Friedrich Wolfram Heubach
Das bedingte Leben Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge Ein Beitrag zur ...
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Friedrich Wolfram Heubach
Das bedingte Leben Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge Ein Beitrag zur Psychologie des Alltags
Wilhelm Fink Verlag
r Bayerische "' Staatsbibliothek "-. j,l11•r chert � Die Deutsche Bibliothek- ClP-Einheitsaufnahme Heubac:h, Friedrich Wolfram: Das bedingte Leben: Theorie der psycho-logischen Gegen
ständlichkeit der Dinge; ein Beitrag :zur Psychologie des AlltagS I
Friedric:h Wolfram Heubach. - 2. Auf!. - MUDehen : Ftnlc, 1996 Zug!.: Köln, Uoiv. Habii.-Schr. lSBN 3-7705-3125-6
Alle Rechte, auch die des ausrugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übeaeczun g, vorbehalten. Dies betrifft aucta die VervielflUtigung und Übertragung einzel ner Textabscbnitte,
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Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und
auf Papier, Tra osparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht H 53 und 54 URG ausdrUcklieh gestatten. 2. Auflage C
ISBN
1996 3-7705-3125-6
1987 Wilhelm Fink Verlag, München
HeateUung: Ferdinand Schöoi.ngb GmbH, Pade.rborn
Nicht die Dinge selbst be unru higen den Menschen, sondern die Meinungen über die Dinge. Epiktet Wir suchen nie die Dinge, sondern das Suchen der Dinge.
Pascal
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Inhaltsverzeichnis
Vorrede über ein Unding: Die Dinge als wissenschaftlicher Gegenstand der Psychologie
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Einleitung Einführung in das Thema der Arbeit und in den Gang ihrer Argumenta. uon .. •
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Teil I Explorationen zur Gegenständlichkeit der Dinge A. Das Ding als >Fetisch<
Theorien der •verkehrten< Gegenständlichkeit der Dinge (Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung) . . . . . . . . . . . . . . 1. Der ethnologische Begriff d·es Fetischismus . . . . 2. Der sozio-ökonomische Begriff des Fetischismus .
. . . . . . . . . . . . 3. Der psycbopathologische Begriff des Fetischismus . . . . B. Das Ding als Ort libidinöser Besetzung, als intentionaler Gegenstand und als intelligibles Objekt. Psychologische Theorien der Gegenständlichkeit der Dinge . . . . . . 1. Die Gegenständlichkeit der Dinge in psychoanalytischer Siebt . . 2. Die Gegenständlichkeit der. Dinge in der Sicht der phänomenolo-
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.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Die Gegenständlichkeit der Dinge in genetisch-epistemologischer . . . . . . Sicht (Piaget) . . . . . . . . . . . . . . . Die Ergebnisse der Explorationen in Thesen . . . . . . . . . . . . .
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gischen Psychologie
C.
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Teil II Entwurf zu einer Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge A. Die Morphologie des Gegenständlichen
Untersuchung der Entwicklung der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Der Prozeß des Vergegenständüchens
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Untersuchung der funktionalen Bedingungen psycho-logischer Gegenständlichkeit. . . . . . .
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der Konstituierung . . . . . . . . . . .
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Untersuchung zur Struktur der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Ordnung des Gegenständlichen
1. Zum Zusammenhang von Psychischem und Gegenständlichem .
2. Zur Logik der Repräsentanz des Psychischen in den Dingen. . .
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InhaltSverzeichnis
Teil In Studien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge Das >Resopal<-Möbel oder Die Sinne nehmen nicht einfach die Dinge auf, sondern in ihnen auch eine Form an: Jedes gegenständliche Design ist immer auch ein Design der Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Clogs, Latzhosen und das Fahrrad oder Oie Dinge treten nicht einfach ins Bewußtsein, sie stellen es auch aus.Zur heraldischen Funktion der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der >Heimwerker• oder Die Dinge sind nicht immer entweder Mittel oder Motiv oder Symbol oder Ersatz, manchmal sind sie das alles zugleich: Symptome . . . . . .
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Die Warencharaktere und der Charakter als Ware oder Der ,.Persönlichkeitsmarkte (Habennas) Anmerkungen zur Theorie der Verdinglichung ..... .
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Die Mutter, die Spule und der Bindfaden oder Oie gegenständliche Auflösung gemischter Gefühle,- ein Kinderspiel . Das Bonbon oder Der »süße Tod des Für-sich• (Sartre) Beispiel einer Handlungsplastik .. ..
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Der >Flipper•-Automat oder Der Lauf der Dinge Analyse eines gegenständlichen Weltmodells Anmerkungen . . Anhang. Literaturverzeichnis .
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Vorrede über ein Unding: Die Dinge als wissenschaftlicher Gegenstand der Psycho logie Ein Ding - etwa der Stuhl, auf dem der Leser vielleicht soeben Platz genom men hat - als Gegenstand psychologischer Erklärungen: Ist das nicht ein Unding? lst es nicht mindestens etwas exzentrisch, mitbille von Begriffen und Konzepten, die doch zur Beschreibung und Erklärung menschlichen Verhal tens und Erlebens entwickelt wurden, ausgerechnet über >tote< Dinge Aussa gen machen zu wollen?- Muß das nicht beißen, geradewegs in den gemütvol len Animismus jener beliebten feuilletonistischen Betrachtungen zurückfallen, die da von einer >Seele der Dinge< handeln? Man wird sehen. Doch soviel ist auf der Stelle zu konzedieren: Wissenschafdich seriös scheint es nachgerade nicht zu sein, sich psychologisch mit Dingen zu befassen, denn in der allgemein für maßgeblich gehaltenen psychologischen Literatur findet sich davon keine Spur. Was angesichts des erklärten Interesses der zeitgenössi schen Psychologie an der Umwelt als Bedingungsdimension menschlichen Verhaltens doch einigermaßen erstaunlieb ist. Bei genauerem Hinsehen aller dings nicht mehr. Denn die umweltliehe Bedingtheit menschlieben Verhaltens ist von der Psychologie (im Verein mit den anderen Sozialwissenschaften) mittlerweile in derart subtile und panikulare Mechanismen und Strukturen von Sozialisation, Interaktion oder Kommunikation aufgedröselt worden, daß die Dinge dabei zunehmend gegenstandslos wurden und schließlich überhaupt kein Datum mehr bildeten. Für diese, mit so ungemein filigranen Bedingungs zusammenhängen befaßten und immer exquisitere Variablen heckenden Er klärungsansprüche waren die Dinge schlicht zu vordergründig. Säuberlich von jeder konkreten Gegenständlichkeit befreit, fristen die Dinge in diesen diffizi len Erklärungswelten allenfalls die reichlich pauschale, schematische Existenz von •Stimuli< für Prozesse etwa perzeptiver oder kognitiver An. Da diese ohnehin als die eigentlich wissenschaftlichen Gegenstände gelten, und die Dinge selbst eher den Anekdoten aus der Vorwissenschaft zugerechnet wer den, wurde die Entgegenständlichung der Dinge seitens der sie betreibenden Wissenschaften kaum bemerkt.- Und wenn doch, dann wurde sie als in der Natur wissenschaftlichen Vorgehens liegend erklärt. Diese theoretische Ungegenständlichkeit der Dinge hatte vor allem Konse quenzen für das sozialwissenschaftliche Bild vom menschlichen Alltagsleben. Ihr ist es weitgehend zuzuschreiben, daß >Alltag< in der Soziologie oder der Psychologie vornehmlich als da:s mittlere Ereignis von Geselligkeit bzw. als wie eine Inszenierung des Familienensembles verhandelt und so der Eindruck vermittelt wird, das Alltagsleben fände jenseits der Dinge, sozusagen rein zwischenmenschlich statt. Nun wird man aber kaum bestreiten können, daß >Alltag< sich nicht nur in Zusammenhängen konstitu.ien, in denen Menschen sich auf Menschen bezie hen, sondern ganz wesentlich a·uch in solchen, in denen Menschen sich auf
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Sachen beziehen. Und selbst da, wo Menschen sich auf Menschen beziehen, geschieht dies ja durchaus nicht immer unmittelbar, sondern gerade auch über Dinge; und dieser gegenständliche Rapport zwischen den Menschen ist minde stens ebenso grundlegend für das Alltagsleben wie der sprachliche.Überblickt man die psychologische Literatur, so scheint dort allerdings die Auffassung vorzuherrschen, daß die Dinge für den Psychologen insofern eine zu vernach lässigende Größe darstellten, als sie zwar durchaus das Produkt oder das intentionale Objekt (Motiv) von Verhalten bilden und auch als Medium menschlicher Beziehungen fungieren könnten, dabei aber nicht in bedingender Weise auf deren Struktur einwirken würden. Wie weit man innerhalb der Psychologie davon entfernt ist, die Dinge als Bedingungen menschlichen Verhaltens in dessen Erklärung einzubeziehen, gibt jene blinde Fixigkeit zu erkennen, mit der Psychologen immer gleich eine Persönlichkeitsstörung konstruieren, wenn es um die Erklärung eines irgendwie auffälligen Umgangs mitDingen gebt;- als ob nicht auch von diesen eine Störung ausgehen könnte. So wird etwa - um ein aktuelleres Beispiel zu geben - angesichts eines von vielen Pädagogen beklagten»Vandalismus« an den Schulen sogleich ein neuer »Sozialisationstyp - Narziss« zu seiner Erklärung bemüht und ein )hinter< diesem Verhalten liegender »objektverneinender Charakter« ausgemacht.' Könnte aber dieses Verbalten nicht vielleicht mehr mit dem Charakter der verneinten Gegenständlichkeit zu tun haben, als mit dem Charakter dessen, der sie zu demolieren sucht? Mit anderen Worten: Wäre nicht, bevor man dieses Verhalten in einem >inneren• Motiv begründet, erst einmal auch sein •äußerer< Gegenstand, das konkrete Objekt dieses Verhaltens, einer psycholo gischen Reflexion zu unterziehen? Eine derartige Fragestellung scheint den gewohnheitsmäßig aufs Motivikundliebe fixierten Psychologen garnicht erst in den Sinn zu kommen. Daß sie· gleichwohl berechtigt ist und zu einer anderen Sicht der Sache führt, wird hier an anderer Stelle gezeigt (siehe S. 129). Nun ist allerdings diesen Psychologen zugutezuhalten, daß sie sich mit einer solcherart blinden Motivsuebe in vollem Einklang befinden mit dem gängigen Verständnis der Psychologie als der Wissenschaft von den •inneren< Bedingun gen menschlichen Verhaltens. Auf dem Hintergrund dieser auch unter Psy chologen verbreiteten Ansicht von der Psychologie muß eine Fragestellung, in der - wie hier - die Dinge zum Gegenstand psychologischen Erklärens gemacht werden, notwendig fragwürdig erscheinen. Sie bedarf daher wohl der Rechtfertigung. Diese zu liefern, heißt zugleich, die Aufgabe umreißen, welche sich die vorliegende Alfbeit gestellt hat, und die Setzungen benennen, von denen sie ausgeht. Und das wiederum erfordert zunächst, ein populäres Mißverständnis über die Psychologie und ihren wissenschaftlichen Gegenstand zu korrigieren. Es ist nämlich nicht so, wie es jene oben angesprochene Ansicht von der Psycho logie insgeheim unterstellt, daß der Anspruch, etwas psychologisch zu erklä ren, notwendig voraussetzt, da.ß dieses Etwas ein psychisches ist bzw. daß dieser Anspruch nur in diesem Falle wissenschaftlieb legitim sei. Ein Etwas psychologisch zu untersuchen, heißt lediglich, daß man dieses Etwas- welcher Natur es auch immer sei - in der Wirklichkeit des sieb auf dieses Etwas
Vorrede über
ein
Unding
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beziehenden Verhaltens und Erlebens zum Gegenstand macht. So gesehen, sind denn also durchaus Sterne, Hosen oder Kommata psychologisch zu untersuchen. Gegen eine psychologisc he Untersuchung zu solcherart Sujets wird noto risch der Einwand vorgebracht, daß das, was sie erforsche, nicht •wirklich< die Sterne oder die Hosen seien, sondern >bloß< die diesbezüglichen Wahrneh mungen und Handlungen. Dieses Argument ist alles andere als stichhaltig und zeugt von einem ebenso gründlichen wie verbreiteten Mißverständnis über den Geltungsanspruch wissenschaftlieber Aussagen. Denn eine jede wissenschaft liche Erklärung gilt immer nur unter den Bedingungen, denen gemäß sie gewonnen wurde, und so kann sie sich auch immer nur auf die Wirklichkeit beziehen, die sie in ihren Bedingungen als mögliche setzt. Mit anderen Worten: In der einzelnen Wissenschaft ist das Wirkliche immer nur innerhalb des Horizontes derjeniger seiner Bedingungen •wirklich<, die von der jeweili gen Wissenschaft nach Maßgabe ihrer spezifischen Theorie und ihrer Metbo den abgebildet werden können. Eine psychologische Aussage über die Sterne ist von daher genauso bzw. genausowenig eine über die >wirklichen< Sterne, wie es eine astrophysikalische ist. Es ließe sich ja auch gegen die Astrophysik vorbringen, daß sie nicht die >wirklichen< Sterne erkläre, sondern diese ·bloß< in ihren physikalischen Aspekten zum Gegenstand habe. Beläßt man die >wirklichen< Sterne am Himmel, s o bleibt innerhalb der Wissenschaften nur die Feststellung, daß die Aussagen, welche die Psychologie über die Sterne machen kann-wenn sie diese den eigenen Bedingungen gemäß als Gegenstand des Verhaltens und Erlebens untersucht- genauso objektive Aussagen über die Sterne darstellen, wie die der vermeintlich da einzig objektiv zuständigen Astrophysik. Wenn denn also die Dinge durchaus einer psychologischen Untersuchung zugänglich sind, insofern sie in der Wirklichkeit des auf sie bezogenen Verhaltens und Erlebens zum Gegenstand gemacht werden, so ist diese Formulierung dennoch nicht unproblematisch. Sie deckt nämlich noch ein Verständnis des Verhältnisses Psyche-Dingwelt ab, das zwar vielen, wenn nicht den meisten psychologischen Aussagen zu diesem Komplex zugrunde liegt, aber gleichwohl fragwürdig ist. Da wird nämlich zumeist davon ausge gangen, daß dem psychischen Apparat die Dinge in der Faktizität ihres außenweltliehen Gegebenseins gegenüberstünden und von ihm entsprechend äußerlich, als >Stimuli< für Wahrnehmungen und Handlungen oder ähnlich >reizobjektiv<, realisiert würden. Aus einer solchen Sichtweise ergibt sich für die Psychologie als zentrale Aufgabe, das Funktionieren dieser wahrnehmen den und handelnden Aneignung der Dinge zu untersuchen. Wobei dann folgerichtig die Frage im Mittelpunkt steht, inwieweit die jeweilige konkrete Aneignung der Dinge deren sogenannt objektiver Gegebenheit angemessen erfolgt. Und so finden sieb denn in der Psychologie zahllose experimentelle Untersuchungen, die sehr detailliert die funktionalen Bedingungen dessen klären, was hier vorwissenschaftlich umfassend als wahrnehmende und han delnde Aneignung der Dinge angesprochen wurde: Untersuchungen über ihre sensornotorischen Voraussetzungen, über ihre Ontogenese, über ihre Störun
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Vorrede über ein Unding
gen (etwa im Zusammenhang der Agnosie oder der Apraxie}, über ihre nichtobjektiven Ordnungen (vgl. die sogenannten Wahrnehmungstäuschun gen) usw. Dagegen findet sich in der Psychologie kaum jemals die Frage aufgeworfen, geschweige denn konkret untersucht, ob und in welcher Weise der Mensch in der Aneignung der Dinge nicht nur seine •objektive• Außenwelt realisiert, sondern auch er selbst, seine Psyche, eine •Modellierung• (Elias) erfährt. Es wird da also das wahrnehmende und handelnde Aneignen der Dinge durch den Menschen vornehmlich als eine Leistung des •Psychismusc (Lacan) thematisiert, während darüber, daß es auch eine Bedingung des Psychischen und zwar konstitutiver Art - darstellt, zumeist nur pauschale Aussagen gemacht werden. Überspint formuliert, stellt man sich da offensichtlich die Psyche als einen Apparat vor, der die außenweltlieben Gegebenheiten- und so auch die Dinge- wie Daten registriert, verrechnet und speichert und die ihnen jeweils angemessenen Wahrnehmungen und Handlungen produziert, ohne daß dieser Apparat dabei in seiner Konstruktion modifiziert würde.- Abgese hen von gewissen, durch Reifung oder Lernen bedingten Optimalisierungen seiner Funktionsweisen. Dagegen entwickelt die vorliegende Arbeit eine grundsätzlich andere Sicht der Dinge. Sie geht nicht davon aus, daß die Dinge dem Psychischen in der statistisch, per Strichliste abbildbaren Realität ihrer empirischen Merkmale, sprich: als diese reiz-objektiven Extema gegenständ lich sind. Vielmehr sucht sie zu zeigen, daß die Dinge in den Psycbismus einwirken und zu Bedingungen seiner Organisation werden. - Daß der Psychismus nicht nur qua Verhalten auf die Dinge gerichtet ist oder qua Wahrnehmung von ihnen affiziert wird, sondern daß er an den handelnd und wahrnehmend angeeigneten Dingen- in ihnen eine anschauliche ModeLiierung erfahrend- sich selbst realisiert. Und zwar im doppelten Sinn dieses Wortes: sich an/in Gegenständen konstituierend und sich selbst dabei zugleich - als ein Differentes - kenntlich werdend. Mit dieser These, die hier im Entwurf einer Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge entfaltet wird, ist nun beileibe keine neue Einsicht formuliert. - Wenn Goethe sagt, •Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns aufc2; - wenn Marx meint, daß wir in den Dingen ·die vergegenständlichten Wesenskräfte des Menschen vor uns haben«, und er das gegenständliche Dasein •als da.s aufgeschlagene Buch der menschlichen Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie« bezeichnet); - wenn Elias die Gabel, das Messer oder das Taschentuch anspricht als •lnkarnation(en) eines bestimmten Affekt- und Peinlichkeitsstandardsc, als •lnkarnat(e) der •Seelen<, ihrer veränderlichen Triebe und Wünsche, Verkör perungen geschichtlicher Situationen und gesellschaftlicher Aufbaugesene •; - oder wenn Bachelard vom Schrank und seinen Fächern, vom Schreibtisch und seinen Schubladen, von der Truhe und ihrem doppelten Boden sagt, daß •ohne diese Objekte ( ) unserem inneren Leben die äußeren Modelle der Innerlichkeit fehlen würdenc5; ..
Vorrede über ein Unding
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- dann gehen diese, ihrer Verschiedenheit wegen zitienen Autoren alle von der hier vertretenen Annahme aU'S, daß die psychologische Realität der Dinge nicht gleichzusetzen ist mit deren Gegebensein als >Stimuli• psychischer Prozesse oder als ·Zielgradienten< von Verhalten. -Und stellen sie in jeweils verschiedener Perspektive die Frage nach den Dingen als Bedingungen des Psychischen. Ziel der vorliegenden Abhandlung ist es, einen theoretischen Zusammenhang zu entwerfen, der es ermöglichen soll, dieser Frage wissen schaftlich psychologisch nachzugehen. Und wenn, wie schon angesprochen, dem gegenständlichen Rappan zwi schen den Menschen-und der Menschen zu sich selbst-mindestens ebenso viel Bedeutung für das Alltagsleben beizumessen ist wie dem sprachlichen, dann liefen diese Arbeit mit ihrem Versuch, die Dinge in ihrer psycho logischen Gegenständlichkeit zu bestimmen, zugleich einen Beitrag zu einer Psychologie des Alltagslebens.
Einleitung Einführung in das Thema der Arbeit und in den Gang ihrer Argumentation Stellt man die Frage nach der psychologischen Realität der Dinge und wiU man die spezifische Gegenständlichkeit kennzeichnen, welche die Dinge in der Wirklichkeit des alltäglichen Umgangs mit ihnen besitzen*, so ist man alsbald mit einem Bedingungszusammenhang konfrontiert, der sich in zwei Dimensio nen entfaltet: mit der ontogenetischen und der phylogenetischen Geschichclich keit der Gegenstanäsauffassung. Es ist eine in der Psychologie allseits unumstrinene Erkenntnis, daß die Kategorie >Objekt<-das heißt: das Konzept von Gegenständlichkeit, in demder erwachsene Mensch handelnd und wahrnehmend die Dinge realisiert- weder etwas ist, das sich dem Individuum unmittelbar aus der Anschauung der Dinge selbst ergibt noch von ihm voraussetzungslos entwickelt wird. So unterschiedli che Autoren wie Dilthey, Freud, Sander, Spitz oder Piaget haben aufgezeigt, daß das Objektverhalten und die Objektwahrnehmung des Erwachsenen komplizierte Produkte eines vielschichtigen, von ontogenetischen Bedingun gen regulierten Prozesses darstellen. Dieser ontogenetische Bedingungszusammenhang ist von den genannten und zahlreichen anderen Psychologen sehr intensiv untersucht worden. Dagegen findet sich nur bei wenigen entwicklungspsychologischen Autoren reflektiert, daß die GegenständlichkeitSform, welche die Dinge in dem für ein rationales Gegenstandsverhalten regulativen Konzept >Objekt< erhalten, nicht die einzig wahre bzw. die •objektive< ist: In ihr offenbart sich weder •·das Sein der Sachen< noch ist sie eine anthropologisch notwendig oder konstant gegebene; sie stellt vielmehr das Produkt eines spezifischen zivilisatorischen Prozesses da.r. Dies gilt es, auch wenn es ihn an die Grenzen seiner Wissenschaft fühn, gerade für den Psychologen zu beachten. Denn wird nicht gesehen, daß das Konzept >Objekt< (wie z. B. bei Piaget definiert') ganz wesentlich das normative Produkt einer gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklung darstellt, dann kommt es nur zu leicht zu einer objektivistischen Verabsolutierung der in diesem Konzept definierten Gegenständlichkeitsform der Dinge. Daß damit zentrale Aspekte gerade der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge aus dem Blick rücken, wird später u. a. an den Aussagen Winnicotts und Piagets aufzuzeigen sein. Der Aspekt der phylogenetischen Entwicklung der vom neuzeitlichen, rationalen Objekt-Be�riff kategorisierten Gegenständlichkeitsform ist in nerhalb der Psychologte eingehender behandelt worden von Werner, für den • Im Gegensatz etwa zu den Formen der Gegenständlichkeit, die sie als Objekt philosophischer Untersuchung, naturwissenschaftlicher Forschung oder industriellen IUI.küls erhalten.
Einleitung
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sich aus der Sicht einer •vergleichenden Entwicklungspsycbologie• vielfache •Parallelen« zwischen der frühkindlichen Dingauffassung und der des .Naturmenschen« ergeben.2 In kulturhistorischer Perspektive und auf eine ·Phänomenologie der Erkenntnis• abzielend, hat auch Cassirer diesen Aspekt wiederholt behan delt. So findet sich bei ihm u. a. eine ausführliche Analyse des •mythischen Gegenstandsbewußtseins« im Vergleich zu dem vom neuzeitlichen Rationa lismus geprägten.3 Cassirer stützt sich dabei weitgehend auf Ergebnisse der ethno graphischen Forschung; nicht zuletzt auch auf Levy-Bruhl, der aus drücklich auf die strukturellen Unterschiede hingewiesen hat, die zwischen unserer >objektiven< Gegenstandsauffassung und jenem eher •symbioti schen•, vom all gemeinen Gesetz der •Partizipation« geprägten Dmg-Erle ben herrschen, das seines Eracbtens die •prälogische« Mentalität der Natur völker kennzeichnet.' Daß es sich bei der Gegenstandsauffassung der Primitiven genausowenig wie bei ihren sonstigen Denk- undWahrnehmungsformen um »prälogische•han delt und in welcherWeise sie durchaus logisch organisiert sind, bat in neuerer Zeit vor allem Levi-Strauss dargelegt.�Wenn er damitauch gegen eine evolutio nistische Sichtweise dieser Zusammenhänge zuFelde zieht (v gl. Spencer,Tylor oder auch Comte), so bekräftigen seine Aussagen gleichwohlden historischen Wandel respektive die interkulturelle Varianz der Dingauffassung. Es wäre also davon auszugehen, daß die Art und Weise, in der die Dinge dem Menschen zum Gegenstand werden, historisch und gesellschaftlich über determiniert ist und also die Gegenständlichkeit der Dinge nicht etwa in ihrem >objektiven Sein< definiert vorliegt, sondern in einem historisch normativen Konzept vermittelt wird. Damit sind nun allerdings Bedingungszusammen hänge angesprochen, die jenseits dessen liegen, was der Psychologie metho disch und theoretisch zugänglich ist. Die Geschichte der Gegenständlichkeits formen der Dinge zu erforschen und die phylogenetische Entwicklung der neuzeitlichen Gegenstandsauffassung nachzuzeichnen, fällt vielmehr in die Kompc:tenz der Kulturanthropologie. Und so kann denn die historische Dimension jenes Objekt-Konzeptes, das nach Piaget für das vernünftige Handeln undWahrnehmen eines erwachsenen Individuums regulativ ist, hier nur angezeigt, nicht aber selbst untersucht werden. Es bietet sich allerdings ein wissenschaftsgeschichtlicher Zusammenhang an, in dem das Konzept >Objekt< auch in seiner historischen Dimension psychologisch zugänglich und seine normative Funktion für die Gegenstands auffassung bestimmbar wird. Nämlich die Geschichte des Begriffes >Fetischis mus<, rerstanden als die Geschichte der ausgrenzenden Kategorisierung eines Gegen$tandsverhaltens als nicht-normal bzw. nicht-rational.-Um möglichen Mißvetständnissen vorzubeugen: Aus der Tatsache, daß dieser Begriff im Übergmg zum 19.Jabrhundert geprägt wurde, in dem er dann interdisziplinär Karriete machte, wird hier nicht geschlossen, daß die mit diesem Terminus belegtro Phänomene ebenfalls erst in dieser Zeit aufgetreten seien. Vielmehr wird l:ier angenommen, daß sich in dieser Zeit das Verhältnis zu ihnen grundl!gend änderte. Genauer: Diie Fetischismus-Theorien der verschiedenen Wisser.scbaften im 19. Jahrhunden werden als erste wissenschaftliche Verar beitu�en der Erfahrung gelesen, daß es mit den Dingen durchaus nicht immer
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Einleitung
•wie mit rechten Dingen< zugeht, sprich: nicht so, wie es die gerade von der Aufklärung und den »positiven Wissenschaften« (Comte) zur höchsten In stanz erhobene Vernunft setzte.'� Die von den verschiedensten Wissenschaften (Völkerkunde, Religionsge schichte, Sozio-Ö konomie und Sexualpathologie) geführte Auseinanderset zung mit dem von ihnen durchgängig als ein Fall von >unvernünftigem< Objektverhalten verstandenen Fetischismus bildet- so gesehen- einen zentra len Aspekt im Ringen des neuzeitlichen Denkens um ein für es grundlegendes, rationales bzw. >objektives• Gegenstandskonzept. Es sollte aber an dieser Stelle immerhin darauf verwiesen werden, daß es in dieser Auseinandersetzung gewiß nicht allein um derart vernunftinterne Belange ging . Sie hing auch und wesentlich zusammen mit der konkreten Erfahrung der sich im Zu ge de.r allgemeinen industriellen Entwicklung radikal ändernden materiell en Lebensbedingungen. Die Annahme ist wohl kaum abwegig, daß die in dieser Zeit sich ausbreitende industrielle Produktionsweise, namentlich die allgemeine Zu nahme seriell hergestellter Warendinge und deren arbeitsteiJ ig e Fertigung, die Beziehung der Menschen zu den Dingen wie auch deren Ch arakter (i. e. ihre psycholo gische Gegenständlichkeit) entscheidend verändert hat.- Und l ch Bedingun en setzte, die mit den tradierten Ordnun en des daß sie schließi g g f d Gegenstandsverhaltens un der überkommenen Gegenstandsauf assung l dierten.** Von daher ließe sich hypothetisch folgern, daß es wohl vor koli allem jene Momente der überkommenen Gegenstandsauffassung waren, die in dem sich entwickelnden rationalen und für die Produktionstechnik und die Warenkalkulation regulativen Objekt-Konzept des Gegenständlichen keine Realität mehr besaßen, die dann ganz wesentlich das Erscheinungsbild dessen ausmachten, was allseits unter dem Stichwort >Fetischismus< behandelt wurde. Unter dem voranstehend entwickelten Gesichtspunkt kann die Betrachtung der Geschichte des Begriffes >Fetischismus< also durchaus dazu dienen, einen psychologischen Einblick- wenn auch auf indirekte Weise- in den historisch normativen Aufbau des >objektiven< Gegenstandskonzepts zu gewinnen. Andererseits, und das ist hier wesentlicher, geben die verschiedenen Aussa gen über das sogenannte Fetischverhalten erste Aufschlüsse über eben die
Gegenständlichkeit der Dinge, die von den einzelnen Theoretikern des Feti schismus als >verkehrte< begriffen wird: Eine, die sie nicht für >objektiv<
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Für die dichterische Verarbeitung dieser Erfahrung lassen sich in der Literatur der Romantik zahlreiche Beispiele finden, insbesondere bei E. T. A. Hoffmann. ".,. Der psychische Niederschlag dieser Veränderungen der gegenständlichen Welt im 19. Jahrhundert, überden etwa Lukacs oderSimmel allgemeinere Aussagen gemacht haben (vgl. hier S. 32 ff.}, ist natürlich im Einzelnen und konkret nur sehr schwierig zu fassen. In Benjamins Werk, namentlich im Umfeld seines sogenannten Passagen Werkes, finden sich zahlreiche Ansätze dazu.' Einen zusammenhängenderen und als Beispiel instruktiven Versuch, die mit einer gegenständlichen Neuerung der damali gen Zeit verbundenen Verän.derungen im menschlichen Psychismus zu rekonstru ieren, hat vor einiger Zeit Schivelbusch in seiner •Geschichte der Eisenhahnreisec unternommen.7
Einleitung
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gegeben halten und als eine rein subjektiv, bzw. psychisch produzierte anneh men, indem sie diese Gegenständlichkeitsform mit �falschem Bewußtsein« (Marx), mit •erotischem Symbolismus« (Ellis) oder •magischem Denken« (Comte) in Zusammenhang bringen. Im Anschluß an die psychologii.sche Analyse der Aussagen der verschiede nen Fetischismus-Theorien über die >verkehrte< Gegenständlichkeit der Dinge und des dabei implizit als Norm gesetzten Gegenstandskonzepts interessiert dann im nächsten Teil der Arbeit die Frage: Inwieweit lassen sich in den allgemeinen psychologischen Theorien Aussagen finden, welche die Bedin gungen und das Funktionieren der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge unmittelbar zum Thema haben? Dabei wird sich herausstellen und begründet werden, daß diese Frage in einer sinnvollen, zusammenhängendere Einsichten erbringenden Weise nur an drei psychologische Theorien zu stellen ist: an die psychoanalytische und an die phänomenologische Position inner halb der Psychologie und an die von Piaget entwickelte, als »genetisch epistemologische« bezeichnete. Dieser erste Teil der Arbeit schließt mit einer Reihe von Thesen. Sie verallgemeinern und fassen das zusammen, was die Analyse der Fetischismus Theorien und die Erörterung der drei genannten psychologischen Theorien an Hinweisen und ersten Einsichten zur psychologischen Realität der Dinge erbrachten. Sie zeichnen damit zugleich die Grundlinien vor, denen die im folgenden Teil entwickelte Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge folgt. Den zweiten Teil eröffnet eine Untersuchung der ontogenetischen Entwick lung des Konzepts ·Objekt<. Dabei ist nicht eine lückenlose Verlaufsrekon struktion das Ziel, sondern eine ·Morphologie des Gegenständlichen<: Es werden die verschiedenen Formen herausgearbeitet, die das Gegenständliche in seiner zunehmend differenzierten Konzeptualisierung durch das sich ent wickelnde Individuum annimmt, bis es schließlich in dem Objekt-Konzept realisiert wird, das für das erwachsene Gegenstandsverhalten regulativ ist. Es geht hier also nicht so sehr um eine durchgängige Exploration der ontogeneti schen Entwicklung des Gegenstandsverbaltens, als vielmehr um eine kenn zeichnende Typisierung der in ihrem Verlauf produzierten, dem Objekt Konzept vorgängigen Gegenständlichkeitsformen. Auf der Grundlage dieser Morphologie des Gegenst.ändlichen ist dann die Frage nach den allgemeinen funktionalen Bedingungen des Prozesses zu stellen, in dem ein Etwas als gegenständlich (im Sinne des Objekt-Konzepts) realisiert wird. Dieser Prozess ist hier termin ologisch als >Vergegenständli chen• gefaßt.In einem weiteren Schritt wird dann anband der gewonnenen Erklärungsperspektiven der Zusammenbang von Psychischem und ansebau Lich Gegenständlichem strukturell bestimmt als Verhältnis •wechselseitiger Repräsentanz<. Die mit diesem Begriff umrissenen Zusammenhänge und seinen theoretischen Stellenwert klärend, wird schließlich die Idee einer >materialen Symbolik< skizziert. Mit diesem Terminus ist das auf einen Begriff gebracht, was zentrale These dieses zweiten Teils ist:- daß dem Psychischen in den Dingen e.ine material-symbolische Repräsentanz gegeben ist.
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Einleitung
Dieser Teil bildet insofern das HauptStück der Arbeit, als dort unmittelbar jenes Interesse eingelöst wird, aus dem sie entStand. Und da ihre Argumenta tion sich dem Leser vielleicht im Lichte des sie leitenden Interesses eher erschließt, als durch weitere abstrakt einführende Worte, sei hier kurz auf dieses Interesse eingegangen. Es entsprang der alltäglich zu macbenden und eher trivialen Erfahrung, daß die Menschen die Dinge nicht nur ihren prakti schen Zwecken gemäß benutzen, sondern in ihnen darüberhinaus immer auch etwas >bedeutet< sehen, das im übrigen nicht selten den Umgang mit den Dingen mehr bestimmt als ihre materiellen Eigenschaften oder ihre zweckra tionalen Funktionen. Dabei muß dieses Bedeutungsmoment der Dinge durch aus nicht unbedingt explizites Thema des Umgangs mit ihnen sein; in den weitaus meisten Fällen ist es das eher nicht. Gleichwohl werden solche gegenständlichen Bedeutung.smomente selbst in den vermeintlich gewohn heitsblinden Vollzügen des Alltags noch wahrgenommen und sind sie auch in den banalsten Spontaneismen im Umgang mit Dingen noch wirksam. Als ein Beispiel dafür mag das >instinktive< Vermeiden dienen, in einer geselligen Runde an das sogenannte Kopfende bzw. an die >Stirnseite< des Tisches plaziert zu werden. Daß die Bedeutungen, die ein Ding über seine zweckrationalen Bestimmun gen hinaus besitzt, zumeist eher implizit realisiert werden, schließt nicht aus, daß sie ein intentionales Moment des Umgangs mit ihm bilden. Man denke etwa an die eigentümlich heraldische Funktion der lila Latzhose, der Jute Tasche, des allradangetriebenen Geländefahrzeugs oder ähnlicher Dinge, in denen Menschen ihrer Gesinnung oder dem, was sie als ihre Identität bean spruchen, gegenständlich(e) Realität zu geben suchen. Und schließlich kann sich die hier angesprochene Bedeutungsfunktion der Dinge auch ganz verselb ständigen. - Wie etwa in den Souvenirs oder auch bei gewöhnlichen Ge brauchsdingen, die, zu Erinnerungsstücken avanciert und für Personen und Orte, Stimmungen und Zeiten stehend, nicht mehr ihre praktische, sondern nurmehr eine nostalgische oder inkarnative Funktion erfüllen. Derart zu Gegenständen des seelischen Haushalts geworden, fungieren diese Dinge
sozusagen als gegenständliche Filialen des Innenlebens.
Doch nicht der lllustration solcherart psychisch-gegenständlicher Zusam menhänge gehörte hier das Interesse. Daß und wie die Dinge menschliche Verhältnisse vergegenständlichen und als Chiffren seelischer Zusammenhänge gelesen werden können, ließe sich an zahllosen Beispielen aus der Literatur belegen. Man denke etwa an den Löffel der Mutter Courage bei Brecht, das Madeleine-Gebäck bei Proust oder an eine Beschreibung, wie sie Gottfried Keller von einer Schatulle gibt, in der die alte Jungfer Züs Bünzlin ihre Erinnerungschätze hütet und deren Inhalt uns das kleine Leben dieser Frau anschaulich vergegenwärtigt, in dem alles Sehnsucht blieb. Der Anstoß zu dieserArbeit lag vielmehr in dem, was allgemein als Erklärung dafür angeboten wird, daß sich uns in alltäglich banalen Dingen komplexe psychische Sachverhalte erschließen können. Etwas pauschal läßt sich sagen, daß die Frage nach dieser eigentümlichen Spiegelfunktion der Dinge zumeist dahingehend beantwortet wird, daß sie nicht wirklich eine der Dinge sei. Sie
Einleitung
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hänge vielmehr mit der Eigenart menschlicher Wahrnehmung zusammen, und es gehe da um Qualitäten der Dinge, die ihnen nicht >objektiv< zukämen. Vielmehr würden sie ihnen im Sinne bloßer Bedeutung angehängt oder auf sie projiziert. Dazu wird dann erklärungshalber bevorzugt Symboltheoretisches bemüht: Entweder macht man für diese Bedeutungszusammenhänge ein sehr spezielles menschliches Vermöge·n der Symbolisierung verantwortlich oder man rekurriert zu ihrer Erklärung auf eine nicht weiter begründete (aber da.rum nur als um so grundlegendere angenommene) allgemeine symbolische Beziehung der Menschen zu den Dingen, welche man als eine Art Atavismus aus der Zeit vor dem vernunftgeleiteten Welterfassen anzusehen habe. Egal, ob man nun derartige Gegenstandsbedeutungen als Fabrikationen eines spezifischen Vermögens oder aus einer archaischen bzw. vor-rationalen Beziehung zu den Dingen erklärt, in beiden Fällen macht man sie zu Margina lien dessen, was man für das an-sich und allgemein Gegebene hält. Und so ist man sich denn auch weitgehend einig, darin, daß uns (wie etwa in den angeführten literarischen Beispielen) an Dingen psychische Sachverhalte evi dent werden können, lediglich den Effekt eines spezifisch dichterischen Kunstgriffes oder eine allenfalls intuitive Erkenntnis am Werke zu sehen. Wenn dieses Phänomen nicht gleich einer obskuren >Einfühlung< zugeschrie ben und damit ins Jenseits des Intelligiblen abgeschoben wird. Diese verbreitete Anschauung war dem Autor schon vor jeder wissenschaft lichen Beschäftigung mit dem Thema ein stetes und gründliches Ärgernis, und gegen sie eine andere Erklärungs.position aufzubauen, bildet das Motiv, aus dem die vorliegende Arbeit entstand. Es gebt ihr um den Nachweis, daß es sieb bei den angesprochenen (hier der Kürze halber >symbolische< zu nennenden) Zusammenhängen zwischen Gegenständlichem und Psychischem weder um eine Beiwerk-Produktion seitens eines disparaten, speziell symbolischen Ver mögens handelt noch u m einen Atavismus der allgemeinen Denkentwicklung. Vielmehr soll hier gezeigt werden, daß sich in diesen Zusammenhängen eine notwendige Beziehung manifestiert. Mit anderen Worten: Die Arbeit sucht dafür, daß uns an ganz banalen Dingen komplexe psychische Situationen und Konstellationen evident werden können, eine Beg·ründung aus allgemeinen und grundlegenden Bedingungern des Psychischen zu liefern. - Derart, daß diese Evidenzen aus dem Bereich .sogenannter Einfühlung oder bloß intuitiver Erkenntnis herausrücken und wissenschaftlich rekonstruierbar werden. Diese Begründung wird hier im Rahmen einer entwicklungspsychologi schen Betrachtung gegeben. In ihrem Zentrum steht die ontogenetische Inter dependenz, die zwischen der Organisation der individuellen Psyche und dem Aufbau dessen besteht, was - zunehmend kulturkonform handelnd und wahrnehmend- als die >objektive·< Welt realisiert wird. Aus der Tatsache, daß die Ordnungen de.sseo, was sich da schließlich rationaliter gegenübersteht und als >Subjekte und als >Objekt< figuriert, Produkte einer gemeinsamen, polarisie renden Entwicklung bilden, wird hier die folgende Konsequenz abgeleitet: Wenn die individuelle Organisation des Psychischen und die individuelle Organisation der (•objektiven<) Gegenständlichkeit des Gegenständlichen in denselben allgemeinen ontogenetiischeo Bedingungen determiniert sind, dann
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Einleitung
sind >Subjekt< und >Objekt< als Signifikanten dieser für sie gleicherweise konstitutiven Bedingungen austauschbar. So gesehen, sind dann das Psychi sche und das Gegenständliche als Konfigurationen einer ihnen gemeinsamen und fü.r sie grundlegenden Bedingungsstruktur zu verstehen und ist also in der Ordnung des einen stets auch die des anderen- bewirkt oder bewirkend gegenwärtig und zu explizieren. Das Gegenständliche repräsentiert ebenso notwendig Bedingungen des Psychischen, wie umgekehrt im Psychischen das Gegenständliche repräsentiert ist, - als Bedingung. Diese Argumentation, die hier nur sehr verkürzt wiederzugeben war, bildet den Angelpunkt aller im Folgenden angestellten Ü berlegungen. Denn mit ihr ist der theoretische Zusammenhang gestiftet, von dem aus das als ein Notwen diges denkbar und zugleich systematisch rekonstruierbar wird, was dem die Arbeit leitenden Interesse immer schon gewiß war: die gegenständliche Wirk lichkeit des Psychischen in den Dingen. Im dritten und letzten Teil der Arbeit werden verschiedene, zum Teil auf empirische Untersuchungen gestützte Studien zur psychologischen Realität der Dinge vorgestellt. Sie stehen nicht unte.r dem Anspruch, die vorgelegte Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge empirisch zu beweisen. Sie sollen lediglich. einige der im Horizont dieser Theorie möglichen empirischen Fragestellungen illustrieren und den theoretisch abgeleiteten Zusammenhängen eine gewisse punktuelle Anschauungsnähe vermitteln. Gegen die Objekte dieser Untersuchungen- Resopalmöbel, Flipper-Auto maten, Kontakt-Anzeigen und anderes- ist der Einwand erhoben worden, sie seien doch recht trivial und einer wissenschaftlichen Beschäftigung kaum würdig; auch sei ihre Bearbe!itung eher literarisch ausgefallen. Möglicherweise ist den Untersuchungen ein gewisser Unterhaltungswen nicht abzusprechen; aber diejenigen, die meinen, es einer Erkenntnis vorwerfen zu müssen, daß sie amüsiert, verwechseln doch wohl die Wissenschaft mit der Kirche. Zudem dürfte die Psychologie kaum einen ärgeren Feind haben, als jenen apostOli schen Ernst, mit dem innerhalb dieser Disziplin allzuoft plattes Sinnstiften und Moralisieren oder dünnste experimentelle und statistische Pfiffigkeiten als Wissens chaft verkündet werden. Und was die wissenschaftliche Unwürdigkeit der untersuchten Phänomene angeht, so ist dazu nur zu bemerken, daß das Niveau einer wissenschaftlichen Arbeit nicht durch ihre empirischen Sujets bestimmt wird, sondern eine Frage ihres methodisch-theoretischen Horizon. tes 1st. Doch realistischerweise mu.ß man einräumen, daß heute irgendeine Rede von der >Sozialisation<- um nur dieses Genre gängigen Erklärens zu nennen ein ungleich höheres wissenschaftliches Prestige verleiht als eine Untersu chung von Resopal-Möbeln auf das ihnen implizite Sinnlichkeitsdesign hin. Nur ist leider mit >Sozialisation< garnichts erklärt, ist sie doch selbst bloße Resultante- streng genommen, die nur gedachte Totalität - der konkreten, alltäglichen Modeliierungen des Verhaltens und Erlebens, wie sie sich u. a. etwa in einer Resopal-Küche abspielen. Da die hier dargestellten Untersu chungen den Anspruch erheben, etwas Licht in eben diese, im Umgang mit alltäglichen Dingen erfolgende Modeliierung des Psychischen zu bringen,
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sahen sie sich notwendig mit eher trivialen Sujets befaßt. Immerhin leisten sie auf diese Weise einen Beitrag zu einer Psychologie des Alltags, die von der akademischen Psychologie bislang sorgfältig vernachlässigt wurde. - Nicht zuletzt deshalb, weil mit ihr zur unbequemen Aufgabe würde, was man als die >Pathologie der Normalität< bezeichnen könnte. Damit ist die Einführung in die Argumentation der Arbeit abgeschlossen, und es bleiben nurmehr einige Fragen des Sprachgebrauchs zu klären. An erster Stelle verdient sicherlich die Rede von einer >psycho-logischen< Gegen ständlichkeit der Dinge eine Aufklärung. Indem hier von Verhältnissen und Sachverhalten als psycho-logischen gesprochen wird, soll herausgestellt wer den, daß da von Zusammenhängen die Rede ist, die weder in einer erklärenden Sicht auf das Psychische hergestellte (•psychologische<) sind noch als Seins unmittelbar oder wesenhaft gegebene {>psychische<) verstanden werden kön nen, sondern die sieb in einer produzierten psychischen Ordnung bzw. gemäß einer dem Psychismus eigenen Logik ergeben. Wobei hier wie auch an anderer Stelle das Wort >Logik< in dem sehr allgemeinen Sinne: Ordnung des Zusammenhangs meinend, verwendet wird. - Der in dieser Arbeit wiederholt gebrauchte Begriff >Psychismus< ist von Lacan entlehnt. Dem Begriff des Organismus homolog, spricht er den Gegen stand der Psychologie weniger statisch und dinglich an als die Begriffe >das Psychische< oder >die Psyche< und macht ihn vielmehr kenntlieb als einen spezifischen Funktions- und Bedingungszusammenhang im allgemeinen Ge genstand >Mensch<. (Welcher allerdings, anders als der des Organischen, zentral mit Geschichte und Kultur und weniger mit Natur zu tun hat.) Ähnlich wie mit >Organismus< nicht einfach die Summe der einzelnen Organe gemeint ist, bezeichnet auch der Begriff d,es Psychismus nicht eine summative Einheit von Funktionen oder Instanzen (etwa von Motivation, Kognition, Perzeption oder von Ich, Über-Ich, Es), sondern er meint, genauso wie jener, ganz wesentlich ein Prinzip von Funktionieren und von Zusammenhang. Wird hier also von psycho-logischer Gegenständlichkeit oder von einem psych!>-logiscb Gegenständlichen gesprochen, so ist damit angezeigt, daß es sich bei dieser Gegenständlichkeit um eine handelt, die den Dingen nicht ration1l, sondern gemäß spezifischen Erlebens- und Verhaltenskriterien zu . vorliegt. kommt, bzw. daß hier ein gemäß diesen Kriterien Gegenständliches Ist in diesem Sinne von einem Gegenstand oder etwas Gegenständlichem die Rede, dann ist also nicht notwendig etwas dinglich Gegebenes angesprochen; damit ist lediglieb ausgesagt, daß es sich dabei um etwas erlebens- und verhaltensrelativ Entgegenstehendes handelt. Dies kann ein Ding, eine Per son, der eigene Körper, kurz: etwas materialiter Gegebenes sein; ist das der Fall, dann wird hier in der Regel von einem anschaulich Gegenständlichen gesprochen. Es kann aber genausogut etwas nicht •substanziell permanent« (Piaget) Gegebenes sein, etwa ein Gefühl, eine Handlung, eine Beziehung oder ein Vorstellungskonstrukt. Di5er Doppelsinn des Wortes >Gegenstand<- einerseits din g lich (substan l e (oder Kon ziel permanent) Gegebenes, andererseits intentionales Gebi d strtkt wie z. B. der >Gegenstand< einer Wissenschaft)- ist allgemeinsprach-
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Einleitung lieh vor gegeben; ihn für einen psychologisch-systematischen Gebrauch des Wortes hier definitorisch zu beseitigen, wäre ausges p rochen problematisch. Denn wie die späteren Ausführungen zeigen wer d en, bildet diese Unbe stimmtheit ein wesentliches Kennzeichen psy cho- logischer Gegenständ lichkeit. Sie im Namen der Exaktheit wissensc h aftlicher Aussagen definito risch auflösen z u wollen, hieße also, mithilfe begrifflicher Distinktionen eine rationale Klarheit in Phänomene tragen, die sich gerade durch eine nicht-logische Struktur auszeichnen, und würde so den Gegenstand der Aussage verfälschen.
Ist hier von einem >anschaulich Gegenständlichen< die Rede, also von Perso nen, von einem Körper oder von Dingen, dann impliziert das aUerdings nicht notwendigerweise, daß diese nur oder vollständig in ihren sachlichen bzw. >objektiven< Merkmalen realisiert sind. Ist dies aber der Fall, wird also ein anschaulich Gegebenes, ein Ding, in seiner substanziellen Permanenz und rational erlaßt (wie es etwa Piaget in seinen Untersuchungen zum Objekt Begriff definiert'), dann wird hier von einem >Objekt< gesprochen. Dabei wird oft zur besonderen Betonung dieses Sachverhalts das Wort in einfache Anfüh rungsstriche gesetzt. (Wenn hier und an anderer Stelle das Wort •objektiv< in einfache Anfüh rungsstriche gesetzt ist, dann soll damit eine Distanz.ierung ausgedrückt werden, die dem älteren bzw. umgan�ssprachlichen Sinn des Wortes g ilt: objektiv der Sache an-sich eigen; ste gilt also nicht dem Sinn, der dem Wort heute zumeist gegeben wird: objektiv-intersubjektiv gültig.) =
Die rationale und intersubjektive Gegenständlichkeit, welche die Dinge im Konzept >Objekt< erhalten, ist natürlich grundverschieden von den Formen psycho-logischer Gegenständlichkeit, die diesem Konzept ontogenetisch vor gängig sind. Sie ist aber, vielleicht sollte das hier zur Vermeidung von Mißverständnissen ausdrücklich gesagt werden, natürlich (als dieses Konzept) durchaus das Produkt psychischer Leistungen; nur sind diese ihrem Inhalt und ihren Kriterien nach rationaler Natur. Wie diese Klärungen zum Sprachgebrauch noch einmal verdeutlichten, stellt sich ·Gegenständlichkeit< dem psychologischen Blick nichl dar als ein nat ü rli ches Datum des außenweltlich Gegebenen oder als eine •objektive< Eigeoschaft der Dinge, sondern als ein allgemeiner Modus, der in Konzepten organisiert und definiert wird, die spezifische Leistungen des Psychismus repräsentieren. Von daher ließe sich da.s Thema dieser Arbeit, ihren Abriß schließend, auf die Formel bringen, daß hier der Aufbau, die Eigenart und das Funktionieren dieser Konzepte von >Gegenständlichkeit< untersucht werden.
TEIL
I
ExPLORATIONEN
zu
GEGENSTÄNDLICHKElT DER DINGE
A. Das Ding als >Fetisch< Theorien einer >verkehrten< Gegenständlichkeit der Dinge (Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung) Wie schon in der Einleitung skizziert, wird in diesem Teil der Arbeit die Geschichte des Begriffes >Fetischismus< im Hinblick auf die impliziten Annah men über ein >normales< Gegenstandsverhalten untersucht, die seiner Verwen dung innerhalb der verschiedenen wissenschaftlichen Theorien zugrunde liegen. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei klargestellt, daß im folgenden keine eigenständige historische Darstellung der verschiedenen Fetischismus-Theo rien gegeben wird; und schon gar nicht soll etwa der Fetischismus selbst, als dieses besondere Phänomen analysiert werden. Weder die Wirklichkeit dieser Erscheinung noch der Wahrheitsgehalt der sie erklärenden Theorien interes sieren hier. Hier wird vielmehr nach den stillen Setzungen gefragt, die diese Theorien über die •wahre< Gegenständlichkeit der Dinge machen, indem sie die •verkehrte< Gegenständlichkeit beschreiben, die ein von ihnen als Fetisch verhalten gekennzeichneter Umgang mit den Dingen diesen gibt. Dabei stehen, der Fragestellung dieser Arbeit entsprechend, die psychologischen lmplikationen ihrer Aussagen über diese •verkehrte< Gegenständlichkeit der Dinge im Mittelpunkt. Um mit einem knappgefaßten Ü berblick über die Geschichte des Begriffes •Fetischismus< zu beginnen, aus dem sich dann auch die Ordnung ergibt, in der die verschiedenen wissenschaftlichen Versionen des Begriffs hier behandelt werden. Das Wort >Fetisch< ist nach allgemeiner Ansicht vom portugiesischen ,.feiti co« abgeleitet, das als Adjektiv »künstlich•, »kunstvoll• und als Substantiv u. a. »Verzauberter Gegenstand• oder ,.zaubermittel• bedeutet, und das selber wiederum vom lateinischen factiti us abstammt.' Seine erste Verwendung im heutigen Sinne findet es 1760 bei de Brosses, in seiner Darstellung der religiösen Praktiken westafrikanischer Völker.2 Das im Zeichen der Aufklä rung gewachsene Interesse an den Primitiven als den Zeugen eines idealen Naturzustandes (Rousseau) und am Ursprung der Religionen (Constant) ließ den Fetischismus bald zu einem obligaten Gegenstand religionsgeschichtlicher und ethnologischer Betrachtungen werden und bis zum Ende des 19. J ahrhun dens bleiben. Kurz nach Beginn dieses JahrhundertS (ca. 1830) wurde der Begriff durch Comte in die Soziologie eingeführt. Er behandelte den Fetischis mus zum ersten Mal in einem systematischeren Zusammenhang und definierte ihn als eine frühe Stufe in der Entwicklung des menschlichen Geistes.> Im Jahre 1867 fand der Begriff durch Marx schlie.ßlich Eingang in die Sozio-Ö konomie' und bald darauf (1 887) durch Binet> auch in die Psychologie. In seiner Nachfolge haben dann zahlreiche Autoren den Fetischismus zu einem festen Topos der damals aufkommenden und bald inflationierenden sexualpathologi,.
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Das Ding als >Fetische
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sehen Abhandlungen werden lassen;- bis bin zu Freud und zu Stekel, von dem die wohl letzte größere monographische Arbeit zum Fetischismus stammt.• Kurz nach der Jabrhundertwend·e hatte der Begriff den Höhepunkt seiner interdisz ipli nären Karriere erreicht. Zwar wird er in seiner sexualpathologi schen Version noch durch die Psychoanalyse eine entscheidende Präzisierung erfahren und sich in seiner sozio-ökonomischen Fassung auch weiterbin behaupten, aber in der Ethnologi e , also in der Wissenschaft, die ihn prägte, beginnt um 1910 durch Marcel Mauss die gründliebe Demontage seines wissenschaftlichen Wertes. Entsprechend der historische.n Abfolge, in der der Begriff des Fetischismus von de.n einzelnen Wissenschaften rezipiert wurde, greift die nun folgende begriffsgeschichtliche Untersuchung ihn zuerst in seiner ethnologischen bzw. religionsgeschichtlichen Version a.uf, um ihn dann in der sozio-ökonomiscben Prägung und schließlich in seiner sexualpathologischen Fassung zu analys1eren. 0
1.
Der ethnologische Begriff des Fetischismus
Als de Brosses im Jahre 1760 den Terminus •Fetisch< prägte, bezog er ihn auf primitive religiöse Praktiken, in denen •gewisse Gegenstände als Gottheiten angebetet« wurden: •Diese göttlichen Fetische sind nichtS anderes als der erstbeste natürliche Gegenstand, den eine Nation oder ein Einzelner willkür lieb auswählt und von ihren Priestern für die Zeremonie heiligen läßt: ein Baum, ein Berg, das Meer, ein Stück Holz, ein Löwenschwanz, ein Stein, eine Muschel, Salz, ein Fisch, eine Pflanze, eine Blume, ein bestimmtes Tier wie Kuh, Ziege, Elephant, Schaf; und ähnliches mehr.«1 De Brosses nimmt zwar an, daß ein solcher Kultus, der ,.formlos den tierischen und pflanzlichen Schöpfungen gewidmet« ist, einmal bei allen Völkern geherrscht habe, aber er erscheint ihm dennoch zutiefst Ulnerklärlich. •Man braucht über eine Sache keine Erklärungen abzugeben, wo es keine gibt; und ich meine, es wäre recht unnÜtz, wenn man andere suchen wollte als die Furcht und den Irrsinn, deren der menschliche Geist fähig ist, sowie die Leichtigkeit, mit welcher er bei solchen Anlagen alle Arten von Aberglauben zu erzeugen vermag.«1 Dieses ausgesprochen vernünftige Unverständnis, mit dem de Brosses die Gegenständlichkeit der von ihm als Fetische beschriebenen Dinge als ,.irrsin nig« phantastische abtut, illustriert schon ein im Begriff des Fetischismus liegendes rationales (Vor-)Urteil. das nicht viel später bei Hege! offen zum Ausdruck kommt. (Und das sehr viel später schließlich zum Hauptargument gegen die ethnologische Kompetenz dieses Begriffes werden wird.) Für Hege! ist der Fetischismus nur ein Beweis unter vielen dafür, daß ,.bei den Negern nämlich das Charakteristische gerade ist, daß ihr BewußtSein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist«,- wie ja überhaupt »nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter (der Neger. d. Verf.) zu finden ist•.' Kennzeichnend für den Fetischismus sei nämlich, daß die dem Fetisch eigene Macht in Wahrheit nur die Macht des an
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Explorationen
zu
Gegenständlichkeit der Dinge
ihn Glaubendeo ist, und »daß sie sich diese ihre Macht zur Anschauung bringen, sich äußerlic h setzen und sich Bilder davon machen. Das, was sie sic h als ihre Macht vorstellen, ist somit nic hts Objektives, i n sich Festes und von ihnen Verschiedenes, sondern ganz gleichgültig der erste beste G ege nstan d, den sie zum Genius erbeben, sei es ein Tier, ein Baum, ein Stein, ein Bild von Holz.Dies ist der Fetisch•, dessen •Gegenständlichkeit nichts anderes ist als die zur Selbstanschauung sich bringende individuelle Willkür«.• Mit anderen Worten, in der Gegenständlichkeit der als Fetische angebeteten Dinge zeigt sich für Hege! nichts anderes, als die Selbstbefangenheit eines noch nicht wahrhaft menschlichen, noc h nicht in seine Geschichte eingetretenen Geistes. Daß im Fetischismus dur·c haus •eine Bewegung (liegt), die weit über die Anbetung von einfachen Feti schen hinausgehh, wird zum ersten Mal von Benjamin Constant im Zusammenhang der Frage nach dem Ursprung der Religion anerkannt.s Unter einem ähnlichen Gesichtspunkt kommt später auch Comte zu dieser Auffassung vom Fetischismus, wenn er in ihm »den wahren, uranfänglichen Kern des theologischen Geistes« ausmacht.• Er ver steht ihn zwar nicht viel anders als Hege! als »eine Art ständige und allgemeine Sinnestäuschung, wobei durch die übertriebene Macht des Gefühlslebens über das intellektuelle die absurdesten Glaubenslehren die direkte Beobachtung fast aller natürlichen Erscheinungen von Grund aus entstellen können• , und er hält ihn ebenfaJls für eine •im wesentlichen persönliche« und •spekulative« Lei stung.' Aber er sieht zwischen der •spekulativen Tätigkeit« des Fetischisten und dem Denken i n der ... positiven« Wissenschaft keinen kategorialen Bruch, sondern in beidem seien tendenziell dieselben invarianten •logischen Gesetze, die() die intellektuelle Welt regieren« am Werk; zwar gebe sich der Fetischist, immer wieder von seinen Affekten überwältigt, allen möglichen Täuschungen hin, aber immerhin sei die fetischistische Illusion eine •propulsive Illusion• , zog sie doch den »Menschengeist aus seinem tierischen Stumpfsinn•.' Damit entfernt sich Comte weit vonjener Apodiktik, mit der de Brosses und Hege! den Fetischismus ins Reich der Unvernunft abschoben. In dieser evolutionsgeschichtlichen Würdigung der fetischi stischen »Illusion« folgen ihm später Frazer, der in den mit dem Fetischismus verbundenen »zauberi schen« Praktiken und magisc h-religiösen Systemen immerhin »der Wissen schaft den Weg bereitet« sah', und- weit entsc hiedener noch - Durkheim. Dieser formuliert, den evolutionären Standpunkt schon fast verlassend, im Zusammenbang seiner Betrachtung der »Elementaren Formen des religiösen Lebens« mit allem Nachdruck: •Zwischen der Logik des religiösen Denkens und der Logik des wissensc haftlichen Denkees tut sich ( ) kein Abgrund auf. Beide bestehen aus denselben wesentlichen Elementen ( . ) Was vornehmlic h die erstere zu charakterisieren scheint, ist ein natürlic her Hang sowohl zu maßlosen Verwirrungen als auch zu harten Gegensätzen. ( ) Wenn sie ver gleicht, vermisc ht sie; wenn sie unterscheidet, bildet sie Gegensätze (); sie verwendet infolgedessen die logischen Mechanismen mit einer Art Unge schick, aber sie kennt sie alle. «10 Comtes evolutionistische Auffassung des Fetischismus als einer Phase in der Entwicklung des menschlichen Denkens liegt auch Tylors Arbeit über die
Das Ding als >Fetische
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Religion in primitiven Kulturen zugrunde. Er bietet einerseits die wohl umfassendste ethnographische Darstellung des Fetischismus, löst ihn anderer seits aber zugleich begrifflich auf zugunsten des allgemeineren Erklärungskon zepts des •Animismus«." Der Fetischismus ist für Tylor nurmehr ein Sonder fall des animistischen Verhaltens, für das er nicht nur Beispiele bei den sogenannten Primitiven, sondern auch in europäischen Populationen findet.12 Ein Objekt ist für ihn nur dann als Fetisch zu bezeichnen, wenn •erklärterma ßen ein Geist in ihm verkörpert ist, durch ihn handelt oder sich durch ihn mitteilte, beziehungsweise wenn »das Objekt augenscheinlieb so behandelt wird, als besitze es personal Bewußtsein und Machtc.u Auch wenn er immer wieder Zeugnisse eines solchen oder doch diesem sehr ähnlichen Verhaltens innerhalb der europäischen Kultur anführt, ist Tylor der Meinung, daß die anirnistische Welterklärung der Primitiven eine ..Philosophie• darstelle, •die wir schon seit langem hinter uns gelassen haben, seit Physik, Chemie und Biologie ganze Provinzen des alten Animismus erobert und Lebendigkeit und Wollen durch Kraft und Gesetz ersetzt haben«.14 Es ist eben diese die Fetischismus-Theorien tragende evolutionäre Ratio, an der sich die ethnologi sche Kritik dieses Begriffes entzündete und die ihn schließlieb grundsätzlich diskreditierte. So meint Mauss: ,.wenn man einmal die Geschichte der Reli gionswissenschaft und der Ethnologie schreiben wird, wird man erstaunt sein über die ungebührliche und zufällige Rolle, die ein Begriff wie der des Fetischismus in den theoretischen und deskriptiven Arbeiten gespielt hat. Sie entspricht nur einem ungeheuren Mißverständnis zwischen zwei Zivilisatio nen, der afrikanischen und der europäischen, sie gründet auf nichts anderem als auf einem blinden Gehorsam gegenüber den kolonialen Gepflogenheiten, den ( ) Sprachen der Europäer ().«11 Und er fordert (ca. 19101) , •der Begriff Fetisch muß ( ) endgültig aus der Wissenschaft verschwinden.:, denn ihm •entspricht nichts Bestimmtes«, und •das Objekt, das als Fetisch dient, ist niemals, was immer darüber gesagt wurde, ein beliebiges, willkürlich erkore nes Objekt, sondern immer durch den Code der Magie oder der Religion definiert..:.16 Nach Mauss hat es also dieses eigenständige Verhaltens- und Erfahrungssystem nie gegeben, das der historische Begriff des Fetischismus unterstellte; und diese Meinung ist beute innerhalb der Ethnologie allgemein vorherrschend.17 Geblieben sind aber die konkreten Phänomene, für die er eine Erklärung zu geben schien und die nun erneut einer bedürfen. Die Richtung, in der man sie seitens der Ethnologie sucht, weist Levi Strauss in seiner Polemik gegen den ,.Totemismus.:.•• Man wird seine Einwän de gegen die Theorie des Totemismus - cum grano salis - auf die des Fetischismus übertragen dürfen, denn zwischen ihnen besteht ein engerer Zusammenhang. - Zumindest in .der Definition, die McLennan, der »Erfin der.: (Levi-Strauss) des Totemismus, von ihm gibt: ,. Totemismus ist Fetischis mus plus Exogamie und matrilineare Abstammung.••' Ohne hier auf die sehr speziellen ethnologischen Details seiner Kritik eingehen zu können, wirft Levi-Strauss der Theorie des Totemismus insgesamt das ,.Hinauswerfen von Geisteshaltungen aus unserer Welt« vor: •gleichsam eine Hexenaustreibung von Geisteshaltungen, die unvereinbar sind mit der Forderung einer Diskonti-
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Explorationen zu Gegenständlichkeit der Dinge
nuität zwischen Mensch und Natur, die das christliche Denken für wesentlich rueltc.10 Nach Levi-Strauss wurde mit dem Begriff des Totemismus versucht, etwas in die »Natur« zurückzustoßen, was auch in der eigenen Kultur als wirksam zu erkennen, ihr Selbstverständnis als die überlegene rationale gestört hätte.11 Die •Absonderlichkeit«, der man sich im Totemismus (in den von ihm organisierten Zusammengehörigkeiten und Oppqsitionen zwischen Men schen, Clans, Tieren, Pflanzen und Dingen) konfrontiert glaubte, repräsen tiert nach Levi-Strauss etwas Allgemeines: Sie sei die erste Manifestation der am Anfang von Kulturentwicklung und Logik stehenden grundlegenden Prinzipien •Üppositionc und »Integration•, »Gegensatze und •Identifizie rung• und »kontinuierlich-diskontinuierlichc.21 Die Metapher als eine symbo lische Fonn der »Identifizierung•, auf deren besondere Rolle innerhalb des Totemismus er wiederholt hinweist, steht für Levi-Strauss auf derselben Ebene •wie der Gegensatz und bildet mit dem gleichen Recht wie jener eine erste Fonn des diskursiven Denkens«.u Was also die •totemistische Illusion• insgeheim darauf aus, ·die Denkweisen des nonnalen, des weißen und erwach senen Menschen i n ihrer Integrität zu erhalten und zugleich zu begründen• -2• laut Levi-Strauss bezweckte, war: Ein Denken •zum Denken der Wilden« zu erklären, das schlicht nur ..wildes Denken« sei und also nicht ein grundsätzlich anderes.» Übertragen auf die von den frühen ethnologischen Theorien als Fetischis mus angesprochenen Phänomene hieße das, daß sie nicht- wie jene meinten Zeugnisse eines konfusen Aberglaubens oder einer unbeholfenen Prä-Logik darstellen, sondern eine durchaus systematische, in symbolischen Oppositio nen und Identitäten, in Metaphern und Metonymien operierende Vernunft anzeigen. Sie sind Manifestationen einer Logik, in der- um mit Levi-Strauss zu formulieren- die »Strukrurähnlichkeit zwischen dem menschlichen Den ken bei der Arbeit und dem menschlichen Gegenstand, auf den es sich richtet, zum Ausdruck« kommt.26 Überblickt man die nur sehr kursorisch skizzierte Geschichte des Begriffes •Fetischismus< innerhalb der Ethnologie und fragt man nun, worin für die verschiedenen Autoren das >Verkehrte< der Gegenständlichkeit lag, welche die als Fetische fungierenden Dinge ihres Erachtens besaßen, so sind zwei Mo mente herauszustellen. Insofern da die Dinge als •Verkörperungen< erscheinen, durch die etwas handelt und sich mitteilt, und die Dinge als eigentümlich >beseelt< angesehen bzw. personal verstanden und behandelt werden, besteht zwischen ihrem Gegebensein und dem der Menschen kein kategorialer Unterschied. In dieser nicht in >tote Materie< und •lebendige Wesen< differenzierten Welt herrscht eine Form der Gegenständlichkeit jenseits strikter, stabiler oder irreversibler Trennung von Subjekt und Objekt, wie es Hege! schon durchaus zutreffend bemerkte und auch Levy-Bruhl - allerdings ohne dessen Wertung - als wesentlich für das •prälogische• Denken herausstellt. So nennt er an einer Stelle seines Buches •Les fonctions mentales dans !es societes inferieures« die Beziehung der vom •Gesetz der Partizipation• beherrschten Mentalität der Primitiven zum Ding allgemein eine »symbiotische«: •sie besitzt es (das Ding,
Das Ding
als >Fetisch<
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d. Verf.) und ist von ihm besessen«.27 In dieser allgemein herrschenden »Fusion von Subjekt und Objekt« (Levy-Bruhl) besitzen die Dinge nicht die von Hegel im Namen der Vernunft reklamierte, vom Subjekt unabhängige ,.feste Objektivität«, sondern ihre Gegenständlichkeit gründet - um wieder Levy-Bruhl zu zitieren - in einer »wechselseitigen Kommunikation von Subjekt und Objekt.<. Das Eigentümliche dieser >kommunikativen< Gegen ständlichkeit der Dinge hat Frazer in seinem Buch »Der goldene Zweig«, im Kapitel über die •Sympathetische Magie«, ausführlich dargestellt.29 Es ist nun genau das Fehlen oder die Instabilität dieser für das diskursive Denken grundlegenden logischen Opposition von Subjekt und Objekt, wori.n sich für die meisten ethnologischen Autoren begründete, daß in der Gegen ständlichkeit der als Fetische fungierenden Dinge sich nur Willkür und Unvernunft manifestiere. Auf dem Hintergrund der Argumentation von Levi Strauss, daß das •primitive< Denken durchaus Oppositionen kennt, aber nicht abstrakt-logisch, sondern symbolisch organisierte, wäre gegen dieses Verdikt einzuwenden, daß die Gegenständlichkeit der Fetisch-Dinge zwar durchaus keine rationale (•objektive<) ist, aber dennoch weit davon entfernt, willkürlich zu sein: Sie wird von einer mit symbolischen Ordnungen operierenden Logik geschaffen und reguliert. Diese symbolische Struktur der Gegenständlichkeit, welche die als Fetische fungierenden Dinge besitzen, bildet - neben der in ihr herrschenden Fusion von Subjekt und Objekt - das zweite kennzeichnende Moment dessen, worin die frühen ethnologischen Theorien das >Verkehrte< des von ihnen als Feti schismus kategorisierten Gegenstandsverhaltens ausmachten. Damit implizit eine •normale< Realität der Dinge beschreibend, definieren sie, daß real an den Dingen nur das sei, was rational-logisch intelligibel und was subjekt-unabhän gig, >objektiv< gegeben ist. Wenn nun auch mit Mauss und Levi-Strauss einzuwenden ist, daß aufgrund dieser ihnen inhärenten logischen Norm die ethnologischen Fetisch-Theorien weniger zur Erklärung der Phänomene als zur Affirmationen einer ethnozentrischen Denkform beitrugen, so ist den noch folgendes nicht außeracht zu lassen: In den Phänomenen, die sie im Namen dieser allgemeinen und von ihnen historisch wesentlich mitdefinierten Norm eines >objektiven< Gegenstandsverhaltens ausgrenzten, aber gleichwohl mit so viel Hingabe und Phantasie beschrieben, haben die frühen ethnologi schen Theorien des Fetischismus überhaupt erst einer psychologischen Unter suchung der Gegenständlichkeit der Dinge das Feld eröffnet.
2. Der sozio-ökonomische Begriff des Fetischismus In seinen Ausführungen über den ,.Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis«1 analysiert Marx eine Form der Gegenständlichkeit, welche die Dinge nicht als diese einfachen Wahrnehmungsdinge oder •an-sich< besitzen, sondern die sie erst annehmen unter der Bedingung einer spezifischen, von ihm als •kapitalistisch< gekennzeichneten Weise ihrer Produktion und ihres Tau sches: Er untersucht die Dinge als Waren. •Eine Ware scheint auf den ersten
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Explorationen zu Gegenständlichkeit der Dinge
Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding ist, voller metaphysischer Spitzfindigkeiten und theolo gischer Mucken.•z Woher entspringt aber dieser »mystische«, »Sinnlich über sinnliche• und »rätselhafte Charaktere (Marx), den die Dinge in ihrer Waren form annehmen? ·Offenbar aus dieser Form selbst. Die Gleichheit der menschlichen Arbeiten erhält die sachliche Form der gleichen Wertgegen ständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wengröße der Arbeits produkte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftli chen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden, erhalten die Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte. Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftli chen Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigen schaften zurückspiegelt ( ) .c' Die Warenform der Dinge •hat mit ihrer physi schen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Feti schismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.•• Marx faßt also unter dem Begriff des Fetischismus eine spezifische Bezie hung zwischen Menschen und Dingen, in der es zuletzt zur »Personifizierung der Sachen und (zur) Versachlichung der Produktionsverhältnisse", d . h. zur Verdinglichung eigentlich menschlicher Beziehungen komme.s Wenn Marx daran kritisiert, daß Menschliches da sozusagen (als) gegenständlich verkannt werde und sich der Mensch in seiner Natur und seinen Verhältnissen von den Warendingen verkehrt •zurückgespiegelt« finde, dann setzt er damit eine konstitutive Beziehung zwischen dem Wesen des Menschen und seiner :ln
schaulich gegenständlichen Welt voraus. - Wie sonst sollten die Dinge den Menschen derart über sich täuschen und seiner selbst •entfremden« können? Über diese von ihm angenommene notwendige Beziehung erhält man bei Marx nur unmittelbar Aufschluß, wenn man seine frühen Schriften, die •Pariser Manuskripte«, heranzieht. Sie enthalten eine noch stark philosophisch gepräg te, anthropologische Theorie der grundlegenden Beziehungen zwischen Men schen und Dingen, die man als die ,. Vorgestalt einer Psychologie« (Salber) verstehen kann.' Sie legt die Voraussetzungen offen, aus denen Marx ableitet, daß das Gegenständliche der Spiegel der menschlichen Verhältnisse und damit auch des Psychischen sei; und sie ermöglicht überhaupt erst zu argumentieren, daß den Menschen in den Waren jene verkehrte Rückspiegelung widerfahre. Marx geht dort von der These aus, daß •in der praktischen Erzeugung einer gegenständlichen Welt«, •in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt sich der Mensch ( ) erst wirklich als ein Gattungswesen bewährte/ Indem •der
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Gegenstand der Arbeit daher die Vergegenst.ändlichung des Gattungslebens des Menschen ist•, eigne sich der Mensch in der Aneignung der Gegenstände erst sein Wesen an: •indem er sich ( ) werktätig, wirklich verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffenen Welt anschaut•', erfährt der Mensch in den von ihm produzierten Dingen seine •Persönlichkeit als gegenständlich, sinnlich anschaubare und darum über aUen Zweifel erhabene Machte.' Diese in der Aneignung der zu •Gegenständen gewordenen Wesenskräfte des Men schen• sich vollziehende Selbst-Aneignung des Subjektes ist keine, die etwa •im Bewußtsein, im reinen Denken, i.e. in der Abstraktion vor sich geht•, wie Marx in seiner Kritik an Hegel betont10, vielmehr eine sinnlich konkrete, •werktätige• : eine Produktion. Das heißt, die Selbstaneignung des Subjekts in den materiellen Gegenständen, von der Marx spricht, meint nicht allein eine spiegelbildliche Selbsterfahrung, sondern vielmehr eine ·Selbsterz.eugung• (Hegel) des Subjekts. Dies wird ganz unmißverständlich formuliert in jener später von ihm aufgestellten These, ·die Produktion produziert ( ) nicht nur einen Gegenstand für das. Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegen stand•." Oie Vergegenständlichung des Menschen in seinen Produkten ist also für Marx ein grundlegend notwendiger Prozeß11, da der Mensch nur in seiner Gegenständlichkeit sich wesenhaft anzueignen in der Lage sei. So formuliert er als Kritik an Hegel, daß dieser vom sinnlich konkreten
Menschen abstrahierend und von einem reinen Selbstbewußtsein ausge hend, das ·Anstößige• schon in der •Gegenständlichkeit als solcher• ausmache und nicht erst in einem •bestimmte(n) Charakter des Gegenstan des•, nämlich in der entfremdeten Gegenständlichkeit (wie sie dem Men schen in den Dingen als >Warenfetischen• gegeben sei)." Daß der sich notwendig ver�egenständlichende Mensch in den von ihm produzierten Gegenständen ntcht sich aneignet, sondern entäußert, i.e. seiner selbst entfremdet, wird für Marx erst dadurch möglich, daß die Produktionsweisen des Menschen eine gegen seine >Natur• gerichtete Ent wic�lung genommen haben. D•e von Marx angeführten Faktoren dieser Entwicklung, wie Arbeitstei ligk�it und Privateigentum, und sein anthropologischer Begriff vom Wesen des Menschen und der Arbeit sind hier ebensowenig zu diskutieren, wie auf seine Theorie der Wertverhältnisse im Warending eingegangen werden kann, in denen er dessen Fetischcharakter begründet. Es sei nur an gemerkt, daß seine späteren Schriften ein Entfremdungs- Konzept enthalten, das nicht mehr auf diesem normativen Begriff vom Menschen aufbaut. Auf dem Hintergrund seiner späteren hiStorisch-soziologischen Bestimmun g des menschlichen Wesens als •das Ensemble der geseUschaftlichen Verhältnis fremdung nicht mehr anthropologisch kategorial zu kritisie sec" ist die Ent ren, sondern nurmehr als entweder historisch bzw. zivilisatorisch notwen dige oder überfällige. Die Darstellung der Marx'schen Theorie des Waren-Fetischismus sei mit einem Zitat abgeschlossen, das die dargelegte, ihr zugrundeliegende Annah me, der Mensch sei sieb wesentlich gegenständlich gegeben, und er besitze ein •gegenStändliches Wesen•u, auf sehr verdichtete Weise wiedergibt: •Indem ( )
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dem Menschen in der Gesellschaft die gegenständliche Wirklichkeit als Wirk lichkeit der menschlichen Wesenskräfte, als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit der eigenen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Indivi dualität bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegen stände, d. h. Gegenstand wird er selbst.«16 Auf dem Hintergrund seiner Theorie von dem wesensmäßig gegenständli chen Verhältnis des Menschen zu sich, wäre jetzt die besondere Form, welche dieses Verhältnis nach Marx im Warenfetischismus annimmt, psychologisch zu befragen. Was widerfährt konkret einem Subjekt, seiner •Individualität«, wenn es sich in der beschrie·benen •verkehrten< Gegenständlichkeit der Dinge als Waren •verwirklicht«?- In welches Verhältnis gerät es zu sich, und welche psychische Struktur bildet sich in der Aneign"ang der vom Warenfetischismus geprägten Ordnung der Dinge aus? Marx äußert sich dazu nur summarisch, und zwar in dem Sinne, daß der Mensch -schließlich selber zur Ware werdend - sich zu einem ,.Teilmenschen« entwickle, dem seine eigene Arbeitskraft wie ein fremdes Ding, eine Ware, gegenüberstehe}7 Eine differenziertere Antwort auf diese Fragen gibt Lukacs, der in seiner Theorie der .".Verdinglichung« sich stärker als Marx mit den psychologischen Aspekten der Bedingungen auseinandersetzt, denen das Sub jekt in einer warenproduzierenden Gesellschaft unterworfen ist.1' Gedanken Max Webers aufgreifend, ist für ihn diese Gesellschaft dadurch gekennzeich net, daß sie alle Lebensbereiche unter die Herrschaft einer auf Kalkulierbarkeit abzielenden ,.formalen Rationalität« (Weber) stellt und so jegliches Menschli che und Individuelle objektiviert, •verdinglicht«.19 Lukacs argumentiert nun, daß diese Verdinglichung nicht nur ein gesellschaftliches Verhältcis darstelle, in dem der Mensch nunmehr als ein Stück Arbeitskraft im Produktionsapparat gelte, sondern auch ein psychologisches sei, also ein Verhältnis im Menschen: ,.selbst seine psychologischen Eigenschaften werden von der Gesamtpersön lichkeit abgetrennt, ihm gegenüber objektiviert, um in rationelle Spezialsyste me eingefügt und hier auf den kalkulatorischen Begriff gebracht werden zu können.«20 Innerhalb einer Gesellschaft, in der die Ware das »Urbild aller Gegenständlichkeitsformen und aller ihnen ent.sprechenden Formen der Sub jektivität abgibt«, gebe es "keine Form der Beziehung der Menschen zueinan der, keine Möglichkeit des Menschen, seine physischen und psychischen •Eigenschaften< zur Geltung zu bringen, die sich nicht in zunehmendem Maße dieser Gegenständlichkeitsform unterwerfe« ; die »Eigenschaften und Fähig keiten des Menschen verknüpfen sich nicht mehr zur organischen Einheit der Person, sondern erscheinen als •Dinge<, die der Mensch ebenso •besitzt< und •veräußert< wie die verschiedenen Gegenstände der äußeren Welt«.21 Darauf, daß »auch seine Gedanken, Gefühle usw. in ihrem qualitativen Sein verding licht werden« , gründet Lukacs die These, daß der Mensch, dessen Arbeitskraft zur Ware geworden ist, sich schließlich selbst als Ware erkennt, und •soweit er noch praktisch unfähig ist, sich über diese Objektrolle zu erheben, ist sein Bewußtsein: das Selbstbewußtsein de.r Ware«.22 Oder anders formuliert, nicht das Selbst-, sondern das Objektbewußtsein des Menschen betreffend: •das
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Bewußtsein ist hier nicht das Bewußtsein über einen ihm gegenüberstehenden Gegenstand, sondern das Selbstbewußtsein des Gegenstandes«.n Ausgehend von diesem •Un-Bewußtsein< des Menschen in der verkehrten Gegenständlich keit der Warendinge, - in den von ihm nicht wirklich als Gegenstände augeeigneten Objekten, kann Lukacs dann sagen, daß hier •der Akt des Bewußtwerdens die Gegenständlichkeit.sfonn seines Objektes umwälzt«. 2' An dieser von Lukacs entwickelten Theorie der Verdinglichung des Subjekts gilt es hier folgendes festzuhalten: Wenn Lukacs argumentiert, daß unter der Bedingung einer warenproduzierenden Gesellschaft die Subjektivität des Menschen in ihrer Struktur die nämlichen Züge aufweist, die das System der rationalen und ausschließlich am Mehrwert orientierten Warenproduktion kennzeichnen (er beschreibt ja z. B. so etwas wie die Taylorisierung des Psychischen), dann rückt er damit ins Blickfeld, daß zwischen der Gegen ständlichkeitsform der Objekte und der Fonn der Eigentlichkeit des Subjekts ein konstitutiver Zusammenhang besteht. Allerdings gilt dies für Lukacs ausschließlich innerhalb einer warenproduzierenden Gesellschaft. Und zwar insofern, als er die Vergegenständlichung des Menschen, in der sich dieser Zusammenhang herstellt, tendenziell gleichsetzt mit der für jene kennzeich nenden Entfremdung. In einem 40 Jahre später geschriebenen Vorwort zu ,.Geschichte und Klassenbewußtseine kritisiert er diese Gleichsetzung selbst, und erkennt er in der Vergegenstähdlichung des Menschen eine allgemeine anthropologische Notwendigkeit. n Diese nicht nur bei ihm herrsch.ende Unschärfe wäre zumindest terminolo gisch zu beseitigen, indem man strikt zwischen Vergegenständlichung und Verdinglichung unterscheidet: Als Vergegenständlichung wäre eine Sub jekt-Objektbeziehung zu kateg·orisieren, wenn sich in ihr das Subjekt, sich gegenständlich werdend, aneignet (wie es Marx in den Pariser Manuskripten darle gte ), - und als Verdinglichung dann, we.nn das Subjekt sich in d1eser Bezieh ung, sich verdinglichend, seiner selbst entäußert, i.e. entfremdet (wie es Lukacs beschreibt). Vergegenständlichung und Verdinglichung bildeten derart die zwei Grunddimensionen des Verhältnisses, welches das Subjekt in den von ihm angeei�neten Din gen zu sich gewinnt. Im erste·n Fall ein reflexives und anschauheb praktisc hes, im zweiten Fall ein abstraktes und um einen Begriff von Lukacs zu verwenden - •kontemplativ« passives. Daß der von Lukacs dargestellte Zusammenhang zwischen der Gegenständ lichkeitsfonn der Dinge und der Form menschlicher Subjektivität, den er für ein Spezifikum der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft hält, durchaus auch anders zu sehen ist, wird bei ibm selber wiederholt deutlich. Wenn er etwa an einer Stelle ausführt, daß die Geschichte zu begreifen ist als die »Geschichte der ununterbrochenen Umwälzung der Gegenständlichkeitsfor men, die das Dasein der Menschen gestalten•26, dann wäre es nämlich weder als neu noch als prinzipiell problematisch anzusehen, daß das Subjekt bzw. sein Bewußtsein in der Warengesellschaft von der herrschenden Gegenständlich keitsform geprägt ist. Neu und zu problematisieren wäre lediglich etwas Spezifisches an diesem Verhältnis. Nämlich, daß sich mit dieser, hauptsächlich von der aUgemeinen Zunahme der Warendinge und deren industrieller Her-
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stellungsweise gekennzeichneten Gegenständlichkeitsform eine vordem so nicht gegebene Möglichkeit einstellt. Man könnte sie - unter der Annahme, daß mit den Dingen zugleich Bedingungen der Subjektivität produziert wer den - als die industrielle Produzierbarkeit von Subjektivität und Bewußtsein bezeichnen.27 Dazu wird in einem späteren Kapitel mehr und psychologisch Konkretes zu sagen sein (siehe S. 146ff.). An dieser Stelle bleibt an den Überlegungen von Lukacs noch festzuhalten, daß seiner Rede von den •Gegenständlichkeitsformen der Gegenständec2• eine ähnliche Auffassung zugrundezuliegen scheint, wie sie hier von der >Gegen ständlichkeit der Dinge< entwickelt wurde (vgl. Ein!.). So, wie er diesen Terrninus verwendet, nimmt er wohl eine vom konkreten materiellen Objekt abhebbare Gegenständlichkeitsform an und scheint er auch davon auszuge hen, daß die Gegenständlichkeit der Dinge historisch verschiedene Formen annehmen kann. Die allgemeine Gegenständlichkeitsform der Dinge (das Konzept >Gegenständlichkejt<) wäre von daher nicht als die Summe aller gegenständlichen Erfahrungen des Subjekts oder als in der physisch-materia len Empirie der Objekte begründet zu verstehen, sondern als eine historische Kategorie: als eine Kategorie der Beziehung, in der Subjekt und Objekt sich historisch konkretisierend, erst als solche relational definieren. Wenn Lukacs derart annimmt, daß >Gegenständlichkeit< nicht ein im •an-sich< der Dinge zeitlos definiertes und einfach ins Bewußtsein tretendes Faktum ist, dann hätte das Konsequenzen für die Theorie des Warenfetischismus. Denn die mit diesem Begriff belegten Phänomene >verkehrter< Gegenständlichkeit der Din ge wären dann nicht mehr als Manifestationen eines kategorial falschen Bewußtseins zu klassifizieren; und es würde sich nahelegen, sie aus der Persistenz einer historischen Form der Gegenstandsauffassung zu erklä ren. Daß der Begriff des Fetischismus nicht nur für die Entwicklung der marxi stischen Gesellschaftstheorie von Bedeutung war, belegen die kultursoziologi schen Arbeiten von Simmel.29 In seiner Analyse der materiellen Kultur greift er zwar die Marx'schen Thesen auf, aber im Gegensatz zu ihm und auch zu Luk2cs geht er von einigen dezidiert psychologischen Annahmen
aus.
Die fü r
seine Überlegungen grundlegende Theorie einer gemeinsamen Genese von ·Objekt< und •Ich< stützt sich insbesondere auf Aussagen der Psychoanalyse.)O Da diese in einem späteren Kapitel behandelt werden, erübrigt es sich, Simmels entsprechende Ausführungen hier eingehender darzustellen. Festzuhalten wäre immerhin, daß er die Entwicklung der Psyche in einem ,.Jndifferenzzu stand"' beginnen sieht, •in dem das Ich und seine Objekte noch ungeschrieben ruhen«, und er weiter meint. •erst die Repulsionen, die wir von dem Objekt erfahren, die Schwierigkeiten seiner Erlangung, die Warte- und Arbeitszeit, die sich zwischen Wunsch und Erfüllung schieben, treiben das Ich und das Objekt auseinander«.11 Diese notwendige Entzweiung bildet nach Simmel die Voraussetzung für das, was er als ·Objektwerdung der seelischen Inhalte«, als •Erweiterung des Ich« durch die materiellen Dinge und schließlich insgesamt als Kulturentwick lung anspricht; aber gleichfalls für Entwicklungen, die zur Entfremdung bzw.
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zum Fetischismus führen.n Diesen begreift er als einen paradoxen, prälogi schen Versuch, die Entzweiung aufzuheben: ,.Es ist tatsächlich, als ob das erste Bewußtwerden des Objektes als solches ein Angstgefühl mit sich brächte, als ob man damit ein Stück des Ich als von ihm losgerissen empfände. Daher sogleich die mythologische und fetischistische Deutung, die das Objekt erfährt - eine Deutung, die einerseits dieses Angstgefühl hypostasiert, ihm die einzige für den Primitivmenschen mögliche Begreiflichkeit gibt, andererseits aber es doch mildert und, indem es das Objekt vermenschlicht, es der Versöhnung mit der Subjektivität wieder näher bringt ..n Mit dieser ethno-psychologisch inspirierten Interpretation des Fetischismus weicht Simmel entscheidend von der Marx'schen Position ab. Während Marx, vom ,.Fetischcharakter der Waren.c sprechend, Fetischverhalten und Entfrem dung als einen Komplex versteht, leitet sie Simmel aus verschiedenen Bedin gungen ab. Der Fetischismus entspringe einer sieb (noch) nicht rational objektivierenden Subjektivität, die Entfremdung dagegen der industriellen Gegenständlichkeit der Dinge. Und zwar insofern, als diese aufgrund ihrer arbeitsteiligen und mechanisierten, auf Spezialisierung drängenden Produk tionsbedingungen das Subjekt nicht mehr in seiner personalen Einheit wider spiegeln könnten. Denn infolge der •bei großer Spezialisierung eintretenden lnadäquatbeit zwischen der Existenzform des Arbeiters und der seines Pro duktes löst sich das letztere besonders leicht und gründlich von dem ersteren ab, sein Sinn strömt ihm nicht von dessen Seele zu ( ). So kann es seine Bedeutsamkeit weder als Spiegelung einer Subjektivität noch in dem Reflex suchen, den es als Ausdruck der schaffenden Seele in diese zurückwirft, sondern kann sie ausschließlich als objektive Leistung, in seiner Wendung vom Subjekt weg, finden.«34 Simmels Fazit: ·Dinge und Menschen sind auseinan dergetreten . .,n Die Gegenständlichkeit der unter den Bedingungen von Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung industriell produzierten Dinge wäre also nach Simmel insofern •verkehrte, als in ihr nicht die Subjektivität des Menschen, sondern sein objektives Leistungsvermögen anschaulichen Ausdruck gewinnt: I n den Dingen sind gewissermaßen nurmehr die Bedingungen ihrer Herstellung gegenständlich, denen sich der Mensch unterworfen hat. Jenseits dieser spe ziellen Verhältnisse gilt für Simmel allgemein, daß die Dinge den ,.objektiven Geist« einer Kultur repräsentieren und mit ihnen, d. h. •mit der Vergegen ständlichung des Geistes die Form gewonnen ist, die ein Konservieren und Anhäufen der Bewußtseinsarbeit gestattet.c.34 Daraus ergibt sich für ihn auf dem Hintergrund der expandierenden arbeitsteiligen und spezialisierten Pro duktion von Dingen - verstanden als ein Voranschreiten in der Objektivation des Geistes -37 der folgende Sachverhalt: ·Die Dinge, die unser Leben sachlich erfüllen und umgeben, Geräte, Verkehrsmittel, die Produkte der Wissen schaft, der Technik, der Kultur- sind unsäglich kultiviert; aber die Kultur der Individuen ( ) ist keineswegs in demselben Verhältnis vorgeschritten, ja viel fach zurückgegangen. «31 Simmel zufolge, führte dieses • Übergewicht, das die objektive über die subjektive Kultur ( ) gewonnen bat«, schließlich dazu, ,.daß die Maschine so .
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viel geistvoller geworden ist als der Arbeiter•." Aber nicht nur der Arbeiter verstehe den •in der Maschine investierten Geist« nicht mehr, wir alle seien »VOn immer mehr Gegenständen umgeben ( ), deren objektiven, an ihrem Produktionsprozeß aufgewandten Geist wir nicht entfernt ausdenken• �önn ten.40 Diese »wunderliche Erscheinung ( ), daß die kulturelle Steigerung der Individuen hinter der der Dinge ( ) zurückbleiben kann«, ist für Simmel begründet in einer allgemeinen »Entwicklung, Ausgestaltung, Vergeistigung der Objekte, die sich wie aus deren eigenen Kräften und Normen heraus vollzieht und ohne daß sich einzelne Seelen darin oder daran entsprechend entfalten«:• Die Ausführungen Simmels über die in der Beziehung des Menschen zu den Dingen herrschende Entzweiung und Verkehrung lassen den Warenfetischis mus, diese spezifische Form einer >verkehrten< Gegenständlichkeit der Dinge, in einem anderen Licht erscheinen. Sie wird jetzt lesbar als Antwort auf die allgemeine Verkehrung, die Simmel in der Gegenständlichkeü der unter besagten industriellen Bedingungen produzierten Dinge ausmachte. Und zwar insofern, als im Fetischismus versucht wird, die Entzweiung mit den Dingen magisch aufzuheben und sich die in ihnen (nach Simmel) so umfassend objektivierte Menschlichkeit wieder anzueignen. In der •verkehrten< Gegen ständlichkeit der Dinge im Warenfetischismus würde sich also die Tendenz einer Re-Subjektivierung der in den Dingen vergegenständlichten Menschlich keit ausdrücken, gewissermaßen der Versuch, die »Objektivation des Geistes• (Simmel) in den Dingen rückgängig zu machen. Von dieser Interpretation Simmels ausgehend, erscheint die >verkehrte< Gegenständlichkeit, welche ·die Dinge im Warenfetischismus erhalten, nicht so sehr in sich problematisch, als vielmehr Ausdruck einer in der allgemeinen Gegenständlichkeitsform der Dinge liegenden Problematik zu sein. Daß ein •verkehrtes< Gegenstandsverhalten - hier der Fetischismus - nicht als ein eigenlogisches Phänomen zu erklären ist, sondern aus Bedingungen der allge meinen Gegenständlichkeitsform der Dinge resultiert, wird hier später noch in anderen Zusammenhängen deutlicher werden (vgl. u. a. S. 1 1 2 f.). Was bei Simmel als die »Objektivation des Geistes« in den Dingen angespro chen ist, faßt Elias in seiner Theorie der Zivilisation konkreter und einer psychologischen Erklärung zugänglicher:1 Er beschreibt den Prozeß der Zivilisation als fortschreitende Entwicklung von Trieb- und Affektregulatio nen, die (u. a.) durch den Umgang mit alltäglichen Gerätschaften eingeübt würden; als solches ,.zivilisationsgerät« untersucht er Löffel, Messer, Gabel, Taschentuch und Nachthemd.'' So ist für ihn z. B. •die Gabel ( ) nichts anderes als die Inkarnation eines bestimmten Affekt- und Peinlichkeitsstandards« ; und von e.inem anderen Ding, dlem Messer, sagt er, es sei •der Art seines gesell schaftlichen Gebrauches nach, Inkarnat der >Seelen<, ihrer veränderlichen Triebe und Wünsche, Verkörperung geschichtlicher Situationen und gesell schaftlicher Aufbaugesetze« ... Sicher ist, von Gegenständen als ,. Inkarnaten der Seele• zu sprechen, nicht unbedingt lichtvoller, als in ihnen •Objektivatio nen des Geistes• einer Kultur zu sehen, gleichwohl erhält man bei Elias einen konkreteren Aufschluß über das, was sich in der Gegenständlichkeit der Dinge
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psychologisch vermittelt. Er wird dem allerdings mit seiner Rede von ,.Ma nieren• und ,.Tischsitten« bzw. von •Scham- und Peinlichkeitsschwellen« nicht ganz gerecht, läßt sie doch verkennen, daß da mehr als nur Affekt oder Triebstandards adaptiert werden. Denn indem •korrekte Manieren< weitgehend definiert sind und vermittelt werden als der Umgang mit Din gen, der ihren (vorgeblich) objektiven Funktionen und Zwecken angemes sen ist, wird in diesen Manieren zugleich zweckrationales Verhalten modell haft eingeübt. Es wäre also das, was sich zum Beispiel im >korrekten< Um gang mit Messer und Gabel realisiert, nicht allein eine Tischsitte, sondern auch und wesentlich ein allgemeiner, funktionalistisch-rationaler Verhalteo stypus (der alle Lebensbereiche prägt und nicht nur das Objektverhalten). Daß das Individuum die >korrekten Manieren< nicht als diese didaktischen Modelle und sozial bedingten Formen begreift, sondern sie für die den Sachen gerechtwerdende Verhaltensformen hält, läßt auch verständlicher werden, wieso ihm seine gesellschaftliche Anpassung weitgehend nicht als solche bewu.ßt wird: Sie erscheim ihm oft genug - wie hier - als schlichte Einübung gegenständlicher Fertigkeiten. Gerade in diesem quid pro quo Liegt eine wesentliche Voraussetzung für das psychologische Funktionieren der gesellschaftlichen •Modellierung« des Individuums, die Elias unter sucht.u Zusammengefaßt machen Elias' Überlegungen deutlich, daß die Gegen ständlichkeit der Dinge von übergreifenden gesellschaftlichen Strategien or ganisiert ist, und wie in den Dingen etwas stattfindet, das man als eine gegenständliche Modeliierung des Psychischen bezeichnen kann. Dieser Aspekt und die damit zusammenlhängende Funktion der Dinge als Vermitt ler von Ideologien werden in einem späteren Kapitel Thema sein (siehe s. 129f.).
Daß die Dinge - ihrer Wirkung nach - als Agenten gesellschaftlicher Strategien und Prozesse fungieren, wie es Elias allgemein von ihnen an nimmt, wird laut Goldmann für die in einer entwickelten Warengesellschaft allgemein herrschende Mentalität zur unmittelbaren Realität der Dinge." An Sprachformen wie »die Börse erholt sich•, ·die Kurse klettern• oder •das Unternehmen steuert einen geschickten Kurs•, konstatiert Goldmann ein für diese Mentalität typisches Verkehren gesellschaftlicher bzw. menschli cher Handlungszusammenhänge dahin, •daß nicht mehr der Mensch, son dern das leblose Objekt der Motor ist•.41 Diese Formulierung steht im Kontext eines Hinweises auf die Romane von Robbe-Grillet, in denen menschliches Handeln nicht als Tätigkeit eines Subjekts, sondern als Verhal ten von Gegenständen beschrieben wird (z. B. der Gang eines Menschen als Bewegung seiner Schuhe) und die Goldmann als literarischen Reflex der von ihm beschriebenen gesellschaftlichen Mentalität interpretiert. Ähnliche Verhältnisse stellte schon Proust in seiner Analyse des Stils Flauberts heraus.'' - Für ihn sei typ isch, daß er die Dinge als das eigentli che Aktive, sich Ereignende beschreibe, die Menschen dagegen als eher teilnahmslos und passiv. Wenn Proust dazu verallgemeinernd bemerkt, •was bis zu Flaubert Aktion war, wird lmpression«49, so spricht er damit
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genau den Wandel an, der bei Lukacs als der zunehmend •kontemplative Charakter des kapitalistischen Subjekrverhaltens• beschrieben wird50, und auf den die Aussagen Goldmanns abzielten. In den von Goldmann angesprochenen Phänomenen sieht Israel das Gegen stück zum Anthropomorphismus des magischen Denkens; und er untersucht sie als das Produkt eines •verdinglichten Denkens•, das, ähnlich wie das magische, den Objekten die Fähigkeit, zu agieren und über den Menschen zu herrschen, zuspreche.'1 Während er hier die >personifizierten• Dinge zusam menbringt mit der "Verdinglichung als kognitiven Prozeß•, machen seine Überlegungen zum •psychische(n) Prozeß der Verdinglichung• deutlich, daß den Dingen noch in einem ganz anderen Sinn personale Bedeutung zu kommt.n Von einem •Grundbedürfnis des Menschen ( ) nach Selbstbewertung und Selbstachtung• ausgehend, folgert er: •ln dem Maße, in dem Arbeit mechanisiert wird, verliert das Individuum die Möglichkeit, auf der Grundlage seiner Arbeitstätigkeit sieb selbst zu bewerten oder von anderen bewertet zu werden.•" Da nun aber •das Bedürfnis nach Selbstbewertung nicht mehr im Produktionsprozeß befriedigt werden kann•, und aufgrund der zunehmenden sozialen Isolierung der Individuen auch ,.für die Selbstbewertung, die sich durch andere ergibt, keine wirkliche Grundlage mehr besteht•, bleibe dem Menschen nurmehr eine letzte •sichtbare Bewertungsgrundlage• seiner selbst: Einzig die »Dinge, die er besitzt oder gebraucht, verleihen ihm einen Status• und •indem sie statusfördernd wirken, befriedigen sie gleichzeitig auch das Grundbedürfnis nach Selbstbewertung«.,. Diese gegenständliche Status-Lo gik, in der letztendlich der Tauschwert der Dinge wesentlicher wird als ihr Gebrauchswert, ist nach Israel kennzeichnend für »die verdinglichte Existenz in der Konsumgesellschaft<�." Ungeachtet der psychologischen Fragwürdig keit des von ihm hypostasierten •Grundbedürfnisses nach Selbstbewertung•, wird auf dem Hintergrund der Überlegungen Israels einsichtig, daß die eigentümliche personale Gegenständlichkeit der Dinge nicht allein als Produkt eines verdinglichten Denkens zu erklären ist. Sie hängt auch mit der personali sierenden Funktion zusammen, welche: den Dingen innerhalb der gegenständ lichen Selbstaneignung des SubjektS prinzipiell zukommt. Die Gegenständ lichkeit, in der die Dinge unter der Bedingung des Warenfetischismus angeeig net werden, ist also- zusammengefaßt- für Israel darum >verkehrt<, weil in ihr nicht so sehr der materielle Gebrauchswert der Dinge realisiert ist, als vielmehr ein psychisches Bedürfnis repräsentiert wird, das auf diese Weise dinglich statt handelnd befriedigt wird. Israels Argumentation, die stärker als die bislang behandelten Theorien die Konsumtionssphäre in die Frage nach der Verdinglichung einbezieht, zeigt damit die Richtung an, die im allgemeinen von den neueren Untersuchungen dieser Zusammenhänge eingeschlagen wird. Bei Marx und Lukacs noch wesentlich auf die Produktionsbedingungen abzielend, werden die Begriffe •Verdinglichung« und •Warenfetischismusc jetzt zumeist als Kategorien der Konsumkritik in den Dienst genommen. Haugs ·Kritik der Warenästhecikc ist dafür das bekannteste BeispieLs. Seine Argumentation repräsentiert den der-
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zeitigen Stand in der Entwicklung des sozio-ökonomischen Begriffs des Fetischismus und mit ihrer Darstellung schließt dieser Teil dessen begriffsge schichtlicher Untersuchung. Haug übernimmt den von Marx entwickelten ökonomischen Begründungs zusammenhang des Fetischcharakters der Waren, thematisiert dann aber den Warenfetischismus vornehmlich als einen psychologischen Wirkungszusam menhang innerhalb des Warenkonsurns. Er geht davon aus, daß unter dem allgemeinen Diktat des Mehrwertes die Warenproduktion prinzipiell stärker am Tauschwert einer Ware als an deren Gebrauchswert orientiert sei. Das zeige sich u. a. darin, daß die geringer werdenden materialen und funktionalen Differenzen zwischen den verschiedenen Waren eines Typs zunehmend durch äußerlich inszenierte ersetzt und immer mehr Waren zur Aufrechterhaltung ihres Absatzes durch ephemere Innovationen künstlich veraltet würden. Diese und andere Erscheinungen lassen Haug den Schluß ziehen, daß der Ge brauchswert der Waren weitgebend ihrem Tauschwert nurmehr als Alibi diene. Am Ende stehe etwas, das eher als •Gebrauchswertversprechen« bezie hungsweise als bloßer sinnlicher, •ästhetischer Scheine zu charakterisieren sei.�7 Haug demonstriert an Verpackung, Werbung, Design und in anderen warenästhetischen Zusammenhängen, daß der Schein nicht den allgemeinen Bedingungen der Warenproduktion quasi automatisch •entspringt« und den Waren einfach •anklebt«, wie es Marx noch vom Fetischcharakter annehmen konnte, sondern strategisch geplant, vorbedacbt und produziert: •inszenierte Erscheinung« ist.�• Haug gibt der Bestimmung des Fetischcharakters der Waren auch insofern eine neue Wendung, als er das magische •Quidproquo• (Marx), das den Waren als Fetischen eigen ist, gleichsetzt mit •ästhetischem Schein«. Diesen definiert er an einer Stelle, Benjamins Bemerkung über die •Ästhetisierung« gesell schaftlicher, politischer Verhältnisse aufgreifend, als eine •raffinierte Kon struktion, ( ) die darin besteht, das Bedürfnis von seinem Ausdruck zu trennen, mit ästhetischen Mitte!ln den bloßen Ausdruck überreichlieb zu veranstalten und gegen Bedürfnis und Recht zu kehrenc.s' Daß die Menschen nun auf diese nur im Schein gemachten •Befriedigungsangebote der Waren• hereinfallen, sei in ihrem •leichtgläubigen Gebrauchswertstandpunkt« be gründet; und das •was auf ihn (den Schein, d. Verf.) hereinfällt, ist eine Triebsehnsucht« nach Haug.60 Wie wenig die Definition des ästhetischen Scheins der Waren als •Anschein< von Gebrauchswert und als Triebtäuschung dem gerecht wird, was sich in diesem Schein realisiert, läßt schon Haugs eigene weitere Argumentation erkennen. .,.Der Schein, auf den man hereinfällt, ist wie ein Spiegel, in dem die Sehnsucht sich erblickt und für objektiv hält. ( ) In diesen (Spiegel-, d. Verf.) Bildern werden den Menschen fortwährend unbefriedigte Seiten ihres Wesens aufgeschlagen. ( ) Der Schein dient sich an, als kündete er die Befriedigung an, er errät einen, liest einem die Wünsche von den Augen ab, bringt sie ins Liebt auf der Oberfläche der Ware. Indem der Schein, in dem die Waren einherkom men, die Menschen ausdeutet, versieht er sie mit einer Sprache zur Ausdeu tung ihrer selbst und der Welt.«n Was Haug hier den Waren vorwirft, nur im
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Gegenständlichkeit der Dinge
Schein, in einem >als-ob< zu geben, bat kaum mehr etwas mit deren Gebrauchs wert zu tun und repräsentiert komplexe psychische Zusammenhänge, die der Begriff der ,.Triebsehnsucht• gründlich verfehlt. Die anspruchslose Realistik, die Haug s kritische Rede von der Befriedigung im •Scheine auszeichnet, mag vielleich t im Zusammenhang solcher •objekti ven• Gegebenheiten wie den Gebrauchswerten heuristisch akzeptabel sein. Aber in Verbindung mit einem dezidierten Wissen um das, .. was die Menschen von sich aus sind und wollene�.�, und auf psychologische Bedin gung szusammenhä nge ang ewendet, führt ein dieserart wahrheitsseliger Be griff vom ästhetischen S ch ein zwangsläufig zu Verdikten, für deren man gelnde Dialektik ihre überreichliche Moralität nicht entschädigt." Da ein im Wesen des Menschen Unerfülltes - so es eben (noch) nicht wirklich ist- notwendig nicht anders als in einem Schein gegeben persistie ren und sich dem Menschen kenntlich erbalten kann (wenn der seinen Anspruch auf allseitige Verwirklichung nicht g leich zugunsten einer planen Kongruenz von Wirklichkeit und Wesen aufgib t) , ist das Kritisieren ästheti schen Scheins als • abscheulicher Betrug e ausgesprochen undifferenziert." Wenn Haug ihn nur im Dienste scheinb after Befriedigungen stehen sieht und in der • ästhetischen Innovation« nichts anderes als einen •Funktions träger der Regeneration von Nachfrage• erkenn�. dann versimpelt er die grundlegende Dialektik ästhetischen Scheins. Ihr trug Benjamin, auf den sich Haug wiederholt beruft, immerhin noch Rechnung, als er im ästheti schen Schein auch die antizipatorische Funktion wirksam sah, • eine Nach frage zu erzeugen, für deren volle Befri edigung die Stunde noch nicht gekommen ist«." Die Problematik, die Hau� am Schein festmacht, kommt nicht diesem selbst zu, sondern lieg t in emem durch ihn ermöglichten Verhältnis.Nicht der bloße Schein-Ch arakter des Quidproquo der Waren, sondern die in ihm erfolgende Verkehrung menschlicher Qualitäten in dingliche (und umgekehrt) besorg t den •Betru g• , von dem Haug sp rach; denn in ihr wird etwas dinglieb- als Besitz- erfüll bar, was zu leben - al s Sein - unerfüllt bleibt. Es liegt nun nach Haug in der Dynamik der allgemeinen Entwicklung der Warcnästbctik , •daß die Gebrauchswertstruktur der Waren sieb weiter ver schiebt in Richtung auf einen Überhang ihrer Beziehung auf Bedürfnisse phantastischer Art•, d. h. »in Richtung auf zunehmende Akzentuierung des Bedeutenden und Beziehungsvollen der Ware«, die so schließlich zu einem reinen •Bedeutungsdingc werde: ,. Vom unmittelbaren, materiell zweckbezo genen Gebrauchswert wird das Gewicht sich weiter verschieben auf die Gedanken, Empfindungen, Assoziationen, die man mit der Ware ver knüpft.•" Diese •Assoziationsböfe•, mit denen die Waren durch Verpackung und •werbliche Inszenierung• umgeben würden, sind für Haug sozusagen der Tatort des ,.Betruges•, denn hierfinde die warenästhetische ,.Modeliierung der Sinnlichkeit« statt: Es ist •das Übersinnliche an der Ware, dessen Macht ihre Sinnlichkeit und mit ihr die der Menschen modelt und ummodelt•." Und in seinen empirischen Untersuchungen unternimmt es dann Haug, konkret zu zeigen, wie Dinge jenseits ihres Gebrauchswertes mitderweile auch in diesem von ihm beschriebenen • assoziativen« Wert kommerzialisiert werden und daß
Das Ding als •Fetisch<
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die Psyche des Menschen über die ästhetisch •inszenierte« Gegenständlich keit, die sie an den Warendingen erhält, inzwischen auf industrielle Weise modellierbar, >bedingbar< geworden ist.
Im Zusammenhang dieser warenästhetischen Modeliierung der menschli chen Psyche stellt Haug eine eigentümliche Umkehrung heraus, der er inner
halb dieses Prozesses eine zentrale Bedeutung beimißt. Er argumentiert, daß nachdem sich die Waren in der ihnen durch Werbung, Design usw. vermittel ten Rhetorik zunehmend der Formen menschlichen •Liebeswerbens« und Verführens bedienten, es bald zu einer Umkehrung dieses Verhältnisses
komme und schließlich ,.die Menschen ihren ästhetischen Ausdruck bei den Waren entlehnen•." Was Haug !hier als ·Rückkoppelung ( ) von der aus
Verwertungsmotiven aufreizenden Gebrauchsgestalt der Waren auf die Sinn lichkeit der Menschen« bezeichnefO, wird n i einem späteren Kapitel näher
behandelt werden, allerdings in einem anderen Erklärungszusammenhang (siehe S. 1 46). Als durchgängig in Haugs Argumentation zur Gegenständlichkeit der Warendinge läßt sich festhalten, daß er das, was an einer Ware »über sie hinausverweist«, als •phantastisch« abwenet und darin nur das spezifische Produkt einer im Spätkapitalismus entwickelten warenästhetischen Machina tion sieht/' Seine »Kritik der Warenästhetik« erweist sich damit einem norma
tiven Konzept der Gegenständlichkeit der Dinge verpflichtet, das in ihnen nur ihren rationalen Gebrauchswen als gegenständlich (an)erkennt. Es disqualifi ziert alle solche Gegenständlichkeitsformen der Dinge, die nicht in einer
strikten Bedürfnislogik verrechenbar sind, als ihnen äußerliche bzw. als strategisch inszenierte.
Was Haug hinden zu sehen, daß die Dinge nicht erst in ihrer Warenform für mehr stehen als ihren Gebrauchswen und sie als die •vergegenständlichten Wesenskräfte des Menschen«, von denen Marx sp rach, notwendig •Über sich selbst hinausweisen«, ist die reichlich metaph y sische Annahme einer .»sinnlichen Unmittelbarkeit«, die zwar vom Kapttalismus »gebrochen• sei, in der dem Menschen aber ansonsten die Dinge durchaus als •einfach sinnliche Gegenstände« entgegentreten würden.72 In dem Konzept der Gegenständlichkeit der Dinge, das Haugs Theorie der Waren:isthetik zugrundeliegt, sind - um es auf eine Formel zu bringen - die
Dinge einzig als Bedürfnisdecker real und ist der Umgang mit ihnen als bloßer
Befriedigungsvollzug definien (wobei für Haug zudem nur die strikt materiel len Bedürfnisse als •wahre< gelten). Überblickt man die dargestellte Entwicklung des Begriffes >Fetischismus<
innerhalb der sozio-ökonomischem Theorien und fragt man nach dem gemein samen Nenner dessen, was sie als •verkehrt< herausstellen an der Gegenständ
lichkeit der Dinge im ,.Wareofetischismus«, so lautet die erste, noch sehr allgemeine Antwort: Das >Verkehrte< in der Gegenständlichkeit der Dinge als Waren kommt zustande, indem im ihnen mehr gesehen und im Umgang mit ihnen mehr realisiert wird, als nwr ihr materieller Gebrauchswert.
Während für Marx in den Diingen - so er sie als •vergegenständlichte
•
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Explorationen
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Gegenständlichkeit der Dinge
Wesenskräfte des Menschen« begriff - sich zumindest tendenziell noch mehr als nur materielle Bedürfnisse realisierten, die er zudem nicht nur von den Dingen »Zu.rückgespiegeltc, sondern ebenso in ihnen produziert sah, werden
diese Verhältnisse dann in seiner Nachfolge zunehmend vereinseitigt. Und zwar namendich durch die tendenzielle Gleichsetzung von Vergegenständli chung und Verdinglichung, wie sie etwa Lukacs vollzog, und durch die Verabsolutierung (um nicht zu sagen: Fetischisierung) des Gebrauchswertes der Dinge, wie sie bei Israel und Haug aufgezeigt wurde. Vor allem zwei Aspekte dieser Vereinseitigung sind hier herauszustellen. Zum einen fübn sie dazu, daß das in den Dingen gegenständliche Menschliebe nonnativ auf die im striktesten Sinne des Wones materielle Bedürftigkeit des Menschen reduziert wird und dieser damit auf ein Gebrauchswen produzierendes und konsumie rendes Wesen. Zum anderen, wenn das Phänomen, daß die Dinge den Menschen - ihn >bedingend• - modellieren, grundsätzlich als problematisch gilt, weil hier nicht der Mensch die Dinge nach seinen Bedürfnissen modelt, wie es doch allein seiner würdig sei (vgl. Haug u. a.), dann werden die Beziehungen zwischen den Menschen und den Dingen um ihre spezifische Dialektik gebracht. Schklowsky brachte sie einmal auf die knappe Formel : »Die Dinge machen mit dem Menschen das, was er aus ihnen macht.«n Überspitzt formuliert, argumentieren die behandelten Autoren nicht selten in einer Weise, daß man ganz entgegen ihrer marxistischen Position den Ein druck gewinnen muß, es dürfe prinzipiell sich nur der Mensch, namentlich seine »wahren Bedürfnisse« (Haug), in den Dingen abbi.lden, nicht aber die gegenständlichen Verhältnisse in ihm. Diese theoretisch vereinseitigre Beziehung des Menschen zu den Dingen bildet die Grundlage, auf der dann solche Phänomene wie die identitäts- bzw. statusbildende Funktion oder die personale Qualität von Dingen pauschal als Ausdruck einer Verkehrung des Menschlieben erklärt werden. Die sich darin manifestierende Anschauung von der >wahren< Gegenständlichkeit der Dinge zeugt von einem eigentümlich zweckrationalen und funktionalistischen Den ken, das jeden Umgang mit Dingen, in dem sich mehr oder anderes als ihre sogen annt objektiven Zwecke erfüllt, als •phantastisch« (Haug) disq ualifi ziert. Entsprechend sind dann alle psycho-logischen, d. h. weder im materiel len Bedürfnis noch im materiellen Objekt logifizierbaren Qualitäten der Dinge auch nur als Symptom eines »Verdinglichten Denkensc (Israel) oder als täuschender »Scheine (Haug) begreifbar. Und wenn Haug in diesen Qualitä ten nur kapitalistische Machination und •abscheulichen Betrug« ausmachen kann, dann enthüllt sich da ein Gebrauchswert-Moralismus, in dem das (zweck)rationale Voruneil, mit dem die Theorien des Warenfetischismus immerschon die Gegenständlichkeit der Dinge betrachteten, zur ethischen Norm erboben ist.
Das Ding
i J. Der psychopathalogsche
als •Fetische
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Begriff des Fetischismus
lm Jahre 1887 fand der Begriff d.es Fetischismus durch Binets Aufsatz »Le feticbisme dans l'amour.: Eingang in die französische Psychologie und ein Jahr später durch Dessoir auch in die deutsche.1 Binet umriß mit dem Begriff eine Vielzahl von Phänomenen, denen gemeinsam ist, daß ein Körperteil oder eine körperliche Besonderheit und auch Objekte, die dem Körper assoziativ ver bunden sind, eine besondere sexuelle Attraktion für ein Individuum besitzen. Darin erkennt Binet noch nichts prinzipiell Anormales, denn er sieht •auch in der normalsten Liebe ( ) stets ein Quantum Fetischismus eothaltenc.2 An anderer Stelle geht er so gar so weit zu sagen, daß die )>normale Liebe« als das »Ergebnis eines komplizierten Fetischismus« betrachtet werden könne, und er formuliert damit eine Auffassung, ·die auch von Tarde vertreten wird.) Die eher normalen Fälle, in denen ein Detail an einer Person im Zentrum der Anziehung steht (vgl. Hirschfelds »Teilanziehungc), aber die Beziehung zur Person erhalten und komplex bleibt, bezeichnet Binet als den �>Kleinen Fetischismus«. Dagegen werde im )>Großen Fetischismus• die Person nach dem pars-pro-toto Prinzip durch das faszinierende Detail substituiert: •Der Fetischismus in der Liebe hat die Tendenz, den Gegenstand seines Kultus von allem, was ihn umgibt, vollkommen abzulösen und zu isolieren, und wenn dieser Gegenstand Teil einer lebendigen Person ist, wird der Fetischist versuchen, diesen Teil zu einem unabhängigen Ganzen zu machen.•• Ähnlich argumentiert Krafft Ebing: ·Das Abnorme liegt darin, daß ein Teileindruck das sexuelle Interesse auf sich vereinigt, so daß daneben alle anderen Eindrücke verblassen und mehr oder weniger gleichgültig werden. Körper und Seele der anderen Personen werden gewissermaßen Anhängsel des Fetisch.cs Die Erscheinung des pathologis·chen Fetischismus ist-wie die Perversionen insgesamt - für Binet aus dem Zusammentreffen eines zufälligen Ereignisses mit einer Prädisposition in der Person (•accident agissant sur un sujet predis pose«) zu erklären. Um es an einem schematischen Beispiel zu verdeutlichen, das von verschie deneo Autoren in diesem Zusammenhang bemüht wird: •Ein Knabe sieht den nackten Busen seiner Erzieherin und wird dabei zum ersten Male geschlechtlich erregt. Er wird nun zum Busenfetischist und ist dann immer auf der Suche nach diesem ersten Eindrucke« (Stekel, vgl. auch Hirschfeld).' Dieser Erklärung Binets, die unschwer als Vorläufer der Freud'schen Trauma theorie auszumachen ist, folgen auch die meisten der Autoren, die sich in seiner Nachfolge mit dem Fetischismus befassen, namentlich Krafft-Ebing, Moll und Merzbach. Krafft-Ebing (1 893) stellt allerdings stärker als Binet heraus, daß es zumeist der erste sexuelle Erregungszustand überhaupt ist, in dem sich die Fetischbildung, d. h. die Assoziation dieser Erregung mit einem zufällig präsenten Objekt, abspiele. Es handle sich beim Fetischismus aber keineswegs um eine •reine Assoziationsperversion•, da immer auch eine aUgemeioe, angeborene Disposition vorliegen müsse.7 Havelock Ellis (1907) dagegen versteht den Fetischismus als Grenzform eines allgemeinen •eroti-
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Exploratione.n zu Gegenständlichkeit der Dinge
sehen Symbolismus«, deren Entwicklung im Fetischisten eine •extreme lndi vidualität« voraussetze, die auch schließlich die •krankhafte und gefährliche Isolierung des Fetischisten« zur Folge habe.• Für Stekel wiederum, der in seinem Werk •Störungen des Trieb- und Affektlebens« (1920) dem Fetischismus einen ganzen Band widmet, und die Theorien der vorgenannten Autoren einer psychoanalytischen Revision unter zieht, bildet der ,.Jnzestwunsch« den •nie fehlenden Kern« des Fetischismus, ,.dessen tiefstes Wesen sich eigentlich restlos als ein Abrücken von dem Weibe, eine Flucht vor dem Weibe erklären läßt«.' Gegen die von Sadger unter Berufung auf Freud (s. w. u.) gegebene Deu tung des Fetischs als einer Symbolisieru.ng des (weiblichen) Genitals erhebt Stekel den Vorwurf, sie verkenne gänzlich die »komplexe Bedeutung• dieses Symbols.10 ,.zwar genitalisiert der Fetischist seinen Fetisch, d. h. er ersetzt ihm das Genitale, von dem der Erwachsene Lust erwartet und empfängt•, so daß •er seine Befriedigung statt am Genitale am Fetisch findet«, aber •nie ersetze der Fetisch direkt nur das Genitale.«11 Gerade dieser komplexe •pathologische Symbolismus« kennzeichnet nach Stekel wesentlich den Fetischismus, diese »Tyrannei der Symbolisme111 « .U Insgesamt ist festzustellen., daß den genannten AutOren, so unterschiedlich sie zum Teil argumentieren, eines gemeinsam ist: Während ihre erklärenden Ausführungen zum Fetischismus eher pauschal oder unzusammenhängend sind und zumeist nur wenige Seiten umfassen, widmen sie sich mit einem nachgerade enzyklopädischen Ehrgeiz der Kasuistik. Da werden neben den Klassikern, wie dem ,.zopfabschneider«, dem Fuß- oder dem Korsettfetischi sten noch derartige Wunderlichkeiten verzeichnet, wie etwa ein ,.Trauerflorfe tischist«, ein »periodischer Stiefelfetischist« (Krafft-Ebing/Moll) oder ein ,.Wurst- und Rosenfetisch ist« (Stekel). Die einzige Einsicht, zu der diese überbordende Kasuistik führt, ist die, daß eigendich alles zum Fetisch werden kann: »a) ein Körperteil, z. K Haar, Nase, Hand, Podex; b) eine Körpereigen schaft, z. B. Hinkende, Einäugige; c) ein Gegenstand, besonders weibliebe Kleidungsstücke, z. B. Taschentuch, Schürze, Schube, weiße Unterhosen, auch Stoffe; d) eine Handlung, z. B. Urinieren; eine psychische Eigenschaft, z. B. männliches Wesen« (Krafft-Ebing).u Aber ebensogut kann all dies zum Gegenstand eines »Antifetischismus« werden; nach Hirschfeld handelt es sich hierbei um eine »Teilaversion«, um eine extrem unlustvolle Beziehung zu speziellen Objekten oder zu einem Detail an ihnen.14 Überblickt man die theoretischen Aussagen der behandelten Autoren und die von ihnen dargestellten Fälle, so lassen sich drei für ihr Verständnis des Fetischismus wesentliche Momente als durchgängig ausmachen. Da ist einmal (a) die pars-pro-toto-Funktion des Fetischobjektes. Das heißt, im Verhalten der Fetischisten steht das von ihnen gekürte Objekt oder Objektdetail für die andersgeschlechtliche Person, deren Teil es ist oder mit der es assozüert wird. Wobei das Objekt im extremen Fall dieses »Partialismus« (Stekel) schließlich an Stelle dieser Person steht. Diese (b) individuell willkürliebe »Abstraktion« (Binet) eines Details von der Person und seine Verabsolutierung derart, daß die Person hinter ihm zurücktritt und nurmehr als •Appendix des Fetisch«
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(Havelock Ellis) fungiert, wird von allen Autoren als das Kriterium des pathologischen Fetischismus angesehen. Der Fetischist folge schließlieb (c) nurmehr einem •unpersönlichen abstrakten Symbol« (Havelock EUis), statt den •Gesetzen der Natur zu dienen« {Krafft-Ebing) oder klarer ausgedrückt: ohne daß er »die Fortpflanzung gewährleistet« (Havelock EUis). Das >Verkehrte• der Gegenständlli cbkeit, die ein bestimmtes Objekt für den Fetischisten besitzt, machen diese Autoren also im wesentlichen darin aus, daß der Fetischist dem Objekt eine ausschließlich individuelle Bedeutung verleiht, in der es nicht mehr funktional, und das heißt für sie, nicht mehr zum Geschlechtsverkehr anreizend, realisiert wird. Stattdessen ersetzt das Objekt als ein •Simulacrum des Koitus« (Havelock Ellis) eben diesen. Verallgemei nernd formuliert, wird also in diesen Theorien eine Gegenständlichkeit von Dingen als •verkehrte• bestimmt, insofern sie eine nicht-funktionale und (individuell) symbolische ist. Dabei fällt auf, daß die Autoren den Begriff des Symbols auf eine recht problematische Weise verwenden. Wenn ein Symbol - um es ganz pauschal zu definieren - etwas ist, das verweisend für etwas Anderes steht, dann wäre eigentlich vom sexualpathologischen Fetisch eher zu sagen, daß er zutiefst unsymbolisch ist. Steht er doch- so, wie e r von den Autoren beschrieben wird - nicht mehr für die andersgeschlechtliche Person oder für den Koitus, sondern an deren Stelle und statt ihrer. Er verweist nicht auf das Andere, sondern ersetzt es. Zwar ist der Fetisch möglicherweise symbolisch zu deuten, aber er funktioniert nicht wie ein Symbol, da in ihm die Realität dessen, wofür er steht, zugleich annihiliert wird. Dieses eigentümlich Paradoxe der Gegenständlichkeit des Fetischobjektes wird zwar von den bislang behandelten Autoren in ihren Aussagen immer wieder illustriert, aber ohne daß sie es selbst je bemerken. Es wird erst in Freuds Theorie des Fetischismus expliziert, die als de.r erste Versuch einer systematischen Erklärung dieses Phänomens gelten kann. Freud entwickelte diese Theorie in einem Aufsatz aus dem Jahre 1927, der sich ausschließlieb mit dem Fetischismus befaßt.u Aber schon zuvor hatte er in den •Drei Abhand lungen zur Sexualtheorie« (1905) zum Fetischismus Stellung genommen und ihn generell als eine Abweichung sowohl vom Triebziel als auch vom Triebob jekt charakterisiert." Er sieht in ihm den Ausdruck einer auch für das normale Liebesleben •psychologisch notwendigen Ü berschätzung des Sexualobjek tes ( ), welche unvermeidlich auf alles mit demselben assoziativ Verbundene übergreift« .17 Pathologisch werde die »Sexualüberschätzung« erst dann, •wenn sich das Streben nach dem Fetisch ( ) an die Stelle des normalen Zieles setzt, ferner wenn sieb der Fetisch von der bestimmten Person loslöst, zum alleinigen Sexualobjekt wird« und damit zum •Ersatz« des eigentlichen Se xualobjektes.11 •Dieser Ersatz wird nicht zu Unrecht mit dem Fetisch vergli chen, in dem der Wilde seinen Gott verkörpert sieht.«" In einer diesem Aufsatz im Jahre 1920 hinzugefügten Anmerkung, in der er sich gegen Binets Ansicht wendet, der Fetisch trete unmittelbar aus dem Zusammentreffen eines zufälligen Ereignisses mit einer hereditären Disposi tion hervor, argumentiert Freud: •Der wirkliche Sachverhalt ist der, daß
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Explorationen zu Gegenständlichkeit der Dinge
hinter der ersten Erinnerung an das Auftreten des Fetisch eine untergegangene und vergessene Phase der Sexualentwicklung liegt, die durch den Fetisch wie durch eine •Deckerinnerunge vertreten wird, deren Rest und Niederschlag der Fetisch also darsteUt.«10 Die Funktion des Fetisch ist also für Freud eine doppelte, er sieht ihn etwas ersetzen und gleichzeitig etwas kaschieren. Worum es sich dabei jeweils konkret handelt, klärt Freud erst in jenem späteren Aufsatz aus dem Jahre 1927. Davon ausgehend, daß der Fetischist den Fetisch •in vielen Fällen behandelt ( ) in einer Weise, die offenbar einer Darstellung der Kastration gleichkommt•, hält Freud den Fetischismus darin begründet, daß der "männliche Patient die Penislosigkeit des Weibes nicht anerkennt, die ihm als Beweis für die Möglich keit der eigenen Kastration unerwünscht ist. Er verleugnet darum die eigene Sinneswahrnehmung, die ihm den Penismangel am weiblichen Genitale ge zeigt hat, und hält an der gegenteiligen Überzeugung fest. Die verleugnete Wahrnehmung ist aber auch nicht ohne Einfluß geblieben, denn er hat doch nicht den Mut zu behaupten, er habe wirklieb einen Penis gesehen. Sondern er greift etwas anderes, Körperteil oder Gegenstand, auf und verleiht dem die Rolle des Penis, den er nicht vermissen will.c11 Der Fetisch ist also nach Freuds Meinung ein •Penisersatzc und zwar ein •Ersatz für den Phallus des Weibes (der Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat•, und dergestalt besitze er die Funktion einer Angstabwehr: ·Die Schöpfung des Fetisch folgte ja aus der Absicht, den Beweis für die Möglichkeit der Kastration zu zerstören, so daß man der Kastrationsangst entgehen kann.•u Jenseits der Penis- und Kastrationsterminologie ist an Freuds Ausführungen über den Fetischismus festzuhalten, daß er die spezifische Gegenständlichkeit, die Dinge oder Objektdetails im sexuelJen Fetischismus erhalten, gewisserma ßen als eine doppelt •verkehrte< begreift. Der Fetisch •ersetzte etwas (weibl. Phallus), das es objektiv gar nicht gibt, dessen Nicht-Existenz aber mithilfe seiner angeblichen Ersetzung- in Wahrheit seine phantastische Erschaffung verleugnet wird. Hier figuriert also anschaulieb Gegenständliches als Reprä sentant eines imaginären, rein psycho-logischen Gegenstandes und leistet ein Ding die Institution:Uisierung einer psychischen Struktur (der Fetisch als •Organ< der Angstabwehr). Es ist diese extreme (individuelle) Ent-Objektivie rung eines anschaulich Gegenständlichen, die verbunden ist mit der gänzlichen Aufhebung seiner funktionalen lntergration in das als Telos Vorgegebene (der Geschlechtsverkehr bzw. die Fortpflanzung), was für Freud das •Verkehrte< im fetischistischen Objektverhalten ausmacht, die Perversion. Der Fetischismus als dieser psychologische Fall einer nicht-objektiven, dysfunktionalen Gegenständlichkeit von Dingen ließe sich - umgekehrt be trachtet - also als paradigmatischer FaJJ einer sozusagen •reine psycho-logi schen Gegenständlicbkeitsform lesen und könnte derart die Grundlage einer aUgemeinen psychologischen Theorie des Gegenständlichen bzw. der Gegen ständlichkeit der Dinge bilden. Auf diese Erklärungsperspektive weist Ponta lis in seiner Einleitung zu der im Jahre 1972 erschienenen Aufsatzsamm lung •Objets du fetichisme• hin, die den heutigen Stand in der Entwicklung des psychopathologischen Begriffes •Fetischismus• widerspiegelt.v Die Diskus-
Das Ding als •Fetisch•
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sion einz:elner ihrer Beiträge wird das diesem Begriff gewidmete Kapitel abschließ.en. Pontalis kommt in seiner einleitenden Betrachtung des Fetischismus nicht umhin festzustellen, wie problematisch doch inzwischen dieser Begriff gewor den ist. Er räumt ein, daß womöglich die Leugnung der >Realität< der Kastra tion nicht das einzige Thema im Fetischverhalten sei. Und er spricht dann die oben entwickelte allgemeine Erklärungsperspektive zum Fetischismus an, indem er die These aufstellt: »Der Fetischismus kann dem psychoanalytischen Zugriff der Objektbeziehung als Modell dienen, so wie z. B. eine Randerschei nung wie das Vergessen von Namen von exemplarischem Wert für die Zergliederung der Mechanismen war, nach denen sich die Bildungen des Unbewußten formen.«24 Andererseits argumentiert er gegen die von Freud vorgenommene Differenzierung zwischen •normalen« und •perversen« For men des Fetischismus, die •Existenz einer solchen Abstufung birgt die Gefahr, daß wir das Problem verwässern«.25 Und damit verrät er dann doch wieder die Sorge um eine eigenständige Ä tiologie des Fetischverhaltens als einer Perver sion. Diese allgemeine Sorge erklärt wohl auch, wieso die von Pontalis angesprochene Möglichkeit, über die Analyse des Fetischismus grundlegende Einsichten in die allgemeine Struktur psycho-logischer Gegenständlichkeits formen zu gewinnen, von den verschiedenen Autoren nicht wirklich aufgegrif fen wird. Der ,.Wunsch, die Besonderheit der perversen Struktur (des Feti
schismus, d. Verf.) zu begründen«, den Dorey formuliert, zeitigt vielmehr ungemein komplizierte, aber doch wohl eher begriffs-beliebige Theoreme und
Kontroversen, von denen seine Zusammenfassung der •Psychoanalytische(n) Beiträge zur Untersuchung des Fetischismus« ein getreues Bild vermittelt.u Es macht nachvollziehbar, was Baudrillard dazu bewegte, den Fetischismus die •Cremetorte der zeitgenössischen Analyse« zu nennen; der Terminus selbst sei inzwischen ein ,.Fetischbegriff« geworden, .. der nicht nur deshalb, weil er die Analyse kurzschlie.ßt, sondern. vor allem deshalb, weil er ( ) Ideologie befördett«.27 So kr�nken denn auch die psychoanalytischen Beiträge dieses Bandes fast durchgängig daran, daß sie den Fetischismus strikt als Perversion abhandeln, ohne je die Sexualschematik und das Fall-Anekdotische aufzugeben und einmal systematisch zu fragen, von was denn eigentlich?! Daß eine Analyse der •perversen< Erscheinungen des Fetischismus möglicherweise den allgemeinen Prozeß psychischer Objektbildung aufdecken könnte, wie es Pontalis rekla miene, dazu vermitteln allenfalls zwei Autoren eine Perspektive. So spricht Rosolat<> in seinem Beitrag davon, daß das Fetisch-Objekt etwas hervortreten lasse, ..was man das perspektivische Objekt nennen könnte, nämlich das Objekt im Negativ, das jeder Objektbildung als Organisator dient ( ) und das sich als mangelndes Objekt abhebt«.21 Man wird diese nicht weiter erläuterte
Aussage wahrscheinlich so zu interpretieren haben, daß da eine Form von Objekt mgesprochen ist, in der dieses noch eher nur als Bedürfnis denn schon als wirkliches Ding real ist. Damit wäre hier also im Grunde nichts anderes als die psychische Gegenständlichkeit gemeint, die das Bedürfnis selbst - als ein verspürtes - besitzt, ohne schon auf ein Objekt gerichtet zu sein. Dieses
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Explorationen
zu
Gegenständichkeit l der
Dinge
•Objekt im Negativ« stellt gewissermaßen das noch objektlose, noch nicht vergegenständlichte, also das im ganz wörtlichen Sinne unbedingte Bedürfnis dar: Es ist da noch nicht zu einer Differenz zwischen dem Bedürfnis und den Bedingungen seiner gegenständlichen Befriedigung gekommen und hat noch nicht jener Prozeß der Entzweiung stattgefunden, der nach psychoanalyti scher Meinung grundlegend für die Bildung >realer< Objekte ist (vgl. hier S. 59f. u. S. 77f.). Dieses vor-objektiv Gegenständliche, das wenig mit den konkreten materiellen Dingen gemein bat, aber ihre psychologische Realität wesendich mitträgt, ist es wohl auch, was Baudrillard meint, wenn er sagt, »daß hinter jedem realen Objekt ein geträumtes Objekt stebt«.n Die Funktion, in der jenes »Objekt im Negativ« als Organisator der Objektbildung dient, wird deutlicher auf dem Hintergrund von Überlegun gen, die Smirnoff über die Funktion des Fetisch-Objektes im Zusammenhang des angesprochenen Schismas anstellt. Er kennzeichnet dieses Schisma generell als die ,.Trennung des Subjekts von dem Gegenstand seines Wunsches• und erkennt in ihm das zentrale und gemeinsame Thema der Komplexe Kastration, Geburt, Entwöhnung und des analen Konfliktes. Das Fetischobjekt sei nun ebenso Ausdruck solcher erfahrenen Trennungen wie auch des Versuches ihrer Verleugnung Smirnoff legt den Gedanken nahe, diese am Fetisch-Objekt besonders hervortretende Funktion der ,.Wiederberstellung einer verlorenen Kontinuität• zumindest den frühen Objektbildungen prinzipiell zuzuschrei ben.)• Die frühkindliche Objektbildung erschiene so von dem ebenso unab dingbaren, wie unrealistischen Versuch getragen, eine ursprüngliche (pränata le) Differenzlosigkeit von Subjekt, Bedürfnis und Objekt wiederherzustellen, welche aber in der Reihe jener genannten entzweienden Situationen irreversi bel auseinandertreten und zunehmend eigenlogische Einheiten bilden. Einer seits würden also die frühkindlichen Objekte der phantastischen Abwendung und Leugnung dieses Schismas dienen, aber andererseits auch schon sein erstes, noch symbolisch verklausuliertes An-Erkennen darstellen und so die Möglichkeit einer ersten, gegenständlichen und prälogischen Auseinanderset zung mit dieser schwierigen Erfahrung eröffnen.u .IO
.
Diese Interpretation einiger isolierter Bemerkungen mag z.war über den
Erklärungshorizont der einzelnen Texte hinausgehen, aber sie stellt immerhin Zusammenhänge her, die im Fetischismus mehr als nur eine schlichte >Psycho pathia sexualis< erkennen lassen. Dagegen ist den psychoanalytischen Untersu chungen insgesamt vorzuhalten, »den Fetischismus zu leichtfertig in den Bereich der >Perversionen< verbannt« (Smirnoff) zu haben.n Damit vergaben sie die von Pontalis aufgez,eigte Chance, an diesem Phänomen allgemeinere Einsiebten über die Objektbildung und die psycho-logischen Funktionen von Dingen zu gewinnen. Gerade die von Pontalis zusammengetragenen psycho analytischen Beiträge illustrieren immer wieder, daß den Begriff des Fetischis mus inzwischen das Schicksal eines Fetisch ereilt hat: Gegenstand subtiler (Erklärungs-)Rituale zu sein und bar jeder Transparenz auf das sieb in ihm verkehrt - Zeigende. Überblickt man die dargestellte Entwicklung des psychopatbologischen Begriffes >Fetischismus<, dann läßt sich in bezug auf die hier gegebene Frage-
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stellucg folgendes zusammenfassend feststellen. Die Gegenständlichkeit, wel che die fetischisienen Dinge oder Objektdetails erhalten, zeichnet sich für die verschiedenen Autoren übereinstimmend dadurch als >verkehnec aus, daß sie extrem subjektiv sei: dem Ding nur vom einzelnen Individuum attribuien und für Andere so nicht gegeben (Ent-Objektivierung). - Und weiterhin dadurch, daß in dieser subjektiven Gegenständlichkeit das Ding der intermediären Funktion, die ihm im Rahmen des Geschlechtslebens normaliter zukomme, gänzlich enthoben sei (Ent-Funktionalisierung). Diese •verkehrte• Realität eines fetischisierten Dinges, die jenseits dessen liegt, was sie als seine objektive funktionale Bestimmung annehmen, wird von den behandelten Autoren einhellig als symbolische interpretien. Dabei teilen sie weitgehend die An sicht, daß die Symbolik, welche die Dinge hier besitzen, eine in individueller Willkür geschaffene sei. Sie sei in nichts Anderem begründet, als in einer aus biographischen Zufällen und einer •nervösen Disposition• entstandenen, krankhaften Verwirrung und damit Ausdruck einer Perversion. Daß sich in der imaginären Gegenständlichkeit der Fetischdinge möglicherweise mehr und anderes zeigt, wird von den Autoren allenfalls am Rande in Betracht gezogen und bleibt zumeist unverbindliche Bemerkung. So wenn Stekel den Fetischi sten als •Dichter seines eigenen Lebens• bezeichnetl• oder wenn Havelock Ellis am Schluß seiner Betrachtung des •erotischen Symbolismus• von dessen Erscheinungen sagt: ,.Von allen sexualpsychologischen Erscheinungen, nor malen und anormalen, sind sie die am meisten spezifisch menschlichen. Stärker als alle anderen involvieren sie die mächtige plastische Kraft der Imagination. Sie führen uns den Menschen als Individualisten vor, nicht nur entfernt von seinen Mitmenschen, sondern in Opposition zu ihnen sich sein eigenes Paradies schaffend. Sie bilden den höchsten Triumph der menschlichen Ideali sationskraft. Nach diesem Überblick über die historische Entwicklung des Begriffes •Fetischismus• innerhalb der verschiedenen mit ihm operierenden Wissen schaften gilt es nun, die einzelnen Feststellungen, die über das ihren Aussagen inhärente Konzept der Gegenständlichkeit der Dinge getroffen wurden, auf gemeinsame Züge hin zu befragen und zusammenzufassen. Wie schon ihre Darstellung im einzelnen deutlich machte, ist allen Theorien des Fetischismus die grundlegende Annahme gemeinsam, daß in ihm ein Mangel an Vernunft zutagetrete. - Sei es in dem Sinne, daß hier noch nicht logisch gedacht und rational (•objektive) geurteilt werden könne (vgl. Hege! oder Tylor); sei es daß einer Selbsttäuschung oder einer Manipulation aufge sessen werde (vgl. Marx bzw. Haug); oder sei es in dem Sinne, daß ein perverses Interesse oder eine traumatische Angst die Realitäten verkennen mache (vgl. Krafft-Ebing bzw. Freud). In dem Verdikt, das diese Theorien im Namen der Vernunft über die von ihnen beschriebenen Formen der Gegenständlichkeit der Dinge verhängen, erfüllt sich jenes Konzept des rationalen Objekts auf der Ebene der Einzelwis senschaften, das Descanes in seinen •Meditationen über die erste Philosophie• als verbindlich für alle wissenschaftliche Erkenntnis postulierte. Denn wenn, wie Descartes nachgewiesen zu haben glaubte, •die Körper nicht eigentlich •n
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Gegenständlichkeit der Dinge
von den Sinnen oder von der Einbildungskraft, sondern von dem Verstand allein wahrgenommen werden, und zwar nicht weil wir sie berühren und sehen, sondern lediglich weil wir sie denken•J6, dann läßt sich die Tatsache, daß jemand mit Dingen anders umgeht als es den Anderen selbstverständ lich ist, nur so erklären, daß dieser entweder bar des Verstandes ist oder >verkehrt< denkt. Weiterhin wird von den verschiedenen Theorien des Fetischismus durch gängig die Ansicht vertreten, in ihm werde die wahre Natur der Dinge und insbesondere ihre einzig objektive Funktion verfehlt. Wobei als diese Funk tion der Dinge sehr Verschiedenes herausgestellt wird, sei es die ..gegen ständliche Verwirklichung des menschlichen Wesens• (Marx in seinen Früh schriften), das Gestellen von Gebrauchswert (Haug) oder eine intermediäre erotische Attraktion im Dienste der Fortpflanzung (Krafft-Ebing u. a.). Neben diesen strukturellen Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den ver schiedenen Fetischismus-Theorien noch zahlreiche andere Parallelen. Da sie aber schon in den einzelnen Darstellungen hervorgehoben wurden, erübrigt es sich hie.r, sie noch einmal zu explizieren. Dagegen wäre an dieser Stelle noch auf einige bemerkenswerte Beziehungen zwischen der sexualpathologi schen und der sozio-ökonomischen Erklärung des Fetischismus hinzuwei sen. Wenn z. B. Simmel und Lukacs beschreiben, wie in der von Arbeitstei lung und Spezialisierung geprägten Warengesellschaft und durch jene, die Produktionsbedingungen organisierende ,.formale Rationalität• (Weber) schließlich der Mnesch »verdinglicht« wird und »selbst seine psychologi schen Eigenschaften von der Gesamtpersönlichkeit abgetrennt, ihm gegen über objektiviert werden, um in rationelle Spezialsysteme eingefügt und hier auf den kalkulatorischen Begriff gebracht werden zu können« (Lukacs), dann gleicht das, was sie dem Menschen in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen widerfahren sehen, ziemlich genau dem, was der Fetischist mit der andersgeschlechtlichen Person macht. So wie unter den von Simmel und Lukacs beschriebenen Verhältnissen das Subjekt um seine individuelle Totalität gebracht wird und nurmehr als Träger spezieller, verwertbarer Eigenschaft figuriert, so rc duz. iert der Fetjschjst die Realität der andersge schlechtlichen Person auf das eine seiner Lust dienliche spezifische Detail, »SO daß die Person als ein unwichtiges Anhängsel des Fetisch in den Hinter grund tritt« (Havelock Ellis). - Während sich in bezug auf die Produktions verhältnisse gleichsinnig formulieren ließe, daß dort das Individuum als ein •unwichtiges Anhängsel< seiner Arbeitskraft in den Hintergrund tritt. Das Paradoxe an dieser Parallelität des Fetischismus in der Liebe und in der Arbeit ist allerdings, daß Lukacs in der beschriebenen Partialisierung und Verdinglicbung des Sulbjekts die Auswirkung der Herrschaft einer auf Kalkulierbarkeit des Menschen abzielenden .formalen Rationalität� (We ber) erkennt, dagegen Krafft-Ebing und die anderen psychopathologischen Autoren in den nämlichen. Verhältnissen den Ausdruck einer Perversion sehen. So ergibt sich hier das erstaunliebe Bild, daß Formen menschlicher Bezie hung, in denen sich nicht nur für Lukacs die Ratio der gesellschaftlichen,
Das D�ng als •Fetisch<
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ökonomischen Verhältnisse repräsentiert", zugleich innerhalb der individuel len geschlechtlichen Verhältnisse als Perversion gelten. Es gäbe nun sicher einiges nachzudenken darüber, inwieweit der •Fetischis mus in der Liehe• (Binet), der den Psycho p athotogen um die Jahrhundert wende so reichlich Gelegenheit bot, im Liebesleben eben den Ganzheitsan spruch des Menschen zu reklamieren, der doch zur g leichen Zeit in dessen Arbeitsleben immer irrealer wurde, - ob der sexuelle Fetischismus nicht vielleicht eine Reaktionsbildung auf die in dieser Zeit innerhalb der Arbeits welt sieb abspielenden Veränderungen der menschlichen Beziehungen dar stellt.- Etwa in dem Sinne, daß im Fetischismus die Prinzipien, denen sich das Individuum in seinen Arbeitsverhältnissen unterworfen erfährt, in den geschlechtlichen Beziehungen reproduziert werden, dabei aber ins Aktivi sche gewendet (•verkehrt<) und derart ihr Widerfahrnis kompensierend. Dies kann hier nur Spekulation bleiben. Aber immerhin hat schon Stekel den psycho-sexuellen Fetischismus als eine »soziale Krankheit« und als ..Zerrspiegel unserer kranken Zeit• bezeichnet.>� Die ausge.sprocbene Parallelität der psychopathologischen und der sozio ökonomischen Erklärung des Fetischismus zeigt sich auch in ihren jeweiligen Bestimmungen der Funktion des Fetisch. Wenn z. B. Godetier in seiner Analyse der Marx'schen Theorie des Warenfetischmus resümiert: •Seinem Wesen nach besteht der Fetischismus der Warenwelt also darin, daß die Erscheinungsform des Werts die Eigenschaft hat, das wirkliebe Wesen des Werts zu verschleiern und genau sein Gegenteil zu zeigen«3', dann stellt er damit an ihm eine ähnlich doppelte Verkehrung he.raus wie Freud. Denn auch für Freud galt, daß im Fetisch etwas •verleugnet« (i.e. die wahrgenommene »Penislosigkeit des Weibes•) und zugleich das Gegenteil des Verleugneten symbolisch figuriert wird (der Fetisch als Simulacrum eines weiblichen Phallus). Solche und andere Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Theo rien des Fetischismus bestätigen aber nur punktuell, was der hier gegebene Überblick prinzipiell deutlich gemacht haben dürfte.- Daß diese Theorien, so unterschiedlich sie im einzelnen ihre Thesen begründen und die Phänomene erklären, in einem Punkt konvergieren: in der impliziten Bestimmung einer rationalen, funktionalen Gegenst.ändlichkeitsform der Dinge. Die dabei von ihnen als >verkehrt< ausgegrenzte Form der Gegenständlichkeit von Dingen beschreiben sie als eine, in der die Dinge (a) nicht >objektiv< bzw. nicht gemäß einem gegebenen Konsens; (b) nicht rational, also nicht auf der Grundlage einer strikten logischen Subjekt-Objekt Trennung und (c) nicht funktional, d. h. nicht den herrschenden Zwecken integriert, realisiert werden. Wollte man die •verkehrte< Realität der Dinge nicht allein in dieser negativen Weise definieren, so gibt ihre DarsteUung innerhalb der behandelten Theorien dazu nur wenig her. Allenfalls wird gesagt, daß es sieb bei ihr um eine imaginäre, magische oder symbolische Realität handelt. In ihr seien die Dinge auf eine eigentümliche Art kommunikativ, agierten sie oft wie Personen und gehörten sie nicht einer vom Menschen getrennten Objektwelt an; sie lebten sozusagen mit ihm.
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Indem nun derartige Formen der Gegenständlichkeit von Dingen (als ihnen nicht >objektive eigen) irrealisiert und in das Reich des Imaginären und des nurmehr psychologisch Relevanten verwiesen wurden, konnten die Dinge einerseits zu eben jenen von Descartes kon�ipierten >rationalen Objekten• werden. Das rationale >Objekte, das eher ein das Verhalten normativ orientierendes Konstrukt denn eine phänomenale Einheit darstellt, ist natürlich weit davon entfernt, die empirische psychologische Realität der Dinge abzudecken. In den psychopatbologisch argumentierenden Theorien des Fetischismus wird dem noch am ehesten Rechnun g getragen, insofern da unter dem Begriff des •Kleinen Fetischismus• j a durchaus Formen jener nicht-rationalen Realität der Dinge als normal eingestanden werden. Andererseits aber: Indem die Theorien des Fetischismus es unternehmen, die Descartscbe Forderung eines >rationalen Objekts< einzelwissenschaftlich ein zulösen und sie auf ihrem Feld jeweils bestimmte Formen des Objektverhal tens als •magische, •pervers« oder •irrational« ausgrenzten und damit für nicht mehr im Objekt, sondern nurmehr im Subjekt begründbar erklärten, haben sie den Dingen überhaupt erst eine eigene psychologische Realität zugesprochen. Ja, man kann sogar soweit gehen zu sagen, daß sie diese überhaupt erst - per definitionem - schufen. So gesehen haben sie also im Negativ, als >verkehrte•, eben die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge beschrieben und zum Objekt der Wissenschaft gemacht, die hier in ihrer Eigentümlichkeit untersucht werden soll. Wenn Descartes, nachdem er die rationalen Prozeduren beschrieben bat, die zu einer klaren und distinkten und also gewissen Wahrnehmung der Dinge führen, einräumt: •Allerdings bleibt uns im Drang der Geschäfte nicht immer die Zeit z.u einer so genauen Prüfung, und deshalb muß ich gestehen, daß das menschliche Leben im Bereich der einzelnen Dinge doch gar oft Irrtümern unterliegt, und ich muß die Schwäche unserer Natur anerkennenc40, Dann sind es also sozusagen diese lebensnotwendigen •Irrtümer•, denen der Mensch •im Bereich der einzelnen Dinge« unterworfen ist, die den Gegenstand einer >Psychologie der Dinge• bilden.
B . Das Ding als Ort libidiinöser Besetzung, als intentiona ler Gegenstand und als intelligibles Objekt Psychologische Theorien der Gegenständlichkeit der Dinge Im folgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich in den allgemeinen psychologischen Theorien systematischere Analysen dessen fin den lassen, was hier eingangs als psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge gekennzeichnet wurde und in der Auseinandersetzung mit den ver schiedenen Theorien des Fetischismus eine erste und noch sehr grobe Kontur erhalten bat. Man sollte eigentlich annehmen, daß sich da ein weites Feld auftut. Denn grundsätzlich ist ja (a) das Psychische einer empirischen Wissenschaft nur insoweit zugänglich, als es inters.ubjektiv beobachtbar, und das beißt: an schaulich gegenständlich gegeben ist. Da nun aber (b) das Psychische in seinen ansebaulich gegenständlichen Manifesten, etwa im Verhalten, immer vieUältig (physiologisch, historisch usw.) überdeterminiert ist und sich also nie distinkt als solches zeigt, kann Psychisches immer nur aus ansebaulieb Gegenständli chem rekonstruiert werden. Und damit wäre doch der Psychologie ein doppel ter Grund gegeben, sieb mit dem .anschaulich Gegenständlichen zu befassen. Denn wenn Psychisches dem wissenschaftlichen Betrachter nur im anschau lich Gegenständlichen zugänglich ist, sei dies ein Test oder eine Ausdrucksbe wegung, wäre es dann für ihn nicht wichtig, nach dem allgemeinen Verhältnis des Psychischen zum anschaulich Gegenständlichen zu fragen, in dem es sieb >zeigt< bzw. aus dem es rekonstruiert werden soU? Und wenn Psychisches als Bedingung immer nur rekonstruiert werden kann, wäre dann nicht zu fragen, ob nicht vielleicht das Psychische erst in der ansebaulieben Gegenständlich keit, die ihm die Dinge geben, auf eine Weise erklärbar wird, die den wissenschaftlichen Erkenntnis-Kriterien - Unabhängigkeit von Zeit, Raum und Betrachter - wirklich voll entspricht? Ist nicht zum Beispiel, um die Untersuchungen von Elias aufzugreifen, das Taschentuch der reliablere Zeuge eines •Peinlichkeitsstandards«, als es flüchtige Verhaltensweisen oder die anschauungsfernen Charaktereige.nschaften, in denen er sich niederschlägt, je sein können? Nimmt man noch hinzu, daß nach Meinung einiger Psychologen das Psychische in seinen von der herrschenden Wissenschaftlichkeit geprägten Erklärungen auf problematische Weise verdinglicht wird•, so will es noch einmal mehr sinnvoll erscheinen, das Psychische gleich von vorneherein i n seiner ansebaulich gegenständlichen Manifestation, also z. B. in den Dingen zu untersuchen. So rhetorisch diese Vorhaltungen auch formuliert sind, sie werfen eine Frage auf, die angesichts der Tatsache, daß sich innerhalb der empirischen Psycholo gie keine zusammenhängende Untersuchung zur Gegenständlichkeit der Din ge findet, sehr wohl berechtigt ist: Wieso wird dem Verhalten seitens der .
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empirischen Psychologie eine zentrale wissenschaftlieb-psychologische Rele vanz zugesprochen, nicht aber den Dingen, die doch dessen Produkt oder Mittel, sein Gegenstand sind? Wird da - überspitzt formulier t - vielleicht angenommen, Gegenstand des Verhaltens seien die es regulierenden Gesetz. mäßigkeiten? Auf jeden Fall wird man keinen sachlichen Grund für das allgemeine Desinteresse der Psychologie an einer solchen Untersuchung fin den können. Man wird ihn wohl eher in jenem falsch verstandenen Ideal von Wissenschaftlichkeit zu sehen haben, in dessen Namen - nach Metzger - sich die Psychologie oft genug um ihre spezifische Kompetenz bringtl, und sicher auch die Frage nach der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge von vielen als •spekulative abgetan würde. Noch unverständlicher ist allerdings, daß innerhalb der marxistischen Per sönlichkeitstheorie, für die doch Konzepte wie >Verdinglichung• oder >Verge genständlichung• von zentraler Bedeutung sind, sich weder eine grundlegende Theorie des Zusammenbanges von Psychischem und anschaulich Gegenständ lichem entwickelt hat, noch j e konkrete Dinge - etwa bestimmte Warengenres - psychologisch untersucht wurden. (Wenn man einmal von den marxistischen Abbildungstheorien des Psychischen absieht, die eher erkenntnislogisch argu mentieren), bzw. von den stärker ideologiekritisch als psychologisch orien tierten Warenuntersuchungen Haugs.') Dabei hatte doch Marx einst gesagt : •Man sieht, wie die Geschichte der Industrie und das gewordene gegen ständliche Dasein der Industrie das aufgeschlagene Buch der menschlichen Wcsenskräfte, die sinnlieb vorliegende menschliebe Psychologie ist ( ). In der gewöhnlichen, materiellen Industrie ( ) haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher Gegenstände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten Wesenskräfte des Menschen vor uns. Eine Psychologie, für welche dies Buch, also gerade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Teil der Geschichte zugeschlagen ist, kann nicht zur wirklichen inhaltvollen und reellen Wissenschaft werden.«s Obwohl diese These die einzige unmittelbare Aussage von Marx in bezug auf die Psychologie als Wissenschaft darstellt, ist sie innerhalb der marxisti schen Psychologie weitgehend folgenlos gcbücben. SC:Vc, einer der namhafte sten Vertreter der Materialistischen Persönlichkeitstheorie, beklagt zwar die sen Sachverhal�. aber auch bei ihm sucht man vergebens Aufschluß darüber, wie die •nützlichen Gegenstände• als eben diese Vergegenständlichung menschlicher Wesenskräfte« zum Gegenstand der Psychologie zu machen sind. Nun könnte man meinen, eine Antwort auf diese Frage falle in die Zustän digkeit der Angewandten Psychologie. Denn wenn etwa die Verkehrspsycho logie die Problematik des Sicherheitsgurtes analysiert, oder die Werbepsycho logie die Gestaltung einer Verpackung untersucht, dann machen sie ja durch aus Aussagen über die psycho-logische Gegenständlichkeit dieser Dinge. Es wäre also naheliegend, von solchen Disziplinen Überlegungen zu erwarten, die über die Jeweiligkeit der Untersuchungsobjekte hinausgehen und den Zusammenhang Psyche-Dingwelt grundsätzlicher klären. Da sieht man sich aber gründlich enttäuscht und schließlieb einigen theoretischen Zweifeln •
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ausgesetzt: Ein solches fallweises Vorgehen ließe sich doch nur mit der Annahme rechtfertigen, Psychisches organisiere sich an jedem Ding neu und würde von jedem Ding anders bedingt. Dagegen wäre einzuwenden, daß die psychologischen Zusammenhänge, die eine Untersuchung an einem konkreten Gegenstand herausstellt, nicht etwa alle nur ihm spezifische sind, sondern sich in ihnen immer auch strukturelle Momente psycho-logischer Gegenständlichkeit repräsentieren. - Welche sinnvollerweise als solche erkannt sein müßten, um zu einem konkreten Objekt eine psychologische Strategie entwickeln zu können. Wenn die Not wendigkeit einer solchen Einsicht selbst von einem nicht gerade strikter Wissenschaftlichkeit obliegenden Psychologen wie Dichter anerkannt wird, dann muß um so mehr erstaunen, daß man in diesen psychologischen Berei chen bisher ohne sie auskam. Dichters Thesen über die •Seele der Dinge•, ihre •therapeutische• und •spannungsabführendec Funktion bieten da immerhin gewisse Perspektiven, so unzusammenhängend und >unwissenschaftlich< er sie auch entwickelt/ Wenn insgesamt festzustellen ist, daß die Frage nach der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge innerhalb der Psychologie keine intensivere und zusammenhängendere Behandlung erfahren hat, so bedeutet dies keineswegs, daß sich in den verschiedenen allgemeinen Theorien der Psychologie nicht zahlreiche, wenn auch eher beiläufige Hinweise auf Aussagen zu diesem Thema finden lassen. Es kann nun aber hier nicht Aufgabe sein, die Vielzahl psychologischer Theorien auf einzelne verstreute Hinweise zu diesem Thema durchzumustero und einen thematischen Zitatenkatalog zu erstellen. Hier sind nur solche Theorien zu berücksichtigen, in denen systematischere Aussagen über die psychologischen Aspekte des (anschaulich) Gegenständlichen gemacht wer den. Namentlich sind dies die Theorie der Psychoanalyse im Umfeld ihres Begriffes der ·Objektbesetzung•, die phänomenologische Psychologie in ihren vom Konzept des •intentionalen Gegenstandes• (Brentano) abgeleiteten Aussagen und Piagets •genetisch epistomologischec Analyse der Kategorie ·Objekt<.
1.
Die Gegenständlichkeit der Dinge in psychoanalytischer Sicht
In seinem Aufsatz ·Zur Einführung des Narzißmus• unterscheidet Freud, ausgehend von einer •ursprünglichen Libidobesetzung des Ichs, von der später an die Objekte abgegeben wird•, zwei Formen der Libido: die •lchlibi doc als eine, ·die dem leb eigen ist, und eine, die den Objekten angehängt wirdc, die ·Objektlibido•.• Das würde also für die psychologische Realität der Dinge bedeuten, daß sie nicht schon einfach aufgruod ihres materialen Gege benseins •da< sind, sondern erst durch eine libidinöse Besetzung psychische Präsenz erhalten. Oie derart auch jederzeit wieder aufhebbar ist, wie es zum Beispiel der sekundäre Narzißmus belegt, in dem die Objektbesetzungen aufgegeben sind und die darin gebundene Libido wieder dem Ich zugeführt
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Gegenständlichkeit der Dinge
ist.1 Diese durch Besetzung geschaffene psycho-logische Präsenz von Objek ten kann sich auf verschiedene Weise organisieren. In dem genannten Aufsatz erwähnt Freud zwei Typen der Objektwahl, den •Anlehnungstypusc und den •narzißtischen Typus•, die als zwei unterschiedliche Strukturen von Objekt
besetzung zu verstehen sind. Im ersten Fall wird das Objekt gemäß dem genetisch ersten, frühesten Objekt (der Muner) gewählt; im zweiten Fall dagegen nach dem Vorbild der eigenen Person.) Freud nennt als Vertreter des letzten Typus den Homosexuellen, von dem er an anderer Stelle sagt, er •sucht ( ) nach Objekten, die ihm sein leb ersetzen können• und ·die er so lieben und pflegen kann, wie er es von der Mutter erfahren hatte•.' Von daher ließen sich beide Typen dahingehend kategorisieren, daß im ersten Falle die Objekte ein anderes Objekt ersetzend gewählt werden, dagegen im zweiten Fall das Ich ersetzend. Letzteres ist den Verhältnissen in der Verliebtheit ähnlich, in der laut Freud •das Objekt dazu dient, ein eigenes, nicht erreichtes Ichideal zu ersetzen•, dergestalt, daß das Objekt •schließlich in den Besitz der gesamten Selbstliebe des Ichs gelangt ( ). Das Objekt hat das Ich sozusagen aufgezehrt.•s In diesen beiden Typen der Objektwahl werden also zwei Grundformen der psycho-logischen Gegenst.ändlichkeit äußerer Objekte kenntlich ; Freud selber spricht sie als die •zwei Wege der Objektfindung• an.' Gegen den Mechanismus der Objektwahl und -besetzung hebt nun Freud im Zusammenhang seiner Äußerungen zur Melancholie den der Identifikation ab, welche als eine weitere Form, in der Objekte (Menschen oder Dinge) psycho-logische Gegenständlichkeit gewinnen, interpretiert werden kann. Den Unterschied zwischen beiden Mechanismen sieht Freud darin, »Ob die Bindung am Subjekt oder am Objekt des Ichs angreift•.' Oder anders ausge drückt, im Falle der Objektwahl will man das Objekt haben, im Falle der Identifikation will man so sein wie das Objekt. Im letzteren Fall •nimmt das Ich die Eigenschaften des Objektes an siehe und kommt es zu einer •Introjek tion des Objektes ins Ichc.' Wenn aber Freud, nachdem er von der Homosexualität gesprochen hat, in der ein Objekt das Ich ersetze, •ein anderes Beispiel solcher Introjektion des Objektes« auf�reift und sich der Melancholie zuwendet', dann scheint da eine Ungenautgkeit vorzuliegen. Denn die Melancholie kennzeichnet er �amit,. daß sich �in verloren�eg�nge�es oder aufg.egebenes Objekt im Ich re mstalliere und steh derart dte etgenthch dem Objekt geltenden Strafansprü che gegen das Ich richten, und •das Ich ( ) durch die Rückkehr der Objektbesetzungen sieb selbst wie ein Objekt behandeln kannc.10 Hier wäre also wirklich von einer Introjektion des Objektes zu sprechen, dagegen im Falle der Homosexualität eher davon, daß sich ein Ich extravertiert und in ein Objekt setzt.11
Den geschilderten Fällen ist ungeachtet ihrer Verschiedenheit gemeinsam, daß sich in ihnen so etwas wie ein Subjekt-Objeknausch abspielt. In der Homo sexualität und der Verliebtheit, also der narzißtischen Objektwahl, setzt sich das Ich (respektive das Ichideal) in ein Objekt und ersetzt das Objekt das leb. Dagegen tritt in der Melancholie das Ich an die Stelle des Objektes und wird das Objekt im Ich aufgehoben. Während also in der Identifikation das Objekt
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als äußeres verlorengeht, im Ich wiedererrichtet wird und in der Folge das Ich sich pa.rtiell nach dem Vorbild des verlorenen Objektes verändert, bleibt das Objekt im Falle der Verliebtheit bzw. in einer narzißtischen Objektwahl, erhalten und wird •als solches seitens und a1.1f Kosten des Ichs i.iberbesetzt• (Freud bestimmt zwar schließlich den Unterschied zwischen Identifikation und (narzißtischer) Objektwahl noch genauer und darin, ob das Objekt an die Stelle des Ichs oder des Ich-Ideals tritt'\ aber diesen Differenzierungen ist hier nicht mehr nachzugehen.) Interpretiert man die von Freud mit den Begriffen Identifikation und Objektwahl umrissenen Verhältnisse als unterschiedliche Formen psycho logischer Gegenst.ändlichkeit, dann machen sie deutlich, wie das anschaulich Gegenständliche eine jeweils spezifische psychische Präsenz gewinnen kann und daß sich dabei der Psychismus jeweils anders gegenständlich wird. Wenn da das Ich für ein Objekt stehen kann (Melancholie) oder ein Objekt für das Ich (Verliebtsein) und auch ein Objekt für ein anderes, imaginäres (Fetischismus); und wenn dabei mit ·Objekt< nicht notwendig etwas Dinghaftes, geschweige denn etwas >Objektives< angesprochen ist, dann ist wohl zu folgern, daß dem Psychischen ein sehr spezifisches Konzept von Gegenständlichkeit eigen sein muß. Es geht auf jeden Fall nicht in den Regeln der Logik auf und scheint allgemeiner als die Konzepte von Subjekt und Objekt zu sein und nicht notwendig zwischen Dinglichem und Menschlichem, Belebtem und Unbeleb tem, Eigenem und Fremden zu differenzieren. Eine solche Gegenständlichkeit ist von aller >Sachlichkeit< weit entfernt und stellt ein ausgesprochen bezie hungsrelatives Gebilde dar: nicht so sehr eine Eigenschaft bestimmter, mate rieller Gegebenheiten, als vielmehr ein Modus, der prinzipiell Allem zukom men kann. Diese Gegenständlichkeit wäre hier vorläufig und noch sehr ungefähr zu typisieren als die erlebens- oder verhaltensrelative Realisation eines Etwas als Entgegenstehendes. Wie aber kommt es zu dieser Realisation und welchem Konzept (von >Gegenständlichkeit< folgt sie?- Oder in Freuds System gefragt: Wie tritt das Objekt ins Psychische und •woher rührt denn überhaupt die Nötigung für das Seelenleben, über die Grenze des Narzißmus hinauszugehen und die Libido auf Objekte zu setzen• ?14 Freuds Antwort fällt da zunächst recht schlicht aus. Im intra-uterinen Zustand gebe es keine Objekte, erst nach der Geburt würden sie von den Trieben •gefunden•: In Anlehnung an die Nahrungsaufnahme zuerst an der Mutterbrust, dann am eigenen Körper und schließlich, wenn dessen Besetzung mit Libido ein gewisses Maß überschreitet und unlustvoll werde, würde der Trieb auf ein ,.fremdes Objekt gelenkt•.'s Mit seiner Rede von >Trieben, die ihre Objekte finden<, spricht Freud den Objekten eine Realität zu, die unberührt bleibt von ihrer libidinösen Besetzung und die dem Psychischen auf irgendeineWeise vorgegeben ist. So typisiert er etwa im Zusamm enhang seiner Theorie der Sexualentwicklung die orale Phase in der Tendenz zur >Aufhebung der Sonderexistenz• der Objekte {•Einverleibung•) und die anale Phase in einem •Bemächtigungsdrang• gegenüber den Objekten." Damit beschreibt er zwar durchaus Veränderungen im Objektverbalten, aber für ihn scheinen .12
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dabei die Objekte als einmal so gegebene gleichzubleiben. Eine eher beiläufige . . . haben die wiederholten Bemerkung in einer seiner späteren Schriften Befriedigungssituationen das Objekt der Mutter geschaffen«17 - zeigt aber an, daß die Objekte möglicherweise nicht einfach so gegebene sind, sondern als psycho-logisch geschaffene zu sehen wären. Die Frage zu stellen, wie diese Objekte >geschaffen< werden, heißt, nach der Entwicklung der Gegenständ lichkeit als einer psycho-logischen Kategorie zu fragen. Dazu lassen sich bei anderen psychoanalytischen Autoren mehr Hinweise finden als bei Freud. Aber schon in seinen Schriften wird deutlich, daß die für die psychoanalytische Theorie so essentielle Objektbesetzung komplexer ist, als daß sie mit einer >Energiebindung< an ein gegebenes Objekt oder dessen >Wahl< durch einen Trieb erklärt wäre. Die Frage nach der Genese des Konzeptes >Gegenständlichkeit< und nach jener psycho-logischen Ersclhaffung der Objekte noch einmal zurückstellend, ist hier noch ein anderer Aspekt der psychischen Präsenz äußerer Objekte zu behandeln, den Freud in seinem Aufsatz »Das Ich und das Es• berührt. Die Annahme machend, »daß die Objektbesetzungen vom Es ausgehen«, und dem Ich lediglich eine zensierende Funktion zukomme, beschreibt Freud die Identifikation als einen Mechanismus des Ichs im Dienste der Abwehr einer unerwünschten Objektbesetzung: »Soll oder muß ein ( ) Sexualobjekt aufgege ben werden, so tritt dafür nicht selten die Ichveränderung auf, die man als Aufrichtung des Objekts im Ich wie bei der Melancholie beschreiben muß; ( ) vielleicht erleichtert oder ermöglicht das Ich durch diese Introjektion ( ) das Aufgeben des Objekts.•" Freud nennt das eine » Umsetzung einer ( ) Objekt wahl in eine Ichveränderung«: »Das Ich nimmt die Züge des Objektes an und drängt sich dem Es als Ersatz für das verlorene Objekt auf, indem es sich als ihm gleich ausgibt.«" Läßt man einmal den Sexualaspekt dieses Prozesses und auch seine von Freud angenommene Ursache beiseite, dann zeigt er, daß und wie sich die erlebens- und ve:rhaltensrelative Gegenständlichkeit eines Objekts in einer Ich-Veränderung niederschlagen und institutionalisieren kann. Diese Ich-Veränderung würde derart eine üherdauerende psychische Repräsentanz -
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des äußeren Objekts bilden, und hier hätte sich also die (psycho-logische)
Gegenständlichkeit eines Objekts in eine Form der Innerlichkeit verwandelt. Wenn derart »der Charakter des Ichs ein Niederschlag der aufgegebenen Objektbesetzungen ist« und »die Geschichte dieser Objektwahlen enthält«, und Freud damit die Möglichkeit gegeben sieht, an den Menschen »die Rückstände ihrer Objektbesetzungen in ihren Charakterzügen leicht nachwei sen zu können•20, dann beschreibt er da gewissermaßen eine charakterologi sche Version der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Objekte (Men schen und Dinge). Und in dieser Sicht Freuds ließen sich die im vorigen Kapitel behandelten Aussagen über den gegenständlichen Charakter des Menschen ebenso psychologisch aufgreifen, wie die dort von einem soziokulturellen Standpunkt aus formulierte These, daß der Mensch den Charakter seiner gegenständlichen Verhältnisse annehme. Diese Perspektive ist hier nur als solche aufzuzeigen; sie wird aber in den nachfolgenden Teilen dieser Arbeit noch weiter entwickelt werden.
Psychologische Theorien der Gegenständlichkeit der Dinge
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An dieser Stelle bleiben noch die Überlegungen einiger anderer Psychoana lytiker zu erörtern, die in ihren Argumentationen zur Entwicklung der Objektbesetzungen über Freud hinausgehen. Schon bei Ferenczi wird die Genese der Objektbeziehungen in einem umfassenderen Sinn als bei Freud zum Thema, wenn er sie mit »Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes• in Verbindung bringt.21 Ähnlich wie Abraham gebt er von der Grundannahme aus, daß im frühkindlieben Stadium ..das Kind noch nicht zwischen seinem leb und einem Objekt außerhalb desselben zu unterscheiden vermag. Ich und Objekt sind Begriffe, welche dieser Stufe überhaupt nicht entsprecben.«22 Während aber Abraham die Entwicklung der »Objektliebe« in der analen Phase beginnen Läßt, weil da die Tendenz zur Erhaltung des Objektes überwie gel', wendet sich Ferenczi der Frage zu, wie sich denn überhaupt das >Objekt< als Erfahrung und Kategorie konstituiert. Er geht davon aus, daß sieb nach der Geburt, nach Verlassen der •intrauterinären Reizlosigkeit•, in der •man alles bat, was man will und man nichts zu wünschen übrig hat•2•, die Triebansprü che des Säuglings nicht mehr eine unmittelbare Befriedigung finden. •So kommt es allmählich zu einem schmerzlieben Zwiespalt seiner Erlebnisse. Er muß gewisse tückische Dinge, die seinem Willen nicht gehorchen, als Außen welt vom Ich ( ) sondern. «2s- Es ist wohl diese ,Tücke• der Dinge, die Freud zu der Annahme führte, •das Äußere·, das Objekt, das Gehaßte wären zu allem Anfang identisch«.26 Ferenczi betont dabei, daß auch diese »Objektivierung der Außenwelt zunächst nicht jeden Faden zwischen Ich und Nicht-Ich zerreißt«; denn das Kind organisiere diese Außenwelt in Analogie zu Eigenem, Ich-Qualitativen und insbesondere zur eigenen Körperlichkeit.2' Auf diese Weise konstituieren sich nach Ferenczi die ,.fürs ganze Leben bestehen bleibenden Beziehungen zwischen ·dem menschlichen Körper und der Objekt welt•, die er als eine symbolische kennzeichnet.21 Daraus läßt sich die Hypo these ableiten, daß die Körpererfahrung in gewisser Weise als Prototyp der Objekterfahrung fungiert, also das »Körperschema« (Schilder) und das psy cho-logische Konzept •Gegenständlichkeit< zumindest genetisch zusammen hängen. Auf diese noch nicht streng zwischen leb und Nicht-Ich differenzierende »Objektivierung der Außenwelt« geht Melanie Klein in ihrer •Psychoanalyse des Kindes« etwas näher ein. Insgesamt von einer eher •vagen und komplizier ten Objektbeziehungc während d!er frühen Entwicklungsstufen ausgehend, argumentiert sie, daß sich in diesem Stadium •ein Teil der Reaktionen des Kindes zum Objekt ( ) an Phantasieobjekten abspielte, an die sich Haß, Angst, aber auch positive Tendenzen binden, welche eigentlich den realen Objekten gelten würden. Diese Phantasieobjekte werden in introjektiven und projekti ven Prozessen produziert, die Klein auch als konstitutiv für die frühe Ichbil dung und die ersten Objektbeziehungen heraushebt, die derart in einen unmittelbaren Zusammenbang g.erückt werden.JO Im Mittelpunkt dieser gleichzeitigen Entwicklung von Ich und Objekt steht nach Klein die Mutter. Sie werde vom Kind als ein erstes, -.. versagendes und gewährendes Objekt« erlebt und an ihr erfahre es die »Macht des Objektes über die Befriedigung seiner Bedürfnisse• auf paradigmatische Weise.'• Auf dem Hintergrund dieser .!!
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Aussagen wären Projektion und Introjektion als erste, prälogische Mechanis men der Objektkonstituierung zu begreifen. Sie würden derart die ersten Funktionen darstellen, in denen die frühe differenzlose Subjekt-Objekteinheit aufgebrochen wird, das Subjekt sich von einem im Gegenständlichen abhebt und eine erste, noch sehr 1.1ngefähre Spaltung in Ich und Nicht-Ich erfolgt. (Wobei das hier mit dem Nicht-Ich gleichgesetzte Gegenständliche allerdings durchaus noch nicht in der Art konkreter Dinge zu denken ist.) Während die •phantastischen Objekte« bei Klein wesentlich •verinnerlich te« sind und sich zwar auf äußere Objekte beziehen, aber selbst kein dingliches Faktum darstellen, sind die von Winnicott untersuchten ,.Übergangsobjekte« materieller und auch dinghafter Natur.n Ebenfalls von der Annahme eines frühkindlichen Zustandes ausgehend, •wo noch nichts als Nicht-Ich ausge sondert worden ist« und es also auch •noch kein Ich gibt•, beschreibt Winnicott einen •intermediären Erfahrungsbereich• zwischen Subjekt- und Objektwelt bzw. zwischen innerer und äußerer Realität.n In diesem Bereich •transitioneller• Phänomene und Objekte geht Winnicott nun insbesondere der Struktur des sogenannten "Übergangsobjekts« nach. Er charakterisiert es als eine Art »Zwischenobjekt zwischen dem Selbst und der Außenwelt«, ähnlich wie »der Daumen im Mund oder die Puppe in der Hand gleichzeitig einen Teil des Selbst und einen Teil der Umwelt symbolisieren«.,. Diesen Übergangsobjekten sei im übrigen eine gewisse Ähnlichkeit zu Fetischen eigen ; zumindest könne sich aus einem Übergangsobjekt ein Fetisch entwik keln.n Im weiteren beschreibt dann Winnicott derartige Übergangsobjekte als •zugleich subjektiv und objektiv, ( ) an der Grenze zwischen innen und außen, ( ) zwischen einer personalen oder psychischen Realität und der Realität, die wirklich ist•, bzw. der mit anderen Menschen »geteilten Realität, die objektiv wahrgenommen werden kann«." Mit solchen und anderen gleichlautenden Definitionen des Übergangsobjekts setzt Winnicott allerdings seine Theorie einer grundsätzlichen Kritik aus. Denn die der personalen und psychischen Realität gegenübergestellte Realität als ·die wirkliche< zu bezeichnen und ihr >objektive Wahrnchmbarkcit< zuzusprechen, verräc einen reich lich unpsycho logischen Realitätsbegriff. Psychologisch gesehen, steht dem Subjektiven als sein Gegenteil nicht ein Objektives gegenüber, sondern das Allgemeine, im Sinne des Kollektiven oder Konventionellen. Wenn also Winnicott meint, das Übergangsobjekt sei ein Begriff, »der die Entwicklung des Kindes vom rein Subjektiven zur Objektivität beschreibt«l1, dann gibt er da etwas als Einsicht in ein Objektivum aus, was (nicht nur) vom psychologischen Standpunkt aus vielmehr die Übernahme einer Konvention, eines historisch-gesellschaftlichen Realitätsstandards ist. Jene mit den anderen Menschen geteilte Realitä� ist genausowenig bzw. nicht unbedingt solider in einem >objektiv Wahrnehmba ren< gegründet, als die von Winnicott als •rein subjektive< bezeichnete. (Wobei hier ganz außeracht gelassen ist, inwieweit es ein solches >rein< Subjektives überhaupt geben kann.) Diese Einwände sollen verdeutlichen, wie durch eine unreflektierte Verwendung der Begriffe •Objekt< und •Subjekt< (bzw. von •subjektiv< und >objektiv<) ein ansonsten produktives psychologisches Kon-
Psychologische Theorien der Gegenständlichkeit der Dinge
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zept wie das des Übergangsobjekts in seinen Perspektiven reduziert werden kann. Denn wäre Winnicott nicht s o fixiert darauf, daß es sich bei dem, was die frühe Gegenständlichkeit des Übergangsobjektes ablöst, um die höhere Ordnung der •objektiv wahrgenommenen Objekte• handelt, dann wäre ihm eine entscheidende Einsicht zugänglicher. - Daß nämlich, auch wenn die konkreten frühkindlieben Übergangsobjekte irgendwann ,.schließlich ein fach verblassen« und •in die Rumpelkammer verbannt« werden, dennoch das Verhältnis Subjekt-Objekt, das sie repräsentieren, nicht nur in Phäno menen der Kunst, der Religion oder solchen psycbopatbologischer Natur überdauert.)• Wie die Studien im letzten Teil dieser Arbeit zeigen werden, ist die den Übergangsobjekten eigene Gegenständlichkeitsform nicht etwa in den späteren •realistischen• Objektbeziehungen >überwunden<. Sie bleibt durchaus auch im alltäglichen Objektverhalten wirksam, auch wenn dieses dominant vom Realitätsprinzip und dem ihm entsprechenden Gegenständ lichkeitskonzept >Objekt< reguliert wird. Ungeachtet dieser Problematik bieten aber Winnicotts Überlegungen eine ganze Reihe von Hinweisen zur Frage nach der Entwicklung dieses Gegen ständlichkeitskonzeptes. So betont er z. B. nachdrücklich, daß bei der Kon stituierung der Objekte im Sinne des Realitätsprinzips insbesondere de struktive, oder allgemein gesprochen, >verneinende< Tendenzen und Prozes se eine wesentliche Rolle spielen.)'' Für ihn ist ..die Ablehnung des Objektes ein Teil des Prozesses ( ), in dem das Objekt geschaffen wird«; und er stellt die These auf, ,.daß Destruktion ( ) immer dann auftritt und zentrale Bedeu tung gewinnt, wenn das Objekt objektiv wahrgenommen wird« und •daß Destruktion ihre Rolle bei der Entstehung der Realität spielt, indem sie das Objekt außerhalb des Selbst ansiedeltc.40 Hier drängt sich der Eindruck auf, das Objekt und mit ihm das es als solches definierende Realitätsprinzip würden sich psycho-logisch primär im Modus der Defizienz bzw. der Ne- . gation konstituieren. - Was ja durchaus im Sinne der schon zitierten Aussa ge Freuds über das uranfängliche Zusammenfallen des Objekts mit dem Gehaßten läge. Ohne so weit zu gehen, bliebe immerhin festzustellen, daß die Entwicklung des psychischen Konzeptes •Gegenständlichkeit• ganz we sentlich in opponierenden und spaltenden Prozessen abläuft. Wenn auch sicherlieb nicht ausschließlich und auch ohne daß durch diese Genese den Objekten eine eindeutig negative Realität zukäme. Wenn Winnicott aus führt, »erst die unvollständige Bedürfnisbefriedigung durch die Objekte macht diese zu realen - d. h . zu geliebten und zugleich gehaßten - Objek tenc41, dann ist damit die psychische Realität der Objekte vielmehr in einer grundlegenden Ambivalenz bestimmt und begründet. Von daher scheint das Realitätsprinzip nichts anderes zu sein, als ein Standard der vereindeutigen den Fixierung eben dieser strukturellen Ambivalenz. Das im Sinne Winni cotts >realistische< Objekt würde sich von der Form psycho-logischer Ge genständlichkeit, welche das Übergangsobjekt repräsentiert, also lediglich dadurch unterscheiden, daß in ihm die ursprünglich changierende Affektivi tät eine handlungsorientierte und -orientierende Regularisierung erfahren hat (und nicht etwa aufgehoben ist).
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zu Gegenständlichkeit der Dinge
Neben dieser affektiven Ambivalenz kommt dem Übergangsobjekt noch eine weitere Unbestimmtheit zu. Winnicott beschreibt sie wiederholt als dessen Paradoxie, zugleich "gefun den« und •erschaffen• zu sein.' •Gefundene sei das Übergangsobjekt insofern, als es ja etwas materialiter Gegebenes ist und für jeden Wahrnehmbares besitzt; •geschaffen< sei es insoweit als es Imaginäres und für das jeweilige Subjekt Spezifisches repräsentiert. An seinem Zustandekommen wären also sowohl Wahrnehmungs- wie auch projektive Prozesse beteiligt. Wie schon angespro chen, löst sich nach Winnicott diese Uneindeutigkeit in der weiteren Entwick lung auf und konstitutiert sich das Objekt schließlich nurmehr im objektiv Wahrnehmbaren. Nun wird man aber kaum behaupten können, daß zum Beispiel die •Tatsache<, daß dieses Ding dort nicht zum Kratzen und Stechen, nicht zur Verteidigung da ist, sondern daß es zum Essen dient und eine Gabel ist, sich dem Kinde aus dem an diesem Ding objektiv Wahrnehmbaren erschließen würde. Es wäre also Winnicotts Ansicht dahingehend zu relativie ren, da.ß jene paradoxe Gegenständlichkeitsform nicht einfach mit dem kon kreten Übergangsobjekt untergeht, sondern, daß in der Entwicklung auf das •objektive• Ding hin die materialen Konkreta des Gegenständlichen zuneh mend kompletter erfaßt werden und seine Funktion und Bedeutung (das •Erschaffene<) immer weniger im Individuellen gründen und zunehmend gemäß ihrer allgemeinen, konventionalen Bestimmung realisiert werden. Zwi schen dem Übergangsobjekt und dem •realistischen< Objekt bestünde also gar nicht so sehr der Unterschied •gefunden-geschaffen• versus •objektiv wahrge nommen<. Sie würden lediglich darin differieren, daß im Übergangsobjekt die Sinn- und Funktionszuschreibung individuell und prälogisch, dagegen im •realistischen< Objekt konventional und rational (nach Maßgabe der herr schenden Zwecke) erfolgt i.st. Im Hinblick auf spätere Überlegungen wäre an Winnicotts Ausführungen zum Übergangsobjekt noclh festzuhalten, daß er zwischen diesem und der allgemeinen Funktion der Symbolbildung einen engen Zusammenhang gege ben sieht. Er nimmt an, daß in den Übergangsobjekten und -phänomenen •die Wurzeln der Symbolbildung• liegen, ohne allerdings diese These ausführlicher
zu entwickeln.'' An anderer Stelle aber sagt er einmal über die ersten Objekte, sie stünden als •Symbol für die Einheit von Kleinkind und Mutter• genau •an der Stelle in Raum und Zeit, wo das Kind beginnt, sich die Mutter nicht länger als Teil seines Selbst vorzustellen, sondern sie als Objekt wahrzunehmen•.'• Daraus wäre abzuleiten, daß sich das Gegenständliche in seinen frühen Formen aus einer Spaltung (Mutter-Kind) ergibt, deren imaginäre Aufhebung es zugleich aufgrund einer ihm eigentümlichen Symbolik leistet. Die doppelte Natur der frühkindlichen Objekte, einerseits Produkt einer Entzweiung zu sein und andererseits dem da erlebens- und verhaltensreal in Differenz Gesetz ten zugleich wieder eine symbolische Einheit zu geben, läßt Winnicott in diesem Zusammenhang von einer Trennung sprechen, •die eigentlich keine Trennung, sondern eine Form der Einheit ist«.'J Vergegenwärtigt man sich an dieser Stelle noch einmal die Aussagen der
Das Ding als intentionaler Gegenstand
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psychopathologischen Theorien des Fetischismus, dann wird deutlich, wie weitg ehend die frühkindliche Gegenständlichkeitsform der Dinge in ihrer s y m b olischen Struktur und dopp elten Funktion dem entspricht, was dort als die •verkehrte.� Gegenständlichkeit der Fetischobjekte beschrieben wur de. Die für das Ubergangsobjekt sp ezifische Diffusion zwischen Ich und Objekt korrespondiert der Zwittr igkeit des Fetischobjektes, von dem ja z. B. Stekel sagte, daß es als Symbol einerseits •ein Spiegel oder eine Karikatur des eigenen Ich« sei und andererseits die andersgeschlechtliche Person vertrete.,. Dieser Zusammenhang zwischen der Symbolbildung als einer allgemeinen Funktion und der Entwicklung des Konzepts >Gegenständlichkeit<, den Win nicotts Bemerkungen ansprechen, wird hier an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (siehe S. 1 10ff.). losgesamt geben Winnicotts Aussagen zum Übergangsobjekt einen ersten konkreteren Einblick in die Zusammenhänge, die hier untersucht und im Entwurf einer Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge einer systematischen Erklärung näher gebracht werden sollen. Bei allem Vorbehalt gegen ihren etwas schlichten Objektivismus zeigen seine Ausfüh rungen und die der anderen behandelten psychoanalytischen Autoren, daß sich >Gegenständlichkeit< nicht in einer einfachen Wahrnehmung und deren korrekter (zweck-)rationaler Verarbeitung konstituiert. Daß ein Etwas (psy chisch) gegenständlich wird, beschreiben sie als einen komplizierten Prozeß, der von Spaltungen, Ambivalenzen und Paradoxien geprägt und in Analogie bildungen zur eigenen Körperlichkeit, in projektiven und introjektiven Me chanismen organisiert ist. Dabei wurde erkennbar, daß in dem Prozeß, in dem sich >Gegenständlichkeit< konstituiert, zugleich auch die •Innerlichkeit< Form gewinnt: sich Subjektivität organisiert. 2. Die Gegenständlichkeit der Din,ge
in der Sicht der phänomenologischen Psychologie
Der von Brentano in die Psychologie eingeführte und für die phänomenologi sche Theorie zentrale Terminus der •Intentionalität« stellt für alle psychischen Phänomene als wesentlich heraus, daß sie •intentional einen Gegenstand in sich enthalten•.1 Nach Brentano •besteht das Charakteristische für jede psychische Tätigkeit ( ) in der Beziehung zu etwas als Objekt•.2 Er geht davon aus, daß •alles psychisch sich Beziehende sieb auf Dinge bezieht•, fährt dann aber fort, »die Dinge, auf welche man sich psychisch bezieht. sind in vielen Fällen nicht•.} Damit ist gemeint, daß er, von einem ·Ding< sprechend, nicht notwendig ein materiales Objekt, einen •äußeren Gegenstand<, voraussetzt und dabei eher an ein »Etwas-zum-Gegenstande-haben<� bzw. an ein •etwas gegenständlich haben" denkt.' Nur diesem psychisch Gegenständlichem, dem psychischen Ding, kommt nach Brentano neben der intentionalen auch eine »wirkliche Existenz• zu, während er den physischen Phänomenen •jede andere als intentionale Existenz« albspricht.s
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Gegenständlichkeit der Dinge
Gegen diese •mentale Inexistenz« des Gegenständlichen wurde von Husserl in seinen Logiseben Untersuchungen der Vorwurf des •Psychologismus• erhoben! Aber Brentano hat diese der Scholastik entlehnte Vorstellung später selber revidiert und beiden Autoren gilt gemeinsam als Wesen der Intentionali tät, ,.daß in ihr ein Gegenstand gemeint ist, auf ihn abgezielt wird, ohne daß der Gegenstand oder etwas ihm entSprechendes im BewußtSein selbst auffind bar wärec.' (Die Wendung. die der Begriff der Intention und der des intentio nalen Objektes bei Husserl im Namen ihrer Reinigung von Psychologismus und Empirismus erfuhren, bleibt hier außeracht, da sich diese Begriffe weit von dem entfernen, was innerhalb einer psychologischen Fragestellung auf greifbar ist.) In Brentanos Aussagen über das intentionale Objekt zeichnet sich ein psychologischer Begriff des Gegenständlichen ab, der diesem nicht ein objek tives Sein zuspricht, sondern, es •relativlichc (Brentano) wendend, als einen Modus des Psychischen faßt. Mit dieser •nicht-objektiven• Konzeption des Gegenstandes beeinflußte Brentano zahlreiche andere Psy chologen, die sie in verschiedener Abwand lung aufgriffen . Man vergleiche da.zu u. a. Meinongs Ge�enstandstbeorie mit ihrer Unterscheidung zwischen ·Objekt• und ·Objekttvc ; oder Marbe, der unter •Gegenstande alles überhaupt Bezeichenbare und Meinbare ver steht und betont, daß sein ·Begriff des Gegenstandes also ganz und gar nicht mit dem des Dinges zusammenfälltc.1 Gegenständlichkeit wäre demnach etwas, das den materiellen Dingen nur in einer intentionalen Beziehung und als deren Objekt zukommen kann, ihnen also nicht objektiv eigen ist, sondern dem Psychischen als eine Produktion zuzuschreiben wäre. Gegen eine solche Auflösung des sinnlich materialen Gegenständlichen in intentional Relatives wendet sich Brunswik in seiner ..Psychologie vom Ge genstand her.c. Er wirft der Psychologie insgesamt vor, bisher ihre Phänomene aJlzusehr in sich und für sich, allzu •immanent• behandelt zu haben. Namentlich Brenuno und Husserl seien im •Egologischen• stecke n geblie ben und ihr Begriff der lntentiona.lität sei zu sehr ein Bewußtseinsbegriff.' Dagegen sucht Brunswik in seinen experimentellen Untersuchungen den Nachweis zu führen, daß in einer Intention durchaus nicht (immer) der bewußtermaßen intendierte Gegenstand erreicht wird, bzw. nur vermeintlich erreicht ist. Einen solchen •intentional erreichten .., aber nicht mit dem intendierten Gegenstand zusammenfallenden, nennt er einen •Zwischenge genstandc.10 In diesem approximativen und bewußtseinsentzogenen Moment der Intentionalität enthüllt sich für Brunswik der .. Kern des lntentionsbegrif fes•, nämlich der •teleologische Charakter des Psychischen« überhaupt und erst dieses Moment hebe den Intentionsbegriff über Wahrnehmungs- und Bewußtseinsspezifisches hinaus.11 Weiterhin weist er auf die problematische Gewohnheit hin, aus der ·klar erlebten Bezogenheitc auf ein Etwas, dieses sogleich als Gegenstand zu folgern; er hält dem entgegen, daß sich in einer Intention durchaus unterschiedliche »Abschattungen der Vergegenständli-
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Das Ding als intentionaler Gegenstand
chung• finden lassen.12 Sei es, daß dieses Etwas in der auf es gerichteten Intention lediglich als eine einfache •Gegebenheit« ( 10da ist was•) und rein phänomenal an gezielt ist, oder daß es als ein elaborierter Gegenstand (10dies ist ein gleichseici &�r Körper•) und also objektiviert prä$ent ist, In der Konse quenz dieser Uberlegungen wäre also das Konzept des intentional Gegen ständlichen dahingebend zu akzentuieren, daß das in einer intentionalen Beziehung Gegenständliche sieb nicht einfach mit ihr, sozusagen automatisch ergibt. Es wird vielmehr - in unterschiedlichen Graden von Gegenständlich keit - von ihr erst geschaffen. Das heißt, mit der Intentionalität des Psychi schen ist nicht allein angenommen, daß es sich immer auf etwas bezieht im Sinne des Etwas-zum-Gegenstande·-haben, sondern hier ist über dieses relatio nale Moment hinaus der vergegenständlichende Charakter der Intentionalität hervorgehoben. Die von Brunswik reklamierte Ablösung des lntentionalitätsbegriffes von Bewußtseinsfragen im engeren Sinne voJlziebt Merleau-Ponty auf eine gänz lich andere und radikalere Weise, indem er die leibliche Existenz des Subjektes zum grundsätzlichen Ausgangspunkt seiner phänomenologischen Untersu chungen macht. Derart •am Leitfaden des Leibes« (Nietzsche) philosophie rend, ist für ihn 10das Ding Korrelat meines Leibes und meiner Existenz überhaupt, deren stabilisierte Struktur der Leib nur ist; es konstituiert sich erst im Zugang meines Leibes zu ihm«.'• So sind für Merleau-Ponty 10die Bezüge zwischen den Dingen wie zwischen den verschiedenen Aspekten des Dinges je schon durch unseren Leib vermittelte, ( ) eine Inszenierung unseres eigenen Leibes zu ihm«; jede Wahrnehmung eines Dinges ist für ihn mehr als ein objektives Erfassen dessen materialer Qualitäten: eine 10Kommunikation oder Kommunion«, eine •Paarung unseres Leibes mit den Dingen•.'� Damit weist Merleau-Ponty auf eine grundlegende Korrespondenz von Gegenstandskonstituierung und Leiberfahrung hin, die hier schon einmal, in Ferenczis Argumentation, Thema war. Während aber Ferenczi, von einem genetischen Standpunkt aus argumentierend, stärker das Prototypische der Körpererfahrung für die Konstituierung der Objektwelt heraussteHt, gibt Merleau-Ponty diesem Zusammenhang noch eine andere Wendung. Das Ding nur als »Korrelat unseres Leibes• und die •Artikulationen« der Dinge nur als die unserer eigenen Existenz zu be:greifen und so •das Ding als das Ziel einer leiblichen Teleologie« zu sehen, stellt für ihn eine 10bloß psychologische Bestimmung« dar und •reduzierte das Ding auf die Erfahrungen, in denen es uns begegnet«." Dagegen führt er zwei Argumente an. Zwar bilde das Gegenständliche, das Ding, durchaus ein •Korrelat unseres Leibes«, aber dessen Einheit sei uns nicht irgendwie vorgängig gegeben, sondern nur in der des Dinges erfaßbar: nur dann, •wenn er sich auf die Dinge zu bewegt, sich intentional dem Außen zuwirft«.17 Hier rückt also stärker als bei Ferenczi die Wechselseitigkeit in der Konstituierung der Erfahrung von Leiblichkeit und Gegenständlichkeit in den Vordergrund. In einem weiteren Argument gegen die Reduktion des Dinges auf das an ihm Erfahrene und sein ausschließliches Verständnis als •Inszenierung« oder •Artikulation« der eigenen Existenz, hebt Merleau-Ponty das 10An-sich-fürt>
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Gegenständlichkeit der Dinge
uns-Seine der Dinge heraus. Für gewöhnlich entziehe sich dieses unserer Aufmerksamkeit, da im alltäglichen •Zusammenhange unserer Beschäftigun gen die Wahrnehmung sich gerade so weit der Dinge annimmt, als ihre vertraute Gegenwart reicht, nicht soweit, um �u entdecken, was sie Un menschliches bergen«.11 Unterbrechen wir aber unsere Beschäftigung und wenden wir dem Ding eine •uninteressierte Aufmerksamkeit« zu, so ,.zeigt es sich feindlich und fremd, is't nicht mehr unser Gesprächspartner, sondern ein entschlossen schweigendes Anderes, ein Selbst, das sich uns entzieht«." Auf dem Hintergrund solcher Erfahrungen formuliert Merleau-Ponty: ·Das Ding ist für unsere Existenz weit mehr ein Abstoßungs- als e.in AnziehungspoL ln ihm erkennen wir nicht uns selbst, und eben dies macht das Ding zum Ding.«20 Hier scheint eine überraschende Paradoxie des Dinges und des Gegenständ lichen überhaupt auf: Einerseits konstituiert es sich in einer eigentümlichen Negativität (vgl. dazu S. 59) und gewissermaßen als Verneinung des Subjekts, als Grenze seiner intentionalen Existenz. Andererseits aber scheint es dem Subjekt im Felde seiner leiblichen Existenz doch gerade erst die Erfahrung seiner existentiellen und personalen Einheit zu vermitteln. Das anschaulich Gegenständliche, ein Ding, wäre also durch die Zwiespältigkeit gekennzeich net, gleichzeitig Widerstand und/oder Medium der Subjekt-Erfahrung zu sein. Merleau Ponty greift diese Paradoxie, wahrnehmungstheoretisch akzen tuiert, in der Frage auf, wie es zu verstehen sei, ,.daß das Ding in eins Korrelat meines erkennenden Leibes ist und doch diesen gleichsam verleugnet«.11 Für ihn stellt sich diese Parado,xie a1s die gleichzeitige ,.Transzendenz und Ver schlossenheit« des Dinges dar, und er sucht sie schließlich in seinem Konzept des »erkennenden Leibes« aufzulösen.11 Dabei geht er davon aus, daß das Subjekt in der Leiblichkeit seines Erkennens wenn auch nicht den Schlüssel zu den Dingen, gleichwohl aber deren Entwurf in sich trägt. Nämlich insofern es in seiner Leiblichkeit ja teilhabe an der Welt der Dinge, am Ding: »Ein Ding ist also in der Wahrnehmung nicht wirklich gegeben, sondern von uns innerlich übernommen, rekonstruiert und erlebt, insofern es einer Welt zugehört, deren Grundstruktur wir in uns selbst tragen und von der es nur eine mögliche Konkretion darstellt. Von uns erlebt, ist es gleichwohl ein unser Leben Transzendierendes, da der menschliche Leib selbst mit seinem ihm eine menschliche Umwelt umschreibenden Habitus von einer Bewegung auf die Welt selbst hin durchzogen ist.«lJ Hier wäre zu bedenken, ob nicht jene Paradoxie in der ihr von Merleau Ponty gegebenen erkenntnistheoretischen Wendung eine gewisse Verharm losung erfahren hat und inwieweit die ihrer Auflösung zugrundeliegende Anna hme einer Isomorphie über das psychologisch Argumentierbare hin ausgeht. Dieser Frage hier nachzugehen, würde zu sehr vom Thema entfer nen, sie muß offenbleiben. Zusammenfassend ist im Sinne der hier zentralen Frage nach der psychologi schen Realität der Dinge festzuhalten, daß in der phänomenologischen Theo rie des •intentionalen Objekts« die Gegenständlichkeit der Dinge als ein psychisches Konzept begriffen ist (Brentano). Dieses wird nicht als eine bloße
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Bewußtseinsform verstanden, sondern in den Zusammenhang einer allgemei nen pragmatisch vergegenständlichenden Intentionalität organischen Lebens gesetzt (Brunswik). Die in der Intention(alität) gestiftete Einheit von anschau lich Gegenständlichem und Psyclmchem vermittelt sieb nach Merleau-Ponty wesentlich über das Eigenkörperliche, dessen Erfahrung selbst sich aber wiederum erst in dem ihm Gegen-ständlichen organisiert.
J.
Die Gegenständlichkeit der Dinge in genetisch-epistemologischer Siebt (Piaget)
In seiner Untersuchung über den •Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde• setz.t sich Piaget z.ur Aufgabe, die Entwicklung des Begriffes ·Objekte nachzuzeich nen, der •weit davon entfernt (sei), angeboren oder fix und fertig in der Erfahrung gegeben z.u seine.' Ohne hier im einzelnen auf die von ihm beschriebenen sechs Phasen der Objekt-Konstituierung einzugehen, läßt sich Piagets Argumentation wie folgt zusammenfassen: Er geht von einer kindlichen, •phänomenistischenc Welt aus, die weder konstante Objekte noch den objektiven Raum, weder Zeit noch Kausalität kennt, und in der Handlungsprozesse •noch auf einer einzigen Ebene un differenz.ierter Erfahrung ablaufen, die weder eigentlich extern noch eigent lich intern ist«.1 Daraus entwickelten sich allmählieb •Bilder« als vor-ob jekthafte Entitäten, in denen der Säugling z.war •vorerst seine eigenen Reak tionen und erst später das Objekt als solches• wiedererkenne, aber doch schon handlungsabhängig Identisches wahrnehme.> Im Bereich des Taktilen bildeten sich dann erste •Permanenz.enc (des Objektes) aus, doch erscheine hier das Objekt noch als ,.Verlängerung der eigenen Handlungen•.' Erst wenn das Kleinkind verschwundene, •unsichtbar verlagerte• Dinge aktiv sucht, sei das Gegenständliche •objektive konstituiert, würden die Dinge •wirkliche Objekte, die vom Ich unabhängig sind und in ihrer substantiellen Identität verharren•. > Hier und desweiteren in seiner grundlegenden Definition des Objekts als •ein System von Wahrnehmungsbildern, ausgestattet mit einer über seine aufeinanderfolgenden Verlagerungen hinweg konstanten räumlichen Form, das eine isotierbare Größe in den kausalen Reihen, die in der Zeit ablaufen, darstellte', tritt in Piagets Ausführungen ein Moment zutage, das sie psycholo gisch problematisch macht. Es ist dies ein eigentümlich rationalistisches Erklärungskonz.ept, das ihn die Frage nach der psychologischen Konstitu ierung des Objektes auf die Analyse der Entwicklung des Objektbegriffes reduzieren läßt. Das führt ihn dazu, das >Objekte nicht als eine psychologische Entität, sondern als eine logische Kategorie z.u untersuchen und läßt ihn schließlich in den Dingen als substantiell und objektiv gegeben annehmen, was ihnen wesentlich erst ein vom Kleinkind übernommener Handlungs- und Wahrnehmungsstandard vermittelt: Permanenz. beziehungsweise Identität. Auf das erkennmislogische Kriterium der substantiellen Permanenz. der Ob jekte fixiert, übersieht Piaget, daß es diese rein in der Substantialität des
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Objekts begründete und von seinen konkreten Bedeutungen und Funktionen abstrahierte Permanenz (Identität) psychologisch gar nicht gibt. - Genauer: nicht gibt jenseits einer impliziten Bestimmung, als was jenes ·Objekt, das mit sich identisch ist•7, eben dies ist. Das heißt, ihm entgeht, daß das >objektive< Erfassen beispielsweise eines Löffels zwar notwendig das Erken nen der materialen Permanenz dieses >Dingsda< einschließt, diese Erkenntnis aber nicht hinreichende Bedingungen für dessen Erfassen als Löffel ist oder etwa mit ihm gleichgesetzt werden kann. Die Realität dieses Dingsda als Löffel begründet sich hinrei,chend erst in der Gesellscha.ftlichkeit dieses Din ges und nicht schon in seiner anschaulichen Gegenständlichkeit, seiner •ob jektiven< Gegebenheit. Diese Realität kann darum weder als eine •objektive• gelten noch als eine im strikten Sinne des Wortes •erkannte<. Denn zu erfassen, daß dieses Dingsda ein Löffel ist, stellt nicht so sehr eine Erkenntnis der Sache dar, als vielmehr ,die Übernahme eines Konsens über diese Sache : Was sich in diesem Erfassen offenbart ist nicht das >objektive< Sein der Sache, sondern das geseUschaftliche Sein des Subjekts. So gesehen, ist es also von der >Objektivität< der Sache her nicht willkürlicher, wenn der Wilde sich dieses Dingsda- als Schmuck - ins Haar steckt, als wenn andere es - als Löffel - in den Mund einführen. Diese gesellschaftliche Bestimmtheit der Gegenständlichkeit der Dinge übergeht Piaget in seinen von einem problematischen Objektivismus getrage nen Untersuchungen vollständig. Auch bei ihm macht sich jene, schon an Winnicotts Argumentation monierte begriffliche Diffusion zwischen dem >Allgemeinen< und dem ·Objektiven< bemerkbar, deren Konsequenzen für das psychologische Denken ausgesprochen verhängnisvoll sind. Piaget be schreibt zwar zutreffend, wie die Dinge, anfänglich nur von einer relationa len Gegenständlichkeit in der Erfahrung, zunehmend aus deren individueller, handlungsabhängiger Perspektivit.ät herausgerückt und i n einem rationalen Konzept realisiert werden. Aber er verkennt dann aufgrund seiner formal logischen Betrachtungsweise, daß damit (als diese rationalen Objekte reali siert) die Dinge nicht etwa >objektiv<, in ihrem Sein an-sich erkannt, sondern in ihren allgemeinen, konventionellen Verw endungs-, Nenn- und Wahrneh mungszusammenhängen angeeignet sind. Das hat insofern psychologische Konsequenzen, als es Piage·t oft genug Zusammenhänge als erkenntnislogi sche behandeln läßt, die komplexere und noch andere psychische Faktoren als nur die Intelligenz involvieren. Wie weit ihn sein rationales, auf der Erkenntnis •substanzieller Permanenz« aufbauendes Konzept >Objekt< von der psychologischen Realität der Dinge entfernt, verdeutliebt seine Kritik an den Autoren Rubinow und Frankl. 1m Gegensatz zu ihm sehen diese das Ding schon vor der Erkenntnis seiner substantiellen Permanenz als ein sol ches realisiert, und zwar schon auf der Ebene seiner praktischen Qualitäten.' Wenn nun Piaget dagegen einwendet, »dieses praktische Objekt ist noch weit vom wirklichen Objekt entfernt•10, dann setzt er die Wirklichkeit der Dinge gleich mit dem, was von ihnen im rationalen Konzept ·Objekt< gegenständ lich ist. Damit verkürzt er zwar die psychologische Frage nach der Realität der Dinge zugunsten einer erkenntnislogischen; aber insgesamt machen ge-
Das Ding als intentionaler Gegenstand
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rade seine Ausführungen deutlich, daß die Gegenständlichkeit der Dinge weit davon entfernt ist, eine ihnen inhärente Qualität zu sein und daß sie psycholo gisch nur angemessen als eine Konstruktion zu erfassen ist.
C. Die Ergebnisse der Explorationen in Thesen
Diesen Teil der Arbeit abschließend, sollen jetzt die diskutierten psychologi schen Aussagen zur Realität der Dinge unter Einbeziehung der aus der begriffsgeschichtlichen Untersuchung des Fetischismus gewonnenen Einsich ten thesenhaft zusammengefaßt werden. Diese Thesen zeichnen zugleich die Grundlinien vor, denen dlie im weiteren entwickelte Theorie der psycho logischen Gegenständlichkeit der Dinge folgt. 1 . These Innerhalb einer psychologischen Betrachtungsweise stellt die Gegenständlich keit der Dinge keine den Dingen inhärente Qualität, kein objektives Datum dar, sondern ein (psycho-l.ogisches) Konzept.
2. These >Gegenständlichkeit• ist als dieses psycho-logische Konzept nicht im Sinne einer einmal und für immer definierten Kategorie zu verstehen. Das Konzept >Gegenständlichkeit< durchläuft eine Entwicklung in Richtung auf das rationa le Konzept >Objekt< und organisiert sich dabei in verschiedenen Versionen.
3. These Diese Entwicklung des Konzepts >Gegenständlichkeit< ist unmittelbar mit der des Selbst-Konzeptes, mit der Entwicklung von >Innerlichkeit•, verbunden.
4. These Die dem rationalen Konzept >Objekt• vorgängigen psycho-logischen Konzep te von Gegenständlichkeit bleiben erbalten und werden von ihm nur überde. terrmmert. .
5. These
In ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit kommen den Dingen Funktio nen zu, die über ihre zweckrationalen Bestimmungen hinausgehen und weni ger logisch als symbolisch organisiert sind.
6. These In der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge bilden sich die Bedin gungen des Psychismus ab und bilden die Dinge zugleich Be-Dingungen des Psychismus: In den Dingen kommt nicht nur Psychisches zum Ausdruck, sondern erfährt es auch eine gegenständliche Modellierung.
TEIL II
ENTWU RF zu EINER THEORIE DER PSYCHO-LOGISCHEN GEGENSTÄNDLICHKEIT
DER DINGE
Den ersten Komplex des hier entwickelten theoretischen Entwurfs bildet eine Auseinandersetzung mit der psychoanalytischen Phasenlehre der Sexualität, auf deren Grundlage dann die Entwicklung der zunehmend differenzierten Konzepte von •Gegenständlichkeit-< nachgezeichnet wird. Ziel ist dabei eine Morphologie des Gegenständlichen; d. h. es werden die verschiedenen For men typisiert. die das erlebens- und verhaltensrelativ Gegenständliche im Laufe der Entwicklung auf das Konzept >Objekt< (Piaget) hin annimmt. I n einem zweiten Komplex werden die Mechanismen und funktionalen Bedingungen herausgearbeitet, die innerhalb des Prozesses wirksam sind, in dem ein Etwas psycho-logisch als gegenständlich realisiert wird, und der hier als >Vergegenständlichen< verbegriffliebt ist. Nachdem die Entwicklung des Konzepts >Gegenständlichkeit< und die psychologischen Implikationen des Vergegenständlicbens eine theoretische Klärung erfahren haben, steht im Mittelpunkt des dritten Komplexes die Frage nach den Konsequenzen, die sich daraus für die Ordnung der psychologischen Realität des (anschaulich) Gegenständlichen ergeben. Im weiteren wird es darum gehen, die spezifische Logik der hier als psycho-logische angesproche nen Gegenständlichkeit der Dinge zu kennzeichnen. Dabei werden in einem kürzeren Exkurs auch die spezifischen Funktionen angesprochen werden, die den Dingen in dieser Form ihrer Gegenständlichkeit zukommen können.
A. Die Morphologie des Gegenständlichen Untersuchung der Entwicklung der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge Bevor jetzt der Frage nachgegangen wird, wie sich >Gegenständlichkeit< im Zusammenhang frühkindlicher Erfahrung psycho-logisch konstituiert, ist es sinnvoll, auf die psychoanalytische Theorie der frühkindlichen Entwicklung einzugehen. Denn die von i'hr herausgesteUte Entwicklungsordnung dient hier als allgemeine theoretische Orientierung und ihre Vergegenwärtigung und Interpretation wird den Zugang zur folgenden Argumentation erleichtern. Diese Entwicklungsordnung wurde zum ersten Mal von Freud in seiner Phasenlehre der Sexualität !beschrieben und von verschiedenen Autoren, ins besondere durch Erikson, weiter differenziert und ausgebaut.1 Sie zeigt einer seitS in der Polymorphie, die nach Freud der frühkindlichen Sexualität wesent lich eigen ist, eine genetische Gliederung auf, indem sie drei thematisch verschiedenen Phasen in der Sexualentwicklung beschreibt: die orale, die anal sadistische und die phallisch-genitale. Andererseits bilden diese drei Phasen eine entscheidende Grundlage für die Ätiologie psychischer Störungen. Als einer der ersten wies nun Abraham in seiner Theorie des •analen Charakters• darauf hin, daß in diesen Phasen nicht nur Muster des Sexualver haltens entwickelt werden, und sie nicht nur für die Ätiologie von Störungen relevant sind. So leitet er dort unter dem Begriff der •analen Trias• aus einer spezifischen Konstellation in der analen Phase spätere Charaktereigenschaften ab wie Eigensinn, Ordnungsliebe und Sparsamkeit, die ja weder spezifisch sexueller noch (unbedingt) neurotischer Natur sind/ Über diese sexualtheoretische bzw. charakterologische Typisierung der Phasen hinausgehend, unternahm später Erikson den Versuch, sie als Stadien der Entwicklung allgemeiner •sozialer Modalitäten• zu systematisieren. So steHt er für jede Phase eine spezifische Polarität heraus, in der sich die Beziehung des Individuums zu seiner Umwelt jeweils qualifiziert. Als solche nennt er u. a. »Urvertrauen versus Urmißtr:auen• (or:1le Phase), ·Autonomie versus Scham und Zweifel• (anale Phase) und •Initiative versus Schuldgefühl« (phallisch genitale Phase).) - Um nur die Polaritäten zu nennen, die mit den von Freud genannten, klassischen drei Phasen korrespondieren und auf die hier weiter Bezug genommen werden wird. Zwar entfernt sich Erikson damit weit von der strikt sexualtheoretischen und auch von der im engeren Sinne charakterologischen Interpretation der Phasen; aber in den von ihm genannten Polaritäten werden sie doch sehr einseitig als solche der Selbst-Erfahrung ausgelegt. Es muß überhaupt verwundern, daß bei allen Revisionen der Freud'schen Theorie und der Kritik an seiner vorgeblich einseitigen Sexual orientierung kaum ein ernsthafterer Versuch unternommen worden ist, seine Phasenlehre al� eine allgemeine, umfassende Entwicklungstheorie zu interpre tieren. - Was bedeuten würde, die für die einzelnen Phasen spezifiseben Konflikte und deren jeweilige Lösungen, über die Sexualthematik und das Subjekt-Logische hinausgehend, als Hinweis auf Grunddimensionen zu be-
Die Morphologie des Gegenständlichen
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greifen, in denen sich die psychologische Realität sowohl der Subjekts als auch der Welt strukturiert. Wenn dies auch hier nicht weiter ausgeführt werden kann, so sollen aber die Konsequenzen einer derartigen Konzeption zumin dest in einem hier relevanten Aspekt aufgezeigt und einmal nach der psycholo gischen Realität des Gegenst.ändlichen in den einzelnen Phasen gefragt werden. Da wäre als erstes herauszustellen, daß die von Freud vornehmlich in bezug auf die frühkindliche Sexualität herausgestellte Polymorphie eine allgemeine Struktur der frühkindlichen Handlungs- und Erfahrungszusammenhänge dar stellt, die sich in den einzelnen Phasen entfaltet und individuell akzentuiert ausgliedert.' Das würde bedeuten, daß diese Polymorphie ebenso wie sie alle anderen sich in den einzelnen Phasen differenzierenden Komplexe (Sexualität, Selbst-Konzept usw.) prägt, auch für das Gegenständliche in seiner psycholo gischen Realität kennzeichnend ist. phologie der Geschlechclichkeit mit der der Gegen Darauf, daß die Mor ständlichkeit in Zusammenh ang steht, weist im übrigen auch schon Erik sons Bemerkung in einer Untersuchung kindlichen Spielverhaltens hin, daß die Raum-Schematik der Kinder von ihren •genitalen Modi« her struktu riert sei.5 Im Sinne dieser Annahme unternimmt die folgende Interpretation der Freud 'schen Phasenlehre den Versuch, die frühkindliche Polymorphie des Gegen ständlichen nachzuzeichnen, um so eine erste Orientierung für die Morpholo gie des Gegenständlichen zu gewinnen. Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, stellt die psychoanalytische Theorie als zentrale Problematik der oralen Phase die Erfahrung eines Schismas zwischen Bedürfnis und Befriedigung heraus. Dabei wird von der heuristi schen Fiktion ausgegangen, daß im intrauterinen Zustand beide gewisserma ßen noch zusammenfielen. Erst durch die auch bei normalem mütterlichen Stillverhalten notwendig auftretenden Verzögerungen der Befriedigung spalte sich dann jenes subjekt- und objektlose Kontinuum des pränatalen Zustandes auf und konstituiere sich in der Erfahrung des temporären Mangels die Erfahrung von etwas nicht-Eigenem, vom Anderen. Diese konfliktuösen ersten Objekterfahrungen seien vor allem um die mütterliche Brust zentriert, die von daher das erste Objekt überhaupt, das Proto-Objekt, darstelle.6 Vom Stillverhalten der Mütter hänge dann ab, in welcher Affektivität sich die weiteren Objektbeziehungen organisieren. Hier setzt Erikson in seinen Un tersuchungen an. Er fragt nun aber nicht nach der Affektivität des da erfah rungsrelativ Gegenständlichen und nicht nach dem sich so entwickelnden psycho-logischen Konzept ·Gegenständlichkeit<, sondern ausschließlich nach dem sich organisierenden Selbstkonzept des Kindes. In diesem Sinn argumen tiert Erikson, daß sich aus der Erfahrung eines unregelmäßigen, häufig ausset zenden oder aber •aufdringlichen• (über die Sättigung hinausgehenden) Stil Jens ein •Urmißtrauenc entwickle, .aus einem regelmäßigen dagegen ein »Ur vertrauen«.7 Im Falle des ein Urvertrauen schaffenden, regelmäßigen und sättigenden Stillens besitze die in der Mutterbrust repräsentierte Form von
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>Gegenständlichkeit< zwar durchaus Qualitäten des nicht-Eigenen und Ande ren, werde aber dennoch nicht als Fremdes, Widriges oder Böses erlebt. Vielmehr als etwas, das sich. mit dem intentional Eigenen in einer gemeinsamen Ordnung befindet, wie sie z. B. im Rhythmus der Stillzeiten gegeben ist. Die besondere Rolle des Rhythmus als der frühesten Ordnung und Einheit der ansonsten weitgehend undifferenzierten Beziehung des Säuglings zur Umwelt findet sieb bei Spitz und Piaget ausführlich dargelegt. In dieser gemeinsamen Ordnung, die eine Lösung jenes traumatischen Schis mas im Sinne seiner Regularisierung darstellt, erscheint das Gegenständliche als zwar vom Eigenen getrennt, aber ihm zugehörig: als das Außen des Eigenen. Hier würde sich also ein Konzept von Gegenständlichkeit entwik keln, in dem die Dinge- um es bildhaft zu formulieren - wie gute Geschwister erfahren werden und als Komplement des Selbst fungieren. Aus der nach Erikson durch ein Urmißtrauen gekennzeichneten oralen Situation würde sich dagegen an der Mutterbrust eine Erfahrung von >Gegen ständlichkeit< organisieren, in der das erlebnisrelativ Andere nicht in einer gemeinsamen Ordnung stehend erscheint. - Vielmehr als etwas, das sich im Falle unzureichenden oder unregelmäßigen Stillees eigensinnig entzieht oder im Falle überbesorgten StiUens als etwas Überwältigendes, dem sieb nicht zu erwehren ist. In beiden FäUen besitzt das erlebnisrelativ Gegenständliche eine eigensinnige Macht; und, wenn man so will, auch schon eine gewisse ·Objekti vität<, denn es ist scheinbar gänzlich unabhängig von Eigenem, diesem viel mehr fremd und feindlich. Hier würde sich also ein Konzept von Gegenständ lichkeit entwickeln, in dem - um es wieder metaphorisch auszudrücken - die Dinge in Bezug auf das Eigene und seine Ansprüche sozusagen als Verräter oder als Diktatoren erlebt werden. Gleichgültig, ob die Erfahrung eine des Entzuges von intentional (imaginär) Eigenem oder die eines Octrois von bedürfnisrelativ Fremdem ist: In beiden FäJJen steht das (erlebnisabhängig) Gegenständliche für eine Differenz zum Eigenen. (Es ließen sich schon von hierher Überlegungen dazu anstellen, inwieweit
das erwachsene Objektverhalten als Fixierun s oder Kompensation dieser in
den einzelnen Phasen gemachten ersten Erfahrungen von Gegenständlich keit bestimmt sein könnte. Darauf kann an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden.) Gemäß der psychoanalytischen Theorie steht im Mittelpunkt der nächsten, anal-sadistischen Phase die Sauberkeitserziehung; d. h. die Forderung an das Kind, die Sphinkterfunktion zu beherrschen und schließlich zu den gewünsch ten Zeiten bzw. selbständig sich seiner Faeces zu entledigen. Dieser gegenüber wird vom Kind eine indifferente Haltung bis Abscheu erwartet; sie z.um Objekt irgendwelcher spie�erischer Neugier oder Praktiken zu machen, wird tabuisiert. Nach Erikson ennöglicht nun eine normale, d. h. eine nicht über fordernde Sauberkeitserziehung, die auch etwaige >RückfäJJe< nicht dramati siert, dem Kind die allmäh!liche Ausbildung einer •Autonomie«.' Ihre Erfah rung stütze sich nicht nur auf die •in freier Wahl und freiem Willen• be herrschten •ambivalenten Funktionen• im Zusammenhang der Defäkation
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(•Retention und Elimination•), sondern ebenso auf die allgemein entwickelte re Motorik, die dem Kind zunehmend aktive Annäherung und Abwendung ennöglicht.10 Werde aber die Sauberkeitserziehung so rigide betrieben, daß im Kind die Erfahrung des Versagens dominant wird, so bildeten sich in ihm »Scham• und ein grundlegender •Zweifel• an seinen Fähigkeiten heraus." Wobei natürlich ebenso bedeutsam ist, wie die Erwachsenen auf die ja durchaus nicht ohne häusliche Unglücke vonstattengehende allgemeine Erweiterun g des kindlichen Aktionsraumes reagieren. Der um diese Zeit erreichte volle Besitz der Motorik, der von zentraler Bedeutung für das Geschehen in dieser Phase ist, bleibt allerdings innerhalb deren p sy choa nalytischen Darstellung oft genug zugunsten einer aus schließlichen Betrachtung des »·Stuhlabsetzens« (Spiel) unberücksichtigt (vgl. Anm.)u Wendet man sich von den geschilderten lmplikationen dieser Phase für die SubjektentwickJung ab und den spezifischen Erfahrungen von •Gegenständ lichkeit• zu, so ist folgende Verän.derung herauszuheben. Indem das Kind lernt, aktiv und willentlich etwas einzubehalten oder von sich zu geben, würde es also Gegenständliches zum ersten Mal in einer Herstellungsbeziehung erfahren. Es wäre ihm nicht mehr wie noch in der oralen Phase etwas vornehmlich Entgegentretendes, das entweder einzuverleiben oder abzuweh ren ist, sondern etwas von ihm selbst Herausgesetztes. Damit würde sich also jetzt das Konzept •Gegenständlichkeit< stärker aktional organisieren. Dabei ist wichtig zu bemerken, daß diese Gegenständlichkeit psychologisch wesentlich dadurch zust.andekommt, daß etwas erlebnisrelativ Eigenes, der Kot, nicht mehr als ein solches zu erleben gelernt wurde, das Kind sich seiner zu entfremden hatte (vgl. Anm.).0 Unter der Voraussetzung eines normalen, nach Erikson zu einer Autono mieerfahrung führt>nden Verlaufes der Sauberkeitserziehung, würde sich also in der analen Phase ein Konzept von Gegenständlichkeit entwickeln, in dem Gegenständliches als ein hergestellt Anderes, als ein befremdetes Eigenes figuriert und nicht ein an-sich Anderes darstellt. Es würde vielmehr als ein dem Subjekt (im Sinne seines Produktes) Zugehöriges realisiert. Während hier Gegenständliches gewissermaßen als eine Veränderung bzw. als eine Entäuße rung des Eigenen konzipiert wäre, würde ihm in der durch Scham und Zweifel gekennzeichneten Situation der Sauberkeitserziehung eher die Qualität eines zu erbringenden Opfers zukommen. In beiden Fällen würde gelten, daß das an der Defäkation sich organisierende Gegenständlichkeits-Konzept das an schaulich Gegenständliche dominant als eine Negation des intentional Eigenen bzw. als Ent-Eignetes auslegt. Es ist vielleicht an der Zeit, das wissenschaftliche oder moralische Bedenken aufzugreifen, das gegen die hier entwickelten Überlegungen angemeldet werden könnte. Zum einen wäre einzuräumen, daß sowohl die Annahmen, die den hier hergestellten Zusammenhängen zugrundeliegen als auch diese selbst, hier keinen anderen als einen heuristischen Wert beanspruchen können. Es soll aber an ihnen auch ledi�lich eine Denkarbeit demonstriert werden, die für diese Arbeit nur als pnnzipielle von Bedeutung ist. Zum
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anderen, sollte es ungehörig erscheinen, Ereignisse in erogenen Zonen mit der >Eigentlichkeit< - immerhin doch ein traditionsreicher philosophischer mmenzubrin gen, dann ist zu sagen, daß diese Ungehöri g keit Begriff- zusa nachgerade konstitutiv i:st fü r eine •Philosophie am Leitfaden des Leibes« wie sie Nietzsche forderte,,. Und als solc h e ist Freuds Phasenlehre der Sexualität, ungeachtet seiner naturwissenschaftlichen Ansprüche, durchaus zu verstehen. Die letzte hier zu behandelnde Phase, die phallisch-genitale, sehen Freud und Erikson dadurch gekennzeichnet, daß das Kind auf der Grundlage seiner vollständig ausgebildeten Motorik eine allgemeine Aktivität entwickle, die wesentlich von sexuellen Interessen geleitet sei. Die jetzt auftretenden und phasenspezifischen Praktiken der Selbstbefriedigung werden von den Autoren als eine lustvolle Selbst-Vergegenständlichung des Subjekts interpretiert. In ihr erlebe sich das Kind gleichzeitig als passiv und als aktiv, als Autor und zugleich als Gegenstand (s)einer lustvollen Tätigkeit. Es mache sich da gewissermaßen selbst zum Objekt und zugleich ein Objekt, sein Genital, zum Subjekt. In dieser aktiv auf Lustgewinn ausgerichteten allgemeinen Initiative würden Eigenes und Gegenständliches vornehmlich nur insoweit realisiert, als sie ihr als Mittel taugen. Und es stelle nun den konfliktuösen Kern dieser Phase dar zu lernen, daß - schlicht formuliert - nicht alles zum Mittel (der eigenen Lust) zu machen ist. Diese Erfahrung zentriere sich wesentlich um das Inzestverbot und um das der Onanie. Zugleich werde an der in diesem Zusammenhang auftretenden Kastrationsdrohung die komplementäre, prototypische Erfah rung des möglichen Verlustes eines >Mittels• gemacht. Werden nun die auf aktiven Lustgewinn ausgerichteten Aktivitäten durch das (kulturell vermittelte) Erziehungsverhalten der Eltern zu sehr einge schränkt, so wird sich - Erikson zufolge- im Kinde nicht die soziale Modalität der •Initiative« ausbilden können. Und angesichts seiner von einer rigiden Moral verurteilten Ansprüche entwickle das Kind dann in der Folge ein generelles •Schuldgefühl«.as Betrachtet man diese Phase unter dem Gesichtspunkt des sich in ihr spezi fisch verändernden psy ch ischen Konzepts >Gegenständlichkeit<, so würde sich wieder ein doppelte Annahme nahelegen. Im Falle der Lösungsversion •Initia tive• ginge sie dahin, daß hier das (anschaulich) Gegenständliche wesendich als Mittel realisiert wird, und zwar nicht etwa nur m i Zusammenhang autoeroti scher Praktiken, sondern einer allgemeinen, jetzt zentralen ,.Funktionslust« (Groos, K. Bühler). In der Lösungsversion •Schuldgefühl« würde dagegen das Kind unter der Kastrationsdrohung - allgemeiner formuliert, an den von den Erwachsenen nicht tolerierten und moralisch oder faktisch bedrohten Gegen ständen seiner Lust - nur die Möglichkeit des Verlustes von ihm (in tentionali ter) Eigenem und Eigentlichen erfahren. Auf diese Weise, im Horizont seiner vom Komplex Lust-Schuld-Verlust geprägten Erfahrung, würde das Gegen ständliche dominant als gefährdeter und gefährdender Besitz erlebt. In dem unter der Drohung eines Verlustes entwickelten und entsprechend vorrangig das Besitzen problematisierenden Konzept von >Gegenständlich keit< wäre das anschaulieb Gegenständliche also weniger als dynamische Ver-
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Mütelung des Eigenen, sondern als .dessen Verdinglichung realisiert; welches dann in dieser externalen Form auch wirklich nurmehr zu besitzen oder zu verlieren ist. Der Exkurs über die aus der psychoanalytischen Phasentheorie der Sexuali tät zu entwickelnde Perspektive für eine Morphologie des Gegenständlichen ist damit abgeschlossen. Resümiert man die Begriffe, mit denen die phasenspe zifischen Akzente des sich entwickelnden Konzepts >Gegenst.ändlichkeit< charakterisiert wurden: Komplement/Differenz (orale Phase), Produkt/Opfer (analsadistische Phase) und MitteVBesitz (phallisch-genitale Phase), so ergibt sich ein erster Überbück über Fonneo der Gegenständlichkeit, die das erleb nisrelativ bzw. anschaulich Gegenständliche (Menschen und Dinge) psycho logisch erhalten kann. Unterstellend, daß zumindest die prinzipielle Möglichkeit einer derartigen Interpretation der Freud'schen Phasenlehre plausibel gemacht werden konnte, wird jetzt auf ihrem Hintergrund der Entwurf einer Morphologie des Gegen ständlichen entwickelt. Dabei wird nicht immer strikt der zeitlichen Eintei lung der Pha.sen zu folgen sein, und auch ihre speziellen sexualpsychologi schen Aspekte werden hier nicht weiter behandelt. An dieser Stelle ist vielmehr zu betonen, daß die folgende Darstellung sieb zwar der psychoanalytischen Phasentheorie als einer systematischen Orientierung bedient, aber in den konkreten Aussagen über das frühkindlich Gegenständliche sich vorrangig auf die klassischen entwicklungspsychologischen Untersuchungen stützt. So un ter anderem auf die experimentellen Arbeiten von Katz, C. Bühler, Hetzer, Sander, Volkelt, Rubinow/Frankl, Spitz und Piaget; und des weiteren auch auf die systematischen Arbeiten von W. Stern, K. Bühler, Werner, Gesell, Meili und Remplein." Die Ergebnisse und Argumentationen dieser entwicklungspsychologischen Autoren in ihrem Zusammenhang zu referieren, kann hier nicht Aufgabe sein. Sie sind innerhalb dieser Arbeit nur insoweit zu berücksichtigen, als sie sich spezifisch auf Gegenstandsverhalten und -wahmebmung beziehen. Vergegenwärtigt man sich die verschiedenen psychologischen Aussagen über den Vorgang der Geburt bzw. über die nachgeburtliche Situation des Säuglings, so ist bei allen berechtigten Vorbehalten gegen ihre nicht selten spekulativen Züge, doch immerhin eine allen mehr oder weniger wichtige Annahme festzuhalten. Sie geht da!hin, daß - ob nun mit der Geburt selbst zusammenfallend oder früher oder s,päter, bleibe dahingestellt- notwendig die problematische Erfahrung eines Schismas gemacht wird und ein undifferen ziertes, subjekt- und objektloses Kontinuum aufbricht. Dieser Zustand kann ebensogut als Total einer Abhängigkeit beschrieben werden, wie als das einer Autonomie. So sagt etwa Gesell, das Kind sei »am Anfang seines Lebens ( ) ganz Umwelt oder auch ganz >lebe, je nachdem wie man willoc.17 Die Annahme eines Ausgangszustandes der frühkindlichen Entwicklung, ge p rä gt von einer allgemeinen Undifferenziertheit und dem Fehlen einer S ubje kt-Welt Opposition, wird von Autoren verschiedenster ps cholo i y g d Th esen er scher Richtun gen geteilt. Schon Fröbel sp rach, in vielem die Ganzheitspsychologen wie Sander, Volkelt und Krüger vorzeichnend, von
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(n) , mannigfaltigkeitSlose(n) Einheit« des frühkindlichen der •ungegliederte S eelenlebens: •dem Kinde tritt die Außenwelt ( ) aus ihrem NichtS zuerst in neblichter, gestaltloser Dunkelheit, in chaotischer Verworrenheit, selbst Kind und Außenwelt ineinander verschwimmend, entgegen.•'' Eine ähnliche Auffassung vertrat Dilthey, auch wenn er schon im intrau terinen Zustand dem Kind •ein dunkles, vielleicht mehr traumartiges Bewußtsein der Trennun g seines Eigenlebens von einem es rings bedingen den äußeren Etwas• gegeben sah." Als weitere Vertreter dieser Auffassung wären u. a. Meili, Remplein, Spitz zu nennen; von den psychoanalytischen Autoren insbesondere Hanmann.10 In der Entzweiung oder Spaltung der uranfänglichen •symbiotischen Einheit (Mahler) beginnt sieb eine komplexe, diffuse Polarität• (Spitz) zu organisie ren, die sich dann im weiteren zu der immer differenzierteren Opposition von Ich und Welt, Subjekt und Objekt entwickelt.21 Daraus wäre in bezug auf die Genese des Gegenständlichen in seiner psychologischen Realität zu folgern, daß sich •Gegenständlichkeit< grundlegend in einer Spaltung konstituiert. Selbst in ihr bedingt, steht das Gegenständliche für eben diese Spaltung und repräsentiert es psycho-logisch den Verlust jenes Totals. Es verkörpert in einem ganz wörtlichen Sinn den Riß in jenem primären Kontinuum, das von vielen Autoren als ein ebenso differenzloser wie inniger Zustand beschrieben wird. Und von daher ist wohl auch zu verstehen, wieso Freud meinte, das Äußere, das Objekt, und das Gehaßte seien zu allem Anfang identisch, und wieso - um eine Formulierung von Borges aufzugreifen - in jedem Ding eine Hölle steckt.22 Die Annahme, daß die psychologische Konstituierung des Gegenständli chen in ihrem Ursprung m1t der Erfahrung einer Entzweiung oder Spaltung verbunden ist, bzw. sich wesentlich in Erfahrungen der Hemmung, des Widerstandes, des Aufschubes der Befriedigung usw. organisiert, ist keine originär psychoanalytische. So formulierte zum Beispiel schon Dilthey, den •Ursprung des Glaubens an die Realität von Objekten« untersuchend, daß es · die Hemmung der Intention• ist, welche die •kemhafte lebendige Realität des von uns Unabhängigen erst aufschließt•.u Dieser Aspekt der Entzweiung wird von Krob als grundlegend für die frühkindliche Entwicklung insgesamt verstanden, wenn er als deren wesent liche •Aufgabe• die • Aufspaltung der ursprünglich undifferenzierten Ein heit• nennt.24 In eine ähnliche Richtung weist W. Sterns FestStellun g in bezug auf die Entwicklung der Wahrnehmung der Außenwelt: •Am Anfang steht nicht das Problem der Assoziation, sondern der Dissoziation oder >Abhebung<.«25 Auch die negative affektive Dynamik, in der sich das Gegenständliche wie weiter oben beschrieben - konstituiert, wird von vielen Autoren herausgestellt, nur einige sollen hier genannt werden. Schon in C. Bühlcrs Formulierung, ·daß die erstmalige Begegnung des psycho physischen Sy stems mit einem Reiz für dieses ein irgendwie negativ zu buchendes Ereign.is istcK, deutet sieb der Zusammenhang zwischen Angst und Objektbildung an, den Spitz (u. a.) in der sogenannten •AchtmonatSangst« gegeben sieht.11 Diese ze1ge an, ,.daß das ·Objekte im eigentlichen Sinne• und zwar •nicht nur im optischen (kognitiven) Bereich konstituiert worden ist, sondern auch
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-und vielleicht sollten wir sagen vor allem - im affektiven Bereich•.21 Auch Meili spricht davon, daß ·der Zusammenhang zwischen der psychischen Konstituierung des Gegenstandes und dem Auftreten der emotionalen Reaktion des Argers frap p ierend ist•.19 In dieser •Konkordanz• der Daten der Piaget'schen ,.Qbjektk onstiruierungc (8/9 Monate), des von Spitz be schriebenen ,.fremden• und der von ihm untersuchten •Frustrationsreak tionen bei Objektentzug• zeigt sich für Meili ein entscheidender Schritt in der •Scheidung in Gegenstands- und Subjektssysteme• beziehungsweise in der •Scheidung von Subjekt und Objekt«.)O Für die Morphologie des Gegenständlichen ist der Spaltungszusammenhang, in dem es gründet, von wesentlicher Bedeutung. Er verleiht nicht nur der Entwicklung der morphologischen Gegenständlichkeit der Dinge ihre Dyna mik. Auf seinem Hintergrund ließen sich auch die innerhalb der Entwicklung des Konzepts •Gegenständlichkeit• sich ausdifferenzierenden Formen des Gegenständlichen als materiale Versionen einer für das Psychische grundle genden Funktion der Vermittlung respektive der Wiederholung eben jener Spaltung logifizieren. Dazu gibt Baudrillard in seinem Buch •Le systeme des objets« einige Hinweise'•; aber diesem Gedanken ist an dieser Stelle nicht nachzugehen, er führt in metapsychologische Zusammenhänge, die den Hori zont dieser Arbeit weit überschreiten. In dem beschriebenen ersten Stadium ihrer morphologischen Entwicklung konstituiert sich •Gegenständlichkeit• also als eine von Subjekt-Objektord nungen gänzlich freie Dynamik, die, den noch unausgebildeten motorischen Fähigkeiten entsprechend, eine wesentlich affektive ist. Innerhalb dieser •af fektiven Perspektive• (Werner) wird Gegenständliches nur in den komplexen Qualitäten der Differenz bzw. des Komplements erfahrbar, wie sie schon zur Kennzeichnung der für die orale Phase spezifischen Schematik der Gegen ständlichkeit angeführt wurden. Diese wesentlich affektive Qualität des frühkindlichen Gegenständlichen und seine im •Polarisationsprozeß des Gefühls• (Sander) bedingte einfache, polare Ordnung prägen auch noch die spätere kindliche Ding-Auffassung; und in diesem Zusammenhang wird von allen entwicklungspsychologischen Autoren auf sie hingewiesen. In der hier behandelten früheren Phase der kindlichen Entwicklung sind sie aber zweifellos für die gesamte Erfahrungs zg er über den •Urraum•: •Er enthält welt konstitutiv. So sagt etwa Met noch keine Ding e, ( ) aber doch zunächst wohl schon ein mehr oder weniger unbestimmtes Gegenüber, das enltWeder willkommen oder unwillkommen wirkt ( ).«11 Während hier das erfahrungsrelativ Gegenständliche ein diffuses, •vorgestalt l mis darstellt, beginnt es in den sich entwickelnden, Liches• (Sander) Verhä vornehmlich oralen Aktivitäten des Saugens, Beißens, bis hin zum Daumen lutschen erste materiale Qualitäten zu gewinnen. Wenn man nun für das zweite Stadium der morphologischen Entwicklung des GegenStändlichen die Erfahrung von Materialität als kennzeichnend heraushebt, dann hat man sich aber diese Materialität nicht wie eine Eigenschaft einer Sache vorzustellen. Man vergegenwärtige sich, daß auf dieser Alterstufe u. a. erst noch zu lernen
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ist, daß es nicht die Dinge sind, die da verschwunden sind, sondern sich die Augen bewegt haben; oder daß das an derWange verspürte Kribbeln sich rucht in der Haut bildet, sondern von einer fremden Sache ausgeht. - Hier herrscht also noch eine allgemeine, am Daumen.lutschen unmittelbar zutagetretende Indifferenz von •Innen< und ·Außen<, und so kann denn in dieser Phase die Qualität des Materialen auch noch nicht als ein von seiner Erfahrung unabhän giges Datum realisiert werden. Das Materiale und Materialität als Eigenschaft konstituieren sich hier vielmehr als ein Komplex praktischer, sinnlich-totaler Verwick.lungen. J>
Dieses Stadium in der Emwick.lung der psycho-log ischen Gegenständlich keit der Dinge ist also n:icht dem von W. Stern besch riebenen »Substanzsta dium« gleic h zusetzen, das für ihn das erste in der Entwicklung der »Be griffskategorien« der Außenwelterfahrung darstellt.)4 (Auf die Problematik d ieser aus der frühkind�ichen S rachentwick.lun abgeleiteten, rationalisti g p h h schen Auffassung haben K. Bü ler und Berger ingewiesen.n) Von daher wäre, um das (hier) irreführende objektivierende Moment des Begriffes >Materialität< zu vermeiden, der zentrale Modus dieser frühen Erfah rung von Gegenständ.lichkeit besser als >Plastizität< zu kennzeichnen, und das innerhalb dieser Phase realisierte Gegenständ.liche als in der Art einer Plastik organisiert. (D. h. eines Gebildes, in dessen Form die Bedingungen seines Autors und seines Materials tendenziell nicht distingierbar vereinheitlicht sind.) Der Begriff •Plastik< hebt einerseits die dominante Subjektbezogenheit dieses Konzeptes von Gegenständlichkeit hervor, umgreift aber ebenso dessen erste objektivierende Momente, welche sich an den materialen Widerständen organisieren, denen das Verhalten begegnet. In diesem Zusammenhang räumt Dilthey der taktilen Erfahrung eine primä re Bedeutung ein: »So wird in dem Impuls und dem Widerstand, als in den zwei Seiten, die in jedem Tatvorgang zusammenwirken, die erste Erfahrung des Unterschiedes eines: Selbst und eines Anderen gemacht. Der erste Keim von Ich und Welt sowi.e von deren Unterscheidung ist hier vorhanden. ( ) Indem ein Kind die Hand gegen den Stuhl stemmt, ihn zu bewegen, miß t sich seine Kraft am Widerstande: Eigenleben und Objekte werden zusammen erfahren. «36 •
Bezieht man die von Piaget zu dieser Phase der kind.lichen Entwick.lung gemachten Aussagen über den unselbständigen, handlungsabhängigen Cha rakter des Gegenständlichen ein, dann wird man unter diesem Aspekt treffen der von einer Handlungsplastik sprechen. Was vielleicht noch entschiedener ins Bewußtsein rückt, daß in dem Gegenständlichkeitskonzept, das für dieses Entwicklungsstadium kennzeichnend ist, dinghaft Materiales, Affektives und Gestisches zusammen eine Einheit, einen >Gegenstand< bilden. So betont auch Wemer, daß auf dieser frühen, nur »eine verhältnismäßige geringe Differen ziertheit von Subjekt und Objekt, von Gegenstand und Zustand, von Wahr nehmung, Gefühl und handelnder Bewegung« aufweisenden Stufe der kind.li chen Entwick.lung die Dinge noch nicht wirkliche »Gegenüberstände« bilden;
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und er kennzeichnet diese frühe Gegenständlichkeit mit dem Begriff des »Aktions- oder Signaldinges•.l' In diesem Zusammenhan� ist auch der Begriff der ,.Umgangsqualität• (Volkelt) zu erwähnen, m1t dem das Phänomen angesprochen w1rd, daß ·Erlebnismomente kindlicher Handlung beim UmgaJ;�g , mit Dingen zu Eigenschahen von Dingen selbst werden• (Sander).)l Ahnlieh formuliert Koffka: •Im primitiven kindlichen Denken ist Ding und Wirkung noch nicht so getrennt wie in unserem. ( ) Nein, die Wirkung ist, wenn wir vom Standpunkt des Kindes beschreiben, genauso eine Tatsache der Wahrneh mung, wie die Dinge und die Eigenschaften.•n (Man vergleiche auch K. Bühlcrs Ausführungen zum •Greifraum• und zum •Tastraum•.40) Das als >Handlungsplastikc psycho-logisch Gegenständliche ist also keinesfalls gleichzusetzen mit dem konkreten Objekt der Handlung, wie später noch an einem Beispiel illustriert werden wird (siehe S. 163 ff.). Das materiell gegebene Ding besitzt in einem solchen Konzept der Gegenständlichkeit lediglich eine partiale und perspektivische Realität und wird oft genug nur in seiner schieren Präsenz realisiert. Aber selbst sie kann für das in diesem Stadium einzig als Konfiguration einer Handlung realisierte Gegenständliche durchaus von eher >äußerlicher< Bedeutung sein; man betrachte nur, wie ein Kind bestimmte Handlungseinheiten rituell verselbständigt fortführt oder wiederholt, auch wenn ihr Objekt längst verschwunden oder ein anderes ist (vgl. W. Stern, Werner und Rüssel). 41 In solchen ritualisierten Verhaltensweisen Liegt in gewissem Sinne schon eine Konstanz (Permanenz) vor, die aber nach Piaget ein wesentliches Moment erst der rationalen Objekt-Erfahrung ausmacht. Von der kann in diesem Stadium aber insofern noch keine Rede sein, als hier die Permanenz des Gegenständlichen noch nicht als •substantielle• (Piaget) kon zipiert ist. Von daher würde sich der Gedanke nahelegen, daß >Konstanz< (psychologisch betrachtet) kaum jenes an den Dingen erkannte objektive Faktum darstellt, als das es allgemein gilt. Von dem beschriebenen frühkindli chen Verhalten her scheint sie eher eine der rationalen Wahrnehmung von ·Objekten< durchaus vorgängige psycho-logische Kategorie zu sein, die schon in einem allgemeineren Zusammenhang produziert worden ist. Dies würde sich mit der Feststellung von C. Bühler decken, daß die Wiederholung en von Vorgängen schon viel früher vom Kind aufgefaßt werden, als gleichbleibende Momente an Dingen.42 So problematisch es auch sein mag, angesichts dieser sich rituell verselbständi genden und schließlich objektlosen Verhaltensweisen schon von einer Kon stanz zu sprechen, so lassen sie es doch zumindest psychologisch fragwürdig erscheinen, Konstanz als eine wahrgenommene Eigenschaft der Objekte zu be greifen, wie es Piaget tut. Sie dürfte den Objekten wahrscheinlich eher attri buiert werden, nachdem sie sich als Konzept schon in Ritualisierungen des Ver haltens, Gewohnheiten usw. ausgebildet hat. Siewärealso psychologisch eherals einepragmatische Fiktionanzusehen. die derwahrnehmungsmäßigen und prak tischen Stabilisierung einer schließlich als Alltag zu lebenden Umwelt dient.
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Bei der weiteren Entwicklung dieser Konstanz im anschaulich Gegenständ lichen besitzt die Sprache eine zentrale Funktion. Sie wird in der Sprachpsy chologie unter dem Begriff der •Konstantisierung• behandelt; daß in dieser •Konstancisierung• aber ein weit über das Sprachliche hinausweisender •Grundfaktor p sychischen Geschehens überhaupt« (Hörmann) angespro chen ist, wird hier deutlich. '1
Während in dem beschriebenen, die Dinge als Handlungsplastiken organisie renden Konzept von Gegenständlichkeit noch kaum die empirischen materia len Qualitäten der Dinge und noch weniger ihre instrumentalen Funktionen realisiert werden, gewinnen diese jetzt in der weiteren Entwicklung zuneh mend an Bedeutung. Ähnlich wie das Kind unter der Anforderung der SauberkeitSerziehung lernt, sich sozusagen wie ein Instrument zu beherrschen und auf diese Weise seinen Körper und sieb selbst als einen funktionierenden Gegenstand erfährt, setzt es jetzt alles es Umgebende in eine instrumentale Beziehung zu sich. Es hat den Mittelcharakter des Gegenständlichen prototy pisch erfahren daran, wie es mittels seines verrichteten oder verweigerten •Geschäfts< auf seine Umwelt einwirken und Reaktionen wie Ärger oder Freude aktiv verursachen !kann. In diesem Kontext wird zugleich die ebenso p rototypische Erfahrung gemacht, daß diese Realisation eines Gegenstandes als Mittel und Mittler nicht problemlos ist und immer auf Kosten der Totalität der auf dieses Gegenständliche gerichteten >ureigensten• Ansprüche geht. Und zwar dar an, daß die in der beschriebenen Weise als ·Mittel• realisierten Faeces es nur unter der Bedingung werden konnte, daß auf ihre Aneignun�, den Umgang zichtet wurde. Die Faeces bilden also jetzt gewtssermaßen ein mit ihnen ver mittleres Ding, ein Mittelding: gleichermaßen Gegenstand eigener Leistung wie fremder Ansprüche. Bei aller Bedeutung dieser sich an den Faeces organisierenden prototypischen Erfahrungen ist aber in diesem Stadium der Entwicklung entscheidender, daß das Kind aufgrund seiner entfalteten motorischen Fähigkeiten in der Lage ist, sich jetzt aktitJ Mittel zu suchen und zu schaffen. Dadurch kommt es zu einer erneuten Veränderung im Gegenständlichkeitskonzept: In zunehmendem Maße instrumental realisiert, konstituiert sich Gegenständliches jetzt domi nant in der Funktion des Mittels und werden die Dinge als Mittel-Dinge akzentuiert angeeignet. (Man vergleiche in diesem Zusammenhang die Aus führungen von K. Bühler zu dem von ihm so genannten ,.Werkzeug denken•.") Nun hat man sich aber die in diesem Konzept als Mittel realisierten Dinge durchaus noch nicht als >Objekte< im Sinne PiagetS zu denken; ihr Status wäre psychologisch angemessen als der eines •Mitteldings• zu charakterisieren : Ihnen komnlt zwar als Dingen schon •substantielle Permanenz• z.u, aber mit ihnen wird noch nicht gemäß ihrer konventionellen, sogenannt objektiven Funktion umgegangen. Das heißt, als was sie Konstanz besitzen, definiert sich noch in dem unmittelbaren individuellen Interesse, dem sie dienen. Die Konstanz der Dinge ist hier also wesentlich noch die Konstanz der konkreten
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individuellen Beziehung, die zu ihnen besteht. Sie mag zwar schon den Din gen selbst attribuiert werden und so subjektiv >objektiv< erscheinen, gründet sieb aber inhaltlieb noch nicht oder noch nicht vollständig im allgemeinen Konsens über das Ding und seine Funktion, wodurch es erst zum >Objekt< würde. Um das Verständnis dieser komplizierten Gegenständlichkeit des Gegen ständlichen zu erleichtern, ist vielleicht ein Rückblick auf die schon dargestell te Theorie des ,.Übergangsobjekts«. (Winnicott) angebracht. Auch das Über gangsobjekt zeichnete sich ja dad.urch aus (vgl. hier S. 60f.), daß in ihm einerseits schon Teile der laut Winnicott objektiv gegebenen, aber psycholo gisch zutreffender als konventionale zu bezeichnenden Realität aufgegriffen sind, diese aber andererseits in ihm eine subjektive, symbolische Umwertung erfahren, derart daß es kaum ein Objekt im strikten Sinne darstellt. Es bildet eher ein Mittelding: ein mittelndes Ding zwischen den Nötigungen der Außenwelt, namentlich den Bedingungen der Objekt-Realität, und den An sprüchen der Eigenwelt. Sein Statu s ist kein interpersonal gültiger und nicht wie der des Objekts in der Allgemeinheit einer Sinn- oder Funktionszuschrei bung begründet. Und insofern es deren Logik nicht folgt, ist die Gegenständ lichkeit eines solchen (Mittel-)Dinges zwar als eine nicht-rationale zu charak terisieren, sie ist aber dennoch nicht ohne Momente von Objektivität. Die eigentümliche transitorische Gegenständlichkeit der Dinge in diesem Stadium ist jener sehr ähnlich, die später den Objekten in ihrer Ansprache als ·Dingsda< ge geben wird. - Kennzeichnet doch der Wortgebrauch von ·Dingsda< die Erfahrun g einer Sache, in der diese zwar (schon) als selbstän diges Faktum aber (noch) nicht oder nicht vollständig in ihrem >objektiven< Gegebensein bz:w. in dem, wa:s ihr gemeinhin als Sinn und Funktion zugeschrieben wird. Aus der Tatsache nun, daß auch für den Erwachsenen weite Teile des Gegenständlichen �.ornehmlich als >Dingsda< real sind, darf man wohl schließen, daß die vom Ubergangsobjekt repräsentierte transito rische Gegenständlichkeitsform der Dinge nicht einfach >überwunden< ist. Daß diese Gegenständlichkeitsform sich nicht mit der sogenannten Einsicht in das sogenannte objektive Sein der Dinge auflöst, wie Winnicott meint, und wie sie im >Din�sda< weiterllin die Wirklichkeit der Dinge organisiert, darüber gibt Baudnllards Analyse des französischen Pendants •le truc« näheren Aufschluß.•s Um die Gegenständlichkeit der Mittel-Dinge weiter zu präzisieren, ist noch einmal auf die Interpretation der Erikson'schen Stufen zurückzugeben. Da wurde von der jeweiligen Art der Sauberkeitserziehung auf das sich prototy pisch organisierende Konzept der Gegenständlichkeit des Gegenständlichen geschlossen und dieses als >Produkt< bzw. als >Opfer< charakterisiert. Diese Bestimmung des Gegenständlichen wäre jetzt mit der als ·Mittel-Ding< zusam menzubringen. In der Version •Autonomie« war angesprochen, daß das Kind selbständig - ohne sich angesicbts rigider Forderungen als versagend zu erleben - lernt, seine Faeces einzubehalten und sich ihrer, bestimmten Vorga ben folgend, kontrolliert zu entledigen. Derart an den Faeces die erste Erfahrung eines in selbständiger Leistung erbrachten, eigenen Produkts ma-
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chend, gewinnt das Kind an ihnen zugleich ein (ganz ihm eigenes) Mittel, seine Umwelt zu bedingen: etwa ihr Belobigung zu entlocken oder sie zur Verzweif lung zu treiben. In dieser Version der Sauberkeitserziehung würde sich also an den Faeces modellhaft die Erfahrung eines vermittelnden Dinges festmachen. Im Falle der Nötigung und des Versagens macht sich an demselben, aber jetzt als •Opfer< und >Schuldigkeit< (im doppelten Sinn) gedeuteten Vorgang der Defäkation die Erfahrung einer Entzweiung fest. Hier schieben sich nach Eriksoo Scham und Zweifel zwischen das Kind und seine Umwelt. Wollte man die Ambivalenz des sich an den Faeces prototypisch organisierenden Konzepts von Gegenständlichkeit begrifflich differenzieren, so könnte man das in ihm Gegenständliche einmal in dem schon beschriebenen Sinne als Mittel-Ding und das andere Mal als Zwischen-Ding charakterisieren. So schwierig und vage diese Differenzierung auch erscheint, so wesentlich ist sie. - Macht sie doch schon auf die grundlegende Dialektik gegenständlicher Kommunikation über haupt aufmerksam, die in einem der folgenden Kapiteln der Arbeit noch Thema sein wird (vgl. S. 144 ff.). Denn dem entsprechend, wie im Rahmen der Sauberkeitserziehung - am •Geschäft< der Defäkation - das Produzieren von Gegenständlichem in der grundlegenden Ambivalenz von Enteignung!Ver mittlung und von Trennungffausch jeweils fixiert wird, so wird dann das Gegenständliche entweder als ein vermittelndes Ding oder als entzweiendes, den menschlichen Rapport und die kommunikative Nähe störendes Zwischen Ding erfahren. Angesichts der Ambiva.lenz des in diesem Gegenständlichkeitskonzept realisierten Gegenständlichen könnte jetzt dessen bisherige Typisierung als Mittel- Ding zu undifferenziert erscheinen. Strapaziert man aber ein wenig den Doppelsinn des Wortes •vermitteln<, so läßt sich mit der Formel, daß das Subjekt in dem als Mittel-Ding sich konstituierenden Gegenständlichen seine intentionale Beziehung zur Welt sowohl >bemittelt< als auch >zermittelt< er fahren kann, durchaus der systematische Stellenwert dieses Begriffes erhalten. Die Darstellung dieser phasenspezifischen Version des Gegenständlichen schließt mit einem Aspekt, der für die später zu behandelnde aUgemeine Struktur der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge von Bedeutung ist. Es wurde schon dargelegt, daß das Kind auf dieser Stufe seiner Entwick lung beginnt, ausgehend von der in der Sauberkeitserziehung prototypisch gelernten Funktionalisierung seines Körpers, zunehmend auch das ihn umge bende Gegenständliche den eigenen Ansprüchen gemäß zu instrumentalisie ren. In dem Maße, wie das Kind die Dinge gemäß der Logik seiner Eigenwelt funktionalisiert, gewinnt das Gegenständliche die Funktion einer anschauli chen, materialen Repräsent:anz eben dieser Eigenwelt. Das heißt unter ande rem, daß in dieser Phase die Konstanz der Dinge, die hier ja noch nicht eine •objektive< ist, sondern vielmehr in der Konstanz des ihre jeweilige Vermine Jung bestimmenden Interesses gründet (s. w. o.), auf anschaulich gegenständ liche Weise eine Konstanz im Subjekt repräsentiert. Diese anschaulich gegenständliche Identität beginnt sich natürlich schon viel früher zu organisieren. So formuliert Erikson schon in bezug auf das
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mütterliche Stillverhalten, daß »das Erleben des Konstanten, Kontinuierli chen und Gleichartigen der Erscheinungen dem Kind ein rudimentäres Gefühl von Ich-Identität liefert«:." Zugespitzt formuliert figurieren die Dinge in diesem Gegenständlichkeitskon
zept .als Eigenschaften des Subjekts und stellen sie sozusagen sein Vermögen (im doppelten Sinne) dar. Und auf diese Weise gewinntdas Gegenständlichein dieser Phase seiner noch nicht •objekt<-rationalen Vermittelung eine Spiegel funktion für das sich organisierende Ich. Diese ist nun aber nicht als einfache Abbildung des Ichs zu verstehen, sondern als eine für es konstitutive Bedin gung, wie es Lac.an in seiner Unt.ersuchung über das »Spiegelstadium des Ichs« darlegt.47 In seiner Spiegelfunktion für das sich enrwickelnde Subjekt erhält das Gegenständliche dann auch jene grundlegenden anthropomorphen Qualitäten und Funktionen, die etwa von Piaget unter dem Begriff des frühkindlichen •Animismus« untersucht und bei Werner unte.r dem Stich wort der •physiognomischen Anschauungsweise« ausführlich dargestellt wurden:• Die mit diesen Be griffen belegte.n Phänomene werden von anderen Auto ren, wie z. B. Kroh und Sander als Ausdruck eines •magischen Denkens« angesprochen, in dem die >»Dinge< ( ) nicht sich selbst gleichbleibeode, kalte und tote, optisch-taktile Gebilde von dieser oder jener Gestalt sind, sondern ( ) voller Leben und seelischer Bewegtheit, eine affektive Haltung , ein Gesicht haben, böse oder frech, zutraulich stolz oder müde sind« (Sander)." - Metz�er spricht in diesem Zusammenhan� von einem ·Objektiv-nehmen des subJektiv Bedingten«, welches die kindhebe Wahrnehmung kennzeich ne: »Daher beim kleineo Kind die Meinung , es werde dunkel und niemand könne erwas sehen, wenn es die Augen schließt. «so Dank der in dieser Phase herrschenden allgemeinen •Personifizierung des Gegenständlichen« (Werner), tut sich jetzt in den Dingen das eigentümlich Doppelgängerische auf, das für ihre Realität im Kinderspiel bezeichnend ist.s• Es ist diese Struktur, der das Kinderspiel wesentlich seine psychohygienische Funktion verdankt: Das als gegenständlicher Stellvertreter figurierende Ding bietet ähnlich wie die auf dieser Altersstufe häufige Erscheinung des ·Phan tomgefährten« (Werner) dem Kind. die Möglichkeit, schwierige Erfahrungen, problematische Impulse und bedrückende Widerfahrnisse gewissermaßen an ihn weiterzugeben.sz An ihm kann es auslassen, was ihm selbst angetan wurde, - ihm kann es antun, was es anderswo und Anderen gegenüber unterlassen mußte, und ihn läßt es tun, was ihm selbst untersagt ist. Das von Freud in •Jenseits des Lustprinzips« geschiMerte Kinderspiel illustriert diese Stellver treterische Funktion des Gegenständlichen sehr deutlich (vgl. hier S. 153ff.). Darüberhinaus wird an ihm erkennbar, daß in dieser doppelgängensehen Beziehung zum Gegenständlichen es durchaus nicht immer eindeutig, ge schweige denn objektiv definiert ist, wer da das >Original< ist und das Agens besitzt.S) Dies bestimmt sich eher prälogisch und intentional, wie es z. B. die kindliche Aussage illustriert, man h;abe sich nicht geschnitten, es sei das Messer gewesen, das einen gebissen habe.
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Die Realitäten, die in diesem doppelgängerisch Ge genstä ndlichen geschaf fen werden, sind aber nicht nur in ihrer psycheh ygienischen Funktion bedeutsam. Das sie vorrangig organisierende Prinzip des »das aktiv zu wiederholen, was einem (passiv) wider fuhr• bildet nach Kris auch die Grundlage aller ästhetise!hen Erfahrung.l-4 Aber auch außerhalb des engeren künstlerischen Bereic.�es, im Zusammenhang der allgemein-psychologi schen Funktion der •Asthetisieruog•, spielt es als Strategem eine entschei dende Rolle, wie an anderer Stelle dargelegt.11 I m Vergleich zur Komplex- ität des Mittel-Dinges, als das sich Gegenstän dli ches in dem für diese Phase spezifischen Gegenständlichkeitskonzept konsti tuiert, wirkt die jetzt als letzte zu behandelnde Phase seine r morp hologischen Entwicklung nachgerade wie eine radikale Re duktion. Sie korrespondiert zeitlich etwa mit dem Übergang von der phallisch-genitalen Phase in die sogenannte Latenzzeit. Laut Erikson bat das Kind jetzt •seine erreichbare Umgebung und seine Körpermodi be meistert• und ist der Zeitpunkt gekom men, da »das Kind frühere Hoffnungen und Wünsche vergessen muß, wäh rend seine überschäumende Phantasie gezähmt und ins Geschirr der Gesetze unpersönlicher Dinge gespannt wird•.56 Was Erikson hie r in der für pädagogi sches Engagement so typischen heite r-sadistischen Metaphorik ausspricht, kennzeichnet treffend die Bedingungen dieser Phase in der Morphologie des Gegenständlichen, das sich jetzt zunehmend im Konzept ·Objekt< als eben jenes »unpersönliche Ding« konstituiert. In dem Maße, wie sich das Kind den Bedingungen des Sozialen zu stellen hat (unter seinen Spielkameraden, Ge schwistern und schließlich vor allem dann im schulischen Bereich), macht es immer häufiger eine problematische Erfahrung: Ebenso wie immer wie der bestimmte, ihm selbstve rständliche Forme n seine s Umgangs mit Dingen, belächelt, korrigiert oder verurteilt we rden, we rden ihm vertraute Dinge von anderen Menschen in ganz anderer Weise benutzt, be handelt und ge schätzt; möglicherweise als ·Phantasie< abgetan oder überhaupt erst garnicht als wirkli che wahrgenommen. Egal, ob das Kind sich jetzt dieser Dinge selbst zu entfremden beginnt oder sie nur noch für sich hält, nicht selten sie zu einem >Geheimnis< oder zu einem >Schatz< erklärend, ihm widerfährt in dieser Phase zwangsläufig das Dissoziale seiner gegenständlichen Beziehungen, und das nicht selten an den ihm liebsten D ingen. E s steht damit vor der Aufgabe, die soziale Unwirklichkeit der Ordnungen einzusehen, in denen es bislang Gegen ständliches realisierte, und sich das allgemeine, »objektive< Konzept der Gegenständlichkeit der Dinge anzueignen, - das des immer-und-je dem-glei chen Dinges. Sich in seinem Ve rhalten an dieser transindividuellen Identität der Objekte orientierend, hat das Kind dann eine wesentliche Voraussetzung für den E intritt i n die sogenannte Erwachsenen-Realität erfüllt. In diesem Lemprozeß tritt das immer-und-jedem-gleiche Ding dem Kind als das wabre und wirkli che, als das •objektive< gegenüber; wie an anderer Stelle aber schon dargelegt worden ist, handelt es sich bei ihm vielmehr um ein konventionales Konstrukt. Mit der vom Kin d vollzogenen Anerkennung der >objektiven< Gegenständ-
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lichkeit der Dinge ist also - allgemein gesprochen - nicht so sehr die Wirklich keit anerkannt, als vielmehr ein Konsens über die Wirklichkeit. Das •Geschirr der Gesetze unpersönlicher Dinge•, in das - um mit Erikson zu sprechen - das Kind jetzt gespannt wird, ist nicht das Geschirr des •objektiven Geistes< oder der •Logik der Sache(, sondern das Geschirr des über die Dinge und in den Dingen herrschenden allgemeinen Konsens. Der Prozeß, in dem ein Ding aus seiner individuellen und vor - rationalen Realität als Mittel-Ding heraus - und in die des sozialen und rationalen Objekts geführt wird, wäre jetzt in seinen verschiedenen Bedingungszusam menhängen zu untersuchen. War im Konzept des Mittel-Dinges die Konstanz der Gegenständlichen noch zumindest qualitativ abhängig von den in ihm vermittelten Bedürfnissen und realisierten Phantasien, so löst sie sich jetzt vollständig aus diesen individuellen Bedingungen. Sie wird nun zu jener im Gegenstand logifizierten •substantiellen Permanenz« (Piaget} des Objekts: Die Konstanz des Gegenständlichen, welche zuvor handlungs-immanent begründet war, wird jetzt zur Seins-Eigenschaft der Sache. Daß diese Kon stanz aber keine objektive, allein in der substantiellen Permanenz des Dinges determinierte ist, sondern durch den über die Dinge herrschenden Konsensus überdeterminiert ist, wurde schon an anderer Stelle ausgeführt (vgl. S. 68 f.). Ähnliches gilt auch für die Funktion und den Sinn des anschaulich Gegen ständlichen. Sie verlieren in dem rationalen Konzept des Gegenständlichen alles Perspektivische und Intentionale; sie werden vereindeutigt und als objek tiv gegeben in das ·Objekte eingeschrieben und damit der Einsicht ihrer gesellschaftlich-historischen Natur entzogen. Schon an diesen Zusammenhängen wird deudich, worin der wesentliche Aspekt des Konzepts >Objekt• für die bislang dargestellte Morphologie des Gegenständlichen liegt. In diesem Konzept fällt jetzt das dem Individuum an einem Ding Gegenständliche per definitionem (bzw. normativ) zusammen mit dem (vermeintlich) am Ding materialiter Gegebenen: >Gegenständlichkeit< ist da zu einer allgemeinen und rationalen Kategorie und zu einer >Objektiven• Eigenschaft der Sachen geworden. Da.s, was in den vorgängigen Gegenständ lichkeitskonzepten noch (psycho-logisch) in den Dingen unmittelbar gegen ständlich war als ihr schwieriger oder freundlicher Charakter und als ihr Eigenleben, wird vom jetzt •objektive realisierten Gegenständlichen abgespal ten, dem Psychischen als seine Produktion zugeordnet und als Subjektivum verinnerlicht.�' Gleichgültig, ob solche im rationalen Objekt nicht mehr gegenständliche Zusammenhänge jetzt als subjektive logifiziert werden oder als den Dingen nur anhängende Bedeutung, sie werden nicht mehr wie vordem im Gegenstand oder als wirkliche Eigenschaften von ihm realisiert, sondern nurmehr als Eigenschaften der Beziehung zu ihm. Dieser Prozeß korresp ondiert mit dem, den Hörmann im Zusammenhan g der kindlichen Sprachentwicklung als die ·Scheidung in Denotation und Konnotation• beschreibt.� Der nicht-rationale Komplex im Gegenständlichen (das Gestische, spiegelnd Erzählerische, das Physiognomische und doppelgängerisch Belebte der Dinge)
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tritt auf diese Weise immer stärker hinter die in diesem neuen Konzept jetzt als ·Objekte< realisierten Dinge zurück. Hat er sich schließlich als ein eigener, das >Objekt< konfigurierender Gegenstand von diesem abgelöst, dann ist mit dieser Spaltung jene doppelte Realität des Gegenständlichen geschaffen, die Baudrillard in seiner schon zitierten Bemerkung ansprach, daß ·hinter jedem realen Objekt ein geträumtes steht•. Vergegenwärtigt man sich noch einmal den Ausgangspunkt der Entwick lung der Erfahrung von >Gegenständlichkeit<, d. h. jene Spaltung, in der sie und als die sie sich grundlegend konstituierte, dann erkennt man jetzt, daß die rationale Gegenständlichkeit der >Objekte< auf einer weiteren und also insgesamt auf einer zweifachen Spaltung gründet. Deren erste stellt gewisser maßen die anthropologische Bedingung für den Aufbau einer anschaulich gegenständlichen Realität dar, während in der zweiten, für das •Objekt< konstitutiven, sich dagegen weit mehr kulturspezifische Bedingungen nieder schlagen. Sl
Daß hier eine zweite Spaltung vorliegt, wird auch von Remplein gesehen. So spricht er im Zusammenhang der Auflösun� der physiognomischen, um »Umgangsqualitäten• und "Werkzeugfunkttonen• zentrierten Gegen standsauffassung zu gunsten »Sachliche(r) Din gerkennmise von einer er neute(n) Abstandsnahrne des Subjekts vom Obj ektc.to •
Von dieser sekundären Spaltung, die der Eintritt in die Objekt-Realität, in die Welt der für jeden-und-immer-gleichen Dinge, abverlangt, sprach wohl Erikson, als er diese Phase in der kindlichen Entwicklung damit kennzeich nete, daß jetzt »das Kind frühere Hoffnungen und Wünsche vergessen muß, während seine überschäumende Phantasie gezähmt und ins Geschirr der Gesetze unpersönlicher Dinge gespannt wird•. Bedenkt man nun noch einmal, daß diese Gesetzmäßigkeiten, in die es sich da zu spannen gilt, und jene vorgeblich an den Dingen •erkannten< Objektiva im wesentlichen Konstrukte des über sie herrschenden Konsens darstellen, dann tritt hier ein allgemeiner psycho-logischer Aspekt der Dinge als >Objek te< hervor, nämlich ihre Funkeion als Konsens-Mittel: So, wie die Dinge entscheidend erst im über sie herrschenden Konsens zu >Objekten< werden, gewinnt der Konsens erst in den Dingen als >Objekten< ein entscheidendes Mittel zu seiner Verallgemeinerung, die Möglichkeit seiner materiellen Re produktion. Und auf dem Hintergrund dieser GeseUschaftlicbkeit des >Ob jekts< gewinnt das Geschehen in dieser Phase den Charakter einer gegen ständlichen Initiation und erscheint die Aneignung der Dinge als >Objekte< nicht so sehr als eine Frage der Erkenntnis der materiellen Wirklichkeit, sondern als eine der Integration in den herrschenden Konsensus und der Verinnerlichung seiner Ratio. Die Gegenständlichkeit der schließlich im Objekt-Konzept realisierten Dinge ist nicht mehr eine psycho-logische, sondern eine in der beschriebenen Weise rational organisierte; und mit dieser vom herrschenden Realitätsprin zip bestimmten Gegenständlichkeit der Dinge ist die Rekonstruktion der
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Morphogenese des Gegenständlichen abgeschlossen. Sie bildet die Grundlage, auf cler sich die Analyse der psychologischen Gegenständlichkeit der Dinge jetzt einer anderen Fragestellung z·uwendet.
B . Der Prozeß des Vergegenständlichens Untersuchung der funktionalen Bedingun gen der Kon stituierung psycho-logischer Gegenständ lichkeit Auf der Grundlage der Morphologie des Gegenständlichen soll jetzt unter sucht werden, welche allgemeinen psychischen Mechanismen bei der verhal tens- und erlebensrelativen Konstituierung von •Gegenständlichkeit• eine Rolle spielen. Dabei wird vor allem nach den funktionalen Bedingungen jenes Prozesses gefragt werden, in dem etwas gemäß dem dargestellten Konzept als >Objekt< wahrgenommen und praktisch realisiert wird. Dieser Prozeß ist im folgenden mit dem Begriff Vergegenständlichen• gefaßt. Die Untersuchung der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge wechselt damit die Perspektive und wendet sich jetzt - wissenschaftstheore tisch gesprochen - einem anderen Gegenstand zu. Während in der Morpholo gie des Gegenständlichen die Konstituierung von •Gegenständlichkeit• ent wicklungspsychologisch untersucht wurde, wird hier das am Ende der darge legten Entwicklung stehe.nde >objektive• Konzept des anschaulich Gegen ständlichen auf sein allgemeines psychologisches Funktionieren hin befragt. Wenn hier davon die Rede ist, daß die Mechanismen des Vergegenständli chens herausgearbeitet werden sollen, dann könnte dies möglicherweise zu einer fa.lschen Annahme führen. Denn der Begriff •Mechanismus• legt nahe, daß es da um eigenständige Techneme, um voneinander abgrenzbare Funktio nen gehe und also das Vergegenständlichen ein sich aus ihnen zusammenset zender Vorgang sei. Es wird aber im weiteren deutlich werden, daß die behandelten Funktionen gar nicht voneinander zu trennen sind, sondern nur verschiedene funktionale Aspekte des Prozesses >Vergegenständlichen• dar stellen. Sie akzentuieren jeweils einen anderen Bedingungszusammenhang in diesem Prozeß, der aber nicht als ihr summatives Ganzes aufzufassen ist. Von daher wird in der weiteren Darstellung möglichst auf den Begriff •Mechanis mus• verzichtet werden und stattdessen von funktionalen Bedingungen die •
Rede sein. Ganz vermeiden aber !:ißt er sich trou: seiner Mißverständlichkcit
nicht, da er den technischen und strategischen Charakter dieser Bedingungen deutlicher macht und ihr prozessuales Moment betont. Diese terminologi schen Vorbemerkungen abschließend, sei noch einmal klargestellt, daß •Ver gegenständlichen• hier nichts anderes bezeichnet als den Prozeß, in dem ein Etwas eine psycho-logische bzw. eine dem Objekt-Konzept gemäß organi sierte Gegenständlichkeit erhält. Die Darstellung dieses Konzepts ließ erkennen, daß das in ihm realisierte Gegenständliche ganz wesendich das Produkt einer Spaltung ist, und damit ist auch schon die erste und grundlegende funktionale Bedingung des Vergegen ständlichens angesprochen. Diese Spaltung war aJs ein Prozeß beschrieben worden, in dem die komplexe Gegenständlichkeit der Dinge, die in ihren früheren Konzepten sowohl materiale Qualitäten des Gegenständlichen aJs auch Phantasien und Bedürfnisse des Subjektes umfaßte, aufgelöst und spezi fisch partialisiert wird: Das, was im Konzept ·Objekt• ausgeschlossen ist als
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nicht wirklich an der Sache gegeben, wird verinnerlicht bzw. subjektiviert und also zu etwas, das den jetZt objektivierten Dingen nicht mehr eigen ist, sondern einen sie konfigurierenden psychischen Komplex bildet, etwa als ihre Bedeu tung oder als Meinung über sie.' Dieser Komplex, welcher der herausgehobe nen Figur des Objekts wie ein Grund zuzuordnen ist, wu.rde als ein eigener, abgespaltener Gegenstand verstanden. So gesehen, konstituierte sich in der durch das Konzept >Objekt< organisierten Realität eine doppelte Gegenständ lichkeit der Dinge. Soweit die bisherige Darstellung der Spaltung. Jetzt wäre der Frage nachzugehen, wie sie produziert wird und welcher Art die Prozesse sind, in denen diese eigentümliche Doppelung zustandekommt. Dazu geben die Überlegungen Freuds einen ersten Hinweis, die er im Zusammenhang seiner Theorie der Melancholie zum Schicksal aufgelassener, aufgegebener Objektbesetzungen anstellt und auf die hier schon Bezug genommen wurde (vgl. S. 80f.). Denn dort ergab sich eine ähnliche Situation doppelter Gegen ständlichkeit: Einerseits das Objekt, das aufgegeben werden mußte, bzw. von dem die libidinösen Besetzungen abzuziehen waren, das aber natürlich mate rialiter und wahrnehmbar weiter bestehen konnte und andererseits jenes im Ich errichtete, es psycho-logisch ersetZende. Diesen Ich-verändernden Vor gang der Psychisierung eines vormals gegenständlich Realisierten nannte Freud eine Introjektion oder eine Internalisierung. I n Anlehnung an diese Terminologie ließe sich der hier behandelte psychische Mechanismus im Vergegenständlichen als lnteriorisieren kennzeichnen. Mit diesem Begriff wäre eine Funktion angesprochen, die sowohl in der für die psycho-logische Konstituierung von Gegenständlichkeit primären Spaltung wirksam ist, als auch in jener Verdoppelung der Gegenständlichkeit der Dinge, die aus der für das >Objekt< konstitutiven, sekundären Spaltung resultiert. Damit sich ein verhaltens- bzw. erlebensrelativ Gegenständliches als ·Ob jekt• konstituiert, ist es also notwendig, daß seine nicht in diesem Konzept aufgehenden (i.e. nicht-rationalen) Qualitäten •psychisiert« (Haas), das heißt interiorisiert und mit dem Subjekt identifiziert werden. Diesem für das Vergegenständlichen zentralen Prozeß läuft ein anderer, ebenso wichtiger nebenher. Denn auch die Funktionen und Qualitäten, die schon in den vorgängigen Konzepten am Gegenständlichen realisiert worden waren (na mentlich die im >Mittel-Ding< repräsentierten) und die ihm in seiner Konzipie rung als >Objekt< weiterhin zukommen werden, erfahren jetzt eine Verwand lung. Daß z. B. der Löffel ein Mittel darstellt, Nahrung aufzunehmen, stellt nicht mehr die Instrumentalisierung (Ver-Mittelung) eines von verschiedenen möglichen Interessen dar, sondern wird jetzt realisiert als die Erfüllung eines dem Ding materialiter eigenen, •objektiven< Seins. Dieser Unterschied ist durchaus erheblich, denn in diesem weniger erkannten als ihm zuerkannten Sein geht dem Löffel jetzt (per Norm) vieles von dem ab, was er als Mittel Ding, als Ver-MitteJung varianter Interessen, noch an Verwendungsmöglich keiten besaß: z. B. mit ihm Sand schaufeln, die Ge.schwister schlagen, sich eine dicke Backe machen oder einen Nagel einschlagen. Dieser Prozeß der redukti ven und selektiven Einschreibung einer Möglichkeit seiner Vermittelung in den (äußeren) Gegenstand als die ihm •objektive zukommende Funktion bildet
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das Komplement zu dem geschilderten interiorisierenden Mechanismus im Vergegenständlichen. Dieser komplementäre Mechanismus wäre als Exttriori sieren zu kennzeichnen. Und damit wäre eine zweite Funktion benannt, die sowohl für die primäre, überhaupt erst (psycho-logisch) Gegenst.ändlichkeit schaffende Spaltung relevant ist, als auch für die sekundäre, in der die Dinge als ·Objekte< realisiert werden. Der hier als Vergegenständlichen bezeichnete Prozeß, in dem ein verhal tens- und erlebensrelativ Gegenständliches als ·Objekt• realisiert wird, basiert also auf einer sich in in teriorisierenden und exteriorisierenden Prozessen organisierenden Spaltung der frühen polymorphen Gegenständlichkeit der Dinge. Und indem die materiellen und die imaginären oder symbolischen Funktionen der Dinge, die in den frühen gegenständlichen Beziehungen einen Gegenstand bildeten, jetzt einesteils vom Subjekt introjiziert und anderenteils dem Objekt attribuiert werden, ergibt sich schließlich jene schon aufgezeigte doppelte Gegenständlichkeit der Dinge: die •objektive• bzw. rationale und die imaginäre bzw. psycho-logische. Indem das innerhalb der frühen Gegenständlichkeitskonzepte polymorphe Gegenständliche bestimmten kulturspezifischen Standards der Subjektivie rung und Objektivierung unterworfen wird, treten aus ihm die immer-und jedem-gleichen Dinge, die >Objekte• hervor. Dabei werden am anschaulich Gegenständlichen einige seiner Qualitäten und Funktionen festgeschrieben, andere dagegen ausgeschlossen, und so die an ihm möglichen Erfahrungen und Handlungen auseinanderdividiert in realistische, rationale und in subjektive, imaginäre. Die bestimmten Möglichkeiten seiner Vermittelung, die zum Seins Zweck des Dinges erklärt werden, machen es als >Objekt< aus, während es in seinen als •unsachgemäße ausgegrenzten sozusagen nurmehr ein >Unding< bildet. Natürlich bestehen - um einem möglichen Mißverständnis vorzubeu gen - nicht erst in der Gegenständlichkeit des >Objekts• solche Verhältnisse des Setzens und Ausgrenzens, sondern auch schon in den früheren Gegenständ lichkeirskonzepten. Der spezifische Unterschied zwischen dem ·Objekt< und den vorgängigen Formen des Gegenständlichen liegt allein darin, daß in den letzteren diese Verhältnisse variabel und in wechselnden Perspektiven des Subjekts bedingt sind, während sie am ·Objekte als für-immer-und-jeden konstante festgeschrieben werden. Hörmann bezeichnet diesen Prozeß, die zentrale Rolle der Sprache dabei untersuchend, als •Ent-Pragmatisierung•.1 Das heißt, was an den Dingen irrealisiert und was an ihnen realisiert wird, hängt nicht mehr von ihrer jeweiligen individuellen VermitteJung ab, sondern gründet jetzt im Sein der Sache. - Vermeintlich, denn was da an der Sache und in ihrem Sein logifiziert wird, stellt ja wesentlich (um es noch einmal zu wiederholen) nichts anderes dar, als eine Explikation des über ihre Gegen ständlichkeit herrschenden und sich in ihr vermittelnden Konsens. Angesichts dieser reduktiven und setzenden Anstrengung, in der das kom plexe, vor-objektiv Gegenständliche aufgebrochen, differenziert und schließ lich das identische >Objekt< geschaffen wird, erscheinen die im vorigen Teil behandelten Aussagen Winnicott.s über den konstitutiven Zusammenhang von Destruktion und Objekt-Bildung fast noch zu vorsichtig. Immerhin themati-
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sieren sie damit einen Aspekt des Vergegenständlichens, den Piaget vollständig übergeht : seine emotionalen Implikationen. In Piagets Darstellung wirkt der Prozeß der Objekt-Bildung bzw. des Vergegenständlichens weitgehend wie ein eher gefühlsneutraler Vorgang, der allein an Bedingungen der Intelligenz entwicklung gebunden ist. Ihn als eine zunehmend optimale, rationale Anpas sung an die Reizrealität der Dinge vorstehend, läßt Pia.get gänzlich außeracht, da.ß das ·Objektivieren< des Gegenständlichen nicht nur Einsicht impliziert, sondern Prozesse des Entzweiens und der Destruktion.' Die dargelegten funktionalen Bedingungen des Vergegenständlichens (Spal tung, lnteriorisieren, Exteriorisiereo und Verdoppelung) bilden, ineinander wirkend, einen derart zusammenhängenden Komplex, daß hier kaum mehr von eigenständigen Mechanismen die Rede sein kann. Es ist darum sinnvoller, sie unter dem Terminus Spaltung leitmotivisch zu vereinheitlichen und als deren funktionale Implikationen zu begreifen. Wenn aber >Spaltung< dieses synthetische und funktionale Gebilde ist, als das sie hier erscheint, kann man sie dann noch als eine Störung begreifen, in der sich Seelüches einfach >befindet<, und sie aUein als eine Form des Leidens betrachten, wie es üblicherweise geschieht? Müßte man da nicht eher von Spaltung als einer Lösungskonstruktion oder einer Bewältigungsstrategie sprechen? So gesehen, würde sich dann die Sp altung nicht so sehr selbst als em Leiden oder eine Störun g darstellen, sondern als ein sehr komplizierter und darum besonders störanfälliger Versuch der Schematisierung und Bear beitung von etwas Problematischem, das unerträglich und anders nicht lösbar ist. Was aber hieße das für den hier verhandelten Zusammenhang, wo läge das Problematische, das in der hier beschriebenen Spaltung schematisiert und aushaltbar zu machen gesucht wird ? Auf diese Fragen wird in einem anderen Zusammenhang einzugehen sein {siehe S. 161 ff.). Mit den geschilderten funktionalen Verhältnissen innerhalb des Vergegen ständlichens eng verbunden ist auch der nächste zu behandelnde Aspekt seines Bedingungsgefüges. Denn indem Gegenständliches als •Objekt< realisiert wird, wird in ihm nicht nur die geschilderte Spaltung vollzogen, sondern ihm zugleich eine Konstanz, genauer: eine Identität gesetzt. Das Zusammenspiel interiorisierender und exteriorisierender Prozesse folgte ja dem Prinzip, die qualitative und funktionale Polymorphie, die dem (anschaulich) Gegenständ lichen in seinen wechselnden, perspektivischen Vermittelungen zukam, aufzu lösen und die intersubjektiv gültigen seiner Qualit.äten und Funktionen her auszustellen. - Um sie dann als materialiter gegebene in das Ding einzuschrei ben, als eben dessen >Objektive< Identität. Es wurde dazu schon angemerkt, daß die Konstanz auf Seiten des ·Olbjekts< notwendig eine Einförmigkeit im Umgang mit ihm korrespondiert. Und im Sinne einer weiteren Konsequenz wäre jetzt zu formulieren, daß mit der Identität, die dem Ding als ·Objekt< gegeben wird und die das Subjekt in seinem immer-glei.chen Verhalten zu ihm realisiert, auch ihm selbst eine Identität gegeben ist. Dieser Zusammenhang bildet einen zweiten Komplex in dem Bedingungs gefüge des Vergegenständlichens. Und insofern als hier im Gegenständlichen
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ein immer-und-jedem Gleiches geschaffen wird, wäre er als »Identifikation« (Piaget) zu kennzeichnen. In diesem Prozeß wird die Identität des anschaulich Gegenständlichen unabhängig von seinen wechselnden Vermittelungen und als >im Sein der Sache gründend< gesetzt. Auf diese Weise werden im ·Objekt< gewissermaßen tautologische Verhältnisse zwischen dem Verhalten und dem in ihm Gegenständlichen geschaffen : Auf dem Stuhl - so er strikt als dieser konventional vereindeutigte Gegenstand, als ·Objekt•, realisiert wird - ist immer nur zu sitzen wie :auf einem Stuhl. - Würde sich anders zu dem Stuhl verhalten, wäre er nicht mehr Stuhl (im Sinne des Objekt-Konzepts). In den früheren, vor-rationalen Gegenständlichkeitskonzepten konnte der Stuhl da gegen ebensogut als ein Pferd, eine Leiter, eine Insel oder als der Vater realisiert werden. Von daher ließe sich diese Implikation des Vergegenständli chens auch als Tautologifizierung bezeichnen; denn als >Objekte< sind die Dinge zu materialen Tautologien des über sie herrschenden gesellschaftlichen Konsens geworden: Und insoweit in der konventionalen Gegenständlichkeit eines Dinges - in ihm als >Objekt< - jeweils ganz bestimmte Handlungs- und Affektzusammenhänge fixiert sind, bildet das •Objekt< zugleich eine materiale Tautologie der ihm (normativ) zukommenden psychischen Realität. Darin, daß hier Verhaltens- und Affektzusammenhänge von dem ihnen Gegenständlichen her als gleiche und gleichbleibend gesetzt werden, und also Psychisches in den >Objekten< eine Konstantisierung (Hörmann) erfährt, tritt die wesentliche Funktion des Vergegenständlichens für die Bildung des Ichs hervor. - Wie anders auch sollte das Ich sich als ein gleiches setzen oder schaffen und als gleich-bleibend erfahren können, denn (sich) gegenständlich. Mit anderen Worten, in der Gegenständlichkeit der Dinge als >Objekt<, im Umgang mit den jedem-und-immer-gleichen Dingen, realisiert sich auch das Subjekt als ein gleiches: identisch zu sich und konform den Anderen. Dies macht den entscheidenden Unterschied zwischen dem ·Objekt< und den anderen, früheren Gegenständlichkeitskonzepten aus. Denn wenn auch schon in ihnen Psychisches sich gegenständlich gleich und gleichbleibend setzte, so geschah das immer nur perspektivisch und pragmatisch, und kam dem nur eine intrasubjektive Realität zu. lm ·Objekt< dagegen liegt das Gleiche im Gegen ständlichen jenseits des Horizontes des Subjekts: Jetzt im Ding lokalisiert und als Eigenschaft seines materialen Gegebenseins identifiziert, erhält dieses Gleiche schließlich eine imersubjektive Realität. Diese .Gleichförmigkeit in der Welt« (Marbe), welche durch die Identifika tion bzw. Tautologifizierung des Gegenständlichen realisiert und schließlich im Objekt-Konzept transsubjektiv definiert wird, - sie spielt auch innerhalb eines weiteren Bedingungszusammenhanges des Vergegenständlichens eine Ieitmotivische Rolle. Auf ihn verwies schon jene bereits zitierte beiläufige Bemerkung Freuds, mit der er die Frage der Genese der Objekte berührte. Es hieß da, daß es die »wiederholten Befriedigungssituationen• seien, welche »das Objekt der Mutter« - also das nach Freud früheste Objekt - überhaupt erst erschaffen würden. Diese Aussage wäre jetzt allerdings etwas zu differen zieren. Und zwar indem man sich noch einmal vergegenwärtigt, wie >Gegen ständlichkeit< sich psycho-logisch im Zusammenhang aufgeschobener Befrie-
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digung, in der Erfahrung des (zeitlichen) Auseinandertretens von Bedürfnis und Befriedigung konstituierte, und man dabei berücksichtigt, welche Bedeu tung Erikson, Spitz und Piaget dabei der Regelmäßigkeit bzw. dem Rhythmus des mütterlichen Stillverhaltens beimaßen. Denn dann würde es sich so darstellen, daß nicht so sehr die Wiederholung selbst das prototypische Objekt >Mutter< schafft, sondern daß es der Konflikt um die Wiederholung ist, in dem sich bzw. der da ein erstes erlebnisrelatives Gegenständliches konstituiert : Einmal (bei Stillverlangen) in der Anstrengung, eine Wiederholung des Stillens herbeizuführen und das andere Mal (im Falle der überversorgenden Mutter) sich ihrer zu erwehren. Aber unabhängig davon, ob sie einmal als Anspruch oder das andere Mal als Zwang wirksam ist, hier wird ein elementarer genetischer Zusammenhang zwisch,en der Wiederholung und der psycho logischen Konstituierung von Gegenständlichkeit deutlich. Er stellt für den hier behandelten Prozeß des Vergegenständlichens und für die im Objekt Konzept sich organisierende Gegenständlichkeit der Dinge eine wichtige, wenn nicht gar die zentrale funktionale Bedingung dar. Denn worin sonst kann sich jene für das >Objekt< spezifische •substantielle Permanenz« (Pia get)-, wie anders kann sich die im Gegensatz zur pragmatisch wechselnden Konstanz des Mittel-Dings nun transsubjektive Identität des ·Objekts< reali sieren, als in der Gleichförmigkeit der auf es bezogenen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen: in deren Wiederholung. Die Wiederholung stellt also von daher die in (eine) Tätigkeitsform umgesetzte Identität der >Objekte< dar. Sie bildet aber zugleich einen zentralen, frühen Mechanismus der Einübung von Identität auf seitendes Subjekts; worauf etwa Freud im Zusammenhang frühkindlichen Spielverhaltens hinwies und wie es Erikson in seiner Analyse der Konsequenzen aus dem mütterlichen Stillverhalten darlegt.�- Betrach tet man die Wiederholung derart als eine zentrale und die möglicherweise ursprünglichste Technik der Identitätsgewinnung, dann hätte das Konse quenzen für das Verständnis des Wiederholungszwangs. Als sein Spezifi kum wäre dann nicht so sehr herauszustellen, daß in der zwangh aften Wiederholun g auf etwas früh Fixiertes regrediert wird, sondern daß da der Gegenstand der Wiederholung eben sie selbst ist: Hier würde auf die Wiederholung selbst, als auf die früheste, archaische Realisationsform von Identität regrediert.' Die Wiederholung weiter in ihrer Bedeutung für das Konzept >Objekt< betrachtend, ist zu bemerken, daß sie weit davon entfernt ist, einfaches Verhaltens-Korrelat der Konstanz der >Objekte< zu sein. - Im Gegenteil, ohne Wiederholung bzw. jenseits einer worin auch immer realisierten Wiederhol barkeit gäbe es erst garnicht diese identischen ·Objekte<, denn nur in seiner Wiede.rholung erhält ein Etwas psycho-logische Gegenständlichkeit. Wenn es heißt, eine Wiederholung könne sich nur an etwas vollziehen und setze also ein ihr Gegenständliches voraus, so gilt ebenso, daß die Wiederholung überhaupt erst etwas zum Gegenstand macht, - nämlich zu dem der Wiederholung. So gesehen heißt Vergegenständlichen nichts anderes, als eine Wiederholbarkeie zu konstituieren: Das, worin eine solche gegeben oder herstellbar ist, wird als materiale Eigenschaft der Dinge logifiziert und ihnen attribuiert; das, was an
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den Dingen für das Subjekt oder nur für die Anderen nicht wiederholbar ist, wird irrealisiert als den Dingen nicht wirklich gegenständlich eigen, als ein nicht >objektiv< Gegebenes.' Auch hier wäre wiederum einzuwenden, daß die im so geschaffenen ·Ob jekt< integrierten und seine Identität ausmachenden Wiederholbarkeiten zwar sicherlieb von den materialen Bedingungen des Gegenständlichen abhängen, an diesem aber mehr als das wiederholbar ist, was ihm in seiner Objektivierung als Eigenschaft und Funktion eingeschrieben wird. Das Ensemble der für ein Ding als ·Objekt< konstitutiven Wiederholbarkeiten repräsentiert nicht so sehr das an ihm materialiter Gegebene und Mögliche, als vielmehr einen aJigemei nen Konsens über das Ding, der das an ihm als unwiederholbar setzt, was nicht seine konventionale Identität affirmiert. Um dies an einem banalen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn das auf dem guten Sofa herumhüpfe01de Kind nach den einschlägigen Vorhaltun gen (etwa, das Sofa sei kein Trampolin, sondern zum Sitzen da) verspricht, dies nicht wieder zu tun, dann geht es da durchaus um mehr als gute Manieren oder um Schonung empflndücher Dinge. Es wird da nämlich zugleich ein doppeltes Identitätsversprechen abgenommen und ge geben: eine Unwie derholbarkeit gesetzt, d1e sowohl Bedingung für die Identität des Sofas als eines wirklichen Sofas ist, als auch für die des Kindes als eines •wahren<, d. h. braven Kindes. Dieser Zusammenhang von Wiederholung, Vergegenständlichen und >Objekt< liegt nicht etwa nur den gewohnheitsabhängigen Gegenständlichkeitsforrnen des Alltags zugrunde; von weit entscheidender Bedeutung ist er innerhalb der Wissenschaften. So ist ja das Objekt der empirischen Forschung explizit von der Kategorie der Wiederholung her konzipiert, indem da gesagt wird, ein Etwas sei als empirisches Objekt nur insoweit existent, als ihm für jeden und immer und überall Wiederholbares zukommt. Hier, wenn Wiederholbarkeit und Objekt(ivität) gleichgesetzt werden, wenn Wiederholbarkeie sozusagen mit Wirklichkeit und Wahrheit zusammenfällt, ist in gewisser Weise die Wiederholung selbst Ding geworden beziehungsweise an seine Stelle getreten. Die Wiederhol ung besitze also - sei es als intendierte oder als negierte- über ihre allgemeine Funktion innerhalb der Konstituierung psycho-logischer Ge genständlichkeit hinaus eine besondere Bedeutung für den hier als >Vergegen ständlichen< bezeichneten Prozeß, in welchem die Dinge als .Objekte< reali siert werden. Es ließe sich die Wiederholung nachgerade als die Grundform des Vergegenständlichens und als sein wesentliches Prinzip ansehen. Aber paradoxerweise löst nichts die >objektive• Sachlichkeit des Gegenständlichen radikaler auf und läßt nichts leichter jene beschriebene, wechselseitig produ zierte Identität von Ich und Objekt wieder verschwimmen, als eben die Wiederholung.• Diese paradoxe psychologische Funktion der Wiederholung hat Spitz eingehender behandelt, und auf seine Ausführungen sei hier verwie sen, da eine Analyse dieser Zusammenhänge zu weit vom Thema entfernen würde.' Die untersuchten funktionalen Aspekte des Vergegenständlichens (im Sinne von >Objekt<) zusammenfassend, läßt sich sagen, daß in diesem Prozeß die
Der Prozeß des VergegenständJichens
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Gegenständlichkeit des Gegenständlichen eine Spaltung und Doppelung (in eine rationale, >objektive< und eine imaginäre, >subjektive<) erfährt, und dje Dinge dabei einer am Konsens orientierten Identifikation unterzogen werden : Als ·Objekt< konzipiert, wird das Ding sozusagen zum Inbegriff des an ihm von jedem und immer V ol lzogenen, wird es zur Summe der Wiederholungen, rue an ihm im Horizont des über es herrschenden Konsensus vollziehbar sind.
Bey<>rlsche Sta t btbliothek
Munchen
C. Die Ordnung des Gegenständlichen Untersuchung der Struktur der psycho-logischen Ge genständlichkeit der Dinge 1.
Zum Zusammenhang
von
Psychischem und Gegenständlichem
Nachdem •Gegenständlichkeit< als ein psychologisches Konzept und dessen Entwicklung dargestellt wurden und die wesentlichen funktionalen Bedingun gen des als •Vergegenständlichen< gefaßten Prozesses untersucht sind, in dem Gegenständliches als >Objekt< realisiert wird, sind jetzt die Voraussetzungen gegeben, die für diese Arbeit zentrale These eines konstitutiven Zusammen banges von Gegenständlichem und Psychischem zu fundieren und seine Ordnung zu untersuchen. Da im folgenden, wenn von >Gegenständlichem• gesprochen wird, durch weg von anschaulich Gegenständlichem, von materiellen Dingen {in der Realität des auf sie bezogenen Verhaltens und Erlebens) die Rede ist, kann nun auf das zur abgrenzenden Kennzeichnung dieses Tatbestandes anson sten beigefügte •anschauliche verzichtet werden. Indem hier jetzt psychologische Aussagen über die Dinge gemacht wer den, wird davon ausgegangen, daß - wie Salber formu liert - »Hypothesen, die seelische Gesetze einem >Inneren< verbinden« oder »>innere< Einheiten ( ), die Seelisches auf ein Subjekt eingrenzen«, nicht notwendige Bedingun g psychologischen Erklärens sind.• Auf dem Hintergrund seiner These, daß >Subjekt< und ·Objekt< (psychologisch betrachtet) keine eigenständigen Gegebenheiten bilden und Psychisches und Gegenständliches nicht etwa getrennten Erklärungswelten angehören, entwickelt Salber seine Theorie der ,. Wirkungseinheiten«.1 Solche Wirkungseinheiten psychischer und ge genständlicher Bedingungen untersucht er vor allem im Zusammenhang von Film, Unterricht, Werbung, Kunst und Literatur. Aber wie an anderer SteHe eingehender dargelegt, läßt sich in diesem Konzept auch das psycho logische Funktionieren konkreter Ding e untersuchen; dabe.i werden dann die von Salber genannten .. Faktoren « de r Wirkungseinheit interp retiert als die grundlegenden Tendenzen oder Bedingungen, in denen sich die konkre ten Einheiten von Psychischem und Gegenständlichem organisieren.) Da im folgenden nicht einfach konkrete Dinge in ihrem psycho-logischen Funk tionieren, sondern die aUgemeine Struktur der Wirkun g seinheit« von übrigt sich hier Psychischem und Gegenständlichem untersucht wird, er eine DarsteHung der einzelnen ..Faktoren« und der verschiedenen Formen ihres Zusammenhanges . .. An dieser SteHe sollte lediglich angezeigt werden, daß die folgenden Uberlegungen in Salbers Theorie der Wirkungseinheiten eine wichtige Orientierung besaßen, namentlich in der von ihr vollzogenen psychologi schen Relativierung von •Subjekt< und ·Objekt< zu allenfalls heuristisch probaten Markierungen. •
Oie in der Morphologie des Gegenständlichen dargelegten Verhältnisse ma chen es psychologisch unhaltbar, die Realität der Dinge als eine einfach gegebene, materialiter definierte anzunehmen, welche vom Subjekt nach
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einigen kindlich prälogischen Umwegen - dank äußerer Anleitung und inter ner Reifungsvorgänge im motorischen und kognitiven Bereich - schließlich >objektiv erfaßt und adäquat beherrscht würde. Es wurde vielmehr deutlich, daß die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge ontogenetisch aufs engste mit der Erfahrung des eigenen Körpers und dem sich herausbildenden Selbst-Konzept verbunden ist. Auf dem Hintergrund dieser zwischen der Organisation des individuellen Psychismus und der Entwicklung des Kon zeptS >Gegenständlichkeit< bestehenden ontogenetischen Interdependenz, d. h . aus der TatSache, daß das, was sich schließlich als >Subjekt< und >Objekt< gegenübersteht, es in einer gemeinsamen, wechselseitigen, polarisierenden Produktion wurde, wird jetzt als Konsequenz. ableitbar, was bislang These war. Denn wenn die primären ontogenetischen Bedingungen der Konstitu ierung von >Gegenständlichkeit• und von >Innerlichkeit< dieselben sind•, dann sind diese als Signifikanten jener für sie konstitutiven Bedingungen austausch bar. Das Psychische und das Gegenständliche sind derart als Konfigurationen einer ihnen gemeinsamen Struktur zu verstehen und das beißt, in den Artikula tionen des einen ist stets auch das andere - bewirkt und bewirkend- gegenwär tig. I m Gegenständlichen sind die Bedingungen des Psychischen ausgetragen und im Psychischen schlägt sich das Gegenständliche als Bedingung nieder. Auf dem Hintergrund dieses konstitutiven Zusammenhanges von Psychi schem und Gegenständlichem wird jetzt kenntlich, daß indem hier die psycho logische Gegenständlichkeit der Dinge untersucht wurde, zugleich die Gegen ständlichkeit des Psychischen in ,den Dingen Thema war. Das beschriebene Verhältnis zwischen dem Psychischen und den Dingen ließe sich, einem aktuellen Jargon von Wissenschaftlichkeit folgend, seiner Struktur nach als allgemeine wechselseitige Signifikanz kennzeichnen ; aller dings ohne daß da je eines als Signifikat oder Signifikant festschreibbar wäre. Da dies aber durch den zeichentheoretischen Kontext dieses Begriffes sugge riert wird, ist hier der allgemeine Begriff der Repräsentanz vorgezogen worden. Der zur Kennzeichnung der Struktur des Zusammenhangs von Psychi schem und Gegenständlichen gewählte Begriff der •Repräsentanz< wird im weiteren noch exakt inhaltlich bestimmt werden, ist aber schon hier termi nologisch präziser zu fassen. So vor allem durch seine Abgrenzung von dem ihm nahestehenden Begriff der »Repräsentation«-, wie ihn Cassirer in seiner »Philosophie der symbolischen Formen• systematisiert hat. Cassirer faßt die »Repräsentation« als eine •Darstellung eines Iohalts in einem anderen und durch einen anderen.. und sieht in ihr »eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau des Bewußtseiins selbst und als Bedingun g seiner ei genen Formeinheit«.s Aller Symbolik im herkömmlichen Sinne, allen ••willk ürli chen< Zeichen« vorgängig, die das Bewußtsein in Sprache, Kunst usw. schaffe, bilde die Repräsentation ein • ursprüog liche(s), i m Wesen des Bewußtseins selbst gegründete(s) geistige(s) Verfah ren e : eine •selbständige Gestaltungsweise, eine spezifische Aktivität des BewußtSeins ( ), die sich von aller Gegebenheit der unmittelbaren Empfindung oder Wahrnehmung unterscheidet, um·sich dann doch eben dieser Gegebenheit selbst als Vehi kel, als Mittel des Ausdrucks zu bedienen•.' In diesem Zusammenhang
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spricht Cassirer von einer »>natürlichen• Symbolik, die ( ) im Grundcharak ter des Bewußtseins selbst angelegt« sei/ Cassirers Begriff der ,.Repräsentation« scheint nun dem der >Repräsen tanz< insofern zu entsprechen, als Cassirer, von einer Urfunktion der ,.
Repräsentation• ausgehend; Verhältnisse der • Darstellun g eines Inhaltes in
einem anderen und durch einen anderen« und Zusammenh änge beschreibt, in denen es »von Anfang an kein abstraktes >Eines< gibt, dem in gleicher abstrakter Sonderung und Loslösung ein >Anderes• gegenübersteht, son dern () beide sich wechselseitig bedingen und sich wechselseitig repräsentie ren«.' Aber während Cassirer die »Repräsentation« als Tätigkeit des sich auf ein sinnlich Gegebenes beziehenden Bewußtseins faßt, ist hier mit dem Begriff >Repräsentanz< das all gemeine wechselseitige Verhältnis zwischen Psychischem und Gegenständlichem angesprochen : die Struktur ihres Zu sammenhangs. Dieser Zusammenhang ist, wie weiter oben dargelegt, nicht allein ein darstellungs- oder bewußtseinsmäßiger, als welchen Cassirer ihn beschreibt, - nicht so sehr abbildender, denn konstitutiver Natur.
Bevor nun die wechselseitige Repräsentanz von Gegenständlichem und Psy chischem eingehender untersucht wird, seien mit einigen literarischen Beispie len die Zusammenhänge illustriert, die hier als >Repräsentanz< verbegrifflicht sind. Damit soll dem Begriff, solange er noch nicht vollständig vereindeutigt ist, durch seine beschreibende Verwendung schon eine gewisse Kontur verlie hen werden. - Wenn Heine von der Haltung preußischer Soldaten sagt, sie bewegten sich so, •als hätten sie verschluckt den Stock, womit man sie einst geprügelt«', so figuriert hier der Körper als gegenständliche Repräsentanz gesellschaftlicher Verhältnisse und einer darin vermittelten Mentalität. - Wenn Broch schildert, wie sieb eine ehrbare Witwe des Verführers zu erwehren sucht, der in ihr Schlafzimmer eingedrungen ist, das seit dem Tode ihres Gatten nicht mehr von einem Mann betreten worden war, und wie sie, ihm fast schon erlegen, zuletzt nurmehr ,.für das Zimmer kämpfte• (»Nicht hier!«) und ihn schließlich in die »gute Stube• drängt, auf daß ihn dort die »Vornehmheit« des Raumes wieder zu ,.Vernunft und guten Sitten« zurück führe10, - dann repräsentiert da Gegenständliches eine psychische Instanz, funktioniert es sozusagen als Ober-Ich. - Wenn Eüas die Geschichte von Messer, Gabel oder Schnupftuch als die Geschichte der Entwicklung •kultureller Peinlichkeitsstandardsc beschreibt (vgl. hier S. 36f.), dann sind hier diese Dinge als repräsentativ für eine historische Modeliierung des Psychischen verstanden. - Wenn Freud, die Melancholie analysierend, davon spricht, daß ein äußeres Objekt ins Ich aufgenommen und dieses jetzt jenem analog behandelt wird (vgl. hier S. 56), so funktioniert hier also Psychisches als Repräsentanz eines Objektes. - Wenn Lichtenberg beschreibt, wie »jemand lange unentschlossen in seiner Stube auf und ab geht; auf einmal findet er eine hölzerne Walze, auf der er Kupferstiche erhalten hatte, und dieser Prügel gibt seinem Geist Stärke und er entschließt sich. Vielleicht hielt er es für einen Marschallstab, ohne es deutlich zu denken•''. - dann repräse·ntiert da eine gegenständliche Form eine psychi sche Verfassung oder Haltung.
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Schon diese wenigen, willkürlich gewählten Beispiele illustrieren ganz unterschiedliche Repräsentanzverhältnisse zwischen Psychischem und Ge genstandlichem. Die folgenden Ausführungen werden sich darauf konzen trieren, die dem Psychismus in den Dingen gegebene Gegenständlichkeit zu untersuchen, die hier als seine >materiale Repräsentanz< verbegriffficht wird. Bestimmt man die Struktur des Zusammenhanges von Psychischem und Gegenständlichem als die einer wechselseitigen Repräsentanz, so erhält da mit die Gegenständlichkeit der Dinge eine Dimension, in der die Dinge als •sinnliche Symbole« (Cassirer) bzw. als materiale Konfigurationen psychi scher Verhältnisse fungieren und ihre Realität als >Reizkonstellation<, >Libi do-Objekt< oder >Gebrauchswert• weit überschritten ist. Um diese Aussage verständlich zu machen und ihre Bedeutung für eine Theorie der psycho logischen Gegenständlichkeit der Dinge zu klären, sei hier eine Auseinan dersetzung mit dem Gegenstands-Begriff Holzkamps eingeschoben. In sei nen Untersuchungen zur Phylo- und Ontogenese der Dingwahrnehmung wirft Holzkamp der traditionellen, ·bürgerlichen Wahrnehmungsfor schung« vor, die •gegenständlich. bedeutungsvolle Welt« in ihrer •formali stischen« Vergehensweise auf •Stimulus patterns«, •Reizkonfigurationen•, .. Qualitäten« oder •Gestalten« zu reduzieren und damit gänzlich von den für die menschliche (im Gegensatz zur tierischen) Welt charakteristischen »objektiven Gegenstandsbedeutungen« zu abstrahieren.11 Womit Holz kamp eine Verkürzung der psychologischen Realität des Gegenständlichen moniert, gegen die auch hier schon argumentiert wurde, und er einen theoretischen Standpunkt einnimmt, der dem hier vertretenen zu entspre chen scheint. Allerdings definiert er diese •Gegenstandsbedeutungen• als phylogenetisch produzierte und ontogenetisch adaptierte •Gebrauchswert Vergegenständlichungen•, die nicht einfach den •figural-qualitativen Merk malen« des Dinges hinzukämen., sondern von diesen •ausgemacht• wür den.11 Und damit bezieht Holzkampf eine Position, der ihrerseits vorzu werfen sein wird, die psychologische Realität der Dinge spezifisch zu ver kürzen. Zuvor ist aber festzuhalten, daß er sich mit der Betonung der geschichtlichen Dimensionen der Gegenstandsbedeutungen absetzt von der platt psychoanalytischen Position, die Objekte erlangten ihre Bedeutung durch die Triebe.1 • - Und ebens·o von der ahistorischen Bedürfnislogik, in der Haug die Waren und ihre •scheinhaften Befriedigungen« kritisiert (vgl. hier S. 38 f. ). Die von ihm untersuchten Gegenstandsbedeutungen sieht Holzkamp aus der vergegenständlichenden, Gebrauchswert schaffenden Arbeit resultieren. Da sich in dieser Arbeit zugleich auch der Mensch selbst - gegenständlich - verwirkliche und sich und seine Natur (insbesondere seine Bedürfnisse) produziere, besitzen die Dinge nach Holzkamp als Resultate dieser Arbeit den doppelten Charakter von ,.objektiven Gegebenheiten der Außenwelt« und von • Vergegenständlichungen menschlicher Eigenart•.1� So folgert er, »die stoffliche Realität und die Menschlichkeit der Welt sind durch die Arbeit zu einer Einheit geworden«.16 Diese Auffassung der Dinge als mate-
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rialer Repräsentanten der historisch produzierten menschlichen Eigenart scheint wiederum der hier entwickelten Theorie der Gegenständlichkeit der Dinge nahezustehen. Untersucht man aber eing.ehender Holzkamps Aussagen über die Gegen standsbedeutungen, die ja als der Niederschlag der in der Produktion der Dinge materialisierten Menschlichkeit begriffen sind, so ergibt sich eine wesentliche Differenz. Das, was die Gegenstände »bedeuten«, ist für Holz kamp wesentlich ihr Gebrauchswert; hinzukomme nur noch eine Wen Thematik, die den Dingen aufgrund ihrer kapitalistischen Ro!Je als Tausch werte eigen sei. Nicht-zweckrationale Momente, etwa symbolische Qualitä ten des Gegenständlichen, bleiben bei Holzkamp gänzlich unerwähnt. Bezie hungsweise wenn er von »Symbolbedeutungen« spricht, dann lediglich in bezug auf sprachliche Zusammenhänge; so sagt er etwa von dem Wort >Axt<, es bringe die Gegenstandsbedeutungen •abstrahierend als Symbolbedeutung auf den Begriff y Solche •Symbolbedeutungen« sind nach Holzkamp als •ab straktive Explikationen von durch Arbeit konstituierten Gegenstandsbedeu tungen« zu begreifen.•• Dem ist entgegenzuhalten, daß wenn man - wie Holzkamp - »die stoffliche Realität und die Menschlichkeit der Welt« als durch Arbeit vermittelte Einheit sieht, aber dabei die Bedeutungen des Gegen ständlichen auf das Gebrauchswert-Repräsentative eingrenzt, man damit das Menschliche auf rein bedürfnislogische Zusammenhänge reduziert. Nun sagt aber Holzkamp - Marx zitierend - selbst, daß der Mensch die Dinge produ ziert »als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Individualit.ät bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegenstände, d. h. Gegenstand wird er selbst•.'' Das heißt doch wohl, daß die Dinge nicht nur Bedürfnisse vergegenständlichen, sondern daß es der ganze Mensch ist, der in ihnen gegenständlich wird. Und seine Realität erschöpft sich - zumin dest psychologisch- nicht darin, als Agent seiner Bedürfnisse zu wirken. Es sei denn, man faßt den Bedürfnis-Begriff sehr weit, wobei er allerdings schnell um seinen sowieso nicht erhebliclhen heuristischen Wert gebracht ist. Wenn es also wirklich seine über ein spezifisches Bedürfnisprofil hinausgehende Individua lität ist, die der Mensch gegenständlich verwirklicht, dann muß man wohl die repräsentative Funktion des Gegenständlichen für den menschlichen Psychis mus weiter fassen als es Holzkamp tut. In den Dingen wäre dann Menschliches auf umfassende Weise repräsentiert zu sehen und auch in komplexeren Aspek ten als rein bedürfnislogischen. Was das heißt, sei an einem Gegenstand verdeutlicht, an dem auch Holz kamp wiederholt Verhältnisse in der Gegenstandswahrnehmung exemplifi ziert, am Löffel. Holzkamp geht davon aus, daß ein Kind in dem frühesten Stadium seiner Entwicklung, im »Stadium der bloßen Natürlichkeit seiner Bewegungen•, den Löffel lediglich auf dem •Niveau der Erfassung figural qualitativer Eigenschaften des Dinges« realisiert.21 »In dem Maße jedoch, wie das Kind seine Tätigkeit der •objektiven Logik< des Gegenstandes, den in ihm vergegenständlichten allgemeinen Zwecksetzungen anmißt, werden die figu ral-qualitativen Eigenschaften des Dinges die sinnliche Verkörperung seiner je besonderen gegenständlichen Bedeutungshaftigkeit, umgekehrt werden die ..
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gegenständlichen Bedeutungsmomente sinnlicher Träger seiner je besonderen figural-qualitativen Beschaffenheit; indem diesem Ding bestimmte figural qualitative Merkmale zukommen, ist es ein Löffel; da dies Ding ein Löffel ist, kommen ihm bestimmte figural-qualitative Merkmale zu.«21 (Zur Problematik dieser Aussage vgl. Anmerkung.) Man braucht nun lediglich das Handwörterbuch des deutschen Aberglau bens« beziehungsweise den heutigen subkultureUen Sprachgebrauch heranzu ziehen, um zu erkennen, daß in die gegenständliche Bedeutungshaftigkeit des Löffels mehr Menschliches eingegangen ist als nur ein Bedürfnis. - Und daß die psychologische Realität des Löffels nicht aUein durch seine figural-quali tativen Merkmale und seine Zwecke, sondern auch von seiner Geschichte und von einer spezifischen Symbolik geprägt ist. Da stößt man nämlich auf die seit alters her verbreiteten Redensarten wie -.den Löffel aufstecken« (auf das dafür bestimmte Löffelbrett) oder »den Löffel wegwerfen«, bzw. •den Löffel fallen lassen« oder -.den Löffel abgeben•, die das Sterben bzw. eine »Absage an das Essen und damit an das Leben« ausdrücken sollen.22 Sie zeigen an, daß der Löffel neben jenen von Holzkamp angeführten >objektiven< Funktionen eine spezifische nicht-rationale, sinnbildliche Qualität besitzt. Verallgemeinert hieße das, daß den Dingen eine Repräsentanzfunktion nicht allein zukommt, insoweit sie menschliche Funktionen und Bedürfnisse (zweckrational) objektivieren, sondern auch indem sie komplexe (nicht-ratio nale) Beziehungen und Zusammenhänge >bedeuten<, sinnbildlich materialisie ren. (Woher ihnen die Funktion und der lohalt dieses >Bedeutens< zukommt, ist eine später noch zu behandelnde Frage.) •
Es ist also in bezug auf die materiale Repräsentanz, die dem Psychischen in den Dingen gegeben ist, eine Differenz1erung dahingehend zu treffen, daß sie einerseits eine funktionale bzw. zwecklogische Ordnung und anderer seits eine sinnbildliche besitzt. Die sozusagen >funktionale< Reprä sentanz, die Psychisches in einem Ding erhält, beinhaltet das, was seine konventio nellen Nenn- und Verwendungszusammenhänge an ihm herausstellen und macht das aus, was hier als seine >objektive< Gegenständlichkeit gefaßt wurde. Dagegen korrespondieren die nicht-rationalen bzw. sinnbildlichen Formationen in der materialen Repräsentanz (des Psychischen durch die Dinge) mit dem, was hier als die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge bestimmt wurde. Und wie es am Beispiel des Löffels gezeigt wurde, wird die psychologische Realität der Dinge gründlich verkürzt, wenn man in ihnen allein das repräsentiert sieht, was sie als •Gebrauchswertvergegen ständlichungen« (Holzkamp) objektivieren. ln der von Holzkamp übergangenen nicht-rationalen Repräsentanz psychi scher Zusammenhänge durch die Dinge, die (insofern sie mehr und anderes als das in deren konventionalen Nenn- und Verwendungszusammenhängen Ex plizierte thematisiert) als eine >konnotative< angesprochen werden kann, offen bart sich nun beileibe keine metaphysische Ordnung des Seienden. lhre Bedingungen sind durchaus psychologisch und geschichtlich zugänglich. Daß z. B. ein Verlieren oder Abgeben des Löffels (konnotativ) mit dem Tod gleichgesetzt werden kann, mag zwar nicht rational sein, aber darum doch
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nicht unerklärbar. Vergegenwärtigt man sich, daß einerseits der Löffel lange vor Messer und Gabel das historisch erste >Mittel< der Nahrungsaufnahme darstellt und daß andererseits, (ontogenetisch betrachtet) das Kind am Löffel die früheste lnstrumentalisierung der Ding-Welt leistet und die erste Erfah rung einer Mittel-Mächtigkeiit macht, dann wird psychologisch rekonstru ierbar, wieso ein Entgleiten des Löffels das Entgleiten der Welt oder der Herrschaft über sie repräsentieren kann, den Tod. Jenseits ihrer phylo- und ontogenetischen Bedingungszusammenhänge lie ße sich diese nicht-rationale Repräsentanz im Löffel auch, unter der Annah me einer allgemeinen Symbolik der Formen, in seineo figuralen Qualitäten begründen: Das Hohle un,d das Runde an ihm stünde da sinnbildlich für Man�el und Fülle, Tod und Leben, während sein Stiel als Hebel- und phallische Form eine Mächtig keit symbolisierte. Das ma g weit hergeholt klingen, aber man kann sich der ps chologischen Realität d ieser sinnb ildli y chen Logik leicht anhand der Vie lzahl der Bräuche vergewissern, die das zitierte Handwörterbuch des Aberglaubens unter dem Stichwort >Löffel< anführt. Zudem dürfte es keine sonderlichen Schwierigkeiten bereiten, die beschriebene Symbolik der Formen aus der frühkindlichen, insbesondere den oralen Schemata der frühkindlichen, insbesondere den oralen Schemata der Erfahrung von Selbst und Welt abzuleiten. Vor allem diese hier behandelte >konnotative< Repräsentanz komplexer (nicht .im Sinne von >Zweck< oder >Bedürfnis< objektivierba,rer) psychischer Zusam menhänge war angesprochen, als weiter oben auf dem Hintergrund der These einer wechselseitigen Repräsentanz von Psychischem und Gegenständlichem gesagt wurde, daß letzteres in seiner psychologischen Realität prinzipiell immer auch symbolisch funktioniert und daß die Dinge materiale Konfigura tionen psychischer Verhältnisse darstellen. Dabei sollte mit der Wahl des Begriffes >Repräsentanz< vor allem einem Mißverständnis vorgebeugt werden. Nämlich dem, daß die Aussage, daß in den Dingen (über das von ihren konventionellen Nenn- und Verwendungszusammenhängen Objektivierte hinaus) komplexe psychische Themen und Beziehungen konnotativ präsent sind , verwechselt wird mit der Annahme einer fixen Symbolik der Dinge. Mit >Repräsentanz• ist, so wie der Begriff hier verwandt wird, ein Verhältnis zwischen Subjekt und Sache gemeint und nicht eine Eigenschaft der Dinge; damit ist weder eine den Dingen irgendwie eigene Symbolik noch eine dem Bewußtsein inhärente Funktion angesprochen (wie etwa die •Repräsenta tion•, die Cassirer behandelt). Die Struktur des Zusammenhangs zwischen den Dingen und dem Psychi schen, die hier als >Repräsentanz< gekennzeichnet wurde, ist zu verstehen als eine »gegenseitige(n) Bedeutungsverweisung von Menschen auf Sachen, von Sachen auf Menschen, von Beziehungen zwischen Menschen auf Beziehungen zwischen Sachen, von Beziehungen zwischen Sachen auf Beziehungen zwi schen Menschen• (Hotzkamp).n Dieser Zusammenhang ist weder auf eine fixe Objekt-Symbolik reduzierbu, noch ein bewußtseinslogischer, sondern ein Zusammenhang wechselseitiger konstitutiver Bedingung und •Modellierung• (Elias).
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Bilden die Dinge in ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit- wie hier beschrieben - eine materiale Repräsentanz des Psychischen, dann tritt das sich auf die Dinge beziehende Psychische also gewissermaßen zu sich selbst in ein Verhältnis, und zwar ein ausgesprochen zwiespältiges. In ibm enthüllt sich jene schon angesprochene grundlegende Dialektik einer gegenständlichen Repräsentanz des Psychischen: ln den Dingen, in dem gegenständlichen Verhältnis zu sich, kann Psychisches sich transzendiert oder substituiert gegenübertreten, sich verwirklichen oder- um ein altes Wort zu gebrauchen verwirken. Diese Feststellung, daß Psychisches sich auf zwei grundverschiedene Wei sen vergegenständlicht finden kann, ist alles andere als neu, wurde aber bislang entweder aus einer Verschiedenheit des Gegenständlichen (z. B. bei Haug) oder aus zwei verschiedenen Formen der Repräsentanz (z. B. bei Baudrillard) abgeleitet. Hier dagegen wird s�e in der Dialektik der einem jeden Ding zukommenden psycho-logischen Funktion der Repräsentanz begründet (werden). ln Haugs Konzept ist zwar dem Ding als einem »einfach sinnlichen•, also soweit es nur Gebrauchswert isu und ein in ihm repräsentiertes Bedürfnis »wirklich« erfüllt, durchaus die materiale Transzendenz eines menschlichen Bedürfnisses zugesprochen. Aber in dem, was das Ding (als Ware) über seinen Gebrauchswert hinaus •bedeutetoc, also in dem, was Haug als »Fetischcharak ter« und als »warenästhetische Inszenierung« bezeichnet, erkennt er nur eine falsche Repräsentanz der Bedürfnisse und ,.Triebsehnsüchte«. Hier werde Psychisches lediglich substituiert und trete es sich- da die Bedürfnisse nur eine •scheinhafte Befriedigung« fäode·n - nur im »Schein« gegeben gegenüber. Baudrillard, der die Dialektik, in die eine gegenständliche Repräsentanz von Psychischem prinzipiell gestellt ist, mit großer Schärfe herausarbeitet, zeigt wiederholt die Problematik eines solchen Versuches ihrer Schematisierung auf, wie ihn Haug unternimmt. Allerdings nicht ohne manchmal selber in einer ähnlichen Tendenz zu argumentieren. Von daher bieten seine Überlegungen eine gute Grundlage, um die Dialektik jener Repräsentanzverhältnisse diffe renzierter zu bestimmen. Baudrillard sieht - und das ist seine zentrale These - den »tausendjährigen Status der Gegenstände, ihren anthropomorphen Status unwiderruflich zu Ende gehen«.2' Bedingt durch die technologische Entwicklung und durch Veränderungen im Produktions- und im Konsumtionsbereich sei .das Ende der symbolischen Dimension« im Gegenständlichen gekommen und eine neue Gegenständlichkeit entstanden. Die alte, traditionale Gegenständlichkeit sieht er durch eine eigentümliche •psychologische Rezeptivität« gekennzeich net; in ihr hätten die Dinge noch •neben ihrer praktischen Aufgabe die grundlegende Funktion eines Gefäßes von Imaginärem« besessen.26 Diese »Rezeptivität« des Gegenständlichen sei Ausdruck einer Weltansicht, in der alles Seiende als »Gefäß der Innerlichkeit« figuriere und so auch die Dinge •grundsätzlich anthropomorph« seien.27 Es ist wohl diese metaphorische Funktion der alten Gegenständlichkeit, die Baudrillard an anderer Stelle von einer »transzendierenden Fähigkeit des Gegenstandes« sprechen läßt.21 Die n
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>neue< Gegenständlichkeit sei nun durch die Auflösung der symbolischen Beziehungen gekennzeichnet und eine wesentlich •funktionelleoc, aber das auf eine sehr vertrackte Weise. Der Begriff des Funktionellen suggeriere nämlich, »daß ein Ding, eindeutig auf die konkrete Welt und auf die Bedürfnisse des Menschen bezogen, etwas in Erfüllung gehen läßt«.29 Dagegen kommt Bau drillard in seinen Untersuchungen zu dem Resultat, »daß >funktionell< keines wegs bedeutet, daß etwas an (s)einen Zweck angepaßt ist, sondern an eine Ordnung oder an ein System: Funktionalität ist das Vermögen, sich einer Gesamtheit (ensemble) zu integrieren. Für den Gegenstand bedeutet das die Möglichkeit, zu einem Element ( ) in einem universellen Zeichensystem zu werden.ocJO Das heißt, die Dinge besitzen in diesem System des Funktionalen "keinen Eigenwert mehr, sondern eine universelle Zeichenfunktion«; Menschliches ist in dieser funktionalen Form der Gegenständlichkeit nicht mehr symbolisch präsent, sondern zeichenhaft entrückt.3' Mit diesem »Übertritt des Objektes in den systematischen Status des Zeichens«n, erhalten die Dinge jetzt ihre - nach Baudrillard - »neue Rolle als Substitution«. Denn in dieser >neuenc Gegenständlichkeit der Dinge »abstra hieren (oder materialisieren) sich alle Wünsche, Entwürfe, Ansprüche, Forde rungen, alle Leidenschaften und Beziehungen zu Zeichen und Objekten«; es entwickle sich derart ein System von Gegenständen, in dem diese nurmehr •die Rolle eines Ablenkungsmittels und einer imaginären Lösung« für psychische und soziale Konflikte besitzen.H Baudrillard zitiert so gegensätzliche Autoren wie Dichter und Mumford als Zeugen dafür, daß die Dinge als »Stellvertreter von menschlichen Konfliktsi tuationen« figurieren, sie aber lediglieb von ihnen »ablenken« und dabei selbst ihre •wirkliche Funktionalität« verlieren.)< Er kommt zu dem Schluß, daß, dank des substitutiven, zeichenhaften Charakters ihrer neuen Gegenständlich keit, die Dinge die Funktion des » Dispositivs der Projektion und Domestizie rung (oder Kontrolle) der Libido« angenommen haben und »die Funktion der Polizei einer sozialen Gesinnung ausüben«, denn: »die Objekte als Gegen stands-Kategorien induzieren gewaltsam solche von Person«.15 Es wäre jetzt zu fragen, ob die beiden von Baudrillard beschriebenen Formen gegenständlicher Repräsentanz von Psychischem - die sinnbildliche und die zeichenhafte - und ihre unterschiedlichen Funktionen für den Psychis mus (Transzendenz/Substirutjon) wirklich so grundverschieden sind. Oder anders formuliert, ob die von ihm dargestellte »funktionelle«, das Psychische zeichenhaft substituierende Gegenständlichkeit der Dinge wirklich so neu ist, oder nicht vielleicht eher als Vereinseitigung einer immer schon in jeder Repräsentanz liegenden ambitendenten Funktion zu begreifen wäre. Auch wenn er die Frage so nicht stellt und in manchen Formulierungen der ersten Position zuzuneigen scheint, so spricht doch eine Überlegung Baudrillards, die im folgenden dargelegt wird, für diese relativierende Auffassung. Er behandelt da das Phänomen, daß sich heutzutage in den häuslichen Einrichtungen oft ein merkwürdiges Nebeneinander strikt funktionaler und »legendärer« Gegenstände findet: auf der einen Seite der eingebaute Wand schrank, die Waschmaschine und die Zentralheizung, auf der anderen Seite die
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antike Truhe, der bäuerliche Waschtrog und die langstielige kupferne Bett pfanne (als Wandschmuck). Baudrillard konstatiert an diesen und anderen Verhälmissen eine spezifische Spaltung im Gegenständlichen: Was einmal eine Einheit in den Gegenständen bildete, das Praktische und das sinnbildlich Symbolische, sei ausetnandergetreten und habe sieb hier in zwei verschiedene Gegenständlichkeiten dividiert und jeweils verselbständigt.J4 Er stellt dabei ausdrücklich fest, daß dieser Prozeß, der hier (in extremis) zwei verschiedene Genres von Objekt, das funktionelle und das legendäre, entstehen ließ, sich in einem und in jedem Gegenstand vollziehen könne.J7 Es sei diese »Zweiteilung« oder ,. Verdoppelung« (dedoublement) der Gegenständlichkeit der Dinge in eine technisch funktionale und eme zeichenhaft »mythische«, die es jene »Rolle als Substitution« zu spielen befähige, von der weiter oben die Rede war. Problematisch an Baudrillards Bestimmung dieser Gegenständlichkeit als substitutiv ist, daß er dabei auf »tatsächliche Bedürfnisse« und »die wirkliche Funktionalität der Dinge« zurückgreift." Aber andererseits sieht er, daß »diese Dualität der Dinge im Grunde eine Dualität des Bewußtseins ist«, und er weigert sich, sie als einen einfachen •sozialen Unfall« (Mumford) oder allein in einer entfremdenden Produktionsordnung bedingt zu verstehen.J9 So stellt sich ihm dann notwendig die Frage, wieso die Menschen »dieser phantasti schen, allegorischen und unbewußten Komestibilität des Objekts mehr bedür fen als seiner wirklichen Funktionalität«.40- Wieso sie es also vorziehen, sich von dem m den Dingen konnotativ Substituierten unter- und aushalten zu lassen, statt ihnen Gebrauchswert abzuverlangen. Man muß mit der Antwort, die Baudrillard auf diese Frage gibt, nicht übereinstimmen. Aber sie läßt immerhin erkennen, daß die Frage, ob sich Psychisches - Bedürfnisse, Erwartungen, Ansprüche und Motive des Men schen - in einem Ding verwirklicht oder substituiert findet, weder an einer >Wahrheit der Bedürfnisse< noch an der >Wirklichkeit der Dinge< zu argumen tieren ist, sondern nur in ihrer gemeinsamen Geschichte. Baudrillard vermutet hinter jener unvernünftigen Lust an der substitutiven Qualität der Dinge, die er als ihre »phantastische Komestibilität« anspricht, den unbewußten Wider stand gegen einen herrschenden totalitären Mythos des Funktionellen. Dieser Widerstand realisiere sich in einer programmatischen Hinwendung an das Dysfunktionale. Die Dysfunktionalität stelle gewissermaßen die einzige Kate gorie dar, in der sich die Menschen »in dieser enttäuschten und enttäuschenden Welt ( ) erstarrter Gegenstände« noch •personalisieren« können.•• Indem Baudrillard die •Rolle der Gegenstände als Substitution« in den Zusammenhang einer von gesellschaftlichen Bedingungen geprägten Proble matik in der Entwicklung personaler Identität stellt und als eine darauf antwortende Strategie erklärt, macht er deutlich, daß sie den Dingen nicht >ex machina< zukommt und auch nicht eine schlicht •falsche< ist, sondern als eine intentionale Verkehrung begriffen werden muß (s. w . u.). Damit stellt Baudrillard auch die substitutive Rolle der Dinge wieder in die allgememe Dialektik der Repräsentanz-Funktion, die das Gegenständliche für Psychisches besitzt. Sie könnte ihm also dann eigentlich nicht mehr so grundlegend neu erscheinen. Denn wenn man die Dinge nicht einfach als reiz-
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objektiv gegeben begreift, sondern ihnen als ,.Vergegenständlichungen menschlicher Wesenskräfte« (Marx) eine psycho-logische Repräsentanz zu spricht, dann steht das Gegenständliche notwendig in der einem jeden materia len Symbol eigenen dialektischen Spannung: zu zeigen, was (noch) nicht gegeben ist und dabei nur allzu leicht (schon) für das genommen zu werden, was es nur ze1gt. Es ist an anderer Stelle (vgl. die Kritik an Haug) als theoretisch fragwürdig dargelegt worden, die substitutive Rolle des Gegenständlichen allein aus den Bedingungen kapitalistischer Warenproduktion abzuleiten und sie in einer warenästhetischen Machination erklären zu wollen. Was im übrigen auch von Baudrillard nachdrücklich kritisiert wird. Ebenso fragwürdig wäre es jetzt, wollte man die von Haug und Baudrillard herausgestellten problematischen Aspekte dieser neuen Gegenständlichkeit ganz allgemein in der beschriebenen Dialektik gegenständlicher Repräsentanz begründen. Da würde die Dialektik leicht zu einem beliebigen, zeitlosen Einerseits/Andererseits verkommen und bestünde die Gefahr, daß die behandelten Phänomene - in denen ja nicht allein die genannten Autoren eine Deformation des Menschlichen ausmachen - auf allzu gefällige Weise dem Allgemein- und Allzu-Menschlichen zugeschlagen und damit jeder Kritik entzogen werden. Und im übrigen wäre damit nur einer ähnlich stimmungsvollen, wenn auch anders orientierten Anthropologik nachgegeben, wie sie sieb in dem endzeitliehen Brio niederschlägt, mit dem Haug und teilweise auch Baudrillard den Niedergang berufen, der ihnen zufolge dem Menschlichen in der für unsere Zeit typischen Gegenständlichkeit der Dinge bereitet sei. Diese prekäre Erklärungssituation nötigt zu grundsätzlicheren Überlegun gen über den Zusammenhang von Psychischem und Gegenständlichem und seine historischen Aspekte. Ihnen ist eine erste und entscheidende Orientie rung gegeben in dem Hinweis Baudrillards auf den geheimen Sinn jener widersinnigen Lust am Dysfunktionalen. Aus der Aufklärung dieses Phäno mens dürfte am ehesten eine Perspektive zu entwickeln sein, in der sich die Kontroverse der geschilderten Erklärungspositionen wenn auch nicht auflöst, so doch aber in einem anderen Licht darstellt. Es ginge hier also konkret darum, Bedingungen aufzuweisen, auf deren Hintergrund das von Baudrillard für die lustvolle Dysfunktionalität genannte Motiv der ..Personalisierung« (Individuation) nicht als ein schlicht irregeführtes erscheint, sondern als nicht anders realisierbar verständlich werden kann. Mit anderen Worten, hier ist ein Erklärungszusammenhang zu entwerfen, in dem das dysfunktionale Verhalten nicht einfach einer Perversion zugeschrieben werden muß, sondern theore tisch ableitbar wird als eine psychologisch sinnvolle Reaktion auf einen �pezifischen psychisch-gegenständlichen Zusammenhang. Dazu folgende Uberlegungen. Alle Theorien gegenständlicher, dinglieber Entfremdung seit den Pariser Manuskripten von Marx basieren auf der Annahme, daß - wie Marx es formulierte - die Dinge »das aufgeschlagene Buch der menschlichen Wesens kräfte« darstellen. Daß die gegenständliche Wirklichkeit die Wirklichkeit des menschlichen Wesens (ab)bildet, wird als anthropologische Grundtatsache .
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verstanden. Den Dingen komme diese repräsentative Funktion unabhängig von den konkreten historseben Bedingungen zu, unter denen sie produziert werden; sie sei ihnen sozusagen kategorial eigen. Es wäre aber einmal spekula tiv zu fragen, ob diese Bestimmung des Gegenständlichen womöglich nur seine Realität unter ganz spezifischen historischen Bedingungen triHt. Genauer, ob aufgrund ihrer veränderten allgemeinen Produktions- und Kon sumtionsbedingungen sich nicht vielleicht auch die Dinge in dieser ihrer repräsentativen Funktion verändert haben. Oder noch anders formuliert: Könnten sich nicht neue Verhältnisse im Gegenständlichen entwickelt haben, die, in der alten, historisch überholten Gegenständlichkeitsform realisiert (in der sie als Artikulationen des menschlichen Wesens fungierten), notwendig eben jene verkehrenden Konsequenzen zeitigen, wie sie Haug und Baudrillard aufzeigen? Daß damit nicht bodenloser Spekulation Tür und Tor geöffnet sind, wird bald deutlich werden. Dann nämlich, wenn man sich einmal mit dem auseinandersetzt, was die pauschale Rede von der >gegenständlichen Selbstverwirklichung des Menschen< notorisch übergeht, - mit dem >Was< dieser Selbstverwirklichung. Das heißt die schwierige Frage riskieren, welches Menschliche -, welcher Aspekt des geschichtlichen, sprich möglichen Wesens des Menschen in diesem oder jenem historischen Ensemble konkreter Gegen ständlichkeit jeweils verwirklicht wurde und also gegenständlich repräsentiert ISt. Wenn z. B. Marx annahm, daß dem Menschen die Dinge gegenübertreten »als die seine lndividualit.ät bestätigenden und verwirklichenden Gegenstän de•'2, dann hat er für sich diese Frage dahingehend beantwortet, daß es sich bei dem Menschlichen, welches die materielle Produktion und die Dinge gegen ständlich verwirklichen, vornehmlich um dessen Aspekte >Individualität< und >Subjektivität< handelt. I n bezug auf diese Repräsentanz-Funktion menschli cher Individualität wäre aber jetzt einmal zu fragen, ob sie wirklich noch den Dingen unter ihren heutigen Produktionsbedingungen zukommt, zukommen kann. Ist in den Waren- unter den Bedingungen der entwickelten ArbeitSteiligkeit und Serialität ihrer Herstellung, ihrer internationalen Standardisierung usw. wirklich noch Individualität aneigbar, so wie dies einstmals bei den aufgrund irldividueller Fertigkeiten, gewerblicher Traditionen, regionaler, nationaler und auch saisonaler Besonderheiten differierenden Waren möglich gewesen sein mag? Wohl kaum, wenn die inzwischen zum Allgemeinplatz gewordene Feststellung zutrifft, daß die allgemeirlen Bedingungen der Produktion immer weniger der Individualität der Produzenten Rechnung tragen. Denn das hätte zur Konsequenz, daß sich auch in der Aneignung dieser seriell produzierten Gegenstände kaum mehr ein Individuelles realisieren könne: Selbst nicht mehr Vergegenständlichung der Individualität ihrer Produzenten, können die Wa ren auch in ihrer Aneignung nicht mehr Individualität vermitteln. Was sich ein Subjekt irl der Aneignung dieser Warendinge vielmehr aneig net, ist die Indifferenz und die Ausuuschbarkeit, die ihm selbst innerhalb ihrer Produktion zukommen: Es eignet sich in ihnen nicht seine Individualität an, sondern seine Allgemeinheit. Die Allgemeinheit, welche sich die Menschen in 0
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diesen Dingen aneignen, ist- Baudrillards Argumentation folgend- eben jene, die sie in den Dingen zur He·rrschaft gebracht haben, ihre Funktionalität: »Die Dinge machen mit dem Menschen das, was er aus ihnen macht« (Schklowskij). Auf diesem Hintergrund erscheinen nun die an den Warendingen sich entwickelnden und in sie eingehenden dysfunktionaJen Tendenzen durchaus nicht mehr als pathologische und enthüllt sich in ihnen nicht die Maligne des Systems, sondern ein gegen dessen tragendes Prinzip gerichteter Wider-Sinn. Er wird jetzt erklärbar aus der subjektiven Anstrengung, sich wenigstens in der Aneignung der Dinge der Allgemeinheit - eben jener Funktionalität - zu entschlagen, der man in ihrem Produktionszusammenhang unterworfen ist: Als Versuch, sich (s)einer Individualität zu vergewissern, indem man sich gegen das wendet, worin sie einem unkenntlich wurde,- gegen das Funktiona le als das Allgemeine. Das dysfunktionaJe Verhalten, in dem Haug eine Perversion der traditionellen Gegenstandsbeziehungen ausmacht, weil es nicht strikt gebrauchswert-realisierend ist, stellt also vielmehr einen Versuch dar, der veränderten Gegenständlichkeit der Dinge, wie prekär subjektiv auch immer, Rechnung zu tragen und die in ihr widerfahrende Em-lndividualisie rung abzuwenden.43 Mit diesem metapsychologischen Exkurs schließt die Darstellung der als >Repräsentanz< gekennzeichneten Struktur des Zusammenhanges von Psychi schem und Gegenständlichem. Der Versuch, die ihm eigene Dialektik jenseits parater Vereinseitigungen zu entfalten, zwang seiner theoretischen Klärung eine etwas rigide und vielleicht auch abstrakte Systematik auf. Sie läßt vielleicht das Ergebnis, verglichen mit den Phänomenen, die auf dem Wege dorthin behandelt wurden, und den Perspektiven, die sich dabei eröffneten, einiger maßen enttäuschend erscheinen. Aber die im letzten Teil der Arbeit vereinig ten, z. T. auf empirische Untersuchungen gestützten Studien zur psychologi schen Realität einzelner konkreter Dinge werden die hier entwickelten theore tischen Zusammenhänge wieder phänomenal anreichern und ihre empirische Relevanz verdeutlichen. Die dort behandelten Phänomene illustrieren zugleich, daß die materiale Repräsentanz, die Psychisches in den Dingen erhält, auf sehr verschiedene Weise organisiert sein kann. Dazu wird dort noch einiges mehr zu sagen sein. Hier dagegen soll jetzt untersucht werden, inwieweit die Organisation der materialen Repräsentanz des Psychischen (in den Dingen), ungeachtet ihrer vielfältigen Formen, durchgängige Prinzipien aufweist. Womit dann zugleich Spezifika dessen gewonnen wären, was hier als die Psycho-Logik der Gegen ständlichkeit der Dinge angesprochen wurde.
2. Zur Logik der Repräsentanz des Psychischen in den Dingen Im Zusammenhang der Darstellung des Objekt-Konzepts wurde zur Ord nung der >objektiven< Gegenständlichkeit der Dinge ausgeführt, daß sie von einer allgemeinen, sich in den konventionellen Nenn- und Verwendungszu sammenhängen der Dinge vermittelnden rationalen Logik geprägt ist.
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Von einer •rationalen Lo g ik• zu sprechen, stellt keinen Pleonasmus dar, da sich Kategorien der Log ik durchaus auch in nicht-rationalen Weltordnun d gen finden, wie z. B. in er mythischen oder astrologischen. Man ver gleiche dazu Cassirers Ausführungen zum •Mythos als Denkforme oder die von Levi-Strauss zum •wilden Denken•.' Im folgenden soll nun die Ordnung der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge befragt werden. Dabei wird - um die Antwort vorwegzunehmen die These entwickelt, daß sie von material-symbolischen Beziehungen regu liert wird, deren Organisation untrennbar mit der Entwicklung des Psychis mus selbst zusammenhängt. Und wenn, wie im vorigen Abschnitt dargelegt, die psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge als die Gegenständlichkeit des Psychischen in den Dingen anzusehen ist, dann läge in dieser •materialen Symbolik< also auch der Schlüssel für die Antwort auf die dort gestellte Frage nach der Logik der gegenständlichen Repräsentanz des Psychischen in den Dingen. (Dazu ist allerdings einschränkend zu bemerken, daß die Aussagen, die hier über materiale Symbolisierungen des Psychischen gemacht werden, sich vornehmlich beziehen auf jene Form dieser Repräsentanz, die als •konno tativ• gekennzeichnet wurde.) Mit dem Konzept einer in der Ontogenese des Psychismus begründeten •materialen Symbolik· des Psychischen wird eine Erklärung zu geben gesucht dafür, daß- um es mit einem Beispiel zu verdeutlichen-ein Hammer nicht nur die materiale Repräsentanz einer menschlichen Arbeitsfunktion da.rstellt. Daß er als ein •sinnliches Symbole (Cassirer) in eben denselben materialen Qualitäten, die seinen Gebrauchswert ausmachen, zugleich noch etwas ande res verstofflicht, das man etwa als •von tätiger Macht bestimmte Seinsweise< umschreiben könnte. Man vergleiche dazu die Rolle, dlie der Hammer in den germanischen Sagen und in abergläubischen Praktiken spieltl, und nicht zuletzt auch seine heraldische Funktion innerhalb der sozialistischen Bewegung. Thema ist hier also, um es noch einmal zu betonen, nicht die •objektive• bzw. zweckrationale Gegenständlichkeit, welche die konventionellen Nenn- und Verwendungszusammenhänge der Dinge diesen einschreibt, sondern deren psycho-logische Gegennändlichkeit: Es geht um eine genauere Bestimmung der eigentümlichen nicht-rationalen Ordnung, in der Psychisches sich in den Dingen gegenübertritt. Dazu wäre erst einmal zu klären, was mit dieser die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge organisierenden •materialen Symbolik· gemeint ist. Um diesen Begriff zu präzisieren, ist es notwendig, das allgemeine psychologische Konzept des Symbolischen, das ihm zugrundeliegt, zumindest in Umrissen zu skizzieren. Das geschieht am sinnvollsten in einer Abgrenzung zu anderen Symbol-Auffassungen. Es wurde schon an anderer Stelle argumentiert, daß die psychologische Realität des Symbolischen nicht aufgeht in der Existenz fixer Symbole. Gleichwohl besteht eine allgemeine Neigung, nicht zuletzt bei psychoanaly tisch orientierten Autoren, das Symbolische gleichzusetzen mit dem Repenoir
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parater und aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit lexikalisierbarer symbolischer Verknüpfungen.' Indem so der Prozeß der Symbolbildung völlig ungeklärt bleibt, rückt auch die Frage nach der spezifiseben psychologischen Funktion des Symbolischen aus dem Blick. Hier wird dagegen von der Annahme ausgegangen, daß das einzelne, selbständige Symbol als eine eher marginale Manifestation der psychologischen Realität des Symbolischen anzusehen ist, und daß vielmehr aJle psychischen Produktionen in der Form einer ihnen prinzipiell eigenen Überdeterminiertheit ein Moment des Symbolischen be. sttzen. Diese aJlgemeine Annahme würde in bezug auf die hier gegebene Fragestel lung bedeuten, daß jede Beziehung auf ein anschaulich Gegenständliches - sei sie wahrnehmender oder handelnder Natur - eine symbolische Dimension bzw. einen Zeichenaspekt besitzt. Diese Annahme ist weder neu noch originell und hat auch nicht erst mit dem in der letzten Zeit allseits reüssierenden zeichentheoretischen Erklärun gs modell ihren Eingang in die Psychologie gefunden. Sie findet sich schon bei Autoren wie Lipps und K. Bühler in wahrnehmungstheoretischem Kontext formuliert (vgl. Anmerkung).• In der Konsequenz dieser Annahme würden also nicht so sehr die einzelneo manifesten Symbole den Gegenstand einer Untersuchung der psychologischen Realität des Symbolischen ausmachen, als vielmehr die •Grundfunktion des Bedeutens• (Ca.ssirer): •Denn daß ein sinnlich Einzelnes () zum Träger einer rein geistigen Bedeutung werden kann - dies wird zuletzt nur dadurch verständlich, daß die Grundfunktion des Bedeuteos selbst schon vor der Setzung des einzelnen Zeichens vorhanden und wirksam ist, so daß sie in dieser Setzung nicht erst gesch�Hen, sondern nur fixiert, nur auf einen Einzelfall angewandt wird.«s In Abgrenzung zu anderen psychologischen Symbol-Auffassungen wäre weiterhin herauszustellen, daß von dem bislang Argumentierten aus die Annahme fragwürdig wird, •symbolische Verknüpfungen• würden in einem besonderen psychischen Proz.eß produziert und die Symbole steLlten die Leistung eines spezifischen Vermögens der •Symbolbildungc dar. Lorenzer, der in neuerer Zeit sich wohl am eingehendsten um eine psychologische Symboltheorie bemüht hat, sieht zwar mit dem Konzept der •Symbolbildung• die Statik älterer, namentlich psychoanalytischer Symboltheorien überwun den, aber dafür wirft es andere, neue Probleme auf.• Insbesondere die eher müßige Frage, welcher Instanz - dem Es oder dem Ich - diese Funktion der Symbolbildung zuzusprechen sei. Lorenzers Antwort lautet, •einzig das Ich darf aJs eine formgebeode, symbolbildende Instanz gelten, während umge kehrt die Funktion des Ubw (Unbewußten, der Verf.) als eines Reservoirs an reizaktivem ( ) MateriaJ aufzufassen ist«/ Diese, und auch seine Auffassung des Unbewußteo aJs eines •Reizzentrums• und einer •Reizquelle• ohne jegliche Form•, lassen einen rigorosen Bewußtseinsstandpunkt erkennen, der Lorenzers Symboltheorie in psychologischer Hinsiebt problematisch macht. Zugleich fällt er mit dieser eher vermögenspsychologischen Auffassung der
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Symbolbildung als einer Ich-Funktion weit hinter das Symbolverständnis zurück, das Freuds späte Aussagen zur Traumarbeit entwickeln. Zwar be schreibt Freud in seiner letzten Arbeit, dem ·Abriß der Psychoanalyse• , die für den Prozeß der Symbolbildung prototypische Traumarbeit einmal als vom •schlafenden Ich• auf sich genommene Arbeit; er sagt aber an anderer Stelle von ihr, sie folge den Gesetzen des Ablaufs im Unbewußten! Dies stellt nicht etwa eine zu korrigierende Unentschiedenheit Freuds dar, sondern zeigt gerade die Unmöglichkeit einer Zuordnung der in der Traumarbeit produzier ten symbolischen Formen zu einer der beiden Instanzen an. Spätestens Freuds Feststellung, ·daß das Ergebnis der Traumarbeit ein Kompromiß ist•10, macht dies deutlich. Freud führt zwar auch als den •Anteil des unbewußten Es an der Traumbildung• zuerst einmal •Inhalte• an, und scheint insofern Lorenzers These vom Unbewußten als •Reservoire zu stützen; dann aber stellt er fest, •was aber den Traum so unschätzbar für unsere Einsicht macht, ist der Umstand, daß das unbewußte Material, wenn es ins Ich eindringt, seine Arbeitsweisen (Orig. o. Herv.) mit sich bringt•.'' Das allerdings steht in klarem Gegensatz zu Lorenzers Annahme, das Unbewußte fungiere nur als •Reizquelle• und das Ich sei die einzig formgebende Instanz. Versteht man mit Freud die Traumarbeit als den für das Verständnis der Symbolbildung zentralen •Fall von unbewußter Bearbeitung vorbewußter Gedankengänge•12, so wird man konsequenterweise die Symbolik nicht als Leistung einer Instanz erklären können. Und statt wie Lorenzer schließlich ·für die Symbolbildung ( ) zwei Zentren zugleich anzunehmen• (das Ich als organisatorisches und das Es bzw. das Unbewußte als energetisches)u, ist es wohl sinnvoller, überhaupt von der Annahme der Symbolbildung als eines isolierbaren, eigenständigen Mechanismus abzurücken. Damit wäre weder negiert, daß sie in spezifischen Zusammenhängen, z. B. innerhalb einer Sym ptombildung eine gewisse Akt-Qualität besitzen kann noch daß sie (insbeson dere soweit sie sieb sprachlich organisiert} bestimmten Formeln folgt. Es würde aber damit grundsätzlich der Weg frei, die Symbolik als eine allgemeine Funkt.ion psychischer Produktionen zu verstehen, welche sich ontogenetisch differenziert und in den Zusammenhängen von Sprache Bild, Gestus usw. auf verschiedene Weise organisiert. Im Sinne einer solchen allgemeinen Symbolfunktion haben sich vor allem Piaget, der auch ihre ontogenetischen Bedingungen eingehender untersuch te, und Cassirer geäußert, bei dem sie stärker unter phylogenetischem Aspekt behandelt wird.'' Die hier explizierte Annahme einer den psychischen Phänomenen inhärenten symbolischen Struktur findet sich bei Vertretern der unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen und Richtungen formuliert.u Sie folgt aber nicht der in der neueren symboltheoretischen Literatur verbreiteten Tendenz, den Begriff des Symbols auf sämtliche Repräsentanzverhältnisse zu übertra gen, egal ob diese bildhafter, sprachlicher oder formal-logischer Art sind. Dabei werden nämlich nur allzu oft die sprachlichen Repräsentanzverhältnisse insgeheim zu Paradigmen des Symbolischen überhaupt erhoben, was zwangs-
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läufig zu einer Verkennung seiner spezifisch psychologischen Realität führt. Dies wird etwa bei Lorenzer darin deutlich, daß ihm aufgrund eben seiner einseitig sprachlogischen Betrachtungsweise die bildhaften Symbolisierungen als �niedere• Formen der Repräsentanz erscheinen."- Obwohl doch Freud, auf den sich Lorenzer sonst bezieht, immer wieder, z. B. im Zusammenhang der Traumarbeit, den Vorrang der bildhaften Ordnung in den symbolischen Produktionen herausstellte.17 Lorenzer meint zwar selbst, ·daß wir den Unterschied >höher< und >niedriger< von dem Gesichtspunkt einer Wertskalie rung freihalten müssen•, denn schließlich ,.ergibt sich () die umerschiedliche Symbolhöhe ( ) aus der Schwierigkeit des aufzunehmenden Materials" ... Aber in dieser und der sich daran anschließenden Argumentation zur >artikulawri schen Effizienz< der verschiedenen Symbolformen wird nur einmal mehr erkennbar, daß Lorenzer die Symbolik vornehmlich unter dem rationalen Aspekt einer verständigungstechnischen Leistung betrachtet. Entsprechend läßt er dann auch nur bewußte bzw. bewußtseinsfähige (und damit flexible) Repräsentanzen als symbolische gelten und grenzt er die anderen aus als entweder ·Klischees« (neurotisch starr und unbewußt) oder •Zeichen" (zwar bewußt, aber konventional starr).1' Eine solche, an den sprachlich organisierten Zeichen orientierte, vollständi ge Identifikation des Symbolischen mit bewußten Bedeutungen illustriert die hier vertretene Auffassung, daß es psychologisch nichts einbringt und eher unangemessen ist, den Begriff des Symbolischen in seiner zeichentheoreti schen Verallgemeinerung zu verwenden oder an sprachlichen Repräsentanz verhältnissen zu orientieren. Schon Cassirer bat in seiner ·Phänomenologie der Erkenntnis« nachdrück Lich betont, daß die ..Sym bolfunktion« eine allgemeine sei und •nicht einem einzelnen Stadium des theoretischen Weltbildes angehört, sondern daß sie dieses in seiner Totalität bedingt und trägt« und •nicht erst das Reich des Begriffs, sondern bereits das der Anschauun� und das der Wahrnehmung an dieser Bedingtheit teilhat«; man verkenne ihre Totalität, •wenn man die Symbolfunktion von vornherein auf die Ebene des begrifflichen, des •ab strakten, Wissens einschränkt . Langer vertritt einen ähnlichen Standpunkt, indem sie sagt: »verallgemei nert man den s p rachlichen Symbolismus zum Symbolismus überhaupt, so läuft man Gefa h r, alle anderen Typen mißzuverstehen und ihre interessan ten Wesenszüge zu übersehen..:.21 ...
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Es ist vor allem der konventionale und arbiträre Zuordnungscharakter sprach logischer Repräsentanzen, der den entscheidenden Unterschied bildet zu jenen Formen der Repräsentanz, denen psychologisch sinnvollerweise der Begriff des Symbols vorzubehalten wäre. Das sind solche, in denen - um es auf eine Formel zu bringen - nicht zwischen Zeichen (Signifikant) und Bezeichnetem (Signifikat) differenziert werden kann und die nicht einer willkürlichen, konventionalen Setzung entsprungen sind. Dieser Symbolbegriff zielt also wesentlich auf solche Repräsentanzverhält nisse ab, die Langer in Abgrenzung zum �diskursiven Symbolismus«, der eher sprachanalog funktioniere, als »präsentativen Symbolismus" kennzeichnet.22
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Er spricht die Verhältnisse einer �•natürlichen< Symbolik« an, die Cassirer �im Grundcharakter des Bewußtseins selbst angelegt« sieht und auf der �die Bildwelt des Mythos, die Lautgebiilde der Sprache und die Zeichen, deren sich die exakte Erkenntnis bedient«, aufbaue.u Eine weitere und zur Abgrenzung gegen die zeichentheoretischen Konzepte der Symbolik entscheidende Annahme innerhalb der hier vertretenen psycho logischen Symbolauffassung geht dahin, daß das Symbolische, der mit diesem Begriff angesprochene spezifische Nexus, seinen (ontogenetischen) Ursprung in den frühen gegenständlichen Beziehungen hat; und daß von dieser ur sprünglich gegenständlichen Natur der symbolischen Beziehungen her die Modi des Materialen psychologisch die •ersten<, primären Modi aller Symbolik darstellen. Diese These einer •materialen Symbolik< (des Psychischen) sei hier in einer Auseinandersetzung mit Sartres vielzitierter phänomenologischen Analyse des ,.KJebrigen« entfaltet.14 In ihrem Kontext entwickelt Sartre ein Konzept des Symbolischen, das ungeachtet seiner philosophjschen Grundlegung einen Fingerzeig gibt für eine psychologische Antwort auf die Frage nach dem Ursprungszusammenhang der materialen Symbolik des Psychischen und nach der ontogenetischen Wurzel der Symbolfunktion. Nicht zuletzt wird aber auch deshalb Sanres Analyse des Klebrigen hier herangezogen, weil die von ihm dort erhobene Forderung nach einer �Psychoanalyse der Sachen« in gewisser Weise mit dem Anspruch dieser Arbeit korrespondiert, eine Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge zu entwickeln.zs Auf dem Hintergrund seiner ze.ntralen philosophischen These, •jedes Für sich ist freie Wahl; eine jede seiner Handlungen, von der unbedeutendsten bis zur gewichtigsten, drückt diese· Wahl aus und geht aus ihr hervor«, versteht Sartre die Aneignung von anschaulich Gegenständlichem prinzipiell als eine �Seinswahi«.16 Weiter sagt er vom Gegenständlichen: •ln ihm zielen wir auf sein Sein, und zwar durch seine Seinsweise oder Qualität hindurch; die Qualität aber - insbesondere die materielle Qualität, die Flüssigkeit des Wassers, die Dichte des Steins usw. - vergegenwärtigt als Seinsweise nur auf eine bestimmte Art das Sein. Wir wählen also eigentlich eine bestimmte Art, in der das Sein sich enthüllt und sich besitzen läßt. Das Gelbe und das Rote, der Geschmack der Tomate oder der Brechbohnen, das Raube und das Zarte ( ) bringen für uns symbolisch eine bestimmte Art zum Ausdruck, in der sich das Sein gibt ( ).«v Es sei nun die Aufgabe einer •existenziellen Psychoanalyse« bzw. einer ,.Psychoanalyse der Sachen«, den ontologischen Sinn der Qualitäten freizule gen• .11 Ihr habe es nicht darum zu gehen, ·hinter den Dingen« in sie projizierte Bilder aufzufinden, sondern •den wirklichen eigenen Sinn der Sachen zu verdeutlichen«, denn ,.die stofflichen Bedeutungen, der menschliche Sinn ( ) des Körnigen, des Festgestampften, des Fettigen usw. sind nicht in geringerem Grade wirklich wie die Welt und zur Welt kommen heißt, inmitten dieser Bedeutungen auftauchen.«29 Sieb mit den Untersuchungen lßachelards auseinandersetzend10, die seiner Vorstellung von einer solchen ... Psychoanalyse der Sachen« am nächsten ..
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kommen, kritisiert Sartre eine seines Erachtens fragwürdige Tendenz psycho analytischer Symboldeutung. Ebenso wie diese alles Menschliche a priori in einem ,.ziel« konvergieren lasse, wolle sie auch alle Bedeutungen aus einem Komplex ableiten, sei es aus der Sexualität oder einem Willen zu Macht oder einem Trauma der Geburt.H Er schlägt vor, auf derartige Festlegungen, »die aus einem Menschen a priori einen Machtwillen oder eine Sex�,;alität machen•, zu verzichten und »das Ziel der Psychoanalyse streng auf der Grundlage der Ontologie festzustellen«.l2 Eine von der Ontologie über den wahre(n) Ur sprung der Bedeutungen der Dinge und ihre wahre Beziehung zur menschli chen Wirklichkeit« belehrte Psychoanalyse werde einsehen, daß .. jede Sache letztlich nicht wegen ihres sexuellen Potentials gewählt wird, sondern gemäß der Weise, in der sie das Sein wiedergibt, gemäß der Art, in der das Sein auf ihre Oberfläche dringt. Eine Psychoanalyse der Dinge und ihres Stoffes muß sieb somit vor allem darum bemühen, die Weise festzustellen, in der ein jedes Ding das objektive Symbol des Seins und der Beziehung der menschlichen Wirklich keit zu diesem Sein ist.«lJ Die Problematik e.iner solchen Forderung an die Psychologie, zu deren Erfüllung sie ihren wissenschaftlichen Gegenstand überschreiten bzw. ihn von einer anderen Disziplin, in. diesem Falle von der Ontologie, übernehmen müßte, kann hier nicht diskutiert werden. Es hängt aber auch nichts davon ab, ob man die von Sartre gegebene metapsychologische Begründung der materia len Symbolik des Psychischen akzeptiert. Denn er selbst sagt, die konkrete symbolische »Bedeutung« einer materialen Qualität sei nicht dem »Sein an sich« zuzuschreiben; auch sei sie weder durch eine •Projektion« auf die Sache zu erklären, •da sie voraussetzt, was zu erklären wäre«, noch sei sie eine erlernte.l• - Und damit ist die Frage nach der Konstiruierung dieser Bedeutung zumindest psychologisch immer noch unbeantwortet. Erst in der Psychoana lyse des Klebrigen, die Sartre seinen theoretischen Überlegungen anschließt, macht er eine Reihe von Aussagen, von denen her diese Frage psychologisch beantwortet werden kann. Die zentrale These seiner Analyse lautet, »das Klebrige symbolisiert a priori keine psychische Verhaltensweise: es zeigt eine bestimmte Beziehung des Seins da ich sie i zu sich selbst an, und diese Beziehung wird ursprünglich psychsiert, beim Versuch einer Aneignlllllg entdeckt habe und die Klebrigkeit mir mein Bild zurückwarf. Von meiner ersten Berührung mit dem Klebrigen an bin ich somit um ein taugliches ontologisches Schema bereichert, mit dem ich jenseits der Unterscheidung von Psychischem und Nicht-Psychischem den Seinssinn aller Seienden einer bestimmten Kategorie interpretieren kann.«>s Daß das Klebrige •von seinem Ursprung an ( ) psychisiert ist, () bedeutet keineswegs, daß ich ihm in der Art eines primitiven Animismus eine Seele oder metaphysi sche Eigenschaften gebe, sondern nur, daß seine Stofflichkeit selbst sich mir als psychisch bedeutsam enthüUt - und diese psychische Bedeutsamkeit ist übri gens nur dasselbe wie der symbolische Wert, den es ( ) hat«.14 Mit der »Beziehung des Seins zu sich selbst«, die nach Sartre der Gegenstand der Psychisierung des Klebri.gen ist und seinem symbolischen ·Sinn< zugrunde liegt, ist der Rahmen des psychologisch Argumentierbaren gewiß verlassen. ..
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Aber wenn Sartre vom .,.Sinn des Klebrigen« spricht und sagt, .,.einerseits handelt es sich hier um eine Erfahrung, da die Klebrigkeit eine intuitive Entdeckung ist; andererseits um eine Art Erfindung«)7, dann zeigt er damit im Gegenständlichen ein eigenartiges Verhältnis auf, das hier schon in verschiede nen Zusammenhängen Thema war. Es entspricht jenem, das in der Morpholo gie des Gegenständlichen als kennzeichnend für die frühen Formen der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge herausgestellt wurde, na mentlich arn ·Mittel-Ding< (bzw. ·Mittelding<). Es machte ja gleichfalls dessen Eigenart aus, im seihen Maße •gefunden« wie auch •gemacht« zu sein, um es mit den Worten zu formulieren,, die Winnicott zur Charakterisierung des Übergangsobjekts gebraucht. Auch auf die Funktionen und Qualitäten, die das Gegenständliche in dieser seiner frühen psycho-logischen Gegenständlich keit besitzt, trifft exakt das z.u, was Sartre von der stofflichen Symbolik des Klebrigen sagt, nämlich weder als an der Sache gelernt, noch als ihr bildhaft angehängt erklärbar z.u sein. Was allgemeiner formuliert nichts anderes heißt, als daß sich in diesen Phänomenen weder das reine An-sich (die Objektbedin gungen und ihre Erkennmis) noch. das reine Für-sich (die Subjektbedingungen und ihre Projektion) realisiert. Auf diesem Hintergrund läßt sich jetz.t die Gegenständlichkeit, die das anschaulich Gegenständliche in seinen frühen, psycho-logischen Konzepten erhielt, ihrer Struktur nach als eine wesendich symbolische charakterisieren. Denn in dieser Gegenständlichkeitsform ist (noch) nicht zwischen Subjekt und Sache logisch differenziert und stehen beide noch in einer unmittelbaren Beziehung, in der sie sich wechselseitig konstituieren und auslegen: Sie bilden ein Verhältnis analog dem, das Cassirer als die für das Symbolische wesentliche Unauflösbarkeit in die >Sache< und das >Bilde beschrieben hat.n Sartre faßt diese prälogische Indifferenz sehr plastisch, wenn er von der frühkindlichen Realität sagt, •es ist, als tauchten wir in einem Universum auf, in dem die Gefühle und Handlungen mit Stofflichkeit ganz beladen und in Wahrheit weich, flach klebrig, niedrig, erhaben usw. sind, und wo die stofflichen Substanzen ursprünglich eine psychische Bedeutung haben•.)' Die Situation, die Sartre hier beschreibt, in der das Psychische gewisserma ßen material ist und das Materiale psychisch funktioniert, entspricht der ontogenetisch frühesten Phase der kindlichen Entwicklung, wie sie von vielen Psychologen, etwa bei Sandler unter dem Begriff der •primary confusion« oder bei Piaget als .. Adualismus« der frühkindlichen Welt beschrieben wird.40 Diese Situation bildet den ontogenetischen >Grunde, aus dem sich mit den zunehmend >objektiveren< Gegenständlichkeitskonzepten schließlich die >Fi guren< von >Selbst< und >Welt< als eigenlogische herausentwickeln. Und inso fern ihre Struktur die aller späteren Symbolbildungen vorzeichnet, wäre in ihr der psychologische Ursprung des Symbolischen auszumachen, wie auch seine originär materiale Qualität zu begründen. Begreift man derart das Symboli sche von seiner Struktur her als ursprünglich eine ontogenetisch frühe Form der psycho-logischen Gegenständlichkeit des Gegenständlichen, dann erhält die grundlegende materiale Symbolik des Psychischen, die Sartre nur in einem Rekurs auf die Ontologie ableitbar erschien, eine psychologische Begründung.
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Nun wäre aber zu bedenken, daß in der geschilderten ontogenetisch frühen Situation von einem •Psychischen< zu sprechen, problematisch ist, da es sich als ein eigenständig solches erst herauszubilden und zu organisieren beginnt. Und damit wird es ebenso problematisch, hier- wie Sartre - von einer »Psychisie rung• zu sprechen. Es kann dann nicht so sein, daß einem gegebenen Psychi schen sich eine gegebene Stofflichkeit als bedeutsam >enthüllt<, wie Sanres Formulierungen nahelegen. Es wäre vielmehr davon auszugehen, daß in ein und derselben Erfahrungsbewegung ein Etwas zugleich als ein Psychisches, ein >Eigenes<, und als ein Gegenständliches realisiert wird, bzw. sich dieses Etwas zugleich als ein •Innerliches< und als ein •Äußerliches< qualifiziert. Und zwischen dem, was da in eine erste und noch hochdiffuse erfahrungsrelative Differenz gesetzt ist, konstituiert sich die Beziehung des >Bedeutens<: das Symbolische als jenes •Eines steht für ein Anderes<. Um dies an Sartres Beispiel des Klebrigen in anderen Worten und vielleicht verständlicher zu formulieren: Erst indem die Situation der Berührung mit einem Stofflichen in das Zugleich eines erlebnisrelativen ·Drinnen< (einer spezifischen affektiven Dynamik) und eines >Draußen< (einer spezifischen taktilen, materialen Widerstäindigkeit) polarisiert wird, kann sich dazwischen >Klebrigkeit< als Beziehung konstituieren, und das Klebrige zur gemeinsamen Qualität des sich erfahrungsrelativ Gegenüberstehenden werden : zu dessen sinnlicher, material-symbolischen Einheit. Von ihrer ontogenetischen Entwicklung her betrachtet, läßt sich also jetzt die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge allgemeiner kennzeichnen. In ihr ist zwar einerseits zwischen einem >Drinnen< und einem ·Draußen< sinnlich differenziert und jene ursprüngliche »primäre Konfusion• (Sandler) von Selbst und Sache aufgehoben, erhalten diese aber andererseits eine mate rialsymbolisch organisierte, •zusammengesetzte< Einheit (vgl. die griechische Wurzel des Wortes >Symbol<: symballein u. a. zusammenwerfen, vereini gen, zusammenschließen, zusammentreffen). =
Diese Struktur der materialsymbolisch organisierten, psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge- daß da ·Selbst• und .Sache< (schon) sinn lich aber (noch) nicht logisch g etrennt sind, zwar schon nicht mehr Eines sind, aber noch eine Einheit b ilden - scheint das Moment zu sein, in dem die ansonsten so grundverschieden orientierten Aussagen über die Fetischob jekte, die frü hk indliche Ge genstandsauffassung und über das Symbolische konvergieren. Man vergleiche etwa die Aussage Smirnoffs, das Fetischob jekt sei Ausdruck der Erfahrung einer Trennung und zugleich ihrer Leug nung bzw. des Versuches ·der ,.Wiederherstellung einer verlorenen Konti nuität«; die Aussa ge Winoicotts, mit den frühen Objektbildungen werde eine Trennung voll zogen, »die eigentlich keine Trennung, sondern eine Form der Einheit ist•; und die Aussage Cassirers über »die doppelte Funktion alles Symbolischen, die Funktion der Spaltung und Wiederver einigung«. •a
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In diesen materialsymbolisch organisierten Einheiten der Erfahrung des Ge genständlichen sind - wie schon gesagt - Subjekt und Sache (noch) nicht logisch opponiert. Aber dennoch vermittelt sich in ihnen - insoweit da
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sinnliche, erfahrungsrelative Differenzen gesetzt werden- schon eine Art von Erkenntnis, worauf insbesondere Cassirer immer wieder hingewiesen hat.42 Sie ist ganz gewiß (noch) nicht eine rationale, sondern eine im alten Sinne des Wortes >ästhetische<: eine •sinnliche Erkenntnis<. Ebensowenig wie diese eine Feststellung von Objektivem liefert, ist sie schierer Ausdruck von Subjekti� vem. In ihr besteht zwischen der Ordnung des Erkannten und der Ordnung des Erkennenden kein ontologischer Hiatus: Was sie entwirft, ist das Bild einer gemeinsamen Ordnung von Subjekt und Welt; und nach Merleau-Ponty und Straus ist das, was sich in ihr realisiert, wesendieher Kommunikation, denn Erkenntnis in deren strikt rationalen Sinn.41 Die Vorgängigkeit der symbolischen Beziehungen des Subjekts zur Welt, also der Primat einer im genannten Sinne •ästhetischen< Ordnung von Psychischem und Gegenständlichem, ist hier genetisch aufgefa ß t. In diesem Sinne findet sich dieser Primat auch bei anderen und nicht nur entwick lungsp sychologischen Autoren angesprochen. So etwa bei Straus, für den vor allem die Synästhesien die l,etzten Repräsentanten dieser frühen Ord nung darstellen.•s Für Nietzsche dagegen ist diese ästhetische Ordnung von Psychischem und Gegenständlichem nicht nur genetisch primär, sondern die einzig wirkliche. So sagt er, •zwischen Subjekt und ObJekt gibt es keine Kausalität, keine Richtigkeit, keinen Ausdruck sondern höchstens ein ästhetisches Verhalten«. 46 ..
Versteht man derart die materiale Symbolik, in der die psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge organisiert ist, als die •Logik< der sinnlichen Erkenntnis, dann wird Sartres Bemerkung verständlich, daß Geschmacksqua litäten wie das Süße, das Saure usw. »eine ganze Weltanschauung symbolisie ren«; und auch seine Rede von den im stofflich Symbolischen liegenden »Ontologischen Schemata«, gewinnt dann psychologischen Sinn.•7 Wie in den stofflichen Qualitäten der Dinge sich die Welt bedeutsam organisiert und eine >Weltordnung< geschaffen wird, hat Levi-Strauss in seinen »Das Rohe und das Gekochte« und »Vom Honig zur Asche« betitelten mythologischen Untersuchungen dargelegt.•• Sie geben zugleich den hier in ontogenetischen Zusammenhängen aufgezeigten Phänomenen materialer Symbolik und sinnlich-ästhetischer Weltordnung eine anthropologische re spektive phylogenetische Dimension. Die materiale Symbolik bzw. die sym bolische Qualität des Materialen ist von daher kaum das dem Gegenständli chen in schmückender Absicht beigegebene, das späte Surplus, als welches es dem rationalen Denken leicht ersclheint.•• Es gründet vielmehr in der gemein samen Entwicklung, in der sich •Subjekt• und •Sache• aus einer Matrix, aus ihrer ursprünglichen Diffusion, herausdifferenzieren. Von ihrem genetischen Bedingungszusammenhang her betrachtet, wird deutlich, daß die Symbolik weder als eine sachliche Eigenschaft der Dinge verstanden, noch als die inventive Leistung des Psychismus begriffen wirklich adäquat erfaßt wäre. In dieser Sicht stellt sie vielmehr die Logik eine.r onto bzw. phylogenetisch frühen, •primären• Gegenständlichkeit des Gegenständ lichen dar: die Logik einer Beziehunf!.. Mit der geschilderten, im Laufe der Sozialisation erfolgenden Differenzie-
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ruog und ·Objektivierung< der frühen Gegeoständlichkeitskoozepte verlien diese beziehungslogische Ordnung ihre Relevanz für das Gegeostaodsverhal ten, das dann grundlegend an den rationalen und funktionalen Bestimmungen des Gegenständlichen orientien ist. Es ist aber nicht so, daß damit die materiale Symbolik vollends aus den schließlich >objektivierten< Dingen ver schwindet. Deren zweckra.tionale Gegenständlichkeit überdeterminierend, bleibt sie ein mehr oder minder ausgeprägtes Moment auch der reinen Zweck Dinge des Alltags, wie es das eingangs gegebene Beispiel des Hammers zeigte. Und die Gegenständlichkeit nicht weniger alltäglicher Dinge ist sogar noch nahezu ausschließlich in dieser materialen Symbolik organisiert, die hier als die Logik der frühen Gegenständlichkeitsformen angesprochen wurde; so zum Beispiel die Gegenständlichkeit der Souvenirs, des Nippes und auch mancher bedeuteoder Design-Objekte. Wenn dennoch gilt, daß die Gegenständlichkeit der >objektivienen< Dinge dann prinzipiell nicht mehr in dieser Logik organisien ist, so bedeutet das aber keineswegs einen grundsätzlichen Wandel in der Funktion der Repräsentanz, die das Gegenständliche für den Psychismus besitzt, sondern lediglich eine Verschiebung der Akzente.
Exkurs zur Funktion der materialen Repräsentanz des Psychischen in den Dingen An den vor-•objektiven< Dingen, die in ihrer material-symbolischen Gegen ständlichkeit �ewissermaßeo als • Organe« des Kleinkindes funktionier ten10, war geze1gt worden, daß sich an ihnen überhaupt erst sein Psychismus zu organisieren und zu differenzieren beginnt, und es sich als ein Subjekti vum kenntlich macht. Während hier also die psycho-logische Repräsentanz des Gegenständlichen eine gleichermaßen bildende wie abbildende Funk tion für die sich entwickelnde Subjektivität besitzt, tritt in der Repräsen tanz, welche die schließlich >objektivienen< Dinge dem Psychischen vermit teln, das Abbildungsmoment in den Vordergrund. Wenn auch in dieser (ihrer) Gegenständlichkeit die Dinge nicht mehr konstitutiv für den Psy chismus sind in dem Sinne, daß er sich in der Differenz zu ihnen überhaupt erst als solcher realisiert, so erfähn er durch sie aber notwendig eine »Modellierung• (Elias). Diese psycho- logische Modellfunktion des Gegenständlichen spricht Bachelard an, wenn er von dem Schrank und seinen Fächern, dem Schreib tisch und seineo Schubladen, der Truhe und ihrem doppelten Boden sagt, ,.ohne diese •Objekte< ( ) würden unserem inneren Leben die äußeren Modelle der Innerlichkeit fehleo•.s• Eine ähnlich zentrale Rolle der Dinge innerhalb der anschaulichen Aneigouo� von Subjektivit.ät nimmt auch Bataille an, wenn er sagt, daß uns •unser moeres Leben entgleitet (), sofern wir es nicht auf der Ebene aller übrigen Gegenstände objektiv vor uns hinstellen köooeo•.s2 Von daher ließe sieb jetzt die psychologische Realität des einzelneo konkreten Dinges allgemeiner bestimmen: Am einzelneo Ding, verstaoden als eine materiale Repräsentanz von Psychischem, erhält dieses eine Evidenz in einer gegenständlich institutiooal1sieneo Form.
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Mit dieser institutionalisierten Evidenz, in der sich Psychisches qua Ding gegenübertritt (und die in den schließlich •objektivierten< Dingen vom Subjekt als die Ratio der Objekte realisiert wird), ist ein erster fun k tionaler Aspekt der materialen Repräsentanz des Psychischen in den Dingen ange sprochen. Man wird ihn wohl als den grundlegenden zu betrachten haben. Auf einen anderen funktionalen Zusammenh an g , in dem sich die gegen ständliche Repräsentanz des Psychischen organisiert und der die zentrale Bedeutung materialer Symbolik für die frühe Entwicklung der Subjektivität unterstreicht, weist die Analyse ,eines von Freud beschriebenen Kinderspiels hin (vgl. S. 155 ff.). Es wird dort am Spielverhalten eines Kleinkindes dargelegt, wie das noch nicht stabil differenzierte Subjekt in seinen materiel len Symbolbildungen die Möglichkeit gewinnt, die innerhalb seiner Ent wicklung notwendig auftretenden (und nach Ansicht mancher Psychologen für sie konstitutiven) Ambivalenzkrisen als externe Konflikte zu handhaben und auszutragen. Als wesendich wird dabei herausgestellt, daß das kindli che Ich in seiner materialen Repräsentanz, als die - wie dort eingehender beschrieben wird - ein konkretes Ding fungieren kann, eine erste verhal tensreale Kontur gegen das differenzlose Kontinuum jener (wiederbelebten) •primären Konfusion• (Sandler) erhält. Von der Annahme ausgehend, daß es derart also die Dinge waren, die dem Ich - es materialiter symbolisierend - eine erste anschauliche Identität vermittelten und sie gewissermaßen seinen frühesten Ort bildeten, wird dort gefolgert, daß die Dinge auch späterhin für die psychischen Strategien zur Auflösung gemischter Gefühle und bei der Bewältigung ambivalenter Situationen von zentraler Bedeutung sind. Diese dort als Ambivalenzbewältig ung gekennzeichnete Funktion der dem Psychischen in den Dingen gegeb enen material-symbolischen Reprä sentanz stellt an der psychologischen Realität des Gegenständlichen vor allem solche Zusammeohän�e h eraus, in denen sich an ihm die Differenz und schließlich die Opposttion von Selbst und Sache organisiert. Das psycho-logische Funktionieren des Gegenständlichen folgte hier also der Logik der Spaltung, in der es sich - wie an anderer Stelle beschrieben konstituierte (siehe S. 78 f.). Man vergegenwärtige sich aber noch einmal die Aussage über die frühe psycho-logische Gegenständlichkeit der Dinge, daß in ihr zwar >Selbst< und •Sache< schon in eine erste, mehr erfahrungsrelative denn logische Differenz gesetzt sind, diese aber noch symbolisch •aufgeho ben< wird. Von daher würde sich nämlich jetzt noch eine andere hypotheti sche Folgerung ergeben : Daß der Psychismus in seiner ihm durch dte Dinge gegebenen material-symbolischen Re p räsentanz ebenso jener handlungs pra gmatischen Opposition von >Subjekt< und •Objekt< enthoben sein kann un d ihm - derart entdifferenziert - also eine (Re-)Totalisierung zumindest situativ möglich würde. Wollte man diese Funktion eingehender studieren, dann wäre eine Unter suchung der psychologischen Realität dessen, was als •gemütliche Einrieb tun�< landläufig Ideal ist, gewiß fruchtbar. Sie würde auf sehr konkrete Wetse zeigen, wie sich in den Dingen psychologisch ein Jenseits-von Subjekt-und-Objekt installiert. Wenn etwa von der Gemütlichkeit gesagt wurde, sie sei die •gegenständliche Phantasie, ungeboren zu sein• und in ihr werde der Versuch unternommen, sieb •ein hiesiges Jenseits, ein Leben hinter dem Tode zu schaffen•� so ist damit, bildhaft und auf ein Konkretum bezogen, das aussagt, was hier eben allgemein als Hypothese formuliert
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wurde. Nämlich, daß es dem Subjekt in seiner ihm an den Dingen g egebenen material-symbolischen Gegenständlichkeit möglich wird, jenen fr ühen dif ferenzlosen Zustand situativ wiederzubeleben, dem es ontogenetisch ent spran�. Was dem Psychischen in der Gegenständlichkeit widerfährt, welche ihm dae sogenannte gemütliche Einrichtung vermittelt, wäre also die imagi näre, material-symbolische Aufhebung jener ursprünglichen Spaltung, in der sich das Ich und die Objekte konstituierten: Die Gemütlichkeit als eine retrograde Totalisierung des Psychismus, als die zur Idylle gewendete •primäre Konfusion<. Die Dinge, die in ihrem Gesamt die gemütliche Einrichtung ausmachen, würden also insofern •Undinge< darstellen, als sie psycho-logisch eher als materialisierte und aus gestellte Eigentlichkeit funktionieren und nicht wirk lich Gegen(über) stände bilden. Von daher wäre der Anspruch auf Gemüt lichkeit psychologisch zu verstehen als der Anspruch eines Subjekts auf eine Gegenständlichkeit seiner selbst jenseits der für es (und die Objekte) konstitutiven Spaltung. Zu�leich macht das oben wiedergegebene Zitat auf das eigentümlich Unzeatliche dieses Jenseits-von -Subjekt-und-Objekt aufmerksam, in das der in der •gemütlic h en Einrichtung< sich gegenständlich entdifferenzieren de Psychismus sich zu ver.setzen sucht. Von daher würde es sich nahelegen, im Sinne eines weiteren Aspektes ihrer allgemeinen psychologischen Funk tion anzunehmen, daß die material-symbolische Repräsentanz das in ihr gegenständliche Psychische seiner diskursiven Zeitlichkeit enthebt. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Reiseandenken und sonstigen Souvenirs oder etwa an die Rolle, welche die Madeleine (ein Gebäck) und der Weißdorn in Prousts Roman •Auf der Suche nach der verlorenen Zeitc s pielen .ss Dort wird die spezifisch psychologische Realität solcher •biogra phischer Objekte< besonders deutlich: Dem Vergan geneo eine material symbolische Re-Präsenz gebend, funktionieren sie nicht etwa als •Auslöser• von Erinnerungen, sondern stellen sie das Subjekt in die situative, sinnlich unmittelbare Gleichzeitigkeit des von ihm historisch-zeitlich Getrennten. Als eine allgemeine psycho-logische Funktion des Gegenständlichen formuliert, würde das bedeuten, daß Psychisches in seiner ihm an den Dingen gegebenen Gegenständlichkeit eine Vergleichzeitigung erfahren kann: Daß de Psychismu<: in solchen material-symbolischen Reprisentan zen seiner geschichtlichen Situationen und Verfassungen sich jenseits einer diskursiven Zeit realisiert.s. r
Mit diesem Exkurs zu Funktion der material-symbolischen Repräsentanz des Psychischen in den Dingen schließt der theoretische Teil der Arbeit. Zweifel los wären noch weitere funktionale Aspekte zu benennen und z. B. dem nachzugehen, was Gehlen als die Funktion der •Entlastung« beschrieben hat und als die •biologisch wichtigste Seite aller Symbolik« betrachtet.s7 Aber mit diesem Exkurs sollte lediglich das psycho-logische Funktionieren von Dingen überhaupt erst einmal in den Blick gerückt werden. Dieses In-den-Blick-Rücken und das Schaffen einer Denkbarkeie kenn zeichnen generell die Aufgabe, die dem theoretischen Teil dieser Arbeit gestellt war. Er ist in dem von Stegmüller bestimmten Sinn als eine •Erklärungsskizze« zu betrachten.s• Es ging hier weder darum, endgültige Ergebnisse vorzustel len, noch wurde der Anspruch erhoben, ein komplettes theoretisches System
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zu liefern. Ziel dieser Erklärungsskizz.e war es, die Dinge des Alltags als für eine wissenschaftliche Psychologie grundsätzlich ,fragwürdige• zu erweisen und mit dem Entwurf einer Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge ihrer empirischen Untersuchung eine erste Orientierung zu geben. Als Fazit der hier angestellten Überlegungen mag man festhalten, daß es nicht der metaphysischen Annahme einer Seele in den Dingen bedarf, um diese als Gegenstand der Psychologie zu rechtfertigen. Wenn Psychisches auch und gerade einer empirischen Psychologie nicht anders zum Gegenstand werden kann, als anschaulich gegenständlich gegeben, dann doch wohl nirgends konkreter als in den Dingen: als eben die •bedingte Seele<, die hier untersucht wurde.
TEIL IIl STUDIEN ZUR PSYCHO-LOGISCHEN GEGENSTÄNDLICHKEIT DER DINGE
Das >Resopal<-Möbel oder Die Sinne nehmen nicht einfach die Dinge auf, sondern in ihnen auch eine Form an: Jedes ge genständliche Design ist immer auch ein Design der Sinnlichkeit (Das unter der Markenbezeichnung ·Resopal• gehandelte, zur Beschichtung von Oberflächen eingesetzte Kunststoffmaterial wird vornehmlich bei Kü cheneinrichtungen, aber auch an Gegenständen des sonstig en Wohnbe reichs (Regale, Tische usw.) verarbeitet. Anfangs einfarbig und in der Küche zumeist weißer Farbe, wird es heute auch •Ln Dekor< angeboten, außerdem als Holz- und Marmorimitat.} Als Grundlage für die Analyse der psycho-logischen Gegenständlichkeit des Resopalmöbels sei einleitend eine zusammenfassende Beschreibung der zu ihm explorierten Verhaltens- und Erlebenszusammenhänge gegeben.1 Sie hält sich möglichst strikt an die Verbalisierung dieser Zusammenhänge durch die Probanden. Das Resopalmöbel erscheint - wie das Material selbst - vor allem als praktisch, pflegeleicht und solide. Es sei zwar nicht gerade schön, wirke eher kalt, leer, steril und im Vergleich zu Holz irgendwie >tOt<. Damit könne man sich aber dank seiner vielen praktischen Vorteile leicht abfinden; namentlich sei es sehr bequem sauber zu halten. Verschönemden Maßnahmen entziehe sich das Resopalmöbel aufgrund seiner glatten, unbearbeitbaren Oberfläche völlig; es werde aber schon mal ein Deckehen aufgelegt oder ein Klebebild angebracht. Sachlich und modern, sei das Resopal in der Küche ideal, die müsse schließlich »Zack-zack wieder sauber zu machen« und nicht unbedingt gemütlich sein. Sie bekomme zwar durch dieses Material etwas von einem Fabrikationsbetrieb oder einem Krankenhaus, aber man halte sich ja in ihr auch nicht länger auf, nur eben zur Erledigung der Kocharbeit. Für die anderen Wohnbereiche sei Holz unbedingt vorzuziehen; das lebe und atme und lasse dem Ausdruck der Persönlichkeit mehr Spielraum. Zwar biete das Resopal auch dort durchaus praktische Lösungen (Arbeitstisch, Regale usw.), würde allerdings Geld keine Rolle spielen, kämen doch eher Holzmöbel in Frage. Sie besäßen mehr Charakter und Stil und in diesem Material seien originellere Lösungen möglich. Holz schmücke auch, und an älteren oder antiken Möbeln habe man zudem etwas von Wert. In diesem regelmäßig angesprochenen Kontrast zum Holz rücken die funktionalen Aspekte und praktischen Vorteile des Resopals zunehmend in den Hintergrund und wird es dann dominant als unecht, langweilig und •unheimlich gradünig« charakterisiert; es sei im Grunde abstoßend, da nur praktisch. Während zudem Holz wirklich altern könne, und es in langem Gebrauch auch Spuren annehme und darnit etwas von seinem Besitzer bzw. eine gemeinsame Geschichte veranschauliche, sei Resopal an-sich zeitlos. Es könne nicht altem, nur unansehnlich werden oder allenfalls kaputtgehen.
Das •Resopal<-Möbel
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Ansonsten ginge alles spurlos an .ihm vorüber: Einmal drübergewischt und schon sei es wieder, als wäre nichts gewesen. Während Holz etwas Erzählen des besitze, gebe das Resopal keine Antwort und sei sozusagen erinnerungs los. Weiterhin wird gesagt, daß auf einem Holztisch irgendwelche Flecken, Staub oder Krümel, nicht immer unbedingt störend seien, sie könnten in der Maserung untergehen oder mit ihr zusammen irgendwelche Figuren ergeben; dagegen wirkten sie auf Resopal irgendwie aggressiv und ihre sofortige Beseiti gung fordernd. Da springe schon das kleinste Bißehen in die Augen, selbst der geringste Fingerabdruck zeichne sich sofort ab, und so müsse man laufend mit dem Lappen hinterher sein, wenn man das Resopal benutzt hat. Natürlich sei auf dem Resopal auch alles leich.t zu entfernen, aber es mute einem eben dauernd irgendein Wischen zu; es sei da kompromißlos, und unter diesem Zwang werde man leicht zu seinem Diener. Diese »schmutzabweisende« Qualität des Materials und ihre eigentümliche Ambivalenz wurden zum zentralen Thema in den Aussagen der Probanden, wenn sie, auf eine entsprechende Aufforderung hin, ihre Hand für einige Minuten flach auf das Resopal gelegt hatten: Zunächst fühle es sich angenehm kühl und glatt an, vielleicht doch eher ein wenig kalt. Bald aber werde es durch die Körperwärme warm und feucht, schließlich klebrig oder ,.fischig« kalt und glitschig. Die längere Berührung sei unangenehm bis eklig, wie die eines Toten. Man habe das Gefühl, nicht atmen zu können, nicht genug Körperwär me zu besitzen, um es aufzuwärmen. Das Schwitzen der eigenen Hand werde einem selber widerlich, es wirke ,.fies« und anormal. Man hinterlasse peinliebe feuchte Kränze und erlebe seinen Schweiß als Unsauberkeit, als beschmutzend und kalt. Er sei zwar doch eigentlich etwas Natürliches, aber dennoch fühle man sich von ihm abgestoßen und erfahre sich selbst als abstoßend. Man erlebe eine Ängstlichkeit wie bei einer Prüfung, man klebe fest, es vermische sich, es gebe schließlich keine Trennung mehr zwischen der Sache und einem selbst. Aus den Phänomenen der Erfahrung und des Umgangs mit dem Resopal, die hier notwendig stark verdichtet wiedergegeben wurden, lassen sich drei Komplexe herausarbeiten, welche die spezifische psycho-logische Gegen ständlichkeit dieses Materials kennzeichnen. Das Resopal wird insgesamt als die perfekte Vergegenständlichung des Ideals makelloser Reinlichkeit rea�isiert, dessen mühelose Erfüllung es alltäg lich möglich mache. Diese stupende Leistung des Resopals, ein extremes Ideal zu setzen und gleichzeitig seine bequeme Erfüllung anzubieten, macht wohl die besondere Faszination dieses Materials aus. In dem, worin es diese immer wieder gepriesene bequeme Erfüllung eines Ideals materialisiert, d . h. in seinen schmutzabweisenden Eigenschaften, entzieht sieb das Resopalmöbel aber zugleich erlebtermaßen jeder Prägung durch seine Benutzung und seinen Benutzer. Und in dieser (durch die Unbearbeitbarkeit seiner Oberfläche noch verstärkten) anschaulichen Erfahrung des Spur(en)losen konstituiert sich das Resopalmöbel psycho-logisch als ein Gegenstand ohne Gesicht und ohne Geschichte. Diese Zeit- und Ausdruckslosigkeit bildet einen ersten Komplex in der psycho-logischen Gegenständlichkeit des Resopalmöbels.
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Studjen zur psycho-logischen Gegenständljchkeit der Dinge
Auf einen zweiten Komplex weisen Aussagen hin wie: den Resopalmöbeln sei nichts Schönes oder Schmückendes eigen und sie entzögen sich auch weitgehend verschönernden Maßnahmen; es bedürfe persönlicher und deko rativer Zugaben, sei dies ein Oeckchen, eine alte kupferne Kuchenform o. ä. (in einem Falle eine Bildtapete mit Waldmotiv), um es mit ihnen aushalten zu können und gemütlich zu haben; diese Möbel seien ausschließlich praktisch und die Beziehungen zu ihnen rein funktionale und allein auf Sauberkeit abgestellt. Auf dem Hintergrund solcher und anderer gleichsinniger Aussagen ist die psycho-logische Gegenständlichkeit des Resopalmöbels als eine eigen tümlich dissoziative und partiale zu charakterisieren: In ihr sind tendenziell alle Momente menschlich-gegenständlicher Beziehungen negiert bis auf eines, nämlich das praktisch nützliche; das aber ist ideal gegeben. Dinge von einer solchen, durch ihre Spezialisierung und Perfektionierung bedingten (psycho logisch) defizitären Gegenständlichkeit sind - um sozusagen auch psycholo gisch funktionieren zu können - notwendig auf andere, komplementäre Gegenstände angewiesen bzw. erzeugen sie diese als Nachfrage. Eben jene, welche BaudriJlard die •legendären .. nannte: das Deckchen, das antike Kü chengerät oder ähnliche Dinge mit Gemütswert. (Inzwischen wird auch seitens der Hersteller versucht, dieser psychologisch defizitären Gegenständ lichkeit der Resopalmöbel durch Holz- und Marmorimitate beizukommen.) Einen dritten Komplex in der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Resopalmöbel bilden die Nötigung zu einem unentwegtem Säubern, die seiner vom Resopal ermöglichten Mühelosigkeit erlebtermaßen entspringt, und die Erfahrung, daß dieses Material bestimmte natürliche, aber nicht funktionale Erscheinungen (Arbeitsspuren, Schweiß usw.) immer gleich als Schmutz denunziert. Von daher wäre die Gegenständlichkeit des Resopalmöbels zu kennzeichnen als eine weniger funktionale denn funktionalisierende. Denn das, was dem Resopalmöbel als materiale Eigenschaft zugesprochen wird, funktional zu sein, konstituiert sich psychologisch darin, daß es das Verhalten seines Benutzers darauf reduziert: Es funktionalisiert ihn, wie es ein Proband ausdrückte, zum ·Diener seiner Makellosigkeic... Wollte man die dem Resopalmöbel eigene (psycho-logische) Gegenständ lichkeit insgesamt auf einen knappen Begriff bringen, so könnte man sagen, daß es in seiner psychologischen Realität eigentlich kaum ein Ding darstellt, sondern ein Funktiona/.2 Und dies nicht etwa nur deshalb, weil es alles das negiert, was ansonsten als die spezifische Gegenständlichkeit eines Möbels ausmachend genannt wird (Gemütlichkeit, Prestige, Stil, Kultiviertheit, Per sönlichkeitsausdruck o. ä.), und es nur noch die eine Qualität besitzt, prak tisch zu sein. Sein abstraktes )ungegenständliches< Wesen hat weit mehr noch mit jener appellativen Qualität und der eigentümlichen Gewissensfunktion zu tun, die das Resopal in seinem Anspruch auf Makellosigkeit annimmt. Auch ist es wohl eher dieses inquisitorische Moment und nicht die einfache Analogie schweißtreibender Situation, welches die häufigen Prüfungs-Assoziationen erklärt, die bei der längeren Berührung des Materials aufkamen, und was dazu führte, daß der sich sichtbar niederschlagende Schweiß als Makel, als eine sich gegebene Blöße erlebt wurde.
Das >Resopai•-Möbel
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Auf dem Hintergrund der geschilderten psycho-logischen Gegenständlich keit des Resopalmöbels ist jetzt die spezifische Modell.ierung zu untersuchen, die es als eine Vergegenständlichung (>Be-Dingung•) sinnlicher Erfahrung eben dieser gibt. Mit anderen Worten, es ist jetzt das Design zu kennzeichnen, das die Sinnlichkeit in den Umgangs:quälitaten erhält, die dem Resöpalmöbel aufgrund seiner Materialeigenschaften und der daraus resultierenden Form und Funktionsgestaltung zukommen. Ausgehend von der Spur(en)losigkeit, in der Benutzung und Benutzer am Resopalmöbel verbleiben, läßt sich als erstes, zentrales Prinzip der von ihm betriebenen Modeliierung der Sinnlichkeit eine Enthistorisierung der sinnli chen Erfahrung herausstellen. Sowohl in der Bequemlichkeit und Radikalität, die es der Beseitigung von Staub und anderer, seiner Benutzung entspringen den Verunreinigungen eröffnet, als auch in der hohen Resistenz, die es gegen jegliche Abnutzung zeigt, und in seiner Unbearbeitbarkeit, die eine Verände rung gemäß wandelnden Ansprüchen nahezu ausschließt, macht das Resopal Zeit und Geschichtlichkeit tendenziell anschauungslos. Es läßt die Möbel sich sozusagen ihrer Vergangenheit entziehen ; man kann zwar wissen, daß dieser Resopaltisch schon viele Jahre alt iist, nur sehen wird man es nicht, wenn das Resopal hält, was es im Jargon der Kücheneinrichter verspricht: so •zeitlos funktional« und •robust• zu sein, daß es in 10 Jahren noch •brandaktuell.« ist. Mit dieser >Zeitlosigkeit• des Resopalmöbels hängt ein anderes Moment in seinem Sinnlichkeitsdesign eng zusammen, das als eine Resultante der vom Resopal betriebenen Enthistorisierung der sinnlichen Erfahrung aufzufassen ist. Dabei geht es um das Erleben der Resopalmöbel als neutral, charakterlos, anonym und abweisend, um die Unmöglichkeit, ihnen (z. B. durch irgendeine Bearbeitung) eine persönliche Note zu geben und sich und seine Geschichte in ihnen wiederzuerkennen. In diesen und anderen, ähnlich um das >Gesichtslo se• dieser Möbel zentrierten Erfahrungen liegt ein Hinweis darauf, daß in ihrer praktischen und anschaulichen Aneignung ein Anspruch auf individuelle Besonderung unerfüllt bleibt. Dieses an den Resopalmöbeln erlebte Defizit anschaulich-gegenständlicher Selbstwahrnehmung, beziehungsweise die in ihnen auf die Erfahrung der eigenen Funktionalität verkürzte Selbstwahrneh mung, ist als ein Verlust der Anschaulichkeit des Individuellen zu kennzeich nen. Und von daher wäre es zweites Prinzip der dem Resopalmöbel impliziten Modeliierung der Sinnlichkeit ein Depersonalisieren der sinnlichen Erfahrung herauszustellen. Auf ein anderes Prinzip verweisen die an den Resopalmöbeln gemachten Erfahrungen kompromißloser Funktionalität, die sich in den Aussagen über die ihnen fehlende Gemütlichkeit und ihren technischen Charakter, oder in der Einstellung widerspiegelten, daß das Resopal zwar in dem »Arbeitsraume der Küche durchaus angebracht sei, nicht aber im Wohn- oder Schlafbereich. Darin tritt als ein weiteres Prinzip des im Resopalmöbel gegebenen Sinnlich keitsdesigns ein Partialisieren der sinnlieben Erfahrung zutage. Aus der damit angesprochenen Dissoziation gegenständlicher Beziehungen in solche entwe der strikt funktionaler oder aber stimmungsästhetischer Natur entstehen dann schließlich zwei grundverschiedene Gattungen des Gegenständlichen. Was
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Studjen zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge
namentlich da deutlich wurde, wo durch Deckchen, antikes Küchengerät und andere dekorative Accessoires versucht wurde, der einem Fabrikationsbetrieb ähnlich erlebten Resopal-Küche das hinzuzufügen, was der Erfahrung des Resopalmöbels prinzipiell abgeht: das anschauliche >Mehr< des Ästhetischen, ein Moment von >Stimmung<. Um dies ein wenig konkreter vor Augen zu haben, vergegenwärtige man sich z. B. die Farbigkeit, die ein Putzen von Möhren auf einem Holztisch ergibt: die verschiedenen Nuancen des Brauns, welche die ihnen etwa noch anhaftende Erde auf dem Holz bildet, die lebendigen Kontraste des Krautgrüns zu den verschiedenen Brauntönen und dem Möhrenrot, die vom Wasser gesetzten Glanzlichter usw. Dann halte man dagegen den scharfen Kontrast, den dies alles zu dem klinischen Weiß eines Resopaltisches bilden würde, und die >Abfälligkeit<, i n die es sogleich aUes Abgeschabte und - geschnittene versetzt. Falls die Möhren nicht- wie es dem Resopal-Ambiente eher entsprechen würde - vorgewaschen, vom Kraut be freit und im Plastikbeutel auf den Tisch gekommen sind. Da heißt es dann nunnehr, sie kochfertig würfeln, natürlich auf einem Schneidebrett aus beson ders hartem Resopal, damit der Tisch nicht verkratzt wird, und dann beides fix abgewischt und zwischendurch einen beseelenden Blick geworfen auf die an der Wand hängende Reproduktion eines Gemüse-Stillebens. Ungeachtet der polemischen Nostalgie dieser Illustration, macht sie jene Auflösung der anschaulichen Einheit von Ästhetischem und Praktischem etwas sinnfälliger, die für die vom Resopal vermittelte Beziehung zum Gegenständlichen charak teristisch ist. In dieser Spaltung konstituieren sich schließlich zwei verschiede ne, eigenständige Typen von Gegenständlichkeit, eine »legendäre« (Baudril lard) und eine instrumentale ; und am Ende dient das einzelne Ding einsinnig entweder dem Vo!Jzug einer Funktion oder der Verrichtung einer Stimmung. Dieses Nebeneinander im Gegenständlichen von Stimmungsdingen und Funktionsdingen stellt die materieUe Konsequenz der Panialisierung und Dissoziation sinnlicher Erfahrung dar, die als zentrale Prinzipien des in den Resopalmöbeln angelegten Sinnlichkeitsdesigns hervorgehoben wurden. Die Darstellung der psycho-logischen Gegenständlichkeit des Resopalmö bels und der in ihm wirksamen Modeliierung der sinnlichen Erfahrung ist damit abgeschlossen. Ihre Ergebnisse verdienen einen Kommentar u.nd erlau ben zudem einige weitergehende Überlegungen. Aber vorderhand wäre einem möglichen skeptischen Einwand zu begegnen: Wenn das Resopal wirklich die hier beschriebenen prekären psychologischen Implikationen besitzt, wieso findet es dann dennoch so allgemein Verwendung, - was läßt die Probanden trotz ihrer negativen Charakterisierung der Resopalmöbel sich gleichwohl ihrer bedienen? Sie selbst führen zur Erklärung dieses Widerspruchs (auf den sie regelmäßig hingewiesen wurden) immer wieder den »entscheidenden Vor teil« dieser Möbel an, so bequem sauberzuhalten zu sein. Die jenem Einwand zugrundeliegende Skepsis hätte also vielmehr der Überwertigkeit zu gelten, die da allgemein dem Ideal der Sauberkeit zukommt, und die es instandsetzt, der Rationalisierung selbst solch offener Erfahrungswidersprüche zu dienen. Allerdings ist auch einzuräumen, daß das Resopal ja beileibe nicht die Perfektion besitzt, die ihm die Werbung nachsagt und von der hier der
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Prägnanz. der Aussagen wegen ausgegangen wurde. Es zeigt ja durchaus, wenn auch nur in geringem Maße, Spuren seiner Benutzung und über die Jahre des Gebrauchs nimmt es schließlich auch gewisse, es vermenschlichende Mucken an. Daß aber vom Resopal dennoch erlebtermaßen eine Störung ausgeht, veranschaulichen die angestrebte Eingrenzung seiner Verwendung auf den häuslichen Arbeitsbereich und die Tendenz, es durch nostalgische Zugaben zu verschönern. Worin unschwer der Versuch zu erkennen ist, die gestörte gegenständliche Selbst-Aoeignung: selber zu behandeln und der darin wider fahrenen Vereinseitigung entgegenzuwirken. Oie im Umgang mit den Resopalmöbeln wirksame Modeliierung der Sinn Lichkeit bildet ein Moment dessen , was zwar als •materielle Produktion und Reproduktion von Ideologie• vielbesprochen ist, aber nur selten auf der Ebene der konkreten Dinge untersucht wird: die gegenständliche, materielle Formie rung des Bewußtseins. Mit einer Art Gedankenexperiment ist auf einfache Weise zu demonstrieren, daß die am Resopalmöbel gemachten Erfahrungen mehr als nur unmittelbar praktische und anschauliche sind und mit ihnen nicht nur gegenständliche, sondern auch gesellschaftliche Verhältnisse in die Köpfe kommen (Marx). Man stelle sich die Situation eines Subjekts vor, in dessen alltäglicher Lebenswelt die genannten Prinzipien der ModeLiierung des Sinnlichen unein geschränkt wirksam sind. Unter dem Aspekt einer sinnlichen Erkennmis der Welt betrachtet, würde in einer derartigen, tendenziell jegliche Anschauung von Geschichte und Individualität entziehenden Umgebung dem Subjekt die Welt gegenübertreten als eine in zeitlos funktionalen Zusammenhängen orga nisierte. Oie alltäglichen gemeinsamen Ordnungen von Ich und Welt erschie nen ibm notwendig als ungeschichtliche und in der Objektivität nützlicher Funktionen begründet. Nun stellt ja Geschichte- um hier nur den Aspekt der Enthistorisierung aufzugreifen - psychologisch weder eine Sammlung histori scher Daten und Fakten, noch etwa eine Stimmung, sondern den Raum dar, in dem sich Bedeutung organisiert. Wird dieser Raum dem Subjekt unzugäng Lich, so erscheinen ihm die Bedeutungen notwendig unzeitlieh und in sich begründet zu sein. Mit der Kategorie des Geworden-seins tritt aber zugleich die der Veränderbarkeit aus seinem Bewußtsein und spätestens hier erkennt man die Koinzidenz der dem Resopal impliziten Modellierung der Sinnlichkeit und einer ideologischen, den status-quo verabsolutierenden Weltansicht. Als ein gegenständliches Strategem betrachtet>, betreibt das Resopalmöbel die anschaulich und praktische Selbstverständlichung einer ahistorischen und rein funktionalen Beziehung zur Welt. Es leistet eine ganz alltägliche, aber darum nur um so plausiblere Objektivation einer aufs Hier-und-Jetzt fixierten, von Individuellem abstrahierenden, am >wertfrei• Funktionalen und auf Effizienz. ausgerichteten Mentalität'. So gesehen stellt also z. B. eine perfekte Resopal-Küche, deren psychologi scher Aufriß hier unter den Begriffen Enthistorisierung, Depersonalisation, Funktionalisierung (usw.) nachgezeichnet wurde, ein hoch ideologisches Am biente dar. Sie funktioniert sozusagen als häusliche Vorschule einer Mentalität, deren kulturelle und politische Konsequenzen sieb zwar inzwischen in jedem
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höheren Feuilleton beklagt finden, aber die im Zusammenhang ihrer alltägli chen gegenständlichen Vermittlung zu untersuchen, man sich geflissentlich erspart. Nämliches trifft auch auf die >Materiälistische Persönlichkeitstheorie< zu, der doch eine Analyse der materiellen (Re-)Produktion von Ideologie angelegentlich sein müßte. Sie hält es aber, wohl aus Gründen wissenschaftli cher Reputation, eher mit dem traditionellen Filigran von Interaktion und Sozialisation, statt einmal zu untersuchen, wie sich die Verhältnisse >aufmö beln<, um so - gewissermaßen gegenständlich konnotiert - über alltägliche Gewohnheitsbildungen schließlich in die Köpfe zu kommen. Um die etwas allgemein gewordenen Überlegungen zum Abschluß noch einmal an Konkretem aufzugreifen, eine Bemerkung zu dem jugendlichen ,. Vandalismus•, über den die Pädagogen heute so bewegt Klage führen und dessen Auftreten gerade in modernen, neuerrichteten Schulen ihnen so publi kumswirksames Kopfzerbrechen bereite�. Wirklich, der Besuch eines solchen Schulhaus, namentlich einer Ganztags schule, kann einige Verwirrung stiften: Welch ein Kontrast nicht selten zwischen dieser modernen, kinderfreundlich robusten, nachgerade fröhlich unverwüstlichen Einrichtung (alles abwaschbar, kratzfest usw.) und der über all herrschenden Unordnung, der oft fast schon methodisch wirkenden Ver schrnutzung. - Und doch kein Widerspruch, wie sich einem bald eröffnet. Denn in einem Environment: derart panischer Solidität, in dem alles sofort und garantiert spurenlos wieder in Ordnung zu bringen ist - wie soll sich da einer bemerkbar machen, sich seiner selbst, seines Einwohnens oder seines Wider standes anschaulich vergewissern können anders, als mit Unordnung und groben Schikanen? Daß diese so •vandalistische< Züge annehmen, ist ange sichts der demonstrativen - ebenso permissiv gemeinten wie provozierend wirkenden - Unverwüstlichkeit der Einrichtung nachgerade zwangsläufig. Das liegt eher in der Natur der Sache, als am Charakter der Subjekte. Man vergegenwärtige sich dagegen die Schule, die man selber vor J ahrzehn ten besucht hat, wo in den Graffiti der Bänke und Wände die Geschichte der Großen Renitenz für die Nachkommeoden überliefert und fortzuführen war; wo sich am Mobiliar die geschlagenen Schlachten bezeugt fanden und man an der Decke, in den Schwammabdrücken und den dort klebenden Löschpapier kugeln, sich seiner von Langeweile getriebenen Kühnheiten immer wieder vergewissern konnte (usw.). Dann wird man auf dem Hintergrund der hier am Resopalmöbel exemplarisch aufgezeigten Verhältnisse gegenständlicher Selbst-Aneignung die Erklärung jenes ,.Vandalismus• nicht in dem narzißtisch objektverneinenden Charakter eines •neuen Sozialisationstypus« (Ziehe) su chen müssen.' Man hätte sich vielmehr der verneinten Gegenständlichkeit zuzuwenden und sie auf ihre psychologischen Implikationen hin zu untersu chen. Dabei würde dann diese Attacke gegen die Dinge sehr bald verständlich als die Notwehr eines Subjekts gegen eine Gegenständlichkeit, in der sein Anspruch auf anschauliche Selbst-Aneignung so gründlich negiert wird, daß er nurmehr in ihrer Dernotierung erfüllbar ist. Als Fazit aus dieser Studie zum Resopalmöbel ist festzuhalten, daß in der dem Psychischen durch die Dinge gegebenen Modeliierung nicht etwa nur die
Das >Resopalc-Möbel
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sinnliche Erfahrung spezifisch formiert wird, nicht allein >Perzeptec vermittelt, sondern dem Subjekt übergreifende Konzepte von sich und seiner Welt angetragen werden. Als deren Materialisation bilden die Dinge - psycholo gisch betrachtet - gegenständliche: Strategeme einer Weltanschauung, sind sie in der
Resopalmöbel aufgezeigten Weise )Konkrete Ideologie<. Dieses psycho-logische Funktionieren der Dinge als •Gesinnungsgerät< wird am
im nächsten Kapitel in einem anderen Kontext weiter untersucht werden.
Clogs, Latzhosen und das Fahrrad oder Die Dinge treten nicht einfach ins Bewußtsein, sie stellen es auch aus. - Zur heraldischen Funktion der Dinge Was die Analyse des Resopalmöbels schon in den Bück rückte, steht hier jetzt im Mittelpunkt : die Weltanschauüchkeit des Gegenständlichen. Die folgende Studie geht von der Hypothese aus, daß ein jedes Ding in dem, was es in sinnüche Evidenz setzt, und in der spezifischen Weise, in der es dies tut, eine orientierende, welt-veranschaulichende Funktion besitzt. - Und es dann in der Konsequenz möglich sein müsse, die Weltanschauung eines Individuums durch die Exploration der für es bedeutsamen Dinge zu erschließen. Das mag zwar auf den ersten Blick umwegig erscheinen, könnte aber womöglich einen leichteren Zugang zu der allgemeinen Lebenshaltung eines Individuums eröff nen, als ihn die direkte Befragung erfahrungsgemäß bietet. Als Medium, an dem die Gangbarkeie dieses methodischen Umweges erprobt werden sollte, wurden drei Gegenstände gewählt, die (neben anderen) allgemein mit der sogenannten •alternativen Szene< in Verbindung gebracht werden. Das sind die Clogs (hinten offene Schuhe, meist mit einer Holzsohle und einer ledernen Kappe), die Latzhose und das Fahrrad. Thema der psychologischen Explorationen, die der Studie1 zugrundeüegen, bildeten die für diese Dinge spezifischen Erfahrungs- und Umgehensweisen. Ohne daß dabei auf Weltanschauliches, die persönliche Ansicht vom Leben, das Selbst-Konzept des Probanden oder auf seine Stellung zur >alternativen Szene< eingegangen wurde, sollte die sinnlich konkrete Realität dieser drei Gegenstände herausgearbeitet werden. So war es auch gleichgültig, ob die Probanden sich selbst als sogenannte •Alternative< verstanden oder als solche anzusprechen waren. Wesentlich war nur, daß sie die genannten Gegenstände (nicht immer alle drei) benutzten; denn im Sinne der Hypothese ist die Weltanschaulichkeit dieser Dinge in ihrer materialen Symbolik begründet und nicht eine subjektive Produktion des einzelnen Individuums. Mit der Hypothese wurde also nicht unterstellt, daß jeder, der ein Pahrrad
und/oder einen der anderen Gegenstände benutzt, notwendig ein •Alternati ver< ist. Es wurde lediglich angenommen, daß diese Dinge in der von ihnen vermittelten Beziehung zur Welt eine - aufgrund ihrer nachgerade heraldi schen Funktion für die alternative Szene- besondere Affinität zur alternativen Lebensha.ltung besitzen müssen. - So daß eine Exploration dieser Dinge zugleich Aufschluß über Prinzipien dieser Lebenshaltung erbringen könnte. Um der weiteren Argumentation und der Analyse der psycho-logischen Gegenständ.lichkeit von Clogs, Latzhosen und Fahrrad eine anschauliche Grundlage zu geben, seien hier vorab die in bezug auf die drei Gegenstände explorierten Verhaltens- und Erlebensweisen zusammenfassend beschrieben.
Die Clogs
Sie werden geschildert als simpel, robust, gemütlich und einfach zu reparie ren. Sie vermittelten eine gewisse Erd- und Narurverbundenheit, etwas von
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einem »authentischen, ruhigen Leben nach Art der Holländer•. Dadurch, daß sie hinten offen sind, habe man unmittelbaren Kontakt zur frischen Luft, fühle sich weniger abgeschlossen und könne man leicht hinein- und herausschlüpfen ohne umständliche Schnürarbeiten. Dieses schnelle, zwanglose Rein-und Raus mache es bequem möglich, mal barfuß und mal beschuht zu laufen, je nach Laune und Situation. Bei längerem Sitzen könne man die Clogs leicht unter dem Tisch stehen lassen und mit den Füßen frei herumwandern odermit ihnen spielen : sie auf den Zehenspitzen wippen oder wie ein Schiffchen hin und herfahren lassen und schließlich wieder wie zu einem kleinen Haus in sie zurückkehren. Sie böten dem Fuß viel Spielraum, anfangs sei es allerdings schwierig, mit ihnen zu gehen ; sie flögen leicht von den Füßen und man müsse erst lernen, die Zehen beim Gehen rhythmisch zu krümmen. Schnell laufen, zum Beispiel einer Straßenbahn hinterher, könne man mit ihnen nicht, aber sie ließen sich ja in einer solchen hektischen Situation leicht abstreifen und in die Hand nehmen. Die Gemächlichkeit, zu der sie zwängen, und ihr fröhliches Klappern besäßen etwas von Freizeit, Urlaub und der Kinderwelt.
Die Latzhose
Sie wird als "junge Hose• geschildert, als billig, praktisch, vielseitig und strapazierfähig. Weit geschnitten, gebe sie dem Körper viel Freiheit und schnüre nicht ein, wie Jeans etwa. Sie befreie vom Diktat der Mode und erspare großartige Überlegungen und Entscheidungen, was in welcher Situation anzu ziehen ist. Sie sei zu fast allen Gelegenheiten tragbar, da sie •natürliche sei, und vor allem im Urlaub bilde sie das ideale Kleidungsstück. Man habe in ihr ein Gefühl zwangloser Geborgenheit. Die vielen Taschen vermittelten ein •Kän gurub-GefühJ.,, man könne alles mögliche mitnehmen ohne extra Taschen oder Tüten und zugleich befände man sieb in ihr selber wie in einer luftigen Tasche; könne sich in ihr schützen oder verstecken und manchma.l sei sie auch wie eine k.leine Rüstung auszubauen. Die Hände hinter den Latz oder in die Taschen schiebend, habe man unmittelbar körperlichen Kontakt zu sich selbst, einen kleinen Raum für sich. Betont wird auch, daß sie für beide Geschlechter tragbar sei, wobei die weiblichen Probanden insbesondere her ausstellen, daß sie nicht so die »Sex-Merkmale• unterstreiche und man in ihr mehr um seiner Person willen angesehen werde. Außerdem sei eine Frau in dieser Hose nicht durch den »Anstand« in ihrer Bewegungsfreiheit einge schränkt. Insgesamt sei die Latzhose antibürgerlich; allerdings werde sie inzwischen auch schon von »Disco-Typen« getragen, bei denen sei sie aber nur Mode. Als einziger Nachteil wird an der Latzhose eine Umständlichkeit erwähnt, die sie auf der Toilette bereite.
Das Fahrrad
Das Fahren mit dem Rad vermittle einen ,.hautnahen Kontakt« zur Umwelt; alle Sinne seien dabei angesprochen und man befände sich nicht so einge zwängt, isoliert und gedämpft wie in einem Auto. Man rieche beispielsweise viel mehr; zwar auch den ,.Stadtmiefc, aber im Grünen eben auch die Natur, die Wiesen, die Erde usw. Man habe einen direkten körperlichen Kontakt zur
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Bewegung, fühle den Fahrtwind und verspüre die Anstrengung in den Beinen. Dieses •an allem näher dran sein« habe natürlich in der Stadt seine Nachteile; man sei da schutzloser als die Autofahrer (•ohne Knautschzone•). Aber dafür könne man andererseits viel mehr Gelegenheiten wahrnehmen weiterzukom men. Sich zum Beispiel zwischen den Autos durchschlängeln , u m so an jeder Ampel der erste l.U sein, was immer wieder als besonderer Triumph geschildert wird. Man könne auch über den Bürgersteig fahren, die Zebrastreifen mitbe nutzen und gegebenfalls auch mal eine Einbahnstraße verkehrt nehmen. So vermittle einem das Fahrrad eine größere Freiheit als Verkehrsteilnehmer; zudem sei es noch ein Stück unkomplizierter und leicht durchschaubarer Technik und einfach zu reparieren. Das gäbe einem das Gefühl von Unabhän gigkeit und Autonomie und erinnere an die Funktion des ersten Fahrrades in der Kindheit. Es habe einem damals die erste eigenständige Beweglichkeit gegeben und zum ersten Mal weitere Entfernungen vom Elternhaus ermög licht. Soweit der kurze Überblick über die Verhaltens- und Erlebenszusammen hänge, in denen Clogs, Latzhosen und Fahrrad realisiert werden. Es ist unschwer erkennbar, daß sich durch die Erfahrung und den Umgang mit diesen drei, von Zweck und Material her gänzlich verschiedenen Dingen dieselben psychologischen Themen ziehen, und also Clogs, Latzhosen und Fahrrad in ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit mehr Gemeinsamkei ten besitzen, als es von ihren •objektiven< Qualitäten her zu erwarten wäre. So wird, um eine erste Gemeinsamkeit zu benennen, an allen drei Dingen eine Qualität herausgestellt, die als Unmittelbarkeit charakterisiert werden kann und sich in Aussagen wie den folgenden niederschlägt - Zum Fahrrad: Hier sei man Wind und Wetter direkt ausgesetzt (aber auch der Willkür der Autofahrer), säße nicht in einer Blechschachtel isoliert von der Umgebung, spüre man den Fahrtwind, nähme die verschiedensten Gerüche wahr, könne man »aussteigen« wo man wolle, ohne problematische Parkplatz· suche; die Bewegung sei direkt körperlich und nicht über einen alles kompli zierenden Apparat vermittelt. - Zu den Clogs: Da könne man jederzeit rein- und rausfahrcn; sei nichts extra zu schnüren, nichts umständlich zu pflegen; in ihnen verspüre man das Gehen direkter (in der rhythmischen Zehenarbeit z. B.) und könne man sich die Strümpfe sparen. - Zur Latzhose: Sie erübrige die Frage nach der jeweils korrekten Kleidung, man sei sich selber nah in ihr und könne in ihr zugleich vieles mitführen, ohne gleich eine Tüte o. ä. bemühen zu müssen. Diese erste gemeinsame Qualität einer sinnlichen Unmittelbarkeit hängt eng mit einem anderen Komplex wsammen, den die an allen drei Gegenständen gemachten Erfahrungen einer Entdifferenzierung bilden, wie sie folgende Aussagen illustrieren. - Zum Fahrrad : Man werde stärker eins mit der Umgebung; im Stadtver kehr auf eher bedrängende Weise, im Grünen dagegen auf sehr wohltuende. Auf dem Rade sei man nicht nur Fahrer (wie beim Auto), sondern auch der Motor; nicht nur Passagier, sondern auch Kapitän. Das Fahrrad sei primitiver
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und in seiner Technik noch durchschaubar; außerdem voraussetzungsloser, so könne man mit ihm auf der Straße, auf dem Bürgersteig und auch da, wo kein Weg ist, fahren. - Zu den Clogs: Das sei ein all-round Schuh; immer zu tragen, im Sommer barfuß, im Winter mit Socken, draußen im Matsch ebensogut wie drinnen als Hausschuh. - Zur Latzhose: Sie ersetze vide verschiedene Kleidungsstücke und sei z.u jeder Gelegenheit praktisch, im Lokal, unterwegs und beim Basteln; sie egalisiere die verschiedenen Geschlechter. Alle drei Gegenstände zeichnen sich also erlebtermaßen dadurch aus, daß sie Funktionen bzw. Verhaltensmodi in sich vereinen, die ansonsten an verschie dene Dinge und an spezifische Gelegenheiten gebunden sind. I n ihnen ist psycho-logisch ein Entweder/Oder aufgehoben, das die Probanden an den von ihnen jeweils im Vergleich genannten Gegenständen gegeben sehen. So schildern sie, wie sie radfahrend sich einmal eher wie ein Autofahrer, ein regelrechter Teilnehmer am Straßenverkehr verhalten, entsprechende Rechte reklamieren und sich ärgern, wenn sie von Autofahrern nicht als ebenbürtig behandelt werden. Wenn es ihnen Vorteile bringt, würden sie sich allerdings eher den Fußgängern zurechnen und deren Zebrastreifen und Ampelgrün ausnutzen oder auch schon mal eine Einbahnstraße in Gegenrichtung befah ren; denn schließlich seien sie nicht mit einem Autofahrer zu vergleichen und darum auch nicht an dessen Vorschriften gebunden. Dieses Aufheben eines Entweder/Oder ist als dritter Aspekt der psycho logischen Gegenständlichkeit dieser Dinge festzuhalten. Im Falle der Clogs ist er angesprochen, wenn z. B. als ihr Vorteil immer wieder herausgestellt wird, daß in ihnen einerseits so luftig und frei wie barfuß- und zugleich so geschüt.zt wie in Schuhen zu gehen sei. Während es bei der Latzhose an ihrer Vielzweck Natur und vor allem auch an dem Verwischen des Geschlechtsunterschiedes thematisiert wird. Zu allen drei Gegenständen wird eingeräumt, daß sie nicht sonderlich •effektiv« seien; mit dem Auto sei man schneller als mit dem Fahrrad, in den Clogs könne man nicht schnell laufen und an den Latzhosen gäbe es einige Umständüchkeiten auszuhalten mit den Trägern (z.. B. auf der Toilette). Dies wird aber nicht etwa nur in Kauf genommen, sondern als Vorzug gewertet, man müsse sich eben so mehr Zeit nehmen und lassen. Ähnlich wird die allen drei Dingen gemeinsame »Primitivität" ausgelegt, nicht so sehr als etwas Rohes, Ungekonntes oder Unfertiges, sondern als etwas, in dem sich immer mehrere Möglichkeiten bieten. Sie seien nicht so ,.hochge züchtet« funktional wie vergleichbare andere, dafür aber vielseitiger verwend bar: praktisch. Die intentionale Aufhebung eines Entweder/Oders in diesen Dingen hängt also erlebnismäßig mit >Primitivität< und •In-Effizienz< zusammen; damit verbindet sich aber für die Probanden nichts Negatives, sondern die Erfah rung, sich den Dingen gegenüber freier und weniger festgelegt zu fühlen. Die beschriebene polymorphe Qualität der drei Gegenstände gewinnt einen interessanten Aspekt in den zahlreichen Aussagen, die diese Dinge mit Kind heit und Urlaub in Verbindung briingen. Nicht so sehr die Tatsache, daß diese
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drei Dinge teilweise in der Kindheit eine konkrete Rolle gespielt haben ist da angesprochen, sondern eher •Atmosphärisches<. Es würden an ihnen wieder Freiheiten lebbar, wie man sie als Kind gehabt habe; irgendwie seien alle diese drei Dinge keine »erwachsenen• Objekte. Ähnlich wie ein Kind stünden sie eher »dazwischen•: Sie repräsentierten zwar nicht mehr den reinen Naturzu stand, aber eben auch noch nicht das Erwachsensein mit seiner Festgelegtbeit und der Nötigung zur Effizienz. Man befände sich da zwar nicht zu Fuß, barfuß und nackt, aber eben auch nicht im Auto, im Schuh und im Anzug. Dieser Zustand zwischen der Offenheit des Kindüchen und den Festlegungen des Erwachsenseins, für den die drei Gegenstände erlebnismäßig stehen, wird in einigen Beschreibungen vor allem an den Clogs festgemacht und geradezu auf eine gegenständüche Formel gebracht: Hinten offen und so jederzeit noch den Rückzug ins Freie, die Regression ins kindlich Umtriebige gestattend (vgl. die Beschreibungen weiter oben); vorne geschlossen und den notwendigen Halt für ein erwachsenes, zielgerichtetes Vorangehen gewährend. Die Clogs scheinen also aufgrund ihrer materialen, umgangsqualitativen Symbolik in einem besonderen Maße das Jenseits von Entweder/Oder zu repräsentieren, das für die psycho-logische Gegenständlichkeit der drei untersuchten Dinge insgesamt kennzeichnend ist. Sie wären von daher durchaus im Sinne von Elias als •Inkarnate« einer Mentalität anzusprechen. Das polymorphe •Dazwischen-Sein<, das die wesentliche gemeinsame Qua lität der psycho-logischen Gegenständlichkeit dieser drei Dinge ausmacht, erhält in ihnen jeweils einen spezifischen Akzent. Im Fahrrad, mit dem man weniger am Verkehr (gemäß seinen offiziellen Bedingungen) teilnimmt, als daß man sich durch ihn hindurch schlängelt, trägt es eher Züge des listig Anarchischen. In der Latzhose, die nicht so sehr als ein Kleidungsstück, sondern als eine mitgeführte kleine Eigenwelt funktioniert, ist stärker ein häuslich-heimliches Moment betont; während die Clogs, in ihrer >primitiven< Ungestaltetheit als »Urig authentisch• erlebt, eher eine archaische Qualität dieses Zustandes repräsentieren. Das an den drei Dingen qua Erleben und Verhalten realisierte •Dazwischen Sein• wird von den Probanden als ein animierender Freiraum beschrieben, als der Raum, in dem das Eigene lebbar und das Andere probierbar werde. Diese ,zwischenwelt< jenseits von Entweder/Oder wird nicht als spannungsvolle oder lähmende Verfassung geschildert, wie es z. B. die Redewendung vom Zwischen-den Stühlen-Sitzen nahelegen würde, sondern als ein Zustand von beweglicher Ausgeglichenheit und von Autonomie. Allerdings geben einige Phänomene den Hinweis, daß da durchaus Komplikationen auftreten können und es sich bei diesem Zustand wohl eher um eine ideale Setzung handelt. Darauf wird später noch einzugehen sein. Hier gilt es zunächst, die konkreten Qualitäten der sich an den drei Dingen organisierenden Handlungswelt auf ihre programmatische, auf ihre repräsentative Funktion für den allgemeinen Umgang mit der Welt zu befragen. Die Anschauung von Welt bestimmend, die in den drei untersuchten Dingen eine materiale Reprä.sentanz erhält, werden jetzt Clogs, Latzhosen und Fahrrad nicht mehr als diese konkreten Dingen in der gegebenen Welt betrachtet, sondern a.ls typische Bedingungen
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einer anderen, gewünschten Welt gelesen. Das heißt mit anderen Worten, sie werden jetzt in ihrer psycho-logischen Repräsentanzfunktion zum Thema und als I nkarnationen (ideale Anschauungsträger) einer entworfenen Welt analy siert, - eben der >alternativen< Welt. Wie also sähe diese Welt aus, in der das Besondere, das Clogs, Latzhose und Fahrrad im konkreten Umgang mit ihnen erlebtermaßen ermöglichen, allgemeine Bedingung darstellen würde? Die beschriebenen Topoi der psycho-logischen Gegenständlichkeit der drei Objekte noch einmal aufgreifend , wäre diese Welt summarisch als das •Jenseits von Entweder/Oder< zu bestimmen. Mit dem Entweder/Oder und den darin organisierten Spezialisierungen ist i n dieser Welt zugleich die Effizienz als aUgemeines und tragendes Prinzip aufgehoben. An seiner Stelle tritt in der alternativen Welt die Polymorphie, und aus ihr ergibt sich eine allgemeine Tendenz zum Dysfunktionalen, das als ein weiteres Kennzeichen dieser Welt anzusprechen ist. Die in der >Clogs/Latzhosen/Fahrrad-Welt< herrschenden Beziehungen zwischen Subjekt und Objekt sind keine zweck-eindeutigen, sie werden nicht mehr von der einen >objektiven< Funktion der Dinge her definiert, sondern vom Subjekt wechselnd organisiert. Dabei gilt als Referenz das Natürliche, Ursprüngliche und Unmittelbare. Weiterhin ist wesentlich für die Konstruktion dieser Welt, daß sie sich nicht so sehr als eine positiv gesetzte, auch nicht primär als eine Gegenwelt, sondern als eine autonome Zwischenwelt konstituiert. Die Frage nach der realen Möglichkeit einer solchen Welt ist psychologisch irrelevant. Denn der psycho logische Sinn solcher Weltkonstruktionen oder Utopien liegt, davon unabhän gig, in deren handlungsorientierender Funktion und in den Lebenstechniken und -haltungen, die sieb aus ihnen ableiten lassen. In diesem Sinne ist festzustellen, daß die für Clogs, Latzhosen und Fahrrad spezifischen Verhal tens- und Erlebenszusammenhänge in dem Prinzip konvergieren, gegen festle gende Ordnungen nicht etwa direkt anzugehen oder Widerstand zu leisten oder sie durch andere, neue und >sinnvollere< zu ersetzen, sondern sie durch eine allgemeine Entdifferenzierung zu unterlaufen. Auf dem Hintergrund dieser Verhältnisse ist auf die eigentümliche Parado xie der Bezeichnung einer solchen Haltung als •alternative hinzuweisen. Denn hier geht es ja, psychologisch betrachtet, weniger u m eine Alternative im strikten Sinne des Wortes, als vielmehr und wesentlich darum, Alternativität (Entweder/Oder) prinzipiell aufzuheben. Von daher erscheinen das Fahrrad, die Clogs und Latzhosen nachgerade als Trainingsgeräte jenes von Feyerabend propagierten und in der alternativen Szene Schlagwort gewordenen •anything goes«.z Was diese Dinge in ihrer materialsymbolischen Repräsentanz handlungs wirklich werden lassen, ist weder eine Negation, noch ein Ideal, sondern das >Zwischen< als Lösung. In ihnen repräsentiert sich ein Subjekt nicht als Widerständler oder als Revolutionär, sondern als >Zwischenlöserc. Daß gerade dieses >Dazwischen< als zentraler Modus der alternativen Welt Konstruktion und Lebenshaltung spezifische p sychologische Probleme aufwirft, wird in einigen Aussagen unmittelbar deutlich. So, wenn z. B. die Forderung nach mehr eigenen Wegen für Radfahrer erhoben wird, aber
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andererseits die Vorstellung, sich schließlich als Radfahrer nurmehr auf eigens eingerichteten und vorgeschriebenen Wegen zu bewegen, ungeachtet der höheren Sicherheit, als ein Verlust jener wesentlichen Erfahrung listiger Souveränität erlebt wird, die mit dem beweglichen Nutzen der Lücken im Verkehrssystem verbunden war. In eine ähnliche Richtung deutet auch die wiederholt geäußerte Zwiespältigkeit bei der Teilnahme an einer Fahrrad Demonstration: So unter sich zu sein, wäre ja mal ganz schön, aber derart massenhaft, entstünde da nur zu bald wieder eine organisierte, starre Sache draus. Hier wird als p sychologisches Konstruktionsproblem solcher Zwischen welten ihre Tendenz deu tlich, sieb derart zu verselbständigen und eigenlo g isch zu organisieren, daß in ihr schließlich wieder ähnliche Festlegungsver hältnisse herrschen wie die, denen doch im •Dazwischen< entkommen werden sollte.) Und wenn zur Latzhose bemerkt wird, man könne sie mittlerweile fast nicht mehr tragen, da sie allgemein Mode g eworden sei, dann tritt an diesem Gesinnungs-Ding eine allgemeine Pro b lematik psy chisch-gegenständlicher Repräsentanz zutage. >Inneres< nach außen wen dend, kann dieses vor:t.Jedermann angeei gnet und damit austauschbar und schließlich zu einer Außerlichkeit verkeh rt werden. Sollte die Latzhose ursprünglich ge�en das Diktat, den »Schnickschnack« der Mode demon strieren und sch1en in ihr der Anspruch auf Authentizität gewissermaßen gegenständlich aufgehoben zu sein, so muß dieser jetzt wieder in einer anderen Gegenständlichkeit verwirklicht werden. Was am Ende in einen nämlichen •äußeren< Zwang und zu eben derselben Hektik der Neuerung führen kann, die der Mode vorgeworfen wurden und wovor die Latzhose bewahren sollte. Mit diesen skizzenhaften Aussagen zu dem Weltentwurf, dem das Ensemble von Fahrrad, Latzhosen und Clogs eine modellhafte Handlungsrealität gibt, wird man sich begnügen können, da es hier ja nicht um die •Alternativen< und ihre Anschauungen ging. Vielmehr sollte an diesen Dingen nur exemplarisch aufgezeigt werden, daß und wi.e Dinge als Gesinnungsgerät funktionieren und heraldische Qualität gewinnen können. Als FaziL dieser Untersuchung ist fcstzuhalten, daß also die Dinge nichc nur, bestehende Bedürfnisse und Ansprüche deckend, Fakten der gegebenen Welt sind; in ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit artikulieren sie immer zugleich eine Anschauung von dieser Welt und können sie als Modelle einer gewünschten Welt fungieren.
Der >Heimwerker< oder Die Dinge sind nicht immer entweder Mittel oder Motiv oder Symbol oder Ersatz, manchmal sind sie das alles zugleich: Symptome (•Heimwerker• war ursp rünglich der Warenname für einen Werkzeug-Set, bestehend aus einer elektrischen Bohrmaschine und einigen als Grundaus stattung anzusprechenden Zubehörteilen. Das Ganze zumeist in einem Karton verpackt, auf dem sich früher diese Bezeichnung in der Regel aufgedruckt fand. Heute gilt sie im populären Sprachgebrauch auch für den, der sich dieses Werkzeuges im Rahmen eines Hobbysbedient, und zu einem Verb, dem >heimwerken•, abgewandelt, wird sie auch auf diese Hobbytätig keit selber angewandt.) Aus einer psychologischen Untersuchung über das Heimwerken als Hobbytä tigkeit1, läßt sich in bezug auf die psycho-logische Gegenständlichkeit des Heimwerker-Gerätes folgendes resümieren. Als erstes und zentrales Motiv des Heimwerkens wird natürlich immer wieder der finanzielle Vorteil des •Selbermachens• angesprochen. Dies Motiv ist allerdings eher als eine Rationalisierung einzustufen, denn nach eigenem Eingeständnis würden die meisten selbst als Millionär das Heimwerken nicht aufgeben, vielmehr sähen sie sich dann endlich in der Lage, auch umfänglichere Projekte in Angriff zu nehmen. Als zweites Motiv des Heimwerkens wird eine mit ihm verbundene, besondere, von der Berufsarbeit gänzlich verschiedene Tätigkeitsform beschrieben. Die zu ihr gemachten Aussagen der Probanden konvergieren darin, daß es im Heimwerken möglich werde, sich als ein Mensch zu realisieren, dem es - ebenso erfinderisch wie geduldig - gelingt, gegen alle Widerstände des Materials und trotz der Not beschränkter Mittel, ein eigenständiges Werk, eine •runde Sache« in die Welt zu setzen. In dem Produkt dieser immer wieder als ·Selbstverwirklichung• angesprochenen Arbeit trete man sich selbst in einer erhebenden Souveränität gegenüber; denn die der eigenen Person im Heimwerken gegebene Anschaulichkeit zeichne sich dadurch aus, daß sie, anders als z. B. die im Spiegel oder die in sozialer Rückmeldung vermittelte, eine selbst geschaffene sei. Besonders hervorgeho ben wird immer wieder eine unmittelbare Geschichtlichkeit des Arbeitens im Heimwerken, die sich vom ersten Einfall über das Beschaffen der Materialien, das Bereitstellen der Geräte, im Planen und Probieren kontinuierlich aufbaue und auch den Wechselfällen des Gelingens standhalte. Einen weiteren z. T. von den Probanden direkt angesprochenen Zug im Heimwerken bildet die alles vereinnahmende Dynamik dieses Arbeitens. Fehlt zum Beispiel eine Stütze, muß das Knie oder das Söhnchen herhalten; ist irgendein Material nicht vorhanden, wird die ganze Wohnung nach etwas abgesucht, das einen passenden Ersatz bieten kann und dazu möglicherweise gänzlich seinem angestammten Zweck entfremdet werden muß usw. Derartige Erfahrungen in der Berufsarbeit machen zu können, wird mehr
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Srudien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge
oder weniger pauschal für unmöglich erklärt. Der Unterschied zwischen beiden Arbeitsformen wird aber nicht notwendig als unguter oder als aufzuhe bender Widerspruch thematisiert. So wird z. B. die in einigen Fällenangesichts der im Heimwerken erreichten Geschicklichkeit durchaus gegebenen Mög lichkeit, damit Geld zu verdienen oder daraus einen Beruf zu machen, zumeist rundweg abgelehnt, - damit würde es ja gänzlich seinen Reiz verlieren. Betrachtet man die Arbeitsform näher, die der Heimwerker nach Aussagen der Probanden ermöglicht, dann ist leicht zu erkennen, daß in ihr Züge der vorindustriellen Arbeitsverhältnisse wiederaufleben. So gesehen funktioniert das >Heimwerker< genannte Werkzeug-Ensemble psycho-logisch als Reprä sentanz einer überkommenen Werk-Mentalität. Es konserviert gewisserma ßen gegenständlich - etwa als Vielseitigkeit der Maschine oder als Erfindungs reichtum im Zubehör-, was als Eigenschaft menschlicher Arbeitstätigkeit in deren industrieller Form weitgehend schwindet. So kann mit ihm dinglich angeignet werden, was tätig zu realisieren, immer weniger möglich wird. Die Gerätschaft >Heimwerker< steht in diesem Sinne psycho-logisch für den Anspruch auf ein spezifisches Sein, das man vielleicht als ein sich in Werken allseitig selbstverwirklichendes charakterisieren könnte. Indem nun diese Gerätschaft in ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit einerseits von einem erlebten Defizit her bestimmt ist (an eben jener, den vorindustriellen Produktionsformen nachgesagten Ganzheitlichkeit usw.), und sie andererseits dieses Defizit zugleich symbolisch (pars pro toto) deckt und damit der Einsicht emzieht, erfüllt sie alle Charakteristika eines Sym ptoms. Mit dieser Feststellung ist allerdings über das konkrete psychologische Funktionieren des Heimwerkes noch wenig ausgesagt, und neu ist sie auch nicht. So sprach Habermas schon im Jahre 1958 vom Heimwerken als einer gesellschaftlichen »Fehlleistung«.2 Aber über alle Kritik an der »Suspensiven und kompensatorischen Funktion« des Heimwerkens wurde es schließlich nicht mehr in der Logik einer Fehlleistung analysiert, sondern schlicht als Fehler. Der Heimwerker galt dann nurmehr als falsche, spielzeughafte Erfül lung des Anspruchs auf aUgemeinen Besitz an den Produktionsmitteln. Vor diesem pauschalen Urteil hätte eigentlich der Begriff der Fehlleistung bewah ren müssen, denn er bezeichnet nicht einen Fehler oder etwas >Falsches<, sondern einen Sinn, der nurmehr in seiner Verkehrung Wirklichkeit erreichen und persistieren kann/ So ist denn auch das >Heimwerker< genannte Werkzeug-Ensemble mehr als nur die nostalgische Inkarnation einer längst historischen Werk-Mentalität und erschöpft sich seine psychologische Realität nicht darin, das schon wieder industriell eingeholte, kommerzialisierte Symptom der Industrialisierung zu sein. Da.zu geben die Aussagen der Heimwerkenden konkrete Hinweise. Namentlich in den breiten Raum einnehmenden Schilderungen der Faszina tion, disparate Teile, Funktionen und Materialien zusammenzubringen. So wird u. a. auch immer wieder gesagt, daß man am liebsten Holz verwende, da es- anders als Metall oder Kunststoff- ohne größeren Werkzeugaufwand die vielfältigsten Möglichkeiten der Verbindung biete; und man gerne einmal eine
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ganze Einrichtung schaffen würde, wo alles miteinander zusammenhinge und einen gemeinsamen Stil besitze usw. Solche und andere gleichsinnige Aussagen illustrieren ein durchgängiges psychologisches Thema im Heimwerken: das Herstellen von Verbindungen. Die zentrale Bedeutung dieses Motivs für das psychologische Funktionieren des Heimwerkers beweist sich u. a. darin, daß es nicht selten den Aspekt der Nützlichkeit des hergestellten Dinges sekundär bis unerheblich werden läßt. - Oder auch darin, daß das einfache Reparieren defekter Dinge abgelehnt wird mit der Begründung, dabei sei zuviel vorgege ben und ergebe sich nur selten die Nötigung, irgendwie und - etwas zu »kombinieren«. Dieses Motiv bestimmt im übrigen aber nicht nur unmittelbar gegenständliche Verhältnisse. Es kann - über die einschlägigen Phantasien von der auch selbst gemachten Kleidung, dem eigenen Gemüse und dem dann nie fehlenden Bauernhof- sich schließlich im •Eigenhändigen«, das alles besitzen soll, zu der Fiktion entwickeln, alles mit allem und mit sich selber verbinden zu können.- Also wenn man so will, zu den Anspruch, sich und seine materiellen Verhältnisse selbst zu schaffen. Auf dem Hintergrund dieser Thematik des Heimwerkens läßt sich der Heimwerker in seiner psycho-logischen Gegenständlichkeit als ein eigentüm liches >Verbindungsorgan• charakterisieren; als etwas, mit dem in prototypi scher Weise- als praktische Fertigkeit - zu probieren und zu vergewissern ist, was in seiner Verallgemeinerung nicht unwesentlich die Souveränität eines Subjekts ausmacht: Verbindung herstellen und Verhältnisse setzen zu können. Das mag als Minimalie erscheinen und angesichts der Idyllik von Autarkie und Ganzheit, in der das enden kann, eher problematisch. Aber man wird es doch gegen die undifferenzierte Kritik des Heimwerkers als eines rein •suspensi ven« Mediums zu halten haben. Relevanter für die Frage nach der psychologischen Realität des Gegenständ lichen sind allerdings einige andere Phänomene beim Heimwerken, die eine konkrete Komplikation dessen darstellen, was im vorangehenden Teil der Arbeit als Vergegenständlichen< theoretisch umrissen wurde. Der Autor der Heimwerker-Unt,ersuchung stellt als ein spezifisches Pro blem des Heimwerkens eine mit dem Begriff »Zwickmühle« belegte Irritation im Sich-ins-Werk-Setzen heraus, die sich aus den konkurrenten Ansprüchen ergäbe, in denen das Heimwerken motiviert sei. Sie resultiere daraus, daß das Sich-ins-Werk-Setzen einerseits davon getragen sei, sich selbst anschaulich erfahrbar zu werden ; andererseits habe aber das dabei zustandekommende Werk als Ding perfekt zu sein und sich möglichst nicht von einem gekauften bzw. professionell hergestellten zu unterscheiden. - So daß es also in diesem idealen Falle nichts mehr von dem Individuum zeigt, das sich da ins Werk setzte; denn schließlich müsse das Werk ja •objektiv« sein und dürfe es nicht durch irgendwelche .. Macken« seinen Hersteller •verraten«. Die Irritation im Sich-ins-Werk-Setzen (im Sinne der beschriebenen Ansprüche) liegt also darin, daß das Motiv dieses Prozess'es - die gegenständliche Anschaulichkeit der eigenen Person - sich in seinem Produkt, im gelungenen Werk, erlebter maßen negiert findet. Während das mit Mängeln behaftete, »Macken« zeigen de Werk immerhin noch seinen Hersteller- wenn auch in seiner Unzulänglich•
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keit - widerspiegelt, wird das perfekte Werk als unpersönlich und austausch bar erlebt. Auf dem Hintergrund dieser zwiespältigen Erfahrung wird der psychologi sche Sinn eines von vielen Probanden geschilderten, ihnen selbst aber unver ständlichen Phänomens rekonsuuierbar. Sie berichten, daß viele der von ihnen hergestellten Dinge nie richtig fertig würden und an ihnen zumeist noch irgendetwas zu tun bliebe. was aber geringfügiger Natur und eigentlich eher unwesendich sei. Man sei eben damals aus diesem oder jenem Grund einfach nicht mehr dazu gekommen; sei es daß ein Material ausging, ein Werkzeug gerade nicht zur Hand war oder weil man abwarten wollte, ob sich da nicht vielleicht noch eine optimalere Lösungsidee einstellen würde. AufNachfragen wird eingestanden, daß sich ,.eigentliche in der Zwisr.henzeit schon mehrfach die Gelegenheit zur Fertigstellung ergab; man habe sich auch fest vorgenom men, dies bei der nächsten sich bietenden zu erledigen, aber . . . es sei dann doch nicht dazu gekommen. Auf dem Hintergrund der dargestellten Dialektik des Sich-ins-Werk-Set zens legt sich nun die Folgerung nahe, daß das Imperfekte der hergestellten Dinge nicht etwa Zufall oder den angegebenen Gründen zuzuschreiben ist, sondern Methode. Und zwar im Sinne eines den Fehlleistungen analogen unbewußten Versuches, das Motiv des Sich-ins-Werk-Setzens im Werk selbst aufrechtzuerhalten: Ihm den letzten Handgriff, seine Vollendung vorenthal tend, beläßt der Heimwerkende das von ihm hergestellte Ding sozusagen auf ihn angewiesen und versucht er, es als sein Werk und damit zugleich sich als dessen Autor kenntlich zu erhalten. In dieser Strategie des Imperfekten die Vollendung seines Werkes: aussetzend, verhindert der Heimwerkende, daß es sich in ein ,Qbjekt< verwandelt, das in seiner Perfektion die Autorenschaft und damit seine Individualität negiert, deren Veranschaulichung doch das Motiv des Sich-ins-Werk-Setzens bildete.' Von der zitierten Untersuchung her ließe sich noch ein anderes Phänomen als Ausdruck des Versuchs interpretieren, mit dem Verlust der Selbst-An schaulichkeit im eigenen, objektiv perfekt und somit anonym gewordenen Werkes fertig zu werden. Und zwar jenes bekannte, gegenüber seinen Resulta ten schließlich vollständig indifferente ,.ewige Basteln«; in ihm wird das Sich ins-Werk-Setzen gewissenn.aßen zu einer unendlichen Verfassung zu verselb ständigen gesucht. Auch die häufigen Schwierigkeiten des Heirnwerkenden, sein Produkt zur Benutzung freizugeben, verweisen darauf, daß er den in seinem Werk realisierten Gebrauchswert, die objektive Funktion seines Wer kes, leicht als eine Schmälerung dessen subjektiver Funktion als einer anschau lichen Individuation erlebt; was vielleicht auch die Neigung der Heimwerken den zur Produktion von Nippes und sonstigem Nicht-Nützlichen erklärt. In diesen psychologischen Zusammenhängen uitt an der Vergegenständli chung ein Moment zutage, das zumeist bei ihrer svzial-anthropologischen Diskussion im Kontext gegenständlicher Selbst-Aneignung des Individuums übersehen wird. Sie ist nämlich durchaus nicht so eindeutig, wie dort unter stellt, diese jubilatorisch individuierende Funktion, die erst durch die histo risch-gesellschaftlichen Umstände problematisch wird. Sie besitzt schon in
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sich sich selber, aufgrund ihrer geschildenen psychologischen Dialektik, notwendig ein subjektiv alienierendes Moment. Hinzukommt, daß innerhalb seiner engeren Gebrauchswen-Gegenständlichkeit ein Ding doch wohl nicht so sehr die Vergegenständlichung der Individualität seines Produzenten dar stellt, als vielmehr die Objektivierung eines (allgemeinen) Bedürfnisses und natürlich auch der für seine Herstellung notwendigen Fähigkeiten. Diese aber sind in aJier Regel nicht einziganige und sie in diesem Ding unter gegenständli chen Beweis gestellt zu haben, weist den Produzenten nicht in seiner Indivi dualität aus, sondern in seiner Teilhabe am allgemeinen historischen Stand menschlicher Fähigkeiten und Bedürfnisse. Nun ließe sieb zwar dagegen wiederum einwenden, daß es eben das spezifi sche Ensemble seiner derartigen Teilhaben sei, welches das Individuum aus mache. Aber von diesem Einwand unbenommen ist hier als Fazit aus dieser Untersuchung festzuhalten, daß die Vergegenständlichung als ein konkreter psychologischer Prozeß, als die individuelle Herstellung oder Aneignung eines Dinges, notwendig ein subjektiv alienierendes Moment besitzt. Daß das Individuum in seiner gegenständlichen Selbstverwirklichung nicht etwa un mittelbar in seiner Individualität zum Ausdruck kommt, sondern eben immer nur be-dingt, verleiht ihr psychologisch jene Zwiespältigkeit, von der gerade die zu ihrer Auflösung entwickeltem Strategien, wie etwa die des Imperfekten, zeugen. Die seitens der Kulturkritik immer wieder in der Hobbytätigkeit des Heimwerkens ausgemachte Alienierung des Anspruchs auf gegenständliche Selbstverwirklichung ist also beileibe keine ihm spezifisch eigene. Sie verweist vielmehr auf eine grundlegende psychologische Ambiguität dieses Anspruchs bzw. seiner Erfüllung, wie sie hier aufgezeigt und zum Beispiel auch von Sartre in seiner Phänomenologie des •Machen und Haben• herausgestellt wurde.s Die Überlegungen zu dieser Untersuchung des Heimwerkens sollten aber vielleicht mit der ausdrücklichen Feststellung schließen, daß sie der Kritik gesellschaftlicher Aneignungs- und Produktionsverhältnisse und ihnen ent springender Formen der Entfremdung nichts anderes nehmen als eine unre flektiene psychologische Prämisse: die Annahme eines naturidyllischen Zu sammenhanges von Produzent und Werk, welcher erst durch spezifische historisch-gesellscbaltliche Bedingungen problematisch würde.
Die Warencharaktere und der Charakter als Ware oder Der »Persönlichkeitsmarkt« (Habermas) Anmerkungen zur Theorie der Verdinglichung In der folgenden Studie wird noch einmal Bezug genommen auf den ontogene tischen Zusammenhang zwischen der Konstituierung des Konzepts >Gegen ständlichkeit• und der Entwicklung des Selbst-Konzepts, der im vorigen Teil der Arbeit behandelt wurde. Sie greift dabei Phänomene auf, die diese ent wicklungspsychologische Interdependenz auf eher karikierende Weise wider spiegeln, an denen aber um so anschaulicher einige Aspekte der gesellschaftli chen Dimension dieses Zusammenhangs zu behandeln sind. I n einem Artikel aus dem Jahre 1956, der dem •Heiratsmarkt« im Annon centeil der Tageszeitungen gewidmet ist, setzt sich Habermas mit dort herr schenden, der Wa.renwelt analogen Verhälmissen auseinander. Der Logik solcher Verhältnisse folgend, würden dort die Menschen •ihre Person und ihre Lebensgeschichte in verkaufsfertiger Abkürzung zurichten und dem öffentli chen Spiel von Angebot und Nachfrage feilbieten• und würden •dem Leser gleich neben dem flotten 60er und der gut aussehenden Dame mit Abitur ein neuwertiger Mercedes 180 D und ein VW Kleinbus in Luxusausführung angeboten«.' Nachdem Habermas als Bedingung für die Markdähigkeit von Waren und Leistungen deren Austauschbarkeit herausgestellt hat, argumentiert er weiter: ·Anders bei der Eheschließung, wo die Person unverwechselbar und mit ihrem ganzen Wesen auf dem Spiele steht. Wird sie daher durch Angebot und Nachfrage marktmäßig vermittelt, dann ist der Handel dem, was verhandelt werden soll, offensichtlich nicht ganz angemessen. Oder sind vielleicht die Partner so gut dressiert, daß sie ihr Persönlichstes erst in Warenform ver schlüsseln und dann gegenseitig entziffern können? Oie Möglichkeit wäre bei ei.nem hochdifferenzierten Code und intakten gesellschaftlichen Konventio nen nicht ganz von der Hand zu weisen«.1 Dennoch sieht Habermas diese Möglichkeit nicht gegeben, vielmehr bilde immer noch die wenn auch •hoch gradig stereotyp(e) und stark ideologisch(e)« Selbstdarstellung im •Leitbild des guten Menschen• den •Kern jeder Heiratsannoncec.> So meint er also eher das Geschäft mit den Anzeigen und den Jargon der Heiratsvermittler, wenn er feststellt, •nun ziehen wir ein in den Kreislauf der großen Börse, Masken unserer selbst, zu Dingen und Dinglichem geronnen.•' Die im folgenden zitierten, aus dem Jahre 1973 stammenden Inserate geben dieser Dinglichkeit des Personalen aber eine unvermutete konkrete Wendung. Sie zeigen zudem, daß es nicht unbedingt jenes •hochdifferenzierten Codes« und •intakter gesellschaftlicher Konventionen• bedarf, um eine Verständi gung der Partner i n Warenform zu ermöglichen. Es bedarf dazu lediglich ausgeprägter Charaktere in den Waren,- nur genügend •hochdifferenzierter• und •intakter« Warencharaktere. Sollte das Vorliegen einer solchen Verständi gung, welches die nachfolgend zitierten Inserate zu belegen scheinen, die Existenz eines derartigen Codes anzeigen, so hätte sich dieser auf eine denkbar
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unerwartete aber bedenkenswerte Weise materialisiert, nämlich in den Dingen als Waren. Diese Möglichkeit wird später noch diskutiert werden, zuvor eine Übersicht über die zu analysierenden Anzeigen. (Vgl. Anhang) In einem ersten, sehr verbreiteten Typus der sogenannten Kontaktanzeige beschreiben Kontaktsuchende ihre Person nicht mit Eigenschaftswörtern, sondern typisieren sie sieb mithilfe eines Dinges, - als ihr Wesen tritt das ihnen wesentliche Objekt auf: - Jeanstyp 29/188/84, sucht nur ebensolchen . . . - Hondafahrer (750 ccm Zweitfahrzeug), Bestvierziger . . . sucht attraktive Sozia-Dompteuse (Sturzhelm wird gestellt) . . . - Ledertyp (30/180) sucht strammen Motorradfan . . . - Jeans und Turnschuhträger, 28]., 1,74, sucht . . - Bist du Jeansfrau, ± 30, vollschl. lieb und treu . . . - Jeans-Lederjacken-Stiefel Fan, 24. sucht . . . .
Während in diesen Kontaktanzeigen die Person ihr Wesen im ihr wesentlichen Ding repräsentiert, verdeutlichen die folgenden, wie aus der gegenständlichen Beschreibung der Person schließlieb eine Beschreibung der Person als Gegen stand wird und die Person jetzt den Dingen eigentümliche Qualitäten anmmmt: .
- Er ist zum Wegwerfen eigentlich noch zu schade, stattl. Bursche von 37 Jahren . . . - Second-Hand Mädchen (24), blond, durchaus hübsch, sucht . . . - Gut erhaltener SOer, gesellig, mit Niveau, vorzeigbar, 172, sucht . . . - Zwei guterhaltene noch nicht ganz abgenutzte Mittdreißiger ( ) wünschen . . . - Blickfang für einen alleinstehenden, geistig hochstehenden Mann ( ), möchte Ihn gern finden . . . Hier sind Eigenschaften von Dingen zu solchen der Person geworden; einen Schritt weiter, und die Person stellt sich gewissermaßen in ihrer Eigenschaft als Ding vor: - Oldtimer ohne Ölkrise, Bj. 32/1 ,76, generalüberholt, frisch lackiert, neu verchromt (g eschieden) mit leistungsfreudigem Zweitmotor, geräuschar mem Getriebe, komfortabler Innenausstattung, Sicherheitsgurten und charmanten Extras - an seriöse Fahrweise gewöhnt - umständehalber abzugeben. Erwerb auch auf Raten möglich, Besichtigung nach Verein barung. Bevorzugt werden hübsche charmante Damen zwischen 22 und 35 . . . - Rarität, Bauj. 41 mit 10-Gaog-Schaltg., goldmet. Dach, zierl. weibl. Linienführg., sportL-verspielte Inneneinrichtung. Akad. Erstbesitz, un fallfrei, einmaliger Pflegezustand, mit vielen künstlerischen Extras; um ständehalber nur günstig v. Priv. an Priv. abzugeben . . . Diese und ähnliche Anzeigen sind nicht etwa bizarre Ausnahmeerscheinungen oder in zweifelhaften Magazinen erschienen, die zuletzt zitierte fand sieb z. B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Man sieht also, wie weit inzwischen entgegen Habermas' e.instiger Annahme die Warenverständigung zwischen
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den Partnern gediehen ist: Da tritt jene •gutaussehende Dame mit Abitur• nicht mehr •gleich neben dem neuwenigen Mercedes 180 Dc ins Angebot, sondern •umständehalber• gleich als solcher auf. Es wäre nun gänzlich irreführend, das Phänomen dieser Annoncen indivi duell pathologisch erklären zu wollen; es sind keine Fetischisten, die sich da suchen. Die Inserate zeigen vielmehr eine allgemeine Entwicklung an, die in dem Werbeslogan von der »Stuyvesantgeneration• (die ihren Weg geht), in der warenspezifischen Typisierung einer ganzen Generation, ihren wohl radikal Sten Ausdruck gefunden hat.� Eine Erklärung dieser Erscheinungen, die nicht den Charakter der Inseren ten, sondern den Fetischcharakter der Waren zur Grundlage macht, bietet schon mehr Perspektiven. Aber um die in diesen Anzeigen zutagetretende allgemeine Entwicklung in ihrer psychologischen Relevanz zu erfassen, trägt dieses theoretische Konzept - zumindest in der ihm zumeist gegebenen Auslegung- nicht weit genug, und es wird entsprechend zu modifizieren und auch zu relativieren sein. Gewiß, die zitierten Annoncen illustrieren auf sehr plastische Weise die ,.Versachlichung der Seele•, die Adorno und Horkheimer als das industrielle Pendant der historisch vorgängigen animistischen •Beseelung der Sachen• beschrieben haben.' Es wäre nun aber ausgesprochen oberflächlich, darin, daß ein Individuum seinen Charakter in den Charakteren von Dingen erfaßt und vermittelt, nur eine für den Kapitalismus typische und in der Verführung durch den falschen Zauber der Fetischcharaktere der Waren begründete Verdinglichung des Menschen zu erkennen. Dennoch werden seitens der Kritischen Warentheorie oft genug Formen des Objektverhaltens, die nicht im strikten Realisieren von Gebrauchswert aufgehen, mit apriorischer Entschie denheit zu Resultaten einer warenästhetischen Machination erklärt (vgl. Haug). Man gewinnt den Eindruck, das Theorem, daß unter der Bedingung entwickelter, kapitalistischer Warenproduktion alle menschlichen Lebensäu ßerungen Warenform annehmen (vgl. Lukacs), sei dort dahingehend ausgelegt worden, daß sich in ihnen nurmehr allein die Ware und ihre Gesetze ausdrük ken. - Die derart zum negati en Held einer sich in einen Mytho� vom Ursprung des Bösen verwandelnden Kritischen Warentheorie wird. Ein soge nanntes •typisches Warenverhalten< ist aber ein solches wesendich seiner Form nach, und zu fragen bliebe also immer und gerade dann, wenn es um seine Kritik geht: Was hat derart Form angenommen, wieso nahm er gerade diese an und welche spezifischen Bedingungen sind ibm in dieser Formierung gesetzt? Diesen Fragen sei einmal an den Kontaktanzeigen und ihrer Warenrhetorik nachgegangen. Nach dem, was im theoretischen Teil dieser Arbeit ausgeführt wurde, ist es naheliegend, das in den Anzeigen manifeste >typische Warenverhalten< einer dinglichen Selbstbeschreibung von Menschen einmal auf dem Hintergrund der dargestellten gemeinsamen Ontogenese von Objekt- und Selbstkonzept zu betrachten. Schon im Zusammenhang der Analyse des Konzepts des ·�ittel dings< trat ja ganz deutlich zutage, wie unmittelbar ein Ding (z. B. in der subjektiven, für andere nicht nachvollziehbaren Gegenständlichkeit eines v
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Übergangsobjekte� menschliche Individualität materialisieren kann. Die Funktion des Gegenständlichen als einer ansebaulichen Repräsentanz der Individualität eines Subjekts bleibt in dieser Unmittelbarkeit nicht erhalten ; im ·Objekt<, im schließlich angeeigneten rationalen Konzept des Gegenständli chen, tritt sie weitgehend hinter den instrumentalen Funktionen der Objekte zurück: Während diese das Subjekt darstellende Funktion den vor-objektiv gegenständlichen Dingen noch unmittelbar zukam, eben aufgrund ihrer ego zentrischen, perspektivischen Aneignung, bildet sie auf der Stufe der >Objekte• nurmehr ein konnotatives Moment in der jetzt wesentlich rationalen Aneig nung der Dinge. Es ist kaum mehr das sinnfällige Ding selbst in seiner komplexen perspektivischen Realiät, sondern das, was es jenseits seiner zweckrationalen Funktionen allgemein bzw. konventionell •bedeutet•, was jetzt als Medium der Selbstdarstellung des Subjekts fungiert. In der Aneignung der ·Objekte<, der jedem-und-immer-gleichen Dinge, personalisiert sieb also das Subjekt tendenziell •objektiv<, - im Medium intersubjektiver Bedeu tungen. Dies scheint auf den ersten Blick eine eher müßige theoretische Folgerung zu sein und kaum auf reale Phänomene beziehbar. Aber das jedem-und immer-gleiche Ding ist ja nicht ein Konzept des Gegenständlichen neben anderen oder ein nur die positiven Wissenschaften und ihren Objektbegriff ndlichkeitsfonn der tragendes Konstrukt, vielmehr bat es in der Gegenstä Waren inzwischen allgemeine und alltägliche Realität gewonnen. Man wird sogar soweit gehen können zu sagen, daß in der entwickelten, durch die massenhafte Herstellung und Verbreitung seriell gleicher und allgemein zugänglicher Güter gekennzeichneten Warengesellschaft7 das jedem-und immer-gleiche Ding zur dominanten Gegenständlichkeitsform aufgestiegen ist. (Als seinen Inb egriff könnte man die weltweit verbreitete und für jederman unverwechselbare Coca-Cola Flasche anführen.) Wenn nun die Dinge des Alltags in ihrer Mehrheit Waren sind, d. h. fast ausschließlich die Gegenständlichkeit eines jedem-und-immer-gleichen Din ges besitzen, so hat dies für die aUgemeine personalisierende Funktion der Dinge bzw. für die gegenständliche Selbstdarstellung des Subjekts weitrei chende Folgen: Während die Dinge in den frühen, vor-objektiven Formen ihrer Gegenständlichkeit noch einer eher •privaten< Selbstveranschaulichung dienten, und schließlich die >Objekte< dem Subjekt schon eine intersubjektive Verständigung über sein Selbst ermöglichten, gibt endlich die Ware dieser gegenständlichen Personalisierung der Subjekte das umfassendste und allge meinste Vokabular, - und damit zwangsläufig auch einen anderen Inhalt. Denn mit der Aneignung dieses Vokabulars, eignet sich das Subjekt in der Grammatik an, in der Dinge zu Waren werden, und das ist nicht die der Individualität, sondern die der großen Serie, des Standards. Um das Gesagte zusammenzufassen: Das Spezifische oder gar •Neue• an den durch die allgemeine Herrschaft der Warenform geprägten Beziehungen der Menschen zu den Dingen ist nicht darin zu sehen, daß sich Menschen gegenständlich personalisieren, sondern darin, da.ß in der Ware diese gegen ständliche Personalisation industrialisierbar geworden ist und einen anderen
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Inhalt bekommen hat. Sich in Warendingen personalisierend, vollzieht das Subjekt - wie schon an anderer Stelle dargelegt (siehe S. 108f.) - nicht mehr . seine Individuation, sondern seine Verallgemeinerung. Diese Aussage stellt gewiß einen wesentlichen psychologischen Aspekt der Waren-Gegenständ lichkeit heraus, aber sie ist unbedingt zu differenzieren. Denn wenn auch die Waren (als die jedem-und-immer-gleichen Dinge) in der beschriebenen Weise nicht mehr zur gegenständlich anschaulichen Individuation beitragen können, so tun sie dies inzwischen doch wieder, und zwar auf eine gänzlich neue Weise, welche hier im weiteren untersucht werden soll. Dazu bedarf es noch einmal eines Rückgriffs auf Aussagen der Allgemei nen Warentheorie. Sie entwickelte als eine zentrale These, daß der Bedin gung des Seriellen auf der Seite der Warenproduktion (des Angebots) un mittelbar die Bedingung der Uniformität auf der Seite der Nachfrage ent spreche. Die mit den Waren bedienten Ansprüche und Bedürfnisse würden von diesen einer Nivellierung unterzogen, derart, daß ihnen zunehmend jede Individualität abginge, und sie schließlich dem zu ihrem Träger degra dierten Subjekt kaum mehr als eigene, seine Eigenheit artikulierende er kennbar seien. Schließlich zeugten diese Ansprüche und Bedürfnisse mehr von den industriellen Bedingungen ihrer Befriedigung als von der Person, die sie besitzt.• Wenn nun - und hier kündigt sich ein neues Thema an - die Ansprüche und Bedürfnisse in ihrer massenhaften und in Serie produzierten gegenständlichen Befriedigung jeglichen individuellen Charakter verlieren, dann wird die Artikulation von Individualität schließlich zu einem von den anderen Bedürfnissen abgehobenen, selbständigen Motiv. Es tritt neben die standardisiert und seriell befriedigten und so gesichtslos gewordenen Be dürfnisse, und seine Verwirklichung verlangt dem Subjekt eine zusätzliche Anstrengung ab. Und indem nun das in der Aneignung der Waren zuneh mend verlorengehende Moment anschaulieb-gegenständlicher Individuation zum Thema eines besonderen, isolierten Bedürfnisses wird, wird Individua tion zu einer kalkulierbaren und industriell bedienbaren Nachfrage: Es eröffnet sich ein ,.Jdentitätenmarkt« (Luckmann). Nämlich indem die schwindenden Differenzen im normalen Warenangebot jetzt durch ein spe zielles Angebot der Differenz substituiert werden. (Dem einher geht natür lich der Versuch, die Konformität im Warenangebot durch forcierte Varia tionen zu mindern, wie das der saisonale Wechsel der Moden und Modelle, die •Paletten• von Zubehörartikeln, die •Generations•-Ürdnung von Ge brauchsgütern, deren kalkuliert verminderte Lebensdauer u. ä. m. anzei gen.) Die hier angesprochene Kommerzialisierung der Differenz bildet die Grundlage jener mit dem •Besonderem•, dem •Ausgefallenen•, dem •Ori ginellen« und der •persönlichen Note« aufwartenden Unternehmen wie Boutiquen, Einrichtungsstudios, Therapie-Institute� Hair-Stylisten oder Fe rien-Clubs. In diesen auf Identitätsdesign und Charakterwaren spezialisier ten Branchen wird die Tatsache kapitalisiert, daß individuelle Besonderheit nicht mehr in der Varietät des alltäglichen Warenangebots selbst anikulier bar ist, indem sie das Individuelle substituieren durch das Exclusive, und Individuation zu einem besonderen Dienstleistungsangebot machen. Womit
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etwas möglich wird, was sich durchaus als eine Industrialisierung der Indivi duation verstehen läßt.' Das Aufkommen jener neuen Ware, der Charakterware, verweist auf eine Veränderung in den alltäglichen Waren, die psychologisch durchaus als eine Auflösung des Fetischcharakters von Waren zu interpretieren wäre. Grund· sätzlich nicht viel anders als die von Benjamin konstatierte Auflösung der Aura eines Kunstwerkes in seiner mechanischen Reproduzierbarkeit10 ließe sich erklären, daß und wie die Waren in ihrer massenhaften, standardisierten Herstellung zunehmend ihrer magischen Qualit.ät, ihres Fetischcharakters, verlustig gehen können. Daß eine Ware diese Fetischqualität, sozusagen ihren Charakter verlieren kann, hinge dann mit zweierlei zusammen. Zum einen kann die Ware aufgrund ihrer durch massenhafte und serielle Fertigung schließlich erreichten Er schwinglichkeit in eine allgemeine und fast voraussetzungslos scheinende Aneignung geraten sein, die dem Subjekt zu selbstverständlich ist, als daß ihm in ihr noch eine Metaphorik der Selbst- und Weltaneignung lebbar wäre. In der Selbstverständlichkeit ihrer Aneignung hat die Ware genau das verloren, worin sich nicht zuletzt das über ihren Gebrauchswert Hinausweisende, ihre symbo lische, repräsentative Qualität begründete, nämlich ihre relative Widerständig keit. Denn erst die- wie und worin auch immer zu definierende - Widerstän digkeit eines Dinges verleiht ja sei:ner Aneignung Bedeutung. Auf sehr ähnliche Weise die Veränderungen des Gegenständlichen in dessen Formierung als Ware charakterisierend, sagt Habermas von den Konsumdin gen, sie seien •glatt« und •stumm• geworden und würden •nichts mehr >hergeben<«.11 Und auch die Konsequenzen des hier konstatierten Verlustes anschaulich gegenständlicher Selbstaneignung in den Waren finden sich bei ihm angesprochen, wenn er als Folge des •Conditionalis einer universalen Teilhabe•, in den der Konsument durch ·die allgemeine Zugänglichkeit aller marktgängigen Waren versetzt« werde, unter anderem ,.Verhaltenswillkür und Zufälligkeit der Charakterbildung« nennt. u Die Entfetischisierung der Waren wurde hier mit einer Veränderung der Aneignungsbedingungen in Verbindung gebracht; sie hängt aber gleicherma ßen mit materiellen Veränderungen an der Ware selbst zusammen. Und zwar mit jener schon beschriebenen sinnlichen Indifferenz und >Gesichtslosigkeit< der massenproduzierten Waren des alltäglichen Gebrauchs. Man braucht sieb nur in einen der großen, klinisch ausgeleuchteten und klimatisierten Super märkte zu versetzen, um angesicbts der stapelfreundlich kartonierten, in mittleren Verbrauchsmengen vorgepackten und schattenlos gereihten Waren sich ganz unmittelbar davon zu überzeugen, wie gründlich ihre magischen Qualitäten, ihr Weltversprechen und ihr Charakter-Angebot sich verflüchtigt haben und einer nüchternen Paratheit gewichen sind. Diese Waren sind •stumm• (Habermas) geworden, sie bedeuten nichts und sagen nichts mehr; sie funktionalisieren ein Bedürfnis und objektivieren eine Befriedigung. Und in dem Maße, wie die Waren der alltäglichen Konsumtion mit der Fetischqua lität ihren Cha,rakter verlieren, kommt nun jenes neue Warengenre auf, die Charakterware. - Die Ware, die den Charakter zum Fetisch macht.
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Interpretiert man die Auflösung der Warencharaktere im alltäglichen Konsumuonsbereich als eine Entfetischisierung der Waren, so erhebt sich die Frage nach der psychologischen Bedeutung dieses >Verlustes<. - Der vielleicht kaum als solcher erscheinen mag, denn es gilt ja allgemein, daß wenn auch die Waren in ihrem Fetischcharakter menschliche Eigenschaften und Ansprüche repräsentieren, so aber doch nur im •Schein< und sie ver dinglichend. Das psychologisch Problematische einer solchen, mit der Kate gorie des Scheins operierenden Kritik wurde schon an anderer Stelle bespro chen. Hier wäre ihr lediglich ent3egenzuhalten, daß in dieser fetischcharak teristischen Warenform immerhin noch menschliche Verhältnisse eine ge genständliche Abbildung fanden, auch wenn sie dabei verkehrt wurden. Keineswegs gebt es hier um eine Romantisierung des Fetischcharakters der Waren. Sondern nur darum, auf eine eigentümliche Dialektik in der Entfetischisierung aufmerksam zu machen, mit der sie wie jede andere ent mystifizierende Dynamik geschlagen ist und in der sie an jener allgemeinen, von Adomo und Horkheimer beschriebenen ·Dialektik der Aufklärung« teilhat. Denn bei der Auflösung der unbezweifelt problematischen Fetisch funktion in der Waren geht leicht eine Dimension der allgemeinen Gegen standserfahreng verloren, die in dieser Warenform wenn auch verkehrt, so doch aber noch vorhanden war. Nämlich jene dargestellte, grundlegende psycho-logische Funktion des Gegenständlichen als einer Repräsentanz: die den Menschen in seiner konkreten sozialen und historischen Verhältnismä ßigkeit abbildende Qualität des Gegenständlichen.U Also genau das, worin sich sinnliche Erkenntnis in der von Holzkamp dargelegten Weise konstitu iert.•• In einer solchen, um jede gegenständliche Abbildungsqualität gebrachten und strikt nur einen Gebrauchs- bzw. Tauschwert figurierenden Ware stellt sich eine neue Sachlichkeit vor: das Ding ohne Gegenständlichkeit. Das Komplement zu dieser Sachlichkeit der •charakterlos< gewordenen alJtägli chen Warendinge bildet die forcierte Originalität jener >Charakterwaren<; und in ihnen wiederum organisiert sich eine neue Persönlichkeit, ein Cha rakter ohne: Subjekt: das Individuum ohne Person. Von der Verständigung in den Dingen zur Verständigung als Ware - Zur Rede der Dinge Die im voranstehenden Kapitel behandelten Verhältnisse gegenständlicher Verständigung zwischen Menschen zeitigen einige sowohl die Dinge als auch die menschliche Kommunikation betreffende Konsequenzen, auf die hier kurz hingewiesen werden soll. Es wurde dargestellt, wie die kommunikative Funktion der Dinge sieb in den verschiedenen Konzepten ihrer Gegenständlichkeit ändert. Im •Mittel ding< (Übergangsobjekt) noch eher privat-symbolischer Natur und wesent lich der Selbstverständigung dienend; dann in den >Objekten< schon inter personal orientiert, gewann die gegenständliche Kommunikation der Men-
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sehen in den Waren schließlich ein der Sprache analoges, aber von deren Regionalismus befreites Vokabular. Die darin liegenden Möglichkeiten finden sich bei Swift eindrücklich be schrieben. In Gullivers Reisen läßt er Gulliver eine Akademie in Lagado, der Hauptstadt von Balnibarbi, besuchen, deren Professoren den Vorschlag gemacht hatten, •alle Wörter abzuschaffen•. •Da alle Wörter nur Namen von Dingen sind, wäre es doch viel praktischer, wenn jeder die Dinge, über die er sprechen will, mit sich herumtrage.• Zwar •widersetzt sich die Masse dem wtssenschaftlichen Fortschritt. Doch sind viele kluge und gebildete Leute Anhänger der neuen Methode, die freilich einen Nachteil hat, daß ein Mann dessen Angele genheiten vielseitig und komp liziert sind, einen ent sl?recbend großen Packen Dinge mit sich herumschleppen muß, falls er sich mcht einen oder zwei kräftige Träger leisten kann. Ich habe oft Gelehrte gesehen, die wie die Trödler fast unter der Last ihrer Säcke zusammenbra chen. Treffen sie sich auf der Straße, dann legen sie ihre Bündel ab, öffnen die Säcke und unterhalten sich oft fast eine Stunde lang . Dann packen sie alles wieder ein, helfen sich gegenseitig ihre Säcke aufladen und verabschie den sich. Für kurze Unterhaltungen aber kann man die nötigen Sachen in der Tasche oder unter dem Arm mitnehmen. Und zu Hause kann überhaupt niemand in Verlegenheit geraten. Die Zimmer, in denen sich die Anhänger dieser Methode treffen, sind mit allen möglichen Dingen vollgestellt. Die sind dann rasch zur Hand und liefern genügend Stoff fürdiese Art Unterhal tung•.u Wenn Swift seinen Gulliver feststellen läßt: ·Ein weiterer Vorteil, den diese Erfindung bietet, liegt darin, daß sie als Weltsprache dienen könnte, weil ja die Waren und Geräte aller zivilisierten Nationen so ziemlich die gleichen sind••', so hat er damit exakt die universale Signifikanz. der Warendinge angesprochen, wie sie heute etwa die Coca-Cola Flasche, die Camel Zigarette oder der Mercedes Stern dokumentieren. Daß sich über die Dinge zwischenmenschliche Verständigung abspielt und die Dinge immer schon und nicht nur in den Märchen vielsagende waren, hat einen jeglicher animiscischer Phantastik unverdächtigen Zeugen in Marx. Der nämlich ging sogar so weit zu behaupten, ·die einzig verständliche Sprache, die wir miteinander reden, sind unsere Gegenstände in ihrer Beziehung aufeinander• .17 Aber man wird diese Aussage historisch relativieren und insofern einschrän ken müssen, als in den vorindustriellen Dingen die Verständigung zwar gewiß in hohem Maße authentisch war, aber nicht gerade sonderlich reliabel. Die Dinge früherer Zeiten besaßen ja noch das Handicap einer etwas undeutlichen Aussprache und schwankender Signifikation. Und zwar bedingt durch das ihnen noch weit bis in ihre manufakturelle Erzeugung anhaftende Lokalkolo rit, das sie sozusagen nur Dialekt sprechen ließ, und auch aufgrund des unorganisierten Erfindergeistes lokaler Produzenten und deren einfältigen Desinteresses an überregionalem Absatz. Erst in ihrer entwickelten Warenform, in der großen Serie und ihrer Standardisierung gewannen die Dinge eine klare und distinkte Aussprache und erhielten sie die fixe und überregionale Signifikanz., die sie zu jenem •hochdif-
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ferenzierten Code« und zu jener Konventionen schaffenden Apparatur wer den ließen, von denen Habermas als Voraussetzungen für eine allgemeine gegenständliche Verständigung unter Menschen sprach. - Allerdings ohne sie im Warending als erfüllt zu erkennen. Und wenn, wie von Weizsäcker meinte, die •Exaktheit des Gegenstandes ( ) die Unexaktheit der Sprache gestattet.c11, dann wird man wohl weiter folgern dürfen, daß in der präzisen Beredtheit der Warendinge die Sprache schließlich obsolet werden und zunehmend das Gegenständliche das Wort führen wird. Was es im übrigen schon tut, und zwar durchaus vernehmlich. - Vorbei die Zeiten, da die Bäume flüsterten, die Telegraphenmasten sangen, die Steine immerhin schwiegen und man auch selbst einmal zu Worte kam. Heute sind, wie es der Slogan einer Diamanten-Reklame ·Zu diesem Stein können Sie sieb Worte schenken«1' anzeigt, sogar schon manche Steine derart beredt gewor den, daß sie einen sprachlos machen. Früher konnte sich ein Mensch darin gefallen, auch einmal die Dinge - Blumen zum Beispiel - sprechen zu lassen, heute dagegen wird er laufend von ihnen und ganz direkt angesprochen. So z. B. von einem Plätzchen: •Ich bin ein kleines zartes Plätzchen, das Ihnen Freude machen will . . . Sie glauben gar nicht, was alles angestellt wurde, um mich zu backen . . . «.10 Wenn auch manchen Dingen noch hin und wieder Schnitzer unterlaufen, wie z. B. dem Öltank, der sich grammatikalisch etwas verunglückt vorstellt mit den Worten ,.Jch bin zwei Öltanksc21, so entwickeln die Dinge doch eine zunehmend anspruchsvollere Gesprächigkeit. Das belegt etwa die folgende Aussage eines Suppentellers: .. Ich, der Suppenteller, finde es ganz toll, mit all den vornehmen Gläsern in der gleichen Geschirrspülmaschine zu liegen. Besonders angenehm bei einer >Zanussic finde ich die Ruhe, die man da hat. Die Maschine spült so leise, daß ich mich so herrlieb kultiviert mit dem Sektglas unterhalten kann.«22 Nun wird man gewiß schwerlich etwas dagegen einwenden können, daß sich die Dinge einmal aussprechen. Aber daß sie dank ihrer Beredtheit inzwischen der Sprache zunehmend den Rang in der menschlichen Verständi gung ablaufen (denn was artikuliert eine Persönli chkeit distinkter als ein Zigarettenpäckchen »Gauloises« oder »Benson & Hedges«, was drückt eine Weltanschauung so bündig aus wie z. B. lila Latzhosen oder eine Sicherheits nadel in der Nase oder ein Lodenmantel), - daraus ergeben sich Konse quenzen. Sieht man einmal von d,en die Sprache selbst betreffenden ab23, so wäre vor allem zu bemerken, daß die Warendinge, indem sie kommunikative Funktio nen übernehmen, zugleich in ihrer Wertnatur den Schlüssel zur Kommerziali sierung der Verständigung liefern. Als Kommunikabeln sind die Warendinge anders als Worte- Zeichen mit Wert. Sie transportieren die Bedeutungen nicht mehr gratis, sondern nur gegen bar. Um Blumen sprechen zu lassen, muß man sie bezahlt haben: So beredt und verständig die Dinge als Waren auch werden mögen, sie selbst bleiben weiterhin guten Worten allein nicht zugänglich. Sie bewahren ganz wörtlich, was Heine einmal den •baren Ernst der Dinge• nannte, aber doch wohl eher im übertragenen Sinne meinte.
Die Mutter, die Spule und der Bindfaden oder Die gegenständliche Auflösung gemischter Gefühle, - ein Kinderspiel Der Frage nachgehend, inwieweit Wiederholung und Wiederholungszwang auf ein •Jenseits des Lustprinzips• verweisen, behandelt Freud in dem gleich namigen Aufsatz ein kindliches Spiel, das er an seinem Enkel beobachtet hatte. Die Deutung, die er dem Spiel gibt, enthält eine Unklarheit, die innerhalb seiner Argumentation unerheblich ist; ihre Analyse kann aber die hier entwik kelte Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge in wesentli chen Aspekten vertiefen. Dabei wird noch einmal das •Jenseits-von-Subjekt und-Objekt< zu Thema gemacht werden, in dem sich das frühkindliche Gegenständliche konstituiert, um von daher das doppelgängerische Changie ren von Sache und Selbst eingehender zu analysieren, das namentlich die psychologische Realität des ·Mitteldinges< kennzeichnete. Nachdem Freud versichert hat, daß es sich um ein gehorsames und eine Abwesenheit der Mutter tränenlos verwindendes, ihr aber gleichwohl zärtlich anhängendes Kind handle, gibt er von dem Spiel seines 1 Y,jährigen Enkels folgende Schilderung: ·Das Kind hatte eine Holzspule, die mit einem Bindfa den umwickelt war. Es fiel ihm nie ein, sie zum Beispiel am Boden hinter sich herzuziehen, also Wagen mit ihr zu spielen, sondern es warf die am Faden gehaltene Spule mit großem Geschick über den Rand seines verhängten Bettchens, so daß sie darin verschwand, sagte dazu sein bedeutungsvolles o-o o-o (das Freud aus anderen Beobachtungen dieses Kindes als •Fort« erschließt) und zog dann die Spule am Faden wieder aus dem Bett heraus, begrüßte aber deren Erscheinen jetzt mit einem freudigen ·Da«. Das war also das komplette Spiel, Verschwinden und Wiederkommen, wovon man zumeist nur den ersten Akt zu sehen bekam, und dieser wurde für sich allein unermüdlich als Spiel wiederholt, obwohl die größere Lust unzweifelhaft dem zweiten Akt an hing.«1 Freud diskutiert nun drei mögliche Deutungen dieses Spiels. Sie werden hier kurz skizziert, ohne auf den Argumentationszusammenhang Wiederholung versus Lustprinzip einzugehen. In der ersten faßt Freud das Spiel als Entschädigung auf für den vom Kinde ,.zustande gebrachten Triebverzicht (Verzicht auf Triebbefriedigung), das Fortgehen der Mutter ohne Sträuben zu gestatten•, •indem es dasselbe Verschwinden und Wiederkommen mit den ihm erreichbaren Gegenständen selbst in Szene setzte«.2 Im Sinne des Lustprinzips stünde dabei das Wiederer scheinen im Vordergrund; das inszenierte Fortgehen der Mutter, das Wegwer fen der Spule, wäre also lediglich seine pragmatische Voraussetzung und nicht selbst Motiv der Spielhandlung. Dieser Deutung hält Freud entgegen, daß oft genug •nur der erste Akt, das Fortgeben, für sich allein als Spiel inszeniert wurde«.3 In einer zweiten Deutung unterlegt Freud dem Spiel ein anderes Motiv, indem er den Moduswechsel in der Wiederholung als zentral herausstellt: Das
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Kind war beim Fortgehen der Mutter »passiv, wurde vom Erlebnis betroffen und bringt sich nun in eine aktive Rolle, indem es dasselbe, trotzdem es unlustvoll war, als Spiel wiederholt«: Dieses Bestreben wäre seines Erach tens möglicherweise einem »Bemächtigungsstreben« zuzurechnen, dessen Befriedigung also unabhängig von der Lust- oder Unlustqualität des Bemäch tigten selbst lustvoll wäre. s In einer dritten Deutung dieses Spiels argumentiert Freud, »das Wegwer fen des Gegenstandes, so daß er fort ist, könnte die Befriedigung eines im Leben unterdrückten Racheimpulses gegen die Mutter sein« und bedeuten: »Ja geh' nur fort, ich brauch dich nicht, ich schick dich selber weg.«' Es sei, fügt Freud hinzu, an Kindern häufiger zu beobachten, »daß sie feindselige Regungen durch das Wegschleudern von Gegenständen an Stelle der Perso nen auszudrücken vermögen.«7 Ohne sich für eine der von ihm gegebenen Deutungen des Spieles klar entschieden zu haben, schließt Freud seine Betrachtung mit einer allgemeinen Bestimmung des spezifischen Lustgewinns aus solchen, als Wiederholung eines Unlustvollen funktioruierendeo Kinderspielen : »Indem das Kind aus der Passivität des Erlebens in die Aktivität des Spielens übergeht, fügt es einem Spielgefährten das Unangenehme zu, das ihm selbst widerfahren war, und rächt sich so an der Person dieses Stellvertreters«.' I n dieser Aussage bezieht sich Freud konkret auf die spielerische Wiederholung eines kleineren ärztli chen Eingriffs, die das von ihm betroffene Kind an einem Spielgefährten vollzieht. Aber man braucht nur an die Stelle des Spielgefährten die Holzspu le zu setzen, um zu erkennen, daß Freud hier eine komplette, alle von ihm behandelten Phänomene umfassende Bestimmung der Struktur des Kinder spiels zu geben sucht. Zugleich wird aber eine spezifische Uneindeutigkeit in Freuds Darlegun gen bemerkbar, und zwar den Status des spielerischen Mediums Spule/ Gefährte betreffend. Denn einerseits steht etwa der Spielgefährte - so ihm vom Kind zugefügt wird, was diesem widerfuhr und ihm also jetzt selbiges widerfährt - für das Kind; welches wiederum (dem Spielgefährten dies antu end) in diesem Augenblick als der Arzt figuriert. Andererseits soll aber, gemäß der Logik der dritten Deutung, der Spielgefährte diesen Arzt vertre ten, an dem sich ja das Kind (in effigie) zu rächen sucht. Und eben diese Rache agierend, würde das Kind nicht den Arzt figurieren, sondern als es selbst. In dieser Wiederholung würde also gleichzeitig gelten, daß der Ge fährte sowohl das Kind als auch den Arzt-, und das Kind sich und zugleich den Arzt repräsentiert. Wendet man sich jetzt der Szene mit der Holzspule zu, um deren Status (in der Stellvertretung) zu bestimmen, so stellt man erst einmal fest, daß Freud sie in seiner Darstellung des Spiels eindeutig mit der Mutter gleichsetzt. Während dagegen Lacan in seiner Analyse dieses Spiels ausdrücklich das Gegenteil feststellt: »Die Spule ist nicht die Mutter ( ), sie ist vielmehr ein kleines Etwas vom Subjekt, das sich ablöst, aber trotzdem ihm zugehörig ist.«' Gegen Freuds Position ist in der Tat einzuwenden, daß sie seiner späteren, abschließenden Aussage zu diesem Kinderspiel nicht Rechnung
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trägt; denn auf ihrem Hintergrund würden sich die Verhältnisse der Stellver tretung in der Spule wesentlich komplizierter darstellen. Angenommen, die Spule steht für die Mutter, dann stünde das Wegwerfen der Spule - ihr vom Kind verursachtes Verschwinden - für das Fortgehen der Mutter. Andererseits sagt aber Freud (auch), daß dem Objekt des Spiels das angetan werde vom Kinde, was diesem selber widerfahren ist. Aber hat das Kind denn, wenn es die Spule verschwinden läßt (i. e. die Mutter fortgehen macht) der Spule angetan, was ihm widerfuhr? Doch wohl kaum, denn ihm ist ja nicht sein Verschwinden, sondern sein Verlassen-werden angetan worden. So gesehen läßt das Kind also eigentlich die Spule das tun, was die Mutter tat fortgehen - und nicht das, was ihm dabei widerfuhr: verlassen werden. Aber läßt nicht vielleicht das Kind, mit dem Wegwerfen der Spule in die aktive Rolle der Mutter schlüpfend, sich gewissermaßen selber zurück, wie es die Mutter ihm antat? Für die also jetzt die ,fortgehende< Spule stünde, in die sich aber doch andererseits gerade eben noch das Kind, die aktive Rolle der Mutter übernehmend, versetzt hatte!? Man bemerkt, die auf den ersten Blick einfach erscheinende Wiederholung der Erfahrung des mütterlichen Fortgehens ist von einar gründlich unlogi schen Verwickeltheit. Die Stellvertreterischen Verhältnisse in der Holzspule sind wohl nicht so eindeutig wie Freud annahm, und es ist zu erkennen, daß in der Wiederholung dieser Erfahrung die Spule sowohl den mütterlichen wie den kindlichen Part der Ausgangsszene figuriert. Dies wird in seiner paradoxen Struktur vollends deutlich, wenn man jetzt an der Spule die am Beispiel des Spielgefährten durchgeführte Analyse wiederholt und versucht, beide Aspekte des Spiels gleichzeitig zu explizieren: daß das Kind der Spule etwas zufügt, was ihm widerfuhr (d. h. Spule = Kind); und es gleichzeitig der Spule etwas antut, das es rächend der Mutter anzutun unterlas sen hat (d. h. Spule = Mutter). Denn dann wird man nicht vor der Formulie rung zurückschrecken dürfen, daß das Kind an der es stellvertretenden Spule sich selbst antut, fortgegangen zu sein, bzw. daß es in dem Wegwerfen der Spule sich zugleich verlassen werden läßt (Spule = Mutter) und auch fortgehen macht (Spule = Kind). Aber ist das nicht ein kaum mehr heiterer Nonsens zu sagen, das Kind mache sich im Wegwerfen der Spule fortgehen, es lasse sich derart verschwinden? - Warum dann nicht gleich sagen, das Kind tue sich im Wegwerfen der Spule an, fortgegangen zu sein und sich bzw. die Mutter verlassen zu haben? Dem wäre aber doch mit aller Entschiedenheit entgegen zuhalten, daß es schließlich ganz eindeutig nicht das Kind, sondern die Mutter war, was sich in der Ausgangsszene entfernte. Wirklich? -Und >eindeutig< für wen? Man vergegenwärtige sich, daß in dem Stadium der frühkindlichen Ent wicklung, in dem sich Freuds Enkel (18 Monate) befand, die Subjekt/Objekt Differenzierung noch lange nicht ihre endgültige und rationale Struktur besitzt. - Daß also jenes frühe subjekt- und objektlose, undifferenzierte Erfahrungskontinuum noch nicht sehr stabil und ganz bestimmt nicht voU ständig im Sinne der >Objektivität< der Erwachsenenwelt polarisiert und derart identifiziert ist, daß etwa >Mutter ist Mutter = Objekt< und >Ich bin Ich =
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Subjekt< �efinitiv gelten würden. Dann enthüllen die in ihrer Kompliziertheit vielleicht haarspalterisch erschienen Beschreibungen ihren psychologischen Sinn. Denn im Horizont dieses vom »Adualismus• (Piaget) der frühesten kindlichen Erfahrungen noch nicht weit entfernten Zustandes ist es durchaus nicht allein die Mutter, die da fortgeht, sondern auch etwas vom Kind; und ist das, was da verlassen wird, nicht allein •Kind<, sondern auch etwas •Mutter<. Geht man also nicht von solchen distinkten und rationalen Verrechnungen der Erfahrung aus, wie sie die eben angeführten Gleichungen definieren, und berücksichtigt man, daß im Kind noch viel von der Logik lebendig ist, in deres einmal die mütterliche Brust nicht als Teil eines äußeren, fremden Objekts ·Mutter• realisierte, sondern als einen (wenn auch recht eigenwilligen) Teil von sich (vgl. Spitz)10; und nimmt man an, daß das Kind immer noch von der Mutter ein Gefühl haben mag ähnlich dem, das es für seine, ihm ja auch nicht immer gehorchenden Hände oder Beine besitzt, dann wird verständlich, wieso das Kind im Fortgehen der Mutter auch etwas von sich selber fortgehen erfahren muß. Und um sich der kompletten Gemischtheit seine.r Gefühle anzunähern, wird man sich wohl auch vorzustellen haben, daß das Kind in seiner Bearbeitung der Ausgangsszene nicht etwa nur im Sinne der von Freud angeführten Rache frohlocken kann, die Mutter beseitigt zu haben, sondern sich gleichzeitig schuldig fühlen, sie verlassen zu haben; und daß es im selben Moment auch sein eigenes Verschwinden betrauern und der Mutter vorwerfen kann (•wäre die Mutter geblieben, wäre ich nicht verschwunden<).11 Das Ambivalente der Ausgangsszene, das durch das beschriebene Changie ren der Stellvertreterischen Verhältnisse in dem Medium (Spule) ihrer Wieder holung angezeigt wird (einmal figuriert die Spule das Objekt, die Mutter, und einmal das Subjekt, das Kind, und dann wieder beide zugleich) - es läßt nun einen ganz neuen Sinn in diesem Kinderspiel entdecken. Ist es nicht vielleicht zentrale Funktion dieses Spiels, in der gegenständlichen Wiederholung der Szene des Fortgehens der Mutter die offene und gewiß ungemein zehrende Ambivalenz ihrer Erfahrung aufzulösen? - Und zu fixieren, wer wen verlassen hat bzw. was das ist, was immer noch da ist, und was das war, was nicht mehr da ist? Mic anderen Worten, gehe es da nicht vielleicht darum, einen ebenso dynamischen wie diffusen zirkulären Erfahrungskomplex ritualisierend zu stabilisieren und ihn in seinen gegenständlich organisierten Wiederholungen probeweise zu polarisieren, um in die wechselnden polaren Figurationen schließlich irgendwann >Ich-Subjekt< und >Mutter-Objekt< wieder stabil oppo niert einzuschreiben? Für diese Hypothese wären die folgenden Argumente anzuführen. Im Horizont seines noch lange nicht vollständig und stabil polarisierten Erfah rungskontinuums, in dem das Kind noch ausgesprochen handlungsabhängige und ,.affekt-perspektivische« (Werner) Formationen von •Subjekt< und ·Ob jekt< herausbildet, kann das Ereignis, das der Erwachsene als das Fortgehen der Mutter definiert, sich dem Kind kaum derart distinkt als das darstellen. Und damit dürfte ihm auch der daraus resultierende affektive Zustand nicht so eindeutig als der des Verluste.s der Mutter unerträglich sein, wie es Freuds Überlegungen implizieren. - Allerdings genausowenig eindeutig als der Zu'
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stand eines Selbstverlustes, den wohl La.can annimmt, der in diesem Zusam menhang von der Erfahrung einer •Selbstverstümmelung• spricht.11 Man wird ihn vielmehr als den gespannten Zustand einer ausgeprägt gemischten, diffus zirkulären Affektion zu charakterisieren haben. Es hieße nun aJlerdings die Uoerträglichkeit dieses affektiven Zustandes gänzlich verkennen, sähe man sie allein in der aktuellen und konkreten Situation, im Fortgeben der Mutter begründet. Man versteht sie nur, wenn man diese Situation als eine Akrualisierung früherer Ambivalenzkonflikte begreift, als ein Aufscheinen jener •ursprünglichen Ambivalenz•, deren zen trale Rolle bei der Herausbildung des •Psychismusc sich bei Lacan ebenso wie bei Spitz oder etwa bei Melanie Klein herausgehoben findet.u Die damit berührten metapsychologischen Fragen einmal hintangestellt, hieße das, daß das Thema jenes Spiels mit der Holzspule eine grundlegende Ambivalenzerfahrung ist, die durch die Ausgangsszene, das Fortgehen der Mutter, nur aktualisiert wurde. So gesehen ginge es in diesem Spiel gar nicht so sehr um eine wie immer geartete Verarbeitung des Verlustes der Mutter (Freud) oder des imaginären Selbst (Lacan), sondern zentral darum, die im Fortgehen der Mutter aufgebrochene traumatische Ambivalenz zu bannen. Die Wiederholungen würden also keinen anderen Zweck verfolgen, als in den spielerischen Ritualisierungen der ambivalenten Szene diese schließlich zu vereindeutigen und das zu definieren, was da in ihr fortgegangen ist und was in ihr verlassen wurde. - Um in der schließliehen Bestimmtheit, es war das >Mutter<, was sich da entfernt hat, und es war das nicht >Ich< was verschwand (um nur das normale Lösungsschema zu nennen), die Ambivalenz aufgehoben zu haben.• • Die andere Lösungsversion, die Vereindeutigung der Erfahrung jener Szene als eine Entfernung nicht der Mutter, sondern des eigenen Ichs, und die daraus resultieren de erfahrungsrelative Selbstabwesenheit könnten viel leicht mit dem als Autismus angesprochenen Störungskomplex zusammen hän �en. Emiges spricht dafür, daß der als >Schmollen< bezeichnete Reaktionstyp diese ostentative Verweigerung jeden Verhaltens zur Welt, die einen nicht verdient hat und die man nun mit seiner Absenz bestraft - ein Residuum dieser Lösungsversion >Selbsteotfernung< darstellt. Denn die sicher jeder mann noch erinnerlicbe Schwierigkeit, aus dieser Haltung heraus- und wieder zur Welt zu finden, zeigt an, daß der Schmollende, die Präsenz der Welt negierend, sich schließlich auch der eigenen - süßer Sieg der Entsagung - enthoben bat. In seiner imaginären Inexistenz triumphiert der Schmollen de als sein eigenes Opfer (- und nicht mehr das der Welt). Die eindeutige Erfahrung der Ausgangsszene als •Fortgehen der Mutter< stellt also eine Lösung und nicht etwa das originäre Problem dar. Oder genauer gesagt, in ihr ist etwas Problematisches zwar nicht gelöst, aber lösbar gewor den, indem es ein Anderes wurde: Es ist da aus einem Trauma, aus einem diffusen, unpolarisierten Spannungskomplex - sozusagen aus einer affektiven Torsion - ein austragbarer polarer Konflikt geworden, dessen Bewältigung sich jetzt an einem Gegenüber, an der Mutter, organisieren kann.
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Es bliebe noch vieles an dem zu prä.zisieren, was hier schlicht als >Auflösung< der Ambivalenz angesprochen wurde. Denn schließlich verschwindet sie ja nicht einfach, sondern erfährt sie nur eine immer differenziertere und zuneh mend irreversibel polarisierte Organisation, wie das bei Lacan ausführlicher dargestellt wird.'� Hier dagegen ist es von höherem Interesse, die Rolle der Spule noch genauer zu untersuchen, um an ihr etwas über die Funktion des Gegenständlichen in diesem Zusammenhang der Auflösung von Ambivalen zen zu erfahren. Da wäre als erstes festzuhalten, daß die Holzspule die materielle Be-Dingung für die Wiederholung der problematischen Erfahrung darstellt. Damit erfüllt sie jene schon angesprochene psycho-logische Funk tion des Gegenständlichen (vgl. S. 94 f.), einer Erfahrung anschauliche Wie derholbarkeit zu geben, in der dem Psychismus einerseits ihre Aneignung und anderseits seine Vergewisserung als Subjekt dieser Erfahrung möglich wird. Es ließe sich im übrigen so weit gehen zu sa gen, daß sich der Psychismus überhaupt erst in der ihm qua Gegenstän dlichem (materialsymbolisch) gegebenen Wiederholbarkeit als solch er konstituiert bzw. selbst kenntlich wird. Was sich aber sofort relativiert, vergegenwärtigt man sich, daß hier an anderer Stelle umgekehrt die Wiederholung als ein wesentlicher Faktor der psycho-logischen Konstituierung von >Gegenständlichkeit< gekennzeichnet wurde. Die mit der Spule gegebene, gegenständliche Wiederbolbarkeit der Ambiva lenzerfahrung ist zunächst gänzlich unspezifisch in bezugauf die Stellvertrete rischen Verhältnisse in der Spule. Die werden erst geschaffen und spezifiziert durch die sich an der Spule organisierende Spaltung, mit der die Polarisierung der Ambivalenzerfahrung betrieben wird. Die verschiedenen Beschreibungen zeigten schon, daß mit dieser Spaltung noch nicht gleich das sich jetzt Gegenübersteheode stabil identifiziert ist: Das Abgespaltene- also das, was als ein entgegenstehend Gegenständliches realisiert wird - ist einmal >Mutter< (Spule = Mutter) und das andere Mal •Kind< (Spule Kind). Das, was als ein entgegenstehend Gegenständliches abgespalten wird, figuriert einmal das Subjekt (verschwundene Spule - verschwundenes Kind: das Kind als fortge verschwun gangen) und das andere Mal das Objekt (verschwundene Spule dene Mutter: das Kind als verlassen). In den verschiedenen, wechselnden =
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Figurationen der Spaltung wird gewissermaßen exploriert, in welcher der möglichen polaren Vereindeutigungen - Spule gleich Mutter oder gleich Kind - der diffuse Ambivalenzkomplex leichter zu bewältigen und seiner affektiven Torsion zu entkommen ist. Wann ist seine Bewältigung praktikabler, - wenn das Verschwundene >Subjekt< (Spule = Kind) oder wenn es >Objekt< (Spule Mutter) ist; - wenn das Zurückbleibende (Verlassene) zum Objekt oder zum Subjekt gemacht wird; - wenn das Abgespaltene oder wenn das Abspaltende als Subjekt identifiziert wird; - wenn . . . ? Gleichgültig, welche dieser (beiden) Positionen in der Spaltung vom Kind in seinem Spiel bezogen wird, es konstituiert sich erst in dieser Spaltung als Subjekt. Es geht also in diesem Kinderspiel nicht um die »Wiederholung des Fort.gehens der Mutter als Ursache für eine Spaltung im Subjekt«, wie Lacan in =
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diesem Zusammenhang meint.'' Es wird da in der Wiederholung nicht auf eine Spaltung reagiert, sondern das situative Aufbrechen einer ursprünglichen Ambivalenz mit einer Spaltung zu bewältigen gesucht. Und in ihr erst re konstituiert sich wieder, was die a.n der genetisch frühen •primary confusion« (Sandler) anknüpfende aktuelle Ambivalenzerfahrung ineinander verschwim men ließ, das Subjekt und das ihm (intentional) Entgegenstehende, das Ob jekt: Eigentlichkeit und Gegenständlichkeit. 17 Präziser formuliert, erst durch die Spaltung werden in jenem Ambivalenzkomplex die Oppositionen geschaf fen, in die •Subjekt< und •Objekt< eingeschrieben werden und ihre endliche Eindeutigkeit, ihre Identität erhalten. Hier ist jetzt auch die im ersten Teil der Arbeit aufgeworfene Frage nach der psychologischen Spaltung zu beantworten und das dort nur vermutete >Uner trägliche< erkennbar, gegen das sie als eine Strategie eingesetzt wird. Es ist dieser ursprüngliche traumatische Ambivalenzkomplex, der erst durch die Spaltung, beziehungsweise an dem durch sie geschaffenen psycho-logischen Gegenständlichen (am Abgespaltenen) austragbar wird: Die Spaltung führt aus der affektiven Torsion eines Traumas heraus, in dem sie es in einen polaren Konflikt verwandelt. Die Spaltung ist also kein Trauma, sondern hebt eines auf, indem sie Konflikte schafft. - Zum Beispiel Gegenstände. Was hier in einem Kinderspiel exerziert wird, die gegenständliche Auflö sung von Ambivalenzen, dürfte wohl einen allgemeinen psychologischen Aspekt des Gegenständlichen widerspiegeln. Unterstellt man, daß den Dingen eine besondere Rolle als Medium der Ambivalenzabwehr zukommt aufg rund der Tatsache, daß die Auflösung der uranfänglichen, primären Kon fusion wesentlich zusammenfällt mit den ersten Erfahrungen von Gegenständlichkeit, dann ergibt sich daraus eine Perspektive z.ur Klärung der Abkunft der Ambivalenz. In dieser Erklä rungsperspektive wird einerseits diese Unterstellung plausibler und läßt sich andererseits jetzt auch die Unschärfe auflösen, die der Begriff der Ambiva lenz in seinem hier geübten Gebrauch oft genug besaß. Denn häufig bezeichnete er da eine Verfassung, die in ihrer Differenzlosigkeit weit von der Bipolarität entfernt war, die dieser Begriff unterstellt, und die deshalb häufi�er (wenn nicht der Begriff >Ambivalenzkonflikte aushelfen mußte) als >Torston< oder mit Sandlers Begriff der •primären Konfusion< gekennzeich net wurde. Die Schwierigkeit begrifflicher Distinktion nicht als von ungefähr verste hend, sondern als Verweis auf einen wenn auch noch ungeklärten Zusam menhang in der Sache, ließe sich der jetzt auf zweierlei Weise denken: Interpretiert man die Ambivalenz als eine Verfassun �, in der es dem von zwei kontroversen Tendenzen bewegten Subjekt situattv unmöglich ist, sich in einer zu vereindeutigen, und es also partiell konturlos geworden ist, insofern als da eine stabile Differenz fehlt, dann erscheint die Ambivalenz als ein situatives Wiederaufleben jener einstmals allgemein herrschenden •primären Konfusion<. Andererseits ist aber die Ambivalenz nicht ein reiner Abkömmling dieser frühen differenzlosen Verfassung, denn ihre polare Struktur weist sie schon als ersten Versuch deren Gliederung aus. In ihrer polaren Organisation führt die Ambivalenz zwar tendenziell aus der •primären Konfusion< her-
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aus, aber insofern als das von ihr Polarisierte wie in einer }(jpJfigur changiert, repräsentiert sie mit dieser ihr eigentümlichen Dynamik noth die Verfassung, die in ihr schon überschritten ist. Es wäre nun gewiß lohnend, das psycho-logische Funktionieren der Dinge (namentlich die sich an ihnen organisierenden Wiederholungen und Gevohn heiten und die machioalen Tätigkeiten ganz allgemein) einmal unter dem psychohygienischen Aspekt der Ambivalenz-Abwehr zu untersuchen aber das muß einer noch zu begründenden Allgemeinen Theorie der Gemis:h:en Gefühle vorbehalten bleiben .
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Das Bonbon oder Der »süße Tod des Für-sich« (Sartre) Beispiel einer Handlungsplastik Als ein Beispiel jener Form psycho-logischer Gegenständlichkeit, die inner halb der Morphologie des Gegenständlichen als •Handlungsplastik< gekenn zeichnet worden war, sei hier eine Beschreibung des Bonbonlutschens ange führt.' ·Am Anfang steht das Bonbon, noch eingewickelt in knisterndes Papier. Ein süß-schwangeres Oval in der Mitte; der Räumlichkeit des Mundes kom plementär, verspricht es ihm Füllung; und rechts und links abgewirbelt, zwei eher platte Dreiecke. Da, wo diese an das Runde in der Mitte grenzen, herrscht erwas störend Ungefähres und die Dreiecke noch schärfer an die runde Mitte herandrehend, wird es gewissermaßen zugedreht. Die immer fester gezwirbel ten Verbindungen dürfen nicht reißen, aber es sollte sie nicht geben, eigentlich nur ein Rundes zwischen zwei Keilen. Irgendwann dann eine Entscheidung: Ein vorsichtiges horizontales Ziehen an den Dreiecken, horizontal von der Mitte weg, und das Rund beginnt zu rotieren. Bei seinem Stillstand bildet alles nurmehr eine fast flache, längliche Tasche. Ein Fingerdruck, von unten her, läßt sie sich wölben und das Bonbon aus dem sich öffnenden Schlitz heraustreten. Es kann von den Lippen aufge nommen werden. Der Prozeß des Entkernens ist abgeschlossen und ein anderer, der des Einkeroens, beginnt. Die gespitzten Lippen greifen das Bonbon auf, entlassen es umständlich in den Mundraum, wo es schließlich von der Zunge mit erwartungsvollen Wendungen empfangen wird. Süße entwickelt sich, öffnet sich zu einem kleinen schmeichelnden 0 und hat bald den Mund in eine süße, klebrig-gierig pulsierende Kugel verwandelt, die, sich ausweitend, mehr und mehr verein nahmt. Man selbst wird eingerundet und existiert schließlich nurmehr als die feine, immer gespanntere Peripherie dieser Süßkugel ; man schließt die Augen und implodiert endlich: Selber Kugelcharakteristik annehmend, bildet man enen i Gegenstand mit der im Süßen rundgewordenen Welt. Diesem •inneren< Geschehen einher verläuft ein ·äußeres< : Das leere Bon bonpapier wird glatt und glatter gestrichen, bis es ein planes Viereck bildet, das um den Finger zu einer zylindrischen Röhre gedreht und schließlich zu immer kleineren Flächen gefaltet wird. Und wenn die Süßkugel ihre Spannung zu verlieren beginnt, verflacht und zerfällt, nimmt das Papier zwischen den Fingern immer unordentlichere, zunehmend klumpendere Formen an; und wenn dann die Süße nurmehr die feine zehrende Linie eines Entzuges bildet, ist es endlich zu einem kleinen, harten Kügelchen zusammengepreßt das man gerne sehr weit wegschnippt.• Versteht man das beschriebene Insgesamt gestischer, stofllicher und gusta torischer Momente als eine Handlungsplastik, so ist die Realität, die das Bonbon in ihr besitzt, weder mit seiner chemisch oder physikalisch definierba ren Gegebenheit gleichzusetzen noch mit dem, was sich an den Geschmacks-
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nerven abspielt. - Ist es nicht dieses konkrete, dreidimensionale Ding, sondern eine Inszenierung: Zentrum der szenischen Materialisation eines Zustandes, in dem die Differenz von Subjekt und Objekt situativ aufgehoben ist und der so jenem nahekommt, der (u. a.) bei Piaget unter dem Begriff des ·Adualismusc und bei Freud unter dem der •primären Identifizierung• beschrieben und als die früheste ontogenetische Verfassung des Psychismus charakterisiert wird.l Von daher gibt diese Handlungsplastik einen Hinweis darauf, daß dem Psychismus in einer ihm qua Ding gegebenen Gegenständlichkeit nicht nur möglich wird (wie in ontogenetischem Zusammenhang festgestellt), aus der •primären Konfusion• (Sandler) heraus- und zu ersten Oppositionen von Selbst und Sache zu kommen, sondern ebenso sich wieder in diesen Zustand zurückzuversetzen, momenthaft zumindest. Als das psychologische Thema dieser Handlungsplastik wäre also das in der Aneignung der Welt (qua Ding) sich selbst intentional aufhebende und mit ihr eins werdende Subjekt. Auf ihre spezifische Konstruktion wird im Anschluß und im Lichte der nun folgenden Auseinandersetzung mit Sartres Analyse des Klebrigen noch näher eingegangen werden. In den Mittelpunkt seiner Phänomenologie des Klebrigen stellt Sartre die Erfahrung einer merkwürdigen Verkehrung : In seiner zähflüssigen Weichheit erscheine das Klebrige (z. B. Honig oder Pech) zunächst ,.fügsam• und leicht anzueignen zu sein; •indessen, in eben dem Augenblick, in dem ich es zu besitzen glaube, besitzt es plötzlich mich ( ) •.3 Es sei sich seiner nicht zu entledigen wie eines festen Gegenstandes : •Ich mache meine Hand auf, will das Klebrige loslassen, aber es bleibt an mir haften, es pumpt mich aus und saugt mich an; seine Seinsweise ist weder die beruhigende Trägheit des Festen noch eine Dynamik wie die des Wassers, das sich darin erschöpft, mir zu entfliehen: sie ist eine Art weicher, teigiger, weibischer Aktivität des Aufsau gens, es lebt verborgen unter meinen Fingern und ich fühle eine Art Schwindel, es zieht mich in sich, wie der Grund einer Schlucht mich anziehen könnte. ( ) Ich vermag es nicht mehr, den Vorgang der Aneignung aufzuhalten.•• Sanre spricht hier von einer •Aneignung des Besitzenden vom Besessenen•, von einer •Umkehrung•, die •das Für-sieb kompromittiert• . ' Und damit wird für Sanre am Klebrigen ein Schicksal auf paradigmatische Weise erfahrbar, das dem Psychischen in all seinen Verhältnissen zu Gegenständlichem drohe, nämlich ·die Möglichkeit, daß das An-sich das Für-sich aufsaugt; das beißt, daß sich ein Sein in Umkehrung des >An-sich-Für-siehe bildet, in dem das An sich das Für-sich in seine Kontingenz, in seine indifferente Äußerlichkeit und seine Existenz ohne Grund hineinziehen würde•.' Die Erfahrung des Klebrigen als •Rache des An-sich« und als widerlich bringt Sartre zusammen mit einer •Art Grauen vor einer Verwandlung•: •Das Klebrige berühren heißt, Gefahr laufen, sich in seiner Klebrigkeit aufzulösen•; •es ist nicht die Furcht vor dem Tode, vor dem reinen An-sich oder dem Nichts, sondern Furcht vor einer besonderen Seinsart ().•7 Wenn Sartre über diese vom Klebrigen •dargestellte• Seinsweise sagt, in ihr seien alle Unter scheidungen zwischen Psychischem und Physischem •transzendiert•, sie sei •vom Individuellen gesäubert« und eine •präpsychische•', dann drängt sich
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der Vergleich mit der hier unter dem Terminus der •primary confusion• (Sandler) geschilderten Verfassung des Jenseits-von-Subjekt-und-Objekt auf. Und in dieser Sicht wäre das, wa:s Sartre ontologisch, als einen seinsmodalen Bruch im Subjekt, argumentiert, dann auch wieder psychologisch aufzugrei fen und in der Logik einer Regression zu verstehen.' Das Spezifische der psycho-logischen Gegenständlichkeit des Klebrigen liegt also darin, daß seine Erfahrung zurückwirft in einen Zustand, in dem das Psychische nicht von dem ihm Gegenständlichen geschieden ist. Dieser diffe renzlose Zustand, der nach Sartre� •dauernd das Bewußtsein als die beständige Gefahr, der es entflieht, beunruhigt•, ist für ihn aufgrund seiner bewußtseins theoretischen Orientierung wesentlich mit der Erfahrung von Schrecken verbunden.10 Daß dies so unbedingt nicht gilt und in dem Jenseits-von Subjekt-und-Objekt, das sich in der Erfahrung des Klebrigen eröffnet, durch aus verführerische, lustvolle Qualitäten liegen, darauf läßt schon der Regres sionszusammenhang schließen, in den es hier gestellt wurde. Sartre deutet es im übrigen mit einer Bemerkung über das zuckrig Klebrige selbst an: •Das süße Klebrige ist das Ideal des Klebrigen; es symbolisiert den süßen Tod des Für-sich (die Wespe, die in der Marmelade hängenbleibt und erstickt). • 11 Gerade die beschriebene Handllungsplastik läßt deutlich werden, daß jenes Aufgesogenwerden das Für-sich, von dem Sartre spricht, nie nur Schrecken, sondern immer auch Lust bereitet. Die Phänomene, die sich um das Lutschen des Bonbons herum verhaltens- und erlebensmäßig organisierten, zeigten, wie sich beides in der psycho-logischen Gegenständlichkeit des süßen Klebrigen durchdringt, und daß die Konfusion von Selbst und Sache durchaus intentio nal sein kann. In diesem Sinne ist an dieser Handlungsplastik zweierlei herauszustellen. Einmal illustriert sie das, was Sartre im Zusammenhang des Klebrigen allgemein und dessen Ideals, des Süßen, als die ,.Verschmelzung der Welt mit mir• und als den •süßen Tod des Für-sich« ansprachY Sie machtaber zugleich sichtbar, daß sich darin, um Sanres Worte zu gebrauchen, nicht notwendig eine •Rache des An-sich• manifestiert, sondern auch eine vom Für sich ausgehende Tendenz erfüllen kann. Diese tritt vor allem, und das wäre zweitens bemerkenswert, in den Ritualien zutage, die den Prozeß flankieren, in dem sich das Subjekt schließlich in seiner Gegenständlichkeit aufhebt, und die einen eigentümlichen Kontrast zu ihm bilden. Man kann das rituelle Moment und die teilweise geometrischen Muster, die das gesamte Verbalten durchziehen, im Sinne eines Absicherungsversuches oder eines Widerstandes gegen das Aufgesogenwerden verstehen; man kann in ihm einen dem •Grauen vor der Verwandlung• entspringenden Gegenzauber sehen; aber auch eine Strategie der >Steigerung durch Kontrast< erkennen. Gleichwie, sie sind hier ein integrales Moment der von Sanre beschriebenen Verkehrung der Aneig nung, in der die distinkten Grenzen von Ich und Welt verschwimmen und dem Psychismus schließlich seine Re-TotaJisierung jenseits der handlungspragma tischen Differenz von Subjekt und Objekt (situativ) möglich wird. Was den Schluß nahelegr, daß die eigentümlich zeremoniellen Formen dieses •süßen Todes des Für-sich« eben den Anteil repräsentieren, den es selbst an seiner eigenen Aufhebung hat.
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Studien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge
Daß Sartre in ihr nur Schrecken und Widerfahrnis erkennt und die aktive Tendenz des Psychismus übersieht, sich in der ihm qua Ding gegebenen Gegenständlichkeit zu re-totalisieren, erklärt sich leicht aus seiner Tendenz, das sich in diesem Prozeß auflösende Bewußtseinssubjekt mit dem Psychi schen gleichzusetzen. Abscnließend ist einzuräumen, daß die einleitende Beschreibung jene als Handlungsplastik gekennzeicltnete frühe Form der Gegenständlichkeit des Gegenständlichen natürlich nur in einer späten, kultivierten Version wieder gibt. Mit ihr wird aber nur einmal mehr deutlich, daß dieses Gegeoständlich keitskonzept nicht einfach durch das spätere Objekt-Konzept annihiliert wird.
Der >Flipper< -Automat oder Der Lauf der Dinge Analyse eines gegenständlichen Weltmodells Die folgende, auf verschiedene empirische Untersuchungen zum Flipper-Spiel gestützte Studie• behandelt einen Aspekt des Gegenständlichen, auf den zum ersten Mal Barthes in seinen •Mytben des Alltags• hingewiesen hat. Vor allem mit seiner semiotischen Analyse eines Automobils demonstriert er dort, wie komplexeres technisches Gerät in seinen einzelnen apparativen Funktionen und in den Details seines Designs eine Rhetorik entfalten kann, die es instand setzt, umfassende Philosopheme zu formulieren.2 Als Beispiel eines solchen gegenständlichen Philosophems soll hier der Flipper-Automat untersucht werden, dessen Apparatur - wie zu zeigen sein wird - nicht einfach nur die Summe technischer Lösungen für bestimmte Spielfunktionen darstellt, son dern zugleich eine symbolische Lebenswelt. Schematische Beschreibung des. Flippers p iels: Der Apparat besteht aus einer horizontalen, nach vorne leicht abfallenden Spielebene und einer vertikalen Anzeigefläche an ihrem hinteren Ende. Nach dem Abschuß der Kugel berührt diese verschiedene, über die ganze Spielebene verteilte elektro mechanische Kont.akte, wobei jedesmal unterschie�liche Punktzahlen auf der Anzeigefläche sichtbar gutgeschrieben werden. Uber zwei an den Seiten des Apparates liegende Knöpfe werden zwei oder mehrere Hebel - die »Flipper• - bedient, die zumeist in der unteren Spielfeldhälfte angebracht sind. Mit ihrer Hilfe kann der Spieler die Kugel je nach ihrem Lauf daran hindern, durch den am Tiefpunkt der Spielfläche liegenden Ausgang zu verschwinden, bzw. sie wieder in die obere S p ielhälfte zurückschießen. Es können bis zu vier Personen an dem Gerät spielen, pro Spiel hat jeder Spieler drei bis fünf Kugeln. Bei hoher Punktzahl oder Auslösen spezieller Kontak te gibt der Apparat Freispiele. Bewegt ein Spieler während seines Spiels den Apparat zu stark, leuchtet auf der Anzeige das Wort »tilt« (•gekippt•) auf, der Apparat schaltet sich aus und erst dann wieder ein, nachdem die Kugel, ohne weitere Kontakte auslösen zu können, durchgelaufen ist. In Übereinstimmung mit der Untersuchung von Rene König (et al.) über das Spiel an Automaten) stellen Meistermann und Bingemer in ihrer psychoanaly tisch orientierten Studie zur »Psychologie des Automatenspiels« als ein •pri märes Spielmotive im Flipperspiel •Einübung und Lernen« heraus; daneben werden •Befragung des Glücks« und •Erprobung der eigenen Geschicklich keit« genannt! Weiterhin weist ihre empirische Untersuchung als eines der drei häufigsten Antwortthemen auf die Frage nach den Wirkungen des Spiels neben •Heiterkeit• und »Aktivität« das Thema •Alles wird verständlicher und erträglicher« aus.� Die sich aufdrängende Frage, worin denn der Flipper »einübte und was in ihm •verständlicher« und •erträglicher« ist, wird von den Autoren eher beiläufig und ausgesprochen •komplex< beantwortet. So wird die »Einübung« vage mit gesellschaftlichen Verhältnissen zusammengebracht.' Diese werden nun aber beileibe nicht als solche angesprochen, sondern in der
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für eine heruntergekommene Psychoanalyse typischen faulen )Tiefe< als Ma ma-und-Papa Geschichten analogifiziert. In diesem Fall liefert die Mutter das Erklärungsschema.' Ähnlich wie früher (und zum ersten Mal) an der Mutter, werde auch in der Gesellschaft die Erfahrung von Ohnmacht und Ausgelie fertsein gemacht; die Mutter erleichterte dem Kinde die ohnmächtige Einsicht, daß es sie nie besitzen oder beherrschen kann, durch die Duldung spielerischer Ersetzungen dieses Wunsches (es konnte ihn auf den eigenen Körper und später auf fremde Gegenstände übertragen); und ähnlich wie die Mutter dem Kinde auf diese Weise eine (fiktive) Unabhängigkeit seiner Lustgewinnung von ihrer Person und damit die Möglichkeit seiner (kompensatorischen) Entfaltung gewährte, - so funktioniere auch der Flipper in der Gesellschaft : ,.Wir sehen hier einen spielerischen Umgang mit dem technischen Gerät, das in seinem Ernst und seiner Bedeutung für die Gesellschaft und ihre Zukunft so wichtig ist, wie die Mutter für das Kind war. Denn beide, Mutter und Technik, garantieren für die Zukun.ft Wohlstand, Sicherheit, Sattheit, Lust. Im Spiel aber wird die Unabhängigkeit von aU diesem erlebt."'' Mit anderen Worten, ähnlich wie das Kind die notwendigen Frustrationen durch seine Mutter im Spiel bewältigt, bewältige der Erwachsene seine Frustration durch die Gesell schaft symbolisch im Flipperspiel. So ist denn auch »für Automatenspieler der Automat das endlich gewonnene Bild der immer vorhandenen und zugängli chen Mutter«; er tritt an das Gerät, )turn noch einmal sein Glück bei seiner Mutter zu probieren•.' Man wird sich eine Auseinandersetzung mit dieser >Psycho-Analyse< des Flippers als )0Mutter-Automatenc10 sparen dürfen. Das Muster regressiver Kompensation, mit dem sie aufwartet, könnte allenfalls erklären, wieso am Flipper ..alles erträglicher wird<(, würde aber immer noch nichts aussagen über das, worin der Flipper •einübt« und was in ihm •verständlichere wird. Laut Meistermann und Bingemer handelt es sich hierbei um die )treale Weite; zwar haben sie diese eben noch als im Flipper phantastisch kompensierte dargestellt, jetzt aber ist sie die im Spiel »kopierte•, und folgerichtig sind die Spieler nun •Repräsentanten des Realitätssinnes«.11 Was denn doch einigermaßen überra schen kann angcsichts der von den Autoren vorher beschriebenen regressiven
Phantastik, in der die Spieler am Flipper »die Auseinandersetzung mit einem konfliktreichen Erbe aus der Kindheit• abwickeln.11 Aber muß man wirklich erst den Flipper als/zum ,.Mutter-Automaten« deuten, um ihn dann als »Kopie• einer numinosen »realen Welt« zu verstehen und schließlich zu folgern, daß e r in sie •einübe«? Warum nicht einfach einmal ihn selbst in Augenschein nehmen und seine konkrete, sinnlich gegenständli che Ordnung beschreiben? Denn unabhängig davon, worin der Flipper ein übt, muß man sich doch erst einmal in den Flipper eingeübt haben, um an ihm spiden zu kö.nnen. Und wenn man die gegenständlichen Bedingungen be schrieben hat, in die sich da ganz unmittelbar einzuüben ist, wird sich zeigen, in welche Welt der Flipper »einübt«. Diesen Weg gehen, heißt nichts anderes, als eben die Fiktion zum heuristi schen Prinzip zu machen, welche die Verhaltens- und Erlebenszusammenhän ge im Flippern grundlegend organisiert, - daß die Kugel das eigene Leben sei ·
Der ,f)ipper•-Automat
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und ihr Lauf der Lauf des Lebens. Der Logik dieser Fiktion entsprechend, zeigen denn auch die psychologischen Explorationen zum Flipperspiel eine eigentümliche erlebensrelative Polarisierung zwischen der Kugel und dem Kasten auf. Während die Spieler sich mit der Kugel, ungeachtet ihres oftmals verwünschten Eigensinns, verbündet und ihr verpflichtet fühlen (schließlich hängt von ihrem Lauf die Länge des eigenen Spiels ab), erfahren sie den Kasten dagegen als Gegner. Die Gegebenheiten der Spielebene werden von den Spielern durchgängig als die widrigen Verhältnisse realisiert, die ihrer >Kom munion• mit der Kugel im Wege stehen, und durch die es sich gemeinsam hindurchzulavieren gilt. Auf dem Hintergrund dieser für die psychologische Realität des Spiels zentralen Identifizierung mit der Kugel und des •sympathetischen Mitvollzu ges• (Straus) ihres Laufes, bilden der Kasten und die konkreten Bedingungen der Spielebene psycho-logisch ein >Draußen<.u Dieses >Draußen< gilt es jetzt, in seiner Eigenart zu untersuchen; und indem es als ein Bild der >Außenwelt< beschrieben und in seinen Bedingungen expliziert wird, wird schließlich der Lauf der Kugel lesbar als Bild vom >Lauf des Lebens<. Der heuristische Kunstgriff besteht also gewissermaßen darin, den Apparat buchstäblich fürdie Welt zu halten und damit das methodisch zu tun, was die Spieler emphatisch vollziehen. In diesem Sinne wird der Flipper jetzt als wie eine Welt beschrie ben, um über seine gegenständlichen Bedeutungen schUeßlich an die ,.Ver ständlichkeit• heranzukommen, die er a.ls eine Figuration von Welt eben der •realen• vermittelt.
Der Flipper als die Figuration einer Welt Der Flipper steht schief: Die Kugel rollt auf einer schiefen Ebene; ihr Lauf ist unsicher, nur sein Ende nicht. Ihr Hin-und-Her und Auf-und-Ab, jede ihrer Bewegungen wird regiert von der Logik des Niedergangs. Hier ist die schiefe Ebene, die das bürgerliche Bewußtsein als Akzidenz begreift und auf die zu geraten ihm durch solide moralische Grundsätze abwendbar dünkt, zum Gesetz der Existenz erklärt. Die Kugel bewegt sich nicht, sie ist vielmehr der Bewegung ausgesetzt.- Ein Leben ist nicht zu führen, es widerfährt. Der Flipper ist ein geschlossener Kasten: Die Kugel läuft objektiv,- das Leben nimmt seinen Lauf. Die Welt, in der man sich bewegt, ist in sieb abgeschlossen; sie besitzt eine Ordnung, in die nicht einzugreifen ist. Wer an den Lauf der Dinge rührt, den Kasten bewegt, wird ausgesetzt: •tilt•. Zu verändern ist nichts, nur Optimierung ist - über die beiden innenliegenden Flipperhebel - zu erreichen, immanent. Es gilt nicht, umstürzlerische Entwürfe, sondern Fertigkeiten (•skillsc) zu entwickeln.14
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Studien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge
Der Flipper hat zwei Ebenen: Der Glamour und die Burleske der Spielebene mit ihrem >Freien Spiel der Kräfte• sind der schöne Schein einer elektronischen Unterwelt und ihres unergründlichen Kalküls. Das Leben ist in der Oberfläche, sein (Unter-) Grund ist dunkel. Es gibt Dinge, die man nie versteht, - sei's drum- oder •iust for fun« .11
Der Flipper besitzt ein Gleichgewicht: (fechnische Erklärung : In seinem elektronischen Teil hängt ein Pendel, dessen freies Ende in einem Metallring schwingt, wird der Apparat zu heftig bewegt, berührt das Pendel den Ring und löst damit einen Kurzschluß aus: •tilt« . Könner vermeiden das, indem sie die Ausschlagbewe�ng des Pen dels nach einem den Lauf der Kugel ändernden Stoß durch emen kleineren gegensinnigen Ruck überlagern und so fast aufheben.) Der Flipper setzt ein Maß und dessen eigennütziger Auslegung eine Grenze; wer es verletzt, wird ausgeschlossen und zählt nicht mehr: •tilt«. Man darf im Leben den Bogen nicht überspannen. Alles hat seine Grenzen; es gilt, sich drein zu schicken. Geschicklichkeit ist gut, aber Schicksal spielen zu wollen, bringt nur Mißgeschick. Dialektik einer system-immanenten, maßerhaltenden Negation, welche sich selbst wieder zurücknimmt (Stoß und gegensinniger Ruck): Es gilt, die Mitte zu finden.
Der Flipper gibt keinen Gewinn: Das Spiel geht in sich auf und aus, man spielt um die Länge des Spiels, und zwar des Spiels um die Länge des Spiels: Leben ist Überleben. Handeln ist nicht produzieren, sondern reproduzieren. Tätigkeit gewinnt kein von ihr erlösen des Produkt (nur ein Zeichen ihrer Effektivität: Zahlen), sie erschöpft sich in ihrer Leistung. Die Erfüllung des Wunsches nach Glück erfolgt numerisch, aus Wünschen werden Zeichen. - Zusammengefaßt: Wenn es giJr, was die genannten Autoren als Fazit ihrer Untersuchungen herausstellen, nämlich daß das Flipperspiel die •Realitätserkenntnis« schult•', dann ist die Welt, die dem Spieler im Flipper •verständlicher« oder genauer gesagt, selbstverständlicher wird, also insgesamt eine, in der alles seinen Lauf nimmt und deren Bedingungen unaufhebbare sind. Ihre zentrale charakteristi sche Bedingung ist eine allgemeine, alle Verhältnisse momentanisierende Instabilität (>schiefe Ebene•), die Pläne, Entwürfe und Erwartungen obsolet macht. Worauf es ankommt, sind Reaktivität, Fertigkeiten und •sich umstel len können«. 17 In dieser Welt hilft das Wünschen nichts mehr und ist es untragisch geworden: Es gibt kein Unglück mehr, nurmehr Ineffizienz. Geschicktes Ausspielen der Schwächen des Systems (frägheit des Pendels) ist das Maximale; an den Verhältnissen zu rütteln, bedeutet Ausschluß (•tilt«). Sinnfragen erübrigen sich; tätig sein heißt, effektiv sein: leisten. Wenn also, um Meistermann und Bingemer zu zitieren, der Spieler am Flipper •einübt«, seine •eigenen Grenzen und Möglichkeiten« zu erkennen
Der •Flipper<-Automat
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und sich in die •Unberechenbarkeit des Gewinnens« zu schicken; wenn er an ihm lernt, •Verluste nicht zu tragisch zu nehmen (in unserer wechselvollen Zeit durchaus wünschenswert)«, sondern sie zu ertragen und dafür •nicht mehr andere zu beschuldigen« ; - kurz, wenn er schließlich •seine Entschei dung ( ) dem Zufall überlassen kann«, und •es sogar genießen, Verluste zu ertragen«11, dann mag dem Spieler zwar die -reale Welt• selbstverständlicher geworden sein, aber wieso wird ilim deren Wirklichkeit »erträglicher«? Das wesentliche Moment, das die im Flipper exerzierte Wirklichkeit »erträglicher• macht, liegt darin, daß der Flipper ermöglicht, sie zu wollen - nämlich in ihm. Dies das alte Kunststück aller Spiek In ihnen noch das wollen zu können, was jenseits ihrer Grenzen nurmehr gekonnt sein will. So gesehen sind alle Spiele Initiation und zeigt sich am Flipper nur verdichtet, was hier schon an anderer Stelle (in bezug auf die Dinge als >Konsensmittel<) als die allgemeine Initia tionsfunktion des Gegenständlichen beschrieben wurde. Ein anderes Moment liegt darin, daß der Flipper mit den Kugeln, die er ausgibt, dem Einmaligen - dem Leben - eine imaginäre Wiederholbarkeit in dessen Zeichen gibt. Nicht weiter verwunderlich also, daß die häufigste Antwort der Spieler auf die Frage nach ihren drei höchsten Wünschen lautete: •noch mal im Leben ganz neu anfangenc.19 Diese imaginäre Wiederholbarkeit, die der Flipper dem in der Wirklichkeit Einmaligen verleiht, repräsentiert ebenfalls ein allgemeines Spielprinzip. Oder wie es Benjamin ausdrückte, »das Immer-wieder-von-vorn-Anfangen ist die regulative Idee des Spiels•.20 Wenn er in Klammern •wie der Lohnarbeit« hinzufügt, dann zeigt sich schon hier die andere, ganz und gar nicht mehr spielerische Seite dieses Prinzips, die in dem weiter unten angesprochenen Sisyphos-Mythos noch deutlicher hervortreten wird. Ein weiteres Moment der im Flipper vermittelten Entlastung von der Realität hängt eng mit den vorgenannten zusammen und wurde hier auch sch.on in anderen Zusammenhängen angesprochen (siehe S. 155f.). Es Liegt da.rin, daß er einem als Widerfahrnis erlebten Lauf der Dinge durch dessen symbolische Re-Inszenierung das Ich-Kränkende nimmt. In dieser Richtung ist wohl auch der Ursprung jener »Art von heiterer Würde« zu suchen, welche Meistermann u. Bingemer den Spielern aufgrund eines Persönlichkeitstests zusprechen.21 Die in diesen Momenten spezifisch bedingte psycho-logische Wirklichkeit des Flippers eröffnet dem Spieler die Möglichkeit, eine eigentümlich stoische Haltung gegenüber dem Lauf der Dinge einzunehmen. Sie bekundet sich unmittelbar, wenn die Kugel einen aussichtslosen Lauf- ohne einen Kontakt auszulösen oder durch die Flipper erreichbar zu sein - direkt ins Aus zu nehmen scheint. Angesichts eines solchen •Durchläufers« zeichnet sich der vollendete Spieler nach allgemeiner Ansicht dadurch aus, daß er erst gar nicht die Flipper berührt oder sonstwelche verzweifelten Anstrengungen unter nimmt, auch auf die Gefahr hin, sich womöglich verschätzt zu haben. Diese Souveränität gegenüber dem Lauf der Dinge, in der sich der Spieler am Flipper imaginiert, steht jener sehr nahe, die Camus in seinem Essay über den Mythos des Sisypbos als •gelebte Absurdität< beschrieb.22 Daß das Absurde wirklieb
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Studien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge
Thema im Flipperspiel ist und nicht etwa von einer mythenseligen Deutung ihm angedichtet, beweist sich unmittelbar da, wo sich im Spiel die Möglich keit, es könne sich doch alles lohnen-, und damit >Sinne anzeigt. So berichten alle Spieler - so sehr sie auch sonst auf Freispiele aus sind - von einer tiefen Unlust, wenn sie deren mehrere hintereinander gewonnen haben; und zumeist verzichten sie darauf, sie zu spielen.u Unter diesem mythologischen Aspekt betrachtet, stellt es die spezifische Leistung des Flippers dar, das alte mythische Bild der Lebenskugel in seinen verschiedenen Perspektiven (Nemesis, Vanitas, Fortuna) über die triviale Ontologie der Schiefen Ebene mit dem Bild des felsenrollenden Sisyphos legiert zu haben. Mit ihm treten jene aufgezeigten Bedeutungen, die Tätigkeit ohne Produkt (die Leistung), die Sinn-Vemeinung und die eigentümliche Geschichtslosigkeit in das Weltmodell, das der Flipper entwirft. Es ließe sieb im übrigen zeigen, daß noch andere gegenständliche Arrangements des Flip pers mythologische Figuren repräsentieren, so das Pendel, die doppelte Szene rie des Bewegten und Bewegenden und das in einem Kasten eingeschlossene (Lebens-)Geschehen. Aber auch ohne dies hier auszuführen, ist wohl schon hinreichend deutlich geworden, daß eine systematische Beschreibun� der materialsymbolischen Ordnung des Flippers und ihre psychologische ·Uber setzung< weitreichendere Einsichten in seine psychologische Realität eröffnen als seine Psycho-Analyse als •Mutter-Automat«. Und ebensowenig wie der Flipper eine bloße •Kopie« der •realen Welt• ist, besorgt er etwa nur deren Kompensation: Das im Flipper illusionär Gelebte kann Anspruch auf Realität erheben ; so kann der Fatalismus, den er lehrt, sich zur Freiheit auflehnen, und kann das die Verhältnisse akzeptierende Lavieren, in das er einübt, die Schule der List sein. Darüber ist zwar hier keine Feststellung zu treffen, aber was am Flipper exemplarisch kenntlich wurde, ist, daß die Dinge nicht einfach Teile der menschlichen Wirklichkeit sind, sondern sie auch be- und ausdeuten. Und wenn sie diese dabei auch nicht unbedingt verständlicher machen, so aber doch selbstverständlicher.
Die Darstellung der verschiedenen Studien zur psycho-logischen Gegen ständlichkeit der Dinge abschließend, sei noch einmal betont, daß es nicht ihre Aufgabe war, die im Hauptteil der Arbeit entwickelten theoretischen Zusam menhänge zu •beweisen<. Sie sollten lediglieb veranschaulichen, in welcher unterschiedlichen Weise der mit dem Begriff der Repräsentanz. gekennzeich nete strukturelle Zusammenhang von Psychischem und Gegenständlichem organisiert sein kann bz.w. zu logifizieren ist. In diesem Sinne ergab die Heimwerker-Studie, daß sich die psycho-logische Gegenständlichkeit eines Dinges in der Logik einer Symptombildung organi sieren kann. Die Analyse der Kontaktanzeige.n dagegen machte deutlich wie Dinge, in ihrer psycho-logischen Gegenständlichkeit als eine materiale Reprä sentanz des Selbst fungierend, eine charakterologische Funktion erfü!Jen können; und in dem zweiten Teil dieser Studie wurde angesprochen, daß die
Der •Flippere-Automat
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Dinge als die materialen Repräsentanzen psychischer Komplexe auch wie Kommunikabeln bzw. sprachanalog funktionieren. Daß sich die psycho-logische Gegenständlichkeit von Dingen auch in der Logik einer )Idealbildung• organisieren kann, zeigten die Studien zum Reso palmöbel und zu dem Ensemble von Clogs, Latzhosen und Fahrrad. Dabei rückte im ersten FaUe das ideologisch formierende Moment einer derartigen gegenständlichen Idealbildung in den Mittelpunkt. Die zweite Studie vermit telte dagegen einen Einblick darin, daß den als materiale Repräsentanz einer Idealbildung fungierenden Dingen auch eine kritische Funktion zukommen kann, - wie sie einen alternativen Weltentwurf repräsentieren und ihn auf eine heraldische Formel bringen können. Diese Welt-auslegende Funktion, welche die Dinge in ihrer psycho-logi schen Gegenständlichkeit besitzen können, stand auch bei der Studie zum Flipper-Spielautomaten im Vordergrund. Sie machte besonders auf mytholo gische Momente in der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge auf merksam und zeigte, wie ein Ding iin seiner materialsymbolischen Ordnung zu einer regelrechten philosophischen Schule werden und die Funktion einer Initiation erfüllen kann. Mit diesem Hinweis auf die verschiedenen Strategien, in denen die Dinge qua ihrer psychologischen Repräsentanzfunktion jeweils ganz verschiedene Bedeutung für den Psychismus gewinnen, seien diese Studien zu Dingen des Alltagslebens abgeschlossen. Sie sollten anschaulich bieten, wofür die hier entworfene Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge eine erste Grundlage schaffen sollte: Einblick in die psychologische Realität der Dinge, oder, wenn man so will, in das be-dingte Funktionieren der Seele.
Anmerkungen Zur Zitierweise: Hervorbebungen im Original wurden hier nur dann aufgenommen, wenn sie eine Relevanz für die Argumentation innerhalb dieser Arbeit besaßen. Bei der
Wiedergabe der Zitate wurde in Ausnahmefällen das Verb umgestellt, wenn anders ihre Integration in den laufenden Text nicht mög.üch war.
Vorrede über ein Unding: Die Dinge als wissenscbafilicher Gegenstand der Psychologie 1
VgL
Thomas Ziehe, Helga Hösing u. Herben Stubenrauch: Narziß - ein neuer Soziaüsationstypus, Frankfurt 1980 und Thomas Ziehe: Pubertät und Narzißmus, Frankfun 1975.
2 johann W. von Goethe: Bedeutende Förderung durch ein einziges geistreiches Wort, in J. W. v. Goethe: Gesamtausgabe Bd. 19, Stuttgart o. J ., S. 362. 3 Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, in Karl Marx/Friedrich En gels: Werke, Ergänzungsband .I. TeiJ, Berlin 1968, S. 5,.2f. 4 Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, Frankfurt 1976, S. 171 u. 164. 5 Gaston Bachelard: Die Poetik des Raumes, Frankfurt 1975, S. 108.
EINLEITUNG Einführung in das Thema der Arbeit und in den Gang ihrer Argumentation 1 Vgl. dazu (u. a.): Jean Piaget: Psychologie der Intelligenz, Olten 1972; und: Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde, Gesammelte Werke, Bd. 2 , Stuttgart 1975. 2 Heinz Werner: Einführung in die Entwicklungspsychologie, München 1953, S. 18ff. u. 38 ff. 3 Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, 11. Teil (Das mythische Denken}, Darmstadt 19542, S. 39f. 4 Lucien Levy-Bruhl: Les fonctions mentales dans !es societees inferieures, Paris 1912, $ ..27 u. 453. 5 Claude Levi-Strauss: Das wilde Denken, Frankfurt 1968. 6 Walter Benjamin: Das Passagen-Werk (3 Bde.), Frank.furt 1982. 7 Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise, München 1977. 8 Vgl. Piaget: op. cit. .
TEIL I Explorationen zur Gegenständlichkeit der Dinge A. Das Ding als •Fetisch• Theorien der •verkehrten< Gegenständlichkeit der Dinge (Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung) 1 Vgl. Encyclopaedia of Religion and Ethics, (Hg. :james Hastings), Edingburgh 1955, Bd. 6, S. 89... 2 Charles de Brosses: Du culte des dieux fctiches, Paris 1760. 3 Auguste Comte: Cours de pbilosopbie positive, Paris 1830-42. 4 Karl Marx: Das Kapital, Bd. 1, Harnburg 1867.
Anmerkungen (S. 9-29}
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5 Alfred Binet: Le fetichisme dans l'amour, in Revue philosophique, 1887, XXIV, 142-
u. 252-274. Wilhelm Stekel: Der Fetischismus, Störungen des Trieb- und Affektlebens, Bd. VII, Leipzig 1923. 1167
6
Der etbnologis�h� Begriff des Fetischismus i folgenden z.itien nach J. B. Pontalis (Hg.): 1 Oe Brosses: op. cit., S. 189 f.; hier und m Objekte des Fetischismus, Frankfun 1972. 2 Ibid, S. 190. 3 Georg W. F. Hege!: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Theorie Werkausgabe Bd. 12, Frankfun 1970, S. 122. 4 Ibid, S. 123. 5 Benjamin Constant: Oe Ia religion consideree dans sa source, Paris 182+-31 ; zitiert nach J. B. Pontalis, op. cit. 6 Comte: op. cit.; zitiert nach A. Comte: Soziologie, Bd. 2, Jena 1923, S. 28. 7 Comte: Soziologie, op. cit. S. 40ff. 8 Ibid, 7. Kapitel. Vgl. dazu G. Canguilhem : Histoire des religions et histoire des sciences dans Ia theorie du fetichisme chez August Comte, in Etudes d'histoire et de philosophie des sciences, Paris 1968. 9 james Georg Frazer, Der goldene Zweig, Leipzig 1928, S. 69f. 10 Emile Ourkheim: Les formes elementaires de Ia vie religieuse, Paris 1925, S. 340ff. I I Edward B. Tylor: Primitive Culturte, 2 Bde., London 1871; im folgenden z.itien nach der gekürzten Ausgabe E. B. Tylor: Religion in Primitive Culture, New York 1958. 12 Vgl. ibid, S. 230. 13 Ibid, S. 231. 14 Ibid, S. 269. 1 5 Marcel Mauss: Oeuvres, Bd.2, Pa:ris 1969, 5. 245. 16 Ibid, S. 244 u. 5.217. 1 7 So resümiert z. B. auch der französische Ethnologe Alfred Adler: •Der Fetischismus bat jedes Bürgerrecht in den anthropologischen Theorien von heute verlorene, es handle sich bei ihm um eine •Pseudotheorie•. Alfred Adler: Der Ethnologe und die Fetische, in J. B. Pontalis (Hg.): op. cit.,
1.
s. 217. 18 Claude Levi-Strauss: Das Ende des Totemismus, Frankfun 1965. 19 ]. F. McLennan: The Worship of Animals and Plants, in The Fonnightly Review, }.ondon, Bd. 6, 1869; Bd. 7, 1870 (zitiert nach Levi-Strauss: op. cit., S. 23). 20 Levi-Strauss: op. cit., S. 9. 21 Vgl. ibid, S. 7 u. 9. 22 Vgl. ibid, S. 128 u. 130f. 23 Jbid, s. 132 f. 24 Ibid, S. 9. 25 Vgl. Claude Levi-Strauss: Das wilde Denken, Frankfun 1968, S. 25 u. 308. 26 1-evi-Strauss: Das Ende des Totemismus, op. cit., S. 1 1 9. 27 Levy-Bruhl: op. cit., S. 426. 28 Ibid, S. 453. 29 Fra.zer: op. cit., S. I 5 ff.
176
Anmerkungen (S. 29-36)
2. Du sozio-ökonomiJche BcgriH des Fetischismw 1 Karl Ma.rx: Das Kapit.al (Bd. 1), in Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, Berin l 1974, S. 85 ff. 2 Ibid, S. 85. 3 lbid, S. 86. 4 Ibid, S. 86 f. 5 Karl Ma.rx: Das Kapital (Bd. 3) in Karl Marx!Friedrich Engels: Werke, Bd. 25, Berün 1969, S. 884 f. 6 Vgl. Wilhelm Salber: Literatur, Handlung und Behandlung, im Archiv für Soziologie und WirtSchaftsfragen des Buchhandels, Heft 26, 1973, S. 1061 ff. 7 Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, op. cit., S. 517. 8 Ibid, S. 57. 9 Karl Marx: Auszüge aus James MiUs Buch •Elements d'economie polirique• in Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Ergänzungsband I. Teil, op. cit., S. 462. 10 Karl Marx: Ökon.-phil. Manuskripte, op. cit., S. 573. 1 1 KarI Ma.rx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 14. 12 Vgl. Georg Lukacs: Geschichte und Klassenbewußtsein, Neuwied 1970, S. 26. 13 Karl Ma.rx: Ökon.-phil. Manuskripte, op. cit., S. 579f. 14 Ka.rl Marx: Thesen über Feuerbach, in Kar! Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 3, Berlin 1958, S. 6. 15 Karl Ma.rx: Ökon.-phil. Manuskripte, op. cit., S. 544. 16 lbid, S. 541. 1 7 Karl Marx: Das Kapital (Bd. 1), op. cit., S. 674; vgl. auch S. 182 und 184, Fußnote 41. 1 8 Lukacs: op. cit. 19 Vgl. Max Weber: Winschaft und Gesellschaft., 1. Halbbd., Tübingen 1972, S. 44f. 20 Lukacs: op. cit., S. 177. 21 Ibid, S. 170 u. S. 194. 22 lbid, S. 300 u. S. 295. 23 Ibid, S. 309. 24 lbid, S. 309. 25 lbid, S. 25 ff. 26 lbid, S. 321. 27 Vgl. dazu auch Lukacs: op. cit., S. 171 f.; und die Bemerkung von Ma.rx, daß mit der »Masse der Gegenstände« auch •das Reich der fremden Wesen, denen der Mensch unterjocht ist«, wachse (Karl Marx: Ökon.-pbil. Manuskripte, op. cit., S. 547). 28 Op. cit., S. 312. 29 Vgl. Georg Simme.l: Psychologie des Geldes, München 1930. 30 Vgl. ibid, S. 9 ff. 31 Ibid, S. 9 u. S. 19. 32 Vgl. ibid, S. 12 u. S. 345ff. 33 Ibid, S. 55. 34 lbid, S. 512. 35 lbid, S. 520. 36 Jbid, s. 510. 37 Vgl. ibid, S. 524. 38 Ibid, S. 505. 39 lbid, S. 505(. 40 Ibid, S. 505 f. 41 lbid, S. 524 u. S. 506. 42 Norben Elias: Über den Proze.ß der Zivilisation, 2 Bde., Frankfurt 1976. 43 Vgl. op. cit., Bd. II, S. 397ff. und Bd. I, S. 224.
Anmerkungen (S. 36--40)
177
44 Ibid, Bd. I, S. 171. 45 Zur Verwendung des Begriffs ·Modellierung• bei Elias, vgl. op. cit., Bd. I, S. 181 ff. 46 Vgl. Lucien Goldmann: Dialektische Untersuchungen, Neuwied 1966, S. 24Sf. 47 Lucien Goldmann: Die Revolte der Literatur und der Kunst in der fongeschrinenen Zivilisation, in L. Goldmann : Kultur in der Mediengesellschaft, Frankfun 1973,
s. 44. 48 Marcel Proust: Über den •Stile Flaubens, in M. Proust: Tage des Lesens, Frankfun 1963, s. 67 ff. 49 Ibid, S. 73. 50 Lukacs : op. cit., S. 191. 5 1 Joachim Israel: Der Begriff Entfremdung, Harnburg 1972, S. 342. 52 Ibid, S. 342 u. S. 376. 53 Ibid, S. 378 f. 54 Ibid, S. 379. 55 Ibid, S. 379. 56 Wolfgang F. Haug: Kritik der Warenästhetik, Frankfu n 1971. 57 Ibid, S. 17. 58 Haug: op. cit., S. 56; vgl. dazu Karl Marx : Das Kapital (Bd. 1), op. cit., S. 87. 59 Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzier barkeit, in W. Benjamin: Illuminationen, Frankfun 1969, S. 174f; Ha ug: op. cit., S. 169; vgl. auch W. F. Haug (Hg.): Warenästhetik - Beiträge zur Diskussion, Frankfun 1975, S. 158. 60 Haug: Kritik . . . , op. cit., S. 55 u. S. 63. 6 1 Ibid, S. 64. 62 lbid, s. 57. 63 Gegen eine solche •Kritik• an den Warenverbittnissen im Namen des •wirklichen• Gebrauchswertes und der •wahren• Bedürfniss�. wie sie Haug vertritt, wendet Baudrillard zu Recht ein, daß sie ·die politische Ökonomie ( ) moralisiert«. (Vgl. Jean Baudrillard: Agonie des Realen, Berlin 1981, S. 78ff.) Das Pauschale seiner Kritik am ästhetischen Schein und die Einseitigkeit, mit der Haug die sinnliche Wahrnehmung im Zusammenhang mit Täuschung u. ä. behan delt, verrät, daß er, der Desanes die •Entwirklichung der sinnlich-realen Welt• vorwirft (ibid, S. 59), genau das Nämliche betreibt. Wahrend Descanes die Sinne im Namen der Objektivität von Erkenntnis abqualifiziert, tut Haug dies im Namen der Objektiviüt des Gebrauchswertes. Denn indem er alle Erfahrungsqualitäten des Gegenständlichen, die nicht einer strikten Realisierung seines materialiter gegebenen Gebrauchswertes zu subsumieren sind, als inszenierte und Schein abtut, entwirk licht er die Sinne schließlich zu simplen Gebrauchswert-Anzeigern. - Wie sagte Adorno: •Schein und Notwendigkeit sind beides Momente der Warenwelt; sobald Erkenntnis eines von ihnen isoliert, mißrät sie.• (fheodor W. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit, Gesammelte Schriften Bd. 6, Frankfurt 1973, S. 454.) 64 lbid, s. 64 u. s. 125 ff. 65 lbid, s. 53 f. 66 Benjamin: op. cit., S. 1 70; Hier könnte eingewandt werden, daß Benjamin da - von der Kunst redend - den •wihren• ästhetischen Schein meint, und das Gesagte also nicht für den ,falschen• Schein der Wa.renästhetik gelte. Dies hieße aber, das dialektische Wesen einer Sache, nämlich des Ästhetischen, in zwei wesendich verschiedene Sache.n auseinander zu dividieren: in eine •wahre• Ästhetik und eine Wuenästhetik; was zwar die morali schen Ansprüche ans Ästhetische befriedigen, aber wohl kaum denen dialektischen Denkens gerecht werden würde.
178 67 68 69 70 71
Anmerkungen (S.
40-47)
Haug: Kritik . . . , op. cit., S. 127. Ibid, S. 127. Ibid, S. 20. lbid, s. 20. Ibid, S. 127 f.
72 lbid, s. 58 u. s. !50. 73 Vikwr Schklowsky: Zoo
-
oder Briefe nicht
über die Liebe, Frankfurt 1965, S. 20.
3. Der psychopathologiscbe BegriH des Fetischismus I
AJfred Binet: Le fetichisme dans l'amour, op. cit.; Max Dessoir (unter dem Pseudo nym •Ludwig Brunn•): Der Fetischismus in der Liebe, in Deutsches Monatsblatt,
8/1888. 2 Binet: op. cit., zitiert nach J. B. Pontalis (Hg.): Objekte des Fetischismus, Frankfurt 1972, s. 7. 3 Alfred Binet: Etudes de psychologie experimentale, Paris 1888, S. 84; vgl. auch Gabriet Tarde: L'amour morbide, Archives de l'anthropologie criminelle, 1890,
s. 585. 4 Binet: Le fetichisme . . . , op. cit., S. 263. 5 Richard von Krafft-Ebiog: Psychopathia Sexualis, Stuttgart 1893; hier und im folgenden zitiert nach Krafft-Ebing: Psychopathia Sexua lis, 16. u. 17. Auflage bearbeitet von Albert Moll, Stuttgart 1924, S. 283. 6 Wilhelm Stekel: Der Fetischismus, Störungen des Trieb- und Affektlebens Bd. VII, Leipzig 1923, S. 2; vgl. auch Magnus Hirschfeld: Geschlech tsanomalien und Perver sionen, Villefranche-Nice o. J., S. 540. 7 Kra.fft-Ebing: op. cit., S. 59f. 8 Havelock Ellis: Studies in the Psychology of Sex, Philadelphia 1899-1914; hier und im folgenden zitiert nach der zweibändigen Ausgabe von 1936 (New York), Bd. 2, s. 1 12. 9 Stekel: op. cit., S. 574 u. S. 1 . 10 Ibid, S. 584 f.; vgl. I. Sadger: Die Lehre von den Geschlechtsverwirrungen (Psychopathia Sexualis) auf psychoanalytischer Grundlage, Wien 1922, S. 328. 1 1 Ibid, S. 584. 12 Ibid, S. 575. 1 3 Krafft-Ebing: op. cit., S. 285. 14 Hirschfeld: op. cit., S. 539 f. 1 5 Sigmund Freud: Fetischismus, Gesammelte Werke Bd. XIV, S. 311 ff. 16 Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Gesammelte Werke Bd. V. 17 Ibid, S. 53.
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
Ibid, S. 53. Ibid, S. 52. Ibid, S. 54, Fn. I . Sig,mund Freud: Fetischismus, Gesammelte Werke Bd. XIV, S. 317 u. Sigmund Freud: Abriß der Psychoanalyse, Gesammelte Werke Bd. XVII, S. 133. Freud: Fetischismus, op. cit., S. 312 u. Freud: Abriß . . . , op. cit., S. 133 f. J. B. Pontalis (Hg.): Objekte des Fetischismus, Frankfurt 1972, S. 2 1 . Ibid, S. 21 u. S. 9. lbid, s. 10. Roger Dorey: Psychoanalytische Beiträge zur Untersuchung des Fetischismus, in Pontalis: op. cit., S. 57 u. S. 37ff. jean Baudri llard: Fetischismus und Ideologie: Die semiologische Reduktion, in Pontalis: op. cit., S. 315.
Anmerkungen (S. 47-56}
179
28 Guy Rosolato: Der Fetischismus, dessen Objekt sieb •enttiehtc, in Pontalis: op. cit., s. 72. 29 Jean Baudrillard: Le systeme des objets, Paris 1968, S. 165. 30 Victor N. Smimoff: Die fetischistische Transaktion, in Pontalis: op. cit., S. 103. 3 1 fbid, S. 103; vgl. auch S. 112. 32 Vgl. ibid, S. 1 O·H. 33 fbid, s. 112. 34 Stekel: op. cit., S. 574. 35 EUis: op. cit., S. 1 1 3 f. 36 Rene Descartes: Meditationen über die Erste Philosophie, Stuttgart 71, S. 54. 37 VgJ. dazu u. a. Weber: op. cit. und Simmel: op. cit. 38 Dabei hatte er allerdings mehrein ungestilltes •metaphysisches Bedürfnisder Massen• i m Auge. Vgl. StekeJ: op. cit., S. 594ff. 39 Maurice Godelier: Warenökonomie, Fetischismus, Magie und Wissenschaft, in Pontalis: op. cit., S. 304. 40 Descartes: op. cit., S. 110.
B. Das Ding als Ort libidinöser Beset;tung, als intentionaler Gegenstand und als intelligibles Objekt. Psychologische Theorien zur Gegenstiindlichluit der Dinge 1 Vgl. dazu (um nur zwei und gänzlich verschiedene Positionen dieser Kritik zu nennen) Erwin Straus: Vom Sinn der Sinne, Berin l 1956, S. 416ff.; und Klaus Hol:z.kamp: Verborgene anthropologische Voraussetzungen der allgemeinen Psychologie, in K. Holzkamp: Kritische Psychologie, Frankfurt 1972, S. 3Sff. 2 Vgl. Wolfgang Metzger: Psychologie, Dannstadt 1968, S. 10. 3 V gl. dazu u. a. Sergej L. Rubinstein: Sein und Bewußtsein, Berlin 1966, S. 28 ff. 4 Haug: Kritik . . . , op. cit. 5 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, op. cit., S. 542 f. 6 Lucien Seve: Marxismus und Theorie der Persönlichkeit, Frankfurt 1972, S. 161 f. 7 Emest Dichter: Strategie im Reich der Wünsche, München 1964. t. Die Gegenständlichkeit der Dinge in psychoanalytischer Sicht 1 Sigmund Freud: Zur Einführung des Nanißmus, Gesammelte Werke Bd. X, S. 141 ff. 2 tbid, s . 140. 3 Jbid, s. 154. 4 Sigmund Freud : Massenpsychologie und Ich-Analyse, Gesammelte Werke Bd. Xlll, s. 1 19. 5 tbid, s. 124 f. Wobei allerdings in diesem Falle einer nanißtischen Objektwahl das Objekt nicht das Ich, sondern das Ichideal ersetzte. 6 Freud: Drei Abhandlungen . . ., op. cit., S. 123f. (Fußnote). 7 Freud: Massenpsychologie . . . , op. cit., S. 116. 8 lbid, s. 116ff. 9 Ibid, S. 1 1 9 f. 10 Sigmund Freud: Trauer und Melancholie, Gesammelte Werke Bd. X, S. 439. i Zusammenhang 1 1 Diese Unklarheit wä.re durch die Annahme aufzulösen, daß Freud m der Homosexualität von •Introjektion• spreche.nd, sich auf die ür f sie grundlegende Identifikation mit der Mutter bezieht und nicht auf das daraus resultierende Verhal tensmuster in der ObjektwahJ.
180
Anmerkungen (S. 57-03)
1 2 Freud: Massenpsychologie op. cit., S. 125. Dies wird von Freud an anderer Stelle wieder relativien; vgl. Freud: Trauer und Melancholie, op. cit., S. 439. 1 3 Ibid, S. 125 f. 1 4 Freud: Zur Einführung des Narzißmus, op. cit., S. 151. 1 5 Ibid, S. 151; Freud spricht hier zwar von einer Libidostauung im lebe und sieht jene aNötigung• aus einer übergroßen •lchbesenung• hervorgehen, aber in diesem frühen Stadium seiner Entwicklung ist das Ich ja weitgehend ein •organisches•, in der körperlichen Realität organisienes. Vgl. auch Freud: Psychoanalyse und Libido theorie, G. W. Bd. XIII, S. 221. 1 6 Sigmund Freud: Triebe und Triebschicksale, Gesammelte Werke Bd. X, S. 231. 1 7 Sigmund Freud: Hemmung, Symptom und Angst, Gesammelte Werke Bd. XIV, s. 203. 1 8 Sigmund Freud: Das Ich und das Es, Gesammelte Werke Bd. XIII, S. 257. 1 9 Ibid, S. 258. 20 Ibid, S. 257 f. 2 1 Sandor Ferenczi: Entwicklungsstufen des WirklichkeitSsinnes, in Intern. Zeitschrift für Psychoanalyse, I. jahrg., Leipzig 1913, S. 124ff. 22 Kar! Abraham: Versuch einer· Enrwicklungsgeschichte der Libido, Leipzig 1924, s. 38. 23 Ibid, S. 20. 24 Ferenczi: op. cit., S. 127 f. 25 Ibid, S. 132. 26 Freud: Triebe und Triebschicksale, op. cit., S. 229. 27 Ferenczi: op. cit., S. 131 f. 28 Ibid, S. 132. 29 Melanie Klein: Die Psychoanalyse des Kindes, Wien 1932, S. 49 (vgl. auch Fußnote 32). 30 lbid, s. 152 ff. 3 1 Ibid, S. 138. 32 D. W. Winnicott: Übergangsobjekte und Übergangsphä.nomene, in Psyche, Heft 9, Jahrg. 1969, s. 666ff. 33 D. W. Winnicott: Familie und individuelle Entwicklung, München 1978, S. 3 1 u. D. W. Winnicou: Vom Spiel zur Kreativit.ät, Stuttgan 1973, S. 21 und S. 24f. 34 Winnicott: Familie . . . , op. cit., S. 24 f. 35 Winnicon: Übergangsobjekte . . . op. cit., S. 675. 36 Winnicon: Familie . . . , op. cit., S. 47 u. S. 206. 3 7 Winnicott: Übergangsobjekte . . . , op. cit., S. 672. 38 Ibid, S. 672; und Winnicott: Familie . . . , op. cit., S. 47. 39 Vgl. im folgenden auch Rene Spitz: Nein und ja, Srungan 1974, S. 238. 40 D. W. Winnicott: Reifungsprozesse und fördernde Umwelt, München 1974, S. 238; u. Winnicott: Vom Spiel . . ., op. cit., S. 106. 4 1 Winnicott: Obergangsobjekte . . ., op. cit. S. 677. 42 Winnicott: Vom Spiel . . ., op. cit., S. 112; vgl. auch Winnicott: Familie . . ., op. cit., s. 206. 43 Winnicon: Übergangsobjekte . . ., op. cit., S. 672. 44 Winnicott: Vom Spiel . . ., op. cit., S. 112. 45 Ibid, S. 1 1 3 . 46 Stekel: op. cit., S. 584 ff. . . .•
•
.
Anmerkungen (S. 6}-68)
181
2. Die Gegenständlichkeit der Dinge in der Sicht der phänomenologischen Psycho
logie I Franz Brentano: Psychologie vom empirischen Standpunkt, I . Bd., Leipzig 1924, s. 125. 2 Op. cit., 2. Bd. S. 133. 3 Ibid, S. 158. 4 Vgl. dazu op. cit., l. Bd. S. 127 u. S. XIXf. 5 lbid, s. 129 u. s. 132. 6 Ibid, S. 124; und Edmund Husserl: Logische Untersuchungen, 2. Bd., Hille 1928, S. 370ff.
7 Wolfgang StegmüUer: Hauptströmungen der Gegenwaruphilosophie, Bd. 1 , Stutt gart 1969, s. 63. 8 Alexius Meinong: Untersuchungen zur Gegensundstheorie und Psychologie (Nr. 1), Graz 1904; und Kar! Marbe: Die Gleichförmigkeit in der Welt, München
1916, s. 217.
9 Egon Brunswik: Wahrnehmung und Gegenstandswelt, Leipzig 1934, S. 234. I 0 Ibid, S. 78 ff. I I Ibid, S. t 9 f 12 Ibid, S. 1 2 f. 13 Ibid, S. 1 2 f. 14 Maurice Merleau-Pomy: Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, S. 370. I 5 lbid, S. 370. 1 6 Ibid, S. 370 u. S. 372 f. 1 7 Ibid, S. 372. 1 8 lbid, s. 372. 1 9 Ibid, S. 372. 20 lbid, s. 374 f. 2 1 Ibid, S. 376. 22 lbid, s. 376 ff. 23 lbid, s. 378. .
3. Die Gegenständlichkeit der Dinge in genetisch-epistemologischer Sicht (Piaget) I jean Piaget: Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde, Gesammelte Werke Bd. 2 {Studienausgabe), Stuttgart 1975, S. 15. 2 lbid, s. 12 u. 2 1 ; s. 219. 3 lbid, s. 1 7 . 4 Jbid, s. 30 u. 91. 5 Jbid, s. 82 ff.; s. 89. 6 Jbid, s. 95. 7 lbid, s. 23. 8 Vgl. zu dieser Kritik Klaus Holzkamp: Sinnliche Erkenntnis - Historischer Ur sprung und geseUschaftliche Funktion der Wahrnehmung, Frankfurt 1973, S. 1 9 1 . 9 Olga Rubinow und Lieselotte Frankel: Die erste Dingauffassung beim Säugling, in Zeitschrift für Psychologie, Bd. 133 {1934}, Kap. 34, S. 1 . 10 Piaget: op. cit., S. 93.
182
Anmerkungen (S. 72-77)
TEIL II Entwurf zu einer Theorie der psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge A. Die Morphologie des Gegenständlichen i der Dinge Untersuchung der Entwicklung der psycho-logischen Gegenständlichket
1 Eri k H. Erikson: Kindheit und Gesellschaft, Stuttgart 1968. 2 Kar! Abraham: Psychoanalytische Studien zur Chankterbildung, Leipzig 1925, s. 7. 3 Erikson: op. cit., S. 241 ff. 4 Wobei das individuell Jeweilige durch den sozio-kulturellen Kontext vermittelt ist, wie es insbesondere im Zusammenhang der kulturspezifischen Standards der Sau berkeitserziebung deutlieb wird. Eriksons Untersuchungen über •Die Kindheit in zwei amerikanischen Indianerstämmen.c geben dazu einige Hinweise (vgl. Erikson: op. cit., S. I 07 ff.). 5 Op. cit., S. 91 ff. 6 Vgl. Freud : Drei Abhandlungen, op. cit., S. 123.
7 8
9 I0 11 12
- Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, in Gesammelte Werke, Bd. XJ, S. 325. - Das Unbehagen in der Kultur, in Gesammelte Werke, Bd. XIV, S. 424. - Abriß . . . , op. cit., S. 1 1 5 . Erikson: op. cit., S. 241 ff. Vgl. Rene Spitz: Wiederholung, Rhythmus, Langeweile, in Imago Bd. 23, Heft 2 (1937), S. 171 ff.; und Jean Piaget: Les trois structures fondamentales de la vie psychique: rbythme, regulation et groupement, in Revue suisse de psychologie pure et appliqueee, I /1942. Erikson: op. cit., S. 245 ff. Ibid, S. 76 f. Ibid, S. 245 ff. Walter Spiel: Vom ersten bis zum fünften Lebensjahr, in Die Psychologie des 20. JahrhundertS, Zürich 1980, Bd. XI (Konsequenzen für die Pädagogik I , Hg. Walter Spiel ( ), S. 96. Walter Spiel: Das erste Lebensjahr, in Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, op. cit., Bd. XJ, S. 76. Vgl. Heinrich Schipperges: Am Leitfaden des Leibes - Zur Anthropologik und Therapeutik Friedrich Nietzsches, Stuttgart 1975. Erikson: op. cit., 5. 249. Charlotte Bühler, Kindheit und Jugend, Leipzig 1938. Charlotte Bühler und Hildegard Hetzer: Inventar der Verhaltensweisen des ersten Lebensjahres, in Quellen und Studien zur Jugendkunde, Heft 5 (1927). Kar! Bühler: Die geistige Entwicklung des Kindes, Jena 1924. Amold Gesell: Säugling und KJeinkind, Nauheim 1953. Hildegard Hetzer: Kind und Schaffen, in Quellen und Studien zur Jugendkunde, Heft 7 {1931). -
13 14 15 16
-
David Kau: Studien zur Kinderpsychologie, Leipzig 1913. Richard Meili: Anfänge der Cbarakterenrwicklung, Bern 1957. Heinz Remplein: Die seelische Entwicklung des Menschen im Kindes- und Jugend alter, Basel l966. Jean Piaget: Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde, Ges ammelte Werke Bd. 2 (Studienausgabe), Stuttgart 1975; - Nachahmung, Spiel und Traum, Gesammelte Werke Bd. 5, {Studienausgabe), Stungan 1975.
Anmerkungen (S. 78-79)
183
l Olga Rubinow und Lieselatte Frank!: Die erste Dingauffassung beim Säuging, 'in Zeitschrift für Psychologie, Bd. 133 (1934). Friedrich Sander: Kindes- und Jugendpsychologie als genetische Ganzheitspsy chologie, in F. Sander und H. Volkelt: Ganzheitspsychologie, München 1967. Rene Spitz : Vom Säugling zum Kleinkind, Stuttgan 1967;
- Die Entstehung der ersten Objcktbeziehungen, Stuttgart 1973.
Williarn Stern: Psychologie der frühen Kindheit, Leipzig 1914. Hans Volkelt: Fortschritte der experimenteilen Kinderpsychologie und - Neue Untersuchungen über die kindliche Auffassung und Wiedergabe von Formen, in F. Sander und H. Voikelt: Ganzheitspsychologie, München 1967. Heinz Wemer: Einführung in die Entwicklungspsychologie, München 1953,. 17 Gesell: op. cit., S. 29. 18 Friedrich W. A. Fröbel: Die Memchenerziehung, die Erziehungs-, Unt.errichts und Lehrkunst, Leipzig o.J., S. 7 1 f. und 66.
19 Wilhelm Dilthey: Beiträge zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres Glau
20
21 22 23 24 25
26 27 28 29 30 31
bens an die Realität der Außenwelt und seinem Recht, in Gesammelte Schriften, Bd. V, Stuttgan 1957, S. 100. Meili: op. cit., S. 159; Remplein: op. cit., S. 137 f.; Spitz: Die Entstehung . . ., op. cit., S. 20f.; Vgl. auch H. Hartmann, E. Kris, R. M. Loewenstein: Comments on the Formation of Psychic Structure, The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 2, New York 1946, S. 1 1 ff. Vgl. Rene A. Spitz: Nein und Ja, Stuttgan o.J., S. 109ff. und Margaret S. Mahler: Symbiose und lndividuation,, Stuttgan 1972, S. 20ff. Jorge Luis Borges: Das Aleph, in Sämtliche Erzählungen, München 1970, S. 65. Dilthey: op. cit., S. 104. Oswald Kroh : Entwicklungspsychologie des Grundschulkindes Teil 2, Die Ent wicklung des Kindes im Grundscbulalter, Weinheim 1964, S. 67f. W. Stern: op. cit., S. 77; vgl. dazu auch Friedrich Berger: Beiträge zum Problem der kategorialen Wahrnehmung in Z�itschrift ür f Psychologie, 110. u. 1 1 1 . Band
(1924), s. 168f.
C. Bühler: Kindheit und Jugend, op. cit., S. 48. Spitz: Vom Säugling zum Kleinkind, op. cit., S. 167ff. [bid, s. 177. Meili : Anfänge der Cbarakterentwicklung, op. cit., S. 108f. (bid, s. 159 f. Jean Baudrillard: Le systeme des objets, Paris 1968, S. 39f. Aber auch Freuds These, »die Objekttindung ist e�gentlicb eine Wiederfindung«, verweist auf die sen Zusammenhang; vgl. Freud: Drei Abhandlungen . . ., op. cit., S. 125. 32 Wolfgang Metzger: Die Entwiicklung der Erkenntnisprozesse, in Hdb. d. Psych., Bd. 3 (Entwicklu.ngspsychologie, hg. von H. Tbomae) Göttingen 1959,
5.412. Diese wesentlich affektive Qualität des frühkindlich Gegenständ.lichen bestimmt nach Sander auch noch die spätere kindliche Ding-Auffassung. So sagt er, •das junge Kind, wie auch der Primitive, erlebt ·Dinge< nicht in dem Maß wie der Erwachsene als abgelöste, für sieb bestehende •Gegenstände<. Die dingartigen Unterganzen sind inniger eingebettet in das Gesamtzumutesein als übergreifen des Gesamtganzes, in das die verschiedensten Erlebnismomente eingehen ( ). Von diesem Zumutesein als dem umfassendsten Ganzen erbalten die erlebten
184
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Anmerkungen (S. 80-87)
>Dinge< der primitiven Wahrnehmung ihre dynamische Bewegtheit und affektive Beseeltheit« (Sander: op. cit., S. 186f.). Ähnlich Volkelt, der in bezug auf die ·Gieic.hheit von Gegenständen• sagt, daß sie ,.für das Kind viel weniger sachliche BeschaffenheitSübereinstimmung als Ge meinschaft der emotionalen Wirkung ist« (Volkelt: FortSchritte . . ., op. cit., s. 224). In der •gefühlsaruge(n) Ganzheidichkeit« der frühkindlichen Ding-Auffassung liegt nach Sander au.cb die beschriebene polare Grundordnung begründet: •Es gehört zum Wesen der Gefühle, sich in Gegensäuen auszuprägen und zu wan deln. Wo gefühlsartige Ganzheiclichkeit, wie beim jungen Kinde, das Erleben be stimmt, werden auch alle primitiv-dinglichen () Eigenschaften vom Ganzen her in diesen Polarisationsprozeß des: Gefühls hineingezogen• (Sander: op. cit., S. 187). Vgl. Heuer: Kind und Schaffen, op. cit., S. 1 1 f. W. Stern: op. cit., S. 253. K. Bühler: op. cit., S. 137; Berger: op. cit., 181 f.; vgl. zu dieser Auffassung auch Clara und Williarn Stern: Die Kindersprache, Leipzig 1907. Dilthey: op. cit., S. 105. Werner: op. cit., S. 28. Sander: op. cit., S. 186. Kurt Koffka: Die Grundlagen der psychischen Entwicklung, Osterwieck 1925, s. 224. K.Bühler: op. cit., S. 109, 122 u. 142f. W. Stern: op. cit., S. 194; Werner: op. cit., S. 42; Amulf Rüssel: Spiel und Arbeit in der menschlichen Erziehung, in Hdb. d. Psych., Bd. 3 (Entwicklungspsycho logie, hg. von H. Tbomae), Göttingen 1959, S. 513. Charlotte Bühler: Praktische Kinderpsychologie, Wien o. J. S. 26. Vgl. die Ausführungen Hörmanns zur •Konstantisierung« in Hans Hörmann: Psychologie der Sprache, Berlin 1970, S. 300. K. Bühler: op. cit., S. 82 ff. Vgl. dazu Baudrillard: op. cit S. 16t ff. Erikson: op. cit., S. 66. jacques Lacan : Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion (), in Schriften I, Frankfurt 1975, S. 6 1 ff. Piaget: Nachahmung . . ., op. cit., S. 3l6ff.; Werner: op. cit., S. 44ff. Sander: op. cit., S. 187. Metzger: Die Entwicklung op. cit., S. 422. Vgl. Werner: op. cit., S. 50ff. Ibid, S. 337f.; vgl. auch Hurlock, E. B. u. M. Burstein: Tbe Imaginary Playmate, in Journal of Genetic Psychology, 41 ( 1932). Diese Diffusion der Identität wird zugespitzt erfahren in masturbatorischen Prak tiken, wo das aktive Subjekt und das passive Objekt nicht differenzierbar Eines sind. Es dürfte diese sich insbesondere um die masturbatorischen Handlungen zentrierende Erfahrung der Gleichzeitigkeit von Gegensätzlichem, von opponen ten Rollen (etwa •Hingabe< versus •Beherrschung<) sein, die dann später in den Schemata von Vater und Muner zu klären, beziehungsweise auseinandenudivi dieren gesucht wird. Ernst Kris: Psychoanalytic Explorations in Art, New York 1967, S. 41 ff. Vgl. Friedrich Wolfram Heubach: Die Ästhetisierung, Köln 1974, (Diss.). Erikson: op. cit., S. 235. Dieser Vorgang der •Psychisierung< ehemals gegenständlich realisierter Qualitäten läßt sich sehr gut in Analogie zar Introjektion eines verlorenen oder aufzugebenden .•
. . .•
Anmerkungen (S. 88-96)
185
Objekts verstehe.n, die Freud an der Melancholie herausstellte und deren aUgemein psychologische Relevan� hier deutlich wird (vgl. I. 3). 58 Hörmann: op. cit., S. 304 f. 59 Die Tatsache der dem ·Objekte zugrundeliegenden doppelten Spaltung und die gän�lich verschiedenen Bedingungen, denen sie jeweils entspringt, sind besonders hervor:tuheben, denn in der Diskussion von Entfremdung und Verdinglichung werden sie oft verkannt. Da werden dann leicht Spaltungsbedingungen als anthropo logisch notwendige ausgegeben, die eher im Zusammenbang der gescbildenen sekundären Spaltung �u sehen wären; während andererseits (die oft einer emanzipa torischen Attitüde entspringende) pauschale Kritik an solchen Spaltungsproduktio nen deren anthropologische Notwendigkeit verkennt. 60 Remplein: op. cit., S. 223 f. (Hervorhebung von mir) Fraglos spielt die Sprache bei der geschilderten •Objektivierung• des Gegenständlichen eine zentrale Rolle, aber innerhalb der Fragestellung dieser Arbeit ist sie nicht �u behandeln. Andererseits illustrieren die in Teil III dargelegten Untersuchungen, daß die Dinge eine eigene, material-symbolische Logik besitzen, die nicht in ihrer sprachlichen Objektivierung aufgeht; also Wittgensteins bekanntes Diktum - Welche An von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik• - psychologisch mehr als anfechtbar ist (Ludwig Wittgen stein: Philosophische Untersuchungen, Frankfun 1967, S. 146). Vgl. duu auch Friedrich Wolfram Heubach: Zur aUgemeinen Rede von der Sprache als Besonde rem, in Sprache im technischen Zeitalter, 43/1972, S. 241 ff. •
B. Der Prozcß des Vergegenständlichens Untersuchung der funktionalen Bedingungen der Konstituierung psycho-logischer Gegenständlichkeit
1 Vgl. duu Hörmann: op. cit., S. 304.
2 Ibid, S. 300. 3 Zu dieser Kritik an Piagets Objekt-Kon�ept vgl. Spitz: Vom Säugling . . . , op. cit., S. 336ff. (Anhang von W. G. Cobliner). 4 In diesem Sinne spricht Adorno davon, daß die Dinge unter einem •ldentitäts�wang, 5
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den der herrschende Geist ausübte , stehen. Th. W. Adorno: Jargon der Eigentlich keit, in Schriften Bd. 6, Frankfun 1973, S. 485. Freud: Jenseits des Lustprinzips, op. cit., S. 37. Betrachtet man die Wiederholung derart als die primäre und möglicherweise ursprünglichste Technik der Identitätsge winnung, dann wäre als das Spezifische am Wiederholungszwang nicht so sehr herauszustellen, daß in der zwanghaften Wiederholung auf etwas früh Fixiertes regredien wird, sondern daß da der Gegenstand der Wiederholung eben sie selbst ist: hier würde auf die Wiederholung selbst, als auf die früheste, archaische Realisations form von Identität regredien. Zu dieser These, daß die Wiederholung nicht (nur) ein Modus der Regression ist, sondern (auch) deren Ziel, vgl. R. Spitz: Wiederholung . . ., op. cit., S. 195; und Heinz Harnnann: Ich-Psychologie und Anpassungsproblern, Stuttgart 1970, S. 78 ff. Auf diese besondere Bedeutung der Wiederholung für die Objektivierung des erfah rungsrelativ Gegenständlichen, weist auch Diltbey in seiner Antwort auf die •Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt• hin. So bebt er an einer Stelle hervor, daß erst in der Wiederholung eines Eindrucks, dessen •objektive Umchec als eben solche faßbar werde (Dilthey: op. cit., S. 1 1 5 f.). Vgl. duu Hörmann: op. cit., S. 209 f. Spitz: Wiederholung . . ., op. cit., S. 179 u. 194 f.
186
AJunerkungen (S. 98-104}
C. Die Ordnung des Gegenständlichen Untersuchung der Struktur der psycho-logischen Gegenständli chkeit der Dnge i
1. Zum Zusammenhang von Psychischem und Gegenständlichem 1 Salber: Literatur, Handlung und Behandlung, op. cit., S. 1057. 2 Wilhelm Salber: Wirkungseinh.eiten Wupperul 1969. 3 Heubach: op. cit., S. SOff. <4 lhr phylogenetischer Zusammenhang findet sich ausführlich behandelt in Klaus Holzlwnp: Sinnliche Erkenntnis - Historischer Ursprung und gesellschaftliche Funktion der Wahrnehmung, Frankfurt 1973. 5 Cassirer: op. cit., 1. Teil (Die Sprache), S. 41. 6 lbid, s. 41 f. 7 Ibid, S. 42. 8 Ibid, S. <41. 9 Heinrich Heine: Deutschland ein Wintermä.rchen, Stuttgart 1969, S. 12. 10 Hermann Broch: 1903 - Esch oder die Anarchie, Frankfurt 1973, S. 117. 1 1 Zitiert nach Wilhelm Haas: Die psychische Dingwelt, Bonn 1921, S. 1 1 9 . 12 Klaus Holzkamp: Sinnliche Erkenntnis . . ., op. cit., S. 176. 13 Ibid, S. 1 1 9 u. S. 26. 14 VgJ. Gemma jappe u. Carl Nedelmann (Hg.): Zur Psychoanalyse der Objektbeziehungen, Stuttgan 1980, S. 13. 15 Holzkamp: Sinnliche Erkenntnis . . ., op. cit., S. 118f. 16 Ibid, S. 119. 17 Ibid, S. 150 f. 18 Ibid, S. 152 (vgl. auch S. 194}. 19 lbid, S. 1 1 8 (vgl. Marx: Ökon.-phil. Manuskripte, op. cit., S. 5<41 ). 20 Ibid, S. 192. Es wäre noch sehr die Frage, ob das Kind nicht selbst in diesem frühen Stadium, über das figural-qualitative Erfassen des Dinges hinaus, diesem auch schon •sinnli che Bedeutsamkeit• beimißt, so diffu.s und •affektiv perspektivisch• (Wemer) sie auch organisiert sein mag; beziehungsweise, ob diese nicht überhaupt das Vorgän gige im Erfassen ist. 21 lbid, s. 192. Holzkamp spricht hier zwar von der •objektiven Logik• des Gegenstandes nur in Parenthese, sonst aber durchaus unrelativiert von einer •objektiven Gebrauchs wert-Chara.kteristik• der Dinge (vgl. ibid, S. 193), was nichts anderes meint. Mit dieser Parenthese wiU er wohl auch nur auf den von h i m in diesem Zusammenhang zitienen Leontjew verweisen, der nicht anders als der von ihm -.formalistisch• gescholtene Piaget von der •objektiven Logik• des Umgangs mit Dingen spricht (A. N. Leontjew: Probleme der Entwicklung des Psychischen, Berlin 1964, s. 290). Als Marxist könnte er da allerdings nur von einer historisch-geseUschaftlich deter minierten Umgangsweise sprechen, denn schließlich gilt der Löffel in primitiven Populationen nicht selten ebenso •objektive als brillantes Schmuckstück. Vgl. zu dieser Kritik an Holzkamps und Leontjews •Löffel-Argumentation• auch Klaus Ottomeyer: Interaktion und Selbstbewußtsein im Konzept der gegenständli chen Tätigkeit, in K. H. Braun u. K. Holzkamp (Hg.): Kritische Psychologie, Bd. 2, Köln 1977, S. 3<4 f. 22 Hans Bächthold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin 1972--47, Bd. V, S. 1317ff. 23 Holzkamp: Sinnliche Erkenntnis . . . , op. cit., S. 146. ,
Anmerkungen (S. 105-112)
187
24 jean BaudriUard: Le systeme des objets, Paris 1968, S. 66 (63). Das Buch liegt in einer deutseben Übersetzung vor 0. B.: Das Ding und das Ich, Wien 1974), die aber oft willkürlieb und unpräzise ist, so daß hier teilweise nach dem Original zitiert wird; die in Klammem gesetzten Zahlen geben jeweils die Seitenzahl der deutseben Ausgabe. 25 Ibid, S. 76ff. (71ff.); S. 66 ff. (63ff.). 26 Ibid, S. 38 f. (38). 27 Ibid, S. 39 (39). 28 Ibid, S. 84 (78). 29 Ibid, S. 89 (83). 30 Ibid, S. 89 (83). 31 Ibid, S. 90 (84). 32 Ibid, S. 277 (235). 33 Ibid, S. 183 (164) u. 164 (245). 34 Ibid, 5. 1 77 (1 59) u. 1 8 1 f. (163f.). 35 Ibid, S. 183f. (164); S. 267 (236). 36 Ibid, S. 113 ff. (103 ff.). 37 Ibid, S. 1Hf., Fußnote 2 (105). 38 lbid, s. 178 (159); s. 182 (163). 39 Ibid, S. 1 1 5 {105); S. 180 (162). 40 lbid, s. 181 f. (163). 41 Ibid, S. 182 f. (163 f.). 42 Marx: Ökon.-pbil. Manuskripte, op. cit., S. 541. 43 So wäre dann auch z. B. das vielbesc'hriebene Wegwerf-Verhalten, will man es nicht als paradoxe Verwirklichung einer Tendenz zu gegenständlicher Askese deuten, als ein Versuch zu analysieren, mit einer vorsätzlichen und forcierten Endlichkeit der Dinge einerseits das Gegenständliche in eine Geschicbtlichkeit zu steUen, die in ihm selbst nicht mehr aneigbar ist; und andererseitsdie Ungescbichtlichkeit abzuwehren, die dem SubjektinderAneignungdieser nurmehrfunktionalen Gegenständlichkeit widerfährt.
2. Zur Logik der Repräsentanz des Psychischen in den Dingen
1 Cassirer: op. cit., 11. Teil (Das mythische Denken), S. 37ff.; und vgl. Uvi-Strauss: Das wilde Denken, op. cit. 2 Vgl. dazu Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (hg. von H. Bächthold Stäubli), op. cit., Bd. lll, S. 1370ff. 3 Man vergleiche dazu das Symbolregister in Freud: G. W., op. c'it., Bd. XVIII (Registerband), S. 843 ff. 4 Vgl. Theodor Lipps: Inhalt und Gegenstand, in Psychologie und Logik, Sitzungsbe richte der Münchner Akademie, Philoph.-philol. Klasse, 1903, S. 594: ·Die Bezie hung zwischen der Erscheinung im strengen Sinne des Wortes (z. B. dem Empfin dungsinhalt eines ScbaUes) und dem ihr zugrunde Iiegendeo Realen (der SchaUwelle im physikalischen Sinne) ist keine kausale Beziehung, sondern sie ist eine Beziehung vollkommen eigener Art, eine Beziehung des Symboles zu dem darin Symbolisier ten. Und diese symbolische Beziehung oder Relation besteht in der nicht weiter beschreibbaren Tatsache, daß ich in dem Empfmdungsinhalt, SchaU genannt, oder aus ihm herau.s, zunächst einen ihm gleichen Gegenstand de.nke und für wirklich halte, dann diesen wirklichen Gegenstand dem Kausalgesetze gemäß in ScbaUweUen umdenke. Bei diesem Umdenken bkibt jene eigenartige symbolische Relation, jenes Denken eines wirklichen Gegenstandes in einem Inhalte, jene Beziehung der Reprä sentatum . . bestehen.« Vgl. auch das Kapitel •Das Denken und die Gegenstände<, in Th. Lipps: Leitfaden der Psychologie, Leipzig 1909, S. 12 ff. .
188
Anmerkungen (S. 112-115)
Vgl. Karl Bühler: Die Krise der Psychologie, Jena 1927, S. 97: Wahrnehmungen frei von jeder Zeichenfunktion der Sinnesdaten kann es nur in einem für das gewöhnliche Leben gänzlich unwichtigen Grenzfall geben. Cassirer: op. cit., I. Teil (Die Sprache), S. 42. Vgl. Alfred Lorenzer: Kritik des psychoanalytischen Symbolbegriffs, Frankfurt 1970, s. 64 ff. Alfred Lorenzer: Sprachzerstörung und Rekonstruktion, Frankfurt 1973, s. 1 10. Ibid, S. llOf.; und A. Lorenzer: Kritik des psychoanalytischen Symbolbegriffes, op.' cit., S. 71 f. Vgl. auch seine stillschweigende Gleichsetzung von Ich und Bw, beziehungsweise die unsaubere Opposition von Ich und Ubw (stan Es). Zur Frage der Formkompetenz des Ubw, bzw. des Primärprozesses, vgl. A. Ehren zweig: The Hidden Order of Art, Berkeley 1969, S. 258 ff. Sigmund Freud: Abriß der Psychoanalyse, Gesammdte Werke Bd. XVII, S. 92 und •
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s. 90. 10 lbid, s. 90. 1 1 lbid, s. 89. 12 lbid, s. 90.
1 3 A. Lorenzer: Kritik . . . , op. .cit. S. 70 f.; vgl. auch A. Lorenzer: Sprachzerstö rung . . . , op. cit., S. 1 1 0 f. 1 4 je01n Piaget: Nachahmung, Spiel und Traum, Geswunelte Werke Bd. 5 (Srudienaus gabe), Stuttgart 1975; und Cassirer: op. cit., vgl. die Einleitung in Teil I (Die Sprache), S. 1 ff. und Teil IIl (Phänomenologie der Erkenntnis) S. 125ff. und auch den Aufsau •Zur Logik des Symbolbegriffs• in Ernst Cassirer: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, Scungm 1956, S. 201 ff. 1 5 Langer nennt in diesem Zusammenhang Russe!, Wbitehead, Koffka, C01map, Brunschvicg, Dewey, Piaget, Cassirer, Köhler, Ribot und andere. Vgl. Susanne K. Langer: Philosophie auf neuem Wege - Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst, Frankfurt 1965, S. 1 1 ff. u. S. 34 ff. 1 6 A. Lorenzer: Kritik . . . , op. cit., S. 78. 1 7 Zum Beispiel in seinen Argumentationen zur Tr<1um01rbeitc, die ja wohJ zentral für das Verständnis der Symbolbildung ist; vgl. u. a. S. Freud: Vorlesungen zur Einfüh rung in die Psychoanalyse, op. cit., S. 178ff. 1 8 Lorenzer: op. cit.. S. 78. 19 Vgl. ibid, S. 79ff. 20 Cassirer: op. cit., III. Teil (Phänomenologie der Erkenntnis), S. 57. 21 Langer: op. cit., S. 100. 22 Op. cit., S. 102 f. Problematisch an dieser ansonsten sinnvollen Differenzierung ist allerdings, daß Langer den präsentaciven Symbolformen eine Allgemeinheit und eine Perm01nenz abspricht und diese nur in den diskursiven, sprachanalogen Symbolformen gegeben sieht. 23 C01ssirer: op. cit., I. Teil (Die Sprache), S. 142 und 111. Teil (Phänomenologie der Erkenntnis), S. 56. 24 Jean Paul S01rtre: Das Sein und das Nichts, Harnburg 1962, S. 752-770. 25 Vgl. ibid, S. 752. 26 Ibid, S. 751. 27 Ibid, S. 751 f. 28 Ibid, S. 752. 29 Ibid, S. 752f., (Herv. i. Orig.). •
Anmerkungen (S. 1 15-119)
189
30 Namentlich mit Gaston Bachelard: Psychoanalyse des Feuers, Stungart 1959; vgl. auch Gaston Bache1ard: L'eau et !es reves, Paris 1956. 31 Vgl. Sanre: op. cit., S. 755. 32 Ibid, S. 755. 33 Ibid, S. 755. H Ibid, S. 756. 35 Ibid, S. 765. 36 Ibid, S. 759. 37 Ibid, S. 765. 38 Vgl. Cassirer: op. cit., IIJ. Teil (Phänomenologie der Erkenntnis), S. 109. 39 Sartre: op. cit., S. 758. 40 Vgl. joseph Sandler: On the Concept of Superego, in The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 15; auch J. Sandler und W. G. joffe: Die Persistenz in der psydu schen Funktion und Entwicklung, in Psyche, Heft 13 (1967) bes. S. 149 f.; und auch Piaget: Der Aufbau . . . , op. cit. 41 Smimoff: op. cit., S. 103; vgl. auch S. 112; Winnicott: Vom Spiel . . . , op. cit., S. 1 1 2 ; Ernst Cassirer: Zur Logik der Kulturwissenschaften, in Göteborgs Högsko las Arsskrift, Bd. XLVIII (1942), S. 61. 42 Vgl. Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, op. cit. 43 Vgl. Merleau-Ponty: op. cit., S. 370; und Straus: op. cit., S. 208ff. Vgl. dazu auch A.mold Gehlen: Der Mensch, Frankfurt 1971, S. 165f. (• . . . die sinnliche Erfahrung der Außenweltdinge wächst aus einem praktischen Umgang mit ihnen heraus, der ( ) nur als eine Art sensornotorischer •Unterhaltung• mit den Dingen verstanden werden kann . . . ) 44 Es lassen sich in vielen entwicklungspsychologischen Theorien Hinweise auf die eigentümlichen ästhetischen Momente der frühkindlichen Erfahrung finden (vgl. u. a. Wemer: op. cit.). Allerdings wird da die Annahme einer den rationalen Erfahrungskonzepten ontogenetisch vorgängigen, als ästhetische anzusprechenden Auffassungsform selten systematischer argumentiert. Aber indirekt verweist z. B. eine Aussage wie die Sandcrs in diese Richtung, daß die frühkindlichen •Erlebnis weisen ( ) dem entwickelten BewußtSein nur mehr in der aufs Ganze gehenden inhctischen Einstellung näherungsweise zugängig sind•. (Sander: op. cit., S. 187) 45 Vgl. Straus: op. cit., S. 221 ff. Auf eine gründlichere Weise dargestellt findet sich die synästhetische Struktur der omo- und phylogenetischen frühen Formen der Wahrnehmung bei Wemer: op. cit., S. 6 l ff. 46 Friedrich Nietzsche: Über Lüge und Wahrheit im außermoralischen Sinn, Werke Bd. III, Frankfurt 1979, S. 1025, (Herv. i. Orig.). Sander: op. cit., S. 187. 47 Vgl. Sartre: op. cit., S. 752. 48 Vgl. Claude Levi-Strauss: Mytbologica I - Das Rohe und das Gekochte, Frankfurt 1970; und Mytbologica II - Vom Honig zur Asche, Frankfurt 1972. 49 Was hier zum Symbolischen und den Objekten gesagt wurde, ist dem analog, was Levi-Strauss über die Metapher und die Sprache (das Denken) formuliert. So sagt er ,·on der Metapher, die •auf der Intuition von logischen Beziehungen zwischen einem Bereich und anderen Bereichen beruht, ( ) ungeachtet des reflektiven Denkens, das sich darauf versteift, sie zu trennen•, daß sie nicht ..als Verschönerung zur Sprache hinzukomme(n)c, sondern sie zu ihrer •ursprünglichen Nature zurückführe, •in dem sie für einen Augenblick eine der zahllosen Synekdoten auslöscht, aus denen die Rede bestchtc. (Levi-Strauss: Mytbologica I - Da:s Rohe und das Gekochte, op. cit., S. 434). "
190
Anmerkungen (S. 12�131)
50 Vgl. Rene A. Spitz: Eine genetische Feldtheorie der Ichbildung, Frankfun 1972. 51 Gaston Bachelard: Die Poetik des Raumes, Frankfun 1975, S. 74. 52 Georges Bataille: Die Souveränit2t, in Die psychologische Struktur des Faschismus Die Souveränität, München 1978, S. 74. 53 Zur Veranschaulichung dieser Funktion nur ein banales Beispiel: Wie manchen •
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Dingen Gesten, und dißlit Weisen des Verhaltens einbeschrieben sind. Pantoffei >Schlappenc, Slippers - sind darauf berechnet, daß man ohne Hilfe der Hand mit den Füßen hineinschlüpft. Sie sind Denkmale (Orig. o. Herv.) des Hasses gegen das sieb Bücken.« (Th. W. Adorno: Minima Moralia, Frankfun 1975, S. 140). Gufo Reale: Gufo Reale's ganz unpassende Antwort auf die Energiefrage, in Stadt Revue, 5. Jg. Nr. 4, S. tOf. Vgl. Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Frankfun 1970 (vor allem in: In Swanns Welt I und in: Im Schanen junger Mädchenblüte). In diesem Sinne bestimmt Sarue in seiner Theorie des Im:tginären den •wahren Sinn des symbolischen Schemas• in seiner ·Rolle• als •Präsentifikatorc. Uean Paul Sartre: Das Imaginäre, Harnburg 1971, S. 178). Arnold Gehlen: Der Mensch, Frankfurt 1971, S. 1 72ff.; vgl. auch du Kapitel ·Die Entlastungsfunktion der Erf:thrungssymbole• in Arnold Gehlen: Anthropologische Forschung, H:tmburg 1961, S. 34 ff. Wolfgang Stegmüller: Probleme ·und Resultate der Wissenscb:tftstheorie und analyti schen Philosophie, Bd. 1 (Wissensch:tftlicbe Erklärung und Begründung), Berlin 1969, s. 346 ff.
TEIL III Studien zur psycho-logischen Gegenständlichkeit der Dinge Das •Re!opalc-Möbel oder Die Sinne nehmen nicht einfach die Dinge auf, sondern in ihnen auch eine Form an: Jedes gegenständliche Design ist immer auch ein Design der Sinnlichkeit. 1 Die Studie stützt sieb auf psychologische Explorationen zu diesem Thema, die im J:thre 1977 unter meiner Leitung von Dr. phil. Wolfgang Baßler (Dipi-Psych.) und von Dipi.-Psych. Regina Strahlka im R:tbmen eines Praktikums am Psychologischen Institut 11 (Lehrstuhl 1 ) der Universität z.u Köln durchgeführt wurden. 2 In der abstrakten, eigentlich nur als •Resistenz• faßbaren Materialität des Resopals und in der schieren Funktionalit.ät, die das Resopalmöbel auszeichnen, wird dieses zu einem eigentümlich ungegenständlichen Ding und belegt es gewissermaßen die psycho-logische Existenz von •Undingenc. Vgl. duu das Kapitel über das Plastik in Roland Barthes: Mythen des Alltags, Frankfun 1970, S. 79 ff. 3 Dazu, daß im Gebrauch der Dinge mehr als nur ihre praktische Funktion realisiert und immer auch eine allgemeine •Botschaft< angeeignet wird, vgl. auch Roland Barthes: Elemente der Semiologie, Frankfun 1979, (S. 35 f.). Er spricht da von einer •universellen Semantisierung des Gebrauchs•, die er damit zusammenbringt, daß, •da unsere Gesellschaft nur standardisierte, normalisierte Gegenstände erzeugt, diese Gegenstände zwangsläufig die Realisierung eines Modells, die Wone einer Sprache, die Substanz einer signifikanten Form sindc. (op. cit., S. 36). 4 Vgl. duu Baudrillards Kritik an dem funktionalistischen Diktat, dem seines Erach tens nach die Dinge heute allgemein unterworfen seien; in J. Baudrillard: Le systeme des objets, op.cit., S. 81 ff.
Anmer.kungen (S. 132-145)
191
5 Vgl. Thomas Ziehe, Helga Hösing u. Herben Stubenrauch: Narziß - ein neuer SoziaHsationstypus, Frankfurt 1980. 6 Vgl. ibid; auch Thomas Ziehe: Pubertät und Narzißmus, Frankfurt 1975.
Clogs, Latzhosen und das Fahrradi odtr
Die Dinge treten nicht einfach ins Bewußtsein, sie stellen es auch aus.-Zur herald.ischen Funktion der Dinge.
1 Dieser Studie Liegen die Ergebnisse eines von mir im Jahre 1979 am Psychologischen Institut II (Lehrstuhl 1) der Universität zu Köln geleiteten Forschungsseminars zu diesem Thema zugrunde; außerdem die von Dipl.-Psych. Carl Vierboom im Rahmen eines Praktikums (1980) am genannten Institut durchgeführten psychologischen Explorationen zum selben Thema. Ein Bericht über das Forschungsseminar und seine Ergebnisse wurde im Jahre 1982 pubiziert l (Angda Wunke: Fahrrad, Clogs und Latzhose, in Zwiscbenschrit'te, 1/1982). 2 Vgl. Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, Frankfurt 1976. 3 Zur allgemeinen Funktion solcher psycho-logischen Zwischenwelten und zu h i rer Dialektik vgl. Friedrich Wolfram Heubach: Die Ästhetisierung - Eine psychologi sche Untersuchung ihrer Struktur· und Funktion, Köln 1974, S. 78 ff.
Der •Heimwerker< odtr Die Dinges sind nicht immer enrwe
Borucki im Jahre 1977 am Psychologischen Institut I I (Lehrstuhl 1) der Universität zu Köln durchgeführt wurde. (Rainer Borucki: Psychologische Untersuchung über Heimwerken, Köln 1977, unveröff.) 2 jürgen Habermas: Soziologische Notizen zum Verhältnis von Arbeit und Freizeit, in Konkrete Vernunft, Fesuchrift füi E. Rothacker, Bonn 1958, S. 226. 3 Vgl. op.cit., S. 224 ff. 4 Hier ließe sich von einem •Produkt-Narzißmus• sprechen, d. b. einem Narzißmus, in dem das Libidinöse Besetzen des Ich nicht an ihm selbst, sondern an dem es repräsentierenden Werk erfolgt. Damit wäre AnJaß gegeben, das Verständnis vom narzißtischen Typ als eines auf sich selbst bezogenen und objektverneinenden Subjekt zu relativieren und dem Narzißmus auch in gegenständlichen Beziehungen eine Realität zuzusprechen. Denn daß solche durchaus als Beziehungen zu sich selbst gelebt werden können, illustrieren die hier geschilderten Phänomene. 5 Vgl. Jean Paul Sartre: Das Sein und das Nichts, Harnburg 1962, S. 725ff.
192
Anmerkungen (S. 146-159)
Die Warencharaktere und der Charakter als Ware oder Der •Persönlichkeitsmarkt• (Habermas) Anmerkungen zur Theorie der Verdinglichung 1 Jürgen Habermas: Illusionen auf dem Heiratsmarkt, in Merkur, X. Jg., 10. Heft, Oktober 1956, S. 997. 2 Ibid, S. 997 f. 3 Ibid, S. 998. 4 Ibid, S. 998. 5 Siehe Anhang. 6 Das Zitat lautet wönlich: •Der Animismus hat die Sachen beseelt, der Industrialis mus versachlicht die Seelen.• Max Horkheirner u. Theodor W. Adomo: Dialektik der AufkJärung, Amsterdam 1944, S. 4 1 . 7 Wobei deren Zugänglichkelt nicht notwendig rn:nerialiter, im Erwerb, gegeben sein muß, sondern auch rein kontemplativer Natur sein und allein in ihrer durch d.ie allgegenwärtige Werbung besorgten Vertrautheit iegen l kann. 8 VgJ. dazu die Darstellung der Thesen Israels, S. 47ff. 9 Vgl. dazu Thomas Luckrnann: Lebenswelt und Gesellschaft, Parderborn 1980, S. 150ff. 10 Vgl. W. Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbar keit, op. cit. 1 1 Jürgen Habermas: Notizen zum Mißverhältnis von Kultur und Konsum, in Merkur, X. Jg., 3. Heft, März 1956, S. 225. 1 2 Ibid, S. 217. 1 3 Vgl. dazu die Ausführungen Baudrillards zum •Ende der symbolischen Dimension• in der Gegenständlichkeit der Warendinge, in J. Baudrillard: Le systeme des objets, op.cit., (u. a. S. 76ff.). 14 Vgl. K. Holzkamp: Sinnliche Erkenntnis, op.cit. 1 5 Jonathan Swift: Reisen in verschiedene ferne Länder der Welt von Lemuel Gulliver, Darmstadt 1968, S. 281. 16 Ibid, S. 281 f.
Die Mutter, die Spule und der Bindillden oder Die gegenständliche Auflösung gemischter Gefühle, - ein Kinderspiel. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
S. Freud: Jenseits des Lustprinzips, op. cit., S. 1 2 f. Ibid, S. 13. Ibid, S. 13. Ibid, S. 13. Ibid, S. 14. Ibid, S. 14. Ibid, S. 14. Ibid, S. I 5. Jacques Lacan: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse - Das Seminar jacques Lacans, hg. von Norbert Haa.s, Olten 1978, S. 68. 1 0 Vgl. Rene A. Spitz: Die Entstehung der ersten Objektbeziehungen, Stuttgart 1973, s. 2 1 . 1 1 Freud: Jenseits . . ., op. cit., S. 13. 12 Lacan: op. cit., S. 68.
Anmerkungen (S. 159-165)
193
13 Vgl. jacques Lacan: Die Familie, Schriften III, Olten 1980, S. 48f. R. Spitz (Nein und ja, op. cit., S. 106): •Das gleichzeitige Vorhandensein diametral ent.gegenge setzter Tendenzen im Kinde, schon von Geburt an, kann gar nicht genug hervorge hoben werden•. Vgl. dazu auch H. Tbomae: Beiträge zur Entwicklungspsychologie der Motivation,
14 15 16 17
in Handbuch der Psychologie, Bd. 3 {Entw1cklungspsychologie, hg. von H. Tho mae) Göttingen 1959, S. 495. Diese grundlegende Ambivalenz findet sich bei M. Klein namentlich in der Schema tik der ·bösen Mutter• und der •gute.n Mutter• abgehandelt, vgl. M. Klein : Die Psychoanalyse des Kindes (op. cit.). Sie läßt sich auch mit dem umstrittenen •Trauma der Geburt• (Rank) und mit Freuds metapsychologischer Annahme einer die menschliche Psyche regierenden Grundpolarität von •Eros• und •Thanatos• in Verbindung bringen. Zur Ritualisierung als Ambivalenz-Abwehr vgl. auch Erik H. Erikson: Toys and Reasons - Stages in the Ritualization of Experience, New York 1977. Vgl. J. Lacan: Die Familie, op. cit., S. 49. J. Lacan: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, op. cit., S. 69. joseph Sandler: On the Concept of Superego, in Tbe Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 15. Vgl. auch J. Sandler und W. G. joffe: Die Persistenz in der psychi schen Funktion und Entwicklung, in Psyche, Heft 13 (1967), S. 149f.
Das Bonbon oder Der •süße Tod des Für-sich• (Sartre) Beispiel einer Handlungsplastik I Die der Studie zugrundeliegende Beschreibung entstand im Zusammenhang eines von mir im Jahre 1980 an der Hochschule für Bildende Künste in Harnburg gehaltenen Seminars zum Thema •Materiale Symbolik•; sie stellt eine idealtypisch vereinheitlichende Zusammenfassung der von den Studenten gegebenen Verhaltens und Erlebensbeschreibungen dar. 2 Vgl. dazu auch J. Sandler u. W. G. Joffe: Die Persistenz . . ., op. cit., S. 149. 3 J. P. Sartre: Das Sein und das Nichts, op. cit., S. 762 (Hervorhebungen im Original). 4 Ibid, S. 762 f. 5 Ibid, S. 762 f. 6 Ibid, S. 763. 7 Ibid, S. 763 f. 8 Ibid, S. 764 u. 766. 9 Vgl. Sandler u. Joffe: op. cit. I 0 Sartre: op. cit., S. 764 f. 1 1 Ibid, S. 763. 1 2 Ibid, S. 759f.
194
Anmerkungen (S. 167-172)
Der >Flipper<-Automat oder Der Lauf der Dinge Analyse eines gegenständlichen Weltmodells 1 Dieser Studie liegt eine von mir im Jahre 1971 angestellte Uotersucbu.ng 2.um Flipperspiel zugrunde (publiziert in Interfunktionen, 8/1973). Außerdem wertet sie die psychologischen Explorationen aus, die Dipi.-Psych. Franz-Josepb Becker zum selben Thema im Rahmen der Vorbereitung einer Diplomarbeit am Psychologischen Institut II (Lehrstu.hl 1) der Universität 2.u Köln im Jahre 1979 durchführte. 2 Roland Barthes: Mythen des Alltags, op. cit., S. 76ff. Vgl. zu dieser •Rhetorik der Dinge« auch Friedrich W. Heubacb: Zur allgemeinen Rede von der Sprache als Besonderem, op. cit., S. 241 ff. 3 Rene König {et al.): Das Spielen an Geldautomaten, Köln 1969. 4 Edeltrud Meistermann u. Kar! Bingemer: Psychologie des Automatenspiels, Köln 1971, s. 47. 5 Ibid, S. 42 f. u. S. 87. 6 Ibid, Vgl. u. a. S. 24, 46, u. 56. 7 Ibid, S. 20 ff. 8 lbid, s. 23. 9 Ibid, S. +4. 1 0 Ibid, S. 84. 1 1 Ibid, S. 55 u. S. 35. 1 2 Ibid, S. 46. 1 3 Vgl. Erwin Straus: Vom Sinn der Sinne, op. cit., das Kapitel ••Drinnen• und ·Draußen• sind Phänomene de.s Spielraums•, S. 247ff. 1 4 Was schon auf der Anzeigefläche des Flippers angesagt wird: •lt's a game of skill!c. 1 5 Dieses Motto fehlt fast nie auf der Schaufläche des Flippers. Bemerkenswert auch, daß d.as allgemein nicht große Interesse, einmal in den Apparat hineingucken zu können, mit dem zunehmenden Alt.er der Spieler noch geringer wird; vgl. Meistermann u. Bingemer: op. cit., S. 84. 1 6 Meistermann u. Bingemer: op. cit., S. 24. 1 7 Ibid, S. 37. 1 8 Ibid, S. 36 f. 19 Ibid, S. 90. 20 Waher Benjamin: Über einjgc: Motive bei Baudelairc:, in Illuminationen, Frankfun 1969, s. 226. 21 Meistermann u. Bingemer: op. cit., S. 33. 22 Vgl. Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos, Harnburg 1959, S. 98ff. (Vgl. in diesem Zusammenhang die etwas triviale Deutung des Flipperspiels als Zen-Übung in Roben Polin u. Michael Rain: Pinball Wizardry- Tbe Tbeory and Practice of the Art and Science of Pinball, Englewood Cüffs 1979.) 23 Hier fühlt man sieb an die Worte Pascals erinnert, die der Arbeit voranstehen: ,.Wir suchen nie die Dinge, sondern ·das Suchen der Dinge•. (Blaise Pascal: Gedanken, Birsfelden-Basel o. J., S. 82).
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