Hans-Jörg Bullinger · Michael ten Hompel (Hrsg.) Internet der Dinge
Hans-Jörg Bullinger · Michael ten Hompel (Hrsg.)
Internet der Dinge www.internet-der-dinge.de
Mit 149 Abbildungen
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Professor Dr. Hans-Jörg Bullinger Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Hansastraße 27c 80686 München Germany hans-jö
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Professor Dr. Michael ten Hompel Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2–4 44227 Dortmund Germany
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ISBN 978-3-540-36729-1 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Digitale Vorlage der Autoren Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg, nach Vorlage von Lars Besten, Dortmund Gedruckt auf säurefreiem Papier
68/3180/YL – 5 4 3 2 1 0
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis........................................................................XIII Zum Geleit............................................................................................. XIX Vorwort: Intelligenteres Leben im „Internet der Dinge“ ..............XXIII Vorwort: Wie das „Internet der Dinge“ die Welt der Logistik verändert ............................................................................................ XXIX Marktübersicht und politisches Umfeld .................................................. 1 1 Wirtschaftliches und politisches Umfeld der RadiofrequenzIdentifikation ....................................................................................... 1 2 Potenzial .............................................................................................. 2 3 Marktentwicklung in Deutschland ...................................................... 4 4 Mittelstand........................................................................................... 8 5 Politische Dimension......................................................................... 11 6 Ausblick ............................................................................................ 15 Literatur................................................................................................ 16 Der RFID-Markt aus Sicht der Anwender und Anbieter.................... 19 1 Einführung......................................................................................... 19 2 Marktbefragung................................................................................. 19 3 Charakteristika der Studien-Teilnehmer............................................ 20 4 AutoID-Technologien im Vergleich.................................................. 26 5 Technologische Komponenten .......................................................... 28 6 Standardisierung und der hieraus bedingte Handlungsbedarf ........... 31 7 Anwendungsbereiche und Einflussfaktoren ...................................... 33 8 Zusammenfassung und Ausblick....................................................... 37 Literatur................................................................................................ 38
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Mit Low-Power-Funktechnologie auf dem Weg zu ubiquitous computing................................................................................................. 39 1 Einführung......................................................................................... 39 2 Anwendungsgebiete .......................................................................... 40 3 Funktechnologien .............................................................................. 42 4 Die Auswahl der richtigen Funktechnologie..................................... 46 5 Zusammenfassung............................................................................. 47 Internet der Dinge – Anwendung von RFID- und Tracking-Technologien zur intelligenten kooperativen Assistenz im Arbeitsprozess .... 49 1 Einführung......................................................................................... 49 2 MICA ................................................................................................ 50 2.1 Multimodalität und Interaktion .................................................. 50 2.2 Lokalisierung und Tracking ....................................................... 54 2.3 MICA Assistenz im Lager.......................................................... 56 3 Kooperationsaktive Dokumente: ContextDesk ................................. 60 Literatur................................................................................................ 61 Internet – eine Infrastruktur in der Pubertät....................................... 63 1 IP-fizierung – mehr als ein Internet-Kühlschrank ............................. 64 1.1 Neue Player – neues Internet...................................................... 64 1.2 Voice over IP – ein Beispiel für die IP-fizierung....................... 65 1.3 IP-TV – die nächste Generation der Medien.............................. 65 1.4 Vehicular Networking – das Internet auf Rädern....................... 66 1.5 Communities – Soziale Netzwerke im Internet.......................... 67 2 Internet – „Selbst“ ist das Netz.......................................................... 68 3 (Dienst-)Welten verbinden – Internet und Telekommunikation ....... 70 4 Service-115 – ein Dienst für alle....................................................... 72 5 (e)Migration und Interoperabilität – aus Alt mach Neu .................... 73 6 Internet – Übergänge sicher stellen ................................................... 74 7 Standardisierung und Innovation – untrennbar miteinander verbunden .......................................................................................... 74 8 Das Internet wird erwachsen ............................................................. 75 Telematik und RFID – Elektronische Beobachter gestalten die gesicherte Warenkette............................................................................. 77 1 Funktechnologien erobern das logistische Objekt............................. 77 2 RFID/Telematik in der gesicherten Warenkette................................ 79 3 Der intelligente Ladungsträger.......................................................... 82 4 Standardisierung und Zertifizierung.................................................. 86 5 Zusammenfassung............................................................................. 88 Literatur................................................................................................ 88
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Selbstorganisation: Dinge in eigenverantwortlicher Kooperation – eine Systemanalyse .................................................................................. 91 1 Einführung......................................................................................... 91 2 Dinge bieten ihre Dienste an ............................................................. 92 3 Dinge als kooperative autonome Einheiten....................................... 97 4 Kooperation durch gemeinsame Strategieausführung....................... 99 5 Zusammenfassung........................................................................... 102 Literatur.............................................................................................. 103 Sensornetzwerke und Lokalisierungsverfahren als Schlüsseltechnologien für die intelligente logistische Umwelt von morgen ..... 107 1 Auf dem Weg zum Internet der Dinge – das Versprechen innovativer Smart-Object-Technologien......................................... 107 2 Bemerkungen zum State of the Art der RFID-Technologie: Die aktuellen Weiterentwicklungsbedarfe ............................................. 108 3 Technologische Lösungsansätze: Kostenreduktion durch Einsatz neuer Materialien und Erweiterung des Funktionsumfangs elektronischer Tags.......................................................................... 109 4 Die Technologie der Sensornetzwerke im Fokus: Vernetzung und Lokalisierung............................................................................ 111 5 Ein Technologiebeispiel: Sensornetzprotokoll „Slotted MAC“...... 113 6 Ein Anwendungsbeispiel: Sicherung von Waren im Distributionsprozess mithilfe von Sensornetzwerken ..................... 115 7 Offene Fragestellungen und Ausblick............................................. 117 Literatur.............................................................................................. 118 Simulation selbststeuernder Transportnetze ...................................... 119 1 Einführung....................................................................................... 119 2 Simulationsmodell........................................................................... 120 3 Forschungsgrundlagen..................................................................... 121 4 Algorithmen .................................................................................... 122 5 Simulationsergebnisse..................................................................... 123 6 Ausblick .......................................................................................... 125 Literatur.............................................................................................. 126 Modellbasiertes Requirements Engineering ....................................... 127 1 Einführung....................................................................................... 127 2 Technologisches Umfeld für das Internet der Dinge....................... 128 2.1 Basistechnologien .................................................................... 128 2.2 Perspektive für zukünftige Anwendungen ............................... 133 3 Domänenbeschreibung .................................................................... 135 3.1 Warehouse Logistics ................................................................ 136
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3.2 Baggage Handling Logistics .................................................... 141 4 Modellbasierte Erfassung von Anforderungen................................ 146 4.1 Motivation ................................................................................ 146 4.2. Modell und Achsen ................................................................. 148 5 Anwendung des modellgestützten Requirements Engineering ....... 153 6 Ausblick .......................................................................................... 154 Literatur.............................................................................................. 155 Technologische Trends bei RFID-Systemen für den Einsatz im Internet der Dinge ................................................................................. 157 1 Einführung....................................................................................... 157 2 Anwendung der RFID-Technologie in verschiedenen Branchen.... 159 3 Funktionsweise und derzeitige Kennwerte der RFID-Technologie 162 4 Spezielle Lösungen und neue Funktionen....................................... 165 4.1 Die Kombination von RFID und Sensoren .............................. 165 4.2 Antennen für UHF-Transponder .............................................. 169 4.3 Integrationsfähigkeit von Transpondern in Verpackungen ...... 172 4.4 Mehrfrequenztransponder ........................................................ 173 4.5 Lokalisierung passiver Tags..................................................... 174 4.6 Semiaktive Transponder........................................................... 176 5 Ausblick .......................................................................................... 176 Literatur.............................................................................................. 177 Sicherer Informationsaustausch im Internet der Dinge ................... 179 1 Einführung....................................................................................... 179 2 Organisationsübergreifende Verarbeitung von Objektdaten ........... 179 3 Informationsverarbeitung in der Netzwerkebene ............................ 182 4 Sicherheitsrisiken im ONS .............................................................. 184 5 Reduktion von Sicherheitsrisiken.................................................... 187 Literatur.............................................................................................. 189 RFID im Gesundheitswesen – Nutzenpotenziale und Stolpersteine auf dem Weg zu einer erfolgreichen Anwendung............................... 191 1 Ausgangslage im deutschen Gesundheitswesen.............................. 191 2 Anwendungskategorien von RFID im Gesundheitswesen .............. 192 2.1 Anwendungskategorie 1 „Lokalisierung“ ................................ 193 2.2 Anwendungskategorie 2 „Messdatenüberwachung“................ 193 2.3 Anwendungskategorie 3 „Prozesssteuerung“........................... 194 2.4 Anwendungskategorie 4 „Berechtigungsmanagement“........... 194 3 RFID-Anwendungen in der Praxis .................................................. 195 3.1 Kurzbeschreibung der vom ISST durchgeführten Studie......... 195 3.2 Studienergebnisse..................................................................... 195
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3.3 Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Umsetzung............... 199 4 Zusammenfassung und Ausblick..................................................... 200 Literatur.............................................................................................. 201 Polytronik und das Internet der Dinge................................................ 203 1 Flexible elektronische Systeme für eine vernetzte Welt ................. 203 2 Polytronik – eine umwälzende Systemintegrationsplattform für die vernetzte Welt ...................................................................... 207 3 Technologische Möglichkeiten für die flexible Elektronik............. 212 3.1 Monokristallines Silizium ........................................................ 212 3.2 Dünnfilm-Silizium ................................................................... 213 3.3 Organische Halbleiter............................................................... 214 4 Die interdisziplinäre Entwicklung der Polytronik unterstützen ...... 216 Literatur.............................................................................................. 218 Ambient Intelligence im Rahmen Service-orientierter Architekturen......................................................................................... 219 1 RFID in Diensten und Systemen ..................................................... 221 2 RFID-Technik: Gefahren kennen, Chancen nutzen ........................ 222 3 RFID-Einsatzbereiche ..................................................................... 225 3.1 Objektverfolgung/-identifizierung ........................................... 225 3.2 Personenidentifizierung............................................................ 226 3.3 Kombinierte Prozesse mit Personen und Objekten .................. 226 3.4 Sicherer transparenter Umschlagplatz...................................... 227 RFID-Einsatz innerhalb der DaimlerChrysler AG............................ 231 Abstract .............................................................................................. 231 RFID-Einsatz im Leergutlager des DaimlerChrysler-Werkes Sindelfingen ....................................................................................... 231 1 Anforderungsspezifikation .............................................................. 232 1.1 Ziele.......................................................................................... 232 1.2. Prozesse................................................................................... 233 1.3 Technologie.............................................................................. 234 1.4 IT-Infrastruktur ........................................................................ 235 2 Vorabtests bei Fraunhofer IML ....................................................... 236 2.1 Testreihen................................................................................. 237 2.2 Test der Erfassungsszenarien ................................................... 239 3 Fazit................................................................................................. 242 Der Einsatz von RFID-Hardware – Aspekte der Frequenzbereiche, Einsatzmöglichkeiten und Grenzen im industriellen Umfeld............ 243 1 Einführung....................................................................................... 243
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2 Eigenschaften der Frequenzbereiche............................................... 244 3 Die Parameter der Frequenzbereiche im Einzelnen ........................ 245 3.1 LF-Bereich (119 ... 148,5 kHz) ................................................ 246 3.2 HF-Bereich (13,56 MHz) ......................................................... 247 3.3 UHF-Bereich ............................................................................ 248 3.4 GHz-Bereich (2,4 ... 2,5 GHz) ................................................. 250 4 Technik............................................................................................ 251 4.1 Transponder.............................................................................. 251 4.2 Speichertypen........................................................................... 252 5 Physikalische Aspekte..................................................................... 253 5.1 Auslesung von bewegten Systemen ......................................... 253 5.2 Lesereichweiten in der Praxis .................................................. 254 6 Zusammenfassung und Blick in die Zukunft................................... 254 Literatur.............................................................................................. 256 Prozesse in offenen Systemen gestalten ............................................... 257 1 Einführung....................................................................................... 257 2 EPCglobal-Netzwerk....................................................................... 259 3 EPC-Showcase ................................................................................ 262 3.1 Produktionsbetrieb ................................................................... 263 3.2 Distributionszentrum................................................................ 264 4 Blick in die Zukunft ........................................................................ 265 Integrierte RFID sorgt für mehr Qualität bei Life Sciences.............. 267 Kühlketten lückenlos online überwachen – Intelligente Sendungsverfolgung schließt Lücke bei unternehmensübergreifenden Transportprozessen............................................................................... 273 1 Einführung....................................................................................... 273 2 Intelligente Sendungsverfolgung bei unternehmensübergreifenden Transportprozessen................................................................... 274 3 Standort- und Unternehmensgrenzen überwinden .......................... 275 4 Lückenlose Überwachung sensibler Güter...................................... 277 5 Intelligentes Behälter- und Asset-Management .............................. 279 6 Ausblick .......................................................................................... 280 Multiagentensysteme im Internet der Dinge – Konzepte und Realisierung ........................................................................................... 281 1 Software-Agenten............................................................................ 281 2 Adaptivitätsanforderungen .............................................................. 283 3 Agentifizierung von intralogistischen Systemen............................. 284 4 Entwicklung einer Multiagenten-basierten Steuerung .................... 285
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5 Enterprise Application Integration .................................................. 292 Literatur.............................................................................................. 293 LogAgency SCM-Datenprozessplattform – RFID-Anwendungen als SaaS-Lösung..................................................................................... 295 1 Einführung....................................................................................... 295 2 SaaS, die Weiterentwicklung von ASP ........................................... 295 3 SCM-Datenprozessplattform........................................................... 296 4 RFID mittels SaaS-Technologie...................................................... 298 5 Das Internet der Dinge als Verbindung zwischen Ware und Daten 303 6 Ausblick .......................................................................................... 303 RFID – Schlüsseltechnologie für die Zukunft des Handels .............. 305 1 Der Handel im Umbruch ................................................................. 305 2 RFID-Einsatz auf Paletten und Kartons .......................................... 306 3 Vorteile für alle Marktteilnehmer.................................................... 308 4 Standards sind die Voraussetzung................................................... 308 5 Erfolgsfaktor METRO Group RFID Innovation Center.................. 309 6 Unsere Vision: RFID auf Artikelebene ........................................... 312 7 Den Weg gemeinsam gehen ............................................................ 313 Das X-Internet – Verbindung zwischen physischer und Cyber-Welt............................................................................................. 315 1 Einführung....................................................................................... 315 2 Technologien, die nahtlose Mobilität in der X-Internet-Welt ermöglichen..................................................................................... 317 2.1 Kontextbewusstsein.................................................................. 319 2.2 Peer-to-Peer-Bewusstsein, Selbstorganisation und autonomes Handeln .................................................................................... 321 2.3 Neue Formfaktoren .................................................................. 322 3 Supply Chain Management/Produktlebenszyklusmanagement....... 323 4 Beispiele, bei denen X-Internet-Technologie bereits auf dem Vormarsch ist .................................................................................. 329 Literatur.............................................................................................. 330 RFID im praktischen Einsatz ............................................................... 331 1 Supply Chain Management ............................................................. 331 1.1 Der Warenfluss mit RFID ........................................................ 332 1.2 Der Informationsfluss mit AutoID Backbone .......................... 334 2 AutoID Backbone............................................................................ 335 2.1 Schichtenmodell von AutoID Backbone.................................. 336 2.2 Sicherheit im AutoID Backbone .................................................. 337
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3 Real-Time Enterprise ...................................................................... 338 4 RFID-Einsatz außerhalb der Warenlogistik .................................... 340 5 Ausblick .......................................................................................... 343 5.1 Standardisierung....................................................................... 343 5.2 Massenmarkt ............................................................................ 344 5.3 PolyApply ................................................................................ 344 RFID im mittelständischen Einsatz ..................................................... 347 1 Einleitung ........................................................................................ 347 2 Ist der Mittelstand bereit für RFID? ................................................ 347 2.1 Mit Barcode schon heute komplexe Handels-Logistik in den Griff bekommen ....................................................................... 349 2.2 RFID unterstützt das Ersatzteilgeschäft im Maschinenbau...... 352 3 Effizienzsteigerung durch RFID entlang der Supply Chain............ 355 4 Rolle des ERP-Systems für die informationslogistische Kette ....... 360 5 Zusammenfassung........................................................................... 363 Rechtliche Dimensionen der Radio Frequency Identification........... 365 1 Einführung....................................................................................... 365 2 Rechtliche Bewertung von RFID .................................................... 366 2.1 Recht des Datenschutzes .......................................................... 367 2.2 Recht der Datensicherheit ........................................................ 387 2.3 Schutz der vertraulichen Kommunikation (Fernmeldegeheimnis) ................................................................................ 402 3 Rechtspolitische Debatte ................................................................. 408 3.1 Technologischer Wandel und das Prinzip der Verantwortung. 408 3.2 Hohes Schutzniveau durch bestehende rechtliche Vorkehrungen........................................................................... 410 3.3 Optimierung des Schutzinstrumentariums ............................... 410 3.4 Zukünftige Entwicklung........................................................... 414 4 Zusammenfassung........................................................................... 416 Literatur.............................................................................................. 418 Wahrnehmungen im Spannungsfeld neuer Technologien – Welchen Einfluss haben weiche Faktoren auf die Entwicklung von RFID? ... 421 1 Wahrnehmungen als Gradmesser für den Erfolg von Technologien423 2 Situation im Kontext RFID ............................................................. 426 3 Die vier W der Risikokommunikation: Wann? Was? Wie? Mit Wem?........................................................................................ 432 4 Kommunikative Chancen und Risiken für die RFID-Technologie . 437 5 Fazit................................................................................................. 439 Literatur.............................................................................................. 440
Abkürzungsverzeichnis
AM-Display AS2 a-Si ASIC ASM ASP B2B B2C BDSG BGB BHICS BHS BMBF BSCW BSI BVerfG CA CCD CCO CEPT CMOS CRC CRM DDoS DECT DESADV DFG DNS DNSSEC DoS DRG DVB EAI
Aktiv-Matrix-Display Applicability Statement 2 Amorphous Silicon Application Specific Integrated Circuit Anschaltmodul Application Service Providing Business to Business Business to Consumer Bundesdatenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Baggage Handling Information and Control System Baggage Handling System Bundesministerium für Bildung und Forschung Basic Support for Cooperative Work Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie Bundesverfassungsgericht Certificate Authority Charge-coupled Device Capacitiv Controlled Oscillator Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications Complementary Metal Oxide Semiconductor Cyclic Redundancy Check Customer Relationship Management Distributed Denial of Service Digital Enhanced Cordless Telecommunications Despatch Advise Deutsche Forschungsgemeinschaft Domain Name System DNS Security Extensions Denial of Service Diagnosis Related Groups Digital Video Broadcasting Enterprise Application Integration
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Abkürzungsverzeichnis
EAN EAS EAS EDI EDIFACT EDV EEPROM EGStGB EICAR EL EMC EMV EPC EPCIS ERP ESP ETSI F&E FET FFD FIFO FIPA FMCG FSK FTF FTK FTS GG GIAI GPRS GPS GRAI GS1 GSM HBS HF HSDPA HSUPA HTTP HW
International Article Number, früher European Article Number Elektronische Artikelsicherung Electronic Article Surveillance Electronic Data Interchange Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport Elektronische Datenverarbeitung Electrically Erasable Programmable Read-Only Memory Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch European Expert Group for IT Security Elektrolumineszenz Electromagnetic Compatibility Elektromagnetische Verträglichkeit Electronic Product Code EPC Information Services Enterprise Resource Planning Event Stream Processing European Telecommunications Standards Institute Forschung und Entwicklung Feldeffekttransistor Full Function Devices First In – First Out Foundation for Intelligent Physical Agents Fast Moving Consumer Goods Frequency Shift Keying (Frequenzumtastung) Fahrerloses Transportfahrzeug Forschungsinstitut für Telekommunikation Fahrerloses Transportsystem Grundgesetz Global Individual Asset Identification General Packet Radio Service Global Positioning System Global Returnable Asset Identification Global Standards 1 Global System for Mobile Communications Hold Baggage Screening System High Frequency High Speed Downlink Packet Access High Speed Uplink Packet Access Hypertext Transfer Protocol Hardware
Abkürzungsverzeichnis
IATA IC IEEE IETF IMEI IMS IO IP IPC IRTF ISO ISUP IT ITU-T IuK JADE KEP KI KLT KQML LAN LBT LED LF LVS MAC MDS MEMS MFC MFR MIMO MIT MMS NBIC NC NFC NVE Odette OEM OFET
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International Air Transport Association Integrated Circuit Institute of Electrical and Electronics Engineers Internet Engineering Task Force International Mobile Equipment Identity IP Multimedia System Input Output Internet Protocol Industrie-PC Internet Research Task Force Internationale Organisation für Normung ISDN User Part Informationstechnik International Telecommunication Union – Telecommunication Standardization Sector Information und Kommunikation Java Agents Development Framework Kurier-, Express- und Paketdienste Künstliche Intelligenz Kleinladungsträger Knowledge Query and Manipulation Language Local Area Network Listen Before Talk Light Emitting Diode Low Frequency Lagerverwaltungssystem Medium Access Control Mobiler Datenspeicher Micro-Electro-Mechanical System Material Flow Control Materialflussrechner Multiple Input Multiple Output Massachusetts Institute of Technology Multimedia Messaging Service Nano-Bio-Info-Cogno Numerical Control Near Field Communication Nummer der Versandeinheit Organization for Data exchange by Tele Transmission in Europe Original Equipment Manufacturer Organischer Feldeffekttransistor
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Abkürzungsverzeichnis
OLED ONS OR OTP OWiG PDA PECVD PKI PLC PoC PWB QVGA RAM RE RFC RFD RFID RFOL ROI ROM RSSI SaaS SC SCE SCM SCTP SGTIN SIP SLK SMD SMS SOA SOAP SPS SRAM SSCC SSL StGB SW TA TCO TCP/IP
Organic Light-emitting Diode Object Name Service Operations Research One Time Programmable Ordnungswidrigkeitengesetz Personal Digital Assistant Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition Public Key Infrastructure Programmable Logic Controller Proof of Concepts Printed Wired Board Quarter Video Graphics Array Random Access Memory Requirements Engineering Request for Comments Reduced Function Devices Radio Frequency Identification Radio Frequency Object Localization Return on Investment Read-only Memory Received Signal Strength Indication Software as a Service Supply Chain Supply Chain Execution Supply Chain Management Stream Control Transmission Protocol Serialised Global Trade Item Number Session Initiation Protocol Shipment Localisation Kits Surface-mounted Device Short Message Service Service-oriented Architecture Service-orientiertes Architektur-Protokoll Speicherprogrammierbare Steuerung Static Random Access Memory Serial Shipping Container Code Secure Sockets Layer Strafgesetzbuch Software Transportauftrag Total Cost of Ownership Transmission Control Protocol/Internet Protocol
Abkürzungsverzeichnis
TDMA TDoA TE TKG TLS ToA TOR TTCN UCC UDP UHF UML UMTS URI URL UWB UWG VDA VoIP VPN WLAN WMS XML
Time Division Multiple Access Time Difference of Arrival Transporteinheit Telekommunikationsgesetz Transport Layer Security Time of Arrival The Onion Router Testing and Test Control Notation Uniform Code Council User Datagram Protocol Ultra High Frequency Unified Modeling Language Universal Mobile Telecommunications System Uniform Resource Identifier Uniform Resource Locator Ultra Wide Band Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verband der Automobilindustrie e. V. Voice over IP Virtual Private Network Wireless Local Area Network Warehouse Management System Extensible Markup Language
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Zum Geleit
Das Internet, der globale Zusammenschluss vieler Millionen Computer zu einem ungemein leistungsfähigen und vielfältigen Netzwerk, ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Es hat mit seinen technischen Möglichkeiten und Diensten wie E-Mail, dem World Wide Web oder IP-Telefonie in den letzten zehn Jahren den Impuls für zum Teil grundlegende ökonomische und soziale Wandlungsprozesse geliefert. Obwohl das Netz bereits heute umfassend in unseren beruflichen wie auch privaten Alltag integriert und auch gesellschaftlich akzeptiert ist, scheint mit seiner Entwicklung noch lange nicht Schluss zu sein: Heute endet das Internet am Computerbildschirm, sein technisches Wirkungsfeld beschränkt sich auf die digitale Welt der Rechner daheim oder am Arbeitsplatz. Noch nicht automatisiert ist bis heute die Verbindung zwischen dieser Welt digitaler Informationsflüsse mit der Welt physischer Dinge, zu der wir selbst mit allen unseren Dingen gehören und in der wir leben und arbeiten. Diese Verknüpfung muss nach wie vor von Menschen in einem manchmal mühsamen und fehleranfälligen Prozess hergestellt werden. Hier setzt die Metapher vom Internet der Dinge an. Sie steht für eine grandiose Vision, in der das Internet über den Bildschirm hinaus Teil der physischen Welt wird, und in der jeder Gegenstand der realen Welt umgekehrt ein Teil des Internets werden kann. Alltagsdinge können so in direkter oder indirekter Weise mit Information versehen werden oder als physische Zugangspunkte zu Internet-Services dienen. Damit tun sich weitreichende und bis dato ungeahnte Möglichkeiten auf. Realisierbar wird die Vision vom Internet der Dinge durch den technischen Fortschritt der letzten Jahre, insbesondere durch die Miniaturisierung von elektronischen Bauteilen wie Mikroprozessoren, Speichermodulen, Sensoren und Kommunikationskomponenten bei gleichzeitiger Preisdegression. Sie lässt die Herstellung von „Kleinstcomputern“ zu, die so winzig und billig sind und mit so wenig Energie auskommen, dass sie ohne großen Aufwand in nahezu beliebige Dinge des privaten wie wirtschaftlichen Lebens integriert werden können. Alltagsgegenstände wie Medikamente, Konsumgüter oder auch Transportbehälter können so mit einem Stück digitaler Logik ergänzt werden, was die physische Funktion des Gegenstands um die flexiblen Fähigkeiten einer verschwindend klei-
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Prof. Elgar Fleisch, Prof. Friedemann Mattern
nen mikroelektronischen Komponente erweitert und eine Vernetzung mit anderen Gegenständen sowie Diensten des Internets möglich macht. Mit dem Internet der Dinge erhalten Computer und Informationssysteme somit im wahrsten Sinn des Wortes zum ersten Mal Augen und Ohren. Wo heute noch Menschen aufwendig, teuer und fehleranfällig den Rechner per Tastatur oder Barcodescan mit Informationen über ihre physische Umgebung versorgen, können in naher Zukunft physische Objekte diese Informationen selbstständig zu einem Bruchteil bisheriger Kosten wahrnehmen und automatisch weitergeben. Wo wirtschaftlich vorteilhaft, führt dies zwangsläufig zur Erhebung von wesentlich feingranulareren Daten, die in der Folge völlig neue Prozesse, Dienstleistungen und Produkte ermöglichen. Wie lässt sich diese enorme ökonomische Bedeutung erklären? Auch heute noch gilt die klassische Managementweisheit, dass Unternehmen nur managen können, was sie messen können. Vorgänge, die heute nicht zu vernünftigen Kosten genau genug messbar sind, beispielsweise die exakten Warenbestandsänderungen im Regal eines Supermarkts, können auch nicht hinreichend genau gesteuert werden. Die Folge sind kostspielige Ineffizienzen, im Fall des Supermarktregals etwa hohe so genannte „Out-ofShelf“-Quoten bei Produkten, die nachgefragt werden, aber für Kunden nicht verfügbar sind. Wäre ein Regal nun aber mit der notwendigen Sensorik ausgestattet, so dass es seinen Bestand automatisch und in Echtzeit messen kann, so könnte seine Wiederbefüllung wesentlich feiner und besser an die Nachfrage angepasst gesteuert werden, was eine höhere Warenverfügbarkeit zur Folge hat. Aus dem gewöhnlichen Metallgestell würde auf diese Weise ein „smartes“ Regal und ein Enabler für einen Prozess, der zuvor mangels entsprechender Informationsgrundlage nicht realisierbar war. Die Entwicklung des Internets der Dinge hat für die Wirtschaft ähnliche Bedeutung wie die Einführung bildgebender Verfahren in der Medizin, die einen gewaltigen Fortschritt für die gesamte Disziplin initiierte. Erst Technologien, wie die vor etwa dreißig Jahren entwickelte Magnetresonanztomographie, ermöglichten eine „Anatomie am Lebenden“ und führten so zu einer zuvor nicht gekannten Präzision und Informationsfülle in der Diagnostik. Analog ist aus Sicht der Managementlehre auch das Internet der Dinge – hier als Sammelbegriff für die Anwendung der Technologien aus dem Bereich Ubiquitous bzw. Pervasive Computing, RFID, Real World Awareness und Sensornetze verstanden – ein letztlich nur logischer nächster Schritt in der Entwicklung der betrieblichen Informationsverarbeitung. Waren die monolithischen Mainframe-Systeme der EDV bis in die 70er Jahre hinein noch auf die Unterstützung einzelner, isolierter Funktionsbereiche eines Unternehmens ausgerichtet, brachten die 80er Jahre mit dem
Zum Geleit
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Aufkommen betriebswirtschaftlicher Standardsoftware die unternehmensinterne Integration und Eliminierung von Medienbrüchen in Form mehrfacher manueller Erfassung derselben Daten auf unterschiedlichen Medien. Die 90er Jahre standen im Zeichen der überbetrieblichen Integration auf der Basis von E-Business-Systemen, durch die Medienbrüche beseitigt wurden, die in der Kommunikation zwischen verschiedenen Unternehmen entstanden. Das Internet der Dinge überwindet nun den letzten großen Medienbruch: jenen zwischen der realen und der digitalen Welt. Erste Vertreter dieser Informationssysteme sind in Form von RFID-Infrastrukturen bereits im Entstehen. Jede der zuvor genannten technischen Entwicklungsphasen brachte auch neue betriebswirtschaftliche Konzepte hervor, die die Managementlehre nachhaltig prägen sollten. Im Fall der ERP-Standardsoftware war es das Paradigma der durchgängigen Geschäftsprozessgestaltung, welches das klassische Denken in Organisationseinheiten ablöste. Die Möglichkeit zur Integration von Informationssystemen über Unternehmensgrenzen hinweg führte zu einer verstärkten Koordination zwischen Partnern entlang der Lieferkette, die sich in den Techniken des Supply Chain Managements niederschlug. Im Fall des Internet der Dinge ist es die technische Möglichkeit, Datenerfassung und teilweise auch Prozesslogik aus dem zentralen Informationssystem heraus in physische Objekte zu verlagern, aus der sich heute erste Ansätze eines „High Resolution Management“ entwickeln. Die zentrale Idee ist es hier, Prozesse eines Unternehmens, die sich durch eine hohe Variantenvielfalt in Bezug auf Produkte und Abläufe auszeichnen, zahlreiche ungeführte manuelle Tätigkeiten umfassen und sich aufgrund ihrer Komplexität einer Automatisierung entziehen, durch „smarte Objekte“ genauer und flexibler zu steuern, als dies bisher aufgrund einer Prozesskontrolle mittels Statistiken und Extrapolationen möglich ist. Dieser Logik folgend beteiligten sich Unternehmen wie METRO, WalMart und Gillette am 1999 gegründeten Auto-ID Center. Die Vision der Auto-ID-Center-Forscher am MIT, in Cambridge und St. Gallen war es, eine Infrastruktur zu spezifizieren, die in der Lage sein sollte, jedes Objekt dieser Welt überall und automatisch zu identifizieren („identify any object anywhere automatically“). Dazu wurde ein Nummerierungsschema zur Benennung physischer Dinge entwickelt, der sogenannte „Electronic Product Code“ (EPC), ferner Konzepte zur Herstellung von billigsten Transponderchips („5 Cent Tag“), Funkprotokolle für die sogenannte „Luftschnittstelle“ zwischen diesen Chips und Lesegeräten auf Basis der RFID-Technologie, Schnittstellenstandards für Hardware und Software, welche Daten zu „smarten Dingen“ über das Internet austauschen (EPCIS) sowie ein Lookup-Service (Object Name Service, ONS), der es erlaubt, weltweit Informationen aus dezentral organisierten Datenbeständen zu je-
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Prof. Elgar Fleisch, Prof. Friedemann Mattern
dem „smarten Ding“ zusammenzutragen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden im Jahr 2003 an die weltweit führende Standardisierungsorganisation GS1 auslizenziert, die sie heute der Wirtschaft unter dem Namen EPCglobal als ersten globalen Infrastrukturstandard für das Internet der Dinge zur Verfügung stellt. Die technische Entwicklung des Internet der Dinge steckt trotz großer Anfangserfolge im Bereich des Electronic Product Code nach wie vor in den Kinderschuhen. Der Forschungsbedarf im Bereich Hardware (z. B. Sensorik, Kommunikation, Energie, Aktuatorik), Software (z. B. Sicherheit) und Netzwerke (z. B. „Google der Dinge“, Verknüpfung zur Mobiltelefonie) ist enorm. Gewaltige Anstrengungen erfordert neben der Arbeit an den Basistechnologien auch die anwendungsnahe Forschung. Die Geschichte technischer Entwicklungen zeigt, dass Anwendungen im Gegensatz zum rein technischen Fortschritt praktisch nicht vorhersagbar sind. Eine frühzeitige oder einseitige Fokussierung auf potenzielle Risiken unter Ausblendung der möglichen Nutzeneffekte einer neuen Technologie kann ganze Anwendungsklassen zeitlich ausbremsen und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen. Eine ausgewogene und konstruktive Diskussion in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist daher von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt deshalb ist es außerordentlich begrüßenswert, dass sich die renommierte Fraunhofer-Gesellschaft, die in vielen Bereichen der europäischen Technologie- und Wissenschaftslandschaft eine traditionell führende Stellung einnimmt, in einem ihrer Schwerpunkte – und eingebettet in einen internationalen Kontext – mit dem Internet der Dinge beschäftigt. Forschung in Europa, insbesondere auf einem so zukunftsträchtigen und bedeutenden Gebiet, ist die Voraussetzung nicht nur für eine führende Rolle Europas im Wettbewerb von Wirtschaft und Wissenschaft, sondern auch für eine hohe Lebensqualität seiner Bürgerinnen und Bürger heute und in Zukunft. Prof. Elgar Fleisch, Prof. Friedemann Mattern ETH Zürich
Vorwort
Intelligenteres Leben im „Internet der Dinge“ – RFID als Grundlage für autonome Objekte und selbstorganisierende Systeme in intelligenten Umgebungen Heute verlässt das Internet die Welt unter unseren Schreibtischen und wird zum allgegenwärtigen Medium. Die Dinge, die uns umgeben, fangen an, sich auf Basis von RFID zu vernetzen. Es ist die Rede von Ubiquitous Computing, von der Allgegenwärtigkeit künstlicher Intelligenz. Der Weg zur Ambient Intelligence im Sinne einer intelligenten Umgebung, die sich auf die Bedürfnisse des Menschen einstellt, ist vorgezeichnet und – wie das Internet der Dinge – eines der zentralen Forschungsthemen der Fraunhofer-Gesellschaft. Richtig angewendet und umgesetzt schafft die RFID-Technologie die Möglichkeit, in Zukunft intelligenter mit unserer Umgebung umzugehen. Dies zu erreichen und Europa einen vorderen Platz bei dieser Entwicklung zu sichern, erfordert wiederum den intelligenten und verantwortungsvollen Umgang mit dieser neuen Welt. Eines scheint für die Protagonisten und Auguren der aktuellen Diskussion in jedem Fall unumkehrbar: Das Internet der Dinge wird in der einen oder anderen Weise Teil unserer Umgebung werden. Zunächst in logistischen und produktiven Systemen, werden intelligente Umgebungen zunehmend den Menschen im Alltag dienen können, wenn wir es verstehen, die Möglichkeiten dieser Technologie richtig zu nutzen. 2005 hat die Fraunhofer-Gesellschaft als führende Forschungsorganisation Europas das Thema RFID und das Internet der Dinge als eines ihrer zwölf Top-Themen benannt. Dies sagt schon viel über die wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung dieses Themas aus. Die folgenden Entwicklungen weisen immer deutlicher darauf hin, dass die Welt in den nächsten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes durch RFID bewegt wird.
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Unterwegs im Internet der Dinge Was ist an dieser Technologie so umwälzend? Es ist nicht der Einsatz einer seit vielen Jahren bekannten Technik zum Speichern und Übertragen von Daten mittels elektromagnetischer Felder. Es ist der Paradigmenwechsel, der durch den konsequenten Einsatz dieser Technologie ins Haus steht. Die neue RFID-Technologie ermöglicht die Verschmelzung logischer Information und physischer Umgebung. Dank RFID können nun Gegenstände eigene Informationen mit sich tragen. Das Internet der Dinge hat zwei Seiten. Zunächst bezeichnet es die umfassende RFID-basierte Kennzeichnung von Dingen mit einem elektronischen (Produkt-)Code (EPC) und die Speicherung von Informationen in großen Datenbanken (Data Warehouses). Überschriften wie „Jedem Ding seine Homepage“ verdeutlichen den Zusammenhang: Der EPC ist einem einzelnen Objekt zugeordnet und verweist auf eine Internet-Adresse, unter der sich weitere Informationen wie Gebrauchsanweisungen, Downloads, Herkommensnachweise usw. finden. Die andere Seite des Internet der Dinge nutzt darüber hinaus die Möglichkeit, die Daten im RFID-Tag zu verändern und mehr Informationen zu speichern, als zur reinen Identifikation notwendig sind. Mit diesen Informationen „wissen“ die Pakete, Behälter und Paletten in der Logistik der Zukunft von Beginn an, wohin sie müssen und finden auch selbst dorthin. In einigen Jahren werden sie untereinander kommunizieren und ihre Transportmittel selbstständig anfordern – so, wie wir uns ein Taxi rufen. In der Logistik von morgen steuern diese Ware-Informations-Einheiten sich mittels verteilter, dezentraler Intelligenz letztlich selbst. In Analogie zum dezentral strukturierten Internet sprechen wir von dem Internet der Dinge. Möglich wird dieser Technologieumbruch durch serviceorientierte Infrastrukturen. Mit den Empfängerinformationen, die ein Kunde bei einer Bestellung hinterlegt, werden Waren vom Lager eines Lieferanten aus auf die Reise geschickt. Anstelle einer konventionellen zentralen Disposition mit einer vorausgehenden Planung aller Prozesse werden im Internet der Dinge alle Informationen auf den Tag jeder Sendung geschrieben, die diese brauchen, um entlang eines vorgegebenen Weges (Routing) zum Ziel zu finden. Da zu jedem Zeitpunkt die zu erbringenden Arbeitsschritte einer Sendung bekannt sind, kann sie an ihrem jeweiligen Aufenthaltsort die notwendigen Dienste wie Transport und Umschlag, aber auch Montage oder Assemblierung von den im Umfeld verfügbaren Ressourcen anfordern und so schrittweise die Prozessketten durchlaufen. Einfach nachzuvollziehen ist eine solche serviceorientierte Architektur bei Fördersystemen, wie sie typisch für den innerbetrieblichen Transport sind: Über eine funkgestützte
Vorwort: Intelligenteres Leben im „Internet der Dinge“
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Infrastruktur (RFID) kommuniziert ein Behälter beispielsweise mit einer Rollenbahn und fordert den Transport zum nächstliegenden Zwischenziel an. Dort angekommen wird z. B. ein Montageprozess als Service von der intelligenten Umgebung angefordert, anschließend der Transport zur Verpackung und so fort. Dies bedeutet nicht das Ende zentral organisierter Produktionsplanungsoder Auftragsverwaltungssysteme. Ganz im Gegenteil, Zielvorgaben und Prozesssteuerung erfolgen wie bisher; was sich jedoch gravierend ändert, ist die sogenannte echtzeitnahe Steuerung. Die Optimierung im Kleinen, die schnelle Reaktion vor Ort – dies sind Aufgaben, die im Echtzeitunternehmen von morgen durch intelligente, serviceorientierte Umgebungen ermöglicht werden. Herr Claus Heinrich, Vorstandsmitglied der SAP, spricht in seinem Buch „RFID and Beyond“ von Realtime Awareness auf Basis von RFID. Warum sich die Welt auf den Kopf stellen soll Es gibt viele Beispiele, in denen der Nutzen von RFID und dem Internet der Dinge unmittelbar erkennbar ist. Bessere Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln, sichere Medikamente oder der Gepäcktransport auf internationalen Flughäfen sind typische Beispiele. Die eigentliche Idee des Internet der Dinge trägt jedoch viel weiter und ist viel grundsätzlicher. Um die Zwangsläufigkeit seiner Entwicklung zu beleuchten, müssen wir uns vergegenwärtigen, wie sie unsere Welt verändert. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte leben wir – dank Internet – in einer Welt, in der globale Kommunikation Wirklichkeit geworden ist. Die babylonische Sprachverwirrung ist durch das Internet Esperanto ein gutes Stück aufgehoben worden. Dies lässt die Welt zusammenrücken. Sie ist zum sprichwörtlichen Dorf geworden. Das werden auch die rund 2 Milliarden Menschen merken, die bisher keinen Zugang zur Wissensgesellschaft der Industrienationen hatten. Nicht nur die Logistiker bemerken sehr deutlich, dass globales Handeln und damit globale Netzwerke für Produktion und Logistik mehr und mehr Realität werden. Zugleich steigt aber auch die Dynamik – ein Prozess der im internationalen Bankenhandel schon vollzogen wurde. Das virtuelle Business hat den realen Handel – Bares gegen Ware – nicht nur an den Börsen längst überholt. Diese Dynamik erreicht – nicht zuletzt durch den Internet-Handel – nun auch die physische Welt. Die Räder der Internet-Gesellschaft drehen sich mit jedem Tag schneller, und zwar sehr viel schneller, als es die absehbare Entwicklung konventioneller Technologie steuern kann. Die vielfachen
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Antriebskräfte führen zum gleichzeitigen exponentiellen Anstieg von Komplexität und Dynamik. Die Frage, wie die Organisation globaler Strukturen, die zugleich immer schneller werden, zu kontrollieren ist, lässt sich nicht durch den zentralen Supercomputer lösen, der sich jederzeit um alle seine Dinge kümmert. Das Gegenteil führt zum Internet der Dinge. Gib den Dingen ein Stück Intelligenz mit und sorge dafür, dass sie ihren Weg selbst finden. So ist RFID nicht nur ein kleines Stück Technik, sondern, konsequent zu Ende gedacht, die Basis für eine Technologie, welche die Welt verändern und im eigentlichen Sinne des Wortes bewegen wird. Das „Internet der Dinge“ in unserer Umgebung Das Entwicklungspotenzial für intelligente Anwendungen im Internet der Dinge ist allumfassend und reicht bis in den privaten Bereich. Täglich entstehen neue Anwendungen für die RFID-Technologie. Viele beruhen auf der sicheren Identifikation des einzelnen Warenstücks. Diese ist gerade im medizinischen Bereich besonders wichtig. In den USA sterben, wie in Deutschland, mehr Menschen an Medikationsfehlern als bei Verkehrsunfällen. Auch in Europa erhalten zwischen fünf und zehn Prozent der Klinikpatienten falsche Medikamente oder die richtigen in der falschen Dosis. Die ökonomischen Folgen sind kaum zu kalkulieren, sie liegen in den USA zwischen 17 und 29 Milliarden Dollar jährlich1. Medikamente werden zukünftig mit Tags gekennzeichnet sein, und Apotheken wie auch der private Medizinschrank werden mit RFID-Technologie ausgestattet. Verfallsdaten, Dosierungen, Kontraindikationen, all dies kann durch die neue Technologie indiziert werden. Nicht nur in der medizinischen Versorgung erwartet der Mensch mehr Sicherheit, auch die Qualität alltäglicher Lebensmittel kann durch die RFID-Technologie gesichert werden. Die Forderung der Europäischen Gemeinschaft nach besseren Möglichkeiten zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln2 kann wesentlich effektiver und sicherer gestaltet werden, da die gewünschten Informationen unmittelbar und unverlierbar am Gut gespeichert werden können. So wird die Joghurtsteige künftig Informationen darüber tragen, welche Kühe die Milch gaben und welche Futtermittel gegeben wurden. KlinikManagement Aktuell, KMA 10/2005 062 (60), WIKOM GmbH. S. auch Pressemitteilung Gesundheit des Bundesministeriums für Gesundheit vom 03.01.2006. 2 Vgl. EU-Verordnung 178/2002. 1
Vorwort: Intelligenteres Leben im „Internet der Dinge“
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Es gibt noch viele Beispiele, wie ein intelligenteres und sicheres Leben mit dem Internet der Dinge möglich wird. Nicht wenige stammen aus den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und finden sich in diesem Buch. Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. e.h. Dr. h.c. mult. Hans-Jörg Bullinger Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
Vorwort
Wie das „Internet der Dinge“ die Welt der Logistik verändert Panta rhei – alles fließt. (Heraklit) Sobald die Dinge anfangen, sich zu bewegen, ist die Logistik gefragt. Die Dinge und Informationen im (Material-)Fluss zu halten, könnte als erstes Axiom der Logistik postuliert werden. Mit dem Internet der Dinge tritt die Logistik in eine völlig neue Dimension ein. Material- und Informationsfluss werden eins. Grundsätze und der Status Quo der Intralogistik Im Zentrum der Intralogistik steht die Kommissionierung, also die Zuordnung von Waren zu Aufträgen. Dieser zunächst trivial erscheinende Vorgang erfolgt in Distributionszentren, in denen er täglich tausendfach abläuft. Die Komplexität solcher Distributionssysteme liegt in der hohen Anzahl logistischer Operationen, deren zeitlicher Ablauf wiederum einer Vielzahl von Restriktionen unterliegt. Der erste Grundsatz der Intralogistik gibt vor, die richtige Ware in der richtigen Menge zur richtigen Zeit bereitzustellen. So arbeiten Verkehrsträger nach einem vorgegebenen Fahrplan, der die Bereitstellung einer Sendung im Versand zu einer festgelegten Zeit erfordert. Das Gleiche gilt für die Anlieferung der Ware und für die Bereitstellung zur Kommissionierung. Letzteres ließe sich durch große Pufferläger gewährleisten, in denen immer genügend Artikel bereitstehen. Dies würde jedoch den zweiten Grundsatz der Intralogistik verletzen, der besagt, dass Bestände und Ressourcen auf das notwendige Minimum zu begrenzen sind. Eine idealtypische Logistik käme hiernach ohne große Läger aus; alle Warenbewegun-
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Prof. Dr. Michael ten Hompel
gen wären so aufeinander abgestimmt, dass ein ununterbrochener Materialfluss entsteht. Ein wesentlicher Teil der täglichen intralogistischen Arbeit besteht darin, diesen gordischen Knoten zwischen minimalem Bestand und maximaler Liefertreue zu lösen. Hierzu werden EDV-Systeme eingesetzt, die eine vorausschauende Planung und Steuerung des Materialflusses gewährleisten sollen. Mithilfe von Prognosen, Simulationen und Heuristiken werden Abläufe vorausberechnet und optimiert. Dies führt zum dritten Grundsatz der Intralogistik: die Synchronisation von Informations- und Materialfluss. Es gilt, die virtuellen Bestände intralogistischer Datenbanken ständig mit der Realität abzugleichen. Jede Warenbewegung muss penibel gebucht werden, um Fehlbestände zu vermeiden. Hierzu werden die Waren immer wieder reserviert, avisiert und identifiziert. In größeren Distributionszentren laufen diese Vorgänge jede Stunde millionenfach ab. Es liegt in der Natur der Sache, dass es hierbei immer wieder zu Fehlbuchungen und Fehlbeständen kommt, die wiederum zur Verletzung der beiden ersten Grundsätze führen. Der vierte Grundsatz der Intralogistik ist die permanente Planungsbereitschaft. Sie beschreibt die Reaktion auf die Volatilität von Auftragslast und Artikelspektrum, die eine permanente Neuplanung logistischer Abläufe unter stetig veränderten Rahmenbedingungen erfordert. In Summe führt das Bestreben, diese Grundsätze einzuhalten und damit die Logistik effizient und effektiv zu organisieren, zu dem Wunsch, alle Abläufe und Prozesse innerhalb eines Systems zu vereinheitlichen und zu standardisieren. Untersuchungen wie warehouse logistics des FraunhoferInstituts für Materialfluss und Logistik weisen jedoch aus, dass dieses Bestreben schon innerhalb eines Distributionszentrums einer vorgegebenen Branche zu mehr als tausend Standardprozessen führt, die wiederum individuell organisiert werden müssen – eine Vielfalt, die sich in Anbetracht der notwendigen Reaktionszeiten nicht mehr beherrschen lässt. Der Status Quo der Intralogistik besteht in der Anwendung individuell gestalteter materialflusstechnischer Systeme, die wiederum mithilfe individueller Heuristiken organisiert werden. Die Anpassung auf die sich täglich verändernden Anforderungen und Restriktionen erfolgt manuell; eine Übertragbarkeit auf andere Systeme ist selbst innerhalb der gleichen Branche nicht gegeben. So weist eine Untersuchung zur automobilen Ersatzteillogistik1 nach, dass bei drei vergleichbaren Distributionszentren nur etwa die Hälfte der Prozesse in gleicher Weise gestaltet ist.
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Dissertationsschrift Dipl.-Ing. Olaf Figgener, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik 2007.
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Warum das Internet der Dinge die Intralogistik auf den Kopf stellen wird Das Internet der Dinge, wie es von der Fraunhofer-Gesellschaft zu einem der Topthemen deutscher Forschung ausgerufen wurde, begegnet den intralogistischen Herausforderungen in dreierlei Weise. Real World Awareness
Zunächst werden die einzelnen logistischen Objekte, die Paletten, Behälter und Pakete, mit intelligenten Etiketten (RFID-Tags) versehen. Auf die Tags werden all die Informationen geschrieben, die zur Identifikation der Ladehilfsmittel und Artikel benötigt werden. Hierdurch wird der Konflikt zwischen virtueller Bestandsführung und echtzeitnaher Materialflusssteuerung gelöst. Vor Ort können Menschen und Maschinen die Dinge identifizieren, indem sie mithilfe eines Scanners nicht nur wie bisher eine Referenznummer, sondern alle notwendigen Informationen unmittelbar am Gut auslesen können. Dies wird dadurch ermöglicht, dass im Tag mehr Informationen gespeichert werden können. Zudem ist die Information veränderbar, so dass z. B. ein Kommissioniervorgang unverlierbar am Behälter gespeichert werden kann. Auch fürderhin werden zentrale Datenbanken die Bestände speichern, jedoch kann der Abgleich nun direkt vor Ort erfolgen. Der echtzeitnahe Datenaustausch erfolgt damit vollständig dezentral, während Buchung, Warenverfolgung und Disposition – wie bisher – zentral erfolgen. Dieser erstmals von Prof. Claus Heinrich als Real World Awareness bezeichnete Umstand ermöglicht die folgerichtige Organisation intralogistischer Bestandsführung: Die Datenbank speichert ein Abbild der Realität zu einem definierten Zeitpunkt. Dezentralisierung
Um ein materialflusstechnisches System flexibel und wandelbar zu gestalten, ist es zunächst erforderlich, dieses zu modularisieren. Nur so können einzelne Komponenten, Elemente und Module zu neuen Architekturen arrangiert werden. Im maschinenbaulichen Bereich wurde diese Modularisierung seitens der Hersteller bereits vollzogen. Einheitliche Schnittstellen für Mechanik, Netzwerke und Energie sorgen für eine kostengünstige Produktion und für ein flexibles Layout. Die hierarchische, zentralistische Organisation der Software erfordert jedoch eine individuelle Abbildung jedes einzelnen Layouts. Eine konsequente Dezentralisierung zur Erzielung von Wandelbarkeit und Flexibilität erfordert jedoch die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung
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innerhalb einzelner Module. Nur auf diese Weise kann z. B. die Anordnung fördertechnischer Module wie Weichen, Zusammenführungen oder Staubahnen verändert werden, ohne zwingend die Materialflusssteuerung neu zu programmieren. Die notwendige Intelligenz im Sinne eines leistungsfähigen Mikrocontrollers ist – bedingt durch standardisierte Fertigung und preisgünstige Hardware – zumeist schon integrierter Bestandteil der Module. Eine Entscheidung vor Ort kann jedoch nur auf Grundlage entsprechender Information getroffen werden. Diese wird von den Tags im Internet der Dinge mitgeführt. So ist lediglich eine Parametrierung des jeweiligen Moduls notwendig. Selbstorganisation
Durch die konsequente Dezentralisierung können einfache Regeln zur Steuerung des Materialflusses abgebildet werden. Hierzu werden den Tags und damit den logistischen Objekten Zielinformationen und Prioritäten mitgegeben. Damit können einzelne materialflusstechnische Module einfache Entscheidungen vor Ort selbstständig treffen und die Dinge finden ihren Weg zum Ziel – unabhängig vom individuellen Layout, das wiederum den jeweiligen logistischen Anforderungen angepasst werden kann. Diese einfachste Form des Internet der Dinge erzeugt einen hohen Durchsatz, jedoch werden die Forderungen nach Rechtzeitigkeit, Flexibilität und Adaptabilität noch nicht erfüllt. Hierzu bedarf es der Abstimmung der einzelnen intralogistischen Prozesse. Um dies zu erreichen, werden weitere Informationen in den Tag geschrieben, die es ermöglichen, die Software vor Ort in den einzelnen Modulen in Echtzeit zu parametrieren. Das favorisierte informationstechnische Modell für eine derartige Umsetzung basiert auf einer in den Neunzigerjahren entwickelten Form künstlicher Intelligenz: dem Multiagentensystem. Hierzu werden die Informationen aus dem Tag ausgelesen und ein Agent (Programm) wird in einheitlicher Weise in der dezentralen Steuerung des jeweiligen Moduls instanziiert. Diese Agenten kommunizieren mit ihrer Umgebung und mit benachbarten Agenten. Sie ermöglichen die Umsetzung einer Mission, die in den Tags gespeichert wird. So können Vorfahrtregeln, Reihenfolgebildungen oder Kommissionieraufträge initiiert und zwischen den Agenten ausgehandelt werden. Die Einheit von logistischem Objekt und Agentensoftware verhält sich ähnlich wie eine Ameise im Ameisenstaat. Einfachster Datenaustausch und begrenzte Kommunikationstiefe führen zu einem emergenten Materialfluss. Konsequent zu Ende gedacht, entsteht das Internet der Dinge, in dem sich die logistischen Objekte – ähnlich wie die Datenpakete im Internet der Daten – selbstständig durch intralogistische Netzwerke bewegen.
Vorwort: Wie das „Internet der Dinge“ die Welt der Logistik verändert
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Dies stellt die herkömmliche Steuerung logistischer Netze in der Tat auf den Kopf: Wurden bisher die Pakete durch zentrale Systeme zum Ziel geführt, so steuern im Internet der Dinge die Pakete die Systeme. Dieses Grundprinzip der agentenbasierten Steuerung lässt sich auch auf größere logistische Netze übertragen, wie in einem Artikel dieses Buches zu lesen ist. Intralogistik braucht intelligente Umgebungen Das Internet der Dinge ermöglicht die dringend notwendige Standardisierung der Daten in den Tags und in der Folge die Vereinheitlichung der materialflusstechnischen Umgebungen, in denen sich die intelligenten logistischen Objekte bewegen. Durch die Umkehrung tradierter Steuerungsphilosophien wird es möglich, den gordischen Knoten eines flexiblen Standards für die Intralogistik zu durchschlagen.
Selbstorganisierte Vorzone
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Ausgehend von der Missionserfüllung des einzelnen Objektes können Services vereinheitlicht werden, welche die zugehörigen Agenten auf ihrem Weg zum Ziel nutzen. Diese Standardisierung wird möglich, da durch den Paradigmenwechsel im Internet der Dinge nicht länger eine vorgeplante, individuelle Prozesskette durchlaufen wird, sondern der logistische Prozess erst während der Laufzeit entsteht. Galt bisher das Paradigma, ein logistisches System sei durch die millionenfache Vorausberechnung aller Prozesse determinierbar, so gilt im Internet der Dinge das Paradigma der Flexibilität und Adaptabilität, erzielt durch die Kooperation einer Vielzahl autonomer logistischer Objekte. Die weitere Entwicklung führt konsequenterweise auch zur Entwicklung intelligenter Umgebungen, innerhalb derer die logistischen Objekte ihrer logistischen Missionserfüllung nachgehen können. Diese Umgebungen halten notwendigerweise Ressourcen und Services bereit, die über die Agenten allokiert werden können. Der Gedanke liegt nahe, hierzu serviceorientierte Architekturen in ähnlicher Form zu verwenden, wie sie zur Applikationsintegration überlagerter Systeme im Sinne einer Logistics on Demand zunehmend Verwendung finden. Die Dienstleistung im logistischen Sinne entsteht in einer serviceorientierten Umgebung erst durch die Inanspruchnahme der Services, deren Abfolge im Vorhinein nicht bestimmt ist. Es handelt sich um weit mehr als die Einführung einer neuen Technologie – es ist auch ein neues Managementkonzept. In diesem Buch werden viele Facetten des Internet der Dinge beschrieben. Allen gemeinsam ist die Speicherung von Daten in einem intelligenten Etikett – eigentlich ein einfacher Vorgang, dessen Technik wir seit vielen Jahren beherrschen. Die Faszination entsteht wie so oft erst, wenn man den Blick weitet und erkennt, wie das Internet der Dinge die Welt bewegen wird. Prof. Dr. Michael ten Hompel geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML
Marktübersicht und politisches Umfeld
Simon Japs Informationsforum RFID e. V.
1 Wirtschaftliches und politisches Umfeld der Radiofrequenz-Identifikation RFID zählt zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Das große Potenzial der Technologie liegt vor allem in der Verbesserung von Prozessabläufen, der Sicherheit, Rückverfolgbarkeit und Verfahrensvereinfachung. In unterschiedlichsten Anwendungsbereichen werden nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Verbraucher erheblich von der RFIDTechnologie profitieren. Die Einsatzmöglichkeiten sind branchenübergreifend. Weltweit beschäftigen sich Forschungsinstitute, Wirtschaftsverbände und staatliche Gremien sowie Unternehmen aus Industrie und Handel mit den Potenzialen der Technologie. Die führenden Industrienationen haben die Bedeutung von RFID erkannt. Die politische und wirtschaftliche Weichenstellung für RFID hat deshalb weltweit begonnen. In den USA verpflichtet beispielsweise das Department of Defense bereits seine Zulieferer zur Kennzeichnung aller Lieferungen, und die oberste Gesundheitsbehörde empfiehlt den Einsatz von RFID in der Pharmabranche [18, 11]. Südkorea plant eine Stadt, in der sowohl RFID entwickelt und produziert wird als auch Anwendungen großflächig zum Einsatz kommen sollen [21]. Europa gehört heute zu den führenden Forschungs-, Entwicklungs- und Anwendungsregionen von RFID. Das große Potenzial der Technologie wird auch auf EU-Ebene erkannt. Die EU-Kommission hat deshalb einen Prozess zur Identifikation politischer Handlungsfelder eingeleitet.1 In einem aufwendigen Konsultationsprozess hat die Generaldirektion Informa1
http://www.rfidconsultation.eu.
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tionsgesellschaft und Medien von Kommissarin Viviane Reding sowohl Experten befragt als auch Bürger zu Wort kommen lassen. Europa hofft, mit der Zukunftstechnologie einen Baustein für die Umsetzung der Lissabon-Agenda2 gefunden zu haben. Kommissarin Reding kündigte an, dass das 7. Forschungsrahmenprogramm die Erforschung und Entwicklung der RFID-Technologie unterstützen wird [24].
2 Potenzial Nach Einschätzungen von Analysten zeigt der RFID-Markt ein ernomes Wachstum.3 Das internationale Beratungsunternehmen Frost & Sullivan hat im September 2006 Prognosen für den nordamerikanischen Markt präsentiert [19]. Danach wird für den Bereich Produktion und Logistik in den Sparten Automobilindustrie, Luftfahrt und industrielle Produktion in sieben Jahren (2005 bis 2012) ein Wachstum von 71,3 Mio. auf 225,7 Mio. US-$ erwartet. Dabei werden dem RFID-Markt beispielsweise in der Sparte Luftfahrt jährliche Wachstumsraten von 23,1 Prozent prognostiziert. Analysten erwarten einen großflächigen Einsatz der RFID-Technologie durch den Einsatz auf Artikelebene, also der Markierung von einzelnen Gegenständen wie Büchern, Kleidung oder Bauelementen durch RFIDTransponder. Nach einer Studie von ID-Tech-Ex von August 2006 [13] werden allein für die Kennzeichnung von Artikeln 2006 rund 160 Mio. US-$ in Transponder und Systeme investiert. 2016 soll die Investitionssumme in diesem Bereich schon bei 13 Mrd. US-$ liegen. Die Anzahl der mit RFID-Transpondern markierten Gegenstände wird nach Analystenschätzungen im Jahr 2006 bei rund 200 Millionen liegen, im Jahr 2016 erwarten die Experten bereits 550 Milliarden markierte Artikel.
Die vom Europäischen Rat im Jahr 2000 beschlossene Lissabon-Strategie fordert, die Innovationsgeschwindigkeit und Produktivität zu erhöhen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten. 3 Noch befindet sich die Technologie allerdings in ihren Anfängen. Obwohl sie schon seit Jahrzehnten vor allem in der Produktionssteuerung Einsatz findet, etablierten sich viele Anwendungen erst in den letzten Jahren, und der Durchbruch zum großflächigen Einsatz steht noch bevor. Zuvor müssen allerdings die Preise fallen und sowohl technische Hürden genommen als auch politische Rahmen gesetzt werden. 2
Marktübersicht und politisches Umfeld
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Abb. 1. Einsatz von RFID auf Artikelebene: Investitionen 2016 (© ID-Tech-Ex, 2006)
Bedeutend für das künftige Potenzial von RFID sind auch die Umsätze mit Middleware. Im Oktober 2006 prognostizierten die Experten von Venture Development Corporation ein jährliches Wachstum in diesem Bereich von 50 Prozent [23]. Von 24 Mio. US-$ im Jahr 2005 soll der Markt bis 2010 auf über 190 Mio. US-$ steigen. Auch Zahlen von ABI Research vom August 2006 zu Lesegeräten belegen das Marktpotenzial: Im ersten Quartal 2006 wurden schätzungsweise 350.000 RFID-Lesegeräte verkauft. Das entspricht im Vergleich zum ersten Quartal 2005 einer Steigerung von 14 Prozent. Gleichzeitig hat sich die Zahl der verkauften HF-Transponder nach ISO 14443, die vor allem in Bezahlkarten oder Reisepässen eingesetzt werden, sogar mehr als verdoppelt [6]. Zusammen mit den USA führt Europa bislang den RFID-Markt an. Deutsche Bank Research hat 2006 für den weltweiten RFID-Markt von 2004 bis 2010 ein jährliches Wachstum von 57 Prozent prognostiziert [9]. In Europa soll die Steigerung im gleichen Zeitraum bei immerhin 47 Prozent p. a. liegen. Dabei ist Deutschland innerhalb der EU Marktführer. Dass dies voraussichtlich auch so bleiben wird, kann aus einer Studie von Soreon-Research aus dem Jahr 2004 abgeleitet werden. Für den RFIDMarkt im Handel wird prognostiziert, dass Deutschland im wachsenden Markt seine Position in Europa halten wird [22].
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Abb. 2. RFID-Markt in Europa
3 Marktentwicklung in Deutschland Detaillierte Einschätzungen für den deutschen RFID-Markt sind heute noch eine Seltenheit. Um die Situation der Anbieter genauer einschätzen zu können, hat deshalb das Informationsforum RFID zusammen mit AIMDeutschland und dem Forschungsinstitut für Telekommunikation (FTK) eine Onlinebefragung unter RFID-Anbietern durchgeführt, an der mehr als 200 Verantwortliche teilgenommen haben [10]. Mehr als die Hälfte der Befragten stammte aus Unternehmen mit höchstens 250 Beschäftigen. Knapp drei Viertel der Umfrageteilnehmer arbeiteten in Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. Das Ziel, eine Einschätzung insbesondere von kleineren deutschen Unternehmen zu erlangen, wurde damit erreicht. Details der Befragung unter RFID-Anbietern
Die Befragung unter RFID-Anbietern zeigt, dass der Umsatzanteil, den die Unternehmen mit RFID erzielen, bislang noch gering ist. Mehr als die Hälfte der Befragten bezifferte seinen Umsatzanteil mit RFID noch bei unter 10 Prozent. Nur 12 Prozent der Unternehmen erwirtschaften schon mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit RFID-Lösungen.
Marktübersicht und politisches Umfeld
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Abb. 3. Umsatzentwicklung bei RFID-Anbietern
In den nächsten drei Jahren erwarten mehr als zwei Drittel der Befragten allerdings eine Steigerung der Bedeutung von RFID für ihren Umsatz. Wagt man den Blick noch etwas weiter (fünf Jahre), so rechnet sogar ein Drittel der Befragten mit einem Wachstum seiner RFID-Umsätze um mehr als 10 Prozent. Dieses Wachstum wird voraussichtlich auch zu einem weiteren Bedeutungsanstieg für RFID in der gesamten deutschen Wirtschaft führen. Optimistisch bewerten die Teilnehmer der Umfrage die fortschreitende Einführung von RFID. In der Logistik, bei Containern und Paletten, wird sich nach Einschätzung von mehr als zwei Dritteln der Befragten die RFID-Technik schon in den nächsten drei Jahren durchsetzen. Erweitert man den Zeitraum auf fünf Jahre, teilen sogar mehr als 80 % diese Einschätzung. Die große Mehrheit erwartet in diesem Zeitrahmen auch die RFID-Kennzeichnung weiterer gängiger Transportmittel: Rollkäfige (74 %), Karosseriegestelle (70 %), Kleidungsträger (70 %), Kartons (67 %) und Bierfässer (65 %). Auffällig bei den Antworten ist die geringe Anzahl der Befragten, die RFID gar keine Chance geben. Sogar im Bereich der Kennzeichnung von Gemüsebehältern, die nach Einschätzung der RFID-Anbieter am längsten auf sich warten lässt, glauben nur 8 %, dass sich RFID nie durchsetzen wird. Ein ähnliches Bild bietet sich bei der Frage nach dem Potenzial der Technologie innerhalb der Anwendungsbereiche. Bei der Behälterverfolgung und -bereitstellung sehen drei Viertel der Befragten großes Potenzial.
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Erweitert man die einbezogenen Antworten um die Kategorie „mittleres Potenzial“, schätzen mindestens 72 % der Umfrageteilnehmer jeden vorgegebenen Bereich als Markt mit Potenzial. Selbst das Schlusslicht „Garantiemanagement“ dürfte bei dieser Bewertung für manche Unternehmen noch einen attraktiven Bereich für Investitionen darstellen. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des RFID-Marktes ist für die Befragten die Existenz von Standards. Bereits die Etablierung von EPC-Gen2 schätzen fast drei Viertel der Befragten als mindestens wichtig für die weitere Verbreitung der RFID-Technik ein. Gerade einmal 3 % messen der Etablierung keine Bedeutung zu. Eine hohe Bedeutung wird auch der Entwicklung der Standards für die Readerschnittstelle beigemessen. Jeder zweite Befragte glaubt, dass diese „sehr wichtig“ sei.
Abb. 4. Potenzial der RFID-Technologie
Marktübersicht und politisches Umfeld
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Abb. 5. Wichtige Bedingungen für die Entwicklung des RFID-Marktes
Verlässliche Standards für die RFID-Technologie sind nach Meinung der Unternehmen auch Voraussetzung für die weitere Ausbreitung der Technologie. Die Existenz verlässlicher Standards ist für 95 % der Befragten „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“. Auch die Akzeptanz beim Kunden ist nach Auffassung von 91 % der Befragten eine wichtige (23 %) oder sogar sehr wichtige (68 %) Bedingung. Darüber hinaus sehen die Anbieter die Anwenderseite in der Pflicht. Die Innovationsbereitschaft der Anwender halten 88 % der befragten Anbieter für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Die Befragten scheinen zudem überzeugt von ihren Produkten und Leistungen. Staatliche Förderungen stufen fast zwei Drittel als weniger oder nicht wichtig ein bzw. haben dazu keine Meinung. Bei der Frage nach den Hindernissen für den Einsatz von RFID in Unternehmen sehen fast 90 % der Befragten aktuell die „zu hohen Kosten“ und die „unklaren Nutzenprofile“. Als weitere hemmende Faktoren werden fehlende Standards sowie mangelnde Zusammenarbeit der Unternehmen in der Lieferkette und Defizite beim Reifegrad der Technologie genannt. Bei diesen Themen werden derzeit große Fortschritte erzielt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich die Nachteile der Technologie künftig abgeschwächt zeigen. Fehlende Fachkräfte und mangelnde Produktverfügbarkeit schätzte dagegen nicht einmal ein Viertel der Befragten als zentrale Probleme ein. Weniger einheitlich zeigt sich das Meinungsbild der Anbieter beim Thema Datensicherheit. Zwar glauben 40 %, dass die öffentliche Diskussion um Datensicherheit ihr Geschäft gar nicht beeinflusst, doch führen
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28 % höhere Ansprüche der Kunden bei der Datensicherheit auf die mediale Präsenz dieses Themas zurück, und fast jeder Fünfte glaubt sogar, dass sich Kunden durch die Debatte abschrecken lassen. Eindeutiger ist die Einschätzung bezüglich des Kenntnisstands beim Datenschutz. 94 % der Befragten gaben an, dass beim Endkonsumenten noch Aufklärung nötig sei, 70 % halten dies auch bei den Anwendern für empfehlenswert. Nur bei den Herstellern gibt sich weit mehr als die Hälfte der Befragten bzgl. der Fachkenntnisse über RFID optimistisch. Ob dies aber in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um eine reine Selbsteinschätzung handelt, ein befriedigendes Ergebnis ist, darf bezweifelt werden. Immerhin ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass der Kenntnisstand zum Datenschutz auch bei der eigenen Zunft noch nicht ausreicht.
4 Mittelstand Insgesamt unterstreichen die Umfrageergebnisse die Bedeutung von RFID für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Teilnehmer sehen für ihre Unternehmen Wachstumsraten, die weit über den gängigen Prognosen zum Wirtschaftswachstum liegen. RFID wird demnach für die meist mittelständischen Anbieter ein wichtiges Betätigungsfeld werden. Dabei bestehen neben diesen Möglichkeiten auch Potenziale für die Anwenderseite. In Deutschland beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit der Einführung von RFID. Diverse Praxisstudien belegen die Effizienz der Technologie. Die METRO Group errechnete beispielsweise potenzielle Einsparungen durch den Einsatz von RFID und elektronischem Datenaustausch von jährlich ca. 8,5 Mio. Euro. Dabei wurden erst zwei von insgesamt elf Prozessschritten betrachtet [12]. Siemens setzt die Funktechnologie zur Fertigung elektronischer Schaltgeräte ein. Die Taktzeit konnte halbiert und die Qualität erhöht werden [7]. Die Deutsche Post hat angekündigt, ihre Briefboxen mit Transpondern auszustatten, und kann diese so deutlich effizienter verwalten [17]. Doch nicht nur die großen Unternehmen erkennen die Chancen. Zahlreiche Mittelständler haben mittlerweile RFID implementiert und vertrauen auf die neue Technologie. Fünf kurze Beispiele4 sollen an dieser Stelle die Vielfalt der Einsatzfelder verdeutlichen. Das Unternehmen Paul Schulten GmbH & Co. KG hat seine Wischmopps mit RFID gekennzeichnet [16]. So kann deren Einsatz genauestens 4
Weitere zehn Beispiele finden sich in der Broschüre „RFID – Leitfaden für den Mittelstand“, die unter http://www.info-rfid.de kostenlos heruntergeladen werden kann.
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dokumentiert werden. Vom ersten Einsatz an wird vermerkt, wo der Wischmopp eingesetzt wurde und wann er gereinigt und desinfiziert wurde. Die Einhaltung von Hygienevorschriften, wie sie beispielsweise in Krankenhäusern gefordert wird, ist durch RFID belegbar. Passende Reinigung, genauere Prozesse und geringere Schwundraten sind weitere Vorteile für das Gebäudereinigungsunternehmen. Die Cambium-Forstbetriebe im Odenwald nutzen die RFID-Technologie bei der Holzernte [8]. Dabei werden die gefällten Baumstämme mit einem Transponder gekennzeichnet. Durch die eindeutige Kennzeichnung der Stämme können diese vom Fällen bis zum Sägewerk genau verfolgt werden. Die Schwundraten sind dadurch zurückgegangen, so dass eine deutliche Umsatzsteigerung erzielt werden konnte. Bei der herkömmlichen Holzernte ohne RFID-Einsatz sind Schwundraten von 10 bis 15 Prozent möglich. Zahlreiche Anwaltskanzleien und mittlerweile auch das Amtsgericht in Detmold nutzen ebenfalls RFID [14]. Sie kennzeichnen ihre Akten mit Transpondern. In Aktenablagen und den Arbeitsplätzen sind Lesegeräte installiert. Bevor ein Vorgang ins Regal gestellt oder auf einen Schreibtisch gelegt wird, wird er kurz vor das Lesegerät gehalten. So wird der aktuelle Ablageort der Akte gespeichert. Als weitere Hilfe bietet das RFID-System eine automatische Aktenerkennung für die Bearbeitung am PC an. Der Nutzer hält das Dokument mit dem Transponder nur an das Lesegerät des Computers und schon wird der Vorgang im Rechner geöffnet. Damit wird auch das Suchen in der virtuellen Ablage vereinfacht. Lemmi-Fashion, ein mittelständischer Bekleidungshersteller aus Hessen, setzt RFID in der Logistikkette ein [15]. Die Produktion der Kleidung findet unter anderem in Asien statt. Das Unternehmen stattet die Textilien auf der Produktebene mit Transpondern aus und kann dadurch die Logistikkette bis zu den Händlern in Europa genauestens nachverfolgen und überprüfen. Dadurch wurden der Liefervorgang beschleunigt und Fehllieferungen minimiert. Die Anwendungsmöglichkeiten von RFID sind vielfältig und weder auf große Unternehmen noch auf Branchen beschränkt. Ganz im Gegenteil erschließen sich für RFID immer neue Felder. Jedoch ist gerade der Mittelstand noch skeptisch gegenüber Einsatz und Effizienz der Technologie. Laut einer Untersuchung der International Data Group (IDG) bewerten nur 32 % der Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 50 Mio. Euro RFID als positiv für das eigene Unternehmen [2]. Eine Umfrage der Aberdeen Group aus dem Jahr 2005 zeigt außerdem, dass der Mittelstand RFID weniger als eigene Chance begreift als eine Pflicht [1, 20]. Kleine und mittlere Unternehmen gaben vermehrt an, dass sie die Technologie vor allem auf Druck von gesetzlichen Vorgaben oder Mandaten einführen werden. Eige-
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ne Vorteile scheinen sie noch nicht zu erkennen. Dabei bietet die frühe Implementierung der Technologie auch für den Mittelstand Chancen. Kosteneinsparung, Effizienzsteigerung interner Prozesse, Verwaltung wertvoller Aktivposten oder Sicherheit und Integrität von Produkten und Prozessen sind nicht zuletzt auch für den Mittelstand von existenzieller Bedeutung. Als Gründe für die Skepsis werden immer wieder die gleichen Punkte angeführt: mangelnde Standards, hohe Kosten, Probleme der Technologie und zu wenig Zugang zu verlässlichen Informationen. Mit der Etablierung des Gen2-Standards wurde mittlerweile ein für viele Bereiche verlässlicher Standard geschaffen. Er wird mit der geplanten Erweiterung auf HFAnwendungen für einen noch größeren Bereich gelten. Darüber hinaus konnten zugleich einige technologische Probleme gelöst und die Leserate weiter verbessert werden. Allerdings bleibt die Problematik bestehen, dass RFID-Lösungen bislang nicht als standardisierte Komplettlösungen angeboten werden können, sondern nach wie vor eine detaillierte Beratung und spezifische Systemlösungen erfordern. Trotz des dynamischen Marktwachstums für RFID gibt es kaum Praxisstudien für die Einsatzmöglichkeiten im Mittelstand. Dabei ist es gerade für mittelständische Unternehmen wichtig, den technologischen Anschluss an diese wichtige Technologie nicht zu verpassen. Nur so können künftige Wettbewerbsvorteile durch RFID gesichert werden. Um den Einstieg zu erleichtern und Informationslücken zu schließen, bietet das Informationsforum RFID einen kostenlosen Leitfaden für den Mittelstand an.5 Der Fokus des Leitfadens liegt auf einem praxisorientierten Ansatz, der mittelständischen Unternehmen aktuelle Projektbeispiele sowie Hilfestellung bei der Einführung der Technologie liefert. Anhand von zehn erfolgreichen Anwendungsbeispielen werden Einsatzfelder der Technologie beschrieben und eine Liste von Anlaufstellen geboten, damit der Interessierte weitere Informationen und Beratung nachfragen kann. Die hohe Nachfrage nach der Broschüre zeigt, wie wichtig solche Hilfestellungen sind. Der Mittelstand wird darüber hinaus auch über Veranstaltungen direkt angesprochen. Mittlerweile bieten viele Projekte, oft in Zusammenarbeit mit den örtlichen IHK, Veranstaltungen gezielt für den Mittelstand an. Das Informationsforum RFID ist an einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projekt beteiligt, das im Jahr 2007 an verschiedenen Orten 16 Workshops speziell für Kleine und mittlere Unternehmen anbieten wird. Dabei werden Unternehmensvertreter unter anderem die Möglichkeit haben, direkt mit Anwendern und Anbietern ins Ge-
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Siehe Fußnote 4.
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spräch zu kommen. So soll der Zurückhaltung des Mittelstands entgegengetreten und dieser an den Chancen von RFID aktiv beteiligt werden.
5 Politische Dimension Die erfolgreiche Weiterentwicklung und Etablierung des RFID-Marktes ist nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren oder technischen Prämissen abhängig. Damit eine Technologie sich weiter entwickeln kann, müssen auch die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Die Politik ist gefragt, wenn es um Themen wie Frequenzvergaben oder Daten- und Verbraucherschutz geht. Bei der Vergabe von Frequenzen für RFID sind zwei Punkte von hoher Bedeutung: ein ausreichendes Spektrum und eine möglichst internationale Gültigkeit. Besonders der Frequenzbereich, der für UHF-Anwendungen infrage kommt, ist sehr begehrt. Verschiedene Telekommunikations-, Radiound TV-Anwendungen sind auf diesen Bereich ebenfalls angewiesen und arbeiten dort zum Teil schon seit Jahren. Darüber hinaus sind in vielen Ländern Kanäle für das Militär reserviert. Migrationen und Anpassungen sind fast unmöglich, da Aufwand und Kosten enorm wären. Langfristig können jedoch frei werdende Frequenzbänder wie beispielsweise das des analogen Fernsehens Kapazitäten schaffen. Da mittelfristig nicht mit einer Erweiterung der Frequenzbreite in Europa zu rechnen ist, kann dem wachsenden Bedarf für RFID nur durch eine bessere Ausnutzung der zugewiesenen Frequenzen begegnet werden. In Europa steht für RFID-Anwendungen im UHF nur das Frequenzband von 865 bis 868 MHz zur Verfügung. In diesem darf auf zehn der 15 Kanäle mit der vollen Leistung von 2 W gesendet werden, auf weiteren zwei mit 0,5 und auf drei weiteren mit 0,1 W. Um das Band besser ausnutzen zu können, sind derzeit verschiedene Arten der Bündelung in Erprobung. Besondere Probleme bereitet jedoch die in Europa für die zehn starken Kanäle vorgeschriebene „Listen-Before-Talk“-(LBT-)Regel. Sie verlangt, dass ein Lesegerät vor dem Senden prüfen muss, ob ein anderer Dienst im Kanal arbeitet. Wenn ja, muss es auf einen anderen Kanal ausweichen. Zudem dürfen die Lesegeräte nur vier Sekunden lang senden, bevor sie wieder das Vorhandensein anderer Nutzungen prüfen müssen. Dies kann die Leistung eines RFID-Systems stark beeinträchtigen. Um die Ausnutzung besser zu gestalten, wird daher momentan auf EU-Ebene eine Befreiung von der LBT-Regel für einen Teil der zehn Kanäle diskutiert. Dies würde eine Bündelung vereinfachen und Lösungen ermöglichen, die den aktuellen Bedürfnissen vorerst genügen würden. Allerdings ist davon auszuge-
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hen, dass wie oben skizziert die Branche in den nächsten Jahren noch weiter wachsen wird. Zu der steigenden Anzahl der Transponder und kommerziellen Lesegeräte wird eine zunehmende Zahl privater RFIDLesegeräte, beispielsweise in Mobiltelefonen und anderen Alltagsgeräten, kommen. Ein begrenztes Frequenzspektrum würde so absehbar zu einem limitierenden Wachstumsfaktor. Der Frequenzbereich 860–960 MHz gilt weltweit als Band für UHFAnwendungen. Auch wenn Europa, USA und Asien innerhalb dieses Bandes der Technologie unterschiedliche Frequenzbereiche zugewiesen haben, liegen diese so dicht beisammen, dass die Transponder überall gleichermaßen antworten können. In Europa steht beispielsweise nur der Bereich 865–868 MHz zur Verfügung. Diese Frequenzen sind zudem bislang nicht einmal in allen europäischen Staaten verfügbar. Noch blockieren vor allem militärische Anwendungen in Ländern wie Frankreich und Italien die Freigabe. Es ist aber davon auszugehen, dass die Anstrengungen zur Umsetzung der empfohlenen Richtlinie6 in allen entscheidenden Mitgliedsstaaten der EU noch 2006 zu einem erfolgreichen Ergebnis gebracht werden können. Neben technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten stehen Verbraucherund Datenschutz im Fokus der öffentlichen und damit auch politischen Diskussion. Im Mittelpunkt der datenschutzrechtlichen Debatte stehen speziell die Möglichkeit des unbefugten Auslesens von RFID-Transpondern und der Missbrauch von Daten, die mithilfe der RFID-Technologie erhoben werden. Da sich diese Bedenken in aller Regel auf zukünftige Anwendungen im Bereich des Handels beziehen, konzentriert sich auch die datenschutzrechtliche Debatte auf diesen Sektor [4]. Derzeit gibt es allerdings noch keine breiten Anwendungen im Handel, bei denen auf Produktebene RFIDTransponder eingesetzt werden. Bei der datenschutzrechtlichen Bewertung von RFID werden im Allgemeinen drei Szenarios unterschieden [5]: • Auf dem Transponder wird ein Produktcode gespeichert, der ausschließlich zur Produkt- oder Herstelleridentifizierung dient. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der von Handel und Konsumgüterindustrie eingesetzte Elektronische Produktcode (EPC). Das Bundesdatenschutzgesetz kommt hier nicht zur Anwendung, da keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. In diese Gruppe fallen die meisten RFIDAnwendungen.
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CEPT Empfehlung: ERC-REC-70-03.
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• Im zweiten Fall ist auf dem Transponder ebenfalls nur ein Produktcode gespeichert, es findet jedoch, z. B. durch Nutzung einer Kundenkarte, eine Verknüpfung mit personenbezogenen Daten des Kunden statt. Es gelten in diesem Fall die Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes über die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, d. h. insbesondere die Grundsätze der Datenvermeidung und -sparsamkeit (§ 3a BDSG). Ferner ist in diesen Fällen die schriftliche, informierte Einwilligung der Betroffenen nötig (§ 4 BDSG). • In einer dritten Fallgruppe sind personenbezogene Daten auf dem Transponder selbst gespeichert. Derartige Anwendungen sind im Handel nicht vorgesehen; ein Beispiel hierfür sind Anwendungen im Gesundheitsbereich, wo die sensiblen Daten besonders gut gegen fremdes Auslesen gesichert werden müssen. Es gelten auch hier die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Wird RFID zum Einlass und/oder zur Zeiterfassung von Mitarbeitern genutzt, dann muss der Einsatz mit dem Betriebsrat und, falls vorhanden, mit dem Datenschutzbeauftragen des Unternehmens abgestimmt werden. Auch bei der Produktionssteuerung mit RFID sollten diese Gremien hinzugezogen werden, damit der Befürchtung entgegengetreten werden kann, dass zugleich die Arbeit der Mitarbeiter kontrolliert wird. Für den Einsatz von RFID-Transpondern im Endkunden-Bereich hat die internationale Standardisierungsorganisation EPCglobal Richtlinien für alle Nutzer von RFID erarbeitet. Diese sind: • Information Durch ein gut sichtbares Logo wird auf das Vorhandensein des Transponders hingewiesen. • Wahlmöglichkeit Der Endkunde erhält die Möglichkeit, den Transponder zu deaktivieren. • Aufklärung Informationen über die Technologie werden leicht verfügbar gemacht. • Aufzeichnung, Vorbehalt und Sicherheit Analog zur herkömmlichen Barcode-Technologie werden Daten durch die Unternehmen gemäß den geltenden Rechtsvorschriften erhoben, gesammelt, gespeichert, gepflegt und geschützt. Im Einklang mit allen anzuwendenden Gesetzen informieren die Unternehmen über Haltung, Nutzung und Schutz jeglicher personenbezogener Daten in Verbindung mit dem Einsatz von RFID. Weitere Aktivitäten gibt es im Rahmen einer Arbeitsgruppe unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, aus der im Juni 2006 ein Positionspapier der Wirtschaft hervorging, das
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Verpflichtungen im Hinblick auf Information und Aufklärung, Kennzeichnung und Deaktivierbarkeit enthält [3]. Darüber hinaus erleichtern technische Fortschritte den künftigen Einsatz von RFID bei Verbrauchern. Die neue Generation der UHF-Transponder gemäß EPC-Standard (Gen2) besitzt einen sogenannten Kill-Befehl. So können die Transponder leicht deaktiviert werden. Auch Unternehmen forschen an Möglichkeiten des eingebauten Datenschutzes. IBM hat beispielsweise einen sogenannten Clipped Tag entwickelt, bei dem die Antenne des Transponders einfach entfernt (z. B. abgerubbelt oder abgerissen) werden kann, so dass der Chip nicht mehr aus der Entfernung ausgelesen werden kann. Insgesamt ist davon auszugehen, dass bis zur flächendeckenden Einführung von RFID-Transpondern z. B. im Einzelhandel weitere Möglichkeiten im Bereich des Daten- und Verbraucherschutzes entwickelt werden. Gleichzeitig ist die deutsche Wirtschaft bestrebt, den Forderungen aus der Politik nachzukommen und die Aufklärung zu RFID zu verstärken und zu verbessern. “We need to make considerably greater efforts to explain the risks and benefits of RFID to the wider public”, erklärte beispielsweise EU-Kommissarin Viviane Reding [24]. Das Informationsforum RFID engagiert sich aus diesem Grund verstärkt im Bereich Verbrauchinformation. Im Oktober 2006 wurde eine neue Internetseite gestartet, die Herzstück verschiedener Aktionen zur „RFID-Aufklärung“ ist.7 Ziel ist es, unbegründete Vorbehalte zu nehmen und über die Chancen der Technologie aufzuklären. Einen wichtigen Beitrag zur Verbraucherakzeptanz wird auch die erhöhte Sicherheit leisten, die RFID dem Verbraucher zukünftig bieten kann. Drei Einsatzfelder stehen dabei im Mittelpunkt: Rückverfolgbarkeit, Echtheitszertifizierung und Produktinformationen. Mit RFID-Transpondern lassen sich Produktionsprozesse steuern und überwachen. In der Automobilindustrie wird bereits während des Produktionsprozesses beim Zulieferunternehmen die Herstellung dank der exakten Produktionsdaten aufgrund der Transpondertechnologie optimiert. Dadurch werden Fehlerquellen minimiert und die Durchlaufgeschwindigkeit erhöht. Im Anschluss können die RFID-Transponder die moderne Just-inTime-Logistik unterstützen. In der Fertigung der Autohersteller helfen sie, beim Einbau und bei der Lagerlogistik Fehler zu vermeiden. Der Kunde profitiert von günstigeren Autos mit höherer Qualität. Darüber hinaus hilft RFID, die Dokumentationspflicht einzuhalten und die Produkthaftung klar zu regeln. Sollte eine Rückrufaktion nötig werden, ist die Ansprache der Betroffenen schnell und gezielt möglich. „Durch RFID wird das geforder7
http://www.rfidabc.de.
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te, durchgängige Tracking & Tracing der Ware auf einfache Weise ermöglicht, und damit werden allen Beteiligten die erforderlichen Zeit-, Ort- und Mengeninformationen echtzeitnah bereitgestellt.“ [25] Diese Vorteile sind in andere Bereiche zu übertragen. Schon heute sind viele Nutztiere durch Transponder gekennzeichnet. Bislang werden aber nur wenige Daten (und diese dezentral) gespeichert. Würde die Technologie flächendeckend eingesetzt, wäre die Dokumentation von Daten wie Geburt, Fütterung, Impfung, Transport und Krankheiten problemlos möglich. Durch Transponder auf der Fleischverpackung könnten diese Daten um Angaben zu Schlachtung und Transport ergänzt werden. Der Handel könnte dann den Kunden zu jedem Fleischstück genaue Angaben liefern. Betrug und Manipulation würden erschwert. Darüber hinaus wären im Fall von Seuchen schnelle und gezielte Reaktionen möglich. Die Verbraucher würden geschützt, und Verantwortliche ließen sich besser ermitteln.
6 Ausblick Die Radiofrequenz-Identifikation bietet große Zukunftspotenziale und vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für unterschiedliche Branchen. Ob in der Fertigung, in Handel und Logistik, der Freizeit, öffentlichen Einrichtungen oder im medizinischen Bereich – RFID steht für mehr Effizienz, höhere Sicherheit und die Vereinfachung komplexer Abläufe. Für die Wirtschaft und speziell für den Standort Deutschland bedeutet RFID eine große Chance. Unternehmen werden aufgrund des hohen Wettbewerbsdruckes ihre Prozesse zunehmend durch Kosten- und Zeitersparnis effizienter gestalten – Potenzial, das die Schlüsseltechnologie RFID bietet. Vom Marktwachstum können auch kleine und mittelständische Unternehmen profitieren. Durch neue Anwendungen ergeben sich Möglichkeiten für neue Dienstleistungen, innovative Produkte und auch neue Arbeitsplätze. Damit Unternehmen in Deutschland und Europa nicht den Anschluss an diese wichtige Technologie verlieren, muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung der RFID-Technologie schaffen. Das gilt im besonderen Maße für die schnelle Umsetzung der auf CEPT-Empfehlungen basierenden Frequenzparameter für alle europäischen Mitgliedsstaaten, für die Lockerung der starren Listen-Before-TalkRegelung, für die Frequenzverlagerung von Altanwendungen, die Schaffung eines eigenen Frequenzbandes für RFID sowie die Entwicklung und Etablierung einheitlicher globaler Standards. Beim Datenschutz gilt es, das hohe Niveau bestehender Bestimmungen für Deutschland und Europa zu berücksichtigen und der RFID-Technik den nötigen Freiraum zur weiteren
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Marktentwicklung zu schaffen. Dies sind zugleich wesentliche Faktoren auf dem Weg zum Internet der Dinge.
Literatur 1. Aberdeen Group (2005) The RFID Benchmark Report: Finding the Technology’s Tipping Point 2. F.A.Z.-Institut, Intel, IDG (2005) Best Of RFID-Solutions. S 22 3. GS1 Germany (2006) RFID/EPC und Datenschutz. Positionspapier 4. Holznagel B, Bonnekoh M: RFID – Rechtliche Dimensionen der Radiofrequenz-Identifikation. Online: http://www.info-rfid.de/downloads/rfid_rechtsgutachten.pdf (Stand: 26.10.2006) 5. Huber A (2006) Radiofrequenz-Identifikation – Die aktuelle Diskussion in Europa. MMR 11 6. Online: http://www.abiresearch.com/abiprdisplay.jsp?pressid=713 (Stand: 26.10.2006) 7. Online: http://www.c-na.de/media/r2006/vortraege/09%20Vortrag%20 Elbinger.pdf (Stand: 26.10.2006) 8. Online: http://www.computerwoche.de/hp_cw_mittelstand/praxis/567221/ (Stand: 26.10.2006) 9. Online: http://www.dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/ PROD0000000000195905.pdf (Stand: 26.10.2006) 10. Online: http://www.ftk.de 11. Online: http://www.heise.de/newsticker/meldung/44812 (Stand: 23.10.2006) 12. Online: http://www.heise.de/newsticker/meldung/68313 (Stand: 26.10.2006) 13. Online: http://www.idtechex.com/products/en/articles/00000485.asp (Stand: 26.10.2006) 14. Online: http://www.info-rfid.de/downloads/rfid_perspektiven_03.pdf (Stand: 26.10.2006) 15. Online: http://www.lemmi.de/index.php?id=3 (Stand: 26.10.2006) 16. Online: http://www.media.nrw.de/kurznachrichten/artikel.php?id=5086 (Stand: 26.10.2006) 17. Online: http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=061011023 (Stand: 26.10.2006) 18. Online: http://www.rfidjournal.com/article/articleview/1080/1/1/ 19. Online: http://www.rfidjournal.com/article/articleview/2652/ (Stand: 23.10.2006) 20. Online: http://www.rfidjournal.com/article/view/2245/1/3/ (Stand: 26.10.2006) 21. Online: http://www.silicon.de/enid/b2b/12164 (Stand: 23.10.2006) 22. Online: http://www.soreon.de/site1/index.php/german/layout/set/print/ soreon_studien/software_hardware/berholspur_rfid_markt_handel_in_europa _2004_2008 (Stand: 26.10.2006)
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23. Online: http://www.vdc-corp.com/_documents/pressrelease/press-attachment1252.pdf (Stand: 26.10.2006) 24. Reding V (2006) RFID: Why we need a European policy. Rede anlässlich der Abschlusskonferenz des Konsultationsprozesses der EU-Kommission am 16. Oktober 2006 in Brüssel 25. ten Hompel M (2005) IT-Landschaften – Das Internet der Dinge. In: Seifert W, Decker J (Hrsg) (2005) RFID in der Logistik. Hamburg. S 208
Der RFID-Markt aus Sicht der Anwender und Anbieter
Heinz-Georg Pater, Patricia Seidl Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
1 Einführung RFID stellt eine Schlüsseltechnologie zur Prozessverbesserung dar. Dennoch sind bis zum Durchbruch noch wichtige Kriterien zu erfüllen. Die RFID-Technologie muss bestimmte Funktionalitäten vorweisen, um innerhalb der Unternehmen Anwendung zu finden. Welche dies sind und welche Technologien (z. B. aktiv/passiv, read-only/read-write, Frequenzbereich) sich durchsetzen werden, wurde innerhalb bundesweiter Umfragen in den Jahren 2004 und 2006 ermittelt. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten Ergebnisse der 2006/2007 durchgeführten Studie dar. Hierbei wurde besonderer Wert auf eine differenzierte Betrachtung hinsichtlich Anwender und Anbieter gelegt.
2 Marktbefragung Im Jahr 2004 wurde bereits eine bundesweite Umfrage bezüglich AutoIDTechnologien durchgeführt. Einen Schwerpunkt stellte die RFID-Technik u. a. im Vergleich zu den klassischen Technologien dar. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer Studie der Öffentlichkeit präsentiert [5]. Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Weiterentwicklung und Umsetzung der RFID-Technologie stellt das Wissen um die Bedürfnisse und Erwartungen des Marktes (Industrie, Handel und Dienstleister) dar. Aufgrund des Marktwandels und der daraus resultierenden Änderung der
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Anforderungen ist eine kontinuierliche Beobachtung und Analyse von besonderer Bedeutung. Auch wenn der Markt sich teilweise noch zurückhaltend verhält, so wurden dennoch Wachstumsraten um die 50 % im ersten Halbjahr 2006 erreicht. Des Weiteren stehen RFID-Tags aus Expertensicht hinsichtlich der industriellen Anwendung vor dem Durchbruch. Diskussionsbedarf existiert allerdings weiterhin u. a. aufgrund der Kosten und der Systemintegration. Diesbezüglich sind zudem noch die Fragen nach der Datensicherheit und dem Fortschritt der Standardisierung zu klären. Um die Veränderungen seit der letzten Befragung zu ermitteln sowie die aktuelle Marktsituation und Tendenzen zu erforschen, wurden Unternehmen auf Anwender- und Anbieterseite zu Themen in Bezug auf AutoIDTechnologien befragt. Schwerpunktmäßig wurden folgende Aspekte berücksichtigt: • • • • • •
Technologie/Anforderungen Potenziale/Akzeptanz/Verbreitungsgrad Standardisierung/Systemintegration Zukunftsperspektive/Zeithorizont IT-Systeme/Standardisierung/Sicherheit Investition/Betriebskosten
3 Charakteristika der Studien-Teilnehmer Um einen repräsentativen Marktüberblick zu erhalten, wurden Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in die Untersuchung einbezogen. Die Auswertung der Antworten erfolgte entsprechend differenziert. Für den Marktüberblick wurde eine Unterteilung in die Kategorien Systemanbieter und Anwender von AutoID-Technologien vorgenommen. Die Anbieterseite wird durch die Kategorien AutoID, RFID und IT repräsentiert, die Anwenderseite umfasst die Kategorien Industrie, Dienstleister und Handel. Der Bereich Systemanbieter beinhaltet alle Unternehmen, die sich mit der Automatischen Identifikation befassen. Hierzu gehören sowohl Datenfunksysteme als auch Systeme der Barcodeerfassung. Bei den folgenden Auswertungen werden die reinen RFID-Anbieter aus der Kategorie herausgenommen und in der Kategorie „RFID“ subsumiert. Zu der Kategorie „IT“ gehören die Softwarehäuser, welche schwerpunktmäßig die softwaretechnische Unterstützung der AutoID-Techniken anbieten. Innerhalb der Kategorie „AutoID“ befinden sich demnach ausschließlich reine RFIDTechnologie-Anbieter und entsprechende Softwarehäuser.
Der RFID-Markt aus Sicht der Anwender und Anbieter
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Abb. 1. Teilnehmer Studie 2006
Da die reinen RFID-Anbieter bei der Einschätzung der Markt- und Preisentwicklung den RFID-Technologien positiver gegenüberstehen und demnach bezüglich Transponder oder Barcode unterschiedliche Positionen vertreten, ist diese Unterscheidung in einigen Bereichen notwendig. So sind beispielsweise – verglichen mit den Kategorien „AutoID“ und „IT“ – die reinen RFID-Anbieter bei den Produktverpackungen bereit, mehr als das dreifache für Transponder auszugeben. Für die Anbieter bedeutet ein höherer Preis einen höheren Umsatz. Daher ist diese Bereitschaft nachvollziehbar, muss jedoch bei den Auswertungen der Umfrageteilnehmer berücksichtigt werden. RFID im Einsatz oder geplant
Durchschnittlich haben mehr als 50 % der an der Umfrage beteiligten Unternehmen bereits RFID-Technologie in ihrem Unternehmen im Einsatz (siehe Abb. 2). Durchweg sind die Unternehmen mit der verwendeten Technologie sehr zufrieden. Als Schwachpunkte sind die bekannten Aspekte benannt: Leistungsperformance beim Lesen und Schreiben sowie die Systemintegration.
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Abb. 2. Einsatz der RFID-Technologie
Es ist allerdings hieraus nicht abzuleiten, dass in über der Hälfte aller Betriebe RFID im Einsatz ist. Bei einer derartigen Hochrechnung auf den gesamten Markt ließe man wesentliche Tatsachen außer Acht. Die Erfahrung zeigt, dass Umfragen eher von denjenigen beantwortet werden, welche das Untersuchungsobjekt bereits in ihr Unternehmen integriert bzw. sich eingehender mit der Thematik beschäftigt haben. Realistischer ist eine Abwägung der RFID-Marktdurchdringung, wenn man diese Auswertung in Kombination mit der Markteinschätzung betrachtet. Allerdings lassen sich bereits an dieser Stelle Tendenzen ablesen. Die RFID-Technologie wird im Handel im Vergleich zum Industrieund Dienstleistungssektor seltener eingesetzt. Dies ist darin begründet, dass der Fokus bei Handelsunternehmen auf kleineren und kostengünstigeren Verpackungseinheiten liegt und somit eine korrekte Pulkerfassung gesichert sein muss. Derzeit liegt der Schwerpunkt des RFID-Einsatzes in dieser Branche in der Logistik und im Lagermanagement bzw. auf der Palettenebene. Da besonders in dieser Branche ein erhebliches Optimierungsund Einsparungspotenzial zu erzielen ist, gehört der Handel zu den Treibern der Forschung und Entwicklung. Getestet wird in dieser Branche insbesondere die Realisierung des Item Tagging. Der Nutzen und die Vorteile werden von allen Branchen erkannt. Durchschnittlich 84 % der Teilnehmer erkennen den Nutzen der RFIDTechnologie für ihr Unternehmen. Insbesondere bezogen auf die Optimierung der Logistikprozesse, beispielsweise beim Behältermanagement, werden die Vorteile des Einsatzes gesehen. Der Vorteil bei einem Einsatz in geschlossenen Materialflusssystemen liegt u. a. im Kostenaspekt. Durch die Wiederverwendbarkeit können RFID-Tags kostengünstig eingesetzt werden. Darüber hinaus wurden von den Teilnehmern der Studie folgende Aspekte genannt, welche durch einen RFID-Einsatz unterstützt oder realisiert werden:
Der RFID-Markt aus Sicht der Anwender und Anbieter
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Abb. 3. Einschätzung der Eignung der RFID-Technik für das eigene Unternehmen
• • • • • • •
Tracking and Tracing in der Supply Chain Asset Management Optimierung der (innerbetrieblichen) Logistikprozesse Datenerfassung Bestandsmanagement Kosten- und Zeitersparnis Rückverfolgbarkeit (Behältermanagement, Produktschutz und -sicherung) • effizientere Inventarisierung Die Vorteile werden hauptsächlich innerbetrieblich gesehen. Überbetrieblich kommen besonders die Rückverfolgbarkeit und der Produktschutz sowie dessen Sicherung zum Tragen. Die häufigsten Einsatzfälle einer RFID-Technologie sind derzeit allerdings noch das Zutrittssystem oder die Verwendung als Insellösung. Der überwiegende Teil derjenigen, die RFID noch nicht im Einsatz haben, möchte innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre diese Technologie einführen. Insbesondere im Industrie- und Dienstleistungssektor wird die Einführung vorangetrieben. Im Fokus hierbei liegt die Rückverfolgbarkeit, insbesondere das Behältermanagement bzw. die Ladungsträgerverfolgung. Im Handelssektor wird ein besonderer Nutzen in der Warensicherung und in der Nachverfolgung auf der Artikelebene erwartet. Da jedoch die Kosten für einen Tag noch relativ hoch sind und die Wiederverwendbarkeit im Handel auf Produktebene nicht gegeben ist, wird dem Einsatz in dieser Branche noch mit Zurückhaltung begegnet. Allerdings laufen derzeit zahlreiche Tests/Pilotprojekte, so dass mit einem Anstieg zu rechnen ist. Besonders vor dem Hintergrund der neuen Transponder-Generation EPCglobal Class1 Gen2 mit Verbesserungen hinsichtlich der Sensitivität bzw. der Eingrenzung der physikalischen Probleme mit den Tags und Lesegeräten ist ein weiterer Akzeptanz- und Integrationsschub zu erwarten
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[4]. Betrachtet man darüber hinaus die Aussagen der Untersuchungsteilnehmer hinsichtlich ihrer Einschätzung des Nutzens der RFIDTechnologie für das eigene Unternehmen sowie bezüglich ihrer Einstellung hinsichtlich einer Einführungsunterstützung, so konstatiert sich diese Erwartungshaltung. Die in Abb. 4 aufgezeigten Ergebnisse verdeutlichen die durchweg positive Stellung gegenüber einer RFID-Einführung: Beinahe 40 % der befragten Unternehmen erwarten nicht, dass ihre Zulieferer RFID einsetzen. Die übrigen Unternehmen sehen die Notwendigkeit besonders in dem Bereich Transport sowie bei der Lagerung/Bestandsführung und Dokumentation (siehe Abb. 5). Die Fahrleistung an sich kann nicht beeinflusst werden, jedoch besteht durch den RFID-Einsatz Optimierungspotenzial hinsichtlich der Prozesse der Be- und Entladung, der Einlagerung sowie der Warenverfolgung. Besonders bei einem hohen Warenumschlag kommt das durch den RFID-Einsatz gegebene Einsparungspotenzial, insbesondere aufgrund der Möglichkeit der Pulkerfassung, im Vergleich zur Barcode-Erfassung zur Geltung. Das Thema Sicherheit/Gefahrgut wird relativ nachrangig behandelt. Dies betrifft sowohl die Forderung des Einsatzes seitens der Zulieferer als auch die Einschätzung des Nutzeneffekts im eigenen Unternehmen und seitens ihrer Kunden. In diesem Bereich besteht Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten und des hieraus resultierenden Nutzens entlang der Supply Chain. Die Untersuchungsteilnehmer erwarten durch den Einsatz von RFIDTechnologien u. a. die Realisierung folgender Mehrwertdienste: • • • • •
Online-Bestandsverfolgung- und Verwaltung Rückverfolgbarkeit After-Sales-Service Prozesstransparenz verbesserter Wartungsprozess
Abb. 4. Würden Sie die Einführung von RFID grundsätzlich unterstützen?
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Abb. 5. Bereiche, in denen Zulieferer RFID einsetzen sollten
• • • •
Informationen über Produkte (u. a. „best before date“) Diebstahls- und Quellensicherung Unterstützung der Inventur Handelsinformationen
Viele Unternehmen stehen vor der Überlegung, RFID zukünftig zu nutzen, sind von der Technologie allerdings noch nicht grundlegend überzeugt. Kriterien, deren Vorhandensein für den möglichen Einsatz besonders relevant ist, stellen die Pulkfähigkeit und die korrekte sichtkontaktlose Lesung dar. Weitere wichtige Motivationsaspekte entstehen durch die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit und eine deutlich verbesserte Bearbeitungsgeschwindigkeit. Welche Kriterien in welchem Ausmaß die Unternehmen dazu bewegen, RFID-Technologien in ihren Unternehmen einzuführen, ist der Abb. 6 zu entnehmen. Die Unternehmen sollten vorgegebene Kriterien durch Zahlen von 1 (sehr wichtig) bis 6 (unwichtig) gewichten. In der vorliegenden Abbildung wurde ausschließlich die Bewertung mit „sehr wichtig“ zugrunde gelegt. Da gerade die wichtigsten Kriterien durch RFID noch nicht einwandfrei erfüllt sind, wird hinsichtlich der AutoID-Technologien schwerpunktmäßig der Barcode eingesetzt.
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Abb. 6. Kriterien für den RFID-Einsatz
4 AutoID-Technologien im Vergleich Bei der Einschätzung der derzeitigen Situation hinsichtlich des Einsatzes von AutoID-Technologien zeigt sich, dass die Ablösung des klassischen Barcodes durch die RFID-Technologie noch nicht realisiert wurde. Die Teilnehmer gaben bei der Nachfrage nach ihrer Einschätzung des Verbreitungsgrades innerhalb ihrer eigenen Branche durchschnittlich folgendes Verhältnis in Prozent für Barcode, 2-D-Code und RFID an: 60/9/6. Der Abb. 7 ist zu entnehmen, dass neben den anderen Kategorien besonders der Handel die Barcode-Verwendung favorisiert. Bei der Frage nach der zukünftigen Entwicklung der AutoID-Technologien im Laufe der nächsten fünf Jahre innerhalb der eigenen Branche ergab sich ein umgekehrtes Bild. 87 % der Teilnehmer gehen von einer steigenden Entwicklung hinsichtlich des RFID-Einsatzes aus, beim 2-D-Code (Barcode) sehen lediglich 48 % (28 %) der Teilnehmer eine positive Entwicklung. Bei dem Vergleich des derzeitigen Verbreitungsgrades der AutoIDTechnologien mit der Einschätzung der Entwicklung innerhalb der nächsten fünf Jahre zeigt sich, dass die Ablösung des klassischen Barcodes durch die RFID-Technologie noch nicht erreicht wurde, aber von allen innerhalb der nächsten Jahre erwartet wird. Damit diese Entwicklung eintreten wird, sind die Stärken der Technologie verstärkt herauszustellen und vor allem die Schwächen zu identifizieren und zu eliminieren.
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Abb. 7. Verbreitungsgrad von AutoID-Techniken (Selbstbild)
Bei der Untersuchung des Stärken-Schwächen-Szenarios wird der zeitliche Verlauf einbezogen. Wies im Jahr 2004 die RFID-Technologie im Vergleich zum 2-D-Code und zum Barcode im Kostenbereich eine deutliche Schwäche auf, so hat sich der Abstand mittlerweile deutlich verkleinert. Im Jahr 2004 stellten die Kosten die einzige Schwäche bei RFID dar, im Jahr 2006 stehen die befragten Unternehmen diesem Aspekt neutral gegenüber. Bezogen auf die übrigen Bewertungskriterien weist die RFIDTechnologie im Vergleich mit den anderen beiden Technologien gemäß den befragten Unternehmen erhebliche Vorteile auf. Es zeigt sich allerdings auch, dass der Barcode mittlerweile, besonders hinsichtlich der Bewertung der Leistung und Zusatzfunktionen, besser beurteilt wird als zwei Jahre zuvor. Dies zeigt, dass auch die Systemanbieter der BarcodeTechnologie an der Beseitigung der Schwächen arbeiten und dies seitens der Anwender registriert wird. In Abb. 8 sind die Ergebnisse der StärkenSchwächen-Bewertung der AutoID-Technologien aus den Jahren 2004 und 2006 dargestellt.
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Abb. 8. Stärken/Schwächen der verschiedenen AutoID-Techniken (Mittelwerte)
5 Technologische Komponenten Durch die Art der Energieversorgung werden Transponder in zwei Gruppen unterteilt: die aktiven und die passiven Transponder. Passive RFIDTags zeichnen sich im Gegensatz zu aktiven Tags dadurch aus, dass sie keine eigene Energiequelle beispielsweise in Form einer Batterie oder Solarzelle benötigen. Sie werden mittels einer induktiven Übertragung durch das Lesegerät bzw. die Sendeeinheit mit Strom versorgt. Das vom Lesegerät empfangene magnetische bzw. elektro-magnetische Feld kann bei aktiven Tags aufgrund ihrer eigenen Energiequelle schwächer sein als bei passiven Tags [1]. Somit können höhere Kommunikationsreichweiten als bei passiven Transpondern realisiert werden. Als nachteilig erweisen sich die begrenzte Lebensdauer sowie das grundsätzlich höhere Gewicht und der Preis im Vergleich zu den passiven Tags. Je nach Anwendungsfall ist demnach abzuwägen, ob aktive oder passive RFID-Transponder eingesetzt werden sollen. In der durchgeführten Befragung sollten die Unternehmen eine Einschätzung der technologischen Entwicklung vornehmen. Dabei war zu entscheiden, ob sich eine der beiden Transponderarten (aktiv bzw. passiv) durchsetzen wird oder ob beide Arten zukünftig gleichermaßen (aktiv/passiv) eingesetzt werden. Aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses befürworten durchschnittlich 67 % der befragten Unternehmen die passiven Transponder. Darüber hinaus schließen die Industrie und der Handel in
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ihrer Erwartungshaltung eine alleinige Nutzung aktiver Transponder aus. Systemanbieter und Handel tendieren stärker als der Industrie- bzw. Dienstleistungssektor zu einer kombinierten Anwendung von aktiven und passiven Transpondern entsprechend der Anwendungssituation (Abb. 9). Eine weitere Unterteilung der Transponder erfolgt, wenn man die Beschreibbarkeit untersucht. Bei den Read-only-Tags werden die Identifikationsmerkmale bzw. erforderlichen Daten bereits bei der Produktion auf dem Tag gespeichert. Danach ist lediglich die Auslesung, nicht aber eine Änderung oder Löschung einzelner oder aller Daten möglich. Hierdurch ist eine Sicherheit bezüglich der Verfügbarkeit gegeben, die bei Read-writeTags in diesem Maße nicht vorliegt. Bei dieser Transponderart besteht auch nach der Produktion die Möglichkeit zur Datenänderung. Die sich hieraus ergebende Flexibilität ist jedoch wiederum teilweise mit höheren Produktionskosten verbunden [2]. Demnach ist auch hier den Anwendern zu raten, den Anwendungsfall genauestens zu durchleuchten. Derzeit werden von den Unternehmen durchschnittlich die wiederbeschreibbaren Tags favorisiert (siehe Abb. 10). Allein der Handel bevorzugt die Read-onlyVariante. Da der Handelssektor die Verwendung auf Produktebene anstrebt und die Produkte letztendlich beim Endkunden verbleiben und die Tags nicht mehr in den Kreislauf des Handelssektors gelangen werden, ist diese Entscheidung plausibel.
Abb. 9. Technische Entwicklung (aktiv vs. passiv)
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Abb. 10. read-only vs. read-write
Die RFID-Technologie ist nur in festgelegten Frequenzbereichen einsetzbar. Diese Bereiche werden von nationalen und internationalen Institutionen freigegeben. Um die RFID-Tags länderübergreifend nutzen zu können, benötigt man weltweite Zulassungen. Dies ist allerdings nicht für jeden Frequenzbereich umsetzbar [3]. Branchenintern lassen sich lediglich marginale Unterschiede ablesen. Bei der Betrachtung einzelner Branchen im Vergleich werden favorisierte Frequenzbereiche sichtbar (siehe Abb. 11). Hinsichtlich der Technologieauswahl wird die Entwicklung im Niederfrequenz-Bereich (125–135 kHz) eher zurückhaltend bewertet. Die Vorteile durch die Unempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit und leitfähigen Oberflächen und die vergleichsweise niedrigen Anschaffungskosten werden durch die Nachteile bezüglich der geringen Lesereichweite und der schlechteren Übertragungsrate geschmälert. Deutlich besser wird von den Teilnehmern die technologische Entwicklung im Hochfrequenz-Bereich (13,56 MHz) beurteilt. Vergleicht man allerdings die derzeitige Einschätzung dieses Frequenzbereichs mit der Einschätzung aus dem Jahr 2004, zeigt sich ein anderes Bild. Lag damals der Fokus u. a. auf dem Hochfrequenz-Bereich (13,56 MHz), so ist mittlerweile ein Trend in Richtung des Ultrahochfrequenz-Bereichs (860– 960 MHz) erkennbar. Nachdem die niederfrequenten Bereiche hinsichtlich der Erforschung der Potenziale an ihre Grenzen gestoßen sind, bietet besonders der 868-MHz-Bereich weitere Anwendungsmöglichkeiten und Forschungspotenzial.
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Abb. 11. Favorisierte Frequenzbereiche
Bezüglich der einzelnen Frequenzbereiche existieren u. a. länderspezifische Bandbreiten bzw. Zulassungsbeschränkungen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit durch die Standardisierungsprozesse eine Vereinheitlichung realisiert wird.
6 Standardisierung und der hieraus bedingte Handlungsbedarf Die weltweite Standardisierung stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der RFID-Technologien dar. Standards werden in unterschiedlichen Kategorien benötigt. Man unterscheidet beispielsweise Standards hinsichtlich der Datensatzstrukturen und -protokolle, der Schnittstellen, der Anwendungsbereiche und der Testmethoden. Die Notwendigkeit von Standards wird von den Unternehmen unterschiedlich eingeschätzt. Lediglich 2 % der befragten Unternehmen schätzten die Wichtigkeit der Standardisierung für die Akzeptanz der RFID-Technologien als gering ein. 9 % bescheinigten der Standardisierung eine mittlere, 89 % sogar eine hohe Bedeutung. Den Unternehmen ist die Dringlichkeit eines weltweiten Standards bewusst. Standardisierung ist gleichsam der Innovationsmotor für die weltweite Einführung und den Durchbruch der RFID-Technologie [3]. Hinsichtlich der Standardisierung waren innerhalb der letzten Monate bereits einige Erfolge zu verzeichnen. Dennoch besteht weiterhin enormer
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Handlungsbedarf. 80 % der befragten Unternehmen sehen diesen auf internationaler Ebene (siehe Abb. 12). Insbesondere bezogen auf die Themengebiete „Datensatz“ und „Schnittstellen“ werden von mehr als der Hälfte der Unternehmen Standards erhofft und verlangt. Fehlt es an ausreichender Standardisierung, reduziert sich die Wirtschaftlichkeit der RFID-Einführung. Ein differierendes Verständnis bezüglich der Funktionalitäten einzelner Systemkomponenten verhindert zudem die Transparenz des RFID-Marktes. Um dem entgegenzuwirken, wurde bereits in einem ersten Schritt durch die Internationale Organisation für Normung (ISO) das Gen2-Protokoll ratifiziert. Das EPCglobal UHF Gen2 Air-Interface-Protokoll wurde somit als Teil des ISO/IEC 18000-6Standards Amendment1 als Type C genehmigt [6]. Mittels des elektronischen Produktcodes EPC (Electronic Product Code) ist bereits ein Meilenstein innerhalb der RFID Road Map erreicht. Das Ende der Standardisierung ist jedoch noch längst nicht erreicht. Die Studienteilnehmer sehen u. a. Handlungsbedarf innerhalb folgender Bereiche: • • • • •
Middleware-Applikation Branchenstandards, beispielsweise Einsatz bei Airlines Frequenz Datensicherheit/Datenschutz Schnittstellen (Lesegerät zur überlagerten Steuerung)
Die Einführung der RFID-Technologie wird von den Unternehmen hinsichtlich deren möglicher Auswirkungen auf die Hard- und Software vergleichsweise optimistisch beurteilt.
Abb. 12. Handlungsbedarf für Standardisierung
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So schätzen über 50 % der Unternehmen die Auswirkungen auf die Software als hoch ein (siehe Abb. 13). Am kritischsten urteilen hierbei die Systemanbieter (63 %) sowie der Handel (67 %). Der Industrie- (50 %) und auch der Dienstleistungssektor (52 %) äußern sich verhaltener. Bei der Beurteilung der Hardware ergibt sich insgesamt ein vergleichbares Bild. Bei der Ansicht der Verteilung innerhalb der Kategorien zeigt sich ein genau umgekehrtes Bild: Die Systemanbieter sowie der Handel bewerten die Auswirkung zu einem Drittel als hoch, der Industriebereich liegt mit 44 % knapp über dem Durchschnitt. Am kritischsten urteilt mit 52 % der Dienstleistungssektor. Das Ergebnis verdeutlicht, dass in Verbindung mit den Überlegungen bezüglich einer RFID-Einführung die Themenbereiche Hard- und Software noch vernachlässigt werden. Im Vordergrund stehen der Nutzen- und Kosten-Aspekt sowie die Einsatzmöglichkeiten und Anwendungsbereiche.
7 Anwendungsbereiche und Einflussfaktoren Unternehmen stuften RFID-Anwendungen hinsichtlich ihrer Wichtigkeit ein (1 = sehr wichtig bis 6 = unwichtig, siehe Abb. 14). Durchschnittlich werden die RFID-Anwendungen als „wichtig“ bis „mittelmäßig wichtig“ beurteilt. Abbildung 14 verdeutlicht – unterteilt nach Anwendungen –, welche Note den einzelnen Anwendungen am häufigsten zugeordnet wurde (Modalwert) und wie durchschnittlich benotet wurde.
Abb. 13. Bedeutung von RFID-Einführung auf die IT-Systeme
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Abb. 14. Wichtigkeit der RFID-Anwendungen
Die Diskrepanz zwischen den ermittelten Werten fällt je nach Kategorie unterschiedlich hoch aus. Beispielsweise liegt der Modalwert der Rubrik „reine Identifikation“ bei 1. Dies besagt, dass die meisten Unternehmen diese Anwendung mit „sehr wichtig“ bewerten. Der Durchschnittswert dagegen liegt bei 2,3 und lässt darauf schließen, dass die übrigen Unternehmen diese Anwendung als entsprechend unwichtig beurteilen. Im Gegensatz hierzu stimmen hinsichtlich der Zusatzfunktionen Modal- und Durchschnittswert überein. Dies verdeutlicht, dass der eigentliche Nutzfaktor der RFID-Technologie noch nicht überall erkannt wird. Der Fokus liegt noch immer auf der reinen Identifikation, die größtenteils durch den Barcode erfüllt werden kann. Die besonderen und neuartigen Anwendungsfälle, die durch die Zusatzfunktionalitäten geboten werden, sind noch nicht bekannt und werden demnach als mittelmäßig wichtig bewertet. Je höher die Diskrepanz zwischen Modalwert und Durchschnitt ist, desto stärker weichen die Einschätzungen zwischen den Kategorien voneinander bzw. vom Durchschnitt ab. Daher ist es sinnvoll, die Ergebnisse nach Kategorien differenziert zu betrachten. Hierzu werden bei der folgenden Auswertung (Abb. 15) die Antworten mit einer Einschätzung „sehr wichtig“ ins Verhältnis zur Anzahl der gesamten Antworten gesetzt. Die reine Identifikation besitzt bei allen Teilnehmern gleichermaßen höchste Priorität. Die anderen RFID-Anwendungen werden branchenspezifisch unterschiedlich eingestuft. Die Planung und Steuerung beispielsweise spielt im Dienstleistungssektor eine wichtige Rolle. Daher ist es wenig verwunderlich, dass dieser Anwendungsbereich direkt an zweiter Stelle bezüglich der Wichtigkeit steht.
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Abb. 15. RFID-Anwendungen, die als „sehr wichtig“ eingestuft werden (Kategorien)
Im Bereich der Systemanbieter sowie im Industriesektor legt man nicht nur auf die Planung und Steuerung besonderen Wert. Ebenfalls wichtig erscheint diesen Bereichen die Funktionalität des Datensatzes. Dagegen steht im Handelssektor die Möglichkeit der Warensicherung im Vordergrund. Nahezu gleichermaßen einig sind sich die Teilnehmer über das sich ergebende Optimierungspotenzial aufgrund des Einsatzes von RFID-Technologie (siehe Abb. 16). Abgesehen von den Systemanbietern, die verständlicherweise in jedem Bereich Optimierungspotenzial erkennen, erwartet besonders der Handel Vorteile durch den Einsatz. So erwarten beispielsweise 83 % der Handelsunternehmen eine verbesserte Leistung. Hinsichtlich der Erwartungen bezüglich einer sich ergebenden Kostenreduktion urteilen die Handelsunternehmen zurückhaltender als der Durchschnitt. Lediglich die Hälfte gibt an, dass eine Kostenreduktion erwartet wird. Im Industriebereich ist man dagegen zuversichtlicher. Beinahe zwei Drittel der Industrieunternehmen erwarten eine Kostenreduzierung und sehen die Investitionskosten nicht als einen sehr großen Hemmfaktor an. Dies zeigt sich auch bei der Benennung von Problemen, die den Einsatz von RFID hemmen könnten (Abb. 17).
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Abb. 16. Optimierungspotenzial durch den Einsatz von RFID-Technologien
Die Sicherheit und der Datenschutz werden durchschnittlich nicht als sehr große Hemmfaktoren angesehen. Gerade diese Aspekte werden derzeit in den Medien verstärkt diskutiert. Allerdings geschieht dies überwiegend bei der Berührung der RFID-Technologie mit der Privatsphäre. Innerhalb des Untersuchungsfeldes beispielsweise wurde von keinem der befragten Dienstleister der Sicherheitsaspekt als ein sehr großer Hemmfaktor benannt. Dagegen wurde von jeder Kategorie die Standardisierung als wichtigster Hemmfaktor angesehen. Dies erklärt die verstärkten Bemühungen hinsichtlich der Einführung von Standards, die in den vergangenen Monaten durchaus wichtige Erfolge erzielten. Weltweit existieren unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen, die berücksichtigt werden müssen. Sobald der Standard auf europäischer Ebene etabliert ist, ist er in nationales Recht zu überführen. Durch die Nutzung der RFID-Technologie können länderübergreifend neue Anwendungsbereiche erschlossen werden. Besonders der Handelssektor bemüht sich um die Durchsetzung global einheitlicher Standards und beurteilt eine fehlende Standardisierung als einen potenziellen Hemmfaktor, der in kürzester Zeit zu beseitigen ist. In Abb. 17 ist abzulesen, welche Kategorie welchen Hemmfaktor zu welchem Prozentsatz als „sehr wichtig“ beurteilt hat. Darüber hinaus wurden als Hemmfaktoren zu geringe RFID-Kenntnisse, die Beibehaltung der bewährten Verfahren und Prozesse sowie die fehlende Akzeptanz der Belegschaft in Verbindung mit der Angst vor Arbeitplatzabbau genannt.
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Abb. 17. Hemmfaktoren beim RFID-Einsatz
8 Zusammenfassung und Ausblick Die RFID-Technologie ist keine neue Erfindung. Dennoch ist besonders innerhalb der letzen Jahre ein deutlicher Schub hinsichtlich der Weiterentwicklung erkennbar. Als Innovationstreiber erweisen sich vor allem die Industrie und die Handelsbranche. In Zusammenarbeit mit den Softwareanbietern werden allgemeine und branchenspezifische Funktionalitäten herausgefiltert und getestet. Der Einsatz auf Produktebene hängt vor allem von den Kosten und von der Pulklesefähigkeit ab. Zurzeit findet die RFIDTechnologie schwerpunktmäßig auf der Ebene von Paletten oder Verpackungseinheiten Verwendung. RFID-Tags unterstützen besonders das Behältermanagement. Eine wichtige Voraussetzung hierbei stellt die Wiederverwendbarkeit dar, wobei eine Modularisierung und Standardisierung über die Unternehmensgrenzen hinweg förderlich ist und sich dadurch Einsparpotenziale entlang der gesamten Supply Chain realisieren lassen. Neben der Erreichung von Einspareffekten sind Prozesse und damit verbundene Vorgaben effektiver zu erfüllen. Beispielsweise wird die Abwicklung der Fahrzeugauslieferung bei Automobilherstellern und Logistik-
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dienstleistern verbessert. Transparente und kostengünstigere Prozessabläufe führen zu einer effizienteren Verladung. Eine stärkere Verzahnung von RFID und Prozessabläufen wird durch die Überwachung von Ereignisdatenströmen realisiert. Beim Event Stream Processing (ESP) dienen hinterlegte Prozessinformationen und Ereignismuster der Prozessanalyse und der Identifikation von Abweichungen. Durch die Verknüpfung von Transpondern mit der Sensortechnik wird der Vorteil gegenüber den anderen AutoID-Technologien ausgebaut. Einerseits werden komplexe Prozesse automatisiert, andererseits kann frühzeitig auf Prozessabweichungen reagiert werden. Hierdurch kann z. B. die Einhaltung der relativ strengen Vorgaben des Lebensmittelrechts wie bspw. die Gewährleistung einer einheitlichen Kühlkette unterstützt werden. Die RFID-Technologie wird innerhalb der nächsten Jahre nicht die anderen Technologien vertreiben, dennoch wird diese Technik verstärkt Anwendung finden und in Abhängigkeit von den laufenden Forschungsergebnissen und hieraus resultierenden verbesserten Funktionalitäten den Durchbruch schaffen.
Literatur 1. Finkenzeller K (2006) RFID-Handbuch: Grundlagen und praktische Anwendungen induktiver Funkanlagen, Transponder und kontaktloser Chipkarten. 4. Auflage, Carl Hanser Verlag, München Wien 2. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (2006) RFID Geschäftsprozesse mit Funktechnologie unterstützen, Wiesbaden 3. Management-Leitfaden (2006) für den Einsatz von RFID-Systemen, VDEB in Zusammenarbeit mit AIM Deutschland (Hrsg) 4. Start frei für die nächste Generation (2006) RFID im Blick 09: 36–37 5. ten Hompel M (Hrsg), Lange V (Hrsg) (2004) RFID – Logistiktrends für Industrie und Handel. Verlag Praxiswissen, Dortmund 6. Website GS1 Germany: http://www.gs1-germany.de/internet/content/ produkte/epcglobal/downloads__service/newsletter/newsarchiv/2006/august
Mit Low-Power-Funktechnologie auf dem Weg zu ubiquitous computing
Dr. Rainer Steffen, Markus Augel Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK
1 Einführung Wie in vielen Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnik findet auch im Bereich der drahtlosen Vernetzung eine ständige Weiterentwicklung statt. Ausgehend von Systemen mit zunächst geringer Leistungsfähigkeit, zum Beispiel bezüglich Datenrate, Reichweite und Energiebedarf, hat die Funkvernetzung in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Sie entwickelt sich zunehmend zu einer Alternative für die drahtgebundene Kommunikation. Funksysteme eröffnen zudem weitere Anwendungs- und Einsatzbereiche, die zuvor undenkbar waren. Die Einsatzbereiche reichen dabei von einfachen Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsszenarien bis hin zu komplexen Systemen mit hunderten von Kommunikationsknoten. Diese Entwicklung – zusammen mit der fortschreitenden Miniaturisierung und der Reduzierung des Energiebedarfs sowohl bei Vernetzungstechnologien als auch bei Prozessoren – kann letztlich zur Realisierung der Vision des ubiquitous computing führen. Allgegenwärtige kleinste Computer, die quasi unsichtbar in kooperierende smarte Alltagsgegenstände integriert sind und überwiegend drahtlos miteinander kommunizieren, reichern die gewohnte Umgebung des Menschen an und dienen ihm als „digitale Heinzelmännchen“. Die eigentliche Technologie tritt aus Sicht des Anwenders immer mehr in den Hintergrund, und die Anwendungen rücken in den Vordergrund. Hierbei ist es vor allem notwendig, dass der Anwender
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durch die in Teilen autonom ablaufende drahtlose Ad-hoc-Vernetzung von Konfigurations- und Administrationsaufgaben entlastet wird. Aktuell gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Funktechnologien mit unterschiedlichen Eigenschaften, zum Beispiel hinsichtlich der erzielbaren Datenrate, der Energieeffizienz, der Reichweite oder der Integrationsgröße. Die meisten dieser Funktechnologien wurden für einen bestimmten Anwendungsbereich entworfen und können in unterschiedlicher Art und Weise für die Realisierung der oben genannten Vision eingesetzt werden. Dieser Beitrag gibt in Abschnitt 2 zunächst einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsbereiche für Low-Power-Funksysteme und beschreibt ausgewählte konkrete Anwendungsszenarien. Abschnitt 3 beschreibt einige beispielhafte Funktechnologien, charakterisiert deren Eigenschaften und unterzieht sie einer ersten Bewertung. Dabei werden die Vielfalt der Systeme und die Komplexität der richtigen Technologieauswahl sichtbar. Aufbauend darauf wird in Abschnitt 4 eine strukturierte Vorgehensweise zur anwendungsabhängigen Technologieauswahl dargestellt.
2 Anwendungsgebiete Die Einsatzbereiche von Low-Power-Funksystemen sind vielfältig und reichen von einfachen Szenarien mit wenigen Netzknoten über Szenarien im Bereich der Heimautomatisierung, der Industrieautomatisierung, der Landwirtschaft und der Medizintechnik bis hin zu komplexen Szenarien mit hunderten bis tausenden von Netzknoten, zum Beispiel im militärischen Bereich zur Aufklärung, Erkundung und Zielerfassung. Die lokale Funkkommunikation stößt unablässig in neue Bereiche vor. Immer mehr „Dinge“ verfügen über Schnittstellen zur drahtlosen Kommunikation. Dieser Trend resultiert im Wesentlichen aus drei Punkten: 1. Bestehende drahtgebundene Kommunikationslösungen gewinnen durch die drahtlose Vernetzung an Flexibilität und Komfort. 2. Die drahtlose Kommunikation ermöglicht Anwendungen, die mit einer Verkabelung nicht realisierbar wären. 3. Es sind eine stetig zunehmende Miniaturisierung, eine stetig steigende Leistungsfähigkeit sowie stetig sinkende Kosten bei den Funktechnologien zu verzeichnen. Die nachfolgend beispielhaft vorgestellten Anwendungsbereiche sollen einen Eindruck von der nahezu unbegrenzten Vielfalt der möglichen Anwendungen geben. Letztlich entscheiden vor allem der erzielte Mehrwert,
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der Preis des Systems, die Komplexität und Verfügbarkeit über die Art der real umsetzbaren Szenarien. Gängige und bekannte Anwendungsbereiche für drahtlose lokale Kommunikationssysteme liegen zurzeit vor allem im Bereich der Daten- und Multimediakommunikation sowie des Kabelersatzes. Die Möglichkeiten reichen von der drahtlosen Anbindung von Computerperipherie über die komfortable drahtlose Synchronisation von Adress- oder Telefonbucheinträgen eines PDAs mit dem PC bis hin zum drahtlosen Interzugang und zur Vernetzung von PCs untereinander. Weitere Einsatzgebiete sind die Übermittlung von Steuersignalen zwischen Geräten der Unterhaltungselektronik, drahtlose Joysticks, interaktive Spiele sowie die drahtlose Kopplung von Spielgeräten mehrerer Personen. Neben diesen bekannten Anwendungsbereichen gibt es zahlreiche weitere Szenarien, in denen die Funkkommunikation neue Möglichkeiten eröffnet. Nachfolgend wird eine Auswahl möglicher Szenarien dargestellt: Im Bereich der Heimautomatisierung sind neben einfachen Szenarien wie der drahtlosen Steuerung der Beleuchtung über beliebig platzierbare oder portable Bedienelemente, z. B. Schalter und Dimmer, auch komplexere Anwendungen möglich, die sich aus dem Zusammenspiel diverser drahtloser Sensoren und Aktoren ergeben. Dazu zählen die Steuerung der Heizung in Abhängigkeit von der Temperatur, Lüften in Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt oder der Schadstoffbelastung der Luft, automatisches Schließen der Fenster bei Abwesenheit der Bewohner, Steuerung der Beleuchtung in Abhängigkeit von Helligkeit und Tageszeit usw. Zusätzlich möglich sind drahtlose Sicherheits- und Überwachungssysteme sowie Rauch-, Bewegungs- und Einbruchsmelder mit entsprechenden Alarmen bei außergewöhnlichen Vorkommnissen. Durch drahtlose Fernbedienungen ergibt sich ein besonderer Komfort. Sie ermöglichen den komfortablen Zugriff auf die Gebäudefunktionen an jeder Stelle einer Wohnung, z.B. kann man sich vor dem Fernseher davon überzeugen, dass der Herd wirklich ausgeschaltet ist und – falls nicht – dieses per Tastendruck nachholen. Im Gegensatz zur Heimautomatisierung liegt der Fokus bei der Gebäudeautomatisierung nicht auf einzelnen Wohnungen, sondern auf ganzen Gebäuden und insbesondere auf Büro- und Geschäftsgebäuden. Neben einer beispielsweise leichten Rekonfigurierung von Beleuchtungssystemen bei Umgestaltung der Arbeitsbereiche sind vor allem das zentralisierte Management von Heizung, Lüftung und Klimatechnik sowie das komfortable drahtlose Auslesen von Betriebsdaten von Interesse. Durch drahtlose Identifikation ist die effiziente Kontrolle von Zugangsberechtigungen zu Gebäuden oder bestimmten Räumen möglich. Nach der automatischen Erkennung einer berechtigten Person wird die Tür geöffnet. Anschließend können im Gebäude automatisch personenbezogene Einstellungen vorge-
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nommen werden, z. B. die Regelung der Licht- und Temperaturverhältnisse je nach persönlichen Vorlieben. In der Landwirtschaft ist mithilfe drahtloser Kommunikationstechnik beispielsweise die gezielte Überwachung und Beeinflussung der Umweltweltbedingungen von Pflanzen in Gewächshäusern und ähnlichen Einrichtungen möglich. Die Züchtung und Pflege anspruchsvoller Nutzpflanzen, empfindlicher tropischer Pflanzen in botanischen Gärten und in Zuchtbetrieben wird erleichtert. Ein weiterer positiver Effekt ergibt sich im Bereich des umweltgerechten Pflanzenanbaus. Wenn Dünger oder Schädlingsbekämpfungsmittel automatisiert eingesetzt werden, lässt sich deren Art und Verwendung durch den Einsatz von drahtlosen Sensoren einfach und automatisch dokumentieren. Die Einhaltung ökologischer Standards ist somit leicht nachzuweisen. Der Einsatz drahtloser Kommunikation in der Medizintechnik zur Überwachung von Patientendaten birgt einiges Potenzial im Hinblick auf Komfort, Sicherheit und Kostenersparnis. Durch kleine, am Körper angebrachte oder sogar implantierte Geräte können verschiedene Körperfunktionen wie Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder Herzfrequenz überwacht werden. Dem Patienten werden diese sofort zum Beispiel auf einer Art Armbanduhr angezeigt. Falls die Werte bestimmte vorgegebene Schwellen über- oder unterschreiten, kann in geringem Umfang steuernd eingegriffen werden, z. B. kann die Frequenz eines Herzschrittmachers entsprechend angepasst werden. Beim betreuten Wohnen für Senioren können die gemessenen Körperwerte über eine Außenanbindung per GSM oder UMTS an den Hausarzt oder an Pflegepersonal übermittelt werden. Diese können beratend unterstützen und im Notfall sofort eingreifen. Ein Einsatz in Alten- und Pflegeheimen oder in Krankenhäusern zur Entlastung des Personals von Routinetätigkeiten ist ebenso möglich. Da die Körperwerte ständig bekannt sind, können Medikamente automatisch dosiert und gezielter eingesetzt werden. Notfälle werden zeitnah erkannt, und über das Hausnetz kann sofort ein entsprechender Alarm abgesetzt werden.
3 Funktechnologien In den letzten Jahren ist die Anzahl der verfügbaren Funktechnologien mit all ihren unterschiedlichen Ausprägungen rasant angestiegen. Diese Tendenz unterstreicht das große Potenzial, das in den Funktechnologien steckt. Im Folgenden werden die wichtigsten der heute eingesetzten Funkstandards für die lokale drahtlose Kommunikation vorgestellt und einer kurzen Bewertung unterzogen.
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Als Wireless LAN (WLAN) wird der Standard 802.11 des Institute of Electrical and Electronics Engineering (IEEE) bezeichnet. Seit der ersten Version des Standards aus dem Jahr 1997 wurde in unterschiedlichen Arbeitsgruppen stetig an Verbesserungen und Erweiterungen gearbeitet. Der derzeit in aktuellen Produkten am häufigsten eingesetzte WLAN-Standard ist IEEE 801.11g, mit dem eine Bruttodatenrate von bis zu 54 Mbit/s realisiert werden kann. Andere vielversprechende Ausprägungen sind IEEE 802.11e (Quality-of-Service-Unterstützung) und IEEE 802.11n (MultipleInput-Multiple-Output-(MIMO-)Übertragungstechnik zur Erhöhung der Datenrate, Reichweite und Stabilität). Wireless LAN ist zwar für den Einsatz in mobilen Endgeräten geeignet, jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht von einer wirklichen Low-Power-Funkkommunikation gesprochen werden. Die Leistungsaufnahme eines WLAN-Funkchips ist – je nach Übertragungsmodus – sehr hoch und für viele Anwendungsbereiche, bei denen es auf eine energieeffiziente Übertragung ankommt, ungeeignet. Die Stärken von WLAN liegen vor allem in einer relativ hohen Datenrate und damit der Möglichkeit, auch multimediale Dienste zu nutzen, sowie in der hohen Verbreitung und Akzeptanz. Bluetooth ist eine offene Spezifikation zur drahtlosen Kurzstreckenkommunikation zwischen mobilen und stationären Endgeräten. Bluetooth beschreibt, anders als WLAN, nicht nur die physikalische Übertragungsschicht und die Sicherungsschicht, sondern noch weitere Bluetoothspezifische Protokolle und Profile (Profil = Untermenge der Spezifikation für einen bestimmten Anwendungsfall). Bei der Entwicklung von Bluetooth wurde auf eine möglichst einfache und kostengünstige Realisierung sowie auf eine möglichst energiesparende Überragungstechnik geachtet. Bluetooth hat sich seit der Einführung im Jahr 1999 stark verbreitet und vor allem in mobilen Endgeräten etabliert. Bluetooth wird vor allem bei der Telefonie eingesetzt: Beispiele sind die Kopplung eines Mobiltelefons mit einem Headset oder Anbindung des Mobiltelefons an die Freisprecheinrichtung des Autos. Ähnlich wie bei WLAN wird auch der BluetoothStandard ständig weiterentwickelt. Dies betrifft sowohl die Übertragungstechnik an sich (Bluetooth V1.1: 1 Mbit/s Bruttodatenrate; Bluetooth V2.0: bis zu 3 Mbit/s Bruttodatenrate) als auch die Bluetooth-spezifischen Protokolle und Profile. Die Spezifikation neuer Protokolle und Profile soll weitere Anwendungsfelder erschließen. Insbesondere bei kurzen Entfernungen und mittleren Datenraten ist Bluetooth wegen seines relativ geringen Energiebedarfs, der geringen Chipabmessungen und der niedrigen Kosten für Low-Power-Funksysteme geeignet. Der 2003 verabschiedete Standard IEEE 802.15.4 und die 2004 veröffentlichte ZigBee-Spezifikation sind eng miteinander verbunden. IEEE 802.15.4 definiert, wie alle IEEE 802-Standards, die physikalische Über-
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tragungsschicht und die Sicherungsschicht. Die ZigBee-Spezifikation setzt direkt darauf auf und definiert die Netzwerk- und Applikationsschicht. Im Folgenden wird nur mehr von ZigBee gesprochen, womit sowohl der IEEE 802.15.4-Standard als auch die ZigBee-Spezifikation gemeint ist. ZigBee wurde speziell für die energieeffiziente lokale Datenkommunikation entworfen. So wird beispielsweise zwischen sogenannten Full Function Devices (FFD) und Reduced Function Devices (RFD) unterschieden, die sich in ihrer Komplexität und ihrem Energiebedarf unterscheiden. Ein RFD kann bis zu 99,9 % seiner Betriebsdauer in einem energiesparenden Modus arbeiten und ermöglicht dadurch eine Batterielebensdauer von mehreren Monaten bis zu Jahren. Eine weitere Besonderheit von ZigBee ist die Möglichkeit der Multi-hop-Kommunikation. Hierbei werden die Daten drahtlos über mehrere Netzknoten hinweg vom Sender zum Empfänger übertragen. Das bedeutet, dass Sender und Empfänger nicht mehr in direkter Funkreichweite zueinander stehen müssen und so auch größere Entfernungen drahtlos überbrückt werden können. Der Netzwerkaufbau und dessen Koordination ist integraler Bestandteil des ZigBeeProtokollstacks. ZigBee ermöglicht eine Bruttodatenrate von 250 kbit/s und hat eine Energieaufnahme von 30–40 mA, je nach Produkt. Gängige ZigBeeLösungen werden in einem kleinen Formfaktor (Chipgröße ca. 6 x 6 mm²) wahlweise mit oder ohne integrierten Mikrocontroller und Protokollstack angeboten. Die Zielmärkte von ZigBee sind vor allem die Heim-, Gebäude- und Industrieautomatisierung. Ähnlich wie bei Bluetooth werden hierfür ZigBee-Profile definiert. Beispiele sind das „Home Control“-Profil, das „Automatic Meter Reading“-Profil oder das „Industrial Plant Monitoring“Profil. In Zukunft ist bei ZigBee noch eine Vielzahl weiterer Anwendungsgebiete zu erwarten. Anerkannte Marktforschungsunternehmen sprechen von einem enormen Marktpotenzial. Neben den bekannten und oben genannten lokalen Funktechnologien gibt es eine fast unübersichtliche Anzahl proprietärer Funksysteme, die zwar nicht standardisiert sind, die aber die Realisierung des Internets der Dinge einen bedeutenden Schritt voranbringen können. So bieten beispielsweise die Firmen Zensys, Chipcon (Texas Instruments), Nanotron und Nordic vielversprechende Funkchips an, die für die Low-Power-Kommunikation besonders geeignet sind. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Mit einem 4 x 4 mm² großen Funkchip, der eine Außenbeschaltung von nur ca. 15 passiven Komponenten benötigt, lässt sich eine Bruttodatenrate von bis zu 500 kbit/s realisieren. Der Entwickler hat dabei eine Vielzahl an Freiheitsgraden. So kann die Datenrate variabel eingestellt werden, es werden unter-
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schiedliche Modulationsverfahren angeboten, die Kanalbandbreite und die Sendeleistung können innerhalb der Grenzen frei gewählt werden, es werden unterschiedliche Energiespar-Modi angeboten usw. Auf alle wichtigen Parameter des Funksystems kann zugegriffen werden, um diese für den jeweiligen Anwendungsfall zu optimieren. Dadurch lassen sich Funksysteme realisieren, die bei geringer Belastung eine Batterielebensdauer von mehreren Jahren erzielen können (Energiebedarf des aktiven Systems ca. 15–30 mA, Sleepmode ca. 900 nA). Der Vorteil von proprietären Funksystemen liegt vor allem in der hohen Flexibilität. Der Systementwickler hat deutlich mehr Freiheitsgrade bei der Auslegung des Systems, womit eine bessere Anpassung an den jeweiligen Anwendungsfall möglich wird. Zudem haben viele proprietäre Funksysteme einen geringeren Ressourcenbedarf, sowohl was den Energiebedarf als auch was zusätzliche Hard- und Software anbelangt. Da keine Interoperabilität mit anderen Systemen eingehalten werden muss, ist eine minimale Funktionsimplementierung möglich. Nachteile von proprietären Funksystemen sind vor allem die fehlende Interoperabilität und die unzureichende Unterstützung durch eine große Entwickler- und Anwendergemeinde. Da das Funksystem auf die jeweilige Anwendung optimiert wird, kann meist nicht auf bereits vorhandene Protokollstacks und Systemkomponenten zurückgegriffen werden. Teilweise müssen selbst Grundfunktionalitäten wie der Medienzugriff, die Adressierung oder der Fehlerschutz selbst implementiert werden. Aus dieser kurzen Charakterisierung einiger beispielhafter Funksysteme lässt sich bereits die große Vielfalt an unterschiedlichen Ausprägungen und Produkten erahnen. Die meisten Funksysteme sind für einen speziellen Anwendungsbereich entworfen und haben unterschiedliche Leistungsfähigkeiten. Hinzu kommt, dass die Realisierungen der Funktechnologien in Form von integrierten Schaltungen je nach Hersteller – obwohl sie den gleichen Standard verfolgen – unterschiedliche Eigenschaften aufweisen können, z. B. bei Chipgröße, Stromverbrauch, Energiebedarf, Hardware-/ Software-Partitionierung, Empfangsempfindlichkeit, benötigter Außenbeschaltung, verfügbaren Schnittstellen u. v. m. Die Auswahl einer geeigneten Funktechnologie ist in den meisten Fällen ein komplexer Prozess, der möglichst systematisch durchgeführt werden muss. Eine fehlerhafte Entscheidung hätte nachhaltige Folgen, sowohl auf die Entwicklungszeit und die Entwicklungskosten als auch auf die spätere Einsatzfähigkeit des Systems.
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4 Die Auswahl der richtigen Funktechnologie Einer der wichtigsten Aspekte beim Design neuer funkbasierter Kommunikationssysteme ist die Auswahl der richtigen Funktechnologie, angepasst an den jeweiligen Anwendungsfall. Der Auswahlprozess sollte strukturiert vorgenommen werden, um eine optimale Lösung zu finden. Eine mögliche Vorgehensweise ist nachfolgend skizziert: • Aufstellen der groben Systemarchitektur Aufstellen einer groben Systemarchitektur und Ableiten erster Anforderungen an das Funksystem. • Aufstellen von Ausschlusskriterien Aus der ersten groben Systemarchitektur und deren Anforderungen können positive und negative Ausschlusskriterien formuliert werden. Die zentrale Frage dabei ist, was die Funktechnologie auf jeden Fall können muss und welche Eigenschaften sie nicht aufweisen darf. Mithilfe dieser Ausschlusskriterien kann eine erste Selektion der Funktechnologien durchgeführt werden. • Aufstellen der Einsatzszenarios und Ableiten der Detailanforderungen Der Einsatz des Funksystems kann meist in einzelne konkrete Szenarios untergliedert werden, die unterschiedliche Anforderungen besitzen. Diese Anwendungsfälle müssen identifiziert und beschrieben werden, um die jeweiligen Detailanforderungen zu erfassen. Diese können weiter untergliedert werden, beispielsweise in obligatorische und gewichtete optionale Komponenten. Aus der Analyse der Anwendungsszenarios ergeben sich Anforderungen zum Beispiel an - Datenrate, - maximale Latenzzeiten, - Echtzeitfähigkeit, - erzielbare Reichweite, - Robustheit, - Skalierbarkeit, - Mobilitätsunterstützung, - Energiebedarf, - Verwendung von Sleep-Modes, - Platzbedarf, - externe Beschaltung, - Kosten, - Standardkonformität, - maximalen Bedarf an Ressourcen (Hardware/Software), - Koexistenz mit anderen Funksystemen,
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Netzwerktopologie (Punkt-zu-Punkt, Stern, Multi-hop), - Antennendesign, - Sendeleistung, - Frequenzband, - Kanalbandbreite, - Verfügbarkeit, - Systemkomplexität, - Ausfallsicherheit, - Dynamik. • Abbilden der Detailanforderungen auf die Leistungsmerkmale der Funktechnologien Nach der Analysephase können die aufgestellten Detailanforderungen auf die infrage kommenden Funktechnologien abgebildet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Funktechnologie nicht nur den Einzelanforderungen gerecht wird, sondern auch den Anforderungen in Kombination. Es wird ersichtlich, dass die einzelnen Anforderungen gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen und sich häufig stark beeinflussen. Beispielsweise hat die Einführung von Sleep-Modes zur Erhöhung der Energieeffizienz einen Einfluss auf die erzielbaren Latenzzeiten, oder die geforderte Datenrate hat einen direkten Einfluss auf die maximale Reichweite und Robustheit des Systems. • Treffen einer begründeten Technologieauswahl Häufig wird keine der angebotenen Funktechnologien uneingeschränkt für das geplante System geeignet sein, so dass Kompromisse notwendig sind. Die einzelnen Design-Optionen und Alternativen müssen gegenübergestellt und bewertet werden. In manchen Fällen ist eine erneute Überprüfung beziehungsweise eine Umgestaltung der Systemarchitektur erforderlich. Schlussendlich kann aus den definierten Anforderungen und den gegenseitigen Abhängigkeiten eine begründete Technologieauswahl getroffen werden. -
5 Zusammenfassung Die moderne Funktechnologie ist wesentlicher Bestandteil der Vision des ubiquitous computing. Dadurch lassen sich bestehende Anwendungen flexibler gestalten, und neue, zukunftsweisende Anwendungsgebiete werden erst durch die drahtlose Vernetzung ermöglicht. Die Anzahl der verfügbaren Funktechnologien ist groß und deren Leistungsspektrum unübersichtlich. Die Auswahl der geeigneten Funktechnologien für ein bestimmtes Szenario ist ein wichtiger Grundbaustein im
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Entwicklungsprozess. Sie sollte möglichst durchdacht und strukturiert vorgenommen werden, um spätere Probleme zu vermeiden. Neben dem Auswahlprozess gibt es eine Reihe weiterer Herausforderungen. So ist es wichtig, bereits beim Systementwurf auf die Anwenderfreundlichkeit, zum Beispiel in Form von Mechanismen zur Selbstorganisation, Bedienunterstützung oder intelligenten Mensch-MaschineSchnittstellen zu achten. Durch die drahtlose Kommunikation und die intensive Vernetzung unterschiedlicher „Dinge“ spielen auch Sicherheit und Privacy eine maßgebliche Rolle. Eine weitere Herausforderung stellt nach wie vor häufig die Energieversorgung dar, auf die eine besondere Aufmerksamkeit gelegt werden muss. Nachdem die Grundlagen gelegt sind, machen drahtlose ubiquitäre Systeme gute Fortschritte und sind bereits in manchen Produkten wiederzufinden. Es bedarf jedoch noch viel an Forschungs- und Entwicklungsarbeit, bis die Vision des ubiquitous computing unser alltägliches Leben durchdringt und auf breiter Basis angenommen wird.
Internet der Dinge – Anwendung von RFID- und Tracking-Technologien zur intelligenten kooperativen Assistenz im Arbeitsprozess
Dr. Markus Eisenhauer, Prof. Dr. Reinhard Oppermann, Prof. Wolfgang Prinz, Ph. D. Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT
1 Einführung Dieser Beitrag stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Es geht primär um Anwendungen und Dienste, die RFID-Technologie und andere Trackingverfahren nutzen, um Menschen in ihrem Alltag oder in ihrer beruflichen Umgebung Unterstützung leisten zu können. Solche Dienste kommen dabei weitgehend ohne die explizite Mitwirkung von Menschen aus. Trotzdem dienen sie dem Menschen, der sie verstehen und beherrschen können muss. Wir thematisieren in diesem Beitrag den Aspekt des Benutzers, seiner Interaktion, seiner Kontrolle über das System und der Veränderung der Rolle des Menschen in einem Mensch-MaschineSystem. Der Alltag und das moderne Arbeitsleben haben sich sehr verändert. Menschen arbeiten heutzutage häufig ohne festen Arbeitsplatz in wechselnden Arbeitsumgebungen und mit unterschiedlichen Endgeräten. Auch in ihrer Freizeit sind Menschen zunehmend mobiler und benutzen auch dort vielfältige Endgeräte. Sie sind mit unterschiedlichen Aufgaben konfrontiert, in denen sie zu jeder Zeit und an jedem Ort Unterstützung benötigen. Die Unterstützung betrifft häufig auch die Zusammenarbeit mit anderen an einer gemeinsamen Aufgabe. In diesem Beitrag möchten wir exemplarisch zwei Anwendungen vorstellen, die in solchen Situationen proaktive, adaptive, multimodale Unterstützung bieten. Hierbei wird auch
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deutlich, dass und wie ein Zusammenspiel von Technik und Mensch stattfindet.
2 MICA MICA ist ein von der SAP AG gefördertes Industrieprojekt. In MICA haben wir uns zum Ziel gesetzt, für die SAP AG eine Systemarchitektur zu entwickeln, die kontextadaptive, multimodale Interaktion ermöglichen soll. In einem ersten Szenario ist eine prototypische Anwendung für ein mittelgroßes Warenlager realisiert worden, die ungelernten Arbeitskräften Unterstützung in der Kommissionierung bietet und den Arbeitern beide Hände zur Arbeit frei lässt. In Spitzenzeiten sind Warenlager darauf angewiesen, ungelernte Arbeitskräfte einzustellen, die ihnen helfen, die Spitzen abzubauen. Problematisch ist, dass diese Arbeitskräfte weder die Produkte kennen noch mit den Arbeitsabläufen vertraut sind. MICAs Ziel ist es daher, diese Arbeitskräfte – ohne lange Einarbeitungszeiten – zielgerichtet in ihrer Arbeit zu unterstützen. 2.1 Multimodalität und Interaktion Der Erfolg zukünftiger mobiler Computersysteme hängt in hohem Maße von einer nutzerfreundlichen, intuitiven und menschennahen Bedienbarkeit ab. Dies veranlasst FIT, nach zusätzlichen, natürlichen, nutzbaren Ein- und Ausgabemodalitäten für die Mensch-Maschine-Interaktion zu suchen. In MICA werden verschiedene neue Modalitäten eingesetzt. Der heutige Stand der Technik erlaubt die Realisierung einer Vielzahl mobiler Anwendungen. Die Informationen betreffen entweder die Mobilität selbst, etwa durch die Bereitstellung von Informationen über öffentliche Verkehrsmittel oder anderer nützlicher praktischer Informationen für Reisende. Oder aber die Dienste stellen allgemein Informationen bereit, die von Personen in mobilen Situationen wie etwa beim Einkauf oder dem Besuch fremder Städte gebraucht werden können. Anwendungen oder Dienste, die Personen durchgängig und gezielt in ihren Tätigkeiten unterstützen, bezeichnen wir als nomadische Assistenzsysteme. Der Erfolg solcher Systeme wird in hohem Maße von der Interaktion mit dem System bestimmt sein. Benutzungsfreundlichkeit und eine einfache und intuitive, natürliche Interaktion beeinflussen die Akzeptanz der Nutzer positiv. Eine natürliche, menschenorientierte Interaktion bedeutet auch Interaktion mittels multipler Modalitäten. Die Forschung zu multi-
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modalen Systemen und deren natürlichem Einsatz in der MenschMaschine-Interaktion gewinnt auch zunehmend an Bedeutung. So können beispielsweise Personen, die sich in Bewegung befinden, nicht ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Interaktion an einem Bildschirm lenken [1]. Multimodale Interaktion ist sicherlich eine der wichtigsten Anforderungen an ubiquitäre Systeme und die Akzeptanz mobiler Dienste am Markt. Die Erforschung graphischer Schnittstellen hatte bisher den größten Stellenwert. Experimente und jüngere Forschung in multimodalen Umgebungen jedoch zeigen den potenziellen Nutzen der Kombination mehrerer Kommunikationsmodalitäten. Schenkt man Oviatts zehn Mythen zur multimodalen Interaktion Glauben [9], so wurden bisher Sprache und Zeigen als dominante Modalitäten stark überschätzt und andere Modalitäten sträflich vernachlässigt. So kann Sprache in lauten Umgebungen nicht eingesetzt werden, hingegen könnten sich andere Modalitäten unter diesen Umständen als nützlich erweisen. Um eine natürliche Interaktion zu erreichen, müssen auch solche Umgebungswechsel berücksichtigt und die Vorteile anderer Modalitäten untersucht werden. Ziel ist es, einen Schritt hin zu natürlicher Interaktion mit multimodalen Systemen zu machen und kognitive Fähigkeiten umzusetzen, um mit Nutzern in Situationen interagieren zu können, die kein extensives Training erlauben. Insbesondere stellen wir einen neuen Ansatz zur Interaktion vor, der die natürliche Bewegung von Akteuren und Objekten zueinander in der räumlichen Umgebung ausnutzt. Um räumliche Relationen ermitteln zu können, müssen die Bewegungen von Personen und Objekten erfasst werden. Die wichtigsten Informationen stammen daher von den eingesetzten Lokalisierungskomponenten. Die große Zahl an unterschiedlichen Kommunikations-Kanälen und Anwendungen, die momentan untersucht werden, hat dazu geführt, dass das noch junge Forschungsgebiet „Multimodale Interaktion“ bereits recht diversifiziert ist. Unser Interesse gilt der Interaktion nomadischer Nutzer, die eine zeit-, orts- und geräteunabhängige Nutzung von Informations-, Transaktions- und Assistenzsystemen wünschen [8]. Multimodale Anwendungen (z. B. [3, 4]) waren insbesondere erfolgreich in der Erfassung multimodaler Interaktion. Diese Forschung resultiert in erstklassigen Fähigkeiten zur Erkennung und Synthese gebräuchlicher Modalitäten wie etwa Sprache und Handschrifterkennung. Zusätzlich fokussieren aktuelle Architekturen auf die Synchronisierung von Ereignissen verschiedener Sensoren wie etwa Tastatur, Maus und Mikrofon zur flexiblen Anpassung an multimodale Interaktion. Bisher sind alle multimodalen Anwendungen und Dienste mehr oder weniger unsystematisch entstanden. Das war dem mangelnden Verständnis der grundlegenden Prozesse in der multimodalen In-
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teraktion geschuldet. Komponenten, die eine semantische Deutung erlauben, sind nicht genormt, beispielsweise die Fusion von Eingangssignalen zur symbolischen Repräsentation, Repräsentation der offenen und verdeckten Absichten eines Nutzers, Dialogsteuerungsstrategien und die Repräsentation der Ausgabeinformation in einer dem Kontext angemessenen Form. Heraus kommen idiosynkratische Interaktionsstile, die von dem Nutzer neu erlernt werden müssen. Das konfrontiert zukünftige Nutzer mit einer langen, steilen Lernkurve und reduziert in erheblichem Maße die Nachhaltigkeit von Systemen und Diensten. Die Forschung muss diese Sachlage signifikant zu verbessern suchen und für eine flexible, natürliche Interaktion Sensorik geschickt kombinieren. Das Ziel ist es, ein natürliches menschliches Kommunikations- und Interaktionsmuster zu ihrer Verwertung für die Mensch-MaschineInteraktion zu nutzen. Interaktion zwischen Menschen und zwischen Mensch und Maschine kann implizit wie auch explizit erfolgen. Explizite Interaktion betrifft jede direkte, offene Interaktion mit dem System, in der der Nutzer seine Wünsche dem System ausdrücklich mitteilt. Er kann seinem expliziten Befehl auf verschiedene Weise Ausdruck verleihen, etwa durch Zeigen oder durch Sprachbefehle. Sprechen wir von impliziter Interaktion, dann beziehen wir uns auf das Verständnis des Begriffes implizit, wie er in dem Paradigma des impliziten Lernens benutzt wird [2, 12]: als ein Prozess, der unausweichlich und automatisch auftritt unter Abwesenheit bewusster, überlegter Lernstrategien, der zu einer abstrakten Repräsentation des Wissens führt. Implizite Prozesse sind immer dann eingebunden, wenn das Wissen von Personen das übersteigt, was aus ihrer primären Aufgabe geschlossen werden kann (Plausibilitätskriterium) oder was sie selbst berichten können (Operationalisierungskriterium). Andererseits fasst implizite Interaktion das zusammen, was Nielsen [7] auch als non-command user interfaces bezeichnet und Oviatt [10] passive Interaktionsmodi genannt hat. Die Idee ist, nicht-verbales natürliches Verhalten zu nutzen und daraus Interaktionsinformation zu extrahieren. Die Methoden der impliziten Interaktion sind zwar unaufdringlich, haben aber auch den Nachteil, dass sie weniger reliabel als explizite Befehle sind. Nutzer mischen normalerweise unimodale und multimodale Interaktion, daher kann auch eine Kombination verschiedener Modalitäten mit impliziter und expliziter Interaktion zur Disambiguierung genutzt werden. Die Interpretation impliziter und auch expliziter Interaktion muss durch KontextModellierung gelöst werden. Im Gegensatz zu Arbeiten von Albrecht Schmidt [13] werden implizite und explizite Parameter als situationale Parameter für die Kontext-Modellierung genutzt.
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Der Nachteil vieler Denkansätze speziell zum Einsatz von Gesten und Bewegungen zur Interaktion ist, dass die Bewegungen, die ausgeführt werden müssen, oft umständlich und schwierig sind. Hinzu kommt, dass Interaktion mittels Gesten oft sozial auffällig ist. Exzessive Gesten ohne ein menschliches Gegenüber sehen für einen zufälligen Zuschauer merkwürdig aus. Sich einem Gegenstand, der einen interessiert, zu nähern, um den Gegenstand genauer zu betrachten und zu untersuchen, ist ein natürliches Verhalten. Dinge, die nicht von Interesse sind, werden hingegen ignoriert. Genau dieses (Neugier-)Verhalten als implizite sowie als explizite Interaktion mit einem System kann ausgenutzt werden, um auf den Informationsbedarf des Nutzers zu schließen. Die Interaktion des Nutzers im physikalischen Raum kann mit dem Informationsraum zur Deckung gebracht werden, um aktuelle Präferenzen und Interessen zu erschließen. Damit dies möglich wird, muss die Relation zwischen dem Nutzer und seiner räumlichen Interaktion mit anderen Nutzern und Objekten definiert werden. Um ein räumliches Modell als Hauptquelle zur Aktualisierung und Verfeinerung der Nutzerhistorie verwenden zu können, muss die Relation zwischen Nutzer und dem räumlichen Modell auf ein Domänenmodell abgebildet werden. Das Domänenmodell beschreibt und klassifiziert Objekte in der Domäne, ihre Relation zum Nutzermodell und welche Information sie enthalten. Das räumliche Modell beschreibt die physikalische Umgebung des Nutzers und die Lokation der Objekte in der Domäne im physikalischen Raum. Das Nutzermodell beschreibt das Wissen, die Interessen und die persönlichen Präferenzen des Nutzers. Das Domänenmodell sowie das Raummodell werden als statisch angesehen. Das heißt, dass Objekte in der Domäne und deren Lokationen identifiziert sein müssen, bevor das System genutzt werden kann. Wenn sich Änderungen in der Umgebung ergeben, müssen das Raummodell und eventuell auch das Domänenmodell explizit aktualisiert werden. Das Nutzermodell ist dynamisch. Das heißt, die Interaktionen des Nutzers mit der Umgebung, dem System und seinen Bewegungen im physikalischen Raum werden automatisch evaluiert, um das Modell zu aktualisieren. In dem aktuellen Projekt zur Unterstützung von Lageristen sollen mittels Ortungstechnologien (WLAN, UWB und RFID) die Bewegungen der Arbeiter – auf Objekte zu und von ihnen weg – zur Interaktion dienen. Bevor wir jedoch zur genauen Beschreibung der eingesetzten Technologien kommen, möchten wir noch Lokalisierung und Tracking als einen der wichtigsten Parameter kontextadaptiver Systeme behandeln.
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2.2 Lokalisierung und Tracking Der Ort eines Objektes ist eine der wichtigsten Dimensionsdeterminaten des Objektkontextes. Eine Lokation ist definiert als ein Punkt in einer definierten Umgebung. Die Lokation kann absolut in Bezug zu einem fixen Koordinatensystem oder relativ in Bezug zu anderen Objekten beschrieben werden. Informationen zu den Lokationen relevanter Objekte ermöglichen kontextadaptiven Systemen Schlüsse über Relationen von Objekten oder Personen zueinander, etwa welche Objekte in der unmittelbaren Umgebung eines spezifischen Nutzers oder Objektes sind, welche Objekte in Sichtoder Hörweite eines Nutzers sind oder wohin sich Objekte bewegen. Diese Beziehungen der Objekte und Nutzer zueinander können vom System genutzt werden, um herauszufinden, welche Information benötigt wird. Das System kann auf den Kontext reagieren und beispielsweise dem Nutzer Informationen über Objekte seiner unmittelbaren Umgebung präsentieren oder ihn zu einem gewünschten Ort führen. Die Genauigkeit der bestimmten Lage- und Bewegungsinformation hängt von der Genauigkeit der Messungen bzw. dem Messfehler und der Abtastrate der zyklischen Messungen sowie von der Genauigkeit des verwendeten Algorithmus zur Verarbeitung der gewonnenen Parameterwerte ab. Welche Fehlergenauigkeit und welche Latenz für eine Anwendung akzeptabel sind, hängt von den Anforderungen der spezifischen Anwendung ab. Viele Systeme nutzen sowohl Lokalisierung als auch Tracking und unterscheiden auch nicht explizit zwischen Tracking und Lokalisierung. Die Begriffe werden oft synonym verwandt. Eine Begriffsklärung hilft dem Verständnis. Wir verstehen unter Lokalisierung ein System, das seine Position und Orientierung innerhalb der Umgebung durch Messung von Distanzen und/oder Winkeln berechnet. Das System übersetzt die relative Position in absolute Koordinaten. Dieser Prozess, der oft auch als Positionierung bezeichnet wird, benutzt gegebene externe Informationen und interne Lokalisierungsinformationen. Unter Tracking verstehen wir ein System, welches einzelne Personen und Objekte überwacht und ihnen selbst oder kooperierenden Personen oder Überwachungsleitständen ihre Positionsdaten übermittelt. Die Personen oder Objekte nehmen nicht aktiv an dem Prozess der Lokalisierung teil. Die überwachte Person kann den Tracking-Prozess nicht aktiv beeinflussen. Der Hauptunterschied zwischen beiden Begriffen besteht also in der Handhabung der Identität der Objekte bzw. Personen. Im Gegensatz zu reinen Lokalisierungssystemen, die die Position lokal analysieren und de-
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ren Position und Identität nicht zwangsläufig an ein zentrales System übermittelt werden, zeichnen sich Tracking-Systeme durch eine solche zentrale Einheit mit Positions- und Identitätsinformation aus. Die Technik der Radio Frequency Identification (RFID) kann Identitätsoder Merkmalsdaten berührungslos und ohne Sichtkontakt lesen und speichern. In MICA haben wir passive, d. h. batterielose RFID-Etiketten im Lager eingesetzt und alle Artikel im Lager mit diesen Etiketten ausgestattet. Die Regale im Lager sind komplett mit Lesegeräten und Antennen ausgestattet worden, so dass die Herausnahme oder das Hinzufügen eines Artikels sofort vom MICA-System erfasst wird. Die Arbeiter selbst sind mit einem besonderen Transportwagen ausgestattet (siehe Abb. 1), der im Boden ein RFID-Antennenraster hat, das es erlaubt, alle Kisten und Artikel auf dem Wagen zu erfassen. Da WLAN zur Datenübertragung bereits an immer mehr Arbeitsorten eingesetzt wird, bieten sich auch Anwendungen an, die die Signalstärke oder Laufzeit der Signale zur Positionsbestimmung nutzen. Die zweifache Nutzung erlaubt auch eine Reduktion der Kosten, da die gleiche Hardware sowohl für den Datentransfer als auch für die Positionsbestimmung beim Wireless LAN Tracking genutzt werden kann. Zur Positionsbestimmung wird genutzt, dass die Signalstärke mit der Entfernung von der Signalquelle korreliert: mit zunehmender Entfernung von der Sendequelle nimmt die Signalstärke ab. Aus der Signalstärkemessung kann daher die Entfernung zur Sendequelle bestimmt werden. Mittels Triangulationsverfahren auf der aktuellen Signalstärke zu mehreren Signalquellen kann dann auch die relative Position im Raum bestimmt werden. Der Nachteil dieser Methode ist eine hohe Messungenauigkeit, die durch dynamische Veränderungen in der Umgebung wie etwa Abschirmungs- und Reflexionseffekte durch Personen und Objekte, aber auch durch Signalschwankungen der Basisstationen verursacht werden. Um den Messfehler zu reduzieren, wird die sogenannte FingerprintMethode eingesetzt, die darauf beruht, dass an mehreren vordefinierten Messpunkten in der Umgebung Messungen vorgenommen werden und Fingerprints der Signalstärken an diesem Punkt gesammelt werden. Anschließend wird mittels der Kalman-Filter-Methode [6] die Position bestimmt. In großen Räumen ist allerdings die Ausschließlichkeit der Fingerprints nicht gewährleistet, da das Signalstärkenmuster mehrfach vorkommen kann.
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Abb. 1. MICA-Transportwagen mit dem RFID-Raster
Daher wird diese Methode in der Praxis mit dem Triangulationsverfahren kombiniert. Der Nachteil der Kombination der beiden Methoden ist der additive Aufwand für die Erstellung der Fingerprints und für die Anpassung der Triangulationsalgorithmen; der Vorteil ist der Gewinn an Genauigkeit und Verlässlichkeit. Systeme wie etwa das in MICA eingesetzte kommerziell verfügbare Ekahau-System [5] setzen beide Methoden ein und erreichen eine Genauigkeit zwischen zwei und viereinhalb Metern. Ultra Wide Band (UWB) Tracking ist ebenfalls ein funkbasiertes Verfahren, das extrem kurze Radiowellen aussendet. In MICA wird das UWBbasierte System von Ubisense [14] verwendet. Ubisense setzt ein zeitbasiertes Verfahren ein, das eine Laufzeitberechnung zur Ermittlung der Position verwendet. Das System erfordert die Installation spezieller Hardware, die vorzugsweise in den Ecken des/der zu überwachenden Raumes/Räume installiert wird und synchronisierte Zeitsignale aussendet. Das Ubisense-System ist entsprechend kostspieliger als das Ekahau System. Der Mehrwegeausbreitungsfehler wird durch Reflexion der Funksignale an Wänden und Objekten verursacht und ist eine der Hauptquellen für Ungenauigkeiten bei funkbasierten Verfahren. Dank der extrem kurzen Dauer der Ultra-Breitband-Pulse von Ubisense können bei solchen Systemen die reflektierten Signale wieder ausgefiltert werden. Ubisense erreicht so Genauigkeiten von 15 bis 30 Zentimeter. 2.3 MICA Assistenz im Lager Das Szenario eines Warenlagers stellt eine ziemliche Herausforderung an ein multimodales System. Die Arbeiter im Warenlager brauchen beide Hände für ihre Arbeit (siehe Abb. 2).
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Abb. 2. Uneingeschränktes Arbeiten mit beiden Händen
Die Umgebung ist oft sehr laut, und auch die Lichtverhältnisse wechseln, so dass die Interaktion darauf angewiesen ist, mehrere Modalitäten zu nutzen, je nach Erfordernissen der Situation und Aufgabe. Lagerarbeiter arbeiten zudem häufig unter Zeitdruck, so dass das System sehr schnell reagieren sollte. Das Ziel in MICA war, eine Kombination von expliziter und impliziter Interaktion in einer Arbeitsumgebung zu ermöglichen. Im Gegensatz zu dem IBM MAGIC System, welches Blickbewegung zur Vorhersage der Kursorbewegung genutzt hat [11], wird in MICA eine Kombination von Stifteingabe, Sprachausgabe und Bewegung im physikalischen Raum genutzt. In MICA verändern sich die Relationen der Objekte und Personen dynamisch zueinander. Die Kombination der Trackingsysteme mit einer Kamera, die die Kopfbewegung erfasst, wird in MICA genutzt, um die räumlichen und situationalen Parameter erfassen zu können. Die Arbeiter im Warenlager werden durchgängig bei den anfallenden Aufgaben im Lager unterstützt. Die Arbeiter tragen ein Bluetooth-Headset zur Sprach-Ein-/-Ausgabe mit sich und einen Ekahau- und/oder einen Ubisense-Tag zur Ortung. Für die Arbeit nutzen sie zudem den Transportwagen, auf dem ein Tablet-PC montiert ist (siehe Abb. 3). Auf dem Interface wählt der Arbeiter den Aufgabenbereich, den er jetzt bearbeiten möchte: Waren einlagern, Kommissionieren oder Waren versandfertig machen. Wählt er beispielsweise Kommissionieren, kann er zunächst die Aufträge auswählen. Das System hilft ihm bei der Auswahl oder gibt in dringenden Fällen den Auftrag vor. Es besteht die Möglichkeit, mehrere Aufträge gleichzeitig zu kommissionieren, aber auch, dass an einem großen Auftrag mehrere Personen gleichzeitig arbeiten müssen. Liegen die Aufträge fest, die kommissioniert werden sollen, ordnet das MICA-System die zu kommissionierenden Artikel so, dass die Wegstrecke durch das Lager minimiert wird (siehe Abb. 4, mittleres Modul).
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Abb. 3. Lagerarbeiter mit dem MICA-Transportwagen, beim Bearbeiten mehrerer Aufträge
Dabei wird berücksichtigt, dass große und schwere Artikel zuunterst in den Kisten liegen müssen, um nicht andere Artikel zu beschädigen und den Platz richtig auszunutzen. Das grafische Interface (siehe Abb. 4, linkes Modul) bietet ein Wegeplanungsmodul an, welches den Arbeiter zum Artikel navigiert. Im Idealfall kann der Arbeiter sich vollständig systemgesteuert zu seinen Artikeln navigieren lassen. Vor Ort teilt ihm das System die erforderliche Anzahl der Artikel und die Kiste mit, in die die Artikel gehören. Wenn die Artikel in die richtigen Kisten auf dem Transportwagen gelangt sind, zeigt das Navigationsmodul den Weg zum nächsten Artikel an. Die Interaktion ist so angelegt, dass nach Annahme des Auftrags das System durch die Bewegung im Lager und die Erfassung durch die Trackingsysteme weiß, wo der Arbeiter ist und welche Aufgabe er gerade bearbeitet. Es erfordert keine explizite Interaktion durch den Arbeiter. Das Herausnehmen eines Artikels aus dem Lagerregal und das Hineinlegen in eine Kiste auf dem Transportwagen löst jeweils ein Protokollereignis im System aus. Proaktive Hilfe und Empfehlungsanwendungen haben das Ziel, unaufdringliche Hilfe in Situationen bereitzustellen, in denen sie von den Arbeitern voraussichtlich auch benötigt wird. Entscheidend dabei ist es, dass die angebotene Hilfe keinesfalls die gerade ausgeführte Tätigkeit unterbrechen soll und dass mehr als eine Alternative angeboten wird. Bei einem Problem sollte das System die richtige Hilfe bereitstellen und Alternativen anbieten. Die Kunst der Anpassung liegt zum einen in der Auswahl der passenden Inhalte, zum anderen aber auch in der Wahl der passenden Form oder Modalität.
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Abb. 4. Modulares Screen Design in MICA stellt höchste Ansprüche an Ergonomie und Didaktik
Ein konkretes Problem – wenn etwa der Lagerarbeiter ins Stocken gerät, weil er den Lagerort eines Artikels nicht finden kann – wird vom System durch die Analyse der aktuellen Aufgabe und der Tracking-Daten identifiziert. Geeignete Hilfestellung wird vom System vorkalkuliert und dem Arbeiter durch einen Ton, eine Verfärbung der Hilfe-Taste und der farblichen Umrahmung des entsprechenden Moduls auf dem Bildschirm, in der das System den Hilfebedarf vermutet, unaufdringlich angeboten. Nur auf Verlangen des Arbeiters durch Klicken auf die Hilfe-Taste oder den umrahmten Bildschirmbereich werden ihm auch die proaktiven Empfehlungen angeboten. Es steht ihm frei, das Angebot zu ignorieren. Das System bietet ihm dann eine Auswahl mehrerer proaktiver Empfehlungen, sortiert nach ihrer Wahrscheinlichkeit, so dass der Arbeiter entweder sofort oder zumindest beim nächsten Klick die erforderliche Hilfe erhält. Der Arbeiter kann explizit mit dem System interagieren, indem er sich Artikeln nähert. Beispielsweise erhält er die Information, zu welchem Auftrag eine Paket gehört und ob noch eine zugehörige Aufgabe zu erledigen ist, sobald er sich dem Paket in der Eingangszone nähert. Er erhält aber auch Hilfe, wenn er etwa implizit an einem zu kommissionierenden Artikel vorbeigelaufen ist und sich einem anderen zugehörigen Artikel nähert. Das System informiert ihn, zu welcher Bestellung und in welche Kiste der Artikel gehört und kann ihn anschließend zu dem übersehenen Artikel zurückführen und ihm helfen, ihn zu finden und zu identifizieren. Das MICA-System ist somit in der Lage, Situationen zu identifizieren, in denen Hilfe benötigt wird, und auf implizite Hinweise in der Interaktion wie etwa Stocken und Suchverhalten zu reagieren. Andererseits kann der Arbeiter auch explizit mit dem System interagieren, indem er sich Artikeln in den Regalen nähert. Insbesondere die Kombination impliziter und expliziter Interaktion über verschiedene Modalitäten führt zu einer natürlichen, gemischten Interaktion.
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Das MICA-System kann sich durch eine intelligente kooperative Assistenz im Lager sowohl dynamischen Veränderungen in der Umgebung (wie etwa ungeeigneten Lichtverhältnissen oder Lärm) als auch dem Erfahrungshintergrund der Arbeiter anpassen. So sind beispielsweise für einen ungelernten Arbeiter bestimmte Funktionen noch gesperrt, während der erfahrene Lagerist uneingeschränkten Zugriff auf alle Funktionen hat. Mit wachsender Erfahrung schaltet das System dann schrittweise weitere Funktionen hinzu. Im Lager kommt es auch häufig vor, dass ein umfangreicher Auftrag von mehreren Arbeitern parallel fertiggestellt werden muss, um sowohl die oft knappen Zeitvorgaben einhalten zu können als auch die Arbeit effizient zu gestalten. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, die Teilaufgaben der einzelnen Arbeiter zu kontrollieren und aufeinander abzustimmen. Dazu bedarf es über eine dynamische Modellierung des Nutzerkontextes hinaus auch einer Abstimmung der Aufgaben und Fähigkeiten der einzelnen Arbeiter und der Modellierung der Gruppenaufgabe. Eine optimale adaptive und multimodale Unterstützung von Menschen in ihrem Arbeitsumfeld benötigt auch eine für diesen Zweck optimierte Systemarchitektur. Dabei ist es erforderlich, die relevanten situativen Parameter zu erfassen und die Informationsvermittlung an die momentane Situation anzupassen. Dafür ist in MICA eine neue Schichtenarchitektur mit spezialisierten Schichten für Sensorik, Aktorik, Modellierung und Dialogverwaltung entwickelt worden.
3 Kooperationsaktive Dokumente: ContextDesk Ein weiteres Beispiel für die Nutzung der RFID-Technologie zur Verknüpfung von Arbeitsobjekten mit Informationen aus dem Internet ist das ContextDesk-System. ContextDesk unterstützt den Benutzer bei der Verknüpfung von realen Dokumenten und Objekten mit zugehörigen Informationen aus dem Internet. Ausgangspunkt für die Entwicklung ist die Beobachtung, dass Benutzer häufig zu Dokumenten oder anderen Objekten, die sie auf ihrem Schreibtisch bearbeiten, relevante Zusatzinformation aus dem Internet oder einem Enterprise Content Management System suchen. ContextDesk unterstützt diese Handlung proaktiv durch die automatische Suche und die Bereitstellung von Informationen basierend auf Dokumentinformationen, die mittels RFID-Tags mit dem realen Dokument verknüpft sind. Das ContextDesk-System besteht aus einem Schreibtisch, der mit verschiedenen RFID-Lesegeräten ausgestattet ist. Die Lesegeräte befinden sich an Orten, an denen der Benutzer gewöhnlich Dokumente oder Ordner
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zur aktuellen oder späteren Bearbeitung ablegt. An diesen Objekten befinden sind RFID-Tags, die über eine Datenbank mit beliebigen Informationen aus dem Internet oder anderen Anwendungen verknüpft sind. Legt ein Benutzer ein Dokument auf dem Schreibtischort ab, der gewöhnlich für die direkte Bearbeitung eines Dokuments genutzt wird, dann erscheint auf dem Bildschirm ein kleines Symbol, das darauf hinweist, dass Zusatzinformationen zu diesem Dokument zur Verfügung stehen. Dabei haben sich folgende beispielhafte Verknüpfungen als sinnvoll und hilfreich erwiesen: • Programmierhandbücher mit einer Newsgroup oder Onlinetutorien • Projektordner mit einem virtuellen Arbeitsbereich (BSCW) • Formulare mit einem Zugang zum Workflowsystem (SIGMA) Besonders hilfreich ist die Verknüpfung von Projektordnern mit dem zugehörigen virtuellen Arbeitsbereich in einem Enterprise Content Management System, wie z. B. dem von FIT entwickelten BSCW System. So wurde beispielsweise eine Funktion realisiert, die Benutzer darauf hinweist, dass seit ihrem letzten Zugriff auf die Projektdokumente andere Projektpartner Änderungen an Dokumenten vorgenommen haben. Damit wird vermieden, dass der Benutzer Dokumente in seinem Ordner liest order bearbeitet, die nicht mehr aktuell sind. Die für die Nutzung des Systems erforderliche Verknüpfung und Registrierung von Dokumenten und Ordnern mit einem RFID-Tag ist nur für langlebige Objekte sinnvoll. Erste Nutzungserfahrungen zeigen aber, dass sich der zur Einrichtung erforderliche Aufwand schnell in der täglichen Nutzung amortisiert.
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Internet – eine Infrastruktur in der Pubertät
Dr. Gudrun Quandel Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS
Das Internet – kann man vom Siegeszug einer Technologie sprechen? Auf den ersten Blick sicherlich: Das Internet durchdringt alle Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Lebens – überall auf der Welt. Vergleichbar mit dem „Bedürfnis“ der Menschen nach elektrischer Energie (Strom), werden der Zugang zum Internet und die Verfügbarkeit von InternetDiensten quasi zum Menschenrecht. Schon sehr früh hat das FraunhoferInstitut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS hier von der IPfizierung (IP-fication) in Analogie zur Elektrifizierung gesprochen. Doch schauen wir einmal hinter die schillernde Fassade der Online-Magazine, Partnerbörsen, Auktionsdienste, Lehr-, Lern- und Beratungsangebote, Community-Dienste und Meinungsportale, hinter Webblogs, Podcasts und Musikbörsen, so entdecken wir eine riesige Baustelle. An allen Ecken und Enden wird gearbeitet, werden Löcher gestopft, Verbindungen hergestellt, Umleitungen gesucht, an tausenden von Stellen Informationen eingespeist, Eindringlinge abgewehrt – mit dem Ziel, die ständige Verfügbarkeit des Internets zu gewährleisten. Das Internet befindet sich zu Anfang des 21. Jahrhunderts in der Situation eines „Jugendlichen“, der aufgrund der Vielzahl ungeordneter, aber sehr empfindlicher Synapsen alles kann, oft über das Ziel hinausschießt und für das Erwachsen-Werden – was nichts anderes bedeutet als zu planen, systematisch Entscheidungen zu treffen, sichere Urteile zu fällen, offen für Anderes zu sein – noch deutliche Unterstützung braucht. Das Fraunhofer-Institut FOKUS versteht sich als einer der Architekten dieses „erwachsenen“ Internets, entwickelt Lösungen für eine Infrastruktur, die weitgehend „selbstständig“ handelt, integriert, flexibel immer wieder neue Möglichkeiten zulässt – vor allem aber mit Sicherheit „always on“ und dabei effizient ist.
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1 IP-fizierung – mehr als ein Internet-Kühlschrank Für ein Forschungsinstitut ist der Name Programm – offene Kommunikationssysteme sind ein Paradigma des zukünftigen Internets. Die technologische Basis muss flexibel, universell sein – und gleichzeitig in den Hintergrund treten. Nach der ersten Spielphase Anfang/Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, in der nahezu alles – Kaffeemaschine, Klimaanlage, Lichtschalter, Türschilder, Telefon, Fahrzeuge usw. – Internet-fähig, also auf Basis des Internet-Protokolls (IP) steuerbar wurde, widmet sich das Institut heute den zentralen Fragen – ausgehend vom Internet-Protokoll als einheitliches Protokoll, als einheitliche Infrastruktur für eine globale Gesellschaft: • Wie kann die Komplexität der Internet-Netze kontrolliert, gesichert, ja überhaupt organisiert werden? • Wie können klassische Technologie- und Business-Welten in eine Internet-Welt eingebunden werden? • Welche Standards und Schnittstellen müssen entwickelt werden, um eine technologie-, organisations- und produktübergeifende Infrastruktur aufzubauen? • Wie können auch zukünftige Anforderungen an die Infrastruktur – von Seiten der Nutzer, Dienstanbieter, Produkt- und Technologie-Hersteller berücksichtigt werden? Schlagwörter wie Autonomic Communication, Konvergenz, Interoperabilität und Interworking sowie Standardisierung skizzieren dabei grob das Ziel – eine flexible, sich selbst organisierende und kontrollierende, integrierende, offene und flexible Kommunikationsinfrastruktur. 1.1 Neue Player – neues Internet Die Telekommunikationsbranche, inklusive Provider, Ausrüster, Systemintegratoren, ist auch weiterhin ein dynamischer Player bei der Weiterentwicklung des Internets. Neue Businessmodelle werden vor allem im Bereich der Mobil- und Festnetzkommunikation zu branchenübergreifenden Strategien führen. Neue Anwendungsbranchen, gekennzeichnet sowohl durch starke organisationsübergreifende Vernetzungstendenzen als auch durch eine hochgradige Flexibilisierung von Angebots- und Managementstrukturen, werden wachsende Zielmärkte generieren, die nahezu das gesamte Branchenspektrum umfassen. Die klassischen Großbranchen Automobil, Luft- und Raumfahrt, aber auch für Informations- und Kommunikationstechnologien weitgehend neue Branchen wie Unterhaltungs-
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elektronik, Medizintechnik, eGovernment, Gebäudetechnik, Produktion erhalten zunehmend Relevanz. Entsprechend attraktiv werden die jeweiligen Zuliefer- und Logistiksegmente. Content-Lieferanten, sowohl aus klassischen Strukturen wie auch neu entstehende, werden zunehmend für Infrastruktur- und Dienstentwicklung und Management-Angebote interessant. Diese dynamische Situation erfordert einmal mehr eine entsprechende Anpassung bzw. Weiterentwicklung der Kommunikations- und Informations-Infrastruktur des Internets – vor allem auf der Netz- und Dienstebene. 1.2 Voice over IP – ein Beispiel für die IP-fizierung Immer mehr Dienstleister setzen auf IP-Technologie – aktuell wird weltweit die klassische Festnetz-Telefonie umgerüstet auf Internet-basierte Telefonie und gleichzeitig erweitert. Sprache wird nun über Internet-Netze geschickt und lässt sich – einmal digitalisiert – mit Daten unterschiedlicher Formate wie Text, Video und Audio kombinieren. Bereits Anfang der 90er Jahre haben Mitarbeiter des FraunhoferInstituts FOKUS an der Möglichkeit gearbeitet, im Internet eine Verbindung zwischen zwei Einheiten (Sessions) herzustellen und damit die Entwicklung des Signalisierungs-Protokolls SIP (Session Initiation Protocol) entscheidend beeinflusst. SIP ist heute die Grundlage für das sogenannte Voice-over-IP. Auch hier gilt: keine Entwicklung ohne „Kinderkrankheiten“. Vor allem Angriffe, die die Internet-Zugänge lähmen oder die aufgebauten Sessions unterbrechen (Denial of Service), machen Anbietern und Nutzern zu schaffen. Ein sogenannter „VoIP-Defender“ aus dem FOKUSLabor hilft, Angriffe zu erkennen und zu verhindern – und vorzubeugen, denn das System „lernt“, das Neue aus der Erfahrung mit dem Alten zu erkennen, damit Angreifer mit immer neuen Methoden keine Chance haben. Damit ist das Internet auf dem Weg zu eigenen Entscheidungen. 1.3 IP-TV – die nächste Generation der Medien Das Internet als Fernsehkanal? Das allein kann nur der Anfang sein. Breitbandige Internet-Netze ermöglichen vielfache Zusatzdienste wie interaktives Fernsehen, Video on Demand, personalisiertes Fernsehen und personalisierte virtuelle Videorekorder, fernsehbasierte Gruppendienste, Einbindung der Unterhaltungselektronik, parallele und integrierte Nutzung von Sprache, Video, Audio und Text – und das über jedes Netz, Festnetz oder mobil.
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Abb. 1. IP-TV – die nächste Generation der Medien
Neue Anforderungen entstehen mit den neuen Möglichkeiten, angefangen bei der Konvergenz der verschiedenen Netze und Endgeräte, der Datensicherheit, der stabilen Verbindungen bis hin zu Skalierbarkeit, Authentifizierung der Nutzer und Abrechnung. Erneut steht das Internet vor einer Herausforderung. Web 2.0-Konzepte sind ein erster Schritt, Technologie- und Branchengrenzen zu überwinden und Internet-Welt, Medien-Industrie und Telekommunikation zusammenzubringen. 1.4 Vehicular Networking – das Internet auf Rädern In naher Zukunft werden die meisten den Menschen umgebenden Geräte vernetzt sein. Auf dieser Basis können vielfältige, auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Dienste über Technologien und Lebensbereiche hinweg angeboten werden – im Büro-, Automobil-, Heim- und im persönlichen Bereich. Die so entstehenden Intelligenten Umgebungen (Smart Environments) haben trotz ihrer Unterschiede einiges gemeinsam – sie sind leicht erweiterbar, die beteiligten Geräte kommunizieren miteinander, agieren mit dem Benutzer und stellen sich auf persönliche Präferenzen ein. Internet-basierte Kommunikationsmechanismen finden zunehmend gemeinsame Anwendung in verkehrsorientierten Infrastrukturen, Hotspots und Fahrzeugen.
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Abb. 2. Vehicular Networking – Anwendung in verkehrsorientierten Infrastrukturen
Der Datenaustausch zwischen Fahrzeugen (z. B. zur Warnung vor Gefahrenstellen) oder zwischen Fahrzeug und Umgebung (z. B. für Abruf und Weitergabe von Service-Informationen) erfolgt über sogenannte Adhoc-Netze, die sich spontan zwischen den Autos bzw. zwischen Autos und Umgebungspunkten aufbauen und selbst organisieren. Neben den technischen Herausforderungen wie Funksystemen und Netzwerkprotokollen sind auch Regulierung und Standardisierung sowie die Entwicklung von Markt- und Sicherheitsstrategien wichtige neue Themen. 1.5 Communities – Soziale Netzwerke im Internet Populäre Anwendungen machen es vor – mit Second Life und Xing/ OpenBC bilden sich im Internet virtuelle Gruppen aus Mitgliedern gleicher Interessen. Unter sozialen Aspekten noch wenig erforscht, befriedigt ein sich veränderndes, „reifer“ werdendes Internet offensichtlich weltweit vorhandene Bedürfnisse nach Austausch und Selbstdarstellung bzw. Selbstgestaltung. Online-Community-Portale verbunden mit MultimediaPlattformen und Webblogs ermöglichen die komfortable „Teilhabe“ an „virtuellen“ Gruppenprozessen.
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Abb. 3. Communities – soziale Netzwerke im Internet
2 Internet – „Selbst“ ist das Netz Die rasanten Entwicklungen bei Internet-Nutzung, Nutzergruppen und Anwendungen führen zu enormen Herausforderungen in Technologie und Forschung. Netzbetreiber kämpfen noch immer mit einer Vielzahl von Problemen – uneingeschränkt an erster Stelle steht nach wie vor die Netzwerksicherheit. Das schnellste, effizienteste und best-ausgerüstete Netz ist wertlos, wenn Angreifer die Kontrolle erlangen können. Nicht ohne Grund haben sich Angriffe auf Infrastruktur und die Nutzung von Sicherheitslücken längst als Werkzeuge in Kriegsführung, Industriespionage und organisierter Kriminalität etabliert. Ein weiterer personal- und kostenintensiver Faktor ist die Komplexität der Netze. Massen von Administratoren und Netzwerkplanern kämpfen mit hochdynamischen Verkehrsprofilen heterogener Nutzergruppen, um das unüberschaubare Zusammenspiel zahlloser Protokolle zu organisieren. Nicht umsonst fordert dieser Konfigurationsaufwand einen enormen Anteil des Budgets von Netzwerkbetreibern. Trotzdem bewegen sich bei der Be-
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reitstellung von Ende-zu-Ende-Diensten die Forschungsinhalte immer mehr raus aus den Netzen. Es wird an Endsystemen und Anwendungen rumgewerkelt, noch mehr neue Protokolle und Plug-ins werden angeheftet, anstatt die Probleme bei der Wurzel, im Netz, zu packen. Für nachhaltige Lösungen muss dieses Muster durchbrochen und ein radikal anderer Ansatz verfolgt werden – mit dem Ziel, Präventionsstrategien und Problemlösungskonzepte direkt in die Netze und die Netzwerkkomponenten zu integrieren. Durch die Initiative von FOKUS konnte sich diese junge Vision unter dem Namen Autonomic Communication (AC) innerhalb der Europäischen Forschung etablieren. Internationale Partner aus Forschung und Industrie treffen sich im Autonomic Communication Forum (ACF). 2006 starteten die ersten europäischen Forschungsprojekte in dem Bereich. Zentrales Element ist die ziel- bzw. regelbasierte Selbst-Organisation der Systeme – inklusive Selbst-Schutz und Selbst-Reparatur usw. Dieser Ansatz des „zielbasierten“ Handelns von komplexen verteilten Systemen ohne bzw. mit nur geringem menschlichen Einfluss wird auf mehreren Ebenen bearbeitet: • autonome Netzwerk-Technologien • autonome Dienste und Anwendungen • autonome System-Entwicklung Obwohl noch überwiegend ein Forschungsthema, wird Autonomic Communication zunehmend für die Wirtschaft interessant, um zukünftig komplexe verteilte Systeme auf allen Ebenen der Informations- und Kommunikationstechnik effizient und effektiv managen zu können. Ein Beispiel ist das „Autonomic Networking“ – ein Kernelement ist hier die Selbstorganisation von Netzwerkknoten. Anhand von Informationen über Netzwerkverkehr, Topologie, Fähigkeiten und Verhalten von Nachbarknoten entscheiden die Netzwerkknoten kooperativ über Rollenverteilung und Konfiguration. Ein Forschungsschwerpunkt ist die effiziente Selektion und Verarbeitung von Netzwerkinformationen als Basis für eine schnelle und taugliche Entscheidungsfindung. Basierend auf Informationen, die in Zukunft auf Standard-Routern verfügbar sein werden, und einem effizienten Informationsaustausch zwischen Netzelementen, wird auf den Netzwerkknoten ein „Bewusstsein“ für die momentane Situation geschaffen (situation awareness). Durch eine dynamische Informationssammlungs- und verarbeitungsumgebung können dabei verschiedene Blickwinkel auf die Netzwerksituation erzeugt werden und je nach Entscheidungsbedarf auf bestimmte Ereignisse – z. B. verdächtige Datenströme – fokussiert werden. Mit diesen Werkzeugen kann beispielsweise ein Netzwerkknoten seine Nachbarknoten bitten, eine bestimmte Messung
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durchzuführen, z. B. um einen Angriffsverdacht zu bestätigen, eine Situationsbewertung abzugeben, um zur Entscheidungsfindung beizutragen oder eine Aktion durchzuführen, z. B. einen Filter zu installieren oder weitere Nachbarknoten zu fragen. Beim Autonomic Networking werden klassische Netzwerkstrukturen wie das Schichtenmodell aufgebrochen. Informationen werden schichtübergreifend gesammelt und genutzt (Cross-Layer-Ansätze). Mit dem Aufbau von Overlay-Netzen kann auch heute schon in traditionellen Netzen der Nutzen kooperativer Konfigurationsentscheidungen demonstriert werden.
3 (Dienst-)Welten verbinden – Internet und Telekommunikation Die erfolgreiche Verbreitung und das anhaltende Wachstum des Internets lösten einen Trend zur Konvergenz zwischen der klassischen Telekommunikationswelt und der Internet-Welt aus. Beide Welten bieten Kommunikationslösungen, basieren jedoch auf unterschiedlichen technologischen Ansätzen, gar auf unterschiedlichen Ideologien. Die Konvergenz versucht nun, beide Systemwelten zu vereinen bzw. zunächst ein Zusammenwirken in Bezug auf Kompatibilität und Interoperabilität zu ermöglichen. Schwerpunkt der Konvergenzbemühungen ist neben Verschmelzung und Integration verschiedener Netztechnologien das Zusammenführen der unterschiedlichen Dienstinfrastrukturen beider Welten – mit dem Ziel einer nahtlosen Kommunikationsinfrastruktur, die verschiedenartige Kommunikationslösungen gleichermaßen unterstützt und die spezifischen Eigenheiten der Netztechnologien verbirgt. Diese einheitliche, auf Internet-Technologie basierende Kommunikationsinfrastruktur ermöglicht vor allem die Entwicklung netzübergreifender mobiler Dienste und Anwendungen. Dies führt in der Telekommunikationsbranche zu grundlegenden Veränderungen, da die bislang verwendete Technologie der leitungsvermittelten Signalübertragung den neuen technischen Anforderungen sowie dem sich entwickelnden Wettbewerb zwischen Internet-, Kabel- und Telekommunikationsanbietern auf dem Markt nicht mehr gewachsen ist. Das Internet bzw. IP-basierte Kommunikationssysteme werden die bestehenden Technologien aufgrund der höheren Flexibilität und der geringeren Kosten in den nächsten fünf bis zehn Jahren nahezu vollständig ersetzen. Ziel aller Arbeiten ist die Entwicklung einer einheitlichen Dienstinfrastruktur, die Integration der verschiedenen Zugangstechnologien sowie die
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Entwicklung von innovativen Erweiterungen. Dabei wird auf verschiedenen Ebenen geforscht und entwickelt – von der Verbindung der tatsächlichen Übermittlungsverfahren für drahtlose- und drahtgebundene Signalübermittlung bis zu einheitlichen Dienstplattformen und -infrastrukturen, die es ermöglichen, neue und bestehende Dienste für das Internet und die Telekommunikationsnetze effizient zu umzusetzen. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten liegt auf der Interoperabilität von verschiedenen Zugangsnetzen und Diensten, um eine „offenes Kommunikationssystem“, bestehend aus verschiedenen Technologien, zu schaffen. Entsprechend der Vision der nutzerorientierten I-centric Communications wird eine Dienstumgebung entwickelt, die es ermöglicht, innovative Dienste schnell und effizient umzusetzen und dabei vor allem die individuellen Anforderungen der späteren Nutzer zu berücksichtigen. Die Dienste besitzen die Fähigkeit, persönliche Benutzerkontexte zu erfassen und zu verwalten, diese den jeweiligen physikalischen Umgebungen anzupassen und Dienste entsprechend den Kontexten und Benutzerpräferenzen auszuführen. Basierend auf Profilen, die Informationen über Benutzerpräferenzen, Dienstmerkmale und den Status der physischen Benutzerumgebung enthalten, können einem Benutzer individuell auf ihn dynamisch abgestimmte Dienste angeboten werden. Kern der integrierten mobilen Kommunikationswelt von morgen ist eine nahtlose Kommunikationsinfrastruktur: Bestehende Kommunikationssysteme wie DECT, GSM/GPRS, UMTS und HSDPA/HSUPA, DVB-S/T/H, Bluetooth und W-LAN Hot Spots und Satellitennetze wie auch zukünftige Systeme der 4. Generation (4G) werden zu einer nahtlosen Infrastruktur miteinander verbunden. Eine zentrale Rolle spielen dabei MultimediaMehrwert-Dienstplattformen, die die Basis für die Bereitstellung von innovativen mobilen Anwendungen auf konvergierenden Netzen bilden. Mit dem Einsatz solcher Multimedia-Plattformen, allen voran dem IMS – IP Multimedia System – erreicht das heute genutzte und teilweise unzulängliche Internet eine neue Qualitätsstufe. Gleichsam als Schicht über das Internet gelegt, ergänzt IMS das Internet um wesentliche Funktionalitäten, z. B. Sicherheit, Qualität der Dienste, Abrechenbarkeit, Authentifizierbarkeit, Nutzerverwaltung, Multi-Channel- und Multi-Session-Funktionalität usw. Über entsprechende Schnittstellen verbindet sich die Telekommunikationsinfrastruktur von Festnetz- und Mobilfunkanbietern mit dem Internet, um einen nahtlosen Übergang der Dienste zwischen diesen beiden Welten zu ermöglichen.
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4 Service-115 – ein Dienst für alle Über einen Mehrkanalzugang in die prozessorientierte öffentliche Verwaltung – das ist die technisch-funktionale Vision, die hinter dem Schlagwort „Service-115“ steht. Unabhängig, welcher Zugang genutzt wird – ob Telefon, Web, Handy, Smartphone oder PC, egal ob aus der analogen „alten“ oder der digitalen Welt, egal ob aus dem Festnetz oder mobil – der „Schlüssel“ zu allen Verwaltungsdienstleistungen ist die „115“. Ob Information, Mitteilung oder Anforderung eines Dokumentes – im ersten Schritt prüft ein technisches System die Berechtigung und Art des Anrufs, stellt mögliche Dienste zur Auswahl zur Verfügung und hält den Kontakt zum Bürger/Kunden. In dieser Phase spielt sich alles in der Internet-basierten Kommunikationswelt ab. In einem zweiten Schritt erfolgt der Übergang aus dieser „Kommunikationswelt“ in die Anwendungswelt, in die Welt der Verwaltung. Dazu wird die Anfrage weitergeleitet an den Service-115, der aus verschiedenen Datenbanken Stammdaten des Bürgers/Kunden und Fakten aus der Verwaltung wie Öffnungszeiten, Termine, Unterlagen zu der Anfrage hinzufügt. Dieses Szenario „Service-115“ ist die prototypische Umsetzung der technischen Infrastruktur für einen bundesweiten Service, der es Bürgern und Unternehmen ermöglicht, über einen einheitlichen Zugang Informationen zu Verwaltungsdienstleistungen abzurufen, Mitteilungen zu machen oder Transaktionen durchzuführen. Die IMS-Technologie stellt für den Service-115 eine Reihe von Funktionen bereit – sichere Kommunikationsverbindungen, Benutzerauthentifizierung und -autorisierung, die Abrechenbarkeit von Serviceleistungen, Parallelität von Kommunikationskanälen sowie Kontrolle und Management der verschiedenen Zugangskanäle. Um diese Funktionen aus beliebigen Anwendungen wie Verwaltungsdiensten heraus einsetzen zu können, bietet das IMS Schnittstellen, die einfache Möglichkeiten zum Versand von Nachrichten per E-Mail, SMS oder MMS bieten.
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Abb. 4. Service-115 – ein Dienst für alle
Es können Sprachanwendungen integriert werden, die Verfügbarkeit von Kommunikationspartnern lässt sich ermitteln und selbst Konferenzen lassen sich einfach initiieren. Das Internet wird zur Infrastruktur modernen Verwaltungshandelns.
5 (e)Migration und Interoperabilität – aus Alt mach Neu Die in der Vergangenheit enorm gestiegene und weiterhin steigende weltweite Vernetzung über das Internet-Protokoll IP hat parallel die Entwicklung anwendungsorientierter Protokolle wie HTTP oder SOAP (Serviceorientiertes Architektur-Protokoll) und Austauschformate wie XML gefördert. Die dadurch entstandene Vernetzung auf Anwendungsebene führte zum Boom des (E-)Business, des (E-)Government und der (E-)Unterhaltung via Internet. Das "E-" in seinem Namen ist jedoch nur dann verdient, wenn die zum Teil über Jahrzehnte gewachsenen, proprietären Infrastrukturen und Anwendungen in einem Migrationsprozess hin zur vernetzten, organisationsübergreifenden Kooperation zwischen Unternehmen und Verwaltung ihren angemessenen Platz finden. Das führt zu einem der Kernthemen des Internets – der Interoperabilität. Die Möglichkeit von Informations- und Kommunikationssystemen, Daten, Informationen und Wissen unabhängig von Technologie und Hersteller miteinander auszutauschen ist das Paradigma zukünftiger Infrastrukturen. IP als grundlegendes Prinzip in Kombination mit offenen (Austausch-)Standards und Technologien wie Web Services sichert dabei die Einbindung „alter“ wie auch zukünftiger Technologien und Systeme.
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6 Internet – Übergänge sicher stellen Das Internet als (weltweit) verteiltes System, bestehend aus heterogenen (Netz-)Technologien und Komponenten, Anwendungen und Endgeräten, entzieht sich einer zentralen Kontrolle. Nichtsdestotrotz muss kontinuierlich das sichere Zusammenwirken der Bestandteile der weltumspannenden Infrastruktur überprüft werden. So überprüft z. B. das sogenannte „Interworking Testing“ den zuverlässigen Übergang zwischen herkömmlicher und IP-basierter Telefonnetz-Technologie. Die erforderlichen Testprogramme werden schrittweise abgeleitet aus den standardisierten Festlegungen zur Signalisierung von Anrufen – Annahme, Besetztzeichen, Beendigung usw. – und den weiteren zusätzlichen Diensten wie Unterdrückung von Rufnummern, Konferenzschaltungen usw. In beiden Netzen gibt es dafür unterschiedliche Protokolle: ISDN user part (ISUP) in klassischen Telekommunikationsnetzen und Session Initiation Protocol (SIP) in IPNetzen. Darüber hinaus müssen technische Berichte und Empfehlungen von ITU-T, ETSI und IETF beachtet werden, die für die einwandfreie Übersetzung der Signale zwischen ISUP und SIP, also für den gleichzeitigen Betrieb beider Netze verbindlich sind. In einem ersten Schritt entsteht ein exakter Katalog der Tests, der eine Beschreibung von Zweck, Aufbau und Umfang jedes einzelnen Tests enthält. Auf dieser Grundlage erfolgt die weitere detaillierte Programmierung. Auf der technischen Seite kommt an dieser Stelle die sogenannte Testing and Test Control Notation (TTCN-3) zum Einsatz, eine moderne Testbeschreibungs- und Testausführungssprache, die sich insbesondere in der Telekommunikation bewährt hat, aber auch in anderen industriellen Bereichen wie z. B. Automotive, Railway und Finanzsystemen Verwendung findet. Zur Erstellung von TTCN-3-Testprogrammen werden innovative Entwicklungswerkzeuge eingesetzt. Vor der Durchführung der Interworking-Tests werden die TTCN-3-Programme zunächst nach Java oder C und anschließend in ausführbare Software übersetzt. Auf der Grundlage der bislang erarbeiteten SIP-ISUP-InterworkingTestdefinitionen werden weitere TTCN-3-Interworking- und -Konformitätstests für die Überprüfung der Next Generation Networks hergestellt.
7 Standardisierung und Innovation – untrennbar miteinander verbunden Standards bilden die Grundlage für das Zusammenspiel von Komponenten verschiedener Hersteller. Ob Schraubengewinde, Papiergröße oder Morse-
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code, Standards steigern die Nutzbarkeit von Technologien und ermöglichen den Bau komplexer Systeme aus Teilkomponenten. Das Fehlen einheitlicher Standards – z. B. metrisches vs. englisches System – hat schon millionenschwere Mars-Orbiter aus der Zielgeraden geworfen, und die Bereitstellung mehrerer Varianten für nicht-genormte Komponenten verursacht immense Kosten in Planung und Produktion und behindert die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Nationen. Auch im Internet gilt: Ohne Standards geht es nicht. Kommunikation zwischen Netzwerkknoten funktioniert nur, wenn sie dieselbe „Sprache“ sprechen. Die Regeln dieser Sprache, Protokollabläufe und Nachrichtenformate, werden schon seit den Anfängen des Internets in der Internet Engineering Task Force (IETF) standardisiert. Auch das Internet Protokoll (IP) selbst ist ein IETF-Standard. Die IETF ist ein offener internationaler Verbund aus Herstellern, Netzwerkbetreibern, Anwendern und Forschern, die in derzeit über 120 verschiedenen Arbeitsgruppen die verschiedenen Aspekte der Internetkommunikation diskutieren, z. B. Sicherheit, RoutingStrategien, Netzwerk-Operation und -Management usw. Dokumente der IETF – nicht alle sind Standards – werden in einem mehrstufigen ReviewProzess geprüft und dann als sogenannte Requests for Comments (RFCs) veröffentlicht. Themen, die noch nicht ausreichend erforscht sind, um in der IETF standardisiert werden zu können, werden in der Internet Research Task Force (IRTF) bearbeitet. Während viele Gruppen Standardisierungsaktivitäten nur passiv beobachten – um z. B. frühzeitig eigene Produkte anzupassen –, nimmt FOKUS aktiv an der Standardisierungsarbeit teil, schreibt Dokumentvorschläge (Internet Drafts) und hat sowohl in der IETF als auch in der IRTF bereits Dokumente als RFCs veröffentlicht. Neben der Standardisierung von eigenen Ideen dient die Arbeit in internationalen Standardisierungsgremien als Diskussionsforum für den Informationsaustausch zwischen Forschern und zukünftigen Nutzern von Forschungsergebnissen wie z. B. Herstellern und Netzbetreibern. Forschungsinhalte können so gezielter auf die realen Anforderungen und Probleme von Herstellern und Netzbetreibern ausgerichtet werden.
8 Das Internet wird erwachsen Gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass das Internet anfing, langsam als Informations- und Kommunikationsmedium bekannt zu werden. 1995 nutzten rund 250.000 weltweit das Internet. Heute ist das Internet längst zu einem Synonym für weltweiten Informationsaustausch, für Transaktionen
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und globales Business geworden. Auf welch dünner Eisdecke alles stattfindet zeigt der Ausfall des Internets in Asien nach einem Tsunami Anfang 2007. Doch der Ausbau geht weiter, parallel dazu wird an einem „neuen“, reiferen Internet gearbeitet. Ein neues Protokoll, das sogenannte IP-Protokoll Version 6 (IPv6), soll dabei helfen, gewachsene Anforderungen der Festnetz-, Mobil- und IP-basierten Kommunikation im Hinblick auf Adressenraum, Sicherheit und Mobilität im Internet zu erfüllen. „Radikalere“ Visionen sehen das Internet als selbstständig handelndes System. Stabilität, Qualität und Flexibilität werden in den nächsten Jahren die Schlagworte sein – damit wird das Internet „erwachsen“. Und was macht die Forschung? Sie denkt nach über die Zeit „past Internet“.
Telematik und RFID – Elektronische Beobachter gestalten die gesicherte Warenkette
Prof. Dr. habil. Michael Schenk, Dr. Klaus Richter Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
1 Funktechnologien erobern das logistische Objekt In der Logistik sind mobile Geräte nicht mehr wegzudenken. Sie haben sich als äußerst robust und damit industrietauglich erwiesen. In vielfältigen Bauvarianten ermöglichen sie heute eine transparente Sicht auf logistische Abläufe – die erst möglich wird, weil Daten vor Ort erfasst und zeitnah verarbeitet werden können. Folglich wird nicht mehr der Nutzen der Geräte infrage gestellt, sondern nach spezifischen Leistungsparametern gesucht. So stehen vor allem längere Laufzeiten der Akkus, ausfallsicherere Geräte, Variabilität in den Zusatzmodulen und eine Kompatibilität zu den bestehenden IT-Systemen im Zentrum der Analysen. Technische Verbesserungspotenziale werden weiterhin bei der in das Handy integrierten Minikamera mit erhöhter Auflösung und Farbe, aber auch beim leuchtkraftverstärkten Display, schnelleren Prozessoren, mehr Arbeitsspeicher, hoher Flexibilität in der Wahl der Kommunikationsschnittstelle, der Ortungstechnologie (GPS, WLAN) sowie der Radiofrequenz-Identifikation (RFID) gesehen. Die Sicherheit in Funknetzwerken spielt eine wesentliche Rolle – Industriestandards legen die Ansprüche bereits sehr hoch. [10] Der Markt des Mobile Computing ist einer der am stärksten wachsenden Bereiche im industriellen Marktsegment. Immer mehr Kunden erkennen den Nutzen einer mobilen automatischen Datenerfassung – insbesondere die Fehlervermeidung und die Zeiteinsparung stehen im Vordergrund.
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Die Leistungsfähigkeit eines mobilen Gerätes hängt nicht zuletzt von der Performance des mobilen Netzes ab, wie eine Studie zur Mehrwertlogistik für Kleine und mittlere Unternehmen zeigt (Abb. 1). Gartner Group propagierte auf einer eigenen Veranstaltung „Wireless and Mobile Summit“ im April 2006 in London das „Mobile Business 2.0“ mit der Kernbotschaft „Mobile Computing wird auch in Unternehmen zum Mainstream“. Dieser Trend zur Miniaturisierung von Geräten bei gleichzeitigem Kostenrückgang eröffnet auch für die Logistik einen neuen Markt elektronischer Module, ausgestattet mit Sensorik und Kommunikationsmodulen für die Optimierung betrieblicher und logistischer Prozesse. So werden im Bereich der Kommissionierung im Augenblick mehr und mehr sprachgeführte Systeme eingesetzt, da sich mit dieser Technologie Produktivitätssteigerungen von mehr als 15 Prozent, vor allem aber Qualitätssteigerungen von über 50 Prozent erzielen lassen [1]. Arbeitskräfte mit einem großen Aktionsradius können auf diese Weise sicher Daten erfassen und senden, auf das Internet und die firmeneigenen Datenbanken zugreifen, vordringliche Arbeitsanweisungen empfangen bzw. quittieren sowie darüber hinaus funkgestützte Dialoge führen.
Abb. 1. Entwicklung der Leistungsfähigkeit mobiler Netze [5]
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Im Bereich der KEP-Dienste zeigt sich die Attraktivität mobiler Informationsgeräte in der Nutzung der mobilen Geräte durch die Zustellfahrer. Der Fahrer kann so besser auf die Kundenwünsche reagieren. Soll das eingesetzte Gerät diesem Anspruch genügen, muss es eine möglichst genaue Anleitung zur Prozessdurchführung liefern, ohne ihn zu behindern oder als zusätzliche Belastung empfunden zu werden. Auch bei den Fahrzeugen haben in den letzten Jahren durch die Verfügbarkeit preiswerter Hard- und Software unterschiedlichste Telematikeinheiten für die Ortung, Kommunikation und Dienste-Abrechnung Einzug gehalten. Weiterhin problematisch stellt sich dagegen der Bereich der passiven Transporthilfsmittel dar, die wie z. B. Container über keine eigene Stromversorgung verfügen und nicht regelmäßig zur Wartung zur Verfügung stehen. Immerhin werden gegenwärtig Ortungsmodule für Container angeboten, die ca. zwei Jahre wartungsfrei betrieben werden können. Pervasive Computing bzw. Ubiquitous Computing sind Begriffe im Umfeld von RF(Radiofrequenz)-Technologien, die für eine neue Entwicklung in den Informations- und Kommunikationstechnologien stehen. Pervasive steht für „(alles) durchdringend“, ubiquitous für „allgegenwärtig“. Im Zuge dieser Entwicklung werden zukünftig immer mehr Alltagsgegenstände mit Mikroelektronik ausgestattet sein. Die so entstehenden „intelligenten“ Objekte, auch Smart Objects oder Smart Devices genannt, werden nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens beeinflussen, so natürlich auch die Logistik. Erste Applikationen entstehen, in denen die Smart Devices an einzelnen Gütern Kommunikationsverbindungen zueinander aufbauen und Informationen an eine zentrale Stelle durchreichen. Begriffe wie das Material Internet beschreiben den Paradigmenwechsel von hierarchischen Steuerungsmechanismen zu autonomen, miteinander kommunizierenden Objektstrukturen, die Funktionalitäten zur Identifikation und Lokalisierung integrieren [2].
2 RFID/Telematik in der gesicherten Warenkette Alle Bereiche der KEP-Dienste werden durch die Veränderungen in der Kunden-, Sendungs- und Marktstruktur geprägt. So ist gegenwärtig ein Wachstum des Marktes für die Bereiche Notfalllogistik und SamedayLogistik zu verzeichnen. Damit werden Kurier-, Express- und Paketdienste beschrieben, die bezüglich Schnelligkeit, Sicherheit und Transparenz erhöhte Anforderungen an den Logistiker stellen. Der durch eine verspätete Ankunft entstehende Schaden kann immens sein, da dadurch eine Verzö-
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gerung des Produktionsstarts oder ein Produktionsstillstand verursacht werden kann. Die Branche fordert daher neue Iuk-Lösungen zur Absicherung ihres Geschäftes. Gründe für das Wachstum dieser „Sonderdienstleistungen“ liegen in den allgemeinen Trends der Globalisierung und Produktionsverlagerung, in der immer engeren Taktung von Produktionsketten sowie der Zentralisierung der Lagerhaltung, die verbunden sind mit einer Reduzierung von Vorräten. Die Sameday-Logistik bzw. Notfalllogistik sollen eine Lücke zwischen standardisierten Kern-/Hauptprozessen der Logistik-Dienstleister und den Sonderanforderungen der Kunden füllen. Bei der IT-technischen Betrachtung der Logistikprozesse im multimodalen Verkehr sind Unterschiede bei den mitwirkenden Personen und Gegenständen im begleiteten und unbegleiteten Kombinierten Verkehr zu beachten. Während beim begleiteten Verkehr der Fahrer die gesamte Zeit den Transport des Ladungsträgers mit der Ware begleitet und somit als Kommunikationsschnittstelle fungieren kann, werden beim unbegleiteten Verkehr die Verkehrsmittel und gegebenenfalls die Ladungsträger für eine Ladung mehrfach gewechselt. Insofern nimmt im unbegleiteten Warenverkehr die Verwaltung von Informationen über die Identität, die aktuelle Position sowie den Zustand von Gütern, von Ladehilfsmitteln und von Transportmitteln sowie die echtzeitnahe Verfügbarkeit dieser Daten in Dispositionssystemen eine zentrale Rolle ein (siehe auch [9]). Für die Gestaltung effektiver und effizienter Logistikprozesse ist es erforderlich, dass gesicherte und aktuelle Informationen über Konfiguration, Zustandsveränderungen, die Maßnahmen der Vergangenheit und notwendige Dokumente direkt vor Ort an den Logistikobjekten zeitnah gespeichert und abgerufen werden können. Hinzu kommen Daten zu allgemeinen Anforderungen an internationale Warenströme, die von der Produktidentität über Fragen zur Rückverfolgbarkeit, Verpackungsminimierung und Produktverantwortung bis hin zu Sicherheitsfragen reichen. Für unterschiedliche Nutzergruppen muss gegebenenfalls ein Zugang zu Stammund Bewegungsdaten ermöglicht werden, ohne dass dazu der Zugriff auf ein zentrales Anlageninformationssystem zwingend erforderlich ist. Die technischen Voraussetzungen für eine dezentrale Datenspeicherung und echtzeitnahe Kommunikation sind durch die rasante Entwicklung und Verbreitung von RF-Technologien gegeben. Die örtlichen Bedingungen stellen jedoch gleichzeitig auch hohe Anforderungen an die Belastbarkeit des RF-Gerätes bzw. die Funktionssicherheit der RF-Technologie insgesamt [6]. Gegenwärtig entstehen durch die Kopplung von RFID-Systemen zur Objektidentifizierung mit Telematikmodulen neue Produkte und Lösungen unter dem Themenschwerpunkt „Die gesicherte Warenkette“. Als Folge
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davon werden technische logistische Systeme ganz neue Eigenschaften besitzen. So werden Güter in die Lage versetzt, auf einer möglichst niedrigen Ebene mit dem System zu kommunizieren. Dies wiederum wird zur Folge haben, dass die IT- und Steuerungsarchitektur dezentralisiert werden kann. Im Idealfall entscheidet das logistische Objekt aufgrund seiner Kommunikation mit dem System selbst, welchen Weg es zu nehmen hat. Das Gesamtsystem kann damit schneller auf Veränderungen reagieren, Entscheidungen können nahe an die operative Ebene delegiert werden. Neue rechnerunterstützte Logistikprodukte, die den gesicherten Warenübergang und Warentransport unterstützen, befinden sich bereits in der Entwicklung bzw. in der Markteinführungsphase (Abb. 2). Die unter dem Begriff intelligenter Ladungsträger zusammengefasste Funktionalität von Identifikation, Ortung, Zustandserfassung und Kommunikation für einen Ladungsträger stellt einen Paradigmenwechsel dar – vom Beobachten der Logistikobjekte an festen Messpunkten zu einer kontinuierlichen Beobachtung des Logistikobjektes innerhalb der gegebenenfalls auch multimodalen Logistikkette. Vom Fraunhofer IFF aus wird deshalb der Begriff des mitfahrenden Beobachters im Zusammenhang mit der Nutzung von RF-Technologien neu geprägt (Abb. 3). Garantierte Mehrwertdienste auf Basis von RF-Technologien wie die beabsichtigten Galileo-Mehrwertdienste können hierbei einen Beitrag zur höheren Absicherung dieser Prozesse leisten.
Abb. 2. Neue Logistikprodukte mit integrierter Telematiklösung [8]
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Abb. 3. Gesicherte Warenkette – vom stationären zum mitfahrenden Beobachter [7]
3 Der intelligente Ladungsträger Am Fraunhofer IFF Magdeburg werden seit 2004 kontinuierlich Funktionstests in Form von Prototypen und Machbarkeitsstudien für intelligente Ladungsträger durchgeführt, um kunden- und projektbezogen das jeweilige technische Prinzip des RFID-basierten Monitorings und die Übertragung von Events und Statusinformationen an einen Leitstand nachzuweisen. Dazu steht das RFID- und Telematiklabor LogMotionLab mit den neuesten Technologien auf diesen Gebieten sowie mit einer eigenen Werkstatt für den Prototypenbau zur Verfügung (http://www.logmotionlab.de). Bei den intelligenten Ladungsträgern handelt es sich um wiederverwendbare Behältnisse, die RFID-Antennenstrukturen und eine autarke Stromversorgung besitzen. Mit RFID-Labels ausgestattete Objekte werden automatisch beim Hineingeben bzw. beim Herausnehmen identifiziert und der Behältnisinhalt im Sinne einer permanenten Inventur erfasst. Der Zugriff auf die Ware kann über Zugangssysteme mit Kartenleser kontrolliert werden. Die Position des intelligenten Ladungsträgers sowie alle Zugriffsoperationen werden über ein GSM-Modul an die Zentrale gesendet. Die Elektronik ist normalerweise in einem Zwischenboden untergebracht (Abb. 4).
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Abb. 4. Intelligente Ladungsträger – Machbarkeitsstudien auf Industriemessen (CeMAT 2005, CeBIT 2006)
Die Entwicklung von Prototypen auf Basis des Geometrierasters der Europalette steht im Vordergrund der aktuellen Entwicklungsarbeiten. Im Sinne einer schnellen Verbreitung in der internationalen Logistik erweist sich die Geometrie der Kunststoff-Europalette mit ihrem standardisierten Kufen- bzw. Fuß-System als geeignet. Die Geometrie der Europalette gibt den Bauraum für die Elektronikkomponenten, die Stromversorgung, die Sensorik, die Schnittstellen für die Energieübertragung und Adaption von Zusatzmodulen in idealer Art und Weise vor. Die standardisierte Lage der Füße lässt z. B. einfache Konzepte der induktiven Stromübertragung an definierten Punkten in einem Fahrzeug oder in einem KEP-Hub zu. Ein wesentliches Herausstellungsmerkmal ist das Abscannen des Transportraums auf RFID-Transponder, das eine Inventur der Güter auf der Palette realisiert. Die Antennenstruktur für das Auslesen der RFID-Tags auf der Ware kann über technische Textilien mit integrierten Antennen in Sackform technisch umgesetzt werden, wobei die Antennen über eine lösbare Verbindung an die Elektronik der Palette angeschlossen werden. Da sich die geometrische Form der standardisierten Kufen- bzw. FußSysteme einer Europalette auch in Behältern wieder findet, ist eine Übertragung der Technologie auf andere Transporthilfsmittel problemlos möglich (Abb. 5). Die Lokalisierungs- oder Ortungsverfahren der Palette dienen insbesondere für unbegleitete Verkehre • der hausnummernscharfen Auflösung bei der Abholung/Anlieferung der Ware (Überwachungskonzept, Manipulationssicherheit) sowie • der präzisen Verwaltung sogenannter chaotischer Lagerstrukturen im Outdoor-Bereich, z. B. für Sicherheitszonen (Flugplatz) oder unübersichtliche Geländezonen (Baustelle).
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Abb. 5. Intelligenter Ladungsträger auf Basis einer Europalette
Das Monitoring der Palette erhöht die Manipulationssicherheit und lässt neuartige Überwachungskonzepte zu (Häufigkeit einer Bewegung, Alarmmanagement). Herausstellungsmerkmale der Konzeption und Machbarkeitsstudien betreffen • die Positionierung der GPS-/Galileo-Antenne im Palettenfuß bzw. in der technischen Textilie, • das Energiemanagement mit einem unkomplizierten Laderegime über die induktive Energieübertragung oder mittels Wechselakkus, • das beliebige Abscannen des Transportraums auf der Palette auf RFIDTransponder, • die Integration der Gesamttechnologie in die weit verbreitete Konstruktionsform einer Europalette, die damit auch ein Rollout auf Behälter vereinfacht. Die Ortung der Ware bzw. des passiven Transporthilfsmittels (Container, Palette) bei einer Ortungshäufigkeit unter 1 pro Minute. und Ortungsgenauigkeit unter zehn Meter inklusive Integritätsnachweis sind Zielstellungen für Galileo-relevante Logistiklösungen im Umfeld von OutdoorLagern und Umschlagzonen oder in der Zielführung zum konkreten Über-
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gabepunkt, der ein Ladetor oder ein Übergabepunkt im Freilager sein kann (siehe auch [7]). Der Markt wird im Bereich der Logistik gesehen für intermodale Lösungen mit zeitkritischen und sicheren Transportketten in regionalen Wirtschaftsverkehren sowie internationalen Logistikketten. Bezüglich der Waren sind z. B. folgende Produktgruppen von Interesse: • elektronische Güter (Consumer- und Business-Markt), • pharmazeutische Produkte, • Kleinteile mit hoher Priorität für die Abwicklung/Beendigung eines Geschäftes. Das Konzept des intelligenten Ladungsträgers kann seine Anwendung sowohl im Verkehr als auch in der Produktion finden, wie Abb. 6 darstellt. Liegen die Ansprüche im Verkehrsbereich mehrheitlich in der Absicherung von Transparenz und Liefertreue, kann der Ladungsträger in der Produktion zukünftig auch als Lieferant für die Prozessinformationen an den Maschinen dienen.
Abb. 6. Der intelligente Ladungsträger unter unterschiedlichen Einsatzbedingungen
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4 Standardisierung und Zertifizierung Die RF-Technologien befinden sich an der Schwelle zum Eintritt in einen Massenmarkt. Verschiedene Branchen wie die Bereiche Automotive, Pharma und Luftfahrt, der Handel oder die Unternehmen der KEP-Dienste unternehmen große Anstrengungen, eine stabile, standardisierte Umgebung für die Einführung der RF-Technologie in der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen. Dazu bilden die Nutzer strategische Partnerschaften, um eine enge Bindung zwischen den Entwicklern und Anwendern der Hardund Software zu schaffen. Entwicklungsteams werden beauftragt, industrietaugliche Geräte für den Massenmarkt auf Basis standardisierter Schnittstellen zu entwickeln. Allen genannten Branchen gemeinsam sind Bemühungen, sowohl RF-basierte Anwendungen als auch Technologien und Produkte zu standardisieren, um Unternehmen den Einstieg in die neue Technik zu erleichtern und die Vorteile klar zu kommunizieren. Die Vielzahl unterschiedlicher Logistikprozesse im Lebenszyklus einer Anlage unter Einbeziehung externer Dienstleister erschwert ein einheitliches Vorgehen bei der Integration RF-basierter Technologien. Eine Klassifizierung nach dem Einsatzgebiet, der Art der Ladung und Multimodalität der Transportkette kann eine Grundlage für eine zukünftige Standardisierund Zertifizierbarkeit der RF-basierten Prozesse bilden (Abb. 7).
Abb. 7. Klassifizierung von RF-basierten Szenarien als Standardisierungsund Zertifizierungsgrundlage
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Mit der Einführung neuer Techniken zur automatischen Datenerfassung in Logistikketten wird der Unterschied zwischen den realen und den mithilfe von Simulationsmodellen reproduzierten Prozessen immer geringer. Fast paradox ist dabei die Tatsache, dass nicht die Modelle, sondern die Originalobjekte präziser werden. Viele Ereignisse und Zustände, die schon immer in einem Modell erfasst und interpretiert werden konnten, werden erst jetzt in realen Systemen gemessen und protokolliert. Die Zustandsund Ereignisströme, die von Modellen oder realen Systemen generiert werden, lassen sich kaum voneinander unterscheiden [4]. Das bedeutet, dass die anhand von Modellen geprüften Analyse- und Steuerungsmittel im Idealfall zur direkten Anwendung in realen Systemen geeignet sein müssten. In die Standardisierungsbemühungen greift auch das Ziel der Interessengemeinschaft LICON (http://www.licon-logistics.com) mit der Etablierung von branchenbezogenen Richtlinien für die gesicherte Warenkette. Zu den wesentliche Aufgaben der LICON-Gruppe gehört die Beschreibung der Anforderungen an RF-gestützte Logistikprozesse, die diese erfüllen müssen, um nach dem LICON-Schema zertifiziert zu werden. Aus den Anforderungen heraus werden Prüfpläne entwickelt, mit denen der zu zertifizierende Prozess auf seine Übereinstimmung mit den LICON-Anforderungen hin überprüft wird. Der LICON-Zertifizierungsprozess beschreibt alle erforderlichen Prozessschritte, um – auch internationale – Logistikketten als Netzwerk von Transport-, Lagerungs- und Umschlagsoperationen sicherzustellen • unter maßgeblicher Berücksichtigung von RF-basierten und anderen Technologien (Sensorik) zur Identifikation, Authentifizierung, Zustandsüberwachung, Kommunikation und Steuerung und • unter Einbeziehung branchenspezifischer Prüfroutinen zur Fälschungssicherheit, Ausfallsicherheit, Verwendbarkeit (z. B. Mindesthaltbarkeit). RFID- und Telematik-Funktionalitäten werden neben der Automatisierung der Identifikation und des Bestandsmanagements verstärkt die kontinuierliche Lage- und Zustandsbestimmung von Waren verbessern. Hier bedarf es der Weiterentwicklung von Transpondern in Metallumgebungen, der Kopplung von Transpondern mit Sensorik, der Entwicklung von Universal-Readern sowie der Anpassung von Ortungssystemen, die für den Industrieeinsatz aus Kosten- und Handhabungssicht geeignet sind. Präzise Ortungsinformationen bilden die Grundlage für PDA-gerechte Szenarien, die die letzte Meile in der Supply Chain unterstützen, zukünftig unter Ausnutzung von Indoor-Ortungstechnologien vielleicht bis zum Arbeitsplatz in der Produktion [3]. Diese Technologien münden in Smart-SupplyKomponenten für die gesicherte Warenkette (RF-Lieferschein, RF-Behäl-
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Prof. Dr. habil. Michael Schenk, Dr. Klaus Richter
ter, RF-Palette u. a.) als technische Infrastruktur und in zertifizierbaren Smart-Supply-Referenzprozessen, ob nun für das unbegleitete Transporthilfsmittel (Container) oder die mobile Kommunikationseinheit des Logistikers. Dazu sind auch die RFID Best Cases (METRO, SAP, Airbus) aufwärtskompatibel in das Konzept zu integrieren.
5 Zusammenfassung Neue IuK-Technologien unter dem Begriff Mobile Business verändern die Prozesse in der Wirtschaft und im Privatbereich. Die Integration von Sensorik und drahtloser Kommunikation in mobile Geräte, die untereinander kommunizieren, führt in unterschiedlichsten Industriezweigen zu einem neuen Ansatz, der in der Logistik mit dem Begriff des Material Internet umschrieben wird. Die mit den neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Datenaggregation verbundenen organisatorischen Veränderungen wirken sich auch auf die Prozesse der KEP-Dienste zur Sicherung der geforderten Liefertreue positiv aus. Eine Zielstellung besteht darin, auf Basis der zunehmenden Verfügbarkeit von aggregierten, logistisch relevanten Informationen und mobilen Computern die Grundlagen für eine sichere und wirtschaftliche Abwicklung komplexer logistischer Aufgabenstellungen im Umfeld von zeitkritischen Transporten wie der Sameday-Logistik zu schaffen. Die Vielzahl unterschiedlicher, oft auch wirtschaftlich unabhängiger Dienstleister in der multimodalen Logistikkette erschwert ein einheitliches Vorgehen bei der Integration RF-basierter Technologien. Eine Klassifizierung nach dem Einsatzgebiet, Ladung und Multimodalität der Transportkette kann eine Grundlage für eine zukünftige Standardisier- und Zertifizierbarkeit der RF-basierten Prozesse bilden.
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Selbstorganisation: Dinge in eigenverantwortlicher Kooperation – eine Systemanalyse
Michael Hellenschmidt, Reiner Wichert Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD
1 Einführung David Brock und Sanjay Sarma vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) fragten sich 1999, was es bedeuten würde, wenn jedes Objekt und jedes Produkt, quasi jedes Ding, mit einer – wenn auch simplen – einzigartigen Nummer ausgezeichnet wäre. Jeder Artikel dieser Welt wäre somit von jedem Ort der Welt aus ansprechbar; die Adressierung würde es möglich machen, entfernt gespeicherte Daten und Objekte in Zusammenhang zu bringen und diese somit miteinander zu verbinden [22, 23]. Diese Frage war zugleich der Startpunkt der Gründung des MIT Auto-ID Centers [1] und der Installierung des Begriffes „Internet of Things“, des Internet der Dinge. In Kooperation mit Industriepartnern wird am Auto-ID Center das Potenzial der RFID-Technologie und der drahtlosen Sensornetzwerke erforscht und an Lösungen für Infrastrukturen, Transponder und Lesegeräte gearbeitet. Unter anderem ist die Definition des EPC-Codes, eines elektronischen Produktcodes zur automatischen Identifikation, eine der Errungenschaften dieser Initiative1. Aber anstatt nur den bloßen Zugriff auf statische Daten wie Ort und einige zusätzliche Objekt- bzw. Produkteigenschaften zu erlauben, gehen neue Ideen einige Schritte weiter. Nicholas Negroponte spricht hier bildlich von autonomen Dingen, die mit anderen Dingen über Dinge reden [17]. Objekte und Produkte bieten ausgezeichne1
EPC, der Electronic Product Code, ist ein geschütztes Markenzeichen von EPCglobal.
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te Daten somit nicht nur zur Weiterverarbeitung durch Dritte an, sondern können selbst aktiv werden und sogar in Kooperation und Kommunikation mit anderen Produkten treten. Interessant ist an dieser Stelle die von Friedemann Mattern vorgenommene Analogie zum herkömmlichen Internet [19]. Während dieses zum Anfang für den eingeschränkten entfernten Dateizugriff, dann als Kommunikationsmedium von Mensch zu Mensch (z. B. E-Mail) und zuletzt als Kommunikationswerkzeug für den Menschen für den Zugriff auf Maschinen (z. B. WWW-Server) benutzt wurde, werden die Ideen des Internet der Dinge diese Metaphern auf die Kommunikation von Maschine zu Maschine (bzw. von Ding zu Ding) ausdehnen: So können z. B. Wäschestücke der Waschmaschine sagen, mit welchem Programm ein optimales Waschergebnis zu erreichen sei (und die Waschmaschine schlägt dem Benutzer gegenüber Alarm im Fall eines einzelnen schwarzen Sockens inmitten sonst blütenweißer Wäsche). In anderen Fällen handeln Werkstücke mit Maschinen die anstehenden Arbeiten aus, und Gepäckstücke geben Auskunft über ihren Bestimmungsort.
2 Dinge bieten ihre Dienste an In gegenwärtigen Lösungsansätzen und Implementierungen für die Realisierung von Kooperationsmechanismen von autonomen Objekten hat sich die Trennung von Komponenten in Dienstanbieter und Dienstverbraucher etabliert, und daraus haben sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Realisierungen für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ergeben. Technologien wie UDDI2, OSGi3 und UPnP4, aber auch HAVi5 und Jini6 erlauben es Komponenten (allg. Dingen), ihre Dienste einheitlich zu beschreiben und mittels einer unterlagerten Middleware-Plattform anderen Komponenten zugänglich zu machen. Auf Basis vereinheitlichter Protokolle haben somit alle an einer Plattform beteiligten Komponenten die Möglichkeit, Dienste zu suchen, zu finden und aufzurufen. Für diese von der Idee der „Web Services“ abgeleiteten Technologien hat sich der Begriff der „Service-oriented Architectures“ (SOA) durchgesetzt. Stellvertretend für viele Ansätze, unterschiedliche – heterogene – Plattformen und Standardisierungen zu vereinigen, verfolgt das EU-IST-Amigo-Projekt [9] Universal Description, Discovery and Integration (UDDI) protocol, http://www.uddi.org. 3 OSGi Alliance Service Platform, http://www.osgi.org. 4 Universal Plug and Play, http://upnp.org. 5 Home Audio Video Interoperability, http://www.havi.org. 6 Jini Network Technology, http://www.jini.org. 2
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die Implementierung einer Middleware-Architektur, die unter Verwendung einer integrativen Schicht einen einheitlichen Zugang zu den Diensten anbietet, die von Objekten und anderen Dienstanbietern unterschiedlicher Standards angeboten werden (siehe Abb. 1). Auf Basis einer solchen vereinheitlichten Schicht kann von einer Applikation aus unter Verwendung nur eines Protokollstandards (z. B. WebServices) auf alle unterlagert angebotenen Dienste zugegriffen werden. Solcherart Middleware-Architekturen stellen den sie verwendenden Applikationen die nötigen Grundfunktionalitäten zur Verfügung, die das Auffinden und das Zuweisen von Diensten („Service Discovery/Binding“) möglich machen. Lösungen auf Basis solcher integrativer Middleware-Plattformen zeichnen sich durch zwei wesentliche Eigenschaften aus: • Schwergewichtigkeit der implementierten Middleware aus Gründen der Unterstützung mehrerer Standards und Protokollmechanismen sowie • die Konzentration auf wenige autonome Applikationen, die unter Verwendung der von den Objekten angebotenen Dienste und Informationen die zu realisierenden Szenarios implementieren. In logistischen Anwendungen würde dies der Realisierung der klassischen Materialflusssteuerung entsprechen. Ausgezeichnete Applikationen entscheiden – unter Einbeziehung zentral oder verteilt organisierter Datenspeicher – über die Bewegung von Waren und Transportgütern sowie deren Beförderungsmechanismen. Weichen und Sorter werden von dieser einen zentralen Applikation angesteuert, die zu bewegenden Objekte und deren zugrunde liegender Logistikauftrag identifiziert. Hierbei findet klassisch die Identifikation einer Ware bzw. eines Objektes über die Auslesung eines Barcodes statt. Die Verdrängung des klassischen Barcodes durch RFID-Marker auf Basis des Standard-EPC würde die Datenmenge pro Auslesevorgang und damit die insgesamt in der Steuerungsapplikation gesammelte und zu verarbeitende Informationsmenge stark ansteigen lassen. In der momentanen Fassung des Standards unterstützt EPC eine Informationslänge von 96 Bit, was sowohl zu einem Problem des verfügbaren Speicherplatzes als auch zum Problem der rechtzeitigen Datenverarbeitung führt [25]. Rechnereinheiten, die zentrale logistische Applikationen auf Basis herkömmlicher SOA-Realisierungen ausführen, werden daher nicht in der Lage sein, Herausforderungen zukünftiger logistischer Anwendungen zu begegnen. Anstatt ausgezeichnete Applikationen zu implementieren, die als Vermittler und Moderator der logistischen Objekte fungieren und sich hierzu fest definierter Schnittstellen zu Datenbanken und Diensten bedienen müssen, müssen zukünftige Realisierungen auf Basis flexibler Prozesse und damit auf dezentralisierten Lösungen aufbauen.
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Abb. 1. Realisierung einer Middleware-Architektur zur Integration von Diensten unterschiedlicher Standards für den applikationsspezifischen Zugriff
Somit wird ein Werkstück in Kenntnis seines eigenen Fertigungsauftrags direkt mit den Maschinen verhandeln können oder ein Gepäckstück, das um seinen Bestimmungsort weiß, direkt mit den entsprechenden Weichen und Gepäckbändern den Weg bestimmen können. Diese Anreicherung von Rechenkapazität in die Objekte hinein wurde durch die immer stärkere Miniaturisierung und Verbilligung der letzten Jahre möglich gemacht. Begriffe wie Smart-It [4] beschreiben hier die sich daraus ergebende Konsequenz, dass Dinge und Objekte durch nachträgliches Anbringen von Mikroprozessoren die Möglichkeit zur autonomen Datenverarbeitung, zum Kontextbewusstsein und zur Kommunikation erhalten können. Solche auf der Peer-to-Peer-Metapher aufbauenden Lösungen basieren oftmals darauf, dass Informationen eines Objektes im Gesamtsystem kommuniziert werden und dass hierfür eine vorher festgelegte gemeinsame Kommunikationssprache verwendet wird (vgl. [5]). Aufgrund des Verzichts der Integration verschiedener Standards und Protokolle und aufgrund der Konzentration auf Informationskommunikation anstatt der Unterstützung von Dienste- und Informationsvermittlung kann bei solchen Lösungen eine wesentlich schlankere MiddlewareRealisierung verwendet werden. Schon früh wurden solche Lösungen unter dem Begriff „Mobility Service Architecture“ bekannt [3], in welchem die Objekte und Dinge nur lose miteinander verbunden seien7. Am Beispiel 7
Oftmals wird auch bei Service-oriented Architectures die Eigenschaft des Loose Couplings hervorgehoben, da dort Dienstanbieter und Diensterzeuger nur im Moment des Dienstaufrufs in tatsächliche Kommunikation miteinander treten. Die hier beschriebene Eigenschaft des Loose Couplings ist dagegen noch schär-
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der Organisation einer Taxifahrt sollen die eben besprochenen beiden Realisierungsansätze verdeutlicht werden (vgl. Abb. 2). Ruft ein Fahrgast bei der Taxizentrale wegen eines Beförderungswunsches an, so erfragt diese die Position des Fahrgases und erkundigt sich bei den am System angemeldeten Taxen nach deren aktueller Verfügbarkeit. Wäre dies nach den oben beschriebenen Prinzipien der SOA-Architekturen realisiert, so würde die Taxizentrale die ausgezeichnete Applikation darstellen, die mittels geeigneter Protokolle nach einem Dienst suchen würde, der der Semantik „freies Taxi zu einem bestimmten Ort x“ entsprechen würde. Sollten bei dieser Anfrage mehrere mögliche verfügbare Dienste gefunden werden – was der realen Situation mehrerer freien Taxen in der Nähe des Fahrgasts entsprechen würde –, so müsste die Taxizentrale eine geeignete Strategie anwenden, um von den verfügbaren Dienstanbietern einen auszuwählen und diesem den Beförderungsauftrag zuzuweisen. Dies kann das Taxi sein, welches aktuell dem Fahrgast am nächsten ist, oder das Taxi, das an diesem Tag bisher die wenigsten Aufträge bekommen hat. Die Taxizentrale als ausgezeichnete Komponente im System steht somit in der Verantwortung, die Dienstanfragen zu vermitteln, aus der Menge der Dienstanbieter eine Auswahl auf Basis einer definierten Strategie zu treffen und die für die Ausführung der Auswahlstrategie notwendigen Parameter zu erfassen.
Abb. 2. Illustration eines Szenarios zur Organisation von Taxen auf Basis eines zentralistischen Ansatzes (links) und auf Basis lose gekoppelter autonomer Einheiten (rechts)
fer: Informationssender und Informationsempfänger sind hier nur für die Zeitdauer der Informationsweitergabe miteinander verbunden. Da die Information gleichzeitig an viele andere Objekte vermittelt wird, besteht vielmehr keine gerichtete Verbindung mehr zwischen den einzelnen Kommunikationspartnern.
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Die alternative Form der Realisierung wäre, die Information, dass ein Beförderungsauftrag von einem Ort x zu einem Ort y existiert, unter allen teilnehmenden Taxen zu kommunizieren. Wäre dies die einzige Form der Kommunikation und würden die Taxen sich autonom auf Basis eingehender Information verhalten, so ist das Endresultat nicht vorhersehbar – unter Umständen sähe sich der Fahrgast unvermittelt mit einer Vielzahl von Taxen konfrontiert. Das in der Logistik gebräuchliche Beispiel von Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF), die an der Stirnwand einer Warendistributionshalle Güter in Empfang nehmen, um sie an der Gegenseite in bereitstehende Lieferwagen umzuladen, macht hier umso deutlicher, dass die Realisierung verteilter Intelligenz in Form von Koordinations- und Kooperationsstrategien notwendig ist. Diese Intelligenz kann den Beispielen zufolge weder in einer ausgezeichneten Applikation noch auf Basis einer nahezu vollständigen Entkopplung der beteiligten Objekte realisiert werden. Der erste Fall verbindet alle Nachteile – Schwergewichtigkeit, Skalierungsproblematik und Ausfallgefahr – zentralisierter Lösungen, der zweite Fall verhindert die sinnvolle Kooperation der beteiligten Teilnehmer und kann zu Ressourcenverschwendung oder auch zu Instabilitäten im Gesamtsystemverhalten führen. Für Objekte und Produkte, die mittels Maschine-zu-Maschine-Kommunikation über anstehende Tätigkeiten oder den bloßen Informationsaustausch miteinander kommunizieren und verhandeln können, bedeutet die Realisierung des Internet der Dinge, dass sie autonomer werden und über eine gewisse Art an Eigenintelligenz verfügen müssen. Eigenintelligenz ist laut Brockhaus definiert als die Fähigkeit, Beziehungen zu erfassen und zu deuten, aber auch in der Folge die Fähigkeit zu besitzen, neue Situationen einschätzen und gegebenenfalls Probleme bewältigen zu können. Hinzukommen muss die Fähigkeit, Pläne und Strategien zu entwickeln und diese eigenverantwortlich auszuführen oder sie im Verbund zu lösen. Diese intelligenten peers – Alois Ferscha prägte hier den Begriff des „peer-it“ [11, 12] – sind dann in der Lage, autonom und pro-aktiv zu handeln, wobei sie sich zur Kommunikation standardisierter Kommunikationssprachen bedienen. Laut Ferscha liegt die Zukunft der Organisation von intelligenten Objekten in dezentralisierten Lösungen, denn auch die Welt sei nicht zentral aufgebaut. Zu viele Dinge passierten gleichzeitig. Die Eigenschaften der Objekte, die sich aus den genannten Anforderungen für zukünftige verteilte logistische Anwendungen ergeben, entsprechen in großen Teilen den generellen Definitionen von Software-Agenten, wie sie von Jacques Ferber [10] und Mike Wooldridge [28] aufgestellt wurden. Ein Agent ist hier unter anderem definiert als ein eigenständiges System, das in der Lage ist, innerhalb seiner Umgebung autonom zu agieren, aktiv mit anderen Agen-
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ten zu kommunizieren und sowohl seinen eigenen internen Status zu kontrollieren als auch daraus Schlussfolgerungen für zukünftiges Handeln abzuleiten.
3 Dinge als kooperative autonome Einheiten Die Kommunikation und Kooperation von Agenten unabhängig von der eigentlichen Implementierung und der verwendeten Hardware zu unterstützen ist die Aufgabe von Agentenkommunikationssprachen, die mittels einer definierten Semantik den Nachrichtenaustausch von autonomen Software-Komponenten ermöglichen. Sowohl die Foundation for Intelligent Physical Agents (FIPA) [20, 26] als auch die Knowledge Query and Manipulation Language (KQML) [13] definieren semantische Sprechakte, die Agenten in der Kommunikation miteinander verwenden können. Sollen z. B. Informationen von Agent zu Agent ausgetauscht werden, so verständigen sich in FIPA die Agenten untereinander durch Versenden einer Nachricht, die mit dem Sprechakt inform beginnt (bzw. tell in KQML). Gezielte Aufträge von Agent zu Agent werden in FIPA mit dem Sprechakt request (bzw. achieve in KQML) begonnen, Fragen nach der Richtigkeit einer Behauptung können in FIPA mittels query-if (bzw. ask-if in KQML) gestellt werden. Während in FIPA schon in den ersten Versionen Sprechakte für die Definition von Verhandlungen (z. B. propose zum Vermitteln eines Vorschlags oder reject zur Abweisung eines Auftrags unter Angaben von Gründen) definiert waren, geschah dies in der KQML-Initiative erst nach Definition einer Erweiterungssprache [2]. Womöglich sind diese anfänglichen Versäumnisse die Gründe für die dominierende Stellung der FIPA-Kommunikationssprache in der Welt der Agenten8. Auf Basis von technischen Agenten, die mittels der FIPA-Kommunikationssprache kommunizieren, stellten Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gesellschaft9 eine Anwendung vor, in der zwei mobile Roboter Kurbelwellen zu einer Bearbeitungsstation bringen [21]. Hierbei konkurrieren die beiden Roboter um die jeweiligen Beförderungsaufträge, während die zentrale Steuereinheit als gleichberechtigter Agent aus der Position der Roboter und deren Fähigkeitsprofilen ermittelt, wer momentan für die Bearbeitung des BefördeIm Jahre 2002 waren bereits über 60 universitäre und industrielle Mitgliedsorganisationen in FIPA vertreten. Im Juni 2005 nahm schließlich die IEEE Computer Society die FIPA-Initiative als elftes Standardisierungskomitee auf. 9 Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) in Kooperation mit der Schneider Electric GmbH. 8
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rungsauftrages am besten geeignet ist. Der wesentliche Unterschied zu Lösungen auf Basis des SOA-Ansatzes besteht in der aktiven Teilnahme der technischen Agenten, die erst nach Bewertung eines Auftrags ihr Angebot bezüglich einer angeforderten Dienstleistung abgeben. Die Realisierung einer zentralen Steuereinheit entspricht dagegen wiederum den Ansätzen der Applikationen gemäß dem SOA-Ansatz. Implementierungen auf Basis von autonomen Agenten weisen jedoch einen großen Vorteil bezüglich der Dynamik solcher Anwendungen auf: Es ist jederzeit denkbar, dass zusätzliche technische Agenten einem Szenario hinzugefügt werden, die ebenso ihre Dienste nach Ansicht eines Auftrags anbieten können. Diese Dynamik – gewonnen durch das Ausschreiben eines Auftrags und der Möglichkeit, Angebote abzugeben – ist in anderen regelgesteuerten Agententechnologien (z. B. die Open Agent Architecture [18] und Galaxy Communicator [24]) aufgrund der Verwendung statischer Regeln nicht gegeben. Es fällt auf, dass in den oben aufgeführten Technologien und Realisationen jeweils ausgezeichnete Regeleinheiten die Kommunikation und Auftragsvergabe von Dienstverbraucher und Dienstanbieter steuern und damit Moderatorendienste leisten. Um das Beispiel des Taxiszenarios wieder aufzunehmen: Hier ist eine Taxizentrale dazwischengeschaltet, ohne im eigentlichen Szenario – der Beförderung eines Fahrgasts durch ein Taxi – unmittelbar beteiligt zu sein. Die Art und Funktionsweise der eigentlichen Applikation, die durch die Dinge bestimmt wird, die ihre Dienste anbieten und gegenseitig verbrauchen, wird in diesen Fällen durch gewissermaßen unbeteiligte Komponenten bestimmt. Anstatt dass Dinge mit Dingen zwecks Ausführens eines gemeinsamen Auftrags kommunizieren, reden Dinge hier mit Steuereinheiten über die Aufträge, die andere Objekte abgesendet haben. Ein hoher Anteil der Autonomie und der Kooperationsfähigkeit ist dabei in die Verantwortung von Moderatorenkomponenten verlagert. Eine Möglichkeit, dies zu ändern – und damit wirkliche Kommunikation und Kooperation zwischen den physikalischen Dingen zu ermöglichen –, bestünde darin, die Entscheidungskompetenz, von welchem Dienstanbieter und in welcher Art und Weise ein Auftrag ausgeführt wird, auf das den eigentlichen Auftrag initiierende Objekt zu verlagern. In so einem Fall würde ein Werkstück alle sich in der Umgebung befindlichen Weiterverarbeitungsmaschinen kontaktieren und dann auf Basis deren Angebote eine Entscheidung treffen. In einem Szenario, in dem mehrere Werkstücke zeitlich dicht aufeinander folgend ihre Aufträge platzieren möchten, sind aber leicht nicht-deterministische Situationen vorstellbar. Maschinen und Werkstücke blockieren sich gegenseitig in einem „Deadlock“, wenn Maschinen auf die Vergabe eines vorherigen Auftragsangebotes warten oder in Erwartung eines zukünftigen Auftrags ein vorher zugesagtes Dienstan-
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gebot zurückziehen. Besonders komplizierte Situationen können sich ergeben, wenn zwei sonst gleichartige Dienstverbraucher unterschiedliche Strategien für die Zuteilung von Aufträgen implementiert haben. Statt somit die Entscheidungskompetenz von zentralen Steuerungseinheiten einzig auf die Dienstverbraucher (im Beispiel die Werkstücke) zu verlagern, ist die Kooperation aller an einer Situation beteiligten Objekte nötig.
4 Kooperation durch gemeinsame Strategieausführung Ein wirkungsvoller Ansatz zur Selbstorganisation von Dingen muss die Trennung zwischen (passiven) Dienstanbietern und (aktiven) Dienstverbrauchern aufheben. Statt die komplette Kommunikation mit beteiligten Dienstanbietern und die für Entscheidungen nötigen Strategieausführungen (hierzu gehören die Anfrage nach Diensten, die Beschreibung des Auftrags und die Auftragsvergabe) an ein einzelnes physikalisches Objekt zu übertragen, müssen die an einem solchen Szenario beteiligten Objekte durch Verteilung der vorhandenen Informationen und durch gemeinsame Ausführung von Entscheidungsstrategien die momentan vorhandenen Ressourcen am sinnvollsten nutzen. Für das Taxiszenario würde dies bedeuten, dass sowohl die (untereinander konkurrierenden) Taxis als auch der potenzielle Fahrgast über denselben Informationsstatus verfügen und gemeinsam auf Basis derselben Strategie ein Taxi aus dem vorhandenen Pool auswählen. Ein Beispiel aus der Logistik verdeutlicht dies noch stärker: Seien in einem Szenario ein Stellelement zuzüglich Zuführstrecken und Folgestrecken gegeben, so macht es weder Sinn, dem Stellelement, noch ausgezeichneten Zuführ- oder Folgestrecken die Verantwortung für das Gesamtverhalten des damit entstandenen Transportnetzes zuzuweisen. Der Weitertransport der Behälter, von den Zuführstrecken kommend, muss unter Einbeziehung aller Strecken und des Stellelements (und unter Einbeziehung von Einzelinformationen der zu transportierenden Behälter) geschehen. Durch verteilte Strategieausführung – d. h. alle an einem Szenario beteiligten Dinge und Objekte verwenden gemeinsam dieselben Entscheidungsstrategien und kommunizieren die Ergebnisse innerhalb dieser physikalischen Gruppe – lassen sich somit, verglichen mit den oben diskutierten Ansätzen, weit mehr Informationen in die Entscheidungsprozesse einbeziehen und auch Deadlock-Situationen verhindern. Es ist hierbei einer solchen Objektgruppe freigestellt, ob die Strategie gemeinsam ausgeführt wird (z. B. Evaluierung unterschiedlicher Regeln eines Expertensystems), jedes Objekt die Strategie autonom ausführt (unter Verzicht
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auf die Ergebniskommunikation und unter der Annahme, dass die Strategieausführung unter gleichen Voraussetzungen zu gleichen Ergebnissen kommt) oder ob ein gemeinsam bestimmtes Objekt aus der Gruppe die Strategie ausführt (temporärer Entscheider), welches dann die Ergebnisse innerhalb der Gruppe kommuniziert. Am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) wurde hierzu das SodaPop-Modell10 entwickelt [15], welches es Objekten erlaubt, beliebig viele Kommunikationsgruppen zu eröffnen und/oder diesen beizutreten. Eine Kommunikationsgruppe ist hierbei definiert durch die Ontologie der in ihr kommunizierten Nachrichten und der in ihr ausgeführten Entscheidungsstrategie, in welcher Art Nachrichten und Aufträge von Objekt zu Objekt zugeteilt werden. Eine Software-Infrastruktur auf Basis dieses Modells erlaubt eine komplett verteilte Implementierung ohne die Notwendigkeit, zur Laufzeit spezifische Komponenten auszuzeichnen oder als zentrale Komponenten zu verwenden [14]. Abbildung 3 illustriert den Ablauf der Nachrichtenbehandlung: Nachdem ein Objekt eine Nachricht (bzw. Aufgabe) in eine Kommunikationsgruppe versendet hat, werden die Angebote der Gruppenmitglieder auf Basis dieser Nachricht evaluiert und die in dieser Gruppe definierte Entscheidungsstrategie ausgeführt. Die Ergebnisse dieser Strategie werden dann den betreffenden Objekten mitgeteilt. Die Behandlung eingehender Nachrichten und die sich daran anschließenden Entscheidungsprozesse werden nach dem FIFO-Verfahren behandelt. Dies ist auch in der Warenwirtschaft das übliche Verfahren. Ein dynamisches Szenario, in welchem mobile und stationäre Geräte kooperieren, um multimodale Ausgaben zur Information des Benutzers zu erzeugen, wird in [7] beschrieben. Hierbei wandeln die Geräte unter Verwendung einer gemeinsamen Strategie amodale Information in verschiedene Modalitäten um. Diese Strategieausübung ist dabei abhängig von der Art, Anzahl und Leistung der beteiligten modalen (z. B. Sprachausgabe, graphische Ausgabe, Auflösungsvermögen) Geräte. Das SodaPop-Modell kann unter Erarbeitung der folgenden Schritte verwendet werden. Zuerst werden die an einem Szenario beteiligten Objektarten (bzw. Komponententypen) identifiziert und die Art der ausgetauschten Nachrichten und die darauf basierenden Entscheidungsprozesse definiert. Zuletzt werden Strategien auf Basis ausgetauschter Nachrichten implementiert, die den identifizierten Entscheidungsprozessen entsprechen. 10
SodaPop steht für Self-organizing Data-flow Architectures supPorting Ontology-based problem decomposition.
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Abb. 3. Die Behandlung von Nachrichten gemäß dem SodaPop-Modell
Im Falle Fahrerloser Transportsysteme wären dies autonome FTF und Wareneingangs- bzw. Warenausgangsobjekte (unter der Annahme, dass diese über Informationen der ankommenden Waren bzw. über allgemeine Statusinformationen wie belegt/nicht belegt verfügen) und eine Entscheidungsstrategie, die sowohl die Eigenschaften der zu transportierenden Ware (z. B. Volumen, Gewicht) und die Eigenschaft infrage kommender FTF (z. B. maximale Zuladung, Entfernung) berücksichtigt. Im Falle des Warenwirtschaftszenarios aus Stellelementen, Zuführ- und Folgestrecken wären dies das Stellelement und die Strecken selbst, aber auch die auf den Zuführ- und Folgestrecken befindlichen Warenbehälter. Eine Entscheidungsstrategie muss hierbei bestimmen, von welcher Zuführstrecke auf welche Folgestrecke ein Behälter versetzt wird.
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5 Zusammenfassung Szenarios aus der Logistik und der Warenwirtschaft machen deutlich, dass wirkliche Kommunikation und Kooperation zwischen physikalischen Dingen notwendig ist, um dynamische und selbstorganisierte Applikationen zu realisieren. Im Gegensatz zu Applikationen auf Basis der SOA oder auf Basis lose gekoppelter Objekte wird beim Internet der Dinge die Applikation nicht von ausgezeichneten Objekten bestimmt. Vielmehr wird die Charakteristik einer Applikation bestimmt durch die Art und die Funktionsweise der beteiligten Objekte, die in unterschiedlichen Kommunikationsgruppen organisiert sein können. Es ist intuitiv, dass die Dynamik zukünftiger Anwendungen nicht durch statische Objektensembles geprägt sein wird, sondern durch Ensemblebildung autonomer Objekte, die sich spontan zu kooperativen Objektverbünden zusammenschließen lassen. Ein Szenario einer Warenumschlagshalle, in der ein Fahrerloses Transportfahrzeug die Warenbehälter vom Wareneingang zum Warenausgang befördert, macht diesen Ansatz verteilter Applikation unmittelbar deutlich. Sobald ein zweites oder gar ein drittes FTF dem Szenario hinzugefügt wird, ändert sich unmittelbar die Charakteristik der Applikation. Verteilte Entscheidungsprozesse lassen ein kooperatives Ensemble aus mehreren Fahrerlosen Transportfahrzeugen entstehen. Basis dieser Kooperationsfähigkeit der physikalischen Objekte sind die Kommunikation von Nachrichten geeigneter Semantik und die verteilte Ausführung von Entscheidungsprozessen auf Basis von Evaluierungsfunktionen und sonstigen kontextabhängigen Daten. Der Beitrag stellt hierbei die Ansätze der SOA-Architekturen, der Peer-to-Peer-Kommunikation und auch klassischer Agentensysteme vor und erläutert das für die Selbstorganisation von Dingen und Objekten konzipierte SodaPop-Modell. Dabei sind nicht die konkreten Technologien für die drahtlose Kommunikation (z. B. dezentrales WLAN [z. B. WiFi, IEEE802.11], aber auch ZigBee [IEEE802.15.4]) oder die weit verbreitete GSM- und bald auch UMTSTechnik für die Erfassung von speziellen Kontextdaten wie Lokalisierung (z. B. auf der Basis von GPS-Daten) im Fokus der in diesem Beitrag behandelten Fragestellung. Ebenso geht dieser Beitrag nicht auf die eventuelle Reichweitenproblematik der kommunizierenden Objekte ein und setzt voraus, dass Objekte in der Lage sind, mit anderen Objekten in der physikalischen Nachbarschaft und derselben semantischen Applikationsgruppe zu kommunizieren. Der Begriff der physikalischen Nachbarschaft soll hier nicht weiter detailliert werden. Nachbarschaft kann z. B. für Taxis prinzipiell Reichweiten-unbegrenzt sein, für andere logische Objekte wie Waren
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oder Behälter bei Verwendung von RFID-Technologie auf die Reichweite eines RFID-Lesegeräts beschränkt sein. Aktuelle Forschungsarbeiten [16] zeigen, dass unterschiedliche Szenarios verschieden gewichtete Schwerpunkte bezüglich der geforderten Eigenschaften der zu nutzenden Software-Infrastruktur besitzen. Hierbei steht die Realisierung von Selbstorganisation von physikalischen Objekten im Vordergrund. Einer der wichtigsten Schritte zu diesem Ziel ist die Abkehr von der zentralen Applikation und die Verlagerung der Applikationsintelligenz dynamisch in alle Objekte und Dinge, die temporär an einem Szenario beteiligt sind [8]. Erst dann sind die Ideen von Marc Weiser [27] und von Ambient Intelligence [6] erfüllt, in der spontan gebildete Geräteensembles zur Kooperation fähig sind.
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Michael Hellenschmidt, Reiner Wichert
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Selbstorganisation: Dinge in eigenverantwortlicher Kooperation
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Sensornetzwerke und Lokalisierungsverfahren als Schlüsseltechnologien für die intelligente logistische Umwelt von morgen
Dr. Alexander Pflaum, Jürgen Hupp Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
1 Auf dem Weg zum Internet der Dinge – das Versprechen innovativer Smart-Object-Technologien Das Internet der Dinge ist mit der massiven Unterstützung der RFIDTechologie durch Unternehmen wie METRO Group, Wal-Mart oder SAP in aller Munde. Logistische Objekte bewegen sich damit in Eigenregie durch Netzwerke logistischer Knoten und stellen sicher, dass sie – ganz im Sinne der logistischen Grundidee – zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Zustand an der richtigen Stelle verfügbar sind – so die Vision, die von Forschern und innovativen Anwendern auf Konferenzen und Fachtagungen immer wieder gezeichnet wird. Es ist mehr als offensichtlich, dass diese Vision mit der aktuell verfügbaren Technologie noch nicht im Ansatz umsetzbar ist. Forschungsinstitute und Industrieunternehmen sind aufgerufen, nach neuen technischen Lösungen zu suchen und die nächsten Schritte hin zum Internet der Dinge zu gehen. Der nachfolgende Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund den State of the Art der RFID-Technologie, beschreibt die technologische Lücke und zeigt anhand eines Beispiels, wie innovative Smart-Object-Technologien genutzt werden können, um die Informationsund Materialflüsse in logistischen Ketten intensiver miteinander zu verknüpfen und der Umsetzung der Vision so einen deutlichen Schritt näher zu kommen [2].
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2 Bemerkungen zum State of the Art der RFIDTechnologie: Die aktuellen Weiterentwicklungsbedarfe Die vollständige Verknüpfung zwischen realer und virtueller Welt ist dann gegeben, wenn alle logistischen Objekte innerhalb eines Logistiksystems eindeutig identifiziert werden können, der Zustand des einzelnen Objekts dem IT-System jederzeit bekannt, die Position des Objekts ebenfalls aktuell in den Daten hinterlegt ist, ein Objekt jederzeit in der Lage ist, mit der Umgebung zu kommunizieren bzw. bei fehlender Verbindung autonom und zielorientiert zu agieren. Zusätzlich muss die Technologie zu einem der jeweiligen Anwendung angemessenen Preis bei ausreichender Standardisierung zur Verfügung stehen. Betrachtet man die inzwischen mehr als 260 Transponderprodukte, die der Markt bietet, aus einer phenomenologisch-strukturellen Perspektive, wird deutlich, dass es sich beim Großteil der Produkte um Nischenlösungen für konkrete Applikationen mit teilweise sehr spezifischen Anforderungsprofilen handelt. Im Grunde weist jedes Produkt ein vergleichsweise einzigartiges Leistungsprofil auf [6]. Aus funktionaler Sicht stellt sich der Markt weniger komplex dar. Ein Großteil der Produkte dient dazu, Objekte zu identifizieren, und speichert dementsprechend nicht mehr als eine einfache ID-Nummer. Der wesentliche Vorteil gegenüber dem Barcode liegt dabei in der vollautomatischen Identifikation logistischer Objekte. Eine direkte Sichtverbindung ist nicht mehr erforderlich. Die Kommunikation funktioniert unter bestimmten Randbedingungen auch durch Materialien hindurch gut. In vielen Fällen sind Antikollisionsmechanismen implementiert, die es erlauben, hundert und mehr Tags in Reichweite einer Lesestation zuverlässig zu erkennen und gezielt zu kommunizieren. Eine ganze Reihe von Produkten ist zusätzlich in der Lage, größere Mengen Daten zu speichern. Einzelne Tags verfügen über integrierte Sensoren für die Messung von Umgebungsparametern und können entsprechende Messergebnisse über längere Zeiträume zwischenspeichern. Eine Lokalisierung elektronischer Tags im Raum ist bei wenigen Produkten mit begrenzter örtlicher Auflösung möglich. Intelligent im eigentlichen Sinne ist keines der Produkte. Echte Mikroprozessoren werden wegen des nach wie vor hohen Energieverbrauchs kaum eingesetzt. Bei einem detaillierteren Vergleich des eingangs knapp formulierten Wunschprofils eines „intelligenten logistischen Objekts“ mit dem aktuellen Angebot ergeben sich für die verfügbare Technologie die folgenden „Schwächen“: • Während das Problem der eindeutigen Identifikation inzwischen weitestgehend gelöst ist, funktioniert die Zustandsüberwachung bislang al-
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lenfalls im Ansatz. Der beträchtliche Energieverbrauch sensorischer Bauelemente beeinträchtigt andere Leistungsparameter wie zum Beispiel die Reichweite massiv. Eine für Logistikanwendungen genügend genaue Lokalisierung von existierenden elektronischen Etiketten innerhalb von Gebäuden ist heute nicht möglich. Allein die Aussage, ob sich ein Etikett in der Umgebung einer Basisstation befindet oder nicht, kann mit existierender Technologie getroffen werden. Eine durchgängige Verfolgung entlang der gesamten Logistikkette ist damit nicht gegeben. Kommunikation findet ebenfalls nur innerhalb der Reichweite einer Lese- bzw. Basisstation statt. Innerhalb dieses Bereiches treten in sehr vielen Fällen Abschattungen auf, die eine Kommunikation verhindern. Beispielsweise lässt sich die Erfassung von Waren auf Paletten heute nur in den seltensten Fällen vollständig automatisieren. Es mangelt an Kommunikationssicherheit. Viele Produkte lassen zwar neben der Identifikation die Speicherung zusätzlicher Daten zu, die technischen Voraussetzungen für autonomes und zielorientiertes Handeln fehlen aber. Zudem existieren bei mobilen Datenspeichern Sicherheitslücken. Datenmanipulationen sind bei vielen Produkten nach wie vor möglich. Vor allem für Anwendungen in der Logistik sind die existierenden Produkte angesichts ihrer Leistungseigenschaften noch zu teuer. Die Frage, ob und wann die von der Praxis geforderten fünf Eurocent mit siliziumbasierter Technologie erreicht werden können, ist unter Experten umstritten. Im Bereich der Standardisierung sind mit dem Electronic Product Code gerade einmal allererste Schritte gemacht.
3 Technologische Lösungsansätze: Kostenreduktion durch Einsatz neuer Materialien und Erweiterung des Funktionsumfangs elektronischer Tags Grundsätzlich existieren aktuell zwei sich in gewisser Weise ergänzende technologische Lösungsansätze. Eine Möglichkeit besteht darin, den gesamten Tag auf Basis halbleitender Polymere zu realisieren. Verglichen mit den siliziumbasierten Tags von heute wird der Produktionsprozess massiv vereinfacht. Die gesamte Schaltung kann gedruckt werden und ist für wenige Eurocent zu haben. Allerdings steckt die Technologie heute noch in den Kinderschuhen. Mit ersten massenmarktfähigen Produkten wird von Experten nicht vor 2010 gerechnet. Vor allem im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Produktverpackungen im Konsumgüterbereich
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dürfte sich diese Technologie durchsetzen. Im Folgenden wird dieser Ansatz aus Platzgründen allerdings nicht weiter betrachtet. Die Ausführungen konzentrieren sich vielmehr auf den folgenden Ansatz: die Erweiterung des Funktionsumfangs elektronischer Tags um Vernetzungs- und Lokalisierungsaspekte. Ad-hoc-Netzwerke, die elektronische Etiketten miteinander verbinden, lösen das oben beschriebene Kommunikationsproblem. Durch die direkte Kommunikation zwischen den Funkknoten in einem Objektcluster werden Kommunikationsabstände verkürzt und Abschattungsprobleme ausgeschlossen. Die Kommunikationssicherheit wird damit massiv erhöht. Diese Funkknoten müssen wegen der komplexen Prozesse einen Mikrocontroller beinhalten. Durch Integration ausgewählter Funkknoten in existierende Kommunikationsinfrastrukturen können logistische Objekte im Prinzip kontinuierlich mit der Umgebung verbunden bleiben. Mit Funkknoten lassen sich Objekte im Sinne des „Ambient Intelligence“-Gedankens zudem in intelligente Umgebungen einbetten. Auf diese Weise kann die Voraussetzung für autonomes Handeln, die Kenntnis von Umgebung und Situation hergestellt werden. Seit Kurzem stehen zusätzlich Verfahren für die kleinräumige Lokalisierung von Objekten auf Freiflächen und in Gebäuden zur Verfügung [7]. WLAN-basierte Systeme lassen die Lokalisierung von Objekten mit wenigen Metern Genauigkeit zu. Im Falle adaptiver Antennenarrays kann die Entfernung zum Sender über die Schätzung des Einfallswinkels einer elektromagnetischen Welle bestimmt werden. 20 bis 30 Zentimeter Genauigkeit sind hier möglich. Mit weiteren Verfahren kann die Position eines Senders bis auf wenige Zentimeter genau bestimmt werden („WiTrack“).1 Schließlich besteht die Möglichkeit, in Sensornetzwerken die relative Position eines Funkknotens zu anderen mit hoher Genauigkeit zu errechnen. Alle Verfahren und Technologien können für logistische Einsatzzwecke angepasst und mit den RFID-Lösungen von heute verknüpft werden. Der höhere Preis entsprechender Funkknoten, verglichen mit den Tags von heute, wird grundsätzlich durch den deutlich erhöhten Funktionsumfang gerechtfertigt. Vor allem die letztgenannte Variante scheint im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Überlegungen für die praktische Anwendung im Bereich hochpreisiger Güter interessant. Im folgenden Abschnitt wird detaillierter auf die Technologie eingegangen.
1
Das System wurde am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen für die Lokalisierung von Sportgeräten entwickelt, ist aber im Grunde auch im Rahmen industrieller Anwendungen einsetzbar.
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4 Die Technologie der Sensornetzwerke im Fokus: Vernetzung und Lokalisierung Der erweiterte Funktionsumfang, der durch elektronische Etiketten erreicht wird, soll zu intelligenten logistischen Objekten und Umgebungen führen. Dabei sind die wesentlichen Merkmale • • • •
eingebettete Verarbeitung dezentral am Objekt, reaktives Verhalten auf die Situation und die Umgebung, robustes, fehlertolerantes und sicheres Systemverhalten, soziales Kommunizieren mit anderen Objekten oder der Umgebung sowie • zielorientiertes Verfolgen eines Auftrags. Damit diese Aufgaben erfüllt werden können, ist eine drahtlose Kommunikation und Lokalisierung notwendig. Für die drahtlose Kommunikation der logistischen Objekte untereinander sowie mit der Umgebung wird die vermaschte Kommunikation in mobilen Ad-hoc-Netzen eine wichtige Rolle spielen. Vermaschte Kommunikation bedeutet, dass grundsätzlich jedes Objekt mit jedem anderen kommunizieren kann und eine Datenweiterleitung über Zwischenknoten erfolgt. Auf diese Weise werden logistische Objekte in der Lage sein, sich reaktiv und sozial zu verhalten, um damit die delegierten Aufgaben zu erfüllen. Diese Art der Kommunikation wird weltweit im Bereich der drahtlosen Sensornetze erforscht. Die wichtigsten Themen dabei sind Strom sparende Protokolle sowie die Selbstorganisation der Kommunikation. Die dabei zu entwickelnden Kommunikationsprotokolle befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen den sich gegenseitig beeinflussenden Eigenschaften Energie, Latenz, Durchsatz und Skalierbarkeit. • Energie: Jede Sende- und Empfangsaktivität verbraucht Energie. Aktuell am Markt verfügbare Funkknoten benötigen zum Senden oder Empfangen rund 10 bis 100 Milliwatt, teilweise noch mehr. Daher ist es das Ziel, die aktiven Betriebsphasen möglichst kurz zu halten und die Übertragungszyklen zu takten und zwischen den Knoten zu synchronisieren. Nachdem die Funkknoten auch möglichst kurze und seltene Empfangszeitfenster haben, sinkt der mögliche Datendurchsatz und steigt die Latenzzeit. • Latenz: Die Latenzzeit beschreibt die Dauer zwischen einem Ereignis und der Reaktion darauf. Bei Sensornetzen wird die Latenzzeit durch die Aktivitätszyklen, das Datenaufkommen, das Routingverfahren und die Anzahl der Zwischenknoten beeinflusst.
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• Durchsatz: Der Datendurchsatz beschreibt die Menge der Daten, die pro Zeiteinheit über einen Übertragungskanal geschickt werden kann. Nachdem bei einer Kommunikation über mehrere Zwischenknoten die gleichen Daten das Übertragungsmedium mehrfach belegen, sinkt der mögliche Datendurchsatz stark mit der zunehmenden Anzahl von Funkknoten in einem Netz. • Skalierbarkeit: Die Skalierbarkeit beschreibt das Systemverhalten bei wachsenden Funkknotenzahlen bzw. steigender Knotendichte. Nachdem sich die vier genannten Eigenschaften stark gegenseitig beeinflussen, ergibt sich bei der Auslegung des Kommunikationsprotokolls ein Zielkonflikt, bei dem die Parameter anwendungsspezifisch abgewogen werden müssen. Die zweite notwendige Eigenschaft für intelligente Objekte in der Logistik ist die Lokalisierung. Über die Navigationssysteme im Auto ist die Lokalisierung über Satelliten sehr bekannt geworden. Das genutzte System GPS (Global Positioning System) basiert auf Satelliten, die zeitlich hochgenaue Signale aussenden. Durch die Messung der Signallaufzeiten am Empfänger und die Kenntnis der Satellitenpositionen lässt sich die eigene Empfängerposition bestimmen. Ohne zusätzliche Unterstützungs- oder Korrekturverfahren (assisted GPS, differential GPS) erreicht das System je nach Satellitenkonstellation eine Genauigkeit von einigen Metern bis einigen zehn Metern. Das System scheitert allerdings beim Einsatz am einzelnen kleinen logistischen Objekt an der mangelnden Durchdringung von Gebäuden oder Materialien, so dass eine Positionsbestimmung in Gebäuden oder in Gebinden schwierig oder unmöglich wird. Darüber hinaus bedeutet ein GPS-Empfänger weiteren Stromverbrauch sowie eine zusätzliche Antenne. Naheliegender sind daher Lokalisierungsverfahren, die lokal zur Verfügung stehende Kommunikationssysteme (z. B. WLAN oder DECT) mit nutzen. • Baken-System: Dabei handelt es sich um ein einfaches Erkennen der Annäherung an einen Ankerknoten mit bekannter Position. Sobald ein Ankerknoten erkannt wird, weiß das System, dass es sich in dessen Nähe befindet. Die Genauigkeit ist in der Größenordnung der Senderreichweite. Überlappen sich die Bereiche der einzelnen Ankerknoten, können mehrere Nachbarschaftsinformationen zur Positionsberechnung herangezogen werden. Einfachste Möglichkeit ist die geometrische Mittelwertbildung der detektierten Senderpositionen. • Trilateration: Zur Genauigkeitserhöhung werden bei der Trilateration die Entfernungen zu den Ankerknoten bestimmt. Über geometrische Gleichungen kann die Position berechnet werden. Meistens werden in
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Sensornetzen nicht nur drei, sondern viele Senderabstände geschätzt oder gemessen, was dann zur sogenannten Multilateration führt. Abstandsinformationen können über Laufzeiten (Time of Arrival – ToA), Laufzeitdifferenzen (Time Difference of Arrival – TDoA) oder Feldstärkeinformationen (Radio Signal Strength Indicator – RSSI) gewonnen werden, wobei die Laufzeitmessung eine hohe Anforderung an die Hard- und Software stellt und daher für Funkknoten mit einer begrenzten Energiemenge nicht sinnvoll erscheint. • Multihop-Lokalisierung: Hierbei werden im Falle der MultihopKommunikation auch Ankerknoten mit berücksichtigt, die nicht in der direkten Reichweite des Empfängers liegen. Dieses Verfahren ist dann sinnvoll, wenn die Knotendichte hoch ist, sich aber wenige Ankerknoten mit bekannter Position im Empfangsbereich befinden.
5 Ein Technologiebeispiel: Sensornetzprotokoll „Slotted MAC“ In großflächigen Lokalisierungs-, Verfolgungs- und Überwachungssystemen sowie in logistischen Anwendungen, wo häufig hunderte bis tausende Sensorknoten verteilt sind, werden verhältnismäßig viele Nachrichten ausgetauscht und müssen ohne lange Verzögerungen durch MultihopKommunikation an den Zielort übertragen werden. In diesen Anwendungsfällen benötigt man sowohl hohe Datenraten über die Luftschnittstelle, um das Aufkommen an Nachrichten besser verkraften zu können, als auch eine Optimierung der Organisation der Kommunikation zwischen den Knoten, um die Latenzen ausreichend reduzieren zu können. Der Ansatz, der bei der Entwicklung des Sensornetzprotokolls „Slotted MAC“ verfolgt wurde, ist die Kombination einer Strom sparenden Sensorknoten-Hardware, die ein Funkteil mit hoher Datenrate besitzt, um die Datenpakete in möglichst kurzen Pulsen zu verschicken, mit einem Kommunikationsprotokoll, das eine schnelle Multihop-Weiterleitung der Daten erlaubt. Das speziell entwickelte Medienzugriffsprotokoll (Medium Access Control – MAC) des Sensornetzprotokolls „Slotted MAC“ stellt dabei Eigenschaften zur Verfügung, die es für den Strom sparenden Einsatz mit geringen Latenzzeiten besonders geeignet machen. Das Sensornetzprotokoll „Slotted MAC“ vereint die Effizienzvorteile eines Zeitmultiplex-Systems (Time Division Multiple Access TDMA) mit der Skalierbarkeit und Flexibilität von konkurrierenden Protokollen (contention-based). Die wichtigsten Protokolleigenschaften sind
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Abb. 1. Rahmenstruktur des Sensornetzprotokolls „Slotted MAC“
• schneller Datentransport durch das Netzwerk (geringe Latenzen), • Strom sparend durch selbstorganisierende Zeitmultiplex-Kommunikation, • Möglichkeit vollvermaschter Topologien im Batteriebetrieb, • inhärente Lokalisierungsfunktionalität sowie • mobiler Einsatz von Knoten. Basis und Taktgeber des Systems ist der zentrale Zugangsknoten (Master), auf dessen periodisches Synchronisationssignal (Beacon) sich das gesamte Netzwerk synchronisiert. Alle Knoten folgen einer bestimmten Rahmenstruktur (Frame). Der Start eines Rahmens wird durch das Synchronisationssignal des ausgewählten Vorgängerknotens angezeigt. Die zeitliche Rahmenkoordination wird vom Zugangsknoten vorgegeben, dessen Beacon sich im Netzwerk zeitlich versetzt ausbreitet. Ein Rahmen ist in drei Bereiche unterteilt: Synchronisationsbereich, Datenbereich und Informationsbereich. • Der Synchronisationsbereich wird von den Knoten dazu genutzt, ihr eigenes Synchronisationssignal auszusenden, um die grundlegende Baumstruktur des Sensornetzwerks zu initiieren und synchron zu halten. • Im Datenbereich werden Informationen von Netzknoten zum Master gesendet. • Der Informationsbereich dient der direkten Kommunikation zwischen benachbarten Knoten, die nicht direkt miteinander (über einen Beacon) synchronisiert sind. Dadurch erlaubt das Sensornetzwerkprotokoll „Slotted MAC“ u. a. die vollvermaschte Vernetzung von Sensorknoten. Synchronisationssignale wie Datenpakete benötigen in der Regel nur einen Rahmen, um vom Zugangsknoten zu einem anderen Knoten im Netzwerk oder andersherum geschickt zu werden. Dies wird durch die Organisation der Zeitschlitze innerhalb der Rahmenstruktur erreicht. Die Zeitschlitze sind so kaskadiert, dass ein Paket innerhalb eines Rahmens um bis
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zu fünf Knoten weitergesendet werden kann. Eine Datensenke wird somit mit der geringsten möglichen Verzögerung erreicht. Das Sensornetzprotokoll „Slotted MAC“ erlaubt die vollvermaschte Vernetzung von Sensorknoten und enthält eine automatische Lokalisierungsfunktionalität. Dies wird durch einen gesonderten Informationsbereich erreicht, der der direkten Kommunikation zwischen benachbarten Knoten dient, die nicht direkt miteinander synchronisiert sind. Über die ausgesendeten Positionen der Anker und die dazugehörigen Empfangsfeldstärken kann ein Knoten seine Position über Multilaterationsverfahren im Sensornetzwerk ermitteln.
6 Ein Anwendungsbeispiel: Sicherung von Waren im Distributionsprozess mithilfe von Sensornetzwerken Die Überwachung von Objekten spielt in vielen Bereichen eine wichtige Rolle. So besteht ein starker Bedarf an Verfahren zur Sicherung und Verfolgung von Gütern in Logistiknetzen. Teure Güter wie z. B. ElektronikProdukte verschwinden in großen Mengen auf dem Weg von der Produktionsstätte in die Verkaufsstellen. State-of-the-Art-Lösungen, mit denen Diebstähle wirklich verhindert werden können, existieren de facto nicht. Mit vorhandener Technologie können allenfalls Manipulationen an Produktverpackungen erkannt werden.2 RFID-Systeme in Kombination mit Telematikmodulen (kombinierte GPS-GSM-Einheiten), mit denen Transportgefäße überwacht werden können und die bisher in einer Reihe von Forschungsprojekten getestet wurden, haben sich im Hinblick auf die Vermeidung von Diebstählen allerdings nicht als sonderlich zuverlässig erwiesen. Das Problem liegt insbesondere darin, dass RFID-Tags nur innerhalb der sehr begrenzten Reichweite einer Basisstation und hier – im Hinblick auf die Diebstahlthematik – nur vergleichsweise unzuverlässig gelesen werden können. „Alarmanlagen“, wie man sie aus der Haustechnik und dem Automobilbau kennt, sind mit existierenden Technologien kaum zu realisieren. An dieser Stelle helfen Sensornetzwerke. Die Produktverpackungen können mit Sensorknoten ausgestattet werden, die sich nach beendeter Palettierung vernetzen, kontinuierlich untereinander Kontakt halten und so ein drahtloses, engmaschiges Sicherheitsnetz bilden.
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Diese werden hierzu mit Leiterbahnen sowie mit Sensoren, Mikrochip und Energiespeicher versehen. Mithilfe der Elektronik kann z. B. der Vorgang des unrechtmäßigen Öffnens erkannt und elektronisch auf der Verpackung dokumentiert werden.
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Wird eine Verpackung unrechtmäßig entfernt, kann das Netzwerk als Ganzes reagieren. Ein zusätzlicher Knoten an der Palette kann ein akustisches Warnsignal abgeben und gleichzeitig über vorhandene Kommunikationsnetze eine Alarmmeldung versenden. Lichtsensoren, die auf den Sensorknoten in den Verpackungen angebracht sind, können zusätzlich ein unrechtmäßiges Öffnen erkennen und ebenfalls Alarmmeldungen auslösen. Die Funkknoten können zusätzliche Daten über die Objekte speichern oder logistische Aufgaben selbstständig erledigen oder veranlassen. Daher sind neben der Diebstahlsicherung die Funkknoten auch für eine dezentrale Prozesssteuerung in der Intra- und Interlogistik einsetzbar.
Abb. 2. Prinzip eines Objektclusters durch elektronische Etiketten mit Funkknoten
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7 Offene Fragestellungen und Ausblick Das Beispiel aus dem letzten Abschnitt macht die Potenziale der neuen Technologien sehr gut deutlich. Entsprechende Produkte existieren allerdings noch nicht. Eine ganze Reihe von Problemen ist aus heutiger Sicht noch nicht oder noch nicht gut genug gelöst. Die zukünftigen technologischen Herausforderungen betreffen vor allem die Kommunikationstechnik und die Energieversorgung. • Sogenannte Aufweckempfänger (Wakeup Receiver) sind in der Lage, aufgrund eines vorhandenen Funksignals den Empfänger und die nachfolgenden Verarbeitungsschaltkreise aufzuwecken, also einzuschalten. Aufgrund der induktiven Kopplung bei niedrigen Frequenzen haben diese Aufweckempfänger allerdings eine zu geringe Empfindlichkeit und damit zu geringe Reichweite. Gegenstand der Forschung sind Funkempfänger bei höheren Frequenzen, die mittels der geringen Sendeleistung anderer Funkknoten auch über größere Entfernungen aktiviert werden können. Zweites Problem ist das Vermeiden von unbeabsichtigten Aufweckvorgängen, d. h. das reine Detektieren von Signalenergie im Frequenzband ist nicht ausreichend. Hier sind entsprechende Korrelatorschaltungen im Empfänger möglich, die ein selektives Aufwecken erlauben. • Logistische Objekte durchlaufen unterschiedliche Prozessschritte, bei denen sich die Anforderungen an die Kommunikationsprotokolle hinsichtlich Energieverbrauch, Latenz, Durchsatz und Skalierbarkeit ändern. Hier können adaptive Protokolle, insbesondere im Bereich der Medienzugriffsschicht, eine Lösung darstellen. Funkknoten können sich dadurch individuell auf die Umgebung und die Anforderungen einstellen. • Bei der Energieversorgung sind immer höhere Leistungsdichten der Energiequellen gefragt. Dadurch steigt die Einsatzdauer oder sinkt die Baugröße. Darüber hinaus ist es interessant, Energie aus der Umgebung zu gewinnen. Gesucht sind Wandler, die aus Licht, Bewegung bzw. Beschleunigung oder Temperaturunterschieden Energie gewinnen und Schaltungen, die die Energiespeicher mit der gewonnenen Energie geschickt füllen. An all diesen Fragestellungen wird von den Instituten der FraunhoferGesellschaft intensiv gearbeitet. Mittelfristig ist mit entsprechenden technologischen Lösungen zu rechnen. In den nächsten Jahren ist übrigens nicht nur eine rasante Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit der Sensorknoten zu erwarten. Auch die Preise für Funkknoten werden
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nicht stagnieren. Experten gehen davon aus, dass Knoten, die heute noch 20 bis 30 Euro kosten, in zehn Jahren bereits für ein bis zwei Euro zu haben sein werden. Angesichts der funktionalen Weiterentwicklung dürfte sich dann, abgesehen von der Warensicherung, eine Vielzahl weiterer Anwendungen realisieren lassen.
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Simulation selbststeuernder Transportnetze
Marc Berning, Sebastian Vastag Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
1 Einführung Bestimmendes Thema in der Logistik ist seit einiger Zeit das sogenannte „Internet der Dinge“. Hierbei wird untersucht, inwiefern sich der Einsatz von RFID-Technologie und die damit mögliche Selbststeuerung von Logistikobjekten innerhalb eines geschlossenen Systems auf dessen Qualität auswirkt. Was im innerbetrieblichen Bereich mittlerweile ausgiebig betrachtet wurde, ist auf der anderen Seite der Betriebs- und Lagertore noch weitestgehend unerforscht. Hierzu werden jedoch innerhalb der Abteilung Verkehrslogistik des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik vergleichende Untersuchungen durchgeführt, welche zu interessanten, teilweise auch überraschenden Ergebnissen führen. Grundlage dieser Untersuchungen sind in der Vergangenheit für KEPDienstleister optimierte Transportnetze, welche auf ihre Sensibilität bezüglich eines veränderten Mengenaufkommens hin überprüft werden. Die Frage hierbei ist, welche Menge über ein solches Netz mit statischem und wie viel mit dynamischem Routing transportiert werden kann, ohne eine Überlastung zu erzeugen. Statisches Routing bedeutet an dieser Stelle: der Weg einer Sendung innerhalb des Hauptlauf-Netzes (Transportnetz zwischen Depot- und Umschlaglagern) ist fest vorgegeben und bleibt über den Betrachtungszeitraum konstant. Alle großen KEP-Dienstleister betreiben heute ein solches statisches Netz. Beim dynamischen Routing hingegen kann für ein Packstück zu jedem Zeitpunkt sein Weg zum Ziel neu bestimmt werden. Um die Auswirkungen des Einsatzes dieser in der Logistik neuen Ansätze erproben und bewerten zu können, wurde in der Abteilung Verkehrs-
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logistik ein entsprechendes Softwaretool (ATNSim) entwickelt, welches dazu in der Lage ist, Servicenetze abzubilden und unter veränderter Last und unterschiedlichen Routingverfahren zu simulieren. Es ist leicht zu erkennen, dass sich moderne Umschlagzentren (engl. hubs) in einem solchen Transportnetz vergleichbar zu Routern im Internet verhalten; daher lag der Ansatz nahe, bereits vorhandene DatennetzRoutingalgorithmen auf die Logistik zu adaptieren. Logistische Verteilzentren entscheiden also analog zu Knotenpunkten paketorientierter Datennetze eigenständig über den Weg des Weitertransports einer Sendungseinheit, um eine möglichst gute Auslastung vorhandener Fahrzeuge und einen möglichst schnellen Weg durch das Transportnetz zu ermöglichen. Informationen, die für die Algorithmen dezentral zur Verfügung stehen, sind die erwartete Auslastung eines jeden Umschlagstandorts, die Stauwahrscheinlichkeiten auf Relationen (Strecken zwischen den einzelnen Knotenpunkten des Netzes) sowie die durchschnittlich bis zum Ziel benötigte Zeit. Beim dynamischen Routing erfolgt nach Wahl der nächsten Durchgangsstation dort automatisiert die Anmeldung der Sendung. Das Vorauseilen der Sendungsinformation ist hierbei wichtig, denn es erlaubt detailliertere Prognosen über die Belastung des Netzes in der Zukunft, welche wiederum ausschlaggebend für die Wegauswahl nachfolgender Sendungen sind. Durch diese zeitnahe und vorausschauende Bestimmung der besten Transportwege wird erprobt, Überlastungen einzelner Relationen und Hubs zu vermeiden.
2 Simulationsmodell Natürliche und komplexe Logistiknetze lassen sich in ihrer Gesamtheit nicht durch ein deterministisches Teilmodell beschreiben – sie sind stochastische Vorgänge. Daher wird die exakte Vorhersage der Ereignisse im Simulator des Fraunhofer IML durch ihr Auftreten approximierende Zufallsverteilungen ersetzt. Aufkommen von Sendungseinheiten an den einzelnen Netzknoten werden somit zufällig erzeugt, halten sich aber an durch ein Modell vorgegebene Mengenverteilungen. Der Großteil der Prozesse innerhalb eines realen Transportnetzes hat keine festgelegte Dauer, vielmehr variiert ihre Ausführungszeit zufällig. In erster Linie sind hier Lagerein- und -auslagerungen, Sendungsfluss und die Ankunfts- und Abfahrtzeiten (Fahrplan) von Fahrzeugen zu nennen. Das bei den Forschungen im Simulator verwendete Modell orientiert sich an diesen Ereignissen. Zur Kreation eines beliebigen mehrstufigen, außerbetrieblichen Transportnetzes wurden die Komponenten der Depots,
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Hubs, Lkws und Liefereinheiten abgeleitet und in ein „logistisches Domänenmodell“ integriert. Bei der Nachbildung der Servicenetze wurde gesteigerter Wert auf ein korrektes Verhalten der Sendungseinheiten gelegt. Da für die Qualitätsbeurteilung eines selbststeuernden Servicenetzes die Ebene des Sendungsflusses zwischen den Standorten des Netzes von besonderem Interesse ist, konnte hier auf eine komplexe Abbildung der Arbeitsprozesse innerhalb der Lager- und Umschlagstandorte vorerst verzichtet werden. Bei der Untersuchung reiner Distributionsnetze wäre dieses nicht möglich, da in diesem Fall Lagerkapazitäten, Sicherheitsbeständen und Wiederbeschaffungszeiten hohe Bedeutung zukommen würde.
3 Forschungsgrundlagen Die den Simulationsläufen/Experimenten zugrunde liegenden Transportnetze, welche die Ergebnisse in der Vergangenheit durchgeführter strategischer Netzplanungen realer Servicenetzdienstleister sind, stellen eine möglichst gute Lösung (evolutionäre Algorithmik) für den Warenverkehr zwischen gegebenen Standorten bei einem fest vorgegebenen Aufkommen dar [3]. Sowohl die entsprechenden Fahrpläne, die Fahrzeugtypen, deren Anzahl als auch eine statische Routingtabelle sind Teil dieser Optimierungen. Bei normalem Wirkbetrieb ist dieses einmalig optimierte Sendungsrouting die beste Option für einen schnellen und kostengünstigen Transport im Netzwerk. Unter Idealbedingungen können Sendungen innerhalb eines Standorts direkt zwischen den Transportmitteln umgeschlagen werden (cross docking), ein Umweg über das Zwischenlager ist nicht notwendig. Überfüllte Transportmittel und somit auch in einem Lager liegen gebliebene Sendungen stellen hier die Ausnahme dar. Im Normalfall werden diese 24 Stunden später abtransportiert und der Lagerbestand bleibt konstant gering. Simuliert wurde ein Netz mit zehn Depotstandorten, welches bei einem gegebenen Aufkommen (100 %) unter beiden Routingverfahren einen reibungsfreien Fluss der Sendungen gewährleistete. Keine Sendung musste kurzzeitig gelagert werden. Alle Depots waren reine Umschlagpunkte. Schon bei einer Aufkommenssteigerung von 10 % blieben jedoch bei statischem Routing Sendungen liegen, was bei dynamischem Routing erst bei einem zusätzlichen Aufkommen von 20 % der Fall war. Ab einer Aufkommenssteigerung von 30 % liefen bei statischer Wegführung erste Lager über. Unter Zuhilfenahme von dynamischem Routing konnten 40 % mehr Last noch bewältigt werden.
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Marc Berning, Sebastian Vastag
Abb. 1. Lagerbelegung des Netzes mit zehn Umschlagstandorten
Interessant wird ein verändertes Routing der Sendungseinheiten über Zwischenknoten somit erst, wenn ein Netz an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Zuvor verhalten sich statische und dynamische Routingverfahren identisch, da sie hier immer den gleichen, kürzesten Weg priorisieren. Ziel der Untersuchungen ist es also, diese Grenze eines Netzes unter statischem Routing und unter dynamischem Routing zu bestimmen und die Ergebnisse miteinander zu vergleichen. Hierzu ist es notwendig, ein Kriterium zu definieren, welches die Überlastung eines Logistiknetzwerks ersichtlich macht. Im Simulator wird dieses anhand der Auslastung eines Knotens bestimmt. Wird innerhalb eines beliebigen Knotens die maximale Größe des Lagerbestands überschritten (Anzahl der liegen gebliebenen Sendungen > max. Anzahl Sendungen auf dem Lager), so ist das System überlastet. Für Depots, bei denen dieser Maximalwert nicht explizit angegeben ist, wird ein Steigungskriterium verwendet. Steigt der Bestand des Umschlaglagers innerhalb des Betrachtungszeitraums kontinuierlich an und findet kein entsprechender Abfluss von Sendungseinheiten statt, so gilt dieser Knoten und somit das gesamte Netz als überlastet. Zur Bestimmung der Steigung jedes kontinuierlichen Lagerbestandsverlaufes wird eine statistische Glättungsfunktion genutzt.
4 Algorithmen Der Großteil moderner Datennetze überträgt Informationen paketorientiert. Das hierfür meistgenutzte Protokoll ist das sogenannte Internet Protocol (IP) mit seinen Varianten der Transportschicht TCP, UDP und SCTP. Im IP-Schichtenmodell hat die Vermittlungsschicht die Aufgabe, Datenpakete vom Sender bis zum Empfänger über eventuelle Zwischenstationen (Rou-
Simulation selbststeuernder Transportnetze
123
ter) zu leiten. Für diese Schicht existieren Routingalgorithmen („Weiterleitungsalgorithmen“ [1]), die den effektiven Fluss der Datenpakete innerhalb eines Netzwerks sicherstellen sollen. Aktuelle Forschungsprojekte befassen sich mit naturanalogen Routingverfahren (Schwarmintelligenz) für dynamische Ad-hoc-Netzwerke [2], welche jedoch für momentane Logistiknetze eher statischer Natur vorerst von geringerem Interesse sind. Hier reichen die klassischen und hinreichend erprobten Verfahren aus. Für das statische Routing wurde in ATNSim ein einfaches nichtadaptives Verfahren implementiert, welches als Grundlage für seine Routingentscheidung eine Look-up-Tabelle der Ergebnisse der strategischen Netzplanung nutzt. Für das dynamische Routing der einzelnen Sendungseinheiten wurde das Routing Information Protocol von TCP/IP-Datennetzen adaptiert, welches wiederum auf dem Distanzvektorverfahren [1] basiert. Jeder einzelne Knoten benötigt hier nur die Kenntnis über seine direkten Nachbarn, was grundsätzlich eine dezentrale Struktur gewährleistet. Für den Betrieb eines logistischen Transportnetzes gibt es jedoch einige Rahmenbedingungen, welche in dieser Form für Kommunikationsnetze nicht gelten. In erster Linie darf hier keine Sendung verloren gehen. Ein erneutes Verschicken, wie es beim Verlust von Datenpaketen automatisiert geschieht, ist nicht möglich. Die Routingentscheidung ist nicht nur zeit-, sondern gegebenenfalls auch entfernungs- und kostengetrieben.
5 Simulationsergebnisse Die in den Simulationsläufen erreichten Ergebnisse sind vielversprechend. Unter Einsatz von dynamischem Sendungsrouting konnte innerhalb der Netze eine Steigerung der nutzbaren Hauptlaufkapazität von durchschnittlich bis zu 15 % erreicht werden, ohne dass eine Umplanung der Relationen auf taktischer Ebene notwendig wäre. In manchen Netzen konnten existierende Engpässe durch die Simulation erkannt und mithilfe der dynamischen Routenführung ausgeglichen werden. Die zusätzlichen Sendungsvolumen wurden auf freie Ladungskapazitäten verteilt, was eine wesentlich bessere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge ergab. Die mitgeführte Ladungsmenge eines Fahrzeugs wurde um bis zu 30 % erhöht. Interessant ist die Verschiebung der Verteilung der Versanddauer. Eine dynamische Routenführung bewegt deutlich mehr Sendungen innerhalb des ersten Tages (1440 Minuten) bis zum Zieldepot, während sich beim klassischen Routing das Eintreffen vieler Sendungen auf den zweiten oder gar dritten Tag verschiebt. Grund hierfür ist, dass diese Sendungen aufgrund von Kapazitätsengpässen auf den Relationen 24
124
Marc Berning, Sebastian Vastag
Stunden eingelagert werden müssen und erst mit dem nächsten Transport gefahren werden. Ist der Fahrplan jedoch optimal für dynamisches Routing konzipiert, so werden diese Sendungen umgeleitet und haben somit nur wenige Stunden Zeitverzug. Entgegen den Erwartungen brachte die dynamische Routenführung unter den Modellbedingungen eine Verbesserung der mittleren Durchlaufzeit einer Sendung. Sie verringerte sich insbesondere unter Last um bis zu 10 % im Vergleich zum klassischen Routing, da Sendungen die streckenmäßig längere, von der situationsbedingten Zeitdauer jedoch schnellere Route dem direkten Weg vorziehen. Hier zeigt die Selbststeuerung bei Netzen, die nicht unter optimalen Bedingungen betrieben werden, ihre Vorteile. Insgesamt lässt sich aus den Auswertungen entnehmen, dass Netze mit vielen Depots von der Selbststeuerung besonders profitieren, da bei ihnen die Möglichkeit, eine alternative Route zu finden, deutlich erhöht ist. Dynamisches Routing eignet sich sehr gut zum Auffangen von Aufkommensspitzen, die beim festen Routing der Netzplanung durch Anmietung von zusätzlichen Kapazitäten hätten überbrückt werden müssen. Die Gefahr, dass die Standortlager die Menge an Paketen nicht mehr bewältigen, konnte auf diese Art und Weise minimiert werden. Die Tabelle 1 zeigt Auszüge aus einem Experiment mit einem Netzwerk mit zehn Depotstandorten. Es werden die Ergebnisse zwischen bekanntem statischen Routing und dem neuen Ansatz des dynamischen Routings gegenübergestellt. Dazu wurde das Sendungsaufkommen im Netzwerk stufenweise auf bis zu 150 % des erwarteten Wertes erhöht. Messwerte sind jeweils die durchschnittliche Lagerbelegung in Sendungseinheiten und die durchschnittliche Durchlaufzeit einer Sendung durch das gesamte Netzwerk.
Abb. 2. Verteilung der Versanddauer
Simulation selbststeuernder Transportnetze
125
Tabelle 1. Lagerbelegung und Durchlaufzeit in Abhängigkeit von statischem und dynamischem Routing Auslastung
100 %
110 %
120 %
130 %
140 %
150 %
Lagerbelegung statisch
91,17
214,87
470,58
757,57
1112,38
1492,58
Lagerbelegung dynamisch
44,92
61,64
113,19
219,35
407,09
698,34
Durchlaufzeit statisch
1575,75
1691,71
1818,31
1907,80
1959,37
2002,26
Durchlaufzeit dynamisch
1526,28
1561,55
1658,25
1798,94
1968,79
2097,68
6 Ausblick Dem Anspruch, Expressnetze zu optimieren, kommt die dynamische Routenführung mit ihrer nicht garantierbaren minimalen Durchlaufzeit nicht entgegen. Sie bietet jedoch dort Vorteile, wo ein Betrieb mit begrenzter Verfügbarkeit von Lagerkapazität und Fahrzeugen und somit Kosteneffizienz im Vordergrund steht. Diese Netze finden ihre Kunden, die geringen Bedarf an schneller Zustellung haben, über den Preis der Beförderungsleistung. Klassischerweise handelt es sich hierbei in erster Linie um Stückgutnetze. Durch die erzielbare bessere Auslastung und Verringerung der vorzuhaltenden Lagerkapazität könnte den Kunden ein kostengünstiges und trotzdem zuverlässiges Transportnetz geboten werden. Die direkte Einbeziehung von Störungen auf den Transportverbindungen in die Routingentscheidung bringt nicht nur im Falle von Ärgernissen wie Stau einen Vorteil. Sie könnte auch den Aufbau eines Servicenetzes in Regionen ermöglichen, wo die Unpassierbarkeit einer Verbindung auf der Tagesordnung steht. Ein in nächster Zeit noch genauer zu untersuchender Faktor sind die tatsächlich anfallenden Kosten. Wie verhalten sich steigende Umschlagkosten im Verhältnis zu den auftretenden Kosten für die Anmietung zusätzlicher Transportkapazitäten bei statischer Wegführung? Was bedeutet
126
Marc Berning, Sebastian Vastag
dynamisches Routing für die Prozesse innerhalb eines Hubs? Wie werden Zieladressen zu Lager- und Rampenplätzen zugeordnet?
Literatur 1. Tanenbaum AS (2003) Computernetzwerke, Pearson Studium Verlag, 4. Auflage 2. Universität Aachen (2007) Projekt des Schwerpunktprogramms 1140 „Basissoftware für Selbstorganisierende Infrastrukturen für Vernetzte Mobile Systeme“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Titel „Entwicklung eines Ad-hoc Service Management für selbstorganisierende vernetzte mobile Systeme“; http://www-i4.informatik.rwth-aachen.de/ahsm/ 3. Vastag A, Heinrichmeyer H (2002) Planung komplexer Transportnetze im Spannungsfeld zwischen Kosten und Servicequalität, Logistik Management 1: 51ff
Modellbasiertes Requirements Engineering
Dirk Liekenbrock, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML Jürgen Elger, Siemens CT SE
1 Einführung Engineering und Betrieb großer Materialflusssysteme sind aufgrund der hohen Komponentenanzahl sowie der herzustellenden Schnittstellen sehr komplex. Komplexität tritt in allen Phasen der Lebensdauer logistischer Systeme auf. Die Optimierung von Kosten, Qualität und Leistung einzelner Bestandteile eines Systems wirkt sich in der Regel auf den gesamten Life Cycle aus. Vor diesem Hintergrund ist die Wirksamkeit technischer und organisatorischer Optimierungsmaßnahmen an den unterschiedlichen Anforderungen zu spiegeln, die im Lebenszyklus eines Logistiksystems auftreten. Als Partner im Verbundvorhaben „Internet der Dinge“ verfolgen die Siemens AG und das Fraunhofer IML die Entwicklung neuartiger Steuerungskonzepte für Materialfluss- und Logistiksysteme mit RFID-Systemen und Softwareagenten als technologischer Basis. Um den Nutzen der Ergebnisse frühzeitig qualifizieren zu können, soll eine Vorfeldanalyse die Auswirkungen dezentraler Steuerungstechnologien über den gesamten Lebenszyklus logistischer Systeme beleuchten. Am Ausgangspunkt einer solchen Analyse steht die Aufnahme aller relevanten Anforderungen, die im Zuge der Planung, Realisierung und des Betriebs von Materialfluss- und Logistiksystemen aus Sicht der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Der Nutzen neuer Technologien wird offenbart, wenn in bestimmten Phasen des Lebenszyklus einer Anlage Anforderungen mit geringerem Aufwand oder mit einer erweiterten Funktionalität erfüllbar sind als bisher.
128
Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
Für eine Analyse möglicher Ansatzpunkte des Requirements Engineering (RE) bilden in diesem Beitrag die Bereiche Baggage Handling und Warehouse Logistics Anwendungsdomänen. Detailliert erfasstes Projekt- und Domänenwissen soll genutzt werden, um mögliche Anwendungsfelder der adressierten Technologien zu identifizieren und dabei gleichsam Ansatzpunkte für Prozessoptimierungen darzustellen. Ausgangspunkt für die Analyse sind Hypothesen, mit denen die Erwartungshaltung an die adressierten Technologien dokumentiert wird. Die Aufnahme des Domänenwissens erfolgt in Expertengesprächen, welche die Basis für die Einordnung im Modell und die anschließende Analyse liefern. Als letzter Schritt eines RE zeigt diese Analyse klare Hebel für die Optimierung bestehender Prozesse und Strukturen auf.
2 Technologisches Umfeld für das Internet der Dinge 2.1 Basistechnologien Das Internet der Dinge wird durch technologische Entwicklungen der Kommunikations- und Rechnertechnik beeinflusst. Ein Motor ist die Miniaturisierung und Steigerung der Rechenleistung, mit der hochgradig verteilte Rechneranwendungen ermöglicht werden. Verschiedentlich ist in diesem Zusammenhang die Rede vom Ubiquitous Computing und der Radio Frequency Identification. Mit Ubiquitous Computing ist die Vorstellung eines allgegenwärtigen Einsatzes von Rechnersystemen bezeichnet. Möglich wird diese Vorstellung durch eine fortschreitende Miniaturisierung der Mikroelektronik (Moore’sches Gesetz) und eine kontinuierliche Verbreitung von Rechnersystemen. Auch in der industriellen Automatisierung entstehen durch neue Technologien Ansatzpunkte für neuartige Anwendungen. Starke Trends sind hier eingebettete Systeme und die Konvergenz von Kommunikationstechnologien. Vormals heterogene Kommunikationsinfrastrukturen auf unterschiedlichen Ebenen der Automatisierung werden zunehmend durch Ethernet (TCP/IP1) abgelöst und führen zu einer transparenten Vernetzung von Sensoren, Aktoren, Automatisierungsgeräten sowie Rechnern auf übergeordneten Ebenen. Auch die Ausführung von Rechnerplattformen ist diesem Wandel unterworfen. Während vormals klare architektonische Unterscheidungen der eingesetzten Hardware auszumachen waren, ist auch hier ein Wandel zu 1
Transmission Control Protocol/Internet Protocol.
Modellbasiertes Requirements Engineering
129
beobachten. Beide Entwicklungen werden in den nächsten Abschnitten skizziert. Identifikation ist eine Schlüsselfunktion für die Steuerung logistischer Ströme. RFID (Radio Frequency Identification, engl. funkgestützte Erkennung) erlaubt das sichtfreie und berührungslose Lesen bzw. Speichern von Daten auf einem Transponder, der direkt an einem zu erfassenden Objekt (d. h. entweder am Transportgut oder direkt am Produkt) appliziert werden kann. RFID wird verschiedentlich auch als Oberbegriff der technischen Infrastruktur verwendet. Ein RFID-System umfasst • einen bzw. mehrere Transponder (auch: RFID-Etikett, -Chip, -Tag, -Label oder Funketikett), • die Sende-Empfangs-Einheit (Reader) und • die Integration in bestehende IT-Landschaften wie z. B. Lagerverwaltungs- oder ERP-Systeme (durch eine sog. Middleware). Die Datenübertragung zwischen Transponder und Reader erfolgt mittels eines elektromagnetischen Wechselfeldes. Die Distanz, über die ein RFIDTransponder angesprochen werden kann, variiert je nach Ausführung (passiv/aktiv), verwendetem Frequenzband, der Sendeleistung sowie Umwelteinflüssen zwischen wenigen Zentimetern und mehr als einem Kilometer. Zur Kennzeichnung logistischer Objekte (Behälter, Paletten) sind Transponder mit 13,56 MHz (HF) bzw. 868 MHz (UHF) gebräuchlich. Beide Typen sind Gegenstand der Standardisierungsbestrebungen durch die EPCGlobal-Initiative. Neben dem Electronic Product Code (EPC) als eindeutiger Kennung des Chips sind zusätzliche Datenfelder zur Speicherung beliebiger Nutzdaten vorgesehen. Eine Normierung der Nutzung dieser Datenfelder wird ebenfalls durch EPCGlobal vorangetrieben. Industrial Ethernet, d. h. die IP-basierte Kommunikation bis auf die Feldebene, ist eine Fortführung des aus der Bürovernetzung bekannten Ethernets, das als Kommunikationsmedium zur Vernetzung von Rechnern eingesetzt wird. Aufgrund der Umgebungsbedingungen im industriellen Umfeld sind allerdings besondere Anforderungen zu stellen. Dies betrifft wesentlich die Punkte • Störungssicherheit: Vermeidung von Signalverfälschungen aufgrund elektromagnetischer Felder, bspw. durch geeignete Abschirmung, • Fehlertoleranz: Robustheit gegenüber Signalverfälschungen durch Fehlererkennungs- bzw. -korrekturmechanismen, • Datensicherheit, Zugriffsschutz: Verhinderung eines unbefugten Zugriffs auf das Netzwerk, • Echtzeitanforderungen: Einhalten maximaler Übermittlungszeiten.
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
Störungen im Netzwerk, die zu Standzeiten und einem Ausfall der Materialflusstechnik führen können, müssen durch besondere Vorkehrungen (z. B. redundante Kommunikationspfade) vermieden bzw. auf ein Minimum reduziert werden. Auch heute ist der überwiegende Anteil aller Prozessdaten in automatisierten Industrie- und Materialflussanlagen2 durch Anwesenheits-, Positions- und Lageinformationen sowie Schaltvorgänge von Antrieben charakterisiert. Diese Informationen lassen sich als binäre Signale in boolschen Verknüpfungs- und Ablaufsteuerungen verarbeiten. Bei der feldnahen Automatisierung mit Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) sind diese Abläufe als logische Schaltnetze erstellbar. Da die Steuerungslogik einer SPS als Software programmiert wird, kann sie aufwandsarm erstellt und bei Bedarf geändert werden. Speicherprogrammierbare Steuerungen sind eine Weiterentwicklung festverdrahteter Verknüpfungs-Steuerungen (vgl. Abb. 1), die als Rechnersysteme mit Prozessor, Speicher und IO-Baugruppen aufgebaut sind. Logische Verknüpfungen, Zählvorgänge und arithmetische Operationen werden als Abfolge einzelner Befehle sequenziell in der CPU verarbeitet. Die SPS-Hardware mit dem zugehörigen Betriebssystem und die Software zur Entwicklung von Steuerungen sind ausschließlich für Automatisierungsaufgaben im prozessnahen Bereich mit den dort vorherrschenden Aufgaben der digitalen und analogen Messwerterfassung bzw. -verarbeitung vorgesehen.
Abb. 1. Entwicklung der Steuerungstechnik
2
Ca. 80 % lt. VDMA.
Modellbasiertes Requirements Engineering
131
Die Bauformen reichen von Stand-alone- und netzwerkfähigen Geräten in unterschiedlichen Größenordnungen3 über Slot-SPS4 mit FeldbusSchnittstelle bis hin zu kombinierten NC/SPS-Bausteinen (Antriebsregler). Bei PC-basierten Architekturen ist, bedingt durch ähnliche Hardwareplattformen und Betriebssysteme von PCs, eine weitgehende Interoperabilität von Systemen und Anwendungen sichergestellt. Die Systemkonfiguration solcher Rechner ist typischerweise nicht durch Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit oder Hochverfügbarkeit gekennzeichnet. In dieser Konfiguration finden PCs ebenfalls als Leitrechner zur Auftragsdisposition und -verwaltung in Materialflusssystemen Anwendung: • • • •
Staplerleitsystem Leitsystem eines Fahrerlosen Transportsystems (FTS) Kommissionierleitsystem Transportleitsystem für Stetigfördersysteme
Im engeren Sinne werden Transportleitsysteme für Stetigfördersysteme als Materialflussrechner (MFR) bezeichnet. Je nach Größe und Ausprägung des Materialflusssystems können auch mehrere der genannten Funktionen von einem Rechnersystem koordiniert sein, der Begriff des Materialflussrechners ist so ein Synonym für ein Leitsystem. Eine Sonderform stellen Industrie-PCs (IPCs) dar, die zur Maschinensteuerung eingesetzt werden. Unterschiede zu SPS bilden die Hardwareplattform (x86-Architektur), die verwendeten Betriebssysteme (vor allem Windows, Unix-Derivate) sowie die ausgeführten Schnittstellen und Komponenten dieser PCs. Abweichend von Arbeitsplatzrechnern ist bei IPCs insbesondere ein angepasstes, echtzeitfähiges Betriebssystem erforderlich, mit dem eine determinierte Antwortzeit der Prozesse sichergestellt wird. Im Sinne einer Definition sind für einen IPC die folgenden Leistungsmerkmale zu erfüllen: • x86-Architektur (Prozessor, Speicher, Bus, Controller) • SRAM (Flash): Datenherstellung nach Wiederanlauf • Schnittstellen: Netzwerk zur Gerätevernetzung untereinander, Feldbus bzw. Ethernet für die Anschaltung von IOs, USB-/serieller Port für Bedienerzugriffe vor Ort • echtzeitfähige Betriebssystemerweiterung (Realtime Task Scheduler) Agentensysteme werden etwa seit den 80er Jahren verstärkt propagiert. Im Sinne einer Landkarte kann die Entwicklung von Agentensystemen 3 4
Art und Anzahl der IOs, Prozessorleistung. Einbaukarten für Rechner (PCs).
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
grob an zwei Forschungsrichtungen, der KI5(Künstliche Intelligenz) und dem OR6 (Operations Research) skizziert werden. Ziele der KI sind das künstliche Nachbilden menschlicher Fähigkeiten und Verhaltensweisen in Teildisziplinen (Maschinensehen, Spracherkennung, Mustererkennung, Entscheidungsfindung, Lernen) und ihrer industriellen Umsetzung (Robotik). Die mit Agentensystemen assoziierten Merkmale leiten sich wesentlich aus dieser Forschungsrichtung ab: • • • •
Autonomie Entscheidungsfindung Interaktion mit der Umwelt soziales Verhalten
OR hat die Entwicklung mathematischer Lösungsmethoden zur Beschreibung technischer und ökonomischer Systeme zum Ziel. Eine typische Aufgabenstellung ist die Optimierung von Produktionsabläufen. Bei den in der Logistik überwiegenden diskreten Prozessen gilt es, Güter bzw. Transporteinheiten, die durch Aufträge in der IT abgebildet sind, so an die leistungserbringenden Einheiten (Maschinen, Fördermittel, Personal) zu übergeben, dass alle Aufträge innerhalb vorgegebener Zeitfenster unter Einhaltung weiterer Restriktionen wie Kapazitäten, maximale Verspätung usw. erfüllt werden können. Diese Aufgabenstellungen führen häufig zu kombinatorischen Optimierungsproblemen, die eine besondere Herausforderung des OR darstellen und in einer Vielzahl von Veröffentlichungen dokumentiert sind. Allgemein ist ein Softwareagent ein autonom arbeitendes Computerprogramm [9], das für Entscheidungs- und Vermittlungsdienste zuständig ist. Dieses Programm löst Aktionen aus, reagiert auf Änderungen der Umgebung und kann auch mit anderen Agenten kommunizieren [6]. Mobile Agenten können die Plattform (den Server) wechseln und am neuen Ort die gleiche Aufgabe weiter bearbeiten. Die Einsatzgebiete von Agenten sind in den Bereichen des E-Commerce, der Simulation, der Informationsrecherche, der Erledigung von Routineaufgaben und in autonomen Systemen. Im Bereich der Simulation gibt es das Spezialgebiet der MultiAgenten-Simulation bzw. Gruppensimulation. Es gibt zahlreiche Agentenplattformen im wissenschaftlichen und kommerziellen Umfeld. Diese haben meist einen speziellen Fokus, etwa intelligentes Verhalten, Sicherheit oder effiziente Migration. Bekannte Agen5 6
Engl. AI – artificial intelligence. OR wird im betriebswirtschaftlichen Kontext häufig als Unternehmensforschung verstanden. Gleichermaßen sind mit OR die zugrunde liegenden mathematischen Optimierungsmethoden bezeichnet.
Modellbasiertes Requirements Engineering
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tenplattformen sind KQML7 (Knowledge Query and Manipulation Language) oder FIPA8 (Foundation for Intelligent Physical Agents) mit verschiedenen Implementierungen, z. B. JADE (Java Agents Development Framework). 2.2 Perspektive für zukünftige Anwendungen Eine Methode zur Prognose möglicher Effekte von Technologiekomponenten ist die Szenarienbildung, mit der ein Bild zukünftiger Applikationen entworfen wird. Diese Szenarien beruhen naturgemäß auf Hypothesen, die mit dem Einsatz der benannten Basistechnologien verbunden sind. Zwei Szenarien und die jeweils assoziierten Hypothesen sind im Folgenden beschrieben. Szenario 1: Plug&Operate-Förderanlagen
Förderanlagen werden aus einzelnen Elementen aufgebaut, die einen durchgehenden, kontinuierlichen Transport zwischen den Auf- und Abgabestellen der geförderten Objekte herstellen sollen. Obwohl sich Förderelemente nach ihrer technischen Ausführung weitreichend differenzieren lassen, sind wenige Grundfunktionen zur Beschreibung eines Fördernetzwerks ausreichend. Dem Konzept von Plug&Operate-Fördersystemen liegt die Annahme zugrunde, dass Förderelemente konstruiert werden können, die mit allen mechanischen und elektrischen Komponenten sowie einer Steuerungsfunktionalität für die spezifische Grundfunktionalität versehen sind. Auf dem derzeitigen Stand der Umsetzung werden Förderelemente weitgehend modular (Baukastensysteme) hergestellt und sind mit grundlegenden mechatronischen Komponenten (Antriebe, Sensorik) versehen. Darüber hinaus ist eine Ausstattung dieser Module mit Kleinsteuerungen (IPC) denkbar, die bereits die Feldkomponenten aufschalten und mit der erforderlichen logischen Funktionalität versehen. Im Rahmen der Montage und Inbetriebnahme werden die Förderelemente zu vollständigen Anlagen aufgebaut. Beim Aufbau werden dann lediglich die benachbarten Elemente bzw. deren Steuerungsmodule vernetzt. Nachbarschaftsbeziehungen der Module können unmittelbar durch Informationsaustausch erkannt werden. Die Graphentopologie eines Materialflussnetzwerks kann zudem automatisiert abgebildet werden (Erstellen von Routentabellen an Weichen). Eine 7 8
Siehe hierzu http://www.cs.umbc.edu/kqml/. Siehe hierzu http://www.fipa.org.
134
Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
weitergehende Infrastruktur für eine anlagenübergreifende Steuerung ist insofern nicht erforderlich. Szenario 2: Autonome Objekte
Die Selbststeuerung autonomer Objekte kennzeichnet die Verlagerung von Steuerungsfunktionen von der typischerweise installierten Steuerungsinfrastruktur unmittelbar auf das umzuschlagende Gut. Auslöser sind steigende Integrationsdichten von Halbleiterbauelementen und der zunehmende Einsatz funkgestützter Kommunikationstechnologien. Diese Verlagerung der „Intelligenz“ kann in mehreren Abstufungen erfolgen: • Das Gut (Objekt) ist eindeutig identifizierbar (Stand der Technik), der Prozessablauf des Gutes wird durch einen (mobilen) SW-Agenten gesteuert, der Ressourcen anfordert, Ressourcenkonflikte aushandelt und Gutinformationen vorhält. • Am Gut können neben der ID zusätzliche Prozessinformationen gespeichert und im Prozessablauf geändert werden (erfordert wiederbeschreibbare ID-Technik – RFID). Die Prozessbeschreibung erfordert eine einheitliche Semantik, um in unterschiedlichen Systemen (Anlagen) verwendet werden zu können. • Ein Softwareagent ist auf dem RFID-Chip implementiert und koordiniert direkt am Gut den Materialfluss. Die Verlagerung von Steuerungsfunktionen auf Objekte nimmt Einfluss auf die Systemarchitektur im Feld und auf die dort noch erforderlichen SW-Funktionen. Es kann angenommen werden, dass Aufwände für die Installation der Steuerungstechnik reduzierbar sind. Die hier beschriebenen Hypothesen formulieren gleichermaßen Erwartungen an die technische Entwicklung (im Sinne von Trends) sowie prognostizierte Auswirkungen bei Anwendung der Basistechnologien auf die in Abschn. 3 vorgestellten Domänen der Materialflusstechnik. • Logistische Anforderungen an Materialflusssysteme nehmen zu. Im direkten Zusammenhang nimmt die Komplexität zu, d. h. - Komplexität der Anlagensteuerung (algorithmische Komplexität), - Komplexität durch das Anlagenbaukastensystem (Variantenvielfalt), - Komplexität aufgrund wechselnder bzw. schwankender Auftragslasten (Umfeld). • Durch Softwareagenten kann die Reaktionsfähigkeit auf ChangeRequests erhöht werden. • Hardwarekosten werden mittelfristig sinken.
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• Die Entwicklung geht hin zu standardisierten Förderelementen mit integrierter Steuerungstechnik. Förderelemente erlauben aufgrund vorkonfigurierter Steuerungstechnik eine beschleunigte Inbetriebnahme. • Zentrale Elemente der Steuerungsarchitektur werden in ihrem Funktionsumfang reduziert. Bestandteile der Steuerungs-IT (Leitsysteme, MFC) können durch die Verlagerung von Funktionen auf Förderelemente und zusätzliche Elemente (RFID) reduziert werden. • Wartung und Instandhaltung werden durch Softwareagenten vereinfacht. Softwareagenten unterstützen eine proaktive Instandhaltung, beispielsweise mit Meldungen bei Erreichen von Wartungsintervallen. • Die Wiederverwendung von SW-Komponenten ist durch einen Agentenansatz erhöht. Der Agentenansatz hat das Potenzial, den Konfigurationsaufwand zu reduzieren und die Gestaltung von Schnittstellen zu vereinfachen.
3 Domänenbeschreibung Es ist Ziel des Projektes „Internet der Dinge“, ein Rahmenwerk und damit eine gemeinsame Basis für produktionsnahe Fördertechnik und Intralogistik zu schaffen. Die Begriffe „produktionsnahe Fördertechnik“ und „Intralogistik“ adressieren hierbei Materialflusssysteme innerhalb einer räumlichen Installation („inside the four walls“), im Gegensatz etwa zu Transport-Steuerungs-Systemen für den Gütertransport per Bahn, Schiff, Lkw („outside the four walls“). Auf der Webseite der CeMAT 2008, der führenden Messe für Intralogistik, findet man hierfür folgende Definition [2]: • Intralogistik als Branchenname umfasst die Organisation, Durchführung und Optimierung innerbetrieblicher Materialflüsse in Unternehmen der Industrie, des Handels und in öffentlichen Einrichtungen mittels technischer Systeme und Dienstleistungen. • Intralogistik steuert im Rahmen des „Supply Chain Managements“. • Intralogistik beschreibt den innerbetrieblichen Materialfluss, der zwischen den unterschiedlichsten „Logistikknoten“ stattfindet. • Intralogistik ist der zukunftsweisende Begriff einer Branche, die allein in Deutschland tausende Unternehmen umfasst, vom Hebezeug- und
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Kranhersteller über Gabelstapler- und Lagertechnik-Produzenten sowie über Softwareentwickler bis hin zu kompletten Systemanbietern. Zwei Domänen der Intralogistik werden hierbei näher untersucht: • Warehouse Logistics: innerbetriebliche Lager- und Transportsysteme sowie • Airport Logistics, speziell Baggage Handling Logistics: Gepäckförderanlagen auf Flughäfen. Um trotz der Vielgestaltigkeit der Systeme eine einheitliche Strukturierung und Modellierung zu ermöglichen, werden die betrachteten Domänen in den folgenden Kapiteln anhand der Achsen „Branchen“, „Architektur“ und „Life Cycle“ beschrieben. 3.1 Warehouse Logistics Steigender Kostendruck und die Forderung nach immer kürzeren Lieferzeiten haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass automatisierte Lagerund Transportsysteme immer weitere Verbreitung gefunden haben. Aufgrund des Preisverfalls der letzten Jahre ist ein teilweise oder voll automatisiertes Lager zunehmend auch für kleinere bis mittlere Unternehmen attraktiv. Automatisierte Lager- und Transportsysteme sind in vielen verschiedenen Branchen eingesetzt, z. B. Großhandel, Chemie, Pharma, Nahrungsund Genussmittel, Automobilindustrie, Halbleiterindustrie, Elektronikindustrie, mit jeweils branchentypischen Besonderheiten, die im Folgenden schlaglichtartig beschrieben werden. Eine wichtige Funktion im Großhandel ist die Sortierung. Dies betrifft sowohl die Reihenfolgebildung der Materialien innerhalb einer Transporteinheit (TE) – wo z. B. schwere Güter auf der Palette unten, leichte und zerbrechliche oben angeordnet werden – als auch die Reihenfolgen der TE bei der Bereitstellung im Versand, z. B. um die TE so zu verladen, dass sie in der richtigen Reihenfolge beim Entladen an den einzelnen Ablieferstellen stehen. In der Nahrungsmittelbranche ist die Beachtung von Chargendaten und Mindesthaltbarkeitsdaten wichtig, oftmals verbunden mit zusätzlichen Anforderungen wie Quarantäne- und Reifezeiten (z. B. bei der Käseherstellung) sowie die Unterstützung der Verpackung. In der Automobilindustrie gibt es oft sehr detaillierte Kundenvorgaben für bestimmte einzusetzende Komponenten wie z. B. Lichtschranken oder spezielle Schmiermittel.
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In der Chemiebranche sind Brandschutz- und Gefahrenklassen der Güter sowie zulässige Temperaturbereiche zu berücksichtigen; die Güter sind hier hauptsächlich in Großmengen/auf Paletten in Produktionslagern zu fördern, im Pharmaziebereich auch als Stückgut. Weitere Branchen sind Elektro-, Elektronik-, Textilindustrie sowie der Zoll. Bezogen auf die zu fördernden TE lassen sich Palettenfördertechnik und Behälterfördertechnik unterscheiden. Der Unterschied im Fördergut liegt hier vor allem in den Abmessungen und den zu fördernden Lasten. Eine weitere Unterscheidung lässt sich treffen in Stetig- und Unstetigförderer-Systeme. Beispiele für Stetigförderer sind Transportstrecken wie Rollenförderer, Kettenförderer, Gurtförderer usw. Unstetigförderer sind z. B. Regalbediengeräte und (horizontal operierende) Querverschiebewagen. Lager lassen sich auch nach ihrem Verwendungszweck unterteilen. So gibt es z. B. Wareneingangslager, Versand-, Puffer-, Nachschub- und Zolllager usw., die jeweils spezifische Aufgaben erfüllen. Automatische Lager- und Transportsysteme existieren in unterschiedlichsten Ausprägungen, da diese Anlagen jeweils optimal und meist kundenindividuell an die jeweilige Aufgabenstellung angepasst werden. Deswegen kann hier nur eine exemplarische Darstellung typischer Funktionsbereiche und ihrer Aufgaben erfolgen. Die nachfolgende Abb. 2 zeigt ein automatisches Palettenlager. Im Folgenden wird einheitlich von Transporteinheiten (TE) gesprochen, wenn von Fördergut wie Paletten, Behältern usw. die Rede ist: 1. Wareneingang Im Wareneingang werden die ankommenden TE vereinnahmt, erfasst und für den automatisierten Transport vorbereitet (z. B. durch Anbringen eines eindeutigen Barcodes). 2. Lagervorzone Die Lagervorzone vor dem automatischen Lager (hier: Hochregallager) dient zur Zu- und Abführung von TE. 3. Regalanlage mit Regalbediengeräten Die Regalanlage enthält die Stellplätze für die TE. In den Gängen fahren Regalbediengeräte (RBG), die für die automatische Ein- und Auslagerung der TE sorgen. 4. Kommissionierzone/Bereitstellzone Hier wird die ausgelagerte Ware für den zugehörigen (Kunden-)Auftrag entnommen (kommissioniert), entweder ganze TE (wie in Abb. 2) oder Teilmengen davon.
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Abb. 2. Überblick automatisches Lager- und Transportsystem
5. Versand Hier werden die Versandeinheiten erzeugt und für den Versand vorbereitet, z. B. indem die benötigten Lieferpapiere erstellt werden. 6. Produktionsanbindung Fertig produzierte Waren verlassen über diesen Weg die Produktion. Die zugehörigen TE werden im automatisierten Lager eingelagert. Daneben existieren je nach Ausprägung noch weitere Bereiche, von denen hier exemplarisch einige genannt werden: • Qualitätssicherung Die Qualitätssicherung prüft die ankommenden Waren gemäß Vorgaben und gibt sie entweder für die weitere Verwendung frei oder sperrt sie, wenn die Prüfung nicht bestanden wurde. • Rückwaren- und Retouren-Zone Hier werden vom Kunden kommende Rückwaren und Retouren auf ihre weitere Verwendungsfähigkeit untersucht und entsprechend weiterbehandelt.
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• Konfektionierung/Veredelung In diesem Bereich wird Material weiterverarbeitet oder zusammen mit anderen Materialien neu gruppiert. Beispiele sind - die Zusammenstellung von Kits oder Sets (z. B. Ersatzteil-Kit mit Ersatzteil inkl. Schrauben, Muttern, Dichtungen usw.), - die Zusammenstellung von Misch-TE (z. B. gemischte Getränkekiste mit Wasser, Limonade, Cola) sowie - das Hinzufügen von (länderspezifischen) Bedienungsanleitungen, Hinweisen usw. Die beschriebenen Aufgaben eines Lager- und Transportsystems führen zu spezifischen Anforderungen an die Anlage: • sichere Datenhaltung Datenverlust ist unter allen Umständen zu vermeiden. Wenn bei einem Lager mit 100.000 oder mehr Stellplätzen die Information darüber, welche TE mit welchem Material auf welchem Platz steht, verloren geht, bedeutet dies im Allgemeinen den totalen, bis zu mehrere Wochen dauernden Verlust der Lieferfähigkeit dieses Lagers. • niedrige Investitions- und Betriebskosten Zukünftig wird hier noch stärker die „Total Cost of Ownership“ (TCO) anstelle der reinen Investitionskosten in den Vordergrund treten. • unterschiedlich hohe geforderte Verfügbarkeiten von Einschichtbetrieb bis zu Hochverfügbarkeit (24 Stunden pro Tag, 365 Tage pro Jahr) • im Allgemeinen eine (bzw. wenige) Routen von einer Quelle zu einem Ziel Automatisierungslösungen von automatischen Lager- und Transportsystemen lassen sich als Automatisierungspyramide darstellen (Abb. 3). Enterprise Resource Planning (ERP) Hierunter sind unternehmensweite Verfahren zu verstehen, die kaufmännische Funktionen abbilden, wie z. B. • • • • •
Verwaltung Kunden, Lieferanten, Verwaltung Bestellungen, kaufmännische Buchführung, Rechnungslegung, summarische Bestandsführung.
Leitebene Die Leitebene umfasst das Warehouse Management System (WMS). Typische Aufgaben eines WMS sind • Bestände, Produkte in den jeweiligen Lägern verwalten,
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Abb. 3. Automatisierungspyramide
• • • •
Aufträge (Kunden, Zulieferer) abarbeiten, Lagerbereiche, Lagerabbild führen, Ein- und Auslagerungsstrategien zur Verfügung stellen, Transportaufträge (TA) generieren.
Prozess-Steuerungs-Ebene Die Prozess-Steuerungs-Ebene umfasst das Material Flow Control System (MFC), welches sich mit der übergreifenden Bearbeitung von Transportaufträgen befasst. Typische Aufgaben eines MFC sind • • • •
Aufteilen der Transportaufträge in Teilaufträge, Strategien (Prioritäten, Reihenfolgen, Gruppierungen) berücksichtigen, Informationen über jeden Meldepunkt erhalten und verwalten, Prozessabbild, Verfügbarkeiten erhalten und verwalten.
Steuerungsebene Die Steuerungsebene umfasst die Abwicklung des lokalen Transportes von Transporteinheiten innerhalb eines fördertechnischen Abschnitts: • Transporteinheiten identifizieren und zum nächsten Entscheidungspunkt transportieren, • Information über jeden Entscheidungspunkt (z. B. Weiche) erhalten und verwalten. Feldebene Die Feldebene umfasst die zur Abwicklung der Transportvorgänge notwendige Aktorik und Sensorik. Beispiele sind • Motoren, • Lichtschranken,
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• Geber, • Scanner. Im Sinne der Betrachtungen für das Internet der Dinge sind die wesentlichen Phasen des Life Cycle • Planung, • Realisierung und • Betrieb. Weitere Phasen wie z. B. die Vorfeldakquisition oder die Demontage der Anlage an ihrem Lebensende bleiben hier unberücksichtigt. Zur Definition dieser und weiterer Phasen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen, z. B. das Siemens Reference Process House [7]. 3.2 Baggage Handling Logistics Ein ständig steigendes Passagieraufkommen führt auf den Flughäfen zu immer mehr Gepäck, das in immer kürzerer Zeit abgefertigt werden muss. Anspruchsvolle Kunden der First und der Business Class erwarten von den Airlines und den Flughafenbetreibern einen hohen Standard bei der Gepäckbehandlung, wie komfortable Möglichkeiten zum Check-in und minimale Umsteigezeiten, die bei modernen Flughäfen in der Größenordnung von gerade einmal 30 Minuten liegen. Wenn man sich die räumliche Ausdehnung eines großen Flughafens vor Augen führt, wird schnell klar, dass eine rein personelle Abwicklung des Gepäcktransports hier sehr schnell an Grenzen stößt. Aus diesem Grund besteht das Rückgrat des Gepäcktransports der wichtigsten internationalen Flughäfen aus einem automatischen Transportsystem, dem Baggage Handling System (BHS). Generell ist ein Baggage Handling System der Branche „Verkehr, Infrastruktur und Logistik“ zuzuordnen. Eine weitere Untergliederung, wie bei der Warehouse Logistics beschrieben (z. B. Warehousing für Elektroindustrie, Chemie, Pharma usw.), existiert für die Baggage Handling Logistics nicht. Der Markt lässt sich besser nach Größenkategorien des jährlichen Passagieraufkommens unterteilen: • kleine Flughäfen • mittlere Flughäfen • Groß-Flughäfen
(C-Kategorie): bis ca. 5 Mio. Pass./Jahr (B-Kategorie): ca. 10 Mio. Pass./Jahr (A-Kategorie): ca. 20 Mio. Pass./Jahr
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
Zwischen der Größe des Flughafens und dem Automatisierungsgrad besteht ein Zusammenhang, der ebenso mit dem Typ eines Flughafens in Verbindung steht: • Lokalflughäfen: Diese haben meist einen geringen, wenig komplexen Umfang an Fördertechnik, die demzufolge mit geringem Automatisierungsgrad betrieben werden kann. • Zentrale Drehscheiben („Hubs“): Dies sind in der Regel große, hoch automatisierte Anlagen mit komplexer, ausgedehnter Fördertechnik. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal bei BHS ist die Art des Gepäcktransports. Man unterscheidet folgende Systeme: • Gurtfördersysteme (inkl. zugehöriger weiterer Komponenten wie z. B. Sortern) Bei Gurtförderern liegen die Koffer unmittelbar auf dem Gurt. Durch den direkten Kontakt mit dem Förder-Medium ergibt sich eine erhöhte mechanische Belastung für die Gepäckstücke. Da Gepäckstücke in unterschiedlichsten Formen und Beschaffenheiten auftreten (Koffer, Tasche, Paket, Ausrüstungsgegenstände wie Zelte, Schlafsäcke, Sportgeräte) ist die Gefahr des Verklemmens relativ hoch, was nachfolgend zu Staus oder Blockaden auf der Fördertechnik führen kann und einen manuellen Eingriff bedingt. Typische Fördergeschwindigkeiten für Gurtfördersysteme (Belt) sind ca. 2 m/s. • Behälterfördersysteme In Behälterfördersystemen werden die in den Behältern (Trays) liegenden Gepäckstücke auf angetriebenen Rollenförderern bewegt. Behältersysteme sind gutschonender und erreichen aufgrund der stabileren Gepäcklage im Behälter höhere Fördergeschwindigkeiten. Außerdem sind sie unempfindlicher gegenüber der Form und Beschaffenheit der Gepäckstücke. Die fest am Behälter angebrachte Identifikation bewirkt auch eine leichtere Lesbarkeit. Behälterfördersysteme sind allerdings auch deutlich teuerer als Gurtfördersysteme. Typische Fördergeschwindigkeiten für Behälterfördersysteme sind ca. 2–2,5 m/s in Kurven und max. 10 m/s auf geraden Strecken. Wie Abb. 4 zeigt, ist nur ein kleiner Teil des BHS für den Reisenden sichtbar, nämlich der Check-in-Bereich und die Gepäckausgabe. Hinter den Kulissen sorgt ein komplexes Netzwerk von Systemen für den reibungslosen Ablauf. Die hauptsächlichen Funktionsbereiche und Aufgaben eines BHS werden in Abb. 5 dargestellt.
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Abb. 4. Überblick Baggage Handling System
• Die Aufgabe von Gepäck erfolgt am Check-in, die Rückgabe von Gepäck im Reclaim-Bereich. • Kilometerlange fördertechnische Systeme verbinden alle Quellen und Ziele des Gepäcktransports in geeigneter Weise. • Röntgensysteme, sog. Hold Baggage Screening Systems (HBS), überprüfen den Gepäckinhalt auf möglicherweise gefährliche Gegenstände oder Güter. • Als zusätzlichen Service bieten Fluggesellschaften dem Reisenden oft die Möglichkeit, sein Gepäck komfortabel schon am Vortag der Abreise einzuchecken. Solches Gepäck wird bis zum Abflugtermin in sogenannten Early Baggage Stores gepuffert. • Auf dem Vorfeld des Flughafens unterstützen die Einrichtungen des BHS das Laden und Entladen von Gepäck. Umfangreiche Sortiermöglichkeiten sorgen dafür, dass die Gepäckstücke einen optimierten Weg durch die Anlage finden und schließlich am richtigen Ziel ankommen. Eine weitere wichtige Funktion ist die Abfertigung von TransferGepäck, welches entladen wird und dann über das BHS direkt für den richtigen Anschlussflug bereitgestellt wird. Die beschriebenen Aufgaben eines BHS führen zu spezifischen Anforderungen an die Anlage: • hoher benötigter Durchsatz (Gepäckstücke pro Zeit) • niedrige Transportkosten Das Verhältnis „Euro pro gefahrenem Gepäck-Meter“ wird in Zukunft eine noch wichtigere Rolle bei der Auslegung von BHS-Systemen spielen, wobei zukünftig noch stärker die TCO anstelle der reinen Investitionskosten in den Vordergrund treten. • hohe Verfügbarkeit (24 Stunden pro Tag, 365 Tage pro Jahr) • Fähigkeit, Spitzenlasten zu bewältigen und eine Lastverteilung herbeizuführen
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
Abb. 5. Hauptsächliche Funktionsbereiche eines Baggage Handling Systems
• im Allgemeinen mehrere Routen von einer Quelle zu einem Ziel • minimierte Transferzeiten von ca. 30 Minuten. Automatische BHS lassen sich ebenfalls als Automatisierungspyramide (vgl. Abb. 2) darstellen, Unterschiede zur Domäne Warehouse Logistics ergeben sich innerhalb der Ebenen durch spezifische Funktionen. Enterprise Resource Planning (ERP) Hierunter sind unternehmensweite Verfahren zu verstehen, die kaufmännische Funktionen abbilden, wie z. B. • Verwaltung der Kunden und Lieferanten, • kaufmännische Buchführung, • Rechnungslegung. Leitebene Die Leitebene umfasst die Verwaltung übergreifender Informationen wie z. B. • Flugpläne, • Sortierpläne, • Gepäck- und Passagierdaten. Prozess-Steuerungs-Ebene Die Prozess-Steuerungs-Ebene umfasst das Baggage Handling Information and Control System (BHICS), welches sich mit der übergreifenden Bearbeitung von Transportaufträgen befasst. Typische Aufgaben eines BHICS sind • • • •
Aufteilen der Transportaufträge in Teilaufträge, Strategien (Prioritäten, Reihenfolgen) berücksichtigen, Informationen über jeden Meldepunkt erhalten und verwalten, Prozessabbild, Verfügbarkeiten erhalten und verwalten.
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145
Steuerungsebene Die Steuerungsebene umfasst die Abwicklung des lokalen Transportes von Transporteinheiten innerhalb eines fördertechnischen Abschnitts: • Transporteinheiten identifizieren und zum nächsten Entscheidungspunkt transportieren und • Informationen über jeden Entscheidungspunkt (z. B. Weiche) erhalten und verwalten. Feldebene Die Feldebene umfasst die zur Abwicklung der Transportvorgänge notwendige Aktorik und Sensorik. Beispiele sind • • • •
Motoren, Lichtschranken, Geber, Scanner.
Der Projektablauf von der Akquisition bis in den Betrieb lässt sich in einem Projektrahmenprozess abbilden, der drei Phasen (Planung, Realisierung, Betrieb) bzw. zehn Stufen der Projektabwicklung identifiziert (Tabelle 1). Tabelle 1. Projektphasen Projektphasen Abschnitt
I
II
Planung
Realisierung
III Betrieb
Benennung
Meilenstein
1
Akquisition Start
Go/No Go
2
Projektqualifizierung
Qualification
3
Projektierung/ Angebotserstellung
Angebotsfreigabe
4
Projektanschub
Projektstart
5
Engineering
Planungsabschluss
6
Purchasing/ Manufacturing
Fertigungsabschluss
7
Montage/IBS
Montageabschluss
8
Verbundtest/ Probebetrieb
Site Acceptance
9
Hochlauf
Final Acceptance
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
4 Modellbasierte Erfassung von Anforderungen 4.1 Motivation Warehouse-Logistics-Systeme und Baggage-Handling-Systeme greifen heute auf ein gegebenes Portfolio von Komponenten und Technologien aus den Bereichen Lagertechnik, Fördertechnik und Automatisierungstechnik zurück. Wie oben in der Domänenbeschreibung gezeigt, ist dabei bei heutigen Automatisierungslösungen sowohl für Warehouse Logistics als auch bei Baggage Handling Logistics eine ausgeprägte Trennung der einzelnen Ebenen der Automatisierungspyramide vorhanden. Die einzelnen Ebenen basieren auf unterschiedlichen Architekturen, verwenden verschiedene (Rechner-)Plattformen und nutzen unterschiedliche Kommunikationsmethoden mit zumeist proprietären Schnittstellen. Typisch für heutige Systeme ist ein hierarchischer Aufbau mit einem zentralen MFC-System und einer unterlagerten Steuerungstechnik (Programmable Logic Controller, PLC), die pro Fördertechnik-Bereich ebenfalls zentral aufgebaut ist. Der MFC verwendet als Rechnerplattform typischerweise einen IPC oder einen Rechner der mittleren Datentechnik mit Betriebssystemen wie Windows oder Unix (z. B. Linux).Zwischen Mechanik und Steuerungstechnik verläuft ebenfalls eine deutliche Trennung, die schon dadurch ersichtlich ist, dass in der Regel unterschiedliche Projektteams für die Mechanik und die Steuerungstechnik zuständig sind. Generell betrachtet sind die so entstehenden Automatisierungslösungen aufgrund des notwendigen Zusammenspiels vieler heterogener Ebenen tendenziell komplex und nur innerhalb enger Grenzen veränderbar. In den letzten Jahren konnte in diesen Domänen eine generelle Entwicklung beobachtet werden, die gekennzeichnet war von • immer kürzeren Projektlaufzeiten, • immer mehr Funktionalität bzw. Komplexität bei gleichzeitig deutlich fallenden Preisen, • einer stärkeren Nachfrage nach Standard-Lösungen, die aber gleichzeitig eine hohe Flexibilität im Hinblick auf individuelle Anpassungen bieten, • einer stärkeren Betonung der TCO, d. h. der Betrachtung der Gesamtkosten einer Anlage über ihren Life Cycle, anstelle der reinen Investitionskosten, • einer Harmonisierung zwischen der IT-Ebene (z. B. MFC) und der Steuerungsebene vor allem im Hinblick auf die verwendeten Kommunikationsmethoden, wie das Beispiel Industrial Ethernet zeigt (Hier ist zu
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147
erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt und sich die auf der IT-Seite bereits gängigen Web-Technologien auch im PLC-Bereich etablieren.), • einer zunehmenden Verlagerung von Intelligenz auf die unteren Ebenen der Automatisierungspyramide, wie z. B. durch intelligente Feldgeräte, • einer Sensibilisierung für das Thema RFID, wenn auch der Umfang der heutigen Einsatzfälle überwiegend noch „closed loops“ betrifft (d. h. die RFID-Tags verbleiben in der Anlage.). Ein Beispiel dafür sind die Trays von BHS von Siemens, die heute schon mit RFID-Technik ausgerüstet sind. Eine Antwort auf die Forderung nach immer höherem Standardisierungsgrad bei gleichzeitig erhöhter Flexibilität und verringerter Komplexität besteht in dem Ansatz wandelbarer Logistiksysteme. Diese müssen gemäß [3] folgende Anforderungen erfüllen: • • • • •
Fördergutflexibilität Layoutflexibilität Durchsatzflexibilität Erweiterungsfähigkeit Integrationsfähigkeit Mögliche Lösungsansätze sind hierbei
• die Bildung mechatronischer Einheiten (Modularisierung über Gewerkegrenzen hinweg) sowie • die Entwicklung neuer, dezentraler Automatisierungslösungen. Die Erwartung hierbei ist, dass Dezentralisierung zu stärkerer Modularisierung und somit zu höherem Standardisierungsgrad führt, was wiederum eine Steigerung des Reifegrads der verwendeten Komponenten bedeutet. Die Arbeit an diesen Fragestellungen ist eine der wesentlichen Aufgaben des Projektes „Internet der Dinge“. Zielsetzung ist ein „Perfect Match“ des Technik-Portfolios mit den jeweiligen Projekterfordernissen. Dies hat natürlich technische Aspekte, die im Projekt auch intensiv beleuchtet werden. Vor allem aber muss diese Frage unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sowohl für die Kunden- als auch für die Lieferantenseite beantwortet werden: • Welches ist der tatsächliche Mehrwert von solchen Automatisierungslösungen? Beispiele sind kürzere Implementierungszeiten, einfachere Implementierung, kürzere Inbetriebnahme, leichte Änderbarkeit, Beherrschung der Komplexität. • Welche Einsparungen sind zu erreichen?
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
• Welche Verbesserungen sind für den Kunden relevant, d. h. welches sind die Merkmale, die Kunden künftig dazu bewegen werden, solche Automatisierungslösungen zu kaufen? Um hierfür eine Bewertung durchzuführen, wurden im Rahmen eines Vorprojekts die in Abschn. 2 beschriebenen Hypothesen entwickelt, die auf solche Fragestellungen zielen. Zur Prüfung der Praxistauglichkeit solcher Lösungsansätze sind mehrere Maßnahmen vorgesehen. Zum einen werden Demoanlagen zum Einsatz kommen, bei denen ein Betrieb unter realen Umständen erfolgen kann. Zum anderen erfolgt die Modellierung der Anforderungen durch ein so genanntes Metamodell, das sowohl technische Belange als auch die Belange hinsichtlich Branchen, Architektur und Life Cycle angemessen berücksichtigt. 4.2. Modell und Achsen In Abschn. 3 wurden die Domänen „Warehouse Logistics“ und „Baggage Handling Logistics“ anhand der drei Achsen „Branchen", „Architektur“ und „Life Cycle“ beschrieben. Dieses Modell entspricht einer von der Siemens CT SE 5 eingeführten Vorgehensweise zur Aufnahme und Bewertung von Anforderungen im industriellen Lösungsgeschäft, die eine Optimierung des Engineering durch eine Harmonisierung der Prozesse, Werkzeuge und Systeme anstrebt [4]. In diesem Abschnitt soll dieses Modell abstrahiert und die Bedeutung des zugrunde liegenden Meta-Modells erläutert werden. Abbildung 6 zeigt im Überblick die Bedeutung der Achsen des Modells. Anhand dieses Modells lässt sich im Anlagengeschäft ein Arbeitspaket im von diesen Achsen aufgespannten Raum lokalisieren, beispielsweise die Modernisierung (Life Cycle) der Steuerungstechnik (Architektur) eines Brau-Kessels (Branche). Branchen Die Achse Branchen (bzw. Horizontale Integration) beschreibt den Technologischen Prozess des betrachteten Geschäftes, einschließlich des zugehörigen Workflows. Naturgemäß ist der Technologische Prozess je nach Branche unterschiedlich. Diese Unterschiede lassen sich zum einen nach Typ und zum anderen nach Eigenschaften des Technologischen Prozesses strukturieren, so dass es zwei Sichten auf die Branchen gibt:
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Abb. 6. Bedeutung der Achsen des Modells
• Typ des Technologischen Prozesses, z. B. - für Verarbeitende Industrie (z. B. Automobilfertigung) - für Prozess- und Grundstoffindustrie (z. B. Chemie, Pharma) - für Logistik (z. B. Airport Logistics Baggage Handling) • Eigenschaften des Technologischen Prozesses - diskreter Prozess (z. B. Förderung von Stückgut in Logistik-Anlagen) - kontinuierlicher Prozess (z. B. Stromerzeugung im Kraftwerk) - Batch-Prozess (z. B. chargenweise Herstellung von Arzneimitteln) - hybrider Prozess (z. B. Walzwerk mit Abfolge kontinuierlicher und diskreter Prozesse) Aus den unterschiedlichen Typen und Eigenschaften des Technologischen Prozesses ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die jeweiligen Automatisierungslösungen, die sich in der zugehörigen Architektur niederschlagen. Architektur Die Achse Architektur (bzw. Vertikale Integration) beschreibt die beteiligten Gewerke und die zugehörigen Automatisierungsebenen. Auf die verschiedenen Gewerke wird im Folgenden nicht näher eingegangen, weil der Fokus auf dem Gewerk Automatisierung liegt. Die unterschiedlichen Aufgaben innerhalb von Automatisierungslösungen werden hier den Ebenen der Automatisierungspyramide zugeordnet. Die Ebenen der Automatisierungspyramide unterscheiden sich in ihren Anforderungen (Requirements), der verwendeten Hard- und Software so-
150
Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
wie der Kommunikation zwischen den Ebenen. Die Aufgaben der Ebenen wurden im Abschn. 3 anhand der dargestellten Domänen erläutert. Diese Aussage lässt sich dahingehend abstrahieren, dass es zwei Sichten auf die Architektur gibt: • eine logische Sicht, die durch den zugrunde liegenden Technologischen Prozess bestimmt ist und in der bestimmte Anforderungen durch entsprechende Funktionalität in der jeweiligen Ebene abgedeckt werden sowie • eine Implementierungs-Sicht, die durch das Zusammenspiel der Hardund Softwaresysteme bestimmt ist, die zur Umsetzung der benötigten Funktionalität verwendet werden („Rechnerarchitektur“). In heutigen Automatisierungslösungen existiert im Allgemeinen eine 1:1-Zuordnung zwischen der logischen Sicht und der Implementierungssicht, d. h. pro Ebene existiert eine bestimmte Funktionalität, die innerhalb dieser Ebene durch entsprechende Hard- und Software abgedeckt wird. Ein Beispiel dafür ist die Steuerungsebene, wo sich die benötigte Funktionalität mit einer speicherprogrammierbaren Steuerung wie Simatic S7 realisieren lässt. Diese 1:1-Zuordnung ist jedoch nicht zwingend. Wenn im Projekt „Internet der Dinge“ dezentrale Architekturen untersucht werden, ist zu erwarten, dass diese Zuordnung zukünftig aufgebrochen wird. Während die logische Sicht unverändert bleibt (da der Technologische Prozess gleich bleibt und somit die gleiche Funktionalität zu erbringen ist), ändert sich die Implementierungssicht. Beispielsweise würde eine auf Software-Agenten basierende Lösung bedeuten, dass die Funktionalität mehrerer Ebenen der logischen Sicht in einer Ebene der Agenten-Implementierungssicht realisiert wird. Bisher zentral von einem MFC erbrachte Aufgaben würden dann auf dezentralen Steuerungen implementiert werden. Life Cycle Die Achse Life Cycle beschreibt die Phasen, welche das Projekt abdeckt. Diejenigen Phasen, die im Rahmen der Modellbildung von Interesse sind, zeigt Abb. 7. Eine ausführliche Darstellung aller Phasen mit ihren Inhalten findet sich z. B. im Siemens Reference Process House [7]. Wichtig ist hier, dass Phasen sequenziell oder parallel angeordnet sein können und dass es (wie im dargestellten Fall einer Modernisierung) auch Schleifen gibt, die durchlaufen werden. Weiterhin ist festzuhalten, dass es in einer Anlage nicht nur einen Life Cycle gibt. Vielmehr hat jedes Gewerk (bzw. sogar Teilgewerk) einer Anlage einen eigenen Life Cycle. Unterschiede bestehen hier sowohl im Inhalt der einzelnen Phasen als auch in der Abfolge und Dauer [1]. Zwei Beispiele hierfür:
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151
Abb. 7. Life Cycle
• Unterschiedliche Innovationsgeschwindigkeiten der Technologien. Hard- und Software hat oft einen kürzeren Life Cycle als Fertigungstechnologien. • Hardware, Software und Mechanik durchlaufen die Phase des Engineering mit unterschiedlichem Inhalt. Im Folgenden soll speziell anhand der Phase Engineering gezeigt werden, wie trotz des unterschiedlichen Inhalts durch Anwendung eines geeigneten Modells mit entsprechender Abstraktion eine vereinheitlichte Darstellung erreicht werden kann. Mit der konsequenten Anwendung dieses Modells können deutliche Effizienzsteigerungen im Engineering erreicht werden. Ein optimiertes Engineering ist die Basis für den Projekterfolg und muss daher frühzeitig die Erfüllung der Anforderungen einer gegenüber einem Kunden angebotenen Lösung sicherstellen können. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werden vier Hebel beschrieben, mit denen das Engineering effizient gestaltet werden kann [5] (vgl. Abb. 8). Charakterisierung der wiederverwendbaren Komponenten • Der Hebel Wiederverwendung zielt in die Richtung, eine Komponente in möglichst vielen Projekten einsetzen zu können. • Der Hebel Abdeckungsgrad zielt in die Richtung, möglichst „große“ und damit vorintegrierte Komponenten für eine Wiederverwendung zu schaffen
152
Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
Abb. 8. Die vier Hebel des Engineering
Organisation und Integration der Tätigkeiten bei der Projektabwicklung • Der Hebel Durchgängigkeit zielt in die Richtung, den Abwicklungsprozess durchgängig über seine einzelnen Phasen zu gestalten • Der Hebel Gewerkeintegration zielt in Richtung einer verbesserten Integration der verschiedenen Tätigkeiten innerhalb einer Phase Wiederverwendbarkeit und Abdeckungsgrad adressieren das (projektunabhängige) Produkt- bzw. Systemgeschäft und geben an, wie gut die Produkte bzw. Systeme für den Einsatz im (projektbezogenen) Lösungsgeschäft geeignet sind. Durchgängigkeit und Gewerkeintegration beziehen sie sich auf die Frage, ob es für die (projektbezogene) Kundenlösung eine Typisierung gibt, z. B. im Sinne einer Referenzanlage oder von vorgedachten Lösungstypen, die dann für die konkrete Anlage im Sinne eines Typ-/Instanzkonzeptes instanziiert werden können. Die Realisierung dieser Zielsetzungen bzw. die Erzielung einer entsprechenden „Hebelwirkung“ setzt voraus, dass in regelmäßigen Abständen bzw. kontinuierlich Stärken und Schwächen im Projektablauf identifiziert und so Ansatzpunkte für eine gezielte Optimierung geschaffen werden. Diese Ansatzpunkte können in den Projektphasen unterschiedliche Wirkungen zeigen und müssen demgemäß über den gesamten Lebenszyklus bewertbar sein, um eine Harmonisierung herbeizuführen.
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5 Anwendung des modellgestützten Requirements Engineering Die in Abschn. 2 eingeführten Hypothesen bilden den Ausgangspunkt für eine modellgestützte Erfassung von Anforderungen, die exemplarisch in den Domänen Baggage Handling und Warehouse Logistics vorgenommen worden ist. Anforderungen an Systeme beider Domänen ergeben sich über alle Phasen des Lebenszyklus und weisen spezifische Unterschiede auf, die im Rahmen von Expertendiskussionen zunächst qualifiziert werden müssen. Um diese Anforderungen nicht nur schlaglichtartig, sondern möglichst vollständig zu erfassen und einzuordnen, können Expertendiskussionen als gelenkte Gespräche organisiert sein, bei denen anhand bestimmter Fragestellungen bereits eine Sicht auf die Lebenszyklusphasen, die Branchen und die Architektur eingestellt wird. Gleichzeitig kann damit auch die Tragfähigkeit der Szenarien und der damit verbundenen Hypothesen überprüft werden. Im vorliegenden Fall wurde die Diskussion anhand hypothesenbezogener Fragen vorbereitet. Dieser Fragenkatalog umfasst insgesamt etwa 80 Fragen, die als Einstieg in die Expertendiskussion genutzt werden. Für die Konzentration auf einzelne Themengebiete kann so ein Tailoring erfolgen, mit dem der Kreis möglicher Fragen vorab ausgewählt wird. Die dokumentierten Ergebnisse dieser Diskussionen sind im Anschluss auf ihre Achsenzuordnung hin eingeordnet und so einer anschließenden Auswertung zugänglich. Das zunächst nur als Struktur vorhandene Modell wird so sukzessiv inhaltlich vervollständigt. Die Struktur des Anforderungsmodells sieht in der nach Abschn. 3 vorgesehenen Ausprägung in der Achse Lebenszyklus neun sowie der Achse Branchen einen (Baggage Handling) bzw. mehr als zehn (Warehouse Logistics) Einträge vor. Auf der Achse Architektur liefert die Automatisierungspyramide fünf Ebenen mit den dort einzuordnenden Gerätetechnologien. Insgesamt ergibt sich für die Domäne Baggage Handling so ein dreidimensionales Strukturmodell mit 60 Informationszellen, bei der Domäne Warehouse Logistics sind es sogar rund 600. Im vorliegenden Fall stehen für die Auswertung rund 700 Einzelnennungen zu den drei Achsen des Modells, aufgeteilt auf die zwei Domänen, als Datenmaterial zur Verfügung. Das Modell ist für beide Domänen vollständig gefüllt. Jede Zelle des Modells gibt den Stand der Technik an, gleichzeitig liefert das Expertengespräch eine Perspektive für zukünftig anwendbare Technologien. Finden sich in verschiedenen Zellen eines Modells Anhalte dafür, dass zukünftig eine technologische Komponente güns-
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Dirk Liekenbrock, Jürgen Elger
tiger appliziert werden kann als heute, können Aspekte der Durchgängigkeit und der Wiederverwendbarkeit unmittelbar geprüft werden. Ein strukturiertes RE, das als integrierter Prozess in den gesamten Lebenszyklus eines technischen Systems eingebettet ist, setzt eine fortlaufende Abstimmung zwischen allen eingebundenen Akteuren voraus. Für ein effizientes RE ist eine durchgängige Terminologie damit unerlässlich. Als implementierter Prozess bietet RE das Potenzial zur kontinuierlichen Optimierung des Produkt- und Angebotsportfolios.
6 Ausblick In den vorangegangenen Kapiteln sind die mit dem Themenbereich „Internet der Dinge“ verbundenen technologischen Vorstellungen und möglichen Auswirkungen auf Systeme und Anlagen der Materialflussstechnik vorgestellt und untersucht worden. Ausgehend von Basistechnologien und Szenarien, die mit dem Internet der Dinge assoziiert werden, sind für die Domänen Baggage Handling Logistics und Warehouse Logistics Ansatzpunkte untersucht und dargestellt. Die Domänenbeschreibung in Abschn. 3 zeigt auf, dass die Systemarchitektur beider Domänen deutliche Überschneidungen aufweisen. Diese Überschneidungen betreffen teilweise die eingesetzte Fördertechnik und insbesondere die Steuerungs- und Leitebene, die aus technisch überwiegend identischen Hardware-Komponenten aufgebaut sind. Klare Unterscheidungsmerkmale beider Domänen zeigen sich hingegen in der Branchenzuordnung, die im Warehouse Management deutlich ausgeprägt ist. Weitere Unterschiede zeigen sich in der Größenordnung der betrachteten Systeme. Zwar können auch Distributionssysteme für den Waren- und Produktionsgüterumschlag eine beträchtliche Ausdehnung erreichen, diese liegt jedoch, bemessen an der Anzahl der installierten Komponenten, deutlich unter derjenigen von Baggage-Handling-Systemen in Flughäfen. Bewertungen der vorangestellten Hypothesen im Hinblick auf ihre Relevanz zeigen für beide untersuchte Domänen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten agentenbasierter IT-Lösungen auf. Den Basistechnologien sind die prognostizierten Einsatzmöglichkeiten überwiegend zuzusprechen. In bestimmten Branchenausprägungen werden sie z. T. derzeit schon als Anforderung klassifiziert. Die Einordnung der in den Expertengesprächen gesammelten Anforderungen in eine Modellstruktur bietet dabei die Möglichkeit, verschiedene
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Sichten mit spezifischen Fragestellungen vorzunehmen. Gleichzeitig ist so ein Maßstab für die Teilaspekte des Internet der Dinge aufgestellt, mit dem eine Zielereichung bewertet werden kann.
Literatur 1. Achatz R, Löwen U (2005) Industrieautomation. In: Liggesmeyer P, Rombach D (Hrsg) Software Engineering eingebetteter Systeme. Spektrum Verlag 2. CeMAT 2008 (Website) Was ist Intralogistik? http://www.cemat.de/17520?x=1 3. Günthner WA, Wilke M (2002) Anforderungen an automatisierte Materialflusssysteme für wandelbare Logistikstrukturen. In: Tagungsband Wissenschaftssymposium Logistik der BVL 2002. Huss-Verlag GmbH, München 4. Löwen, U (2005) Integriertes Engineering von Automatisierungssystemen – die Siemens-Konzepte. Ringvorlesung an der Universität Stuttgart, 17. November 5. Löwen U, Bertsch R, Böhm B, Prummer S, Tetzner T (2005) Systematisierung des Engineerings von Industrieanlagen. atp –Automatisierungstechnische Praxis 04. Oldenbourg Industrieverlag 6. Russell SJ, Norvig P (2003) Artificial Intelligence: A Modern Approach. Prentice Hall, 2. Auflage 7. Siemens Reference Process House, dargestellt in: it-production.com – Das ITOnline Magazin für die Industrie. http://www.it-production.com/artikel.php?id=27413 8. Stallinger F, Plösch R, Prähofer H, Prummer S, Vollmar J (2006) A Process Reference Model for Reuse in Industrial Engineering: Enhancing the ISO/IEC 15504 Framework to Cope with Organizational Reuse Maturity. In: the SPICE 2006 conference, Luxembourg, May 4–5 9. Woolridge MR, Jennings NR (1995) Intelligent Agents: Theory and Practice. In: Knowlegde Engineering Review 10
Technologische Trends bei RFID-Systemen für den Einsatz im Internet der Dinge
Gerd vom Bögel Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS
1 Einführung Die Vernetzung von elektronischen Komponenten in unserem Lebensumfeld hat sowohl im industriellen wie im privaten Bereich zu zahlreichen neuen Diensten und Funktionen geführt. Das Internet ist dabei von der reinen Kommunikationsplattform für PC und Großrechner in die elektronisch „entlegensten“ Winkel vorgedrungen. Die Fernwartung von Produktionsmaschinen oder die Alarmmeldung von Heizungsanlagen gehören mittlerweile zu alltäglichen Anwendungen von Internetdiensten. Ein weiterer Schritt der Vernetzung steht mit der Anbindung mobiler Objekte bevor. Erste Beispiele wie die OnBoardUnit im Lkw zeigen das Potenzial auch in diesem Bereich auf. Die Bewegung von Objekten ist jederzeit nachvollziehbar und steuerbar, dies ist insbesondere für die Logistik ein signifikanter Optimierungsparameter. Im Zahlenvergleich ist die Anzahl der mobilen Objekte, die sich potenziell sinnvoll an das Internet anbinden lassen, um Dimensionen größer als die Anzahl heutiger Endgeräte des Internets. Man spricht in dieser neuen Offensive vom „Internet der Dinge“. Die Anbindung mobiler Objekte an ein Netzwerk wird jedoch auf verschiedenen Ebenen stattfinden. So werden die Netzwerkknoten an den mobilen Objekten je nach Objekttyp unterschiedliche Komplexitätsstufen besitzen und unterschiedliche Verbindungszeiten aufweisen. Das Spektrum reicht dabei von leistungsfähigen Rechnern, die permanent online sind, über einfache Funkknoten (Sensornetzwerkknoten) bis hin zu passiven
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Gerd vom Bögel
Transpondern (RFID-Tags), die nur an bestimmten Stellen im Warenfluss mit dem Netzwerk verbunden sind. Der mit Abstand größte Anteil an mobilen Objekten wird sicherlich der einfachsten Kategorie angehören und mit passiven Transpondern ausgestattet sein, also von der RFIDTechnologie gebrauch machen (RFID = Radio Frequency Identification). Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der RFID-Technologie nicht nur zur reinen Identifikation, die über die im RFID-Tag gespeicherte Identifizierungsnummer (z. B. EPC) erfolgt, sondern ebenfalls mit zusätzlichen Eigenschaften wie Sensoren. Zugrunde gelegt werden passive Transponder, die über das abgestrahlte Feld eines Lesegeräts mit Energie versorgt werden. Bedingt durch die zahlreichen Anwendungen mit unterschiedlichsten Anforderungen und die Entwicklungsgeschichte der RFID-Technologie gibt es nicht das RFID-System, sondern eine heterogene Vielzahl unterschiedlicher Varianten. Unterscheidungsmerkmale sind z. B. Bauformen, Lesereichweiten, Lesezeiten und Datenspeichergrößen. Klassifizieren lassen sich die Systeme jedoch am besten anhand der benutzten Übertragungsfrequenz, mit der der RFID-Tag versorgt wird, wie es auch in Normen (Tabelle 1) und Produktbeschreibungen gehandhabt wird. Mit der Übertragungsfrequenz unterscheiden sich auch die Antennen von RFID-Tag und Lesegerät und lassen damit – soweit sichtbar – den Tag-Typen leicht erkennen. Abbildung 1 zeigt einen HF-Tag mit SpulenAntenne für 13,56 MHz und einen UHF-Tag mit Dipol-Antenne für 860 bis 960 MHz. Die UHF-RFID-Technologie ist eine relativ junge Technologie, deren Entwicklung erst Mitte der 90er-Jahre startete. Nachdem die Leistungsfähigkeit und dabei insbesondere die erzielbaren Reichweiten publiziert wurden, fand diese Technologie schnell das Interesse vieler Anwender und Hersteller.
Abb. 1. Typische Bauformen passiver RFID-Tags; links: HF-Tag (13,56 MHz), rechts: UHF-Tag (Quelle: RFID-Journal 2006)
Trends bei RFID-Systemen für den Einsatz im Internet der Dinge
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Tabelle 1. Klassifizierung der RFID-Systeme in der Norm ISO 18000-x nach Frequenzen der Luftschnittstelle (Quelle: Zeitschrift Ident 04/06) Status Nummer
Anwendungsbereich Luftschnittstellen – Referenz-Architektur und Parameterbeschreibung Luftschnittstellen – Referenz-Architektur und Parameterbeschreibung Luftschnittstellen – Frequenzen unterhalb 135 kHz Luftschnittstellen – Frequenzen unterhalb 135 kHz
√
ISO/ IEC 18000 – 1:2004
–
– AMD 18000 – 1
√
ISO/ IEC 18000 – 2:2004
–
– AMD 18000 – 2
√
ISO/ IEC 18000 – 3:2004
Luftschnittstellen – 13,56 MHz
–
– AMD 18000 – 3
Luftschnittstellen – 13,56 MHz
√
ISO/ IEC 18000 – 4:2004
Luftschnittstellen – 2,45 GHz
–
– AMD 18000 – 4
Luftschnittstellen – 2,45 GHz
√
ISO/ IEC 1800 – 6:2004
Luftschnittstellen – 860–960 MHz, Typ A + B
–
– AMD 18000 – 6
Luftschnittstellen – 860–960 MHz, Typ C
√
ISO/ IEC 1800 – 7:2004
Luftschnittstellen – 433 MHz
–
– AMD 18000 – 7
Luftschnittstellen – 433 MHz
√
ISO/ IEC TR 24710 – 10:2004 Luftschnittstellen – Elementartransponder
√ = veröffentliche Standards; – = Standards in der Entwicklung
Ein wesentliches Hemmnis bei der Verbreitung waren die Zulassungsvorschriften. In den meisten Ländern waren weder geeignete Bänder noch nötige Abstrahlleistungen definiert. Erst die Norm ETSI 300 208 schaffte in Europa die Betriebsfähigkeit der UHF-RFID-Technologie im Frequenzbereich 865 bis 867 MHz.
2 Anwendung der RFID-Technologie in verschiedenen Branchen Die Prognosen für verkaufte Stückzahlen von RFID-Labeln zeigen nach wie vor einen starken Zuwachs für die nächsten Jahre. Als Grundlage wer-
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Gerd vom Bögel
den hierfür jedoch die Bestrebungen des Einzelhandels gesehen, RFIDLabel auf Verpackungen einzusetzen. Dies ist auch in der jüngst von Frost & Sulivan in Zusammenarbeit mit GS1 veröffentlichten Studie zu entnehmen [3], die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Polymerelektronik erstellt wurde. Tabelle 2 gibt die darin prognostizierte Marktentwicklung wieder. Neben der Anwendung im Einzelhandel sind nachfolgend Beispiele aus anderen Branchen aufgeführt: Medikamente In einer Initiative der FDA (U.S. Food and Drug Administration) empfiehlt diese den Einsatz von RFID-Labeln auf den Verpackungen von Medikamenten [10]. Vorrangiges Ziel ist dabei die Verbesserung der Fälschungssicherheit. Weltweit sind nach Angaben der FDA und anderer Einrichtungen ca. sechs bis sieben Prozent gefälschte Medikamente im Umlauf. Die Spannweite reicht dabei von Imitaten, bei denen man von gleichwirkenden Präparaten ausgeht, über wirkungslose Präparate bis hin zu toxischen Präparaten, die eine direkte Gefahr für den Patienten darstellen. Die FDA stellt sich in ihrer Empfehlung eine lückenlose Verfolgbarkeit der Medikamente vom Hersteller bis zur Ausgabe (Krankenhaus/Apotheke) vor. Dabei wird für jedes Medikament ein elektronischer Stammbaum angelegt (original: e-pedigree). Das System stützt sich also nicht auf den schwereren Nachbau eines RFID-Labels, sondern auf die Dokumentation des Transportwegs, was mit einer bereits geringen Anzahl von Erfassungspunkten ein hohes Maß an zusätzlicher Sicherheit bietet. Tabelle 2. Prognostizierte Marktentwicklung für RFID-Tags (Quelle: [3]) Globaler RFID-Markt Anzahl Transponder in Milliarden Stück 2005 2010
2015
Artikel (Item)
0,5
27,0
1000,0
Palette, Verpackung
0,6
30,0
35,0
andere
0,4
5,7
12,5
Summe aller Kategorien
1,5
62,7
1047,5
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Automobilbau Im Automobilbau ist die RFID-Technologie bereits seit etwa zehn Jahren im Einsatz. So setzen z. B. Volkswagen und MercedesBenz Transponder vom Rohbau bis zur Endmontage ein. Bei Start des Rohbaus trägt das Transportgestell (Skit) für die Karosse den Transponder, auf den dezentral ein großer Teil der Fertigungsdaten abgelegt ist. Systembedingt wird ein Transponder nicht durchgängig vom Start Rohbau bis zum Ende Endmontage genutzt, sondern mehrfach gewechselt. Dazu müssen Daten von einem Transponder zum nächsten umkopiert werden. Alle hier genutzten Transponder sind Mehrweggeräte, werden also für eine Vielzahl von Fertigungsdurchläufen genutzt. Die Verfügbarkeit von Leerbehältern ist bei der Produktion von Teilen, die zu anderen Produktionsstandorten transportiert werden, von hoher Bedeutung. Die Erfassung der Behälterbewegung erfolgt daher zunehmend mithilfe der RFID-Technologie. So liegt zu jeder Zeit ein detailliertes Bild von allen Standorten und Aufenthaltsorten von Behältern als Planungsgrundlage vor. Luftfahrt Nach Beschluss der IATA (Internationaler Verband der Luftverkehrsgesellschaften) vom November 2005 werden Gepäckanhänger zukünftig mit RFID-Labeln des EPC-Gen2-Standards ausgerüstet werden. Der jährliche Bedarf liegt bei über 1,7 Milliarden Transpondern [8]. Die IATA verspricht sich reduzierte Kosten bei fehlgeleiteten Gepäckstücken (etwa 100 US-$ pro fehlgeleitetem Gepäckstück). Laut Feldversuchen kann die Rate von verspäteten oder verlorenen Gepäckstücken um zwölf Prozent reduziert werden. Die Versuche zeigten weiterhin, dass die Leserate von 85 Prozent bei Barcode-Nutzung auf Leseraten im hohen 90Prozent-Bereich mit Einsatz der RFID-Technologie verbessert werden kann. Die jährlichen Einsparungen wurden auf 760 Millionen US $ geschätzt. [8] Eine weitere Anwendung der RFID-Technologie in der Luftfahrt ist das elektronische Flugticket. Ab Ende 2007 sollen alle Tickets der in der IATA organisierten Fluggesellschaften auf RFID-Tickets umgestellt haben. Bereits jetzt seien 29 Prozent der Tickets mit dieser Technik ausgestattet. Das Einsparpotenzial liege vor allem beim Check-in. [7] Im Gespräch war ebenfalls, das Ersatzteil-Management als RFID-Anwendung einzuführen. Damit sollten die Qualitätssicherung durch den gesicherten Herkunftsnachweis sowie auch logistische Abläufe wie das Bestandsmanagement in der Wartung verbessert werden. Eine Entscheidung hierzu wurde noch nicht getroffen. Ticketing In zahlreichen Ticket-Anwendungen ist die RFID-Technologie mittlerweile eingeführt, jüngstes Beispiel sind die Eintrittskarten der FIFAFussball-WM 2006. Aber auch mobile Abrechnungssysteme (micro pay-
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ment) nutzen zunehmend die RFID-Technologie. Der Rhein-MainVerkehrverbund setzt die Technik zum Fahrscheinkauf ein. Dazu gibt der Verkehrsverbund Dual Interface Cards aus, die sowohl kontaktlos als auch kontaktbehaftet arbeiten. Das erleichtert den Umstieg von den klassischen Kartensystemen mit Kontakten zu Transpondersystemen. TicketingAnwendungen nutzen überwiegend das Frequenzband bei 13,56 MHz (HFBand). In den Bereichen, die bereits vollständig auf kontaktlose Technik umgestellt sind, geht der Verkehrsverbund bereits einen Schritt weiter: Dort werden Mobiltelefone genutzt, in die die RFID-Technologie integriert ist. Der dabei verwendete NFC-Standard (near field communication) ist kompatibel zu den Karten des ISO-Standards 14443. Erste Handyhersteller wie Nokia und Samsung bieten Geräte mit dem NFC-Standard an.
3 Funktionsweise und derzeitige Kennwerte der RFIDTechnologie Ein Transpondersystem, häufig auch als RFID-System bezeichnet, ist ein Datenübertragungssystem, das im einfachsten Fall aus einem Transponder und einem Lesegerät (Reader) besteht. Gelangt der Transponder in die Nähe des Lesegeräts, so überträgt er seine Identifikationsnummer (ID-Nummer). Mit solchen Systemen können Personen, Tiere oder Objekte identifiziert werden. Neben diesen Read-only-Systemen gibt es auch Transpondersysteme mit bidirektionaler Datenübertragung und der Möglichkeit, Daten auf den Transponder zu speichern. Diese Systeme können neben einer Identifikationsnummer auch weitere auf dem Transponder gespeicherte Daten übertragen, oder es werden umgekehrt Daten vom Schreib-/Lesegerät zum Transponder gesendet und dort gespeichert. Solche Systeme kommen unter anderem in der Logistik zum Einsatz, wo Warenflüsse erfasst und Produktionsdaten im Transponder gespeichert werden. Neben der Einteilung in Read-only-Transponder und Read-writeTransponder werden Transpondersysteme zudem in passive und aktive Systeme eingeteilt. Im Falle der passiven Systeme besitzen die Transponder keine eigene Energieversorgung, sie beziehen ihre Energie allein aus dem magnetischen Feld, das an der Antenne der Lesestation erzeugt wird. Im Gegensatz dazu besitzen in aktiven Systemen die Transponder eine eigene Energieversorgung, z. B. eine Batterie oder Solarzelle. Der Vorteil dieser zuletzt genannten Transponder liegt darin, dass sie auch als Datenlogger arbeiten können, d. h. sie speichern Daten von angeschlossenen Sensoren in bestimmten Zeitabständen, ohne sich in der Nähe eines
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Schreib-/Lesegeräts zu befinden. Die passiven Transponder werden auch als RFID-Tags oder RFID-Label bezeichnet. Die Frequenzbereiche der Daten- und Energie-Übertragungsstrecken sind bei passiven Transpondern typischerweise 120–135 kHz, 13,56 MHz und 866 MHz, bei aktiven Transpondern 433 MHz, 868 MHz oder 2,45 GHz im europäischen Nutzungsbereich. Abbildung 2 zeigt das Prinzip der Energieübertragung in passiven Transpondersystemen mit niedriger Trägerfrequenz. Die Energieübertragung geschieht dabei nach dem Prinzip der magnetischen Kopplung. Zur Energieversorgung des passiven Transponders wird an der Antenne L1 des Lesegeräts ein magnetisches Wechselfeld H erzeugt. Dieses Wechselfeld durchsetzt die Fläche der Transponderspule L2 und induziert eine Spannung, die den Transponderchip mit Energie versorgt. Die derzeit erreichbaren Lesereichweiten bei passiven Transpondersystemen hängen von mehreren Faktoren ab; die wichtigsten sind hier aufgeführt: • verwendete Trägerfrequenz und die damit zulässige Leistung, die vom Lesegerät zur Versorgung des Transponders abgestrahlt werden darf • Bauformen der Antennen (zu kleine Antennen reduzieren die Kopplung zwischen Lesegerät und Transponder) • Ausrichtung der Antennen zueinander (eine ungünstige Ausrichtung kann ebenfalls die Reichweite reduzieren) • Materialien in der Umgebung Setzt man günstige Antennenbauformen und eine gute Ausrichtung der Antennen zueinander voraus, können die in Tabelle 3 aufgeführten typischen Reichweiten erzielt werden.
Abb. 2. Prinzip der Energieübertragung in passiven Transpondersystemen
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Tabelle 3. Erzielbare Lesereichweiten mit günstigen Antennenbauformen und guter Antennenausrichtung LF (120 bis 135 kHz)
HF (13,56 MHz)
UHF (866 MHz)
UHF (2,45 GHz)
ohne Materialeinfluss
1m
1–1,5 m a
5m
5m (US) 1m (EU)
Kunststoff
1m
1–1,5 m a
5mb
5 m (US) b 1 m (EU) b
Untergrund Wasser (z. B. PET-Flasche)
1m
1m
3mc
3 m (US) c 1 m (EU) c
Transponder im Wasser
1m
0,5m
keine Lesung möglich
keine Lesung möglich
Untergrund Metall
bis 0,1 m
bis 0,1 m
4mc
4 m (US) c 1 m (EU) c
in metallischer keine Lesung keine Lesung keine Lesung Folie (z. B. bis 0,2 m möglich möglich möglich Alu-Folie) a Bei Verwendung von Gate-Antennen (Doppelantenne in Helmholtz-Anordnung). b Spezielle Abstimmung erforderlich. c Spezielle Antennenbauformen erforderlich.
Die Pulklesung bezeichnet die Erfassung von mehreren Transpondern im Lesefeld des Lesegeräts, die RFID-Systeme müssen dazu über ein Antikollisionsprotokoll verfügen. In der Regel wird bei der Pulklesung nur die Identnummer des Transponders ausgelesen, um die Lesezeiten klein zu halten. Lesezeiten und die maximale Anzahl lesbarer Transponder hängen von der Trägerfrequenz und von den verwendeten Antikollisionsprotokollen (in Standards definiert) ab, siehe Tabelle 4. Elektrisch betrachtet verhalten sich Antennen wie Schwingkreise in Resonanz. Befinden sich Antennen in geringem Abstand zueinander, tritt eine Wechselwirkung zwischen den Schwingkreisen ein. Aus einzelnen „einfachen“ Schwingkreisen (2. Ordnung) entstehen durch Kopplung komplexere Schwingkreise höherer Ordnung, die über mehrere Resonanzpunkte verfügen, jedoch nicht mehr an der ursprünglichen Frequenz. Die Folge ist eine deutliche Reduzierung der Lesereichweite, man spricht dabei vom Stapelproblem.
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Tabelle 4. Kennzahlen für die Pulklesung bei guter Ausrichtung der Transponder
Transponder pro Sekunde maximal lesbare Anzahl
LF (120 bis 135 kHz)
HF (13,56 MHz)
UHF (866 MHz)
UHF (2,45 GHz)
bis zu 20
bis zu 100
bis zu 300
bis zu 300
100
500
700
500
Aus praktischen Erfahrungen sollten die Abstände zwischen den Transpondern mindestens einen Zentimeter betragen. Verfahren zur Lesung von so verstimmten Transpondern sind zwar in Entwicklung, jedoch noch nicht verfügbar.
4 Spezielle Lösungen und neue Funktionen 4.1 Die Kombination von RFID und Sensoren Neben den reinen Identifikationssystemen gewinnen Transpondersysteme mit eingebetteter Sensorik für verschiedenste Anwendungsfelder wie z. B. die Transportüberwachung in der Logistik, die Maschinen- und Fahrzeugüberwachung und die Patientenfernüberwachung in der Medizintechnik zunehmend an Bedeutung. Neue Entwicklungen auf dem Sektor der Mikrosystemtechnik und -integration erlauben die Einführung innovativer Produkte in diesen Bereichen. Die erste funktionale Erweiterung von Identtranspondern bestand in der Implementierung der Schreibfähigkeit von Daten in den Speicher des Transponders, der damit zu einem drahtlosen, mobilen Datenspeicher wurde. Als Speicher-Technologie kommen hierfür nur die EEPROM-Technologie und ähnliche non-volatile Speicher zum Einsatz. Die Größe des Speichers ist auf wenige kByte beschränkt, da auch für die Versorgung des Speichers nicht vernachlässigbare Energiemengen benötigt werden. Ein nächster Schritt zu neuen Anwendungsfeldern ist die Anbindung von Sensoren an die Transponderelektronik. Prinzipiell sind in den Transponder-ASIC integrierte und extern anschließbare Sensoren möglich. Neben den Sensoren selbst sind weitere Komponenten wie Signalanpassung und -wandlung und eine erweiterte Informationsverarbeitung notwendig, die insgesamt zu einer deutlichen Steigerung der Funktionalität, aber auch der Komplexität führen. Abbildung 3 zeigt in einem Blockbild die Funktionskomponenten eines solchen Transponders.
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Abb. 3. Funktionskomponenten eines passiven Transponders für ID- und Telemetrie-Anwendungen
Um die entstehende größere Funktionalität zu handhaben, eignet sich der Einsatz eines Prozessorkerns als zentraler Bestandteil für die interne Ablaufsteuerung und Datenverarbeitung. Dies ermöglicht in der Entwurfsphase eine schnelle und flexible Anpassung an die beabsichtigte Anwendung. Für eine Single-Chip Lösung als Endprodukt ist der Programmcode aus wirtschaftlichen Gründen als ROM zu realisieren. Das Hochfrequenz-Frontend dient als Kommunikationsschnittstelle mit den Funktionen Modulation/Demodulation der Sende-/Empfangsdaten und der Bereitstellung der Versorgungsspannung. Diese Art der Erweiterung von einfachen Ident-Transpondern zu Daten-/ Telemetrie-Transpondern ermöglicht weiterhin einen kostengünstigen Aufbau, da nur die Komponenten Transponderchip, Antenne (z. B. gedruckte Spule) und Gehäuse notwendig sind. Eventuell muss ein externer Sensor in Abhängigkeit von der Anforderung zugefügt werden. Durch eine zusätzliche Energiequelle (Akku, Solarzelle, Thermogenerator) erweitert man den Transponder ohne großen Zusatzaufwand zu einem aktiven Transponder. Integrierbare Sensoren
Tabelle 5 gibt in einer Auswahl eine Übersicht über die Verwendbarkeit von Sensoren an. Darin wird deutlich, dass bereits eine große Anzahl von Sensoren integrierbar ist.
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Aufgrund der zugehörigen Aufbautechnik und des Energiebedarfs sind jedoch zurzeit nur bestimmte Sensoren für Transponder geeignet. Kostengünstige Varianten sind vor allem die Lösungen, die sich als Single-Chip Transponder realisieren lassen. Für Telemetrie-Anwendungen lassen sich kapazitiv arbeitende Sensoren bevorzugt einsetzen, da hierbei mit sehr geringer Energieaufnahme Messungen ermöglicht werden. Ein Beispiel ist der mikromechanische Drucksensor. Die obere Platte eines Kondensators ist als Membran ausgelegt, die sich durch Druckeinwirkung verformt und eine Änderung der Kapazität bewirkt. Diese Änderung kann z. B. mittels einfacher CCO (capacitiv controlled oscillator) ausgewertet werden. Abbildung 4 zeigt den Aufbau eines solchen Drucksensorelements.
Abb. 4. Aufbau eines mikromechanischen Drucksensorelements in Schnittdarstellung
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Anwendungsbeispiele
Tiertransponder Der Tiertransponder ist ein Ident-/Temperatur-Transponder in einer biokompatiblen Glaskapsel, der im Bereich der Tierhaltung in landwirtschaftlichen Betrieben neben der Identifizierung zur Überwachung der Körpertemperatur Anwendung findet. Reifendruckmessung Der richtige Luftdruck in Reifen stellt bei allen Fahrzeugen ein wichtiges Kriterium für die Fahrsicherheit und die Erzielung der optimalen Laufleistung dar. Transponder bieten hier die Möglichkeit der automatischen Überwachung des Luftdrucks. Prinzipiell sind folgende Szenarien realisierbar: • Die Reifen enthalten aktive Transponder. Ausgelesen werden die Transponder von einer zentralen Lesestation, die am Fahrzeugunterbau angebracht ist. • Die Reifen enthalten passive Transponder, die von einer lokalen Lesestation ausgelesen werden. Die Lesestation kann z. B. im Radkasten oder an der Achse angebracht sein. • Transponder werden in Form einer besonderen Ventilkappe auf das Ventilröhrchen geschraubt. Der Luftdruck kann dann mit einem mobilen Lesegerät erfasst werden, indem das Wartungspersonal mit dem Lesegerät am Fahrzeug entlanggeht. • Die Reifen enthalten passive Transponder, die von einer internen oder externen Lesestation ausgelesen werden. Bei der fahrzeuginternen Lesestation befinden sich Leseantennen in den Radkästen. Die externe Lesestation kann sich z. B. an einer Toreinfahrt befinden. Die Varianten zeigen deutliche Unterschiede in Funktionalität und Preis und zielen auf unterschiedliche Einsatzbereiche wie z. B. Schwerlast-Lkw, Güterfernverkehr und Miet-Pkw. Die Einführung solcher Systeme auf breiter Basis setzt in jedem Fall eine Normung bzw. Vereinheitlichung voraus. Für Hersteller von Fahrzeugen und Reifen sind damit drastische Veränderungen in allen Bereichen der Produktion und Produktwartung verbunden. Abbildung 5 zeigt eine am Fraunhofer IMS entwickelte Lösung zur Reifendruckmessung mit einem passiven Sensortransponder. Transportüberwachung Die Transportüberwachung erfordert die quasipermanente Überwachung der Güter, d. h. die Sensorik muss von der Verpackung bis zur Entpackung aktiv bleiben, um alle während des Transportes auftretenden Ausnahmesituationen erfassen zu können.
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Abb. 5. Transponder mit Drucksensoren (Quelle: Fraunhofer IMS)
Im Falle der Temperatur- und Feuchtemessung kann je nach Anwendung eine periodische Messung in Intervallen von einigen Minuten ausreichend sein, wenn man davon ausgeht, dass sich diese Größen nur langsam ändern bzw. ihr Einfluss auf das Transportgut eine längere Einwirkzeit benötigt. Durch den Bedarf von Beschleunigungssensoren im Bereich der Automobiltechnik, insbesondere als Crash-Sensor für Airbags, ist die Entwicklung und Optimierung dieser Sensoren in den letzten Jahren stark vorangetrieben worden. Entsprechende Ergebnisse sind in der Miniaturisierung zu finden. Mittels geeigneter Ätz- und Dotierungstechniken können miniaturisierte Bauelemente von wenigen Kubikzentimetern zur Beschleunigungsund Schockmessung hergestellt werden. 4.2 Antennen für UHF-Transponder Derzeit werden vorwiegend Dipolantennen eingesetzt. Diese sind in unzähligen Ausprägungen zu finden. Ziel beim Design der Antenne ist, eine möglichst hohe Bandbreite zum Betrieb auf unterschiedlichen Untergründen und weltweit genutzten Bändern zu erreichen. Gewünscht ist der Betrieb in allen weltweit verfügbaren Bereichen, ohne Änderungen am Aufbau des Transponders vornehmen zu müssen. Der Frequenzbereich reicht
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von 860 MHz bis 960 MHz. Darin liegen die Frequenzen 866 MHz für Europa, 915 MHz für USA und 956 MHz für Japan. Zusätzlich treten Verstimmungen durch Untergründe auf. Kunststoffe verschieben den Antennenresonanzpunkt zu tieferen Frequenzen, so dass die Lesereichweite deutlich sinken kann. Eine Abhilfe für diese Problematik sind Antennen, die zu einer Seite abgeschirmt sind oder anders gesagt nur in einen „Halbraum“ strahlen bzw. empfangen [5]. Kommen wie bei der UHF-Technik Frequenzen oberhalb 50 MHz zum Einsatz, kann von der Möglichkeit der Richtwirkung Gebrauch gemacht werden. Der einfachste Fall ist die Ausrichtung in eine Raumrichtung, die mit Halbraum- bzw. Patchantennen erreicht wird. In der Anwendung sind diese Antennen besonders für das Tagging von kritischen Objekten gefragt, die einen hohen Anteil von Metall oder Wasser enthalten. Der Aufbau stellt sich wie folgt dar (Abb. 6): Auf einer elektrisch leitenden Grundfläche ist durch einen Isolator getrennt (Luft oder Dielektrikum wie Kunststoff) eine elektrisch leitende Fläche (Patch) angebracht. Der Raum zwischen Patch und Grundfläche wirkt hochfrequenztechnisch als Resonator. In diesem breitet sich eine stehende Welle aus, die je nach verwendetem Isolationsmaterial fast verlustfrei schwingt. An den Kanten des Patches entsteht ein Streufeld, mit dem die eigentliche Antennenwirkung erzielt wird, also die Abstrahlung bzw. Einstrahlung (Abb. 7). Neben dem verlustarmen Betrieb ist die Bandbreite eine weitere Anforderung für die Anwendung als Transponderantenne. Die Verwendung einfacher rechteckiger Strukturen führt zu sehr schmalbandigen Antennen (Abb. 6), die gerade für die UHF-Anwendungen schlecht geeignet sind.
Abb. 6. Aufbau der Patchantenne
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Abb. 7. Abstrahlcharakteristika der Patch-Antenne (Quelle: Fraunhofer IMS)
Derzeit wird an der Weiterentwicklung der Patchantennen zu breitbandigen Antennen gearbeitet, die durch Variation der Patchfläche erreicht wird [9]. Ebenso hat die Wahl des Dielektrikums Auswirkung auf die Eigenschaften. Hier ist jedoch die wirtschaftliche Betrachtung vorrangig. Hochwertige Keramiken treiben den Preis der Antennen zurzeit noch in den ein- bis zweistelligen Euro-Bereich. Mit neuen Materialien werden in naher Zukunft aber auch hier deutliche Preisstürze erwartet. Die Nutzung von Untergründen kann in zahlreichen Fällen sowohl die Integration erleichtern als auch Kosten sparen. Die Eignung der einzelnen Antennentypen in Verbindung mit den Verpackungen ist in den jeweiligen Einzelfällen zu klären. Liegen z. B. metallische Untergründe vor, so sind prinzipiell Patchantennen geeignet. Die Wirkung ist jedoch nur dann signifikant, wenn die Metallfläche der Verpackung mit der restlichen Antenne des Transponders kontaktierbar ist. Dies kann bei Dosen funktionieren, ist bei Verbundverpackungen (Milchtüte) jedoch nicht zu erwarten. Besser kann eine Integration erfolgen, wenn die Verpackung modifiziert werden kann. Zum Beispiel besitzen Schlitzantennen eine hohe Effektivität und eignen sich potenziell für Transponder. Dazu ist ein Schlitz mit definierten Abmessungen in einer metallischen Oberfläche vorzusehen. Dies kann beispielsweise in Verpackungen integriert werden, die eine metallische Bedampfung erhalten, jedoch nicht in metallische Flächen, die für die Dichtheit verantwortlich sind.
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Die Nutzung von Untergründen ist also prinzipiell möglich, aber in jedem Einzelfall zu klären. 4.3 Integrationsfähigkeit von Transpondern in Verpackungen Gute Möglichkeiten zur Integration von Transpondern in Verpackungen bieten Trägermaterialien, die drucktechnisch verarbeitet werden (bspw. „Chipstüten“). In zahlreichen Entwicklungen wurden Prozesse zur Herstellung von gedruckten Antennen entwickelt, die durch den Einsatz von leitenden Farben funktionsfähig sind. In diese Farben sind Metallpartikel eingebracht, die die Leitfähigkeit erwirken. Es wurden gute Ergebnisse in Funktion und Zuverlässigkeit erzielt. Probleme bereitet bei diesen Verfahren die Entsorgung, da viele Metalle bei nicht sachgerechter Lagerung toxische Wirkungen aufweisen können. Somit hat sich die Verbreitung dieser Technologie nur auf wenige Fälle beschränkt. Ein Einsatzfeld für leitende Farben wird derzeit bei der Polymertechnologie gesehen. Hier finden Entwicklungen statt, die hochzeitende und biokompatible Materialien hervorbringen. Selbstjustierung von Chips bei der Montage
Neben dem Druck von Antennen auf Verpackungsmaterialien ist das Montieren des Transponderchips der nächste Entwicklungsschritt, der zu optimieren ist. MAN Roland entwickelt dazu ein neues „pick-and-place“Verfahren, das in der Herstellung von Verpackungen genutzt werden kann [1]. Der Chip wird zunächst in einen Tropfen eingebettet. Dieser Tropfen kann nun mit hoher Geschwindigkeit auf der Substratoberfläche dispenst werden. Der Chip justiert sich durch die Wirkung von Adhäsionskräften selbstständig. Ein letztes mechanisches Andrücken festigt den Chip auf der Substratoberfläche. Abbildung 8 skizziert das Verfahren. Ziel bei diesem Verfahren ist der Einsatz in Druckmaschinen, die das Verpackungsmaterial mit Geschwindigkeiten von fünf Metern pro Sekunde bedrucken. Beim gleichzeitigen Drucken von Antennen und der Nutzung des selbstjustierenden Verfahrens kann der Herstellungspreis des Transponders noch einmal deutlich reduziert werden. Zumindest mittelfristig kann diese Technologie eine leistungsfähigere Alternative zum Polymertransponder sein [1].
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Abb. 8. Selbstjustierung durch Adhäsion bei der Montage von Chips (Quelle: MAN Roland)
4.4 Mehrfrequenztransponder Eine weitere Lösung der „Frequenzfrage“ stellt die Integration mehrerer Funkfrontends in einen Transponderchip dar. Insbesondere in der Handelslogistik sind die drei folgenden Frequenzen im Einsatz und unterliegen häufigen Diskussionen: • UHF (868 MHz) RFID • HF (13,56 MHz) RFID und elektronische Artikelsicherung • EAS (8,2 MHz) elektronische Artikelsicherung Das HF- und das EAS-Band nutzen eine ähnliche Kopplung zwischen Lesegerät und Transponder. Das einfache EAS-Verfahren kann daher mit der Schaltungstechnik des HF-Frontends betrieben werden. Lediglich die Antenne, die hier als Resonanzkreis bestehend aus Antennenspule und Abstimmkondensator ausgeführt ist, muss als Antenne mit zwei Resonanzpunkten ausgeführt werden. Dies ist mit einfachen Schaltungserweiterungen (Spule, Kondensator) möglich. Das UHF-Band hingegen nutzt eine grundsätzlich andere FrontendTechnik als das HF- und das EAS-Band, daher sind für beide Bereiche gesonderte Schaltungsteile erforderlich. Abbildung 9 zeigt ein Blockschaltbild für einen Mehrfrequenzchip. Der Zugriff durch das RFID-Lesegerät, egal ob HF oder UHF, erfolgt immer auf den gleichen Datensatz. So könnten EPC-Nummern oder Anwenderdaten über beide Schnittstellen ausgetauscht werden. Ein gleichzeitiger Zugriff über beide Frequenzen wäre nicht möglich, da sonst die Integrität des Datenbestands nicht gewährleistet wäre. Weitere Vorteile von Mehrfrequenztranspondern wären
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Abb. 9. Blockschaltbild für einen Mehrfrequenzchip (Quelle: Fraunhofer IMS)
• einfachere Einbindung in Prozesse, • Unabhängigkeit von genutzten Readern sowie • höhere Vielfalt bei der Komponentenauswahl. Die höhere Flexibilität ist jedoch dem Mehraufwand bei der Herstellung des Transponders gegenüberzustellen. Die Chipfläche vergrößert sich durch das zweite Funkfrontend und zusätzliche Anschlusspads. 4.5 Lokalisierung passiver Tags Eine Vielzahl von Aufgaben, wie beispielsweise das Kommissionieren durch Industrieroboter, Hol- und Bringdienste von Servicerobotern oder die Verfolgung von Objekten im Materialfluss, setzt die Kenntnis von Position und Orientierung eines Objektes voraus. Die Anforderungen an Systeme zur Lokalisation von Objekten werden vom aktuellen Stand der Technik in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, Robustheit, Taktzeit und Objektunabhängigkeit für eine Vielzahl von Aufgaben nicht erfüllt. Daher besteht ein großer Bedarf nach leistungsfähigeren Verfahren zur Objektlokalisation. Für die Objektidentifikation gelangt die RFID-Technologie aufgrund der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in zunehmendem Maße zum Einsatz. Sie ist jedoch bisher nicht geeignet, Objekte hinsichtlich ihrer Lage ortsauflösend, d. h. mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern, zu lokalisieren. Da laut Marktanalysten der Barcode weitgehend von RFID-
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Transpondern abgelöst wird und somit von einer rapide steigenden Verwendung der RFID-Technologie auszugehen ist, ermöglicht die Erweiterung dieser Technologie um die Fähigkeit der ortsauflösenden Objektlokalisation eine Vielzahl an neuen Anwendungen für die Handhabungstechnik (im Folgenden Radio Frequency Object Localization – kurz RFOL – genannt) Zur Realisierung der Lokalisierung passiver Tags wird folgender Lösungsansatz verfolgt. Das Messareal wird durch eine Anzahl Antennen A1 ... An definiert, zwischen denen sich der zu lokalisierende RFIDTransponder befindet. Ein Schreib-Lese-Gerät aktiviert und identifiziert die RFID-Transponder T1 ... Tm und veranlasst, dass nur der zu lokalisierende RFID-Transponder (T3) beginnt, ein Signal zu senden. Die Lokalisationsantennen A1 ... An, deren Positionen im Raum bekannt sind, empfangen die Funksignale der Transponder und führen sie einem Lokalisationsempfänger zur Aufbereitung/Regeneration des Lokalisationssignals zu. Dort werden verschiedene Parameter für die Lokalisierung bestimmt. Ein Rechner bestimmt daraus den Ort des Objekets. Durch dieses Verfahren können Objekte, die mit entsprechenden RFIDTags versehen werden, ortsauflösend lokalisiert werden. Dies ist derzeit nur durch den Einsatz wesentlich teurerer und größerer aktiver Tags oder durch den Einsatz ebenfalls teurerer und störanfälliger 2-D- oder 3-DSensorik möglich.
Abb. 10. Prinzip der Lokalisierung passiver Transponder (Quelle: Fraunhofer IMS)
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4.6 Semiaktive Transponder Zur Erweiterung der Transponder um zusätzliche Funktionen, die meist in der Nutzung von Sensoren liegen, werden Transponder mit Energiespeichern ausgestattet. Bleibt die Datenschnittstelle in der üblichen Transponderform erhalten, spricht man von halb- oder semiaktiven Transpondern. Sie erhalten damit die Möglichkeit, auch dann Funktionen auszuführen, wenn sie nicht vom Lesegerät versorgt werden. Realisiert wurden Lösungen für das Cool-Chain-Monitoring. Als Energiespeicher bieten sich neuartige Technologien an, die in Form von extrem flachen Akkus oder Batterien bestehen. Möglich sind Batterietechniken, die im Druckverfahren auf die Trägerfolie des Transponders applizierbar sind. Neben Sensorfunktionen sind ebenso Performanceverbesserungen möglich. Erhält der Transponder alternativ seine Energie aus dem Datenspeicher, kann die Reichweite um den Faktor 1,5 bis 2 bei HF und UHF erhöht werden, ohne Änderungen am Übertragungsverfahren vornehmen zu müssen. Die Übertragung zum Transponder hin würde mit noch höherer Reichweite funktionieren, einschränkend ist jedoch das sehr schwache Modulationssignal in der Richtung vom Transponder zum Lesegerät. Wirtschaftlich betrachtet ist der zusätzliche Energiespeicher ausschließlich für die Reichweitenerhöhung zweifelhaft, da die Kosten um mindestens 100 Prozent steigen würden.
5 Ausblick Die Einführung der RFID-Technologie in verschiedene Anwendungsbereiche zeigt, dass das Interesse nicht nur auf die Medien beschränkt ist, sondern wirtschaftliche Vorteile im Vordergrund stehen. Die in diesem Beitrag aufgeführten Weiterentwicklungen werden zu einer weiteren Durchdringung der Technologie führen und dem „Internet der Dinge“ einen Wachstumsschub verleihen. Neben den hier beschriebenen Weiterentwicklungen wartet die Industrie ebenfalls auf die Verfügbarkeit von Polymertranspondern. Diese Technologie, bei der die Transponder in Druckverfahren hergestellt werden können, ermöglicht die extrem kostengünstige Herstellung von elektronischen Schaltungen. Mit der Präsentation des ersten Polymertransponders (Ende 2005), der bei 13,56 MHz arbeitet und ein Bit speichern kann, wurde der aktuelle Stand der Polymerentwicklung für den Anwendungsbereich RFID anschaulich dargestellt. Es wurde die Herstellung in Drucktechnik (Laborbe-
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dingungen) realisiert. Dies zeigt, dass wesentliche Hürden überwunden wurden und die Umsetzbarkeit in eine großtechnische Herstellung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre möglich ist [6]. Mittelfristig ist dieses Ergebnis eine Voraussetzung für die Herstellbarkeit eines Transponders, der die Preisregion unterhalb eines Eurocents erreichen kann und damit die Möglichkeit der elektronischen Kennzeichnung von niedrigpreisigen Produkten (z. B. Joghurtbecher) erlaubt. Zu beachten sind dabei jedoch noch die technischen Aspekte, da Punkte wie Lesereichweite (einige Millimeter) und fehlende Programmierbarkeit zu verbessern sind. Aus heutiger Sicht kann die Verfügbarkeit der Polymerelektronik für RFID-Anwendungen nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Trotz aller derzeitigen Restriktionen wird die RFID-Technologie auch zukünftig einen festen Bestandteil in unserer technischen Umgebung einnehmen und ihren Beitrag zum Internet der Dinge liefern.
Literatur 1. Baumann R (2005) Gedruckte Elektronik für Pharma-Verpackungen. In: Tagungsunterlagen „Polymerelektronik – RFID in Medizin und Pharma“, November 2005 2. Bock K (2005) Technologischer Ausblick – Potentiale, Vorteile Grenzen. In: Tagungsunterlagen „Polymerelektronik – RFID in Medizin und Pharma“, November 2005 3. Frost, Sulivan (2005) Conductive Polymers – Emerging Technology and Trend. Date Published: 23 Dec 2005 4. Heider U (2005) Entwicklung von Kunststoffen für die Polymerelektronik. In: Tagungsunterlagen „Polymerelektronik – RFID in Medizin und Pharma“, November 2005 5. Hock A, Pauli P (1989) Antennentechnik 6. Milder W (2005) Produktion von Polymer RFID-Tags. In: Tagungsunterlagen „Polymerelektronik – RFID in Medizin und Pharma“, November 2005 7. Online: http://www.heise.de/newsticker/meldung/60075 8. RFID-Journal (2005) IATA Approves UHF for Bag Tags, Nov. 2005. http://www.rfidjournal.com/article/articleview/1994/1/1/ 9. Tran DT (2005) Breitbandige Anpassung einer Patchantenne. Universität Duisburg 10. U.S. Food and Drug Administration (2004) Radiofrequency Identification Feasibility Studies and Pilot Programs for Drugs, Dez. 2004. http://www.fda.gov/oc/initiatives/counterfeit/rfid_cpg.html
Sicherer Informationsaustausch im Internet der Dinge
Benjamin Fabian, Oliver Günther, Lenka Ivantysynova, Sarah Spiekermann, Holger Ziekow Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST Institut für Wirtschaftsinformatik, Humboldt-Universität zu Berlin
1 Einführung Das Internet der Dinge wird es ermöglichen, weltweit Daten zu beliebigen Objekten zu verwalten und zu finden. In Kombination mit der RFIDTechnologie ergeben sich hieraus zahlreiche Möglichkeiten für eine unternehmensübergreifende Kooperation in komplexen Wertschöpfungsketten, wodurch sich die RFID-Infrastruktur zu einem zentralen Element der Unternehmenssteuerung entwickeln würde. Dementsprechend wichtig ist es, den Informationsaustausch über das Internet der Dinge effizient und sicher zu gestalten. In diesem Kapitel präsentieren wir zunächst einige organisatorische und technische Grundlagen für die organisationsübergreifende Verwaltung und Verarbeitung objektbezogener Daten. Ferner diskutieren wir die Sicherheit des Object Name Service (ONS), der im EPC-Netzwerk als zentraler Dienst zum Auffinden von Informationen im Internet der Dinge angedacht ist.
2 Organisationsübergreifende Verarbeitung von Objektdaten Die RFID-Technologie hat bei der organisationsübergreifenden Verarbeitung von Objektdaten das Potenzial, die Informationsverarbeitung in kom-
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B. Fabian, O. Günther, L. Ivantysynova, S. Spiekermann, H. Ziekow
plexen Wertschöpfungs- und Logistikketten in Produktion und Handel fundamental zu verändern. Durch die vereinfachte Erhebung objektbezogener Informationen wird eine höhere Transparenz der Wertschöpfungsprozesse ermöglicht. Dieses Nutzenpotenzial entfaltet sich jedoch erst dann, wenn die Informationen aus den geschlossenen, unternehmensinternen Systemen der firmenübergreifenden Wertschöpfungskette zur Verfügung gestellt werden, d. h. ein Austausch zwischen Kooperationspartnern stattfindet. Der organisationsübergreifende Transfer von Objektdaten muss technisch und organisatorisch auf eine solide Basis gestellt sein, um die Voraussetzungen für die Bildung von Kooperations- und Vertrauensstrukturen zum Datenaustausch zu schaffen. Ein zentrales Element dabei ist die Sicherheit des Datentransfers. So muss insbesondere die Vertraulichkeit der Daten gewährleistet sein, um Missbrauch durch Dritte zu verhindern. In diesem Diskursbereich sind die Forschungsaktivitäten des seit Mai 2006 vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Verbundprojekts KoRFID angesiedelt. Eine der Zielsetzungen ist, den optimalen Grad an Transparenz zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen zu untersuchen. Dies geht einher mit der Frage nach spieltheoretischen Modellen, die aufzeigen, welche Kooperationsbeziehungen unter welchen Bedingungen für wen erstrebenswert sind. Die Untersuchungen sollen eine Grundlage für vertragliche Vereinbarungen zwischen den Kooperationspartnern bieten und insbesondere solche Vereinbarungen ermöglichen, die eine faire Kosten- und Nutzenverteilung bewirken. Des Weiteren ist offen, wie der horizontale Datenfluss organisatorisch und technisch im Detail realisiert werden kann. Abhängig von der Gestaltung der Datenablage ergeben sich an verschiedenen Punkten Möglichkeiten der Vorverarbeitung und Aggregation von Daten. Ferner muss analysiert werden, wie für die Verteilung und Weiterleitung von Informationen geltende Datenschutzbestimmungen und Datensicherheit in Kooperationsnetzen gewährleistet werden können. Dies gilt für personenbezogene Daten von Verbrauchern und Beschäftigten ebenso wie für Informationen über die Warenströme selbst. Bei den zu betrachtenden Systemen lassen sich Netzwerk-, Middlewareund Geräteebene unterscheiden (siehe Abb. 1). Konkrete Umsetzungen der Datenintegration, -verteilung und -vorverarbeitung müssen die besonderen technischen Anforderungen aller Systemebenen berücksichtigen. Die Geräteebene ist die unterste dieser drei Schichten. Sie umfasst insbesondere RFID-Tags, die zugehörigen RFID-Lesegeräte, Sensoren sowie Gateways. Diese Geräte sind stark in ihre Umgebung eingebettet und werden in ihrer Funktion von physikalischen Gegebenheiten an ihrem Einsatzort beeinflusst (z. B. durch die Präsenz von Metallen).
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Abb. 1. Logische Systemebenen RFID-basierter Datenverarbeitung
Relevante Parameter sind unter anderem Energiespeicher, Signalausbreitung und Abschirmung sowie Konnektivität zur Middlewareebene. Bedingt durch diese Parameter muss für jeden Anwendungsfall separat entschieden werden, ob die Speicherung und Verarbeitung von Daten auf der Geräteebene sinnvoll ist. Beispielsweise ist die Vorverarbeitung von Daten im Sinne einer Aggregation anzustreben, wenn die eingesetzten Geräte eine autarke und limitierte Energieversorgung (z. B. Batterien) besitzen. Auf diese Weise kann der Datenfluss und somit energieintensive Kommunikation reduziert werden. Ferner kann bedingt durch die Einsatzumgebung die Kommunikation mit der Middlewareebene störanfällig oder gänzlich unmöglich sein. In diesem Fall ist die Speicherung notwendiger Daten in der Geräteebene, d. h. auf den RFID-Tags und in den eingebetteten Systemen selbst vorzunehmen. Die Middlewareebene dient als Bindeglied zwischen der Geräteebene und den übergeordneten Anwendungen. Allerdings werden dieser Ebene auch Komponenten zur Speicherung und Verarbeitung von Informationen zugeordnet. Ferner können auf der Middlewareebene Module zur Realisierung von Anwendungslogik implementiert sein, um Leseereignisse und zugehörige Informationen von RFID-Tags regelbasiert zu verarbeiten. Beispielsweise könnten operative Daten ausgewertet und auf unvorhergesehene Ereignisse überprüft werden. Hierbei stellt sich die Frage, ob auch Partner in der Wertschöpfungskette Zugriff auf derartige Informationen erhalten sollen. Diese könnten dann, ggf. in aggregierter Form, über die Netzwerkebene zur Verfügung gestellt werden. Auch ist zu untersuchen, welche Formen des Data Mining möglich sind, ohne die Vertraulichkeit eingebrachter Datenbestände zu verletzen.
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Die Netzwerkebene realisiert den Datenaustausch zwischen verschiedenen Parteien in der Wertschöpfungskette. Für diese Ebene werden unterstützende Dienste sowie Schnittstellen und Austauschformate bestimmt. Die firmenübergreifende Organisation EPCglobal Inc. arbeitet in diesem Bereich an der Definition von Standards für Dienste, Schnittstellen und Kodierungsschemata. Der bekannteste Standard von EPCglobal ist der Electronic Product Code (EPC), der als Nachfolger und Erweiterung des Barcodes jedem Objekt eine weltweit eindeutige Nummer zuordnen kann. Hinzu kommen Hilfsdienste wie der Object Name Service (ONS) [8], Discovery Services und die EPC Information Services (EPCIS). Zusammen bilden diese Dienste das EPC-Netzwerk, das den globalen Austausch objektbezogener Daten ermöglichen soll.
3 Informationsverarbeitung in der Netzwerkebene Wird eine Infrastruktur wie das EPC-Netzwerk auf breiter Basis eingesetzt, so ist die Betrachtung von Sicherheitsaspekten bei der Informationsverarbeitung in der Netzwerkebene unabdingbar. Unbefugten darf es nicht möglich sein, durch Missbrauch des Netzwerks Informationen über interne Geschäftsabläufe, Warenflüsse oder Ähnliches zu erhalten. Ferner würden sich ohne entsprechende Sicherheitsmaßnahmen Risiken für die Privatsphäre von Konsumenten ergeben, die denen durch das direkte Auslesen von RFID-Tags [4, 6] entsprechen. Ebenso muss die Verfügbarkeit des Netzwerks gewährleistet sein, da andernfalls eine Integration in Kernprozesse eines Unternehmens nicht möglich ist. Im Folgenden gehen wir auf Sicherheitsrisiken im EPC-Netzwerk ein. Dazu wird zunächst ein Überblick über die Informationsverwaltung und Informationssuche in diesem Netzwerk gegeben. Darauf aufbauend diskutieren wir detailliert Schwachstellen in dem zentralen Dienst ONS und stellen Maßnahmen vor, deren Durchführung das Risiko eines Missbrauchs gemindert werden kann. Jeder mit dem EPC-Standard konforme RFID-Tag trägt einen EPC, mit dem das Objekt, welches mit dem Tag versehen ist, weltweit eindeutig identifizierbar ist. Somit kann der EPC als eindeutiger Schlüssel für die informationstechnische Verfolgung eines Objektes und für den Austausch objektbezogener Informationen dienen. Im EPC-Standard sind verschiedene Namensräume und Kodierungsschemata integriert, so zum Beispiel für „Serialised Global Trade Item Number“ (SGTIN), „Serial Shipping Container Code“ (SSCC) und „Global Returnable/Individual Asset Identification“ (GRAI/GIAI).
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Ein EPC der Variante SGTIN-96, die den Nachfolger des EAN/UCCBarcodes bildet, ist strukturell in die folgenden Segmente untergliedert (Abb. 2): Header (Art des EPC, hier SGTIN-96), Filter Value (genereller Objekttyp für Logistik), Partition (Hilfsfeld für variable Länge der beiden folgenden Werte), Company Prefix (auch EPC Manager), Item Reference (auch Object Class, spezifischer Objekttyp) und Serial Number (Seriennummer, zusammen mit den anderen Segmenten eindeutig). Für ONS sind entsprechend der bisherigen Spezifikation das Company Prefix (EPC Manager) und Item Reference (Object Class) besonders relevant. Die Vergabe eindeutiger Nummern ermöglicht es, objektbezogene Informationen getrennt vom Objekt auf Servern im Internet zu verwalten. Mithilfe des ONS lassen sich die mit einem EPC assoziierten Dienste (EPCIS) auffinden, über die wiederum Informationen zum entsprechenden Objekt abgerufen werden können. Im EPC-Netzwerk können verschiedene Parteien (Hersteller, Zulieferer, Logistik-Dienstleister, Supermärkte) flexibel in die Infrastruktur des Netzwerks eingebunden werden. Jede Partei kann Informationen, die sie zu einem bestimmten Objekt gesammelt hat, über Informationsdienste zur Verfügung stellen und diese dynamisch im Netzwerk registrieren. Aufgrund der gegebenen Dynamik in diesem globalen Netzwerk würden statische Listen mit objektbezogenen Datenquellen schnell veraltet sein. Um eine aktuelle Auflistung der relevanten Datenquellen zu erhalten, kann für jede Informationssuche zunächst das ONS befragt werden. Bei Anfragen zu einem EPC gibt das ONS eine aktuelle Liste mit Informationsdiensten für das entsprechende Objekt zurück.
Abb. 2. EPC (Variante SGTIN-96)
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Technisch basiert das ONS auf dem Domain Name System (DNS) [1]. Die Grundidee besteht darin, einen EPC in einen syntaktisch korrekten Domainnamen zu konvertieren und die existierende Infrastruktur, Software und Protokolle des DNS für die Suche nach weiteren Informationen zu nutzen (Abb. 3). Um Informationsquellen zu einem EPC aufzufinden, werden in der Regel die Adressen (meist in Form von DNS-Namen) von EPCIS für das betreffende Objekt benötigt. Eine Applikation oder eine Middleware verwandelt in einem Zwischenschritt den EPC zunächst in einen URI (Uniform Resource Identifier). Die im ursprünglichen EPC binär codierte SGTIN 47400.11015.473201 (dezimal) wird hierbei in die Zeichenkette „urn:epc:id:sgtin:47400.11015.473201“ umgewandelt. Diese Zeichenkette wird anschließend vom eigentlichen ONS-Resolver in einen Domainnamen umgewandelt (z. B. „47400.11015.sgtin.id.onsepc. com“). Nach der aktuellen ONS-Spezifikation ist der Seriennummernteil des EPC (im Beispiel 473201) nicht in dem korrespondierenden Domainnamen enthalten, jedoch wird explizit Raum für entsprechende künftige Erweiterungen gelassen [8]. Der so erstellte DNS-Name gehört zur Domain onsepc.com, die speziell für ONS reserviert ist. Für diesen Namen wird eine Anfrage an das DNS gestellt, wobei das reguläre DNS-Protokoll verwendet wird. Dabei werden zumindest Teile des angefragten EPC (mindestens Company Prefix und Item Reference) im Klartext über das Internet versendet, da dies inhärent notwendig für die Delegation der Suchanfragen ist. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich Risiken für Sicherheit und Privatsphäre, die im Folgenden diskutiert werden.
4 Sicherheitsrisiken im ONS Das DNS ist ein klassischer und zentraler Internetdienst mit einer langen Geschichte von Sicherheitsproblemen, sowohl im eigentlichen Protokoll als auch in seinen konkreten Implementierungen [3]. Viele Schwachstellen des DNS sind dadurch bedingt, dass der Dienst, der jederzeit allgemein zugänglich sein muss und für zahllose Anwendungen benutzt wird, keinerlei Authentifizierungsmechanismen beinhaltet. Über das DNS-Protokoll können weder der jeweils befragte Server noch die erhaltenen Informationen authentifiziert werden, zudem verläuft die gesamte Kommunikation im Klartext. Da das ONS auf dem DNS basiert, übertragen sich diese Schwachstellen direkt auf das ONS.
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Abb. 3. Suchanfragen im EPC-Netzwerk
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In vielen Kontexten müssen die EPCs auf RFID-Tags als hochsensitive Information eingestuft werden, insbesondere wenn sie ohne großen Aufwand gesammelt und systematisch mithilfe von Data-Mining-Verfahren ausgewertet werden können. Beispielsweise kann die Analyse von Warenund Materialflüssen wertvolle Informationen über Konkurrenten bieten und Preisverhandlungen beeinflussen. Auch personenbezogene Daten lassen sich relativ einfach mit einem EPC verknüpfen, was Lokalisierung und Profiling von Individuen ermöglichen kann. Selbst wenn der Seriennummernteil des EPC über das Netz nicht bekannt wird, kann bereits aus der Kombination Company Prefix (Hersteller) und Item Reference (Objektklasse) geschlossen werden, zu welcher Art von Objekt der EPC gehört. Cluster von partiellen EPCs können stellvertretend für einen vollständigen EPC zum eindeutigen Schlüssel werden, um Objekte mit Personen oder Unternehmen in Verbindung zu bringen. Auch die Interaktion mit den eigentlichen EPCIS kann aufschlussreiche Rückschlüsse auf das Objekt erlauben. Um potenziellem Missbrauch vorzubeugen, wurden bereits zahlreiche Vorschläge unterbreitet. Im Vordergrund stehen bisher Verfahren, die den EPC auf dem Tag vor unbefugtem Auslesen schützen (Überblick bei [4, 7]). Die Kommunikationsprozesse hingegen, die wie die Nutzung des EPC-Netzwerks erst nach dem eigentlichen RFID-Auslesevorgang erfolgen, fanden bisher nur wenig Beachtung. Um die zu einem EPC gehörigen Informationen aus dem EPC-Netzwerk abzurufen, müssen zunächst die entsprechenden EPCIS über das ONS ausfindig gemacht werden. Am Anfang des Prozesses steht also immer dann, wenn die gesuchte Adresse nicht zufällig bereits in einem temporären lokalen Cache vorhanden ist, die unverschlüsselte Kommunikation mit dem ONS, auch wenn im Anschluss die Verbindung zur eigentlichen Datenquelle (EPCIS) verschlüsselt aufgebaut werden sollte (z. B. mittels SSL/TLS). Der Hauptteil des EPC wird somit für das DNS kodiert und im Klartext zu einem DNS-Server gesendet. Dabei passieren die Informationen das lokale Netzwerk, das gegebenenfalls auch durch ein WLAN realisiert sein kann, was bei fehlenden Sicherheitsmaßnahmen den Netzwerkverkehr leicht abhörbar macht. In Abhängigkeit vom Cache und der Konfiguration des konsultierten DNS-Servers wird die Anfrage entlang des Pfades zur Namensauflösung im DNS weitergeleitet. Dies beinhaltet möglicherweise eine Weiterleitung an einen Root-DNS-Server, ferner an den zuständigen Server für onsepc.com bei VeriSign und eventuell weitere Server aus der DNS/ONS-Hierarchie bis hin zu der Firma, die als Hauptreferenz für den angefragten EPC agiert. Alle Internet-Service-Provider, über deren Netze derartige Anfragen weitergeleitet werden, können Teile der angefragten EPCs mithören. Glei-
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ches gilt für Behörden der Länder, über welche die Daten weitergeleitet werden. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten für Angreifer, die aus einer Analyse des EPC-relevanten Datenverkehrs Nutzen ziehen wollen. Ein weiteres Problem stellt die Integrität der Informationen aus dem ONS dar. Dies bezieht sich auf die Korrektheit und Vollständigkeit der über das ONS erhaltenen Daten. Mithilfe von regulär oder durch Systemeinbruch kontrollierten DNS/ONS-Servern oder Man-in-the-MiddleAngriffen auf die Kommunikation könnten Angreifer gefälschte URLs in die Anfrageresultate einschleusen. Beispielsweise könnten Adressen von EPCIS, die unter der Kontrolle eines Angreifers stehen, in die Liste eingebracht werden. Sofern dies nicht durch Authentifizierungsmechanismen verhindert wird, könnten Angreifer gefälschte Informationen zu dem angefragten Objekt bzw. zu vielen weiteren Objekten aus dieser Domäne liefern. Setzt sich das EPC-Netzwerk auf breiter Basis durch, so ist zu erwarten, dass eine wachsende Zahl von Anwendungen auf seine Dienste zurückgreift. Dies gilt sowohl für Anwendungen in den Bereichen B2B und B2C als auch im privaten Umfeld. Insbesondere ist beabsichtigt, das ONS in zentrale Geschäftsprozesse zu integrieren. Solche Anwendungen wären auf zuverlässige Lösungen zum Auffinden objektbezogener Datenquellen dringend angewiesen. Das ONS wird in hohem Maße möglichen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt sein, da es notwendigerweise einer großen Anwenderzahl zugänglich ist. Daraus ergeben sich Risiken wie Distributed-Denial-ofService-(DDoS-)Angriffe. Bei solchen Angriffen werden einzelne Server oder deren Internetverbindung durch eine hohe Zahl künstlich erzeugter Anfragen überlastet. Alternativ können Softwarefehler ausgenutzt werden, um mittels Angriffsprogrammen (sogenannten „Exploits“) den angegriffenen Dienst zu deaktivieren oder aus der Ferne zu übernehmen.
5 Reduktion von Sicherheitsrisiken Zur Reduktion von Sicherheitsrisiken ist auf technischer Ebene eine Reihe von organisatorischen Möglichkeiten denkbar, die helfen, das Ausnutzen von ONS-Sicherheitsschwächen zu erschweren. Größere Unternehmen könnten z. B. mittels einer sorgfältigen Planung der Netzstruktur das Abhören von EPCs erschweren. Dies kann insbesondere durch eine gut aufgebaute DNS-Hierarchie erreicht werden. So könnten alle ONS-Anfragen innerhalb einer Organisation – vorzugsweise über ein VPN – zu einem zentralen ONS-Server geleitet werden, der die Abwicklung aller Suchan-
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fragen übernimmt. Außerhalb des Intranets können alle von einer Firma angefragten EPCs abgehört werden, allerdings sind diese schwieriger mit einem konkreten Ort in Verbindung zu bringen. In bestimmten Fällen könnten Unternehmen auch eine private Version des EPC-Netzwerks aufbauen, falls sie keine Informationen von Dritten benötigen. Dies wäre beispielsweise möglich, wenn für ein Unternehmen nur die selbst produzierten Objekte von Interesse sind. Durch ein per VPN gesichertes Intranet ließe es sich in diesem Fall auch bei global verteilten Standorten vermeiden, dass EPCs abgehört werden können. Ferner würden Angriffe auf die Datenintegrität und Verfügbarkeit weitgehend auf interne Angreifer reduziert werden. Allerdings läuft dieses Vorgehen konträr zu dem Ziel, über das EPC-Netzwerk unternehmensübergreifend Daten auszutauschen. Der Ansatz, ONS-Anfragen zu zentralisieren und über eine kontrollierte sichere Schnittstelle zu exportieren, um so deren Ursprung zu verschleiern, könnte auf Gruppen von Geschäftspartnern ausgeweitet werden. Alle beteiligten Parteien könnten ein sogenanntes Extranet (siehe Abb. 4) bilden und sich über ein solches firmenübergreifendes VPN zu einem gemeinsamen Server verbinden, der ONS-Anfragen an die Außenwelt weiterleitet.
Abb. 4. VPN und Extranet
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Eine beliebige Ausdehnung dieses Schutzes durch ein VPN erscheint jedoch besonders aufgrund von Skalierbarkeitsproblemen und des notwendigen gegenseitigen Vertrauens nicht praktikabel. Es ist zu erwarten, dass Verbindungen zu einer Vielzahl von Instanzen außerhalb einer eng definierbaren Gruppe notwendig sind, analog zum heutigen Gebrauch des DNS. Die möglichen „Gesprächspartner“ solcher Verbindungen sind zahlreich und im Voraus nicht bekannt. Um zu allen relevanten externen Diensten VPN-Verbindungen aufzubauen, wäre ein sehr aufwendiges Management kryptographischer Schlüssel oder eine vertrauenswürdige zentrale Instanz, etwa eine Certificate Authority (CA), notwendig. Ebenso wird bei wachsenden Gruppengrößen die Bildung der notwendigen Vertrauensstrukturen zunehmend schwierig und unübersichtlich. Weitere Beschränkungen ergäben sich durch die Belastbarkeit des für die Weiterleitung der ONS-Anfragen zuständigen Servers, der einen „Single Point of Failure“ für eine große Anzahl beteiligter Parteien darstellte. Eine alternative Strategie, die Verknüpfung von Anfragen mit ihrem Ursprung zu verhindern, wird in sogenannten „Anonymisierungs-Mixen“ eingesetzt. Diese Schutzmaßnahme wäre beispielsweise auch für private Haushalte denkbar. Bekannte Umsetzungen wie „Onion Routing“ und TOR [5] transformieren und „durchmischen“ den Datenverkehr im Internet mithilfe kryptographischer Verfahren derart, dass Datenpakete nur schwer ihrer Quelle zugeordnet werden können. TOR ließe sich beispielsweise zum Anonymisieren von beliebigem IP-Verkehr, insbesondere auch zur EPCIS-Nutzung verwenden. Mit zunehmender Verbreitung und der Lösung inhärenter Latenzprobleme könnten Mix-Verfahren einen bedeutenden Beitrag leisten, die Privatsphäre bei der Nutzung des EPC-Netzwerks zu schützen. Es ist jedoch zu beachten, dass keiner dieser Ansätze die Verfügbarkeit externer ONS-Systeme und die Integrität der erhaltenen Informationen sichern kann. Eine wichtige Technik, Authentizität und Integrität beim DNS abzusichern, ist unter dem Namen DNSSEC [2] bekannt. DNSSEC basiert auf zwei wesentlichen Methoden. Zunächst bietet es die Möglichkeit gegenseitiger Authentifizierung von DNS-Servern auf Basis geteilter Geheimnisse. Dieses Verfahren ist jedoch nur bedingt skalierbar. Die andere in DNSSEC integrierte Methode stellt Authentizität und Integrität der eigentlichen DNS-Daten sicher. Dabei werden öffentliche Schlüssel verwendet, die über Ketten vertrauenswürdiger Instanzen verifiziert werden. Gegenwärtig wird DNSSEC jedoch nur sehr selten eingesetzt. Gründe dafür können in der mangelnden Skalierbarkeit sowie der Schwierigkeit liegen, Vertrauensbeziehungen jenseits kleiner „Islands of Trust“ aufzu-
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bauen. Zur Gewährleistung von Datenintegrität im ONS durch DNSSEC wäre jedoch ein flächendeckender Einsatz notwendig. Selbst wenn DNSSEC eine Verschlüsselung von DNS-Informationen ermöglichen könnte, was bisher bei der Verwendung explizit ausgeschlossen wird [2], ließe sich dennoch zumindest der Company Identifier (EPCManager) eines angefragten EPC durch Analyse des Netzwerkverkehrs bestimmen. Dies wäre durch eine einfache Beobachtung der IP-Adressen möglich, an die ONS-Anfragen und nachfolgende EPCIS-Kommunikation gesendet werden. Wie die übrigen Verfahren bietet auch DNSSEC keinerlei Schutz für die Verfügbarkeit des Dienstes. Zusammenfassend bleibt festzustellen: Der Entwurf eines sicheren und skalierbaren Suchdienstes für das EPC-Netzwerk und seine sichere Implementierung beinhalten noch zahlreiche offene Forschungsfragen.
Literatur 1. Albitz P, Liu C (2001) DNS and BIND, 4th ed, O’Reilly 2. Arends R, Austein R, Larson M, Massey D, Rose S (2005) DNS security introduction and requirements. RFC 4033 3. Atkins D, Austein R (2004) Threat analysis of the domain name system (DNS). RFC 3833 4. Berthold O, Günther O, Spiekermann S (2005) RFID – Verbraucherängste und Verbraucherschutz. Wirtschaftsinformatik 6 (47): 422–430 5. Dingledine R, Mathewson N, Syverson P (2004) TOR – The second generation onion router. Proceedings of the 13th USENIX Security Symposium, August 6. Garfinkel S, Juels A, Pappu R (2005) RFID privacy: An overview of problems and proposed solutions. IEEE Security and Privacy, 3(3), May-June: 34– 43 7. Juels A (2006) RFID Security and Privacy – A Research Survey. IEEE Journal on Selected Areas in Communications, 24 (2), February: 381–394 8. Mealling M (2004) EPCglobal Object Name Service (ONS), Version 1.0. EPCglobal. http://www.epcglobalinc.org
RFID im Gesundheitswesen – Nutzenpotenziale und Stolpersteine auf dem Weg zu einer erfolgreichen Anwendung
Oliver Koch, Dr. Wolfgang Deiters Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
1 Ausgangslage im deutschen Gesundheitswesen Der Reformdruck im deutschen Gesundheitswesen ist nach wie vor ungebrochen. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey kommt zu der dramatischen Erkenntnis, dass mehr als ein Drittel der Akutkrankenhäuser mit der Einführung des DRG-Systems und der damit verbundenen pauschalierten Leistungsabrechnung betriebswirtschaftlich in ihrem Bestand gefährdet sind.[6] Das heißt, diese Häuser sind derzeit nicht in der Lage, die von ihnen erbrachten medizinischen Leistungen kostendeckend anzubieten. Es besteht also eine große Notwendigkeit, die Kosten der Leistungserbringung zu senken bzw. die mit der Leistungserbringung verbundenen medizinischen, organisatorischen und logistischen Prozesse effizienter zu gestalten. Neben diesem Kostendruck stehen die Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen auch vor der Herausforderung, die Qualität der medizinischen Leistungserbringung stetig zu verbessern. Neue Behandlungsmethoden und medizintechnische Innovationen, gesetzliche Anforderungen, z. B. die Qualitätsberichte nach § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 SGB V, die steigende Erwartungshaltung der Patienten, aber auch der zunehmend festzustellende Wettbewerb unter den Krankenhäuser und anderen Leistungserbringern sind die zentralen Triebfedern für diese Entwicklung. Auf der gesundheitspolitischen und organisatorischen Ebene versucht man, dem Kosten- und Qualitätsdruck mit neuen Steuerungs- und Behand-
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lungskonzepten zu begegnen. Integrierte Versorgungsformen wie beispielsweise Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Ärztenetze oder Hausarztmodelle, die Einführung von evidenzbasierten medizinischen Behandlungsleitlinien oder Disease-Management-Programme sind nur einige Ansätze, die in diesen Kontext fallen. Auch über den Einsatz von moderner Informations- und Kommunikationstechnologie versucht man positive Effekte zu erzielen. Prominentestes Beispiel ist die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gemäß den Anforderungen des § 291a SGB V u. a. mit den Anwendungen eRezept und ePatientenakte. Aber auch telemedizinische und mobile Lösungen sowie personalisierte Informationsdienste bieten erhebliche Effizienzsteigerungs- und Kostensenkungspotenziale. Man ist daher kontinuierlich auf der Suche nach neuen Technologien und Anwendungen, die geeignet sind, ähnliche Potenziale zu bieten. Im Bereich der Güter- und Warenlogistik sowie im Handelssektor hat in den letzten Jahren die intensive Nutzung der RFID-Technologie Einzug gehalten. Durch den Technologieeinsatz konnten erhebliche Prozessverbesserungen und Kosteneinsparungen realisiert werden. Ermöglicht wird dies insbesondere durch die Intelligenz in den informationstechnischen Backend-Systemen, welche die ausgelesenen RFID-Chipdaten weiterverarbeiten und insbesondere zur Prozesssteuerung nutzen. Die Übertragbarkeit dieser „Erfolgsgeschichte“ des RFID-Einsatzes auf das Gesundheitswesen wird derzeit im Rahmen einer Reihe von Anwendungen und Projekten mit durchweg hohem Forschungs- und Pilotcharakter überprüft. Nach einer grundlegenden Kategorisierung der RFIDAnwendungen im Gesundheitswesen sollen basierend auf den Ergebnissen einer Studie zum Einsatz von RFID im deutschen Gesundheitswesen, die vom Fraunhofer ISST in der ersten Jahreshälfte 2006 durchgeführt wurde, Nutzenpotenziale von, aber auch Hindernisse für RFID-Anwendungen dargestellt werden.
2 Anwendungskategorien von RFID im Gesundheitswesen Um Anwendungen von RFID im Gesundheitswesen fundiert und zielgerichtet analysieren zu können, ist es zunächst sinnvoll zu prüfen, welche Anwendungskategorien sich in der Praxis identifizieren lassen. Diese Anwendungskategorien sollen geeignet sein, gleichartige Anwendungen in einer Gruppe zusammenzufassen und gleichzeitig möglichst eindeutig von andersartigen Anwendungen zu unterscheiden. Das zentrale Unterschei-
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dungskriterium für die verschiedenen RFID-Anwendungen ist die Frage, wozu die vom Transponder ausgelesenen bzw. übermittelten Daten verwendet werden. Der Verwendungszweck hängt dabei eng mit der Zielsetzung der Anwendung zusammen. Im Rahmen der Vorarbeiten zu der oben genannten Studie des Fraunhofer ISST wurden insgesamt vier grundlegende Anwendungskategorien der RFID-Technolgie im Gesundheitswesen identifiziert, die derzeit in der Praxis anzutreffen sind: 2.1 Anwendungskategorie 1 „Lokalisierung“ Zentrale Zielsetzung aller Anwendungen dieser Kategorie ist es, die Ortung und die damit verbundene Lokalisierung von Personen und Gegenständen zu unterstützen. Bei den Personen kann es sich um pflegerisches oder medizinisches Personal handeln. Bei den Gegenständen sind alle medizintechnischen Gerätschaften oder Objekte denkbar, die mit geringem Aufwand und im üblichen täglichen Gebrauch „beweglich“ sind. Der zentrale Nutzen dieser Anwendungskategorie ist es, über die Lokalisierung entweder Suchzeiten für Personen und Gegenstände zu reduzieren oder das Verlassen eines bestimmten definierten räumlichen Bereiches (z. B. einer Station oder eines Gebäudes) zu überwachen. Ersteres wird durch eine flächendeckende Ausstattung mit Sende-/Empfangseinheiten realisiert, die eine Ortung in Relation zum Reader ermöglichen. Letzteres erfolgt durch das Anbringen eines Readers bzw. der Antenne des Readers um eine Tür oder einen Durchgang herum. In der Praxis anzutreffende Beispiele für diese Anwendungskategorie sind die Ortung von medizintechnischen Geräten in einer zentralen Notaufnahme, Senioren-Guard-Systeme für Demenzerkrankte oder BabyÜberwachungssysteme für Neugeborenenstationen. 2.2 Anwendungskategorie 2 „Messdatenüberwachung“ Bei der Messdatenüberwachung geht es abstrakt ausgedrückt darum, bei Personen oder Objekten den Werteverlauf von definierten Parametern zu dokumentieren oder auch in Echtzeit zu überwachen. Die über die angebrachte Sensorik gemessenen Werte werden dabei durch einen aktiven Transponder entweder auf dem Chip gespeichert oder an ein BackendSystem übermittelt. Besonderes Kennzeichen solcher Anwendungen ist immer die angebrachte Sensorik. Die Übermittlung von Sensordaten bei Menschen (z. B. kardiologische Parameter) oder Medizingeräten (z. B. Verbrauchs- oder Verschleißmessung) in Echtzeit bringt dabei den Nutzen mit sich, schnellstmöglich auf
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die Veränderung von Parametern reagieren zu können, um schwerwiegendere Auswirkungen zu vermeiden. Die Speicherung von Sensordaten zu Dokumentationszwecken (z. B. die Einhaltung von Temperaturbereichen) erhöht ebenfalls die Sicherheit, indem Grenzwertverletzungen überprüft werden können. Ein breites Anwendungsspektrum für die personenbezogene Messdatenüberwachung eröffnet sich im Kardiologiebereich, z. B. bei der kontinuierlichen Überwachung von Herzinfarktpatienten. Im Bereich der Dokumentation von Messdaten erlangt das Monitoring der Einhaltung der Kühlkette bei Blutprodukten vom Spender bis zum empfangenden Patienten eine zunehmende Bedeutung. 2.3 Anwendungskategorie 3 „Prozesssteuerung“ Die Nutzung der RFID-Daten zur Steuerung von Prozessabläufen im Gesundheitswesen umfasst ein recht breites Spektrum an Anwendungen. Allen Anwendungen gemeinsam ist die Tatsache, dass die RFID-Daten als Input zur Steuerung von Prozessen (insbesondere Logistikprozessen) genutzt werden. Personen und/oder Objekte werden über den Tag im ersten Schritt identifiziert und anhand von Zuordnungstabellen in den BackendSystemen kategorisiert. Die Kategorie entscheidet anschließend über die „Weiterbehandlung“ im folgenden Prozessablauf. Die automatische Identifikation und Kategorisierung bringt als primären Nutzen eine signifikante Beschleunigung und teilweise Automatisierung von Abläufen mit sich. Dies ermöglicht eine deutlich effizientere Gestaltung von Prozessen und Ausnutzung von Ressourcen. Beispiele für die Anwendungskategorie „Prozesssteuerung“ sind im Bereich der Betten- und Versorgungslogistik von Krankenhäusern durch eine optimierte Aufzugssteuerung, im Bereich der Wäschereilogistik durch eine Automatisierung der Wäschesortierung oder im Bereich der Medikamentenlogistik zu finden. 2.4 Anwendungskategorie 4 „Berechtigungsmanagement“ Vordringliches Ziel der RFID-Anwendungen im Bereich „Berechtigungsmanagement“ ist es, Personen anhand der auf dem Chip gespeicherten Daten zu identifizieren und ggf. zu authentifizieren. Als Ergebnis des Identifikations- oder Authentifizierungsvorgangs wird dann der Zugang zu einem System oder einer Räumlichkeit gewährt bzw. werden die weiteren Tätigkeiten der Person dokumentiert.
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Die Identifikation bzw. Authentifizierung einer Person über einen Tag verkürzt in hohem Maße die Anmeldevorgänge an Systeme und im Bereich der Zutrittskontrolle. Die automatische Dokumentation von Tätigkeiten wird gleichermaßen beschleunigt und vereinfacht. In der Praxis kann der RFID-Tag beispielsweise den schnellen Zugang zu einem Dokumentationssystem ermöglichen. Oder es wird in Kombination mit Geräte-Tags ermöglicht, Reinigungs- und Sterilisationsvorgänge, die an diesem Gerät (z. B. einem Endoskop) durchgeführt wurden, automatisch zu dokumentieren.
3 RFID-Anwendungen in der Praxis 3.1 Kurzbeschreibung der vom ISST durchgeführten Studie Die im Kapitel 2 benannten Praxisbeispiele für die vier Anwendungskategorien belegen, dass die RFID-Technologie bereits Einzug in das deutsche Gesundheitswesen gehalten hat. Viele dieser Projekte haben jedoch noch Pilotcharakter. Letztendlich wird der Erfolg der RFID-Technologie davon abhängen, ob die erwarteten Nutzen und Potenziale für Kosteneinsparungen und Prozessverbesserungen realisiert werden können. Das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) hat in der ersten Jahreshälfte 2006 eine Studie zum Thema „RFID im deutschen Gesundheitswesen“ durchgeführt (vgl. [2]). Zielsetzung der Studie war es, den Status Quo der RFID-Nutzung zu untersuchen und hinsichtlich der Realisierung der in die Technologie gesetzten Erwartungen zu überprüfen. Insgesamt wurden etwa 20 RFID-Projekte bzw. -Implementierungen analysiert. Die Ergebnisse der Analyse sollen im Folgenden in Kurzform dargestellt werden. 3.2 Studienergebnisse Die Nutzen des Einsatzes der RFID-Technologie lassen sich grundsätzlich anhand dreier Dimensionen operationalisieren. Dies sind zum einen Verbesserungen in der Qualität von krankenversorgenden/medizinischen Abläufen, aber auch in den begleitenden logistischen und organisatorischen Prozessen. Zum Zweiten sind dies zeitliche Einsparungen, d. h. Abläufe werden beschleunigt, zeitliche Aufwände für Tätigkeiten reduziert. Weitere Effekte lassen sich anhand von direkten Kosteneinsparungen durch den Einsatz der RFID-Technologie messen. Diese unmittelbaren, direkten Kosteneinsparungen sind von den mittelbaren Kosteneinsparungen, die sich
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natürlich auch aufgrund von Qualitätsverbesserungen oder zeitlichen Einsparungen ergeben, abzugrenzen. In Praxisbeispielen ließen sich im Bereich der Qualitätsverbesserungen die folgenden Effekte feststellen: • verlässlichere und fehlerfreiere Dokumentation pflegerischer/medizinischer Tätigkeiten durch Automatisierung des Dokumentationsprozesses und der Personenidentifikation • Erfüllung gesetzlicher Qualitätsvorgaben, z. B. bezüglich des Umgangs mit Blutprodukten oder der Reinigung/Sterilisation von medizinischen Geräten (z. B. [5]) • Möglichkeit zur Umsetzung mobiler Szenarien direkt am Patienten, z. B. beim mobilen Zugriff auf Patientenakten oder bei der mobilen Dokumentation • Verminderung des Risikos von Fehlverabreichungen oder -medikationen und damit mehr objektive Sicherheit für den Patienten und geringeres Regress- oder Imagerisiko für das Krankenhaus • Steigerung der Sicherheit bei gleichzeitiger Erhöhung des Bewegungsspielraums durch Senioren-Guard-Systeme, damit auch größeres Wohlbefinden bei den dementen Senioren, da weniger Aggressionen aufgrund des Gefühls von Eingesperrtsein und weniger Medikamente für das Ruhigstellen • Marketingeffekte im Sinne von Imageverbesserung für eine medizinische oder pflegerische Einrichtung aufgrund der Erhöhung der Patientensicherheit Beschleunigungen in den zeitlichen Abläufen stellen einen Effekt dar, der bei vielen RFID-Anwendungen im Gesundheitswesen festgestellt wird. Dabei kann es sich beispielsweise um die Reduktion von Wartezeiten bei Aufzügen, die beschleunigte Systemanmeldung und damit beschleunigte Dokumentation, Reduktion von Sortierzeiten vor der Wäsche (Waschanleitungen) und zur Verteilung nach der Wäsche oder auch einfach um weniger Suchzeiten für entlaufene Demenzerkrankte handeln. Diese zeitlichen Einsparungen schaffen zumeist Raum für nachgelagerte Effekte. Es bleibt mehr Zeit für die persönliche Ansprache und Pflege des Patienten, Ressourcen können eingespart werden oder es können in der gleichen Zeit mehr Patienten behandelt oder Objekte (z. B. Wäschestücke) bearbeitet oder befördert werden. Während qualitative Effekte in vielen Fällen nur bedingt oder mit hohem Aufwand monetär bewertet werden können, fällt dies bei den zeitlichen Effekten leichter. Zeitliche Einsparungen bieten die Chance, entweder in gegebener Zeit einen höheren Output zu erzielen oder mit weniger
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Ressourceneinsatz (insbesondere von Personal) einen gleichen Output. Ersteres manifestiert sich in der Regel in einer Umsatzsteigerung, Letzteres in einer Kostensenkung. Kosteneffekte lassen sich wie oben bereits beschrieben entweder indirekt über zeitliche Einsparungen oder Qualitätsverbesserungen realisieren oder entstehen direkt in Verbindung mit dem RFID-Projekt. Die dabei zu verzeichnenden Kosteneinsparungen sind in hohem Maße anwendungsspezifisch. So konnten in einem Fall Investitionskosten für einen neuen Aufzugsschacht eingespart werden, da die bestehenden Aufzugsschächte effizienter genutzt wurden. In anderen Fällen wurden die direkten Kosten für Blutprodukte reduziert, da weniger Blutprodukte aufgrund der NichtNachweisbarkeit der Kühlkette entsorgt werden mussten. Weitere Beispiele sind die Senkung der Kosten für den Ersatz von Wäschestücken in einer Krankenhauswäscherei aufgrund von Verlust oder fehlerhafter Waschbehandlung oder aber die Reduktion von Kosten für Polizei- und Feuerwehreinsätze aufgrund des Einsatzes eines Warnsystems, das die Weglauftendenzen von Demenzerkrankten überwacht. Betriebswirtschaftliche Zielsetzungen wie bspw. Kosteneinsparungen aufgrund von Prozessoptimierungen werden immer wieder als zentrale Entscheidungsfaktoren für den Einsatz innovativer Technologien im Gesundheitswesen genannt. Bei den untersuchten RFID-Projekten spielten jedoch zumeist qualitative Überlegungen (Patientensicherheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Marketingeffekte usw.) eine deutlich wichtigere Rolle als der rein monetäre Effekt des RFID-Einsatzes. Hierfür konnten verschiedene Ursachen identifiziert werden (vgl. [4]). Der Innovationsgehalt von RFID-Anwendungen im Gesundheitswesen ist immer noch sehr hoch, d. h. medizinischen und pflegerischen Einrichtungen sowie Technologiepartnern, die in einem RFID-Projekt zusammenarbeiten, kommt häufig die Rolle eines „first movers“ oder „early adopters“ zu. Nur in wenigen Fällen hat der RFID-Einsatz schon Produktreife erreicht (z. B. Babyüberwachungssysteme für Neugeborenenstationen). Der Forschungs- und Entwicklungscharakter ist bei den Anwendungen hoch. Entsprechend sind auch die Kosten für den Aufbau einer lauffähigen RFID-Anwendung im Gegensatz zu einem Standardprodukt überproportional hoch. Aus diesem Grund treten die Technologieanbieter in den meisten Fällen zumindest teilweise als Sponsoren des Projektes auf. Dies schafft eine Win-Win-Situation. Das monetäre Risiko und Engagement der medizinischen oder pflegerischen Einrichtung wird minimiert und der Technologieanbieter profitiert von der Entwicklung „am Kunden“. Je mehr die RFID-Projekte Produktcharakter erreichen, umso eher wird es auch möglich sein, Kostenüberlegungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen.
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Im Rahmen eines größeren Gesamtprojekts bzw. einer Großinvestition kommt der RFID-Technologiekomponente von der Kostenseite her nur eine untergeordnete Rolle zu. Dies war bspw. im Rahmen einer RFIDoptimierten Aufzugssteuerung oder einer User-Authentifzierung über RFID für ein medizinisches Dokumentationssystem der Fall. In beiden Projekten spielten die RFID-bezogenen Kosten keine signifikante Rolle. Zudem fällt eine RFID-bezogene Kosten-Nutzen-Analyse auch dann schwer, wenn die Anschaffung der RFID-Komponenten Teil einer größeren Infrastrukturmaßnahme war und damit in Zukunft für verschiedene RFID-Projekte als Basisinfrastruktur genutzt werden kann. Viele medizinische und pflegerische Einrichtungen haben erst in den letzten Jahren begonnen, Kostenrechnungs- und Kalkulationsysteme aufzubauen. Von einer fundierten Prozesskostenrechnung ist man zumeist noch recht weit entfernt. Es fehlen daher oftmals die betriebswirtschaftlichen Basisdaten (Kostenposition), oder sie wären nur mit hohem Aufwand aus der Buchhaltung oder der Kostenrechnung ermittelbar. In der Praxis wird dieses Defizit zumeist durch große Kostenabschätzungen ausgeglichen. Bei der Ex-ante-Bewertung der Kosten und Nutzen eines geplanten RFID-Projekts wurde auf vorliegende externe Studien zurückgegriffen, d. h. es wurde keine eigene Analyse durchgeführt, sondern die Studienergebnisse auf die Situation im eigenen Hause übertragen, z. B. auch [1]. Nicht zuletzt konnte man feststellen, dass nicht-betriebswirtschaftliche Faktoren (z. B. medizinische Qualitätsverbesserung, Patientensicherheit usw.) eine deutlich wichtigere Rolle bei der Entscheidungsfindung spielten als monetäre Faktoren. Teilweise setzten die Entscheidungsträger auch ganz bewusst nicht-betriebswirtschaftliche Schwerpunkte. Aus den genannten Gründen wird deutlich, dass dem Einsatz eines rein betriebswirtschaftlichen Instrumentariums zur Bewertung des RFIDEinsatzes im Gesundheitswesen zumindest derzeit keine zentrale Rolle zukommt. Nichtsdestotrotz könnten diese Aspekte jedoch mit zunehmender Produktreife der RFID-Technologien wichtiger werden, da betriebswirtschaftliche Größen dann einfacher zu ermitteln sind. Die Entscheidungsträger sollten künftig bemüht sein, eine Datenbasis zu schaffen, die als objektive Entscheidungsgrundlage dient. Wünschenswert ist eine Kombination aus monetären betriebswirtschaftlichen Daten und wichtigen qualitativen Nutzen-Faktoren.
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3.3 Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Umsetzung Um den Initiatoren künftiger RFID-Anwendungen und -Projekte im Gesundheitswesen Hinweise für deren Aufgaben zu geben, wurden in der Studie auch diejenigen Faktoren identifiziert und untersucht, die einen hohen Einfluss auf den Erfolg des RFID-Projekts hatten. Zudem wurden die Hemmnisse auf dem Weg einer erfolgreichen Umsetzung beschrieben. • Einbeziehung der künftigen Nutzer: Die frühzeitige Einbeziehung der künftigen Nutzer ist eine der zentralen Voraussetzungen, um die Akzeptanz einer RFID-Lösung möglichst schnell herzustellen. Insbesondere Anwendungen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet oder gespeichert werden, stoßen dabei zunächst auf Skepsis, der gezielt begegnet werden muss. • Prozessanalyse als Grundlage: Dem Einsatz der RFID-Technologie in komplexeren Anwendungsszenarien sollte eine fundierte Analyse der Abläufe und deren Sollmodellierung vorausgeschickt werden. Anhand der Sollabläufe kann dann definiert werden, an welchen Stellen RFID sinnvoll eingesetzt werden kann und wo ggf. Alternativtechnologien eine sinnvollere Lösung darstellen. • Durchführung von Pilotprojekten: Der Einsatz der RFID-Technologie im Gesundheitswesen ist in vielen Anwendungsbereichen noch in hohem Maße innovativ. Standardlösungen sind zumeist nicht verfügbar. Pilotprojekte bieten dabei die Möglichkeit, eine Kalibrierungs- und Rekonfigurationsphase einzuplanen, um Fehler im Vorfeld eines flächendeckenden Betriebs minimieren zu können • Bereitstellung von Rückfallkonzepten: Aufgrund des hohen Innovationsgehaltes birgt die RFID-Technologie in einigen Anwendungsszenarien noch gewisse Ausfallrisiken. Diesen sollte – zumindest für eine Übergangszeit – noch mit Rückfall-/Backup-Konzepten begegnet werden. • Motivierte Innovatoren: Nicht zuletzt konnte festgestellt werden, dass hinter vielen der erfolgreichen RFID-Ansätze hoch motivierte Einzelpersonen standen, die das Thema RFID aufgenommen hatten und mit viel persönlichem Einsatz und Motivation vorangetrieben haben. Hemmnisse für einen Einsatz der RFID-Technologie liegen zum einen auf der personellen und zum anderen auf der technologischen Ebene. Auf der personellen Ebene löst die Technologie Ängste vor dem gläsernen Mitarbeiter bzw. Patienten bis hin zur Befürchtung des Jobverlustes aufgrund der Verbesserung der Prozesseffizienz aus. Ist die Technologie eingeführt, kann ein zu starkes „Sich Verlassen“ auf die RFID-Technologie (z. B. bei den Babyüberwachungssystemen) auch dazu führen,
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dass das medizinische und pflegerische Personal die eigene Wachsamkeit reduziert und dadurch die Risiken für die Patienten wieder steigen. RFID-Anwendungen im Gesundheitswesen sind nach wie vor in vielen Fällen noch innovative Einzelanwendungen, die sich erst langsam in Richtung von Standardprodukten entwickeln. Die klassischen „Kinderkrankheiten“ innovativer Lösungen wie beispielsweise Fehlfunktionen, Fehlalarme oder Defekte treten immer wieder auf. Darüber hinaus müssen die Technologiekomponenten (Transponder, Lesegeräte, Sensoren usw.) für den Klinikalltag tauglich sein. Es bestehen hohe Anforderungen hinsichtlich Stoßfestigkeit, Temperaturbereichen, Zentrifugalkräften usw. Im Rahmen der Projekte wurden daher oftmals Technologiekomponenten speziell für das Gesundheitswesen entwickelt.
4 Zusammenfassung und Ausblick Der Einsatz der RFID-Technologie im deutschen Gesundheitswesen weist nach wie vor einen hohen Innovationsgrad auf. Anwendungen im Bereich des Berechtigungsmanagements und insbesondere im Bereich der Lokalisierung (z. B. Babyüberwachungssysteme oder Senioren-Guards) weisen dabei die höchste Marktreife bis hin zu Standardlösungen auf. Der Anwendungsbereich Messdatenüberwachungen bringt es mit sich, dass je nach dem zu überwachenden Parameter (Herzfrequenz, Temperatur usw.) sehr unterschiedliche technische Komponenten kombiniert und teilweise erst noch entwickelt werden müssen. Die Anforderungen an die Bausteine sind in diesem Bereich am höchsten. Es ist aber denkbar, dass sich künftig Standardlösungen für Blutprodukte oder Vitalparameter durchsetzen werden. Lösungen für den Bereich Prozesssteuerung müssen an die individuellen Gegebenheiten und Problemstellungen der jeweiligen Einrichtung angepasst werden. Die Standardisierungsmöglichkeiten sind hier geringer. Damit verbunden ist jedoch auch die Tatsache, dass das realisierbare Potenzial am größten ist. Insgesamt haben die in der Studie untersuchten RFID-Anwendungen belegt, dass es signifikante Nutzenpotenziale für das Gesundheitswesen gibt. RFID kann dabei im Bereich der Qualitätsverbesserungen, der zeitlichen Einsparungen und der Kostenreduktion einen Beitrag leisten. Um diese Potenziale heben zu können, ist es jedoch grundlegend, die Problemstellung, für die RFID eine Lösungen bieten soll, detailliert zu analysieren. Diese Analyse kann u. a. die Aspekte Prozesse, Kosten, erwartete Nutzen und Alternativtechnologien umfassen. Die RFID-Technologie sollte dabei nicht
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als Prämisse am Anfang eines Projektes stehen, sondern als präferierter Lösungsbaustein als Ergebnis einer fundierten Analyse und Bewertung.
Literatur 1. BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) (2004) Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen. Trends und Entwicklungen in Technologien, Anwendungen und Sicherheit. BSI, Bonn. SecuMedia Verlags-GmbH, Ingelheim. (http://www.bsi.de/fachthem/rfid/RIKCHA.pdf) 2. Gaßner K, Koch O, Weigelin L, Kaltenborn R, Ritz A, Deiters W (2006) Einsatzbereiche und Potenziale der RFID-Technologie im deutschen Gesundheitswesen. Studie, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 3. Knels R (2004) Außer Spesen nichts gewesen? Vorteile und Probleme des Einsatzes von RFID. In: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML (Hrsg.) Radio Frequenz Identifikation 2004 – Logistiktrends für Industrie und Handel. Verlag Praxiswissen, Dortmund 4. Koch O, Gaßner K, Ritz A (2006) RFID im Gesundheitswesen – Betriebswirtschaftliche Aspekte des Einsatzes. In: RFID & Co. 1, Sonderpublikation der Zeitung „Krankenhaus und Management“: 2–3 5. Richtlinie 2002/98/EG (2002) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG. http://europa.eu.int/eurlex/pri/de/oj/dat/2003/l_033/l_03320030208de0030004 0.pdf 6. Studie (2006) „Perspektiven der Krankenhausversorgung in Deutschland“. McKinsey & Company
Polytronik und das Internet der Dinge
Dr. Karlheinz Bock Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
1 Flexible elektronische Systeme für eine vernetzte Welt Schon in ein paar Jahren werden Polytronik-Transponder als intelligente Preisschilder im Supermarkt im Einsatz sein und den Barcode ablösen. Leuchtdioden aus organischem Material, die OLEDs (Organic Lightemitting Diodes), ermöglichen eine neue Generation von Displays, welche derzeit schon oft im Mobiltelefon eingesetzt werden und in Kürze auch im PDA (Personal Digital Assistant) Einzug halten werden. Sie sind derzeit noch auf Glas aufgebaut und haben eine ausgezeichnete Bildqualität, werden aber in naher Zukunft auf Foliensubstraten erhältlich und dann hauchdünn und biegsam sein. Transparente, aufrollbare Foliendisplays oder Displays auf nahezu jeder denkbaren Oberfläche mit nahezu freiem Formfaktor werden genauso möglich wie komplette Mikrosysteme oder Biolabore in Kreditkartengröße. Diese Foliensysteme können in Wände, Teppiche, Möbel, Fahrzeuge, Kleidung, also in alltägliche Gebrauchsmittel integriert werden und ermöglichen damit das Internet der Dinge. Unter dem Stichwort Smart Plastic entstehen derzeit bereits etwa intelligente Tastaturen, bifunktionale Displays oder Folien-basierte Sensorsysteme auf Polymerbasis. Ende der 70er Jahre entdeckten Wissenschaftler, dass man Kunststoffe leitfähig machen kann. Die Materialien der Zukunft sind transparent mit leitenden, halbleitenden oder elektrolumineszierenden Eigenschaften. Sie können als Sensoren und Aktoren, zur Informationsübertragung und -speicherung sowie zur Energiegewinnung oder als Stromspeicher genutzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Kunststoffe flüssig verarbeiten lassen. Das erlaubt die massenhafte und kostengünstige Herstellung. Mit
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Strukturierungsprozessen, welche die Drucktechnik mit den Technologien für integrierte Schaltungen zusammenführen, können schon jetzt elektronische Schaltungen auf der Basis leitfähiger Kunststoffe auf flexiblen Kunststofffolien hergestellt werden. Im Rolle-zu-Rolle-Verfahren werden sie auf Foliensubstraten produziert oder direkt auf die Verpackung aufgebracht. Damit entsteht die Basis für eine Low-Cost-Elektronik, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Dabei will und kann die Polytronik keine Konkurrenz zur Siliziumtechnologie sein. Die Polytronikchips sind langsamer und können nur vergleichsweise kleine Datenmengen speichern. Warum gerade der Systemgedanke durch die Polytronik in eine neue Dimension gehoben werden kann, lässt sich verdeutlichen anhand des bisherigen Verlaufs der Systemintegration und der jetzt anstehenden Herausforderung, ubiquitäre Systeme für eine vernetzte Welt zu entwickeln. Ein elektronisches System ist die Verbindung vieler einzelner Komponenten und Funktionen zu einem dem Benutzer dienenden Gerät. Im Groben unterscheidet man Hard- und Software, also die Gerätetechnik und deren Ablaufprogrammierung. Bei den Technologien der Systemintegration lässt sich dabei eine deutliche evolutionäre Entwicklung aufzeigen, bei welcher schon immer die höhere Integrationsdichte des Systems, die Anpassung der Systemträger an die Anforderungen der Anwendungen sowie die Kombination von Funktionen für neuartige Anwendungen im Vordergrund standen. Nach der Einführung erster platinenartiger Systemträger um 1940 hat sich die Platinentechnik anwendungsorientiert weiterentwickelt. Mit der Massenproduktion von Fernsehern wurde die doppelseitige Platine eingeführt. Die platz- und materialsparende SMD-Technik (kleine oberflächenmontierte Bauelemente) konnte sich zuerst im Massenmarkt des Computerbaus etablieren und dominiert heute die Fertigung aller Platinen. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt begann man vermehrt, Leiterplatten als flexible Folien sehr dünn zu machen, um sie den reduzierten Platzverhältnissen in Geräten wie PDAs, Mobiltelefonen, Camcordern und digitalen Kameras einzusetzen. Diese Entwicklung miniaturisierter leistungsfähiger Systeme war also der erste Einsatz flexibler Elektronik, soweit es die Verbindungstechnik betrifft. Allerdings war die Flexibilität hauptsächlich vonnöten, um die Elektronik optimal in die sehr klein gewordenen Gehäuse integrieren zu können. Flexible Elektronik ist eine wichtige Konsequenz aus den Leistungsanforderungen des gewünschten Produktes. Dabei ist der erste Nutzen flexibler Elektronik, die Platzanforderungen, also die Integrationsdichte bzw. die Systemminitaturisierung zu unterstützen, z. B. die Anforderungen eines kleinen verwinkelten Gehäuses einer Digitalkamera. Daneben steht der Begriff „flexibel“ aber zweitens auch dafür, flexible Elektronik in tatsächlich flexible Produkte wie z. B. elektronisch aufge-
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wertete Kleidungsstücke einbringen zu können, und drittens für die Konsequenz, diese Produkte kosteneffektiver auf großflächigen kontinuierlichen Substraten in sehr großen Volumen herstellen zu können. Der erste Massenmarkt flexibler Elektronik mit dem Ziel, möglichst kostengünstig zu produzieren, eröffnet sich z. B. derzeit mit der RFID- oder SmartLabel- Technologie. Das elektronische System muss durch eine Peripherie bedient werden, damit eine sinnvolle Nutzung durch den Menschen möglich wird; dabei muss die Bedienbarkeit bei manueller Benutzung durch den Menschen gewährleistet werden, weshalb Tastaturen und Displays in ihrer Größe nicht beliebig verkleinert werden können. In naher Zukunft wird sich die Bedienung von Systemen auch auf eine intuitive und den menschlichen Kommunikationsfähigkeiten angepasste kognitive Ebene verlagern. Um diese unsichtbare Vernetzung zu ermöglichen, müssen vernetzbare leistungsfähige und kostengünstige allgegenwärtige Systeme entstehen, welche die Umgebung und den Menschen wahrnehmen, dessen Belange und Absichten erkennen und die technologischen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, Belange und Absichten so effizient wie möglich zu unterstützen. Dies bedeutet, dass viele Dinge des täglichen Lebens mit Elektronik ausgestattet werden, um eine im Internet sichtbare Funktion zu bilden. Dabei wird die gesellschaftliche Einbindung des individuellen Menschen ebenfalls eine große Rolle spielen, welche mit der derzeitigen Einführung der RFID als sehr einfaches, ambient-vernetzbares System mit noch relativ begrenzten Funktionen gerade erst beginnt. RFID (Radio Frequency Identification) ist vielleicht das erste und einfachste System auf dem Weg zur vernetzten Welt. Transponder-ICs kommen mittlerweile in vielfältigen Anwendungen zum Einsatz. Als zentraler Bestandteil von RFID-Systemen erlauben sie die berührungslose Identifikation von Gegenständen oder Personen. Beispiele sind die Anwendung als elektronischer Ausweis, Zugangskontrolle, elektronisches Ticket, Wegfahrsperre, Kennzeichnung für Mehrwegsysteme, automatisierte Werkzeugidentifikation und vieles andere mehr. Für passive Transponder wird die Versorgungsspannung aus dem HFFeld des Lesegeräts gewonnen. Vor allem für die Reichweite der Datenübertragung kommt der Spule eine entscheidende Bedeutung zu. Der typische Herstellungsprozess für Spulen entspricht dem der Leiterplattentechnik. Alternative, kostengünstigere Verfahren arbeiten mit einer gedruckten Ätzmaskierung oder alleinig in Drucktechnik, wodurch allerdings gewisse Abstriche bei der Strukturgenauigkeit gemacht werden müssen. Während die Aufbau- und Verbindungstechnik von Chipkarten noch weitgehend durch herkömmliche Techniken dominiert wird, erfordern Smart Labels eine deutlich preiswertere Technik.
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Abb. 1. Gedruckte RFID-Tags, im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt, ausgestattet mit flexiblen Silizium-Transponderchips von 20 µm Dicke, kontaktiert im Druckverfahren
Die Kostenreduktion in der IC-Herstellung wird vor allem durch die Miniaturisierung der Strukturabmessungen erreicht. Chips der gleichen Funktionalität können dadurch immer weiter verkleinert werden, das heißt, die Kosten je prozessierter Wafer-Fläche können auf weitaus mehr ICs verteilt werden. Für Low-Cost-Anwendungen wie Smart Labels ist der Durchsatz einer der wichtigsten Parameter, um die Aufbautechnik kostengünstig zu halten. Im Gegensatz zu Verfahren, die mit Einzelsubstraten oder Bögen arbeiten, minimiert die Verarbeitung von Rolle zu Rolle das Substrathandling beträchtlich und bietet außerordentliche Vorteile für Logistik und Materialaufbewahrung. Insbesondere für flexible Systeme geht daher der Trend zu kontinuierlich arbeitenden Rolle-zu-Rolle-Herstellungsverfahren. Für elektronische Identifikationsaufgaben werden Smart Labels immer weiter in den alltäglichen Bereich vordringen. Voraussetzung hierfür ist die weitere Kostenreduktion in der Herstellung, die durch neue und effiziente technologische Ansätze erreicht werden kann. Allerdings wird letztlich eine Grenze erreicht werden, die durch die notwendige Aufbau- und
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Verbindungstechnik zwischen Chip und Substrat nicht durchbrochen werden kann. Vor allem das notwendige Fertigungsvolumen steht den Forderungen nach Präzision und niedrigen Kosten entgegen. Einen Ausweg bietet hier in einigen Jahren die Polymerelektronik oder Polytronik auf Basis organischer leitender und halbleitender Materialien. Dabei wird die Polytronik die Silizium-basierten RFIDs nicht ersetzen, sondern ergänzen und insbesondere ihren Hauptvorteil ausspielen können, neben der elektronischen Funktion der RFID-Tags auch verschiedenste sensorische aktorische Funktionen sowie einfache Anzeigen integrieren zu können.
2 Polytronik – eine umwälzende Systemintegrationsplattform für die vernetzte Welt Die Polytronik ist in verschiedenen internationalen Technologie-Roadmaps als eine der zehn umwälzenden Technologien weltweit anerkannt. multifunktionales sogenanntes Smart Plastic wird als eine zweite Revolution nach dem breiten industriellen Einführen von Kunststoffen vor einigen Jahrzehnten gesehen und verbindet somit ein sehr hohes Innovationspotenzial und eine sehr breite wirtschaftliche Bedeutung für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen. Die bedeutendsten Märkte für die Polytronik sind • • • • • •
Informations- und Kommunikationstechnik, Medizintechnik, Energietechnik, Verpackungs- und Bekleidungsindustrie, Life Sciences und nicht zu vergessen die Spielzeug- und Geschenkindustrie.
Die Polytronik fasst derzeit die Entwicklung, Systemintegration und Applikation von aktiven und passiven elektronischen und photonischen, auf organischen Materialien beruhenden Bauelementen zusammen. Hinzu kommt der Aspekt energieautarker Systeme unter dem Gesichtspunkt der Energiespeicher, aber auch der Energieerzeugung und -zufuhr in den flexiblen Systemen sowie der Mechanik und Mikrofluidik. Eine ganz besondere Eigenschaft der Polytronik ist die Möglichkeit, verschiedene Funktionen in einem einzigen Bauelement bzw. Folien-basierten System zu kombinieren und somit multifunktionale Bauelemente für Mikrosysteme in vielen Bereichen des täglichen Lebens zu ermöglichen. Diese Eigenschaft wird derzeit von einigen renommierten Firmen und Forschungsinstitutionen als eine mögliche Systemintegrationsplattform der Zukunft angesehen. Die wichtigsten Ziele der Polytronik sind in den nächsten Jahren
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• preiswerte Elektronik, Displays und Solarzellen zur kostengünstigen Unterstützung von Sensornetzwerken, • die Kombination von verschiedenen Systemfunktionen in Kunststoffen sowie • die Entwicklung von Kunststoff-basierten kostengünstigen Mikrosystemen. Insbesondere die Einführung Kunststoff-basierter Mikrosystemtechnologien kann die Verbreitung und damit den Masseneinsatz intelligenter Systeme entscheidend unterstützen. Um die Chance einer neuartigen Systemintegration mit optimiertem Kosten-Nutzen-Verhältnis auszubauen, muss eine hohe wissenschaftliche und technologische Kompetenz durch die breite Interdisziplinarität und die Einbindung verschiedener Firmenpartner und Institutionen in die Wertschöpfungskette ergänzt werden, denn die Polytronik ist eine sehr komplexe Domäne mit neuartigen Materialien, Technologien und Prozessen sowie neuartigen Applikationen und Szenarios. Aufgrund dieser hohen Komplexität des neuen Anwendungsfeldes und der hierdurch implizierten Verzahnung verschiedener Forschungsfelder wie Materialwissenschaften, Prozessentwicklung, Systemintegration mit den gesellschaftspolitisch basierenden Aspekten sind Synergieeffekte zu erwarten, die sowohl technologie- als auch marktübergreifend neue Kompetenzfelder ermöglichen und Innovationsprozesse durch die rückkoppelnden Interdependenzen zwischen den Forschungsinstitutionen und der freien Wirtschaft katalysieren. Der derzeit notwendige innovatorische Schritt in der Entwicklung von polymerelektronischen Produkten ist die Integration von verschiedenen organischen Materialien und Komponenten zu einem multifunktionalen elektronischen System. Gerade durch die Kombination verschiedener Materialien und Technologien im „intelligenten Plastik“ sind neue Anwendungen denkbar, die durch etablierte Technologien bisher nicht möglich sind und welche nach einhelliger Ansicht von Technologieauguren zu einem riesigen neuen Geschäftsfeld für die Wirtschaft führen werden. Ein großes Innovationspotenzial wird in den Bereichen multifunktionaler Bauelemente, bei OLED und polymeren Solarzellen in der Kombination mit energieautarker (mobiler) flexibler Elektronik und insbesondere polymerer Elektronik gesehen. Displays stellen einen wirtschaftlich bedeutenden und technisch überaus vielfältigen Anwendungsbereich von elektronischen Produkten dar. Sie basieren auf sehr unterschiedlichen Funktionsprinzipien, unterscheiden sich in Form und Größe und weisen je nach Anwendung sehr verschiedene Leistungsmerkmale (Farbe, s/w, Größe, Auflösungsgrad von Bildpunkten,
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Bildwechselfrequenz, Ansteuerprinzip, Lebensdauer, Informationsdichte u. a.) auf. Leuchtdioden (organisch oder anorganisch) können gleichermaßen als Bildpunkte für Displays, als Lichtsensor sowie für Raumbeleuchtung eingesetzt werden. Im letzteren Fall stellen sie besonders hohe Anforderungen an die Lebensdauer des Leuchtmittels. Da das menschliche Gehirn optische Informationen des Auges sehr effektiv verarbeiten kann, sind wir gewohnt, auf großflächigen Anzeigen (Laptop, Fernseher) viele Details zu erkennen und für uns zu nutzen. Bei mobilen elektronischen Produkten wie z. B. dem Handy steht aber nicht genügend Platz für große Anzeigen (z. B. Internetnutzung) zur Verfügung; auch das Gewicht eines großen Flachbildschirms steht natürlich der Tragbarkeit entgegen. Um diese technische Hürde zu überwinden, steht die Realisierung von leichten, flexiblen (evtl. aufrollbaren) Displays an vorderer Stelle der weiteren Entwicklung in der Bildschirmtechnik. Dies wird darüber hinaus noch durch die Möglichkeit unterstützt, dass großflächige, preiswerte flexible Elektronik und Systeme, auf In-Linefähigen und größtenteils additiven Herstellungstechnologien beruhend, zum Beispiel vom Endnutzer selbst spezifiziert und gefertigt werden können. Damit ermöglicht die Polytronik die Kombination von Display mit sensorischer Tastatur für die Eingabe sowie einer Solarzelle zur Energieerzeugung und damit den Foliencomputer in wenigen Jahren. Zuerst wird dies mehr ein E-Book, eine Smart Card oder ein sehr einfacher PDA sein, in fernerer Zukunft vielleicht die elektronische Zeitung oder auch leistungsfähigere Foliencomputer. Besonders im medizinischen Bereich werden sich weitere, qualitativ neue Einsatzgebiete ergeben. Ein Beispiel dafür ist ein intelligentes Pflaster. Darunter versteht man üblicherweise ein Pflaster, das in bestimmten zeitlichen Intervallen einen Wirkstoff appliziert und so eine bestimmte Wirkstoff-Compliance sicherstellt. Zum anderen sind Pflaster mit DataLogger-Funktion, die beispielsweise die Körpertemperatur, O2-Werte oder EKG-Daten protokollieren in der Entwicklung. Weitere Entwicklungen beziehen sich auf Mikro-Analyse-Systeme. In einer ersten Version werden diese Systeme Parameter wie Glukose ermitteln können. Die Entwicklung von Insulin-Dosiergeräten auf der Basis lungengängiger InsulinAbkömmlinge ist bereits weit fortgeschritten.
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Abb. 2. Im Vordergrund eine Pharmaschachtel mit gedrucktem RFID-Tag, im Hintergrund gedruckte RFID-Tags mit gedruckten Elektrolumineszenz-(EL-)Displays im selben Rolle-zu-Rolle-Prozess
Viele Applikationen, die derzeit mit preiswerten chemischen UmschlagIndikatoren (Messstreifen) abgedeckt werden, werden eine elektronische Ergänzung erfahren, welche die Daten präziser misst und sie protokolliert, so dass sie bei Bedarf im Internet von einer Basisstation abgerufen werden können. Damit werden vernetzte Diagnostik, aber auch umfangreich im Internet vernetzte und selbstlernende Sicherheitssysteme möglich, welche durch umfangreiche Kommunikation mit relevanten Informationsträgern im Internet und durch Zugriff auf Daten im Internet zu Dienstleistungen in der Lage sein werden, die heute schlicht noch unvorstellbar sind.
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Ein derzeit breit diskutierter Ansatz werden intelligente Blister sein, also Medizin-Verpackungen mit Selbstprotokollierung und Erinnerung des Entnahme-Zeitpunkts sowie direkter Information an den behandelten Arzt. Eine weitere Möglichkeit im Rahmen der medizinischen Anwendungsrichtung zielt auf die Kombination von Elektronik, Sensorik und Aktuatorik sowie die Nutzung von mikrofluidischen und optischen Komponenten im gleichen Polymersubstrat. Dies ermöglicht erstmalig mikrointegrierte und in Zukunft möglicherweise nanointegrierte medizinische Geräte zur Bioanalyse und zur sogenannten persönlichen medizinischen Behandlung (personalized medicin), wobei z. B. eine Genanalyse und die Bestimmung des Spektrums der typischen Gesundheits-Kennwerte (Antikörper, Toxine usw.) des jeweiligen Menschen vor der Behandlung einen gezielten Einsatz spezifisch angepasster Medikamente ermöglichen. Komplexe und dennoch kostengünstige Kunststoffsysteme zur Bioanalyse und zur Behandlung (geregelte Medikamentensynthese, -abgabe) werden ebenfalls möglich. Auf der Siliziumplattform sind solche Labors nur in einem sehr viel höheren Kostenniveau realisierbar. In der anorganischen Umgebung des Siliziums stellen sich darüber hinaus Fragen der Biokompatibilität, welche wiederum mit Kunststoffen im Falle eines solchen Systems in der Folie sehr viel leichter gelöst werden können bzw. gar nicht erst auftreten. Derzeit stehen bioanalytische und nanomedizinische Anwendungen im Vordergrund der anwendungsbezogenen Forschung. Einige Beispiele hierzu sind integrierte komplexe Lab-on-Chip-(Lab-in-a-Foil-)Systeme zur Detektion von Viren, Bakterien und Toxinen, aber auch das direkte Ankoppeln an Zellen zur elektrischen und optischen Analyse von Zellfunktionen oder der direkten oder indirekten Signalkopplung (MenschMaschine-Interface), welche damit in den nächsten Jahren möglich gemacht werden. Auch hierzu wird die Vernetzung mit Ressourcen im Internet zur Ausbildung umfangreicher unterstützender Dienste für Patient und behandelnden Mediziner führen. Für die Polytronik sind neben der Low-Cost-Elektronik die vernetzte Welt und die ubiquitären autarken Sensorsysteme (ubiquitäre Systeme, Ambient Intelligence, Internet der Dinge) sowie die Life Sciences als Technologietreiber identifiziert. Die Kombination einer multifunktionalen Systemtechnologie auf Folie mit der Möglichkeit, diese Systeme drahtlos zu vernetzen und damit die Einbindung in ein allgegenwärtiges Netzwerk zu verwirklichen, wird den Systemgedanken revolutionieren. Die Umgebung kann zur unsichtbaren Unterstützung des Menschen und seiner Aktivitäten werden und damit die Nutzung von Systemen auf eine dem Menschen angepasste Kommunikationsebene heben. Komplizierte Bedienung von Peripherie wird dabei in evolutionärer Weise durch kognitive Interfacesysteme ersetzt werden. Die Verbindung der Nanotechnologien mit
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biologischen Technologien unter Einbindung vernetzter informationstechnischer Vorgehensweisen und der neuen Qualität von Erkennung und Entscheidung – kurz Kognition (Nano-Bio-Info-Cogno, NBIC) – ist dabei technologischer Leitgedanke für die vernetzte Welt.
3 Technologische Möglichkeiten für die flexible Elektronik 3.1 Monokristallines Silizium Die Perspektiven, mit dünnem, monokristallinem Silizium flexible elektronische Systeme zu realisieren, beruhen auf einigen wichtigen Vorteilen. Gedünnte und damit flexible Silizium-Schaltkreise sind sehr gut für hohe Schaltfrequenzen (z. B. Prozessoren, Display-Treiber-ICs) geeignet. Hinter dieser Technologie steckt eine gewaltige Prozesserfahrung in Halbleitertechnologie. Dabei besteht ein ernstzunehmendes Potenzial zur Kostenreduktion bei fortschreitender Miniaturisierung und Optimierung der Ausbeute. Dagegen stehen natürlich ein paar Nachteile. Es entstehen hohe Technologiekosten für Reinsträume und Prozessanlagen, und derzeit gibt es keine Perspektive für großflächige elektronische Bauelemente. Dünnungstechniken für Silizium-Wafer sind bereits im industriellen Einsatz, aber für wirklich biegsame Silizium-Bauelemente sind noch keine standardisierten Produktionsverfahren etabliert. Ein spezifisches Merkmal der Silizium-Wafer-Technologie ist dabei die Entkopplung der Produktionsprozesse für die integrierten Schaltungen und der nachfolgenden Aufbau- und Verbindungstechnik („Packaging“). Je nach Art des Bauelements entfallen 30 bis 80 Prozent der Produktkosten für das „Packaging“. Die Trennung von Front-End- und Back-End-Prozessen macht es möglich, dass schon seit einigen Jahren Produkte mit dünnen Silizium-Chips auf flexiblen Substraten in Rolle-zu-Rolle-Verfahren produziert werden (RFID-Transponder-Chips, Smart Labels). Gerade bei der RFID-Technologie bieten sich extrem kostenreduzierende Vorteile durch die Verwendung von dünnen Silizium-Chips und die Vereinzelung bereits im Dünnungsprozess. Durch Vermeidung von breiten Sägestraßen auf dem Wafer und stattdessen der Verwendung sehr schmaler Ätzlinien sind gerade bei gängigen Transponderchipgrößen bereits heute die Herstellungskosten um etwa die Hälfte reduzierbar, da viel mehr Wafer-Fläche für Produkte genutzt werden kann und nicht weggesägt wird. Eine weitere Reduzierung der Chipdicke bis hin zu flexiblen Bauelementen wurde im Labormaßstab bereits demonstriert. Das zeigt: Monokristallines Silizium kann schon heute eine Komponente von flexiblen elektronischen Systemen sein. In einigen RFID-Transpondern wird dies bereits heute angewendet.
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Preisgünstig ist die Wafer-Technologie für flexibles Silizium allerdings nur dann, wenn möglichst viele kleine ICs auf einem Wafer Platz haben. Deshalb kann ein CCD-Chip für eine Digitalkamera mit einer Auflösung von fünf Millionen Pixeln auf einer Chipfläche von unter einem Quadratzentimeter preiswert in CMOS-Wafer-Technologie hergestellt werden. Dagegen würde ein Flachbildschirm mit einer Million Pixel auf einer Fläche von ca. 700 Quadratzentimetern bestehend aus monokristallinen Silizium-Wafern mehrere tausend Euro kosten. Das Beispiel zeigt, dass die Wafer-Technologie im Allgemeinen keine Perspektive für großflächige Elektroniken bietet (Ausnahme: sehr teure Einzelmodelle wie Detektoren in der Elementarteilchenforschung oder Astronomie). 3.2 Dünnfilm-Silizium Die Abscheidung von dünnen Siliziumfilmen (50–100 nm Dicke) auf Glas-Substraten führt auf amorphe Halbleiter-Schichten, deren Ladungsträgerbeweglichkeit (0,1–1 cm2/Vs) ausreichend ist, um darauf Dünnschichttransistoren zur Ansteuerung von Aktiv-Matrix-Displays zu fertigen. 95 Prozent aller Flachbildschirme nutzen diese amorphen Schichten (a-Si) zur Herstellung von FETs. Im Jahr 2003 wurde so eine Fläche von 15 Quadratkilometern mit a-Si beschichtet. Dies entspricht einer Fläche von über 500 Millionen Silizium-Wafern (Durchmesser 8 Zoll). Die Entwicklung der Fertigungstechnologie erforderte wohl mindestens zehn Jahre, bevor Flachbildschirme ein preiswertes Massenprodukt wurden. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die Bildschirm-Fabriken mit einem Investitionsvolumen von ca. über 2 Mrd. US-$ etwa gleich teuer sind wie CMOS-Wafer-Fabriken zur Herstellung von ICs. Der wirtschaftliche Erfolg der Flachbildschirme beruht also im Wesentlichen auf der Reduzierung der Kosten für die Halbleiterschicht und das darunterliegende GlasSubstrat. Amorphe Silizium-Filme können mittels Temperatur oder UV-Laserbestrahlung zu einer polykristallinen Schicht umgewandelt werden. Damit sind Ladungsträgerbeweglichkeiten erzielbar, die bis zu 50 Prozent des Wertes von monokristallinem Silizium erreichen. Derart kristallisierte Silizium-Schichten weisen ausreichend hohe Schaltfrequenzen auf, um darauf integrierte Schaltungen („Treiber-ICs“) zur Ansteuerung von Aktiv-Matrix-(AM-)Displays herzustellen. Damit sind Treiber und Display in einem Fertigungsprozess integrierbar. Der Vorteil liegt in der Vermeidung der ansonsten erforderlichen Bond-Drahtkontakte (ca. 2000 Stück), die den Treiber-IC mit den Zeilen- und Spaltenleitungen eines AM-Displays ver-
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binden. Dieser Vorteil kann insbesondere für kleinflächige hochauflösende Displays genutzt werden (z. B. Digitalkameras). Die bekannten Produktionsprozesse basieren auf Glassubstraten und der Anwendung von anorganischen Materialien zur Passivierung der Transistorebene. Das für die Schalteigenschaften wichtige Gate-Dielektrikum wird dabei in Plasmaverfahren (z. B. PECVD) bei Temperaturen von 300–500 °C abgeschieden. Die Fertigungsprozesse nutzen im Wesentlichen die typischen Strukturierungstechniken (Fototechnik, Ätztechnik usw.), wie sie auch aus der Wafer-Fabrikation bekannt sind. Diese Prozesstechnologie ist sicher keine „Low-Cost“-Fertigung. Sie nutzt aber bekannte und etablierte Einzelprozesse, die eine hohe Ausbeute bei konstanter Qualität ermöglichen. Das führt auf die These, dass eine hohe Ausbeute für den Fertigungsprozess von großformatigen Displays von größerer Bedeutung ist als die Nutzung von Low-Cost-Produktionstechniken. Dünnschicht-Silizium-Transistoren können auch auf flexiblen Trägern (Folien) hergestellt werden. Auch in diesem Fall können die Schichten mit Laserverfahren kristallisiert werden. Es ist allerdings zu beachten, dass der Übergang auf Foliensubstrate mit einer deutlichen Verschlechterung der erzielbaren Transistorgeometrien (Source-Drain-Abstand) und Schalteigenschaften verbunden ist. Dies gilt auch schon für den Fall, dass Foliensubstrate in Wafer-Form mit üblichen Wafer-Prozessen (spin-coatin, Lithografie) bearbeitet werden. Es ist nicht bekannt, dass schon Produkte auf der Basis von Si-Dünnschicht-FETs auf flexiblen Trägern kommerziell erhältlich wären. Auf dem Weg zur flexiblen Elektronik bieten Dünnschicht-Transistoren den Vorteil einer bekannten und erprobten Fertigungstechnik auf Glassubstraten. Der Übergang zum flexiblen Träger oder gar zu Rolle-zu-RolleVerfahren ist aber offensichtlich mit weiteren fertigungstechnischen Hürden verbunden. 3.3 Organische Halbleiter Die elektrischen Eigenschaften in organischen Halbleitermaterialien sind ausreichend, um Transistoren zur Ansteuerung von Aktiv-Matrix-Displays zu realisieren. Ein grundlegender Unterschied von organischen zu anorganischen FETs ist die Möglichkeit, das halbleitende Material in flüssiger Form (Lösung) auf das Substrat aufzubringen. Dies eröffnet viele neue Chancen für eine kostengünstige Produktion, birgt aber auch erhebliche technische Hürden. Drucktechniken ermöglichen den strukturierten Auftrag von Material auf ein Substrat. Dies spart Materialkosten und zusätzlich den Aufwand
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der nachträglichen Schichtstrukturierung über Masken- und Ätzprozesse. Im Falle eines Aktiv-Matrix-Displays würde es also genügen, nur an den Orten der Schalttransistoren einen „Klecks“ eines halbleitenden Polymers aufzutragen. Im Vergleich dazu muss bei Verwendung einer dünnen amorphen Siliziumschicht die ganze Fläche zunächst beschichtet, die Schicht anschließend aber zu mindestens 90 Prozent wieder entfernt werden (oder sie bleibt ungenutzt). Alle weiteren Prozesse (egal ob Drucktechnik oder Strukturierung) könnten für Silizium-FETs und OFETs grundsätzlich gleich sein, da natürlich auch anorganische Halbleiterschichten mit Drucktechniken weiterprozessiert werden könnten.
Abb. 3. Polymerelektronische Schaltkreise, hergestellt im Rolle-zu-Rolle-Verfahren
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Somit bleibt für die organische Elektronik die Forderung, dass das halbleitende Material mindestens um einen Faktor 10 günstiger sein muss als die Siliziumbeschichtung (bei ansonsten gleichen Qualitätsanforderungen). Der Übergang von starren Substraten auf flexible Trägerfolien stellt an die Herstellung von organischen und anorganischen Halbleitern zunächst die gleichen Anforderungen: sichere Passivierung der Schichten vor der umgebenden Atmosphäre sowie Beherrschung der Maßhaltigkeit von möglichst kleinen Strukturen bei möglichst einfachen Beschichtungsverfahren. Mit dem Ziel, OFETs in Drucktechnik zu realisieren, muss aber nun noch eine weitere Forderung erfüllt werden: Die Verfahrenstechnik für elektroniktaugliche Druckverfahren muss entwickelt und erprobt werden. Wenn dies in den nächsten Jahren gelingt, eröffnet sich der Polymerelektronik ein riesiges Anwendungspotenzial.
4 Die interdisziplinäre Entwicklung der Polytronik unterstützen Polytronik ist eine sehr komplexe Domäne mit neuartigen Materialien, Technologien und Prozessen sowie neuartigen Applikationen und Szenarien. Aufgrund dieser hohen Komplexität der Domäne und der hierdurch implizierten Verzahnung verschiedener Forschungsfelder wie Materialwissenschaften und Prozessentwicklung sowie gesellschaftspolitisch basierenden Aspekten sind Synergieeffekte zu erwarten, die marktübergreifend neue Kompetenzfelder ermöglichen und Innovationsprozesse durch die rückkoppelnden Interdependenzen zwischen der Forschung und der freien Wirtschaft katalysieren. Die Unterstützung der Polytronik sollte deshalb in applikationsbezogener Weise interdisziplinär gestaltet sein. Gerade durch die Kombination verschiedener Technologien sind neue Anwendungen denkbar, die durch etablierte Technologien bisher nicht möglich sind und nach einhelliger Ansicht von Technologieberatern zu einem riesigen neuen Geschäftsfeld führen werden.
Polytronik und das Internet der Dinge
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Seit 2007 Labormuster erste Prozessintegration Polymerelektronik (vorwiegend elektronisch, einfache polymere Sensoren) 2007–2008 erste Labormuster flexible einfache OLED-Displays mit kürzerer Lebensdauer, vorwiegend Symbole, einfache, grobe Punktmatrix 2007 Firmenprodukte einfachster Sensorlabel 2008 Labormuster erstes integriertes energieautarkes Foliensystem mit Sensoren, Energieversorgung und einfachem Display, Sicherheitstechnik und Sensorik sowie Dokumentenfälschungssicherung; einfache Sensoren im Bereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik, erste OLEDLeuchtmittel auf Folie 2008 Firmenprodukte einfacher Logistiklabel bzw. Fälschungssicherungen mit sehr begrenzter Funktionalität usw. mit polymeren Halbleitern im Elektronik- und Sensorteil (Metallverbindungsleitungen, Lithographie), aber stark reduzierte Schaltungstechnik mit zum Teil wenig Transistoren, z. B. keine Antikollision, keine Displays usw.; teilweise wie angekündigt: kompatibel zu 13,56 MHz-RFID-System-Readern für einfachen Ausleseprozess 2010 Labormuster bioanalytische Nachweissysteme in der Folie (BioChip bzw. Smart Card LAB); erste UHF-polymere Bauelemente 2010–2012 Firmenprodukte elektronische Folientickets mit einfachen OLED-Displays und beschränkter Lebensdauer; fast-vollpolymer-RFIDTag kompatibel zu 13,56 MHz; Sensornetze auf der Basis autarker polytronischer Folienlabels Vision 2015 Labormuster flexibler PDA mit polytronischem QVGApolymerem OLED-Display, welches drucksensitives Keyboard, Solarzelle und Sensoren in der Displayfolie beinhaltet, und polymerer AktivBackplane; Prozessor und komplexere Elektronik aus Silizium, PolymerBatterie mittels Schichtprozess integriert; einfacher UHF-kompatibler polytronischer Sensorlabel 2015 Firmenprodukte vollpolymerer gedruckter HF-RFID-Tag (EPCglobal), einfache UH-Polymersensorlabels
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Dr. Karlheinz Bock
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Ambient Intelligence im Rahmen Service-orientierter Architekturen
Max Larsson, Stephan Vollmer Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT
Die Informationstechnologie prägt bereits große Bereiche unseres Alltags, und diese Durchdringung wird noch zunehmen. Konzepte wie Ambient Intelligence oder Pervasive Computing projizieren diese Entwicklung auf Umgebungen, die mittels Informationstechnologie neue, innovative Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Im Zentrum dieser Visionen steht die allgegenwärtige und permanente Verfügbarkeit von Technologien und Informationen, wobei sich hier zwei Richtungen unterscheiden lassen. Auf der einen Seite stehen dabei die Endgeräte und Netze, die uns Menschen jederzeit den Zugang zu Daten und Infrastrukturen ermöglichen, auf der anderen Seite die Netze und Systeme, die Daten sammeln oder diese Informationen verarbeiten und aufbereiten. Die möglichen Einsatzbereiche entsprechender Konzepte und Lösungen sind vielfältig: Die Produktivität von Außendienstmitarbeitern ließe sich durch Ambient-IntelligenceSysteme ebenso verbessern wie die medizinische Versorgung oder die Effizienz von Prozessen und Dienstleistungen. Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnlogie (SIT) entwickelt innovative Konzepte, Lösungen und Protoypen, die mittels Ambient Intelligence die Flexibilität und Effizienz von Arbeitsabläufen steigern. Im Zentrum der Arbeit steht dabei stets der Mensch: Ihm sollen die ITSysteme die Arbeit erleichtern, seine Bedürfnisse sollen sie erkennen und erfüllen. Je stärker man Technologien jedoch nutzen will, desto größer wird die Abhängigkeit von entsprechenden Diensten und Infrastrukturen. Verlässlichkeit, Vertraulichkeit und Schutz vor Ausfällen, Angriffen und Manipulation bilden deshalb eine Grundvoraussetzung für den effizienten Einsatz jeglicher IT-Systeme. Bei der Nutzung von Ambient Intelligence gilt es deshalb stets, Flexibilität und Effizienz zu steigern und gleichzeitig sensible Daten und wichtige Infrastrukturen zu identifizieren und zu schüt-
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Max Larsson, Stephan Vollmer
zen. Erst dies schafft wirkliche Innovation und Zukunftssicherheit für Anwender und Unternehmen. Im Rahmen der F&E-Thematik beschäftigt sich das Fraunhofer SIT bereits seit Langem mit den Arbeitswelten der Zukunft und insbesondere der RFID-Technologie. Letztere nimmt im Kontext von Ambient Intelligence unter den Technologien eine Vorreiterrolle ein, da sich die Technologie dank ihrer drahtlosen Schnittstelle gut in bestehende Abläufe integrieren lässt und große Optimierungen in Geschäftsprozessen ermöglicht. Oft wird der RFID-Einsatz jedoch nicht im technologischen Gesamtkontext gesehen, wodurch potenzielle Anwendungsmöglichkeiten ausgeblendet werden. Versteht man die RFID-Technologie jedoch als einen Baustein zukünftiger Service-orientierter Architekturen, dann eröffnen sich die Optimierungs- und Steuerungspotenziale in ihrer Gesamtheit. In einer solchen ganzheitlichen Betrachtung spielen zum Beispiel auch andere SensorTechnologien eine Rolle, die sich mit RFID-Systemen kombinieren lassen. So können Unternehmen RFID-Systeme beispielsweise durch Infrarotfühler ergänzen, was bei der Überwachung von Kühlketten wichtig ist. Zum anderen gilt es, die RFID-Technologie im Zusammenhang mit den Backend-Systemen zu betrachten, die je nach Einsatzgebiet höchst unterschiedliche Anforderungen stellen. So ergeben sich für die RFIDTechnologie wesentlich breitere Anwendungsszenarien, die von der Produktion über E-Health bis hin zum Katastrophenschutz reichen. Im Folgenden werden die Potenziale und Risiken der Technologie an ausgewählten Beispielen und Anwendungsszenarien erläutert.
Abb. 1. Entwicklung des RFID-Weltmarktes
Ambient Intelligence im Rahmen Service-orientierter Architekturen
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1 RFID in Diensten und Systemen Das Fraunhofer SIT hat bereits in unterschiedlichen Kontexten RFIDAnwendungen entwickelt und implementiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Verschmelzung von realen und virtuellen Welten zu zukunftweisenden, sicheren kooperativen Räumen, die ein weites Spektrum lokaler und verteilter Teamarbeit unterstützen. Hierzu einige Beispiele: Mit Sm@rtShelf® bzw. Sm@rtLibrary® entwickelte das Fraunhofer SIT ein modernes Ortungssystem für Akten, Bücher oder Objekte aller Art, die in Regalen untergebracht werden. Jedes Objekt wird mit einer FunkIdentifikationsmarke, einem RFID-Transponder, ausgestattet (siehe auch Abschn. 2). Durch Lesegeräte in den Regalen – und erweiterbar auch an wichtigen Übergangspunkten in Büros, Bibliotheken oder Archiven – wird das Passieren eines Objektes registriert und seine Position in eine Datenbank geschrieben. Der Benutzer hat über eine Web-Schnittstelle die Möglichkeit, in der Datenbank danach zu suchen und sich den aktuellen Aufenthaltsort anzeigen zu lassen. Das Sm@rtShelf® wurde integriert in das Collaboration-Werkzeug UNITE, das global verteilte Arbeitsteams bei organisationsübergreifenden Projekten unterstützt. Bei UNITE liegt der Fokus auf Sicherheit in Bezug auf Firmen-Wissen und -Ressourcen und deren Austausch zwischen den Team-Mitgliedern. Jeder Benutzer hat damit die Möglichkeit, seine reale Welt zu erfassen, sie im Virtuellen anzupassen und dann effizient zu betreiben. Eine andere Form der Lokalisierung ermöglicht das RFID-SAN (Sensors – Actuators – Networks). Dabei handelt es sich um eine sichere Middleware-Plattform, mit der sich RFID-Systeme in beliebige BackendSysteme integrieren lassen. SAN lässt sich mit beliebigen Backend- und RFID-Systemen kombinieren und besitzt implizite Sicherheitsfunktionen, die Systemausfällen vorbeugen. Gleichzeitig lassen sich über die Plattform auch weitere Sensorfamilien an Backendsysteme anschließen. Auch im Bereich von Gebäude-Automatisierung und -Informationssystemen lässt sich RFID gewinnbringend anwenden. Das Projekt „Raumcomputer“ schuf dazu eine Softwareplattform/-architektur. Ferner wurde in diesem Bereich ein innovatives Raumreservierungssystem (FIS = Facility Information System) entwickelt und im Institut installiert. Jeder Institutsmitarbeiter kann heute über das Intranet – auch am Telearbeitsplatz oder mobil unterwegs – eigene Reservierungen vornehmen oder diese ändern. Gleichzeitig erhält er einen Überblick, wer wann wie lange welche Räume belegt. Mittels RFID-Ausweisen können Mitarbeiter zudem vor Ort im jeweiligen Konferenzraum Buchungen vornehmen oder bestehende Reservierungen verlängern.
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Die Ergebnisse aus den gebäudebezogenen Projekten entwickelt das Institut derzeit im Rahmen von facilityBOSS weiter, das komplexe architekturbezogene RFID-Anwendungen zu kohärenten Anwendungsmöglichkeiten bündelt. So wurde beispielsweise ein Szenario für Büro-Umgebungen entwickelt, das RFID-Technologie mit BUS-Schnittstellten und NetzwerkSicherheit kombiniert. Dies ermöglicht es Unternehmen, sich flexibel den Markterfordernissen anzupassen. So lassen sich Arbeitsplätze schnell migrieren, Raumbeschriftungen und Raumleitsysteme ändern oder Teams ohne große Ausfallzeiten reorganisieren. Sämtliche gebäudetechnischen und netzwerkbezogenen Dienste lassen sich mithilfe des facilityBOSS über eine zentrale Schnittstelle steuern. Gleichzeitig erlaubt das System Unternehmen auch, die Dienstnutzung zu analysieren, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten.
2 RFID-Technik: Gefahren kennen, Chancen nutzen RFID steht für Radio Frequency Identification, womit sich ähnlich wie beim Barcode-Verfahren eine Identifizierung vornehmen lässt. Der Vorteil gegenüber dem Einsatz von Barcodes liegt darin, dass kein Sichtkontakt zum Objekt gebraucht wird, sondern eine Funkschnittstelle benutzt wird. Die Objekte können beim Passieren der Messstationen draht- und berührungslos erfasst werden, ohne die Geschäftsprozesse zu beeinträchtigen. Ein RFID-System besteht aus zwei Komponenten: einem Transponderchip, der auf dem Objekt angebracht wird, und einem dazu passenden Lesegerät. Zum Identifizieren sendet das Lesegerät auf einer bestimmten Frequenz ein Funksignal aus. Der Transponderchip (auch kurz „RFIDTag“ genannt) empfängt es und verschickt eine Rückantwort. Dabei kann zwischen aktiven und passiven Chips unterschieden werden. Die aktiven Chips besitzen eine eigene Energieversorgung, zum Beispiel in Form einer Batterie. Die passiven Chips beziehen ihre Energie aus dem empfangenen Funksignal. Abhängig davon, ob es sich um aktive oder passive Chips handelt und auf welcher Frequenz sie arbeiten – Niederfrequenz (LF), Hochfrequenz (HF) oder Ultrahochfrequenz (UHF) –, können Distanzen von 0,15 bis 3 Metern zwischen Lesegerät und Transponderchip überbrückt werden. Eine weitere Unterscheidung bei den RFID-Systemen hängt davon ab, ob es auch möglich ist, auf die Transponderchips zu schreiben, oder ob es sich um ein reines Leseprinzip handelt. HF-Transponderchips mit Lese-/ Schreibfähigkeiten können etwa acht- bis zehntausend Zeichen speichern und bis zu 100.000 Mal wiederbeschrieben werden; somit eignen sie sich
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besonders für veränderbare Status- und Steuerinformationen von Objekten in Versorgungs- oder Produktionsketten. LF- und HF-Chips mit ausschließlicher Lesefähigkeit wird werkseitig eine eindeutige, in der Regel 8 bis 32 Bytes große Nummer zugewiesen. Die Transponderchips können mit weiterer Sensorik ausgestattet sein. Es gibt Ausführungen, die die Temperatur ihres zugehörigen Objektes messen und übermitteln. Die schöne neue Welt birgt jedoch auch Risiken in sich, wie folgende realistische Angriffsszenarien belegen: • Sniffing: Das Auslesen eines RFID-Tags kann – auch über größere Entfernungen (bis zu 50 Metern) - erfolgen, ohne dass es der Besitzer des gekennzeichneten Artikels mitbekommt. Ein Angreifer könnte so zum Beispiel in Erfahrung bringen, welche Artikel gerade im Lager sind oder mit welchen attraktiven Gegenständen ein Kunde gerade den Laden verlässt. • Tracking: Geeignet positioniert, kann ein RFID-Leser gezielt nach bestimmten Kennungen von Artikeln oder Artikelkombinationen Ausschau halten. Diese können wiederum mit der Identität des Inhabers (etwa über Kundenkarten) korreliert werden, so dass sich Profile erstellen lassen. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn es ohne Einverständnis des Inhabers geschieht. • Spoofing: Wenn es dem Angreifer gelingt, authentische RFID-Tags herzustellen, können grundsätzlich beliebige Informationen auf den Chip geschrieben werden. So lassen sich unter Umständen gespeicherte sensible Daten, etwa das Guthaben einer Geldkarte, manipulieren. • Replay Attacks: Ein Angreifer kann Übertragungen vom RFID-Chip zum Leser aufzeichnen und dann erneut senden. Auf diese Weise sind vielfältige Manipulationen möglich, etwa wiederholte Gutschriften oder Schiefstände in den Bestandsdaten. • Denial of Service (DoS): Hier geht es darum, den Betrieb eines RFIDSystems zu stören, indem beispielsweise Störsignale ausgestrahlt werden oder Angreifer die Systeme mit einer übergroßen Menge an Signalen zum Versagen bringen (thrashing). Im schlimmsten Fall werden die RFID-Tags unbrauchbar gemacht (unter Umständen eine gewünschte Funktionalität, wenn ein Artikel den Ladentisch verlässt), so dass ein Auslesen nicht mehr möglich ist. Ein Lager wäre dann beispielsweise scheinbar leer, obwohl die Regale gefüllt sind.
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Abb. 2. RFID-Angriffspunkte
Von Verbraucherschützern werden Datenschutzaspekte in den Vordergrund gestellt. Die Umsetzung von Datenschutzanforderungen macht allerdings nur Sinn, wenn die Systeme selbst sicher sind. In der Anwendungsentwicklung gilt es deshalb, den realen Bedrohungen zu begegnen. Hierzu lassen sich jedoch nur zum Teil existierende Sicherheitswerkzeuge nutzen. Die Weiterentwicklung von Technologien und Neuentwicklung entsprechender Werkzeuge und Datenschutzvorkehrungen stellen hier eine Herausforderung dar, der sich die Unternehmen möglichst bald stellen sollten, wenn sie die Skeptiker der RFID-Technologie überzeugen wollen.
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3 RFID-Einsatzbereiche 3.1 Objektverfolgung/-identifizierung Der Haupteinsatzbereich für die RFID-Technik liegt in der Objekt-, Güteroder Warenverfolgung und der damit verbundenen Logistik. Als bekanntes Beispiel hierfür gilt ein Supermarkt einer großen Handelsgruppe (METRO-Niederlassung nähe Duisburg). Der Markt dient als Vorreiter und Versuchsfeld für die RFID-Technik. Dort wird jedes Produkt mit einem Transponderchip ausgestattet; langfristig soll damit das BarcodeVerfahren wegfallen. Für die Betreiber solcher Supermärkte können sich daraus folgende Vorteile ergeben: • Beim Wareneingang können die gelieferten Waren direkt ohne menschliche Eingriffe erfasst und in das Warensystem überführt werden. Dies wird insbesondere durch die Eigenschaft der Transponderchips ermöglicht, auch auslesbar zu sein, wenn sie innerhalb einer Verpackung stecken. • Bei der Warenpräsentation an einem Lesegerät kann immer ein genauer Überblick gegeben werden, wie viel noch von einem Produkt vorhanden ist, das heißt, die Inventur wird kontinuierlich mitgeführt. • Das System kann warnen, wenn Waren im Regal eine bestimmte Mindestanzahl unterschreiten, davon aber noch Vorräte im Lager bestehen. Genauso kann auch signalisiert werden, wenn ein bestimmtes Produkt auch im Lager aufgebraucht ist, einschließlich automatischer Nachbestellung als Zusatzoption. • Waren, die die Kunden an einen falschen Regalplatz zurückgelegt haben, werden ebenfalls durch das System entdeckt. Die Mitarbeiter können somit zum korrekten Einordnen gezielt zu den betreffenden Stellen geschickt werden. • Beim Abrechnen des Warenverkaufs müssen die Teile nicht mehr per Hand eingescannt, sondern können einfach im Einkaufswagen erfasst werden. All diese Vorteile dienen in erster Linie der Optimierung der Geschäftsprozesse. Dabei kann die Lagerhaltung weitgehend automatisiert werden. Viele manuelle Eingriffe, die heutzutage noch nötig, aber auch mit Fehlern behaftet sind, könnten entfallen. Das Personal stünde für mehr Kundenbetreuung und andere wichtige Aktivitäten zur Verfügung. Die beschriebenen Vorteile setzen natürlich voraus, dass alle Produkte mit Transponderchips ausgestattet werden und dass eine Vielzahl entsprechender Lesegeräte an den benötigten Stellen installiert ist. Um die Vortei-
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le nutzen zu können, müssen Unternehmen bei der Implementierung von RFID-Lösungen zudem die physikalischen Gegebenheiten beachten und Faraday’sche Käfige oder andere metallisch verursachte Störungen meiden. 3.2 Personenidentifizierung Ein weiteres Einsatzgebiet für die RFID-Technik beschäftigt sich mit Ausweisen jeder Art. Dabei kann es sich um Dienstausweise, Kundenkarten (wie PayBack) oder auch Kreditkarten handeln, die mit einem Transponderchip versehen werden. Ähnlich wie bei der Objektverfolgung liegt der Hauptvorteil im vereinfachten, automatisierbaren Auslesen. Zunächst fehlt dabei das manuelle Überprüfen der Person mit den auf dem Ausweis aufgedruckten Daten. Dies kann aber ebenfalls automatisch realisiert werden, wie erste Erprobungen zeigen. Nachfolgend werden einige Szenarien beschrieben: • In einem Pilotversuch am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen können sich Flugpassagiere mit einem maschinell lesbaren Reisepass automatisch identifizieren lassen. Dabei wird die jeweilige Person mittels Digitalkamera aufgenommen und das Bild elektronisch mit einer Referenz verglichen, die beim Ausstellen des Reisepasses im Zentralregister der Passbehörden hinterlegt wurde. • Bei Kundenkarten ergibt sich für die ausgebende Organisation der Vorteil der einfacheren Verfolgung bzw. Aufzeichnung des Kauf- und Kundenverhaltens. Dies kann unter Umständen ohne Wissen des Kunden geschehen, weshalb erst noch Rechtsfragen zu Sicherheit und Schutz der Privatsphäre geklärt werden müssen. 3.3 Kombinierte Prozesse mit Personen und Objekten Hierbei werden die möglichen Abläufe, wie sie sich mit der eingesetzten RFID-Technik zur Personenidentifizierung und zur Objektverfolgung steuern und abwickeln lassen, miteinander verknüpft, um sie zu komplexen, verzahnten Prozessen im Logistik- und Dienstleistungssektor zu kombinieren. Dies soll anhand eines umfangreichen Szenarios erklärt werden: • Das Basisszenario wäre eine komplexe Verbundbetreuung von Kunden. Zum Beispiel kommt ein bestimmter Kunde mit einem Mietwagen an einem Flughafen an. Sobald er sich dem Abstellbereich der Autovermietung nähert, erkennt das System den Kunden mit dem Fahrzeug. Ein
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Leitsystem weist gezielt einen vorgegebenen Parkplatz zu. Beim Parken und Abschließen des Fahrzeugs werden alle wichtigen Informationen wie Füllstand des Tanks oder Kilometerstand an die Autovermietung übertragen. Der Kunde muss nur noch den Schlüssel in eine Box werfen und vielleicht noch alle Daten an einer angeschlossenen Bildschirmstation neben der Box bestätigen. Die Rechnung wird anschließend automatisch zu ihm nach Hause geschickt und seinem Kreditkartenkonto belastet. Gleichzeitig wird dem Flughafenbetreiber übermittelt, dass der bestimmte Kunde das Gebäude betreten hat. Der Betreiber hat dann seinerseits die Möglichkeit, den Kunden zur gewünschten Fluggesellschaft zu leiten. An diese Airline wird ebenfalls übermittelt, dass ihr Fluggast kommt, woraufhin sie alles für dessen Check-in vorbereiten kann. • Eine Erweiterung des Szenarios kann zum Beispiel wie folgt aussehen: - Beförderung des Kundengepäcks, wobei die Autovermietung dafür sorgt, dass das Gepäck den Weg zur Fluggesellschaft und somit zum Flugzeug findet - oder Werbeanzeigen, die speziell auf den Kunden zugeschnitten sind und entlang seines Weges durch den Flughafen angezeigt werden, sobald er eine entsprechende Werbetafel passiert 3.4 Sicherer transparenter Umschlagplatz Die Idee ist, sämtliche Vorgänge auf einem Umschlagplatz zu erfassen und auszuwerten. Dabei handelt es sich sowohl um legale Vorgänge, die zu den täglichen Abläufen auf dem Umschlagplatz gehören, als auch um illegale oder kriminelle Aktionen. Das Auswerten dieser Vorgänge nach den beiden genannten Kategorien wird autonom von den Anwendungen erfolgen. Letztere werden auch entsprechend auf die Auswertung reagieren. Wie die Reaktion ausfällt, hängt von der Anwendung ab. Hauptsächlich ist das Ziel die Optimierung oder Unterbindung von Vorgängen: Optimierung im Sinne von Prozessoptimierung zur Betriebskostensenkung – Unterbindung im Sinne von Reduzierung der Kriminalität. Da auf einem Umschlagplatz viele Vorgänge stattfinden und diese beim Erfassen nicht beeinträchtigt werden sollen, muss die benutzte Sensorik unauffällig und einfach zu handhaben sein. Die meisten Vorgänge betreffen Güter oder Personen, die entsprechend individuell transportiert werden, so dass es sich hier empfiehlt, RFID-Technik einzusetzen. Alle wichtigen Objekte erhalten RFID-Tags aufgeklebt, um sie dann per Funk anzusprechen. Da dabei nur Objekte erfasst werden, die dem System bekannt sind, wird noch zusätzliche Sensorik benötigt, die unbekannte Ob-
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jekte erkennt, die nicht von Anfang an dem System bekannt sind (unbefugte Personen). Dazu dienen zum Beispiel Überwachungskameras, Bewegungssensoren oder Ähnliches. Die Vorgänge lassen sich zunächst in folgende Kategorien einteilen: • Objektverfolgung von Gütern • Objektverfolgung von Maschinen (Betriebsinventar) • spezifische Kontrollen – zum Beispiel zur Einhaltung von Kühlketten, Überwachung von zollfreien Waren oder dergleichen • Zugangskontrolle von Personal • Absicherung des Umschlagplatzes gegen unbefugte Personen • Customer Relationship: Bewegungsmuster von Kunden, deren Vorlieben, Übergabe der Kundenbetreuung zwischen Unternehmen (zum Beispiel Speditionen für Güter oder Autovermietungen, ÖPNV, Fernverkehr, Hotels für Personen) Diese Vorgänge sind teilweise miteinander verknüpft und werden im Allgemeinen von mehreren Firmen benötigt. Zum Beispiel interessiert sich die Hotelfirma nicht für Objektverfolgung im Güterbereich und umgekehrt. Die Realisierung bleibt trotzdem prinzipiell der gleiche Vorgang. Gleichzeitig wird zumeist die Zugangskontrolle und Absicherung des Umschlagplatzes von einer Sicherheitsfirma durchgeführt. Somit ergeben sich Anwendungen, die von einer Firma benötigt werden, die aus einem oder mehreren Vorgängen bestehen, die auf demselben Netzwerk von Sensoren und Aktoren laufen. Die Integration von Aktoren in das Netzwerk wird auch benötigt, damit eine automatisierte Reaktion auf erfasste Messwerte möglich ist – zum Beispiel zur Steuerung von Schranken oder Überwachungskameras. Obwohl bereits zahlreiche RFID-Systeme genutzt werden, ist das Potenzial von RFID im Ambient-Intelligence-Kontext längst nicht ausgeschöpft. Noch gibt es große Herausforderungen, die Forschung und Industrie zusammen bewältigen müssen. Hierzu gehören • • • • •
Integration von Insellösungen, Einbindung von vertikalen Geschäftprozessen, Aufbau einer horizontalen Plattform (Middleware), Skalierbarkeit im Hinblick auf die verfolgten Waren, Ausfallsicherheit (da bei Ausfall der Optimierung höhere Kosten entstehen als gespart werden), • Schutz der Privatsphäre von Personen,
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• gegenseitiger Schutz der Daten/Informationen unter den verschiedenen Firmen, die durch gemeinsame Geschäftsprozesse in einer horizontalen oder vertikalen Anwendung involviert sind, • technischer Schutz der Informationen auf den RFID-Tags mittels besonderer Lesegeräte, • zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten durch Einsatz weiterer Sensoren, zum Beispiel durch Videoüberwachung mit Objekterkennung, Thermofühlern, Bodenradar (bei Flughäfen). Bei der beschriebenen Umsetzung gibt es zahlreiche Herausforderungen, von der Skalierbarkeit der Plattform bis zum Schutz der Privatsphäre bei Customer Relationship. Die Plattform muss hohe Lasten und Installationen verkraften, um den Betrieb mehrerer Anwendungen auf einem Netzwerk zu ermöglichen. Auch die Erweiterung und Umstrukturierung des Netzwerks muss unterstützt werden. Da mehrere Anwendungen parallel laufen werden, wird die Sicherheit einen großen Stellenwert einnehmen: zuallererst, um die Robustheit zwischen den Anwendungen zu garantieren, so dass diese sich nicht gegenseitig stören. Sodann müssen auch die Informationen der einzelnen Anwendungen gegeneinander und insbesondere vor Angriffen geschützt werden. Denn auch die Systematisierung und Digitalisierung aller abzuwickelnden Vorgänge bietet in sich selbst einen verlockenden neuen Angriffspunkt, indem die dann im Netzwerk vorhandenen Informationen leicht ausgewertet oder sogar archiviert werden können. Das muss von vornherein beim Entwurf unterbunden werden.
RFID-Einsatz innerhalb der DaimlerChrysler AG
Dr. Roya Ulrich, Mathias Porten, Ernst Fritz DaimlerChrysler AG
Abstract Die DaimlerChrysler AG evaluiert mit unterschiedlichen technologischen Proof of Concepts (PoC) im betrieblichen Umfeld die Auswirkungen von RFID auf diverse Geschäftsabläufe. Die Ergebnisse dienen einerseits zur optimalen Definition effizienter Geschäftsprozesse, andererseits zur aktiven Gestaltung der geeigneten Richtlinien der Standardisierungsgremien der Automobilindustrie (VDA, Odette usw.). Der Beitrag stellt exemplarisch einen aktuellen PoC zur Bestandserfassung von Spezialladungsträgern im Werk Sindelfingen in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IML und der Firma IBM vor und berichtet über die gewonnenen Erkenntnisse.
RFID-Einsatz im Leergutlager des DaimlerChryslerWerkes Sindelfingen DaimlerChrysler führt zusammen mit den Projektpartnern IBM und Fraunhofer IML einen RFID-PoC im Leergutlager des Fahrzeugwerkes Sindelfingen durch. Dabei werden Einsatzrahmen und Stahlpaletten (vgl. Abb. 1) mit passiven RFID-Tags nach „EPC RFID Class 1 Generation 2 UHF“ versehen. Der PoC ist in eine umfassende Evaluierung der VDA-Empfehlung VDA 5501 („RFID im Container-Management der Supply Chain“) eingebettet, die demnächst veröffentlicht wird.
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Dr. Roya Ulrich, Mathias Porten, Ernst Fritz
Abb. 1. Beispiel eines bei DaimlerChrysler verwendeten Einsatzrahmens (links) und einer Stahlpalette (rechts)
Im Verlauf der Arbeit flossen die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse bereits umfassend in die Empfehlung ein. Der PoC ist in vier Phasen aufgeteilt: 1. Anforderungsspezifikationsphase mit dem Ziel, das Lastenheft auszuarbeiten 2. Vorabtestphase mit dem Ziel, das geeignete HW-Equipment auszuwählen 3. Aufbauphase mit dem Ziel, die HW und SW im betrieblichen Umfeld aufzubauen und die Mitarbeiter in die neuen Prozesse einzuweisen 4. Durchführungsphase mit dem Ziel, Langzeiterfahrungen im Betrieb zu erhalten Es hat sich herausgestellt, dass die ersten drei Schritte beachtliche Anforderungen an die Ressourcen gestellt haben, die im Vorfeld z. T. nicht erkennbar waren.
1 Anforderungsspezifikation Vor Beginn des PoC wurde ein Konzept zu RFID in der Ladungsträgerverfolgung erarbeitet. Dieses Konzept bestätigte die grundsätzliche Möglichkeit, die Prozesse im Leergutlager mittels RFID zu verbessern. Im Nachgang dieser Arbeit wurden zur Anforderungsspezifikation grundsätzliche Ziele genannt, geänderte Prozesse, die einzusetzende Technologie und die dahinter stehende IT-Infrastruktur in einem Lastenheft beschrieben. 1.1 Ziele Der PoC soll folgende im Vorfeld definierte Prozess-, Technologie- und IT-Ziele erreichen: • Prozessziele: Die RFID-Technologie soll das Problem der mäßigen Datenqualität lösen, ohne die Arbeitskosten dabei signifikant zu erhöhen. Real-Time-Bestandsdaten und darüber hinaus Informationen über La-
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dungsträger-Statusübergänge verbessern die Prozesstransparenz nicht nur im Leergutlager, sondern auch in der Produktion am Band, bei Transportdienstleistern und Lieferanten, und ermöglichen dadurch Prozessoptimierungen. Eine Erfassung der zu versendenden Ladungsträger mit RFID könnte die Avisierung, den Ausliefer- und Fakturierungsprozess automatisieren: Medienbrüche und manuelle Arbeit werden dadurch vermieden. • Technologieziele: Weiterhin sollte die RFID-Technologie, besonders die Pulkerfassung im metallischen Umfeld, in den unterschiedlichen Erfassungsarten „Handheld“, „Gate“ und „Gabelstapler“ untersucht werden. Die Evaluierung des neuen EPC-Standards EPC RFID Class 1 Generation 2 UHF war dabei ein Hauptziel der Untersuchung. Der PoC soll dabei nicht primär das Funktionieren von RFID im Prozess beweisen, sondern vermitteln, welche aktuellen Stärken und Schwächen die RFIDTechnologie besitzt. • IT-Ziele: Ziele der DaimlerChrysler-IT waren die Evaluierung einer RFID-Middleware-Lösung und die Einbettung dieser Lösung in die bereits bestehende IT-Infrastruktur. Shared-Services- und Gerätemanagement-Funktionalität sollte dabei analysiert und ein Betriebskonzept für das Rechenzentrum erarbeitet werden. Mithilfe einer Shared-Service-Plattform für RFID-Infrastrukturen können Prozesse konsolidiert, kundenspezifisch und doch zentralisiert bereitgestellt und redundante Kosten stark verringert werden. Eine sehr bedeutende Rolle in einer Shared-Services-Umgebung spielt das Device Management, dem die Steuerung und Überwachung von RFID-Lese-/ Schreibgeräten sowie anderen Auto-ID-Geräten wie Barcode-Scanner oder Sensoren obliegt. 1.2. Prozesse Im Vorfeld des PoC wurde die gesamte Automotive Supply Chain genauer untersucht und die einzelnen Prozessschritte analysiert (vgl. Abb. 2). Aus dieser Prozesskette werden im Rahmen des PoC die Leergutprozesse betrachtet und dabei der Teilprozess „Zentrales Leergutlager“ genauer untersucht: Das Leergut wird aus der Produktion entsorgt, grob gereinigt, zu Ladeeinheiten sortiert, im Leergutlager eingelagert und bei Bedarf per Spedition zu den Lieferanten transportiert.
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Dr. Roya Ulrich, Mathias Porten, Ernst Fritz
Abb. 2. Schwerpunkt des PoC bei den Leergutprozessen
Der Vollgutprozess wird im PoC nicht betrachtet und soll im Rahmen einer möglichen Ausweitung in einer zweiten Stufe eingebunden werden. 1.3 Technologie Die VDA-Empfehlung 5501 stellt verschiedene Anforderungen an die einzusetzende RFID-Technologie: • Luftschnittstelle gemäß ISO 18000-6C (EPC Gen2) • Mindestlese- und Mindestschreibreichweite von 4 m in einer Richtung bzw. 7 m bei Tordurchfahrten mit beidseitiger Ausleuchtung • les- und beschreibbarer Tag-Speicher mit schützbaren Feldern • fehlerfreie Lesung (100-Prozent-Leserate) bei relativen Geschwindigkeiten von 0 bis 6 m/s • Lebensdauer passiver Transponder mindestens 15 Jahre • Schutzart der Transponder im metallischen Umfeld IP67 (vollständiger Schutz des Transponders vor Berührung und Staubeintritt, Schutz gegen
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zeitweiliges Untertauchen, physische Beständigkeit bei Schnee, Regen und in der Behälterreinigung) Der PoC ist der erste seiner Art, der die Erfassung der Ladungsträger in aufeinanderfolgenden Prozessen in unterschiedlichen Erfassungsarten untersucht: • Handheld-Lesegerät Die Erfassung mittels Handheld-Lesegerät geschieht im Sortierbereich des Leergutlagers, nachdem die Ladungsträger grob gereinigt, auseinandergenommen, sortiert und als Ladeeinheit zusammengesetzt worden sind. Mit einem Handheld-Lesegerät werden alle auf Einsatzrahmen und Palette angebrachten Transponder erfasst. Im IT-System werden die erfassten Einsatzrahmen-Tags mit den Paletten-Tags logisch „verheiratet“, in nachgelagerten Prozessen repräsentiert die Paletten-ID das gesamte Gebinde. • Gate-Lesegerät Nach dieser Erfassung werden die Gebinde mit einem Gabelstapler durch ein Tor ins Leergutlager transportiert und dort eingelagert. Dieses Tor ist mit einem Gate-Lesegerät ausgestattet und soll bis zu sechs Gebinde in einem Hub (zwei Stapel, drei Gebinde hoch) erfassen. Dabei ist vor allen Dingen wichtig, die Gebinde-ID zu erfassen, also mindestens einen Palettentransponder. Um im PoC genügend Daten zur Erfassungsqualität zu erhalten, werden alle Transponder gelesen. • Stapler-Lesegerät Beim Versenden des Leerguts an die Lieferanten werden die Ladungsträger aus dem Leergutlager abgeholt und auf den Lkw des Spediteurs verladen. Dabei werden die verladenen Gebinde mittels StaplerLesegerät beim Auslagern erfasst. Diese Erfassung ist für eine spätere Real-Time-Bestandsführung essenziell. 1.4 IT-Infrastruktur Der Shared-Services-Ansatz übernimmt eine zentrale Rolle bei der Zusammenführung der RFID-basierten Prozesse und der standardisierten Integration der Daten in die IT-Backend-Systeme des Unternehmens. Die übergeordnete Zielsetzung besteht darin, die RFID-Middleware als Shared Service innerhalb einer bereits existierenden Integrationsplattform (EAIHub) zu positionieren. Innerhalb einer RFID-Infrastruktur hat Middleware die grundsätzliche Aufgabe, empfangene RFID-Daten zu filtern, zu aggregieren und an die entsprechenden IT-Systeme weiterzuleiten. Die Integration der RFID-Daten wird allerdings nicht direkt von der Middleware
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übernommen, sondern an den EAI-Hub weitergeleitet, realisiert über einen Integrationsadapter bzw. über eine Transportschicht. Der zentrale EAIHub stellt somit den standardisierten Ansatz zur Konvertierung und Integration von RFID-Daten in die IT-Backend-Systeme dar. Damit existiert für die RFID-Prozesse nur eine Schnittstelle zum IT-Backend-System. Zusätzlich soll für alle RFID-basierten Prozesse ein zentral organisiertes Device Management angeboten werden. Innerhalb der Shared-ServicesUmgebung wird dem Gerätemanagement eine bedeutende Rolle zugeordnet. Daten verschiedener Auto-ID-Geräte und voneinander unabhängiger Prozesse laufen an einem zentralen Punkt zusammen und müssen differenziert verarbeitet werden können. Über eine benutzerfreundliche Oberfläche wird die gesamte Systemlandschaft transparent dargestellt. Im Idealfall sollten Standardfunktionen wie das Ein-/Ausschalten oder der Neustart des Gerätes durch weitere Funktionalitäten wie beispielsweise Fernzugriff und Fehleridentifizierung durch Protokollierung von Aktivitäten ergänzt werden. Außerdem führt „Plug and Play“-Funktionalität zur Automatisierung von Installationsroutinen für Soft- und Firmware.
2 Vorabtests bei Fraunhofer IML Um im Vorfeld des PoC verlässliche Aussagen zur Leistungsfähigkeit EPC-Gen2-fähiger RFID-Systeme zu erhalten, wurde das FraunhoferInstitut für Materialfluss und Logistik (IML) in Gestalt des openID-centers beauftragt, eine Evaluierung der momentan erhältlichen RFIDTechnologie durchzuführen. Die Untersuchung erstreckte sich auf erreichbare Lesereichweiten und -raten und die optimale Anbringung der Antennen. Ziel des Vorabtests war die Auswahl der optimalen Kombination zwischen verschiedenen Paletten- und Behältertranspondern und den zur Verfügung stehenden Lesegeräten für den PoC. Die Bedingungen im Leergutlager und die Anforderungen der Empfehlung VDA5501 waren Prämissen für die Tests im openID-center. Besonders hervorzuheben sind • metallisches Umfeld, • sechs Meter Torbreite sowie • Staplerverkehr.
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2.1 Testreihen Um möglichst nahe an der Produktivumgebung testen zu können, wurden die im PoC verwendeten Einsatzrahmen und Stahlpaletten an das Fraunhofer IML verschickt. Zusätzlich beschaffte Fraunhofer IML mehrere Lesegeräte, entsprechende Antennen sowie eine Auswahl von Smart Labels und On-Metal-Transpondern verschiedener Hersteller. Schon in diesem frühen Stadium zeigte sich, dass zwischen Marketingaussagen und Lieferbzw. Verfügbarkeit bei manchen Herstellern große Unterschiede bestehen. In den ersten Testreihen wurde die erzielbare Reichweite der Palettenund Behältertransponder untersucht. Die On-Metal-Palettentransponder wurden dabei auf verschiedenen Unterlagen getestet: 1. keine Unterlage 2. flache Metallplatte 3. im U-Profil der Palette ohne Unterlage 4. im U-Profil der Palette auf einer Metallplatte mit den Stärken 8 und 12 mm (Abb. 3) 5. im U-Profil der Palette auf einer Kunststoffplatte mit den Stärken 8 und 12 mm Grundsätzlich gilt: Je weiter die Transponder aus dem U-Profil der Palette bewegt werden (ohne herauszuragen), desto besser sind die Leseergebnisse, da dann die elektromagnetischen Wellen vom U-Profil nicht so stark abgeschirmt werden.
Abb. 3. Anbringung des Transponders im U-Profil der Stahlpalette auf einer Metallplatte der Stärke 12 mm
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Die Palettentransponder auf einer metallischen Unterlage in 12 mm Stärke erzielen die besten Ergebnisse von bis zu 1,70 m. Die Smart Labels auf den Einsatzrahmen erzielten bei diesen Tests Reichweiten von knapp 2,50 m. Die geringe Reichweite der Palettentransponder gegenüber Smart Labels resultiert aus der seitlichen Abschirmung durch das U-Profil. Um die Erfassungsquote der Einsatzrahmen und Paletten zu verbessern, wurden die Ladungsträger mit jeweils zwei diagonal versetzten Transpondern ausgestattet (siehe Abb. 4). Eine weitere Testreihe untersuchte die maximale Gate-Breite, bei der das Erfassen aller Transponder im Lesefeld sichergestellt ist. Sind die RFID-Antennen optimal auf die zu lesenden Transponder, z. B. genau auf die Paletten-Transponder ausgerichtet, können Lesereichweiten zwischen drei und fünf Metern Gate-Breite erzielt werden. Bei den Tests mit Behältertranspondern werden jedoch zwei bis vier Transponder in der Mitte der untersten Behälterlage (A–D) fast nie, ein oder zwei Transponder auf den Außenseiten der untersten Behälterlage nur gelegentlich (X, Y) gelesen (Abb. 5). Dieses „Mittel-Loch“ verschwindet auch dann nicht, wenn die Gate-Breite kleiner wird. Wie es scheint, beeinflusst die Metallpalette an dieser Stelle sehr stark die Energieversorgung der Transponder, so dass die Transponder nicht mehr erkannt werden. Um die Lesequalität der Behältertransponder zu erhöhen, wurden die Antennen direkt auf die Einsatzrahmen ausgerichtet. Diese Antennenkonfiguration erforderte allerdings ein Anpassen des U-Profils durch Ausfräsen (Abb. 6), da eine Veränderung der Antennenausrichtung wegen der Ummantelung durch das U-Profil die Erfassungsquote sehr stark verschlechtert. Dadurch wird eine relativ große Variabilität bei der Antennenausrichtung möglich, die sich ebenso in verbesserten Lesereichweiten des OnMetal-Transponders (bis zu sechs Meter Gate-Breite) niederschlägt. Diese Vorgehensweise ist jedoch aus Verwendungs- und Arbeitssicherheitssicht bedenklich und nur für einen PoC zu realisieren.
Abb. 4. Anbringung der Transponder auf den Ladungsträgern
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Abb. 5. Schwächen bei der Erfassung
Im Nachgang des PoC müssen bessere und sichere Lösungen von Paletten- und Transponderherstellern gemeinsam mit den LadungsträgerPlanern von DaimlerChrysler erarbeitet werden. 2.2 Test der Erfassungsszenarien Die zweite Messreihe konzentrierte sich auf die Erfassungsszenarien, die im PoC betrachtet werden: Handheld-, Gate- und Stapler-Erfassung. Mit der Untersuchung des Handhelds sollten genaue Aussagen über folgende Sachverhalte getroffen werden: • • • •
Ausrichtung des Lesefelds Leseleistung Ergonomie Handhabung des Handhelds
Die Ausrichtung des Lesefelds und die Leseleistung des ausgewählten Handhelds unterliegen so starken Schwankungen, dass teilweise Entfernungen von 3,60 m vor und 1,50 m hinter dem Gerät erreicht werden. Um alle Transponder sicher erfassen zu können, darf der Abstand zu den Behältertranspondern maximal 50 cm und zum Palettentransponder maximal 20 cm betragen. Im PoC-Einsatz fallen diese Einschränkungen nicht so sehr ins Gewicht, da die Gebinde sowieso abseits gestellt und vereinzelt erfasst werden. Weiterhin ergaben sich ergonomische Mängel: Das hohe Gewicht, der ungünstige Schwerpunkt und die kurze Akkulaufzeit von ca. 30 bis 60 Minuten erschweren das Arbeiten mit dem Handheld sehr.
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Abb. 6. Ausfräsen der Palette zur Verbesserung der Leseeigenschaften
Diese Ergebnisse, vor allem das Spannungsfeld „erreichbare Transponder in 3,60 m Entfernung ↔ sichere Erfassung im Abstand von max. 20 bis 50 cm“ machen die Handheld-Erfassung mit dem momentanen Stand der Technik nicht praktikabel für einen Produktivbetrieb. Allerdings scheint die Entwicklung der Handhelds am Beginn zu stehen: Über den Zeitraum des Tests waren Entwicklungen sichtbar, die Verbesserungen möglich erscheinen lassen. Bei der Untersuchung der Gate-Erfassung sollten Aussagen zur Geschwindigkeit getroffen werden, mit der man durch das RFID-Gate fahren kann, ohne Erfassungsverluste zu erhalten. Es sollte zum Ersten die maximale Durchfahrtsgeschwindigkeit gemessen werden, bei der beide Transponder jedes Objektes erfasst werden. Zum Zweiten sollte die maximale Geschwindigkeit ermittelt werden, bei der mindestens jede Palette erfasst wird (= Grenzgeschwindigkeit), d. h. mindestens ein Transponder pro Palette. Beim Test wurden ein, zwei oder vier mit Transpondern ausgerüstete Gebinde durch ein sechs Meter breites Gate bewegt. Im Rahmen dieses Tests wurden die momentanen Grenzen der Pulkerfassung erreicht: Eine hundertprozentige Erfassung aller Transponder, also aller Behälter- und Palettentransponder, ist in einem sechs Meter breiten Gate selbst bei geringsten Geschwindigkeiten (0,4 m/s) nicht möglich. Die Erfassung der Palettentransponder alleine ist bis zu einer Durchfahrtsgeschwindigkeit von 3 bis 3,50 m/s möglich. Die Geschwindigkeit, bei der mindestens die Palettentransponder erfasst werden, schwankt stark je nach verwendetem Tag und Anzahl der Tags. Auffallend ist, dass bei zunehmender Geschwindigkeit zuerst die Paletten-Transponder verschwinden. Die Untersuchung der Stapler-Erfassung hatte zum Ziel, Empfehlungen für die Anbringung und Ausrichtung der Antennen am Stapler und die An-
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bringung der Transponder an der Palette zu geben und die erreichbaren Leseraten zu dokumentieren. Es sollten sechs Gebinde pro Hub erfasst werden (zwei Stapel auf der Gabel, jeweils drei Gebinde hoch). Die Tests wurden mit den modifizierten ausgefrästen Paletten (Abb. 6) durchgeführt, da erste Tests ohne modifizierte Palette katastrophale Erfassungsergebnisse erbrachten. Die Priorität lag auf der Erfassung der Palettentags. Schnell wurde klar, dass für dieses Einsatzgebiet zirkular polarisierte Antennen nötig sind, da sich aufgrund der „falschen“ seitlichen Ausrichtung der Palettentransponder auf der Gabel linear polarisierte Antennen zur Erfassung aller Gebinde nicht eignen. Die ersten Tests mit vorhandenen Antennen brachten nicht die gewünschten Ergebnisse, sondern maximal das Lesen des ersten Stapels. Erst eine Prototyp-Antenne erhöhte die erzielbare Reichweite auf den zweiten Stapel, so dass wenigstens fünf von sechs Gebinden sicher gelesen werden konnten. Weitere Probleme bei der Stapler-Erfassung könnten in der Größe der verwendeten Antennen bestehen: Die Einschränkung des Sichtfelds des Staplerfahrers und der Überhang über die Fahrzeugkonturen (Abfahren der Antennen!) lassen eine produktive Verwendung dieser Antennen nicht zu. Die Vorabtests zeigten, dass die Entwicklung von Paletten-Transpondern, von RFID-Handhelds und Stapler-Lesegeräten inklusive Antennen noch am Anfang steht. Hier müssen noch sehr große Anstrengungen geleistet werden, um die hoch gesetzten Anforderungen der Automobilindustrie zu erfüllen. Nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse des Vorabtests bei IML sehr aufschlussreich und lassen einen Einsatz von RFID im Anwendungsgebiet sinnvoll erscheinen: • Der neue Luftschnittstellenstandard ISO 18000-6C (EPC Gen2) brachte weit reichende Verbesserungen in der Pulkerfassung. • Die von VDA5501 geforderten Reichweiten bei der Gate-Erfassung von sieben Metern können momentan nicht erreicht werden, allerdings sind sechs Meter Gate-Breite heutzutage möglich. • EPC Gen2 erlaubt den Schutz einzelner Speicherbänke, nicht jedoch den Schutz einzelner Felder. • Fehlerfreie Lesung (100-Prozent-Leserate) bei Geschwindigkeiten von 6 m/s ist nicht möglich, meist auch nicht erforderlich, wenn die Gebinde-ID ausgelesen werden kann. Eine Filterung auf LuftschnittstellenEbene muss getestet werden. Abschließend ist festzuhalten, dass die Ergebnisse des Vorabtests nicht uneingeschränkt auf andere Projekte zu übertragen sind, da sich die Erfas-
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sung in unterschiedlicher Umgebung, mit anderen ausgezeichneten Objekten und anderen Lesegeräten unterschiedlich verhalten kann.
3 Fazit Ein wichtiger Punkt bei den „Lessons learned“ des PoC ist das Datenformat auf den Transpondern, auch wenn diese Entscheidung anfangs gar nicht auf der Agenda auftauchte: Die Größe der ausgetauschten Daten hat unmittelbare Auswirkungen auf die Erfassung, so dass ein Kompromiss zwischen Größe und Aussagekraft getroffen werden muss. Im PoC wurde das EPCglobal-Codeschema GRAI-96 verwendet, das semantisch zur Applikation „Behältermanagement“ passt. Für die Automobilindustrie müsste für den Produktivbetrieb der Standard angepasst oder ein neuer Behälterstandard entwickelt werden, da die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ziffern bei manchen Feldern nicht ausreicht, vor allem, wenn vorhandene Nummernkreise weiterverwendet werden sollen. Hier ist weiterer Abstimmungsbedarf innerhalb der Automobilhersteller und des VDA nötig. Einige Aspekte sollten im Vorfeld eines RFID-Projekts unbedingt betrachtet werden: • Beim Aufbau der RFID-Systeme muss unbedingt auf Robustheit der Anbringung im widrigen Industrieumfeld geachtet werden. Die Ausrichtung und Anbringung der Antennen erfordert das Austesten in der Einsatzumgebung. • Ebenso wichtig ist die Betrachtung und Planung der Migrationsphase: Wann werden die Transponder an den Objekten angebracht? Kann dies im laufenden Betrieb geschehen? Wie kann die genaue Anbringung sichergestellt werden? Wie erkennt man, ob der Einsatzrahmen schon getaggt ist? Dazu gehört auch die Anbringung der Lesegeräte und der zugehörigen Antennen, ohne den Betrieb zu beeinträchtigen oder lahmzulegen. Um die Mitarbeiter im Lager über dieses Projekt und dessen Ziele zu informieren, ist es nötig, diese einzuweisen und Handbücher zu erstellen. Dies ist insbesondere erforderlich, da die Mitarbeiter im laufenden Betrieb die Geräte bedienen müssen, die sie noch nie vorher benutzt haben und deren Sinn sich möglicherweise nicht sofort erschließt.
Der Einsatz von RFID-Hardware – Aspekte der Frequenzbereiche, Einsatzmöglichkeiten und Grenzen im industriellen Umfeld
Jos Fransen, Gerhard Timme Euro I.D. Identifikationssysteme GmbH & Co. KG
1 Einführung In den letzten zwei Jahren hat sich die Bekanntheit der RF-Identifikation durch die ersten Einsatztests bei METRO, Wal-Mart usw. und die damit erfolgten Publikationen enorm erhöht. RFID kann als Identifikationstechnologie jedoch auf mehr als 20 Jahre Existenz zurückblicken. Anwendungen wie Tieridentifikation, Wegfahrsperre, berührungslose Zutrittskontrolle für Skilifte und Identifikation von Müllbehältern basieren seit vielen Jahren auf einem Transponder in einer Verpackung aus Glas, Epoxy oder PVC. Das Verpacken des Transponders als Papierlabel und die damit verbundenen Möglichkeiten zur Massenfertigung sowie die Einführung von neuen passiven Tags mit der Frequenz 868 MHz mit einer größeren Reichweite lassen viele Visionäre von einem Einsatz entlang der gesamten globalen Wertschöpfungskette träumen. Wenn diese „Chips“ dann auch bald weniger als einen Cent kosten, können wir uns endlich vom Barcode verabschieden. Beim Verlassen des Supermarktes wird uns von einem freundlichen Mitarbeiter unser Einkaufsbeleg ausgehändigt und wir können jederzeit im Internet nachschauen, wann und wo die gekaufte Coladose produziert wurde. Dadurch werden allerdings teilweise Erwartungen geweckt, die sich noch nicht alle realisieren lassen. Grenzen der Anwendungen kommen aus
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der Physik, deren Grundgesetze trotz aller Weiterentwicklung immer noch gültig sind. Außerdem gibt es kein Standard-RFID-System. Für die Übertragung zwischen Transponder und Schreib-/Lesegeräten stehen verschiedene Frequenzen und Protokolle zur Verfügung, die untereinander nicht kompatibel sind. Hersteller und Industrieverbände arbeiten verstärkt zusammen, um Standardisierungen und Normierungen voranzutreiben. Gehen wir deshalb auf die verschiedenen Techniken und die Möglichkeiten ein, die diese bei richtigem Einsatz eröffnen.
2 Eigenschaften der Frequenzbereiche Für RFID-Systeme sind nur bestimmte Frequenzbereiche zugänglich, die von internationalen und nationalen Institutionen dafür freigegeben werden. Diese Freigaben legen nicht nur die Frequenzen fest, sondern auch die zulässigen Bandbreiten, Sendeleistungen, Sendedauern, Modulationsverfahren und Arbeitsweisen der Schreib-/Lesegeräte. Für länderübergreifende Anwendungen sind natürlich weltweite Zulassungen wünschenswert, was aber leider nicht für alle Frequenzbereiche gegeben ist. Unterschiedliche Frequenzen haben unterschiedliche Ausbreitungseigenschaften. Die zulässigen Bandbreiten und Sendeleistungen sind ebenfalls für die Systemeigenschaften relevant. Ein wesentliches Kriterium für die Arbeitsweise der Kommunikation ist die Unterscheidung von Nah- und Fernfeld. Im Nahfeld hat sich die elektromagnetische Welle noch nicht von der Antenne gelöst. Dadurch kann eine Feldschwächung direkt an der Sendeantenne detektiert werden. Im Fernfeld gibt es keine detektierbaren Rückwirkungen auf die Sendeantenne mehr. Die Grenze zwischen Nahund Fernfeld ist von der Wellenlänge abhängig und liegt bei λ/2π. Damit ergeben sich die in Tabelle 1 dargestellten Werte. Tabelle 1. Grenzen der Frequenzbereiche Frequenz
Wellenlänge
Grenze zwischen Nah- und Fernfeld
125 kHz
2400,00 m
382,00 m
22,00 m
3,50 m
868 MHz
0,35 m
0,06 m
2,45 GHz
0,12 m
0,02 m
13,56 MHz
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Im LF-Bereich (125 kHz, 134,2 kHz) und im HF-Bereich (13,56 MHz) arbeitet man im Nahfeld mit einer induktiven Kopplung. Die Belastungsmodulation durch den Transponder kann an der Readerantenne ausgewertet werden. Die damit erreichbaren typischen Reichweiten liegen im Bereich von 0 ... 1 m. Im UHF-Bereich (z. B. 868 MHz) und im Mikrowellen-Bereich (2,4 ... 2,5 GHz) ist das Nahfeld so klein, dass nur über das Fernfeld gearbeitet werden kann. Entweder sendet der Transponder seine Informationen aktiv zurück (z. B. bei den meisten Transpondern im Mikrowellenbereich) oder er arbeitet nach dem sogenannten BackscatterPrinzip. Dabei werden die Reflexionseigenschaften der Transponderantenne durch Anpassung und Fehlanpassung verändert und die reflektierte Welle, die zum Reader zurückwandert, verstärkt oder abgeschwächt. Die erzielbaren Reichweiten liegen bei einigen Metern. Je höher die Frequenz ist, umso besser kann durch geeignete Antennen eine gerichtete Ausbreitung erreicht werden. Mit dieser Fokussierung können im UHF- und GHz-Bereich die Lesebereiche gezielter abgedeckt werden. Die mögliche Datenübertragungsrate ist mit der Frequenz direkt gekoppelt. Je höher die Frequenz ist, desto schneller können Daten übertragen werden. Insbesondere bei Antikollisionsverfahren (wenn mehrere Transponder gleichzeitig gelesen oder beschrieben werden müssen) ist eine schnelle Datenübertragung wichtig, da ein intensiver Datenaustausch notwendig ist, um die Transponder elektronisch zu vereinzeln. Dazu kommt noch, dass oft sehr viele Transponder gelesen werden sollen. Es ist andererseits aber zu beachten, dass hohe Datenübertragungsraten und eine damit verbundene starke Modulation der Trägerfrequenz entsprechend breite Seitenbänder erzeugen, die die zulässige Bandbreite nicht überschreiten dürfen. Durch die Überlagerung der gesendeten elektromagnetischen Welle mit reflektierten Wellen kommt es zu Interferenzen, d. h. zu Feldverstärkungen und -auslöschungen. Dieser Effekt macht sich bei höheren Frequenzen verstärkt bemerkbar. Bei UHF und im GHz-Bereich lassen sich solche Nullstellen im Feld praktisch nicht vermeiden, da in einer realen Anwendung immer Reflexionen auftreten. Nur im freien Raum wäre eine nullstellenfreie Ausbreitung der elektromagnetischen Felder denkbar.
3 Die Parameter der Frequenzbereiche im Einzelnen Die folgenden Angaben können nur einen Überblick geben. Weitere Details und ggf. aktuellere Angaben zu diesen Frequenzen findet man in dem
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Dokumenten ETSI EN 300 330, EN 300 220, EN 300 440 und EN 302 208. Die ersten drei Funkvorschriften bestehen schon einige Zeit und sind die Basis für Zulassungen von RFID-Geräten in den entsprechenden Frequenzbändern. Die letzte genannte Funkvorschrift wurde 2004 veröffentlicht und ermöglicht den Einsatz von passiven Transpondern im Frequenzbereich von 865–868 MHz, dem sogenannten UHF-Band (siehe http://www.ero.dk, http://www.etsi.org). 3.1 LF-Bereich (119 ... 148,5 kHz) Eigenschaften: • • • • • • •
induktive Kopplung, Nahfeld bündiger Einbau in Metall möglich kugelförmiges Lesefeld Lesung durch Wasserfilm geringe Reichweiten niedrige Datenübertragungsraten Antikollision hat geringe Bedeutung
Seit über 20 Jahren ist RFID bereits im Einsatz, wobei zu Anfang hauptsächlich die LF-Technik mit Frequenzen von < 135 kHz eingesetzt wurde. Diese Technik wird nach wie vor weiterentwickelt und eignet sich besonders in industrieller Umgebung mit viel Metall und überall dort, wo Datenträger mit kleinen Bauformen nötig sind. So lassen sich z. B. die eigentlich für den Tierbereich entwickelten Transponder in der Größe eines Reiskorns durchaus in einer Nut in Metall einbetten und mit kompakten Ferritantennen immer noch auslesen, wenn diese halb von Metall abgedeckt sind. Für diesen Frequenzbereich existieren weltweit nahezu gleichwertige Vorschriften. Es können verschiedene Systeme genutzt werden (je nach Aufgabenstellung). Man erzielt weltweit die gleiche Leistungsfähigkeit. Diese Technik ist, mit mehreren hundert Millionen Datenträgern, derzeit am weitesten verbreitet; ihr Marktanteil liegt bei ca. 60–65 %. Systeme finden sich bei • • • • • •
Zeiterfassung, Zutrittskontrolle, Wegfahrsperre, Schließsystemen, Industrieautomation, Tieridentifikation,
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• Ticketing (Ski, Sport Events, …), • Asset Management. Die Lesereichweiten betragen realistisch bis zu 1 m. Bei den meisten Systemen darf immer nur ein Transponder im Antennenfeld sein. Einige Systeme bewegen sich auch im Bereich von 250 kHz (FSKModulation, Steuerungstechnik), und andere erfahren die Anregung mit passiver 125 kHz-Technik und melden sich dann als aktiver Transponder bei 433 MHz. Das findet man z. B. zur Fahrererkennung bei Pkw oder zur Öffnung von Garagentoren. 3.2 HF-Bereich (13,56 MHz) Eigenschaften: • induktive Kopplung, Nahfeld • Transponderspulen mit wenigen Windungen (niedriger Preis, flache Label) • höhere Datenübertragungsrate • Antikollision wichtig für bestimmte Anwendungen Zunächst gab es in diesem Bereich Transponder für die Zutrittskontrolle im Nahbereich (< 10 cm, Legic, Mifare, jetzt ISO 14443) Vor ca. fünf Jahren kam der Standard ISO 15693 für die Logistik hinzu. Vorteil dieser Frequenz ist, dass man keine gewickelten Spulen mehr benötigt, sondern mit „gedruckten Schaltungen“ auskommt. Das führt zu einer erheblichen Kostenersparnis bei der Herstellung von Transpondern. Selbst bei den kleineren Lesegeräten kann die Antenne als Leiterbahn auf der Platine gestaltet werden. Damit wurden erstmals Transponderpreise von unter 50 Eurocent erzielt. METRO startete den ersten Versuch der Warenkennzeichnung im Extramarkt Rheinberg (Future Store). Das führte zu einem rasant steigenden Marktanteil, wobei das größte Wachstum auf den Feldern Karten und Ticketing zu erwarten ist. Grenzen dieser Technik sind, dass man die Datenträger nicht direkt auf Metall kleben kann. Das hat zur Folge, dass sie nicht wirklich durchgängig im Retailbereich einsetzbar ist. Außerdem sind die Transponderpreise – auch bei Millionenstückzahlen – immer noch zu hoch, um sie anstelle eines Barcodeetiketts auf Niedrigpreisprodukte zu kleben. Systeme finden sich bei • Zeiterfassung, • Zutrittskontrolle,
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• Wegfahrsperre, • Elektronischer Geldbörse, Kreditkarten, Kundenkarten, Bankkarten, Verleihanwendungen, • Ticketing (ÖPNV, Ski, Sport Events, …), • Asset Management (Werkzeug, Maschinen, med. Geräte, Computer, Einrichtungsgegenstände), • Logistikanwendungen (Express und Parcel, Airline Industrie), • Item Tagging (Textilindustrie, hochwertige Konsumgüter), • Produktkennzeichnung im Handel (Smart Shelf, Check Out), • intelligenten Haushaltsgeräten (Waschmaschine, Kühlschrank), • E-Passport, E-Visa. Die Lesereichweiten betragen bei einem Transponder der Kreditkartengröße realistisch bis zu 1 m. Es können bis zu 150 Transponder/Sekunde gelesen werden. 3.3 UHF-Bereich Eigenschaften: • • • • •
hohe Reichweiten hohe Datenübertragungsraten schnelle Antikollision möglich keine weltweit überlappenden Frequenzbereiche mögliche Reflexionen durch Metall, dadurch keine eindeutige Zuordnung zur Position • schlechte Energieversorgung durch das Feld Æ optional: Transponder mit Batterie für hohe Reichweiten • unklare Patentsituation durch ca. 1500 bis 2000 Patente Die ersten Komponenten dieser Technik geisterten schon etwas länger durch den Markt, hatten aber den Nachteil, dass sie in den USA mit 915 MHz und einer Sendeleistung von 4 W eingesetzt werden durften, während in Europa nur 868 MHz und 0,5 Watt zugelassen waren. Das führte zum drastischen Einbruch der Lesereichweiten für den europäischen Markt. Erst auf Betreiben der großen Ketten wie Wal-Mart, METRO und Tesco usw. wurden die weiteren Entwicklungsschritte in Angriff genommen. Nach der Harmonisierung Anfang 2005 sind vergleichbare Ergebnisse in den meisten Ländern Europas zu erreichen. Mit der RFID-Entwicklung ging einher, dass sich die GS1 Deutschland (die frühere CCG) und die amerikanische UCC zusammenfanden und die Grundlagen des Electronic Product Code (EPC) übernahmen. Der EPC
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wurde am Auto-ID Center des MIT im Jahr 2000 definiert. Darin ist der EAN 128, den wir alle als Strichcode auf den Artikeln im Supermarkt kennen, als RFID-Code untergebracht, und er bietet darüber hinaus zukünftig die Möglichkeit, jeden einzelnen Artikel mit einer Seriennummer zu versehen. Der inzwischen weiterentwickelte EPC Gen2 sollte weltweit einsetzbar sein. Obwohl kompatibel zu dem ISO-Standard 18000-6C, gibt es bei der Funkregulierung folgende Anwendungsgrenzen: • Nord Amerika • Europa - Frankreich - Italien - Spanien - Türkei • Indien • Japan • Korea • Australien • China • Taiwan
902–928 MHz 865–868 MHz (ETSI EN 302 208) aber Probleme bei Nutzung (milit.) Probleme bei Nutzung (milit.) Probleme bei Nutzung (TV) Probleme bei Nutzung (milit.) 865–867 MHz 952–954 MHz 910–914 MHz 923–928 MHz 865–868 MHz 922–928 MHz
Für einen globalen Einsatz dieser Technik muss sich noch einiges ändern. Systeme finden sich bei • Warenverfolgung in der Supply Chain, Kennzeichnung von Paletten und Umverpackungen, • Warehouse Management, • Objektkennzeichnung, • Verfolgung von Mehrweg-Transportbehältern. Diese Technik steckt noch in den Anfängen, wird aber, wenn alle Kinderkrankheiten auskuriert sind, das größte Wachstumspotenzial haben. Die Lesereichweiten betragen realistisch bis zu 6 m. Es können bis zu 500 Transponder/Sekunde gelesen werden. Hier sind jedoch in nächster Zeit wesentliche Fortschritte zu erwarten. Aktive Systeme (mit Batterie)
Seit ca. zehn Jahren werden aktive Transponder im Frequenzbereich 868 MHz (915 MHz in Nordamerika) angeboten, die auch bei kleinster Sendeleistung von nur 0,1 W neben einer Reichweite von bis zu 100 m
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große Speicher von bis zu 32 kByte bereitstellen. Da aktive Transponder über eine eigene Energiequelle verfügen, kann man hier auch weitere Funktionen wie z. B. eine LED oder einen Temperaturlogger integrieren. Die LED bietet den Vorteil, dass man im „Pick-by-Light“-Verfahren den Behälter blinken lassen kann, den man gerade sucht. Die Temperaturlogger werden u. a. zur Überwachung der Kühlkette in Kühlwagen und Kühlcontainern eingesetzt. Systeme finden sich bei • • • • • •
Zutrittskontrolle, Industrieautomation, Tracking and Tracing, Mauterhebung, Verfolgung von Mehrweg-Transportbehältern, Personenverfolgung.
Die Lesereichweiten betragen, wie schon gesagt, bis zu 100 m. Es können bis zu 100 Transponder/Sekunde gelesen werden. 3.4 GHz-Bereich (2,4 ... 2,5 GHz) Eigenschaften: • • • •
Backscatter, Fernfeld hohe Reichweiten hohe Datenübertragungsraten schlechte Energieversorgung durch das Feld Æ optional: Transponder mit Batterie • breites ISM-Band Æ effektive Verfahren zur Interferenzvermeidung Die Kommunikation mit den Datenträgern erfolgt hier über eine Mikrowellenverbindung im weltweit zulässigen Frequenzband von 2,45 GHz. Für eine akzeptable Reichweite bis zu 10 m braucht das System jedoch eine Batterie. Für unterschiedliche Anwendungen stehen verschiedene Datenträger zur Verfügung. Diese haben eine Speicherkapazität von bis zu 32 kB. Durch die verwendete RAM-Technologie ist eine unbegrenzte Anzahl von Schreib-/Lesevorgängen möglich. Systeme finden sich bei • Industrieautomation vor allem im Automobilsektor, • Tracking and Tracing, • Mauterhebung.
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4 Technik Die RFID-Technik ist sinnlos, wenn sie nicht mit einem Prozess oder einer Datenbank verknüpft wird. Darum kommt der Verfügbarkeit verschiedenster Transponder-, Antennen- und Schreib-/Lesegräte-Varianten herausragende Bedeutung zu. Die Auswahl darf aber generell nicht nach dem Kriterium „die neueste Technik“ getroffen werden, sondern man muss anhand der Aufgabenstellung herausfinden, mit welcher Technik sie funktionssicher gelöst werden kann. Eine Regel ist durchgehend für alle RFID-Systeme anzuwenden: je größer die Antenne, desto größer die Reichweite. Das wiederum gilt auf beiden Seiten, beim Transponder genauso wie beim Lesegerät. 4.1 Transponder Grundsätzlich sind zwei Typen, sowohl eine Nur-Lese-Version (ReadOnly) als auch eine Schreib-Lese-Version (Read/Write) verfügbar. Bei der Auswahl sollte man sich auf die Aufgabenstellung konzentrieren und bedenken, dass die Schreib-Lese-Lösung meistens mehr Zeit bei der Datenübertragung in Anspruch nimmt, weil die geschriebenen Daten zur Sicherheit noch einmal zurück gelesen werden sollten. Diese Transponder haben durch das EEPROM auch einen reduzierten Temperaturbereich. Die Lebensdauer passiver Transponder ist im Read-Only-Modus nahezu unendlich. Bei Schreib-/Leseeinsatz gibt es eine Grenze bei ca. 100.000 Schreibzyklen. Die neueren Datenträger auf FRAM-Basis bieten allerdings schon 1010 Schreibzyklen. Die maximalen Temperaturen bei Hochtemperaturtranspondern betragen ca. 210 bis 240 °C. Bei aktiven Transpondern werden sowohl Lebensdauer (ca. sieben Jahre) als auch maximale Temperatur (z. B. +70 °C) von der Batterie begrenzt. Für den Bereich 125 kHz stehen die meisten Bauformen an Transpondern zur Verfügung. Vom Glastransponder in der Größe eines Reiskorns (für die Tierkennzeichnung) über Disktransponder in verschiedenen Durchmessern, Kreditkarten und Schlüsselanhänger bis hin zu Sonderbauformen für die Fasskennzeichung oder den Einsatz bei hohen Temperaturen (220 °C) erhält man hier eine umfangreiche Palette an Datenträgern für nahezu jede Aufgabenstellung. Auch für den HF-Bereich gibt es inzwischen eine große Auswahl für das Büroumfeld, die Personenerkennung oder den industriellen Einsatz. In Sonderverpackungen, die dann aber nicht mehr zum „Labelpreis“ zu haben sind, gibt es mittlerweile Datenträger für den Wäschereibedarf und auch Lösungen für Temperaturen bis zu 200 °C.
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Da die passive UHF-Technik noch recht jung ist und einige ISONormen dazu erst im Jahr 2006 verabschiedet wurden, ist die Auswahl an Transpondern noch überschaubar. Wegen der größten Zuwachserwartung kann mit einer relativ schnellen Vergrößerung des Angebots gerechnet werden. Am weitesten verbreitet sind die Transponderchips vom Typ EPC-Gen2-Class1, die dem ISO-Standard 18000-6 entsprechen. Sie bieten aber nur einen eingeschränkten Speicherbereich, da die Philosophie des EPC eben nur den EAN + Serien-Nr. vorsieht. Sollen größere Datensätze gespeichert werden, so bietet sich ein Chip mit 1728 Bit Nutzspeicher an. 4.2 Speichertypen Die Kennung ist in einer Diodenmatrix (ROM) auf dem Mikrochip abgelegt. Wegen der größeren Datensicherheit und um eine Änderung bzw. Fälschung der Kennung auszuschließen, werden die entsprechenden Diodenverbindungen nicht elektrisch zerstört, sondern mit einem Laserstrahl ausgebrannt. Aus Gründen des produktionstechnischen Ablaufs ist es nicht möglich, eine Sequenz oder gar eine Programmierung nach Kundenwunsch zu liefern. Es wird aber die absolute Einmaligkeit einer jeden Kennung garantiert. Beim Schreib-/Lese-Transponder können Daten in einem EEPROM abgelegt werden, das ca. 100.000 mal beschrieben werden kann. Die meisten Schreib-/Lese-Transponder bieten neben dem freien Speicherbereich eine unveränderbare einmalige Seriennummer. Es besteht auch die Möglichkeit des One Time Programmable (OTP). Hierbei wird der Speicher nach Programmierung des gewünschten Codes für weitere Schreibzugriffe gesperrt. Damit können dann, allerdings ohne Garantie der Einmaligkeit, kundenspezifische Programmierungen erstellt werden. Die meisten Read-Only-Transponder haben eine Speicherkapazität von 64 Bit. Hiervon werden eine Anzahl zur Synchronisation sowie zur Fehlererkennung und Fehlereliminierung benötigt. Read-/Write-Transponder verfügen, je nach Typ, über EEPROMs oder FRAMs mit Speicherkapazitäten von 264 Bit bis 2 kByte. Einige aktive Transponder bieten eine Speicherkapazität von 32 kByte. Die Read-/Write-Transponder bieten neben extensiver Sicherung vor Fehlprogrammierung eine Aufteilung des Speichers in Blöcke mit einem Schreibschutz je Block. Auf Wunsch kann auch eine zusätzliche Verriegelung über Passwort erfolgen. Eine technisch versierte und wirtschaftlich rentable Lösung wird erst dann daraus, wenn das System mit seinen einzelnen Komponenten wie Schreib-/Lesegeräte, Antennen und mobile Terminals die jeweilige An-
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wendung optimal unterstützt und in die EDV-Hierarchie eingebunden werden kann. Die Kommunikation mit den Rechnern kann über integrierte Schnittstellen erfolgen. Je nach Lesegerät stehen RS 232, RS 485, PROFIBUS, PROFINET, CAN, Interbus, DeviceNet oder TCP/IP-Schnittstellen und neuerdings auch WLAN/Bluetooth zur Verfügung. Für Anwendungen mit Einzelsystemen (RS 232) erfolgt die Kommunikation mittels ASCIIProtokoll mit einfachen Befehlen. Dadurch ist die Softwareschnittstelle Leser/Rechner in einfacher Weise zu programmieren. Zur Kopplung der PROFIBUS-Systeme mit einer Siemens S7 oder Beckhoff-SPS bieten einige Hersteller Funktionsbausteine an, die den Programmieraufwand deutlich reduzieren. Bei Retail und Verleih werden Handscanner, ähnlich wie ein Barcodescanner, oder Panel-Antennen eingesetzt, die mit ihrem Design auf die Umgebung abgestimmt wurden. Für die Personen- oder Palettenerkennung wurden Gate-Antennen entwickelt, die sich kaskadieren lassen und somit auch breite Ein- und Ausgänge mit größeren Besucherströmen abdecken können. Für die Integration in andere Geräte, z. B. Drehkreuze, setzt man OEM-Boards ein, die teilweise bereits eine Antenne auf der Leiterplatte und somit einen geringen Platzbedarf haben.
5 Physikalische Aspekte 5.1 Auslesung von bewegten Systemen Wenn die Auslesung des Transponders in Bewegung stattfinden soll, sind die folgenden Punkte zu beachten: Der gesamte Dateninhalt des Transponders ist während des Durchgangs durch das Feld des Lesegeräts zu lesen. Hierbei sind die wesentlichen Einflussgrößen • der Dateninhalt des Transponders: Er bestimmt die zeitliche Länge des Datentelegramms und sollte minimiert werden. Die zur Berechnung notwendigen Informationen wie Header, Nutzdaten, CRC-Anteil und Übertragungsrate sind den ISONormen zu entnehmen; • die Lesereichweite Transponder – Lesegerät: Die geometrischen Abmessungen und die elektrischen Eigenschaften der Antennen im Lesegerät und im Transponder bestimmen den Leseabstand ebenso wie die oben genannten physikalischen Bedingungen.
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Jos Fransen, Gerhard Timme
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist auch, ob ein Antikollisionsverfahren eingesetzt werden soll. Die Abfrage mehrerer Transponder im Feld eines Lesegeräts erfordert ein Vielfaches der Summe der Lesezeiten der Einzeltransponder. 5.2 Lesereichweiten in der Praxis Unter Industriebedingungen gibt es einige Einschränkungen: So werden die Lesereichweiten bei LF-Systemen durch elektromagnetische Störung reduziert. Hierzu gehören z. B. frequenzgesteuerte Antriebe, Monitore mit Bildröhren und Leuchtstofflampen, die mit HalbleiterDrosseln arbeiten. Für den UHF- und GHz-Bereich können Überreichweiten auftreten, z. B. durch Reflexionen an Metallflächen („BouncingEffekt“). Beim Einsatz von mehreren Lesegeräten ist eine sorgfältige Trennung der Arbeitskanäle vorzusehen beziehungsweise sind geeignete Maßnahmen der Abschirmung vorzunehmen. Für alle Frequenzbereiche gilt es, die Synchronisation der Lesegeräte zu beachten (listen before talk). Bei allen Frequenzbereichen gibt es Einschränkungen, wenn Transponder direkt auf Metall aufgebracht werden. Durch geeignete Maßnahmen kann das Lesen auf Metall oder sogar bei bündigem Einbau in Metall trotzdem ermöglicht werden. Je nach Maßnahme ist mit einem reduzierten Leseabstand zu rechnen. Weitere Umgebungsparameter wie Temperatur, Säuren, Laugen, Lösungsmittel und Feuchtigkeit spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Transpondertechnik und der -Verpackung. Hier gibt es für die verschiedenen Frequenzbereiche eine Vielfalt an Bauformen mit unterschiedlichen Spezifikationen.
6 Zusammenfassung und Blick in die Zukunft Die Optimierung eines RFID-Systems erfordert ein breites Know-how über die Anwendung, die Ausführungsformen der Transponder und der Lesegeräte sowie die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV/EMC). Vor allem im industriellen Umfeld sind RFID-Systeme noch keine „plug and play“-Lösung. Die Pilotversuche der großen Handelsketten sowie die erprobten Einsätze bei mittelständischen Unternehmen ermöglichen den technologischen Fortschritt mit hoher Geschwindigkeit. Die Einführung des Strichcodes hat Jahrzehnte gedauert, bei RFID wird es nur noch weitere fünf bis sieben Jahre dauern.
Der Einsatz von RFID-Hardware
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Die Erarbeitung und Veröffentlichung von weiteren Anwendungsstandards, Standards für die Kommunikation zwischen Transpondern und Schreib-/Lesegeräten, Datenmanagement usw. wird dazu führen, dass Unternehmen die RFID-Technik für die Steuerung und Überwachung der globalen logistischen Kette bald problemlos einsetzen können. Erst diese massive Anwendung in offenen Kreisläufen wird RFID zum richtigen Durchbruch verhelfen. Weitere Trends, die zu erwarten sind: • Entwicklung von Schreib-/Lesegeräten, die mehrere Frequenzen abdecken • Kombination von aktiver und passiver Technik • Aufzeichnen von zusätzlichen Messparametern • Kombination von RFID (Kennzeichnen) und Ortung Die Praxistauglichkeit der jetzt verfügbaren Systeme hat sich in vielen Unternehmen erwiesen. Es sind die innovativen Firmen, die diese Technik nutzen um Wettbewerbsvorteile zu erwirtschaften.
Abb. 1. Architektur eines modernen RFID-Systems
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Jos Fransen, Gerhard Timme
Literatur 1. Finkenzeller K (2002) RFID-Handbuch, Grundlagen und praktische Anwendungen induktiver Funkanlagen, Transponder und kontaktloser Chipkarten. 3. Auflage, Carl-Hanser-Verlag, München. http://www.rfid-handbook.de 2. Management-Leitfaden (2006) für den Einsatz von RFID-Projekten. Gemeinsame Publikation der Fachverbände AIM-D und VDEB. http://www.aim-d.de und http://www.vdeb.de 3. Sweeney PJ (2006) RFID für Dummies. 1. Auflage, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KG, Weinheim 4. Walk E (2006) Ident Jahrbuch. Ident Verlag und Service GmbH http://www.ident.de
Prozesse in offenen Systemen gestalten
Frank Kuhlmann, Dirk Masuhr GS1 Germany GmbH
1 Einführung Seit 1999 arbeitet das Massachusetts Institute of Technology (MIT) der Universität Boston gemeinsam mit einer großen Zahl visionärer Unternehmen aus Wirtschaft und Technologie an der Entwicklung des EPCglobal-Konzepts. Die Radiofrequenztechnologie zu Identifikationszwecken (RFID) sollte für die Optimierung von logistischen Prozessen genutzt werden. Auf deutscher Seite waren die Unternehmen Flexchip, KSW Microtec, METRO, SAP und die damalige Siemens Dematic beteiligt. Erstmals beschäftigte man sich ernsthaft mit dem Ultrahochfrequenzband, welches die Reichweite, aus der die Transponderdaten ausgelesen werden können, gegenüber Anwendungen im hochfrequenten Bereich wesentlich erhöht. Die Ergebnisse der Arbeit waren äußerst zufrieden stellend, und so wurde das Konzept einer neu zu gründenden Gesellschaft übertragen, welche sicherstellt, dass bereits bestehende weitverbreitete Systeme und neue RFIDAnwendungen kompatibel sind. Dies wurde durch die Organisation GS1 als Träger der EAN.UCC-Standards gewährleistet, und so wurde in 2003 EPCglobal, Incorporation als Joint Venture von GS1 und GS1 US gegründet (EPC = Electronic Product Code). GS1 und damit auch EPCglobal sind anwendergetriebene Organisationen, die sich als Plattform verstehen, auf der Anforderungen und Erfahrungen der Wirtschaft in offenen Spezifikationen münden und die somit gerade auch Kleinen und mittleren Unternehmen helfen, technologisch mit global agierenden Konzernen mitzuhalten. Das EPCglobal-Konzept besteht aus vielschichtigen Anwendungen. Kern ist das Datenkonzept, welches zu 100 Prozent mit dem weitverbreiteten System der EAN-Idente kompatibel ist – eine Eigenschaft, die getätigte
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Frank Kuhlmann, Dirk Masuhr
Investitionen in hohem Maße sichert und einen relativ sanften Technologiewechsel vom Barcode auf den Electronic Product Code (EPC) ermöglicht. Mit der sogenannten Gen2-Luftschnittstelle ist ein Standard verfügbar, der sich insbesondere durch hohe Lesegeschwindigkeiten und eine hohe Pulkerfassung von bis zu 400 Transpondern pro Sekunde auszeichnet. Auch weitere wichtige Funktionalitäten wie beispielsweise die passwortgeschützte Steuerung von Schreib- und Löschrechten wurden mit diesem Standard umgesetzt. Als ISO-Spezifikation 18000-6c ist die EPCLuftschnittstelle ebenfalls Bestandteil der internationalen Normung. Das Gesamtkonzept der Standards ist in Abb. 1 ersichtlich. Neben der im Weiteren detailliert dargestellten Funktionalität des EPCKommunikationsnetzwerks, EPC Information Services, wurden und werden Spezifikationen entwickelt, die es den Anwendern erlauben, herstellerunabhängig Hard- und Software einzusetzen – eine Voraussetzung für einen zukünftig breiten Einsatz des EPC in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft und für das „Internet der Dinge“.
Abb. 1. Die EPCglobal-Standards im Überblick
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2 EPCglobal-Netzwerk Grundidee des EPCglobal-Netzwerks ist es, Produktinformationen mithilfe des Internets jederzeit verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck können dezentrale Rechner, die EPC-relevante Informationen enthalten, über entsprechende Applikationen abgefragt werden. Außerdem werden zentrale Dienste zur Verfügung gestellt, die das Auffinden von Daten ermöglichen. Neben der unternehmensübergreifenden Abfrage von Daten bildet die unternehmensinterne Verarbeitung von Transponderinformationen einen weiteren Schwerpunkt der Standardisierungsarbeit. Insgesamt hat sich EPCglobal dabei zum Ziel gesetzt, ein sicheres, globales und branchenunabhängiges System zu schaffen. Um eine solche Netzwerkarchitektur zu erreichen, standardisiert EPCglobal die Schnittstellen zwischen den beteiligten Hard- und Softwarekomponenten. Hierzu gehören beispielsweise die Schnittstelle zwischen dem Schreib-/Lesegerät und der RFID-Middleware, also das Lesegerätprotokoll, oder die Schnittstelle zur unternehmensübergreifenden Datenabfrage. Das EPCIS spielt die zentrale Rolle bei der Speicherung und Abfrage von EPC-relevanten Informationen. Im EPCIS werden ausgelesene Transponderdaten in Verbindung mit Kontextinformationen gespeichert. Diese Informationen können sowohl durch unternehmensinterne Applikationen als auch durch Applikationen von Geschäftspartnern abgefragt werden, sofern die entsprechenden Zugriffsrechte gewährt worden sind. Auf diese Weise werden EPC-Daten transparent und können zur Steuerung und weiteren Optimierung von Prozessen verwendet werden. Die Abfragen erfolgen parametrisiert. Hierdurch wird gewährleistet, dass nur die relevanten Daten an die anfragenden Applikationen übermittelt werden. So können beispielsweise ausschließlich Informationen angefragt und übermittelt werden, die sich auf einen bestimmten Lesepunkt, etwa ein Wareneingangstor, und ein bestimmtes Zeitintervall beziehen. Die Spezifikation von EPCglobal definiert Sicherheitsmechanismen für den Datenzugriff, die notwendigen Schnittstellen zur Datenerfassung und -abfrage sowie Inhalt und Struktur von EPCIS-Ereignissen. Letztere bezeichnen Lesevorgänge von Transpondern, die mit Zeit, Ort und Geschäftskontext versehen sind. Es wird nicht definiert, wie die zugehörige Datenbank oder ITInfrastruktur zur Speicherung dieser Daten aussieht. Dieser Ansatz ermöglicht Unternehmen, sowohl neue Datenbanken für diese Anwendungsfälle einzurichten als auch bestehende IT-Systeme zu nutzen bzw. anzupassen. Entscheidend ist nur, dass die spezifizierten Mindestanforderungen erfüllt sind.
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Frank Kuhlmann, Dirk Masuhr
Ein EPCIS-Ereignis kann die folgenden Informationen beinhalten: „An Kommissionierplatz 1 sind um 9.17 Uhr die Kartons mit den SGTINs A und B auf der Palette mit der NVE C zusammengefasst worden.“ Dieses Ereignis wird als Aggregationsereignis bezeichnet. Es gibt insgesamt vier unterschiedliche Ereignistypen für unterschiedliche Anwendungsfälle. • Das Objektereignis enthält Informationen, die sich auf ein oder mehrere EPCs beziehen. Es findet seine Anwendung in der Regel dort, wo es um die reine Beobachtung von Objekten geht, die mit einem EPC versehen sind. So könnte beispielsweise ein Lesegerät am Lagereingangstor immer dann ein Ereignis registrieren, wenn Waren oder Ladungsträger eingelagert werden. • Ein Aggregationsereignis kommt unter anderem zum Einsatz, wenn mehrere Objekte zu einer Einheit zusammengefasst worden sind. Es kann sich dabei um einen Karton handeln, der mit verschiedenen Produkten befüllt und anschließend als eine Einheit betrachtet wird. • Das Quantitätsereignis bezieht sich im Gegensatz zu den beiden vorherigen Ereignistypen nicht auf den gesamten EPC, sondern auf eine Objektklasse. Der serialisierte Nummernteil wird daher nicht gespeichert. Dieser Typ kommt beispielsweise bei der Erfassung von Lagerbeständen zum Einsatz. • Der letzte Ereignistyp ist das Transaktionsereignis, das zur Verknüpfung oder Trennung von Objekten mit einer oder mehreren Transaktionen benötigt wird. Auf diesem Wege kann die Referenznummer der Liefermeldung mit den zugehörigen Objekten verknüpft werden. Der Informationsgehalt der Ereignistypen umfasst vier Schlüsseldimensionen: • • • •
die zugehörigen Objekte, d. h. die EPC-Idente, Datum und Uhrzeit, die Angabe der Lokation sowie den Geschäftskontext.
Wird ein solches EPCIS-Ereignis abgerufen, so erhält der Anfrager also Informationen, was wann, wo und warum passiert ist. Die Lokation und der Geschäftskontext betrachten dabei jeweils zwei zeitliche Aspekte. Bezogen auf die Lokation werden sowohl der Lesepunkt als auch die Geschäftslokation, an denen sich das Objekt nach der Erfassung befindet, gespeichert. Beispielhaft könnte ein EPCIS-Ereignis als Lesepunkt „Lagereingangstor“ und als Geschäftslokation „Lager“ beinhalten. Der voraus- und rückblickende Aspekt beim Geschäftskontext ist der Prozess-
Prozesse in offenen Systemen gestalten
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und Dispositionsschritt. Eine Umsetzung für Prozessschritt könnte „vereinnahmt“ und für den Distributionsschritt „in Bearbeitung“ sein. Die so aufbereiteten Rohdaten werden über die EPCIS-Erfassungsschnittstelle an ein Datenverzeichnis zur Speicherung oder direkt über einen Bypass an eine Applikation weitergegeben (siehe Abb. 2). Die EPCISAbfrageschnittstelle definiert, in welcher Form Daten abgefragt werden können. Zu diesem Zweck werden zwei unterschiedliche Arbeitsmodi bereitgestellt. Einerseits werden Anfragen direkt beantwortet (synchroner Modus), andererseits können in regelmäßigen Abständen angefragte Daten an Applikationen übermittelt werden (asynchroner Modus). Zur Übermittlung parametrisierter Anfragen und der zugehörigen Ergebnisse sind verschiedene Bindungen definiert worden. Es handelt sich dabei um typische Internettechnologien wie XML, Web Services oder AS2. Vor der unternehmensübergreifenden Abfrage von Informationen müssen der abfragenden Person zunächst Verweise auf die zugehörigen Datenquellen, in der Regel die EPCIS, vorliegen. Im einfachsten Fall haben die Geschäftspartner dem Abfragenden diese Verweise im Vorfeld mitgeteilt. Ist dies nicht der Fall, so kann der Anfrager übergeordnete Dienste nutzen, die im EPCglobal-Konzept vorgesehen sind. Dazu gehören der ONS und die EPC-Ermittlungsdienste. Der ONS erfüllt im Rahmen des EPCglobalNetzwerks eine ähnliche Funktion wie die Domain Name Server im Internet, welche die Unwandlung einer URL (z. B. www.gs1-germany.de) zu einer IP-Adresse (z. B. 194.176.0.57) übernehmen.
Abb. 2. EPCIS-Erfassungs- und -Abfrageschnittstelle
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Frank Kuhlmann, Dirk Masuhr
Beim ONS wird die „Netzadresse“ des zugehörigen EPCIS zurückgemeldet. Dabei nutzt das System den EPC-Manager. Das ist die Kennzeichnungsnummer des Unternehmens, das das Objekt in den Verkehr gebracht hat. Bei den EPC-Ermittlungsdiensten handelt es sich um einen Oberbegriff für Dienste und Funktionen des Netzwerks, die den Netzwerkmitgliedern erlauben, auf Basis der benötigten Informationen über eine bestimmte EPC-Nummer alle relevanten EPCIS zu lokalisieren. Auf diese Weise kann ein Objekt lückenlos entlang der Versorgungskette verfolgt werden.
3 EPC-Showcase Um das hohe Nutzungspotenzial der EPCglobal-Netzwerkkomponenten zu veranschaulichen, hat die GS1 Germany GmbH in Zusammenarbeit mit der ORACLE Deutschland GmbH einen Showcase aufgebaut. Dieser gibt Einblick in Kommunikationsabