Tauchglocke, so wie es Edmund Halley (der Entdecker des berühmten Halleyschen Kometen) schon 1690 vorgemacht hatte. Was den Menschen des 17. Jahrhunderts gelungen war, sollte ihm doch ebenfalls
möglich sein! Und die alte Kirchenglocke, die von den Lemarrpriestern für die Opferungen benutzt wurde, war bestens für sein waghalsiges Unternehmen geeignet.
Matthew ignorierte die Hochrufe, die den Heimkehrern am Strand entgegen schallten. Hastig trommelte er seine engsten Vertrauten zusammen, um sie in seine noch frischen Pläne einzuweihen. »Was ist denn das für eine verrückte idee?«, knurrte Fradak, 'nachdem Matt ihm das Prinzip der Tauchglocke mittels eines umgedrehten Trinkbechers in einem Regenfass demonstriert hatte. »Du wirst entweder in der Eisenkuppel ersticken oder Lemarr wird dich fressen! So oder so, du wirst auf dem Seegrund sterben. Und das nur, weil du da unten ein paar Lichter gesehen hast? Ist es dir hier oben etwa nicht mehr hell genug?« »Vertrau mir«, beschwor Matthew den Hünen. »Wenn ihr euch haltet an meine Anweisungen, dann wird diese Tauchglocke genauso gut funktionieren wie die Sprengsätze.« Und wenn sich da unten wirklich(,,etwas befindet, das aus meiner Zeit stammt, fügte er in Gedanken hinzu, dann erhalte ich vielleicht Antworten auf all meine Fragen. Etwa, warum sich die Welt in den letzten Jahrhunderten derart zurück entwickelt hat sogar in den Landstrichen, die von dem Kometeneinschlag kaum in Mitleidenschaft gezogen wurden. Fradak winkte ab; er verstand sowieso nur die Hälfte von Matts Erklärungen. Der Fischer hatte aber zumindest an dem Fluggerät und den explodierenden Trinkbechern gesehen, dass Matts verrückte Erfindungen wirklich funktionierten. Warum sollte es ihm dann nicht auch möglich sein, auf dem Seegrund herum zu spazieren? »Wir helfen dir auf jeden Fall«, mischte sich Mokas in das Gespräch ein. »Das sind wir dir schuldig, Maddrax. Ich hoffe nur, dass du wirklich weißt, was du tust.«
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Anaka, Oslong und die anderen nickten beifällig. »Keine Sorge«, beruhigte Matt seine Freunde, »ich werde fertig mit allen Schwierigkeiten.« »Wir werden damit fertig!« verbesserte ihn Aruula. »Ich komme auf jeden Fall mit hinab, damit ich dich warnen kann, falls Lemarr wieder aufkreuzt.« Im ersten Moment wollte Matthew das Angebot der Barbarin ablehnen, um sie nicht der Gefahr eines Tauchgangs auszusetzen. Dann aber beugte er sich ihren Argumenten. Sie hatte Recht. Wenn sie dem Reptil begegnen sollten, war ihre Überlebenschance gemeinsam viel größer. Nach dem Ende der Unterredung suchten Matt und die anderen nach Freiwilligen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen wollten. Inzwischen hatten die ersten Berichte vom Kampf mit Lemarr die Runde gemacht. Als die Schaulustigen hörten, dass der Seedämon schwere Verletzungen hinnehmen musste, waren viele von ihnen gern bereit, bei dem Bau einer neuen Waffe zu helfen. Die meisten glaubten wohl, dass Matt nur auf den Grund des Sees hinab wollte, um Lemarr in seinem Versteck anzugreifen.
doch die Vorrichtung war stark genug, um die schwere Glocke in die Höhe zu heben. Die Besatzungen der Schiffe harrten bis zum Nachmittag aus, um einen kräftigen Wind abzuwarten, der seewärts blies. Endlich konnten sie das Floß an den Platz ziehen, an dem Matt die Unterwasserlichter gesehen hatte. Mokas hatte sich einige markante Uferpunkte eingeprägt; trotzdem dauerte es eine ganze Weile, die richtige Stelle zu finden. Matt und Fradak tauchten immer wieder tief hinab, bis sie endlich die Lichter am Grund ausmachen konnten. Aruula lauschte die ganze Zeit über in die Tiefe, konnte aber nicht den geringsten Hauch von Lemarrs Anwesenheit spüren. Seit der Niederlage vom Vortag schien sich die Bestie zurückgezogen zu haben. Oder war sie vielleicht schon tot, ihren Verletzungen erlegen? Niemand konnte es mit Gewissheit sagen. Matt und Aruula blieb nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen, sich trotzdem in die Tiefe hinabzulassen. Gemeinsam mit Fradak überwachten sie, wie die Glocke mit dem Lastenkran von der Holzplattform gehoben wurde. Obwohl sich der Segler wegen des Gewichts bedenklich zur Seite neigte, konnte die Metallglocke sicher zu Wasser gelassen werden. Nachdem nur noch der oberste Zipfel über die Wellen hinausragte, tauchte Matt in seinen olivgrünen Shorts hinab, um zu überprüfen, ob sich die Luft im Inneren hielt oder durch kleine Risse austrat. Trotz intensiver Suche konnte er aber keine undichten Stellen ausmachen, so das er zur Unterseite schwamm und im Inneren der Glocke auftauchte. Wie erwartet hatte sich eine Luftblase gebildet, die das Wasser am Eindringen hinderte. Erfreut stemmte sich Matt an dem Sitzbrett hoch, das auf seine Anweisung eingebaut worden war, und zog zweimal an der mitgeführten Signalleine, die zum Segler hinaufführte. Auf das verabredete Zeichen hin sollte Aruula nachkommen. Sekunden später tauchte ihr blauschwarzer Schöpf zu seinen Füßen auf. Staunend sah die Barbarin in die Höhe und rief: »Hier drinnen ist ja wirklich Luft zum Atmen!« Ihre Stimme klang hohl in dem engen metallenen Raum.
Zwei Dutzend Männer zogen los, um in Ufernähe Bäume zu fällen, aus denen ein großes Floß gezimmert werden sollte. Andere trugen Seile zusammen, an denen die Glocke bis auf den Seegrund hinabgelassen werden konnte. Bis spät in die Nacht hinein erklangen die Hammerschläge der Helfer, die auf der künstlichen Halbinsel eine Holzplattform bauten. Bereits in den frühen Morgenstunden konnte die Glocke über einige Rundhölzer auf das fertiggestellte Floß gerollt werden. Gleichzeitig traf ein großes Fischerboot ein, dass einen Lastenkran an Bord hatte. Normalerweise wurden damit Netze eingeholt,
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Matt half ihr auf die Sitzbank. Dann zog er dreimal an der Leine, worauf die Glocke weiter hinabgelassen wurde. Meter für Meter sanken sie an der Winde hinab. Je tiefer sie kamen, desto höher stieg das Wasser zu ihren Füßen.
vor seinen Augen die Umrisse einer Unterwasserbasis ab! Die unteren Fertigbauelemente zeigten bereits deutliche Verfallsspuren. Vor allem die in den morastigen Seegrund gerammten Metallträger, auf denen die Station ruhte, waren verrostet und mit Algen überwuchert. Das obere Stockwerk der Station bestand dagegen aus transparenten Kunststoffkugeln, die zum größten Teil noch beleuchtet waren. Fassungslos verhielt Matt einen Moment vor dem Relikt aus der Vergangenheit, auf dessen Frontseite die Aufschrift SANDOR II prangte. Dann schwamm er fasziniert näher heran, bis er zweifelsfrei feststellen konnte, dass die Innenräume der meisten Plastikkugeln noch intakt waren. Nur eine Kuppelhülle war im Laufe der Jahre geborsten und das darunter liegende Labor geflutet worden. Die Beleuchtung der anderen Stationsräume ließ aber darauf hoffen, dass die Lebenserhaltungssysteme noch arbeiteten. Und das nach mehreren hundert Jahren! Die Station musste über einen kleinen Atomreaktor als Energiequelle verfügen! Als ihm die Luft knapp wurde, schwamm Matt zurück zur Glocke. Als Aruula keuchend neben ihm auftauchte, erklärte er ihr, was für einen außergewöhnlichen Fund sie gemacht hatten. Dann brach er sofort zu einer weiteren Erkundungstour auf. Als nächstes wollte die Eingangsschleuse der Station finden. Und damit den Weg in eine längst vergangene Welt. . .
»Es gibt doch irgendwo ein Loch!« rief Aruula ängstlich aus. »Keine Angst«, beruhigte Matt sie. »Die Luft wird nur zusammengepresst, weil der Wasserdruck steigt. Bei zehn Meter Wassertiefe steigt der Druck um ein Bar. Da wir in zwanzig Metern operieren wollen, verringert sich das Luftvolumen in der Glocke auf ein Drittel. Jetzt weißt du auch, warum ich die Sitzbänke so weit oben einbauen ließ.« Aruula nickte, aber es machte nicht den Anschein, als hätte sie Matts Ausführungen begriffen. Als das Wasser im Inneren bis zur Hälfte gestiegen war, konnten Matt und Aruula bereits das geheimnisvolle Leuchten zu ihren Füßen sehen. Je tiefer sie kamen, desto heller glühten die Kugelhaufen, die aufgrund der Lichtbrechung nur verschwommen erkennbar waren. Als sie zwei Meter oberhalb des Lichtschimmers schwebten, zog Matt dreimal an dem Signalseil. Sofort wurde ihr Abstieg gestoppt. Das Luftvolumen war inzwischen beträchtlich geschrumpft. Trotzdem würden sie genügend Luft haben, um mehrere Tauchgänge zur Erkundung des geheimnisvollen Objekts durchzuführen. Der Luftdruck in der Glocke entsprach dem äußeren Wasserdruck, deshalb konnten Aruula und Matt bedenkenlos einatmen und sich ins Wasser hinabgleiten lassen. In dieser Tiefe war es empfindlich kalt, doch Matt vergaß die Gänsehaut auf seinem Körper, als er endlich sah, was sich auf dem Grund des Sees befand! Obwohl er ohne Taucherbrille nur verschwommen sehen konnte, zeichneten sich
Lemarr war wütend. Obwohl die Wunde an seinem Unterleib nicht mehr blutete, pochte die Verletzung weiter, als wühle das Landwesen immer noch mit seinem spitzen Zahn darin herum. Vergeblich versuchte die Riesenechse den dunklen Nebel zu zerreißen, der ihr Gedächtnis umwölkte doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht erinnern, dass ihm eine
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Hellhaut schon einmal solchen Schaden zugefügt hatte. Mit seinen überlegenen Kräften war, Lemarr stets der unumschränkte Herrscher des Wassers gewesen. Doch nun hatte ihn eine Hellhaut so sehr verletzt, dass das Ausmaß seiner Schmerzen sein bisheriges Vorstellungsvermögen sprengte. Sein dumpf brütender Verstand wurde nur noch von dem Wunsch nach Vergeltung beherrscht. Ja, Lemarr wollte die Landwesen büßen lassen. Plötzlich wurden seine Rachegelüste von einem Rauschen unterbrochen, das zu ihm auf den Grund drang. Als er mit seinem verbliebenen Auge in die Höhe blinzelte, erkannte er drei Bootsschatten, die sich auf der Wasseroberfläche abzeichneten. Dazwischen befand sich ein runder Umriss, den Lemarr keinem bekannten Beuteschema zuordnen konnte. Kurze Zeit später sank das fremd anmutende Objekt in die Tiefe hinab genau auf die unheimlichen Lichter zu, die Lemarr stets umging. Was mochten ihm die Landwesen da nur herab schicken? Eine neue Waffe, die ihm noch mehr Schmerzen zufügen sollte? Einen Moment lang wurde der Koloss von einem Fluchtimpuls durchzuckt, dann aber entschied er sich, regungslos am Boden zu verharren. Er würde einfach abwarten, was passierte. Und wenn er sicher war, dass ihm der unförmige Gegenstand keinen Schaden zufügen konnte, dann würde er zuschlagen. Die Menschen sollten es noch bereuen,dass sie in sein Reich eingedrungen waren!
deren Ränder von Kunststoffsplittern gesäumt wurden. Matt zog sich hastig über die Sitze des Zweimannschiffs hinweg, um zur Luftschleuse zu gelangen. Zu seinem Ärger stellte er fest, dass sie keine Vorrichtung für eine manuelle Öffnung besaß. Um die Tür zu entriegeln, hätte es einer Magnetkarte und eines Zahlencodes bedurft, den er über eine neunstellige Tastatur eingeben musste. Er kannte solche Vorrichtungen aus den Sicherheitsbereichen der Air Force. Deshalb wusste er auch, dass es ihm nicht möglich war, die Schleuse mit seinen primitiven Mitteln zu öffnen. Irgendwo musste es aber auch einen manuellen Notausstieg geben, da war er sicher. In einer solchen Station wurde immer für den Fall vorgesorgt, dass die Energieversorgung völlig ausfiel. Nachdem Matt erneut in der Glocke Luft geschöpft hatte, untersuchte er die Unterseite der korrodierenden Metallträger. Nach wenigen Metern entdeckte er eine runde Luke, die mit einem Handrad geöffnet werden konnte. Matt klammerte sich an dem Metallring fest und stemmte die Füße gegen die Unterseite der Station. So besaß er genügend Halt, um das Rad nach links zu drehen. Doch so sehr er auch daran zerrte, die dahinter verborgene Mechanik bewegte sich keinen Millimeter. Wahrscheinlich war sie völlig verrostet. Matt wollte schon vor Wut gegen die Stationswandung schlagen, als Aruula neben ihm erschien. Sie hatte beobachtet, wie ihr Gefährte vergeblich an dem Handrad zerrte, deshalb fasste sie mit an. Mit vereinten Kräften versuchten sie es noch einmal. Matt konnte sehen, wie sich die Armmuskeln der Barbarin spannten, während sie in die gleiche Richtung zog. Einige Sekunden lang verharrte das Handrad stur an seinem Platz, dann gab es im Inneren der Ausstiegsluke ein knirschendes Geräusch. Gleich darauf ließ sich der Metallring mit einfachen Bewegungen heraus kurbeln, bis ihnen die runde Luke in einer Wolke von Rostpartikeln entgegen fiel. Obwohl ihm langsam die Luft knapp wurde, tauchte Matt in die dahinter liegende Öffnung.
Beim zweiten Tauchgang fand Matt eine Andockrampe mit einem kleinen U-Boot, dessen Plexiglaskuppel irgendwann zersprungen war. Im fahlen Licht der Station lavierte er sich durch die schmale Öffnung,
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Vorsichtig tastete er sich eine dunkle Röhre entlang, bis er auf eine weitere Schleuse stieß. Hastig griff er nach dem dort angebrachten Handrad, das sich überraschend leicht bewegen ließ. Offensichtlich gab es im Inneren der Station nur geringe Verfallserscheinungen. Matt drehte sich mit angezogenen Beinen in der Röhre und hämmerte seine Füße gegen die verschlossene Luke, um sich zurück zum Ausgang zu katapultieren. Aruula wartete bereits ungeduldig auf ihn. Gemeinsam kehrten sie zur Tauchglocke zurück und schnappten nach Luft. »Ich habe einen Weg gefunden!« keuchte Matt. »Aber wir müssen die Außenluke schließen, bevor wir die innere öffnen, sonst dringt das Wasser ein.« Aruula nickte. »Ich bete zu McGyver, dass es gelingt.« Matt musste grinsen. Seit Aruula den Namen des patenten Serienhelden aus seinem Munde aufgeschnappt hatte, hielt sie ihn für eine Art Gott. Er ließ sie in dem Glauben. Hier in dieser Welt gab es so viele Götter, da fiel ein weiterer gar nicht auf. Und ein„ bisschen von McGyvers Einfallsreichtum konnte er in der Tat gut gebrauchen. »Ach ja, noch eins«, fügte er hinzu. »Es ist wichtig, dass du alle Luft aus den Lungen lässt, bevor du in der Station wieder einatmest. Die Druckverhältnisse dort drinnen sind anders als hier in der Glocke.« »Verstanden«, gab Aruula zurück. »Im Wasser ausatmen, in der Station wieder einatmen, richtig?« »Richtig. also los!« gab Matt das Kommando, holte tief Luft und tauchte wieder unter. Aruula folgte ihm dichtauf. Wenige Schwimmzüge später erreichten sie die offene Außenluke. Matthew ließ Aruula passieren, dann schwamm er selbst in die Röhre hinein, packte die Luke und zog sie zu sich heran. Trotz der Dunkelheit, die sie plötzlich umgab, verriegelte er die Schleuse mit routinierten Drehungen am inneren Handrad. Als er an seiner Begleiterin vorbei drückte, spürte Matt, dass sie zu zittern begonnen hatte. Sie musste sich wie in einer Todesfalle vorkommen. Doch ihr Vertrauen in ihn war stärker als die Angst.
Matt öffnete die innere Schleuse. Gleichzeitig stieß er die komprimierte Luft in seinen Lungen mit einem gurgelnden Geräusch aus, und beobachtete, wie Aruula es ihm gleich tat. Ohne diese Maßnahme hätten ihre Lungenbläschen unter dem veränderten Druck in der Station wahrscheinlich Schaden genommen. Bei einem Notaufstieg unter Wasser durfte man unter Verwendung der gleichen Atemtechnik nicht schneller als siebzehn Meter pro Minute auftauchen, deshalb ließ sich Matt etwas Zeit, bevor er die Schleusenluke in die Höhe drückte. Keuchend tauchte er aus der Röhre auf und sog frische Luft in seine Lungen. So weit man den abgestandenen Mief, der in der Station herrschte, als »frisch« bezeichnen konnte. Aber immerhin gab es hier atembare Luft. Nicht auszudenken, wenn sie durch entweichende Giftstoffe verseucht gewesen wäre. Matt zog sich hoch und sah sich in dem mit allerlei Materialien vollgestopften Raum um. Offensichtlich befanden sie sich in einem Lagerraum. Dann half er Aruula aus der Röhre. Gemeinsam stiegen sie eine Aluminiumleiter empor, die zum oberen Bereich mit den zusammengeballten Kunststoffkuppeln führte, die sich wie die Kugeln einer Eistüte in drei Ebenen übereinander stapelten. Diese aneinandergefügten Elemente bildeten offensichtlich den Arbeitsbereich der Basis, während sich im unteren Stockwerk die Privatquartiere befanden. Matt durchschritt die verschiedenen Räume im Eiltempo, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Nirgends war ein Hinweis zu finden, dass die Station bewohnt wurde, obwohl die Schlafräume mit persönlichen Dingen eingerichtet waren. In der Innentür eines Metallspinds befand sich sogar ein Playboyklappbild von Miss Juni 2011 kein Zweifel, diese Unterwasserbasis stammte noch aus Matts »guter alter Zeit«. Aruula stieß beim Anblick des brünetten Aktmodells ein verächtliches Schnauben aus, bevor sie dem grinsenden Matt mit
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vorgerecktem Brustkorb in die höheren Ebenen folgte. In der obersten Sphäre fand Matt endlich die Kommandozentrale der Station und zwei mumifizierte Leichen, die in ihren drehbaren Schalensesseln zusammengesunken waren. Den verschweißten IDCards an ihren Kitteln zufolge handelte es sich bei den Toten um Professor Ernst Schessler und Doktor Markus Henke. Die auf den Karten abgedruckten Identitätsnummern enthielten in ihrem Mittelteil das Geburtsdatum der betreffenden Personen, wie es Matt vom Militär gewohnt war. Daraus konnte er entnehmen, dass Schessler 1964 geboren wurde, Henke dagegen 1976. Beide Männer mussten also schon Hunderte von Jahren tot sein, obwohl ihre Körper erstaunlich gut erhalten waren. Vermutlich hatte die keimfreie Luftversorgung der Station dazu beigetragen, dass der Zersetzungsprozess nur sehr langsam vor sich ging. Aus dem gleichen Grund hatte auch die im Standbymodus laufende Technik nur wenig gelitten. Matt konnte bei den Männern keine äußeren Verletzungen erkennen; sie waren also vermutlich eines natürlichen Todes gestorben. Nachdem er den Anblick der Leichen einigermaßen verdaut hatte, beschäftigte er sich mit den Steuerungseinheiten der Station. Die Schaltzentrale befand sich auf dem technischen Stand, der Matthew aus der Zeit vor »Christopher-Floyd« vertraut war. So fiel es ihm nicht schwer, die verschiedenen, in Deutsch und Französisch beschrifteten Mess und Regelanzeigen zu identifizieren. Nach einem kurzen Systemcheck wusste er, dass die Station von einem autark arbeitenden Wasserstoffmeiler versorgt wurde, der auch noch in hundert Jahren für Energie und Atemluft sorgen konnte. Matt und Aruula hatten also mehr als genug Zeit, sich in Ruhe umzusehen. Gespannt machte sich Matt an einem Computerterminal zu schaffen. Da die Spracherkennung nicht auf seine Stimme eingestellt war, verschaffte er sich manuellen Zugang zu den Dateien der Wissenschaftler, um herauszufinden, was diese zivile Station auf dem Grund des Lac Leman zu suchen hatte.
Wenn es jemals Sicherheitsbarrieren gegeben hatte, die Unbefugten den Zugang zur Benutzeroberfläche verweigern sollten, dann waren sie von Henke und Schessler außer Kraft gesetzt worden. Nachdem Matt ein Icon mit der Aufschrift Subterranes Forschungslabor SANDOR II angeklickt hatte, erschien umgehend eine Stationsbeschreibung. Während Aruula nach brauchbaren Gegenständen suchte, die sie mit an die Oberfläche nehmen konnten, vergaß Matt alles um sich herum. In den nächsten Minuten versank er in den Informationen aus der Vergangenheit, die ihm am Monitor präsentiert wurden. Es war schon ein seltsames Gefühl, nach über drei Monaten auf dieser barbarischen Erde endlich wieder auf einen Computerschirm zu schauen und eine Tastatur zu benutzen. Ein Gefühl wie Heimweh. Heimweh nach einer anderen Zeit. . . Nach dem, was Matthew Drax den Texten im Schnelldurchlauf entnehmen konnte, war diese Unterseebasis im Jahre 2008 von dem Schweizer Chemiekonzern SANDOR gebaut worden, um Genexperimente unter hermetisch isolierten Bedingungen durchzuführen. Neben vielen anderen Projekten ging es um die Entwicklung von amphibischen Lebensformen, die als Hilfskräfte für eine Besiedlung der Ozeane genutzt werden konnten, sowie um Mittel für Lebensverlängerung und Zellrekonstruktion. Im Prinzip die ganze Palette von Forschungen, die auf der Internationalen Ethikkonferenz von 2005 geächtet worden war. Sandor Chemicals war offensichtlich davon ausgegangen, dass die rechtlichen Einschränkungen auf diesem Gebiet in absehbarer Zeit wieder aufgehoben würden, deshalb wollte man sich vorab einen wissenschaftlichen Vorsprung verschaffen. Doch bevor sich ihre Investitionen auszahlen konnten, war ihnen die Kometenkatastrophe dazwischen gekommen. So ein Pech aber auch . . . Als Matt in diesen Zusammenhang wieder an die Riesenechse dachte, erschienen ihm die hier durchgeführten Genforschungen in einem ganz neuen Licht. Vermutlich waren während des Chaos, das nach dem Einschlag herrschte,
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einige Züchtungen in den offenen See entkommen. Hatte sich aus einer dieser »Versuchskaninchen« irgendwann Lemarr entwickelt? War die bereits Jahrhunderte währende Existenz des Reptils vielleicht sogar auf die Fähigkeit der Zellrekonstruktion zurückzuführen? Matt fluchte leise vor sich hin, als er sich darüber klar wurde, welche Folgen das haben konnte. Wenn diese Bestie wirklich über einen regenerativen Organismus verfügte, würde sie sich innerhalb kürzester Zeit von ihren Verletzungen erholen. Damit war Lemarr gefährlicher als je zuvor denn von nun an würde er die Menschen noch rücksichtsloser und brutaler angreifen. Er war tatsächlich ein dunkler Gott unsterblich und gnadenlos ... Matt forschte nach dem Logbuch der Station. Er wollte erfahren, wie sich die große Katastrophe auf die hier unten lebenden Wissenschaftler ausgewirkt hatte. Einige Mausklicks später überflog er die Eintragungen des Jahres 2012. Wie schon vermutet hatte es tatsächlich einen Wassereinbruch in den unteren Labors gegeben, als die Station von Erdbeben erschüttert worden war. Die automatischen Abschottungssysteme funktionierten zwar einwandfrei, aber ein dritter Wissenschaftler, ein Doktor Kastner, war in der überfluteten Kuppel ertrunken. Schessler und Henke bestatteten ihren Kollegen im See. Da der Kontakt zur ihrem Konzern abgebrochen war, begaben sie sich nach einer Wartezeit von zwei Wochen mit ihrem Mini-U-Boot ans Seeufer. Als sie dort das ganze Ausmaß der Katastrophe erkannten, beschlossen sie sich wieder auf die Unterwasserbasis zurückzuziehen. Die Einsamkeit und schwindende Nahrungsvorräte raubten ihnen aber bald den Lebensmut, so dass sie sich im Januar 2013 durch Giftinjektionen das Leben nahmen. Die Lebenserhaltungssysteme stellten sie auf Automatik, um späteren Besuchern die Möglichkeit zu geben, den Stationsbetrieb wieder aufzunehmen. Matt schüttelte den Kopf, als er bei der letzten Eintragung angekommen war. Was für ein Wahnsinn! Da hatten zwei
überdurchschnittlich intelligente Wissenschaftler die optimalen Voraussetzungen für ein Überleben nach der Katastrophe erhalten und sie nicht besser zu nutzen gewusst als freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Statt aber lange über verpasste Gelegenheiten nachzugrübeln, wollte Matt lieber weitere Fakten über den Aufprall von »Christopher-Floyd« abrufen. Ehe er sich jedoch den neuen Dateien zuwenden konnte, riss ihn Aruulas Warnschrei vom Bildschirm fort. »Der Seedämon kommt!« rief sie aufgeregt. »Ich kann seinen Zorn deutlich spüren!« * Matt stürzte an eine der Panoramascheiben, und tatsächlich nach einigen Sekunden des Suchens sah er einen dunklen Schatten durchs Wasser gleiten. Er hielt genau auf die Tauchglocke zu! Sekunden später rammte Lemarr das schwere Tauchgerät mit solcher Wucht, dass es ins Schwanken geriet. Dem Reptil waren weder schwere Verletzungen noch Schwäche anzumerken. Nach dem harten Aufprall schüttelte es nur den Kopf und setzte sofort zu einer neuen Attacke an, diesmal ein Stück höher. Lemarr schnappte nach dem Halteseil und kappte es mit einem schnellen Biss. Den Gesetzen der Schwerkraft gehorchend trudelte die Glocke zu Boden. Nur wenige Meter von der Station entfernt schlug sie dumpf auf den weichen Seegrund, in dem sie zu einem Drittel versank. »Wudan hilf«, keuchte Aruula. »Wie kommen wir jetzt wieder nach oben?« »Zwanzig Meter schaffen wir gerade noch ohne Atemhilfe«, beruhigte Matt sie, bevor er hinzufügte. »Allerdings nicht, wenn ein amoklaufendes Monster durchs Wasser streift.« Nachdem Lemarr das fremde Objekt zerstört hatte, das in sein Territorium eingedrungen war, konzentrierte er sich wieder auf die Vorgänge an der Oberfläche. Ehe Matt sich von seinem Schrecken erholt hatte, schoss Lemarr auf direktem Weg nach oben, zu den dort dümpelnden Fischerbooten.
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»Verdammt«, fluchte er, »Fradak und die anderen sind in Gefahr! Wir müssen irgendwas tun!«
die steuerbaren Scheinwerfer in die Höhe stellte. Sein Ablenkungsversuch funktionierte besser als erhofft. Viel zu gut, denn vom Licht irritiert wirbelte Lemarr herum und schoss auf Rammkurs zu ihnen hinab! Hastig löschte Matthew die Lichter, doch es war schon zu spät. Donnernd hämmerte das geblendete Monster gegen eine Kunststoffkugel der zweiten Ebene. Der Aufprall war so stark, dass die gesamte Station erzitterte und Aruula von den Füßen gerissen wurde. Matt konnte sich im letzten Moment am Sessel des toten Professors festhalten. Doch als Lemarr mit seiner gepanzerten Schwanzspitze auf die Basis einzuschlagen begann, wurde auch er von der Vibration zu Boden gezwungen. In einem Anfall von Raserei hämmerte das Reptil immer heftiger auf die Sphären ein. Vielleicht witterte es sogar seine Feinde dort drinnen. Bereits nach einem knappen Dutzend Schlägen gab das brüchig gewordene Material an einer Stelle nach. Ein helles Splittern drang aus der zweiten Ebene zu Matt und Aruula empor, gefolgt von einem lauten Rauschen, als Wasser durch die Öffnung hereinbrach. »Warnung!« ertönte eine weibliche Computerstimme, »Hüllenbruch auf Ebene Zwei! Automatische Abschottung wird initiiert!« Ehe sich Matt vom Boden aufrappeln konnte, glitt eine massive Plexiglasscheibe zwischen den Wänden hervor und schloss den Zugang, der diese Sphäre mit der nächsten verband. Das Gleiche geschah mit allen Schleusen der Station. Erst jetzt wurde Matt das Prinzip der kugelförmigen Elemente richtig klar. In einem Notfall wie diesem wurden alle Arbeitsbereiche vollständig voneinander getrennt. Die beschädigte Komponente konnte dann einfach herausgelöst und durch eine neue Kuppel ersetzt werden natürlich nur, wenn ein Konzern existierte, der den Reparaturauftrag erteilte. Zur Zeit würde er mit einer entsprechenden Anfrage wenig Glück haben . . . Lemarr gab sich mit seinem ersten Erfolg keineswegs zufrieden, sondern schlug weiter in blinder Raserei auf die Station ein. Der spröde gewordene Kunststoff, der dem gleichmäßigem
Während er verzweifelt nach Möglichkeiten suchte, die Station einzusetzen, um das Reptil abzulenken, attackierte Lemarr das erste Boot. Hilflos musste Aruula mit ansehen, wie ein kleiner Segler unter dem Ansturm der Bestie kenterte. Als die Besatzung ins Wasser geschleudert wurde, bewies Lemarr mit kalter Präzision, dass er aus seiner letzten Niederlage gelernt hatte. Er schnappte nur noch unterhalb der Wasseroberfläche nach den Fischern. Sekunden später verdunkelten rote Wolken das klare Wasser. Abgetrennte Arme und Beine trudelten in die Tiefe und gingen rings um die Station nieder. Die gespenstische Stille, in der sich der Kampf für Aruula abspielte, zerrte noch schlimmer an ihren Nerven als wenn sie die Schreie der Verstümmelten gehört hätte. Als die übrigen Bootsbesatzungen feststellten, dass sie ihren gekenterten Freunden nicht mehr helfen konnten, zögerten sie nicht länger, die Sprengkörper einzusetzen. Kurz darauf erklangen zwei dumpfe Explosionen, die Lemarr in die Tiefe trieben. Die Echse zog sich weiter zurück. Offensichtlich war sie vorsichtig geworden und wollte kein Risiko mehr eingehen. Lemarr würde einige Zeit abwarten und dann erneut angreifen. * Matt war inzwischen auf die Kontrollsysteme für die Außenscheinwerfer gestoßen, die er per Bildschirmdisplay aktivierte. Während seine Zeigefinger über den Monitor glitt, flammten draußen mehrere Beleuchtungskörper auf, die den See auf fünfzig Meter in gleißende Helligkeit tauchten. »So können wir das Vieh vielleicht von den anderen weglocken«, hoffte Matt, während er
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Wasserdruck über Jahrhunderte standgehalten hatte, erwies sich bei punktueller Gewalteinwirkung als sehr anfällig. Innerhalb weniger Minuten zerbrachen zwei weitere Kuppelhüllen. »Warnung!« ertönte die Computerstimme erneut. »Beschädigung bei vierzig Prozent! Seperation wird vorbereitet!« »Wer ist diese Frau«, erkundigte sich Aruula verwirrt, »und was will sie von uns?« »Ich glaube, sie will uns helfen«, beruhigte Matt seine Gefährtin, obwohl ihm selbst mulmig zumute war. Weitere Schläge dröhnten durch die Station. »Beschädigung bei sechzig Prozent! Seperation wird initiiert!« Plötzlich erklang ein lautes Zischen, als würden irgendwelche Druckleitungen geöffnet. Gleich darauf trieben die einzelnen Kuppelelemente wie von Geisterhand bewegt auseinander. Synchron dazu schaltete die Innenbeleuchtung auf Notstrom um, als sie vom Reaktor getrennt wurde. Das Licht dimmte sich auf ein rötliches Glühen herab. Jene Kugeln, die bereits geflutet waren, stürzten die Stahlträger hinab und versanken im modrigen Seegrund, während die intakten Hüllen durch ihren Luftinhalt automatisch nach oben trieben. Die oberste Kugel mit Matt und Aruula stieg als erste auf, gefolgt von zwei Einheiten aus tieferen Ebenen, die ebenfalls noch intakt geblieben waren. Sie hatten erst wenige Meter zurückgelegt, da schoss Lemarr heran und rammte die unterste Kugel mit seinem Maul. Sofort bildeten sich an der Aufprallstelle Risse, die sich unter dem Wasserdruck verbreiterten und schließlich aufplatzten. Sekunden später wurde die Kuppel unter den einstürzenden Fluten regelrecht zerquetscht. Lemarr kümmerte sich nicht weiter um die zerstörte Sphäre, sondern steuerte sofort die nächste Einheit an. Aruula und Matt erkannten entsetzt, dass sie danach an der Reihe waren. Die Schaltzentrale war inzwischen zehn Meter weit aufgestiegen, doch bis zur rettenden Oberfläche lag noch einmal dieselbe Strecke über ihnen. Die zweite Sphäre bereitete dem Reptil etwas mehr Mühe, doch schließlich gab auch
hier das alte Material unter den wütenden Attacken nach. Die letzte Kugel war noch vier Meter von der Wasseroberfläche entfernt, als sich Lemarr ihr zuwandte. Ein triumphierender Schimmer schien in seinen Augen zu glimmen, als er mit wuchtigen Schwanzschlägen heran schoss und zum Rammstoß ansetzte. Matt erschauderte, als er sah, dass die leere Augenhöhle der Bestie mit einer neuen Pupille gefüllt war. Doch ehe er die Experimente der Sandor Chemicals verwünschen konnte, hämmerte die mutierte Bestie bereits mit einem fürchterlichen Krachen seine Schnauze gegen den Plexiglasboden zu ihren Füßen. Doch diesmal war Fortuna gegen das Riesenreptil. In seinem Bemühen, die rötlich leuchtende Kugel noch vor der Oberfläche abzufangen, hatte das Monstrum seine ganze Kraft in den Stoß gelegt und schlug so mitten durch die Schleusentür. In einem Splitterregen drang die Hälfte der langgestreckten Schnauze in die Kuppel und wurde im Durchstieg festgeklemmt! In diesem Moment schoss die Kuppel schwungvoll an die Oberfläche und legte sich auf die Seite. Wütend stemmte sich Lemarr von außen gegen das Plexiglas und versuchte seinen Kopf zurückzuziehen. »Warnung!« erklang die Computerstimme. »Notausstieg wird vorbereitet! Schleuse wird geöffnet!« Schon glitt die Plexiglasscheibe zur Seite, in der immer noch die Schnauze von Lemarr steckte. Knirschend rollte das Schleusentor zurück in die Wand und klemmte seine Kiefer wie in einer Fangschlinge ein. Jedem anderen Lebewesen wäre der Kopf von der Hydraulik in zwei Teile getrennt worden, doch die Panzerung der Bestie hielt dem ungeheuren Druck stand. Lemarr schlug mit dem Hinterteil wild um sich, aber es war ihm nicht möglich, sich so aus der Falle zu befreien. Die Sphäre wurde durchgerüttelt wie ein Jeep auf einer Holperstrecke. Matt und Aruula hielten sich mühsam fest, während sie sich orientierten. Als Matthew über seine Schulter blickte, sah er in die verblüfften Gesichter der überlebenden Besatzungen, die von ihren
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Booten zu ihnen herüber starrten. Für die Männer und Frauen musste es wie ein Zauber wirken, dass sie beide in einer gigantischen Seifenblase aufgetaucht waren, in der sich das gefürchtete Monstrum verfangen hatte. Es wurde Zeit, die Sphäre zu verlassen. Aber wie? Der Ausstieg wurde durch die Riesenechse versperrt, die ihren Körper immer wilder verrenkte, um sich aus der Falle herauszuwinden. Unablässig hämmerte das Monstrum mit der gepanzerten Schwanzspitze gegen die Hülle, bis der Kunststoff an mehreren Stellen Risse davontrug. Matt wartete nicht ab, bis alles um sie herum in Trümmer ging, sondern ergriff die Initiative. Hastig packte er einen umgekippten Drehstuhl und schleuderte ihn gegen eine Stelle des Gehäuses, an der das Plexiglas mehr Sprünge aufwies als ein Spinnennetz. Die Lehne fraßen sich splitternd in das poröse Material und hinterliessen kleines Loch. Matt riss den Stuhl zurück und stieß ihn wieder vor, bis er eine Öffnung geschaffen hatte, die groß genug war, um hindurch zu springen. In diesem Moment hämmerte Lemarr erneut seine Schwanzspitze auf den Durchbruch. »Wir müssen warten, bis das Vieh zur anderen Seite herum wirbelt«, rief Matt seiner Gefährtin zu. »Dann springst du als Erste und schwimmst sofort zu den Booten. Ich folge dir bei der nächsten Gelegenheit!« Aruula nickte. Angespannt wartete sie, bis Lemarr auf die andere Kugelseite einprügelte, dann hechtete sie durch das Loch, tauchte in die aufgewühlten Wellen ein und kraulte mit schnellen Schwimmbewegungen aus dem Gefahrenbereich. Als sie mit dem Kopf aus den Fluten tauchte, versuchte Lemarr nach ihr zu schlagen, doch sie war schon zu weit entfernt. »Sag Fradak, dass ich ein Seil brauche1!« schrie Matt ihr zu. »Ich werde es hier drinnen festmachen, dann können wir das Vieh zum Ufer schleppen!« Aruula funkelte ihren Gefährten wütend an. Hätte sie gewusst, dass er noch in der Kuppel bleiben wollte, wäre sie niemals gegangen. Erst wollte sie Matt zum Nachzukommen auffordern, aber dann nickte sie nur. Sie hatten jetzt keine Zeit, um zu streiten.
Mit geschmeidigen Bewegungen kämpfte sie gegen die Wellen an und schwamm auf das große Boot zu, in dem sich Fradak befand. Als sie bis auf Rufweite heran war, gab sie Matts Nachricht weiter. Der Hüne winkte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Dann sah er zweifelnd zu der transparenten Kugel und zu der tobenden Bestie hinüber. Das Loch, durch das die Barbarin geflohen war, lag auf der abgewandten Seite. Bis sie Kurs darauf genommen hatten, war die Sphäre längst zertrümmert. Fradak durfte keine Zeit verlieren, deshalb befestigte er ein langes Seil am Mast, band das freie Ende an seine Harpune und holte weit aus. Wenn er Glück hatte, würde die Harpoon das fremde Material durchstoßen.
Matt stand mittlerweile schon bis zur Hüfte im Wasser, das durch die verschiedenen Öffnungen strömte und die transparente Kugel immer weiter absinken ließ. Sich festklammernd beobachtete er, wie Aruula an Bord eines der Segler gezogen wurde. Wenigstens sie war in Sicherheit. Das Wasser in der Kugel war rötlich gefärbt. Lemarrs eingeklemmte Schnauze war an der Unterseite blutig gerissen, aber das böse Funkeln seiner Augen bewies, dass er noch lange nicht am Ende war. Fradak wog die Harpune mehrmals vor und zurück, bevor er sie in einem entschlossenen Stoß schleuderte. Zischend schoss der Schaft durch die Luft und zog das nasse Seil hinter sich her. Die schwere Eisenspitze senkte sich frühzeitig hinab, so dass es aussah, als würde sie ihr Ziel verfehlen. Doch dann durchbrach sie mit einem Klirren die Sphäre verschwand in deren Innerem. Der Holzschaft schlitterte direkt vor Matts Füße. Schnell löste er das Seil, um es an einer stabilen Querstrebe festzuzurren. Dann stürzte er sich, die Arme voran und den Körper wie bei einem Kopfsprung ausgerichtet, durch die Öffnung.
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Das kalte Wasser hieb ihm beim Eintauchen wie ein Faustschlag ins Gesicht. Er vollführte rasche Schwimmbewegungen, um sich möglichst weit von der Sphäre zu entfernen. Dann tauchte er auf und wurde Zeuge eines furchtbaren Schicksals. Tobend vor Wut, dass ihm sein Opfer entkommen war, hatte Lemarr noch einmal seine Bemühungen verdoppelt, sich von der Kugel zu befreien. Dabei hob er sie mit seinem mächtigen Schädel weit über die Wasseroberfläche und ließ sie dann wieder zur Seite kippen. Das Seil spannte sich blitzartig, schleuderte das Boot herum und peitschte Fradak mit einem mächtigen Ruck von Bord! Sich mehrfach überschlagend stürzte der Fischer in den See. Durch das aufgewühlte Wasser konnte Matt nur schemenhaft erkennen, wie Fradak verzweifelt zu entkommen suchte, doch er befand sich nun in Reichweite des gepanzerten Reptilienschwanzes. Ein dunkler Schatten schnitt über ihm durch die Luft. Einen Moment lang sah es so aus, als könnte sich Fradak in einer letzten Kraftanstrengung zur Seite werfen da fuhr die Schwanzspitze schon mitten durch ihn hindurch. Eine rote Blutwolke verdeckte gnädig die beiden Körperhälften, die langsam in die Tiefe sanken. Matt unterdrückte den Impuls, einen lauten Wutschrei auszustoßen, denn er brauchte seinen ganzen Atem, um dem Ungeheuer zu entkommen. Er tauchte erst wieder auf, nachdem gut zehn Meter zwischen ihm und der Stationskuppel lagen, die erneut unter den Schlägen der gefangenen Bestie erzitterte. Der ohrenbetäubende Krach, der dabei entstand, wurde nur von einem Schrei übertönt, der von einem der Segler stammte. Es war Anakas Stimme. Blanker Zorn pulsierte durch Matts Adern, während er weiter schwamm. Er wollte Rache nehmen! Rache für Fradak und all die sinnlosen Toten der vergangenen Tage aber auch Rache für Hunderte von Ritualopfern, die in den letzten Jahrzehnten ihr Leben lassen mussten. Sie alle waren der dumpfen Gier eines Ungeheuers erlegen, dessen
widernatürliche Existenz nur den Forschungen auf der Unterwasserbasis zu verdanken war. Lemarr war das Produkt einer Gentechnik, der die heutigen Menschen nichts entgegenzusetzen hatten. Und es war Matts Aufgabe als Erbe dieser vergangenen Epoche, dieses Wesens für sie zu vernichten. Die letzten Meter bis zum Segler schmolzen dahin, während Matt sich mit neuer Kraft gegen die Wellen warf. Am Boot angekommen streckten sich ihm sofort mehrere Arme entgegen, die ihn hinein hievten. Sein Blick fiel auf Anaka, die weinend in den Armen von Aruula lag. Die Barbarin und einige Fischer warfen Matt fragende Blick zu, als ob sie es nicht wagten, sich offen nach Fradaks Schicksal zu erkundigen. Fast so, als würde es seine Chancen endgültig zerstören, wenn man sich Gewissheit verschaffte. Matt schüttelte nur traurig den Kopf, bevor er den Befehl zum Lossegeln gab. Die Fischer drehten die Segel in den Wind und besetzten die Ruderpinne. Jeder von ihnen hatte in den letzten Jahren einen geliebten Menschen verloren, und obwohl sie alle Mitleid mit Anaka hatten, wollte keiner die Chance vertun, Lemarrs Schreckensherrschaft endlich zu beenden. Bereit nach kurzer Fahrt erhob sich das am Mast befestigte Seil aus dem Wasser. Als es sich knarrend spannte, wirkte das Boot plötzlich wie festgenagelt, doch nach einigen Sekunden bangen Wartens setzte sich die im Wind aufbäumende Segelfläche gegen das zusätzliche Gewicht durch. Selbst der tobende Lemarr konnte nicht verhindern, dass er mitsamt seiner Falle immer mehr Fahrt aufnahm und zur Bucht von Urlok geschleppt wurde.
Die Menschen am Ufer brachen in Jubel aus, als sie sahen, welche Beute die mutigen Heimkehrer mit sich schleppten. Die Männer,
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Frauen und Kinder, die die Hilflosigkeit der Echse erkannten, fühlten sich bereits als Sieger, die nur noch den Schuppenpanzer abziehen und unter sich verteilen mussten. Doch als die Stationskugel das flache Wasser erreichte, zeigte sich, dass Lemarr noch lange nicht am Ende war! Sobald das Reptil festen Boden unter den Füßen spürte, stemmte es sich in den feuchten Untergrund und warf den Körper zurück. Ein harter Ruck fuhr durch den Schlepper, doch die seefesten Fischer konnten die schaukelnden Bewegungen mit den Beinen ausgleichen. Selbst als sich das Seil zwischen Mast und Kugel so stark spannte, dass sich der Bug langsam aus dem Wasser hob, blieben die meisten aufrecht stehen. Bevor das Boot aber durch die Schieflage kentern konnte, zerriss das überlastete Seil mit einem lauten Knall. Von seiner Last befreit rauschte der Segler auf den Strand zu, bis der Kiel auf Grund lief und die Fahrt endgültig stoppte.
Matt glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er auch Häuptling Rarok unter den Harpunierern sah. Die beiden Männer warfen sich nur einen kurzen Blick zu, bevor Matt zu der Riesenarmbrust lief. Trotzdem lag in diesem kurzen Blick mehr, als sich mit tausend Worten ausrücken ließ. Die Unstimmigkeiten zwischen ihnen waren begraben sie standen jetzt auf derselben Seite, egal wie es auch ausgehen mochte. In diesem Moment gelang es Lemarr, die Stationskuppel in einem ungeheuren Kraftakt in die Höhe zu stemmen und zurück auf den Strand zu schmettern. Mit lautem Krachen brach der instabile Kunststoff auseinander. Brüllend richtete sich Lemarr wieder auf endlich war er wieder frei! Doch er war angeschlagen. Ein gutes Dutzend Spieße steckte bereits in seinem blutüberströmten Körper. Das gab Oslong und einigen Verwegenen den Mut, zur Wasserlinie zu rennen, um Lemarr aus unmittelbarer Nähe zu attackieren. An den langen Dreadlocks war zu erkennen, dass sie alle zu Fradaks engstem Freundeskreis zählten. Es verwunderte Matthew nicht weiter, als er auch Anakas braunen Schöpf zwischen den Angreifern sah. »Ich brauche eine Fackel!« brüllte er den Umstehenden zu, während andere Manner die riesige Armbrust in Position brachten. Über Kimme und Korn verfolgte Matt, wie sich Lemarr rasend vor Wut aufrichtete, um die heran stürmenden Menschen zu attackieren. Matt visierte den hellen Unterleib der Bestie an. Doch obwohl die Harpune bereit war, sich in die Brust des Monstrums zu bohren, zögerte er noch. »Wo bleibt das Feuer?« rief er ungeduldig. Da näherte sich Mokas mit einer brennenden Fackel. »Möge Wudan deine Hand lenken!« stieß der Priester hervor ein deutliches Zeichen dafür, dass er Lemarr aus seiner Götterliste gestrichen hatte. Matthew Drax nahm die Fackel entgegen und entzündete damit die kurze Lunte, die über den Holzschaft hinweg ragte. Er hatte nur wenige Sekunden, bis die Sprengladung explodierte, die an dem überdimensionalen Armbrustpfeil befestigt war.
Matthew und Aruula sprangen an Land. Wenn Matt befürchtet hatte, dass die Schaulustigen beim ersten Anzeichen von Gefahr das Weite suchen würden, so sah er sich angenehm enttäuscht. Inzwischen schien sich die allgemeine Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass Lemarr nur ein gefräßiges Tier und keine böse Gottheit war. Überall rissen die Menschen ihre Harpunen in die Höhe und stießen ein Kriegsgeheul aus, das ihnen wohl mehr Mut als dem Reptil Angst machen sollte. »Zielt auf seine Unterseite, dort ist er verletzlich,!« brüllte Matt den Umstehenden zu. Im nächsten Moment wurden Dutzende von Harpunen auf das tobende Tier geschleudert. Die meisten prallten vom Rückenpanzer des Reptils ab, doch einige bohrten sich so tief in seine Unterseite, dass das Leben in roten Strömen aus ihm hervorschoss.
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Er trat gegen den Auslöser. Die Bogensehne sprang vor und katapultierte die Harpune durch die Luft genau in dem Moment, als sich Lemarr nach vorne fallen ließ, um Fradaks Freunde anzugreifen. »Verfluchte...!« entfuhr es Matt, doch der Rest des Fluchs stockte ihm in der Kehle, als er sah, dass das Geschoss zwar nicht die Unterseite des Monstrums traf, dafür aber mitten in den aufgerissenen Rachen der Bestie fuhr. Lemarr stieg vor Schmerz auf die Hinterbeine und versuchte die feststeckende Harpune mit wirbelnden Kopfbewegungen loszuwerden. Doch ehe ihm das gelang, gab es eine dumpfe Explosion. Der Schädel der Bestie wurde in Stücke gerissen. Ein rötlichbrauner Knochenregen spritzte durch die Luft, bevor Pulverschwaden den kopflosen Rumpf verbargen. Eine Sekunde noch stand der geschuppte Körper aufrecht, dann schlug die Bestie der Länge nach ins flache Uferwasser. Nach einigen Sekunden atemlosen Schweigens stürmten die Fischer in die Bucht und fielen mit ihren Harpunen über das leblose Tier her. Fast jeder von ihnen hatte einen persönlichen Grund, mit dem dunklen Gott abzurechnen, der so viel Leid über die Dörfer am Rand des kleinen Meers gebracht hatte. Matt konnte die Reaktion der Menschen verstehen, verspürte aber kein Verlangen, sich an dem makaberen Ritual zu beteiligen. Erschöpft lehnte er sich mit dem Rücken an die Seite der Armbrust und schloss die Augen. Nachdem sich der erste Freudentaumel gelegt hatte, wurde der Reptilienkadaver an Land gezogen und dort, ein großer Scheiterhaufen um ihn herum errichtet. Erst als Lemarr in den heißen Flammen loderte, war er für die Bevölkerung wirklich vernichtet. Und auch Matt konnte sich jetzt erst sicher sein, dass sich die mutierten Zellen des Krokodils nie wieder regenerieren würden. Während der Seedämon verbrannte, schafften die Fischer Speisen und Getränke herbei, um gemeinsam das Ende der Schreckensherrschaft zu feiern.
Matt war nicht nach Triumph zumute. Der Kampf hatte zu vielen Menschen das Leben gekostet. Am meisten schmerzte ihn der Tod von Fradak, mit dem ihn trotz anfänglicher Differenzen ein Gefühl der Freundschaft verbunden hatte. So war für ihn der schönste Anblick des Abends, dass wenigstens Anaka und ihre Eltern wieder einträchtig beisammen saßen. »Warum so nachdenklich?« fragte Aruula ihn, nachdem sie zwei Becher Beerenwein geholt hatte. »Diese Menschen feiern dich als Helden. Wenn wir hier bleiben, kannst du der Führer aller zweiundfünfzig Dörfer rund um das kleine Meer werden.« Matt schüttelte den Kopf. »Sobald die Freude über den Sieg verflogen ist, wird hier wieder die tägliche Arbeit zählen«, wehrte er ab. »Und zum Fischer tauge ich bestimmt nicht. Die Menschen hier sollten lieber Fradak ein Denkmal setzten. Er hat sich schon gegen diesen Wahnsinn gewehrt, als noch keiner von ihnen eine Chance gegen Lemarr gesehen hat. Und er gab sein Leben, damit die anderen in Frieden leben können.« »Ich trauere mit Anaka«, bestätigte Aruula leise, als würde sie etwas Unangenehmes aussprechen. »Aber als ich vorhin das Blut an der Oberfläche sah, habe ich gehofft, dass du es bist, der wieder auftauchen wird, und nicht er.« Matt schloss sie sanft in die Arme. »Das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest«, tröstete er sie. »Mir ginge es genauso, wenn du in Gefahr wärst. Lass uns morgen weiterziehen. Ich möchte möglichst schnell zu meiner Basis in Berlin zurückkehren.« Aruula nickte zustimmend, bevor sie sich an Matts Schulter lehnte. Schweigend blickten sie zu den ekstatisch feiernden Menschen hinüber, die um Lemarrs brennenden Körper tanzten, als hätte es nie einen blutigen Opferkult zu seinen Ehren gegeben.
ENDE
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Der schlafende König Horror, Fantasy, Science-fiction . . . und Humor? Kann das funkt-ionieren? Es kann, wie Ron Hahn im nächsten MADDBAX-Band eindrucksvoll beweist. Freuen Sie sich auf einen Roman, der gleichermaßen spannend, abwechslungsreich, originell und humorvoll ist! Die Fehde schwelt seit über sechzehn Generationen. Niemand weiß mehr, wie sie einst begann und was ihr Ziel ist. Doch das hält die Broglianer und die Nüssli-Sippe nicht davon ab, sich in schöner Regelmäßigkeit die Köpfe einzuschlagen im Namen des Schlafenden Königs. Auch diesen König halten viele für eine pure Erfindung. Bis Matt Drax nach Zürich kommt und aus dem schwelenden Streit ein gnadenloser Krieg wird ... Extra: Leserstory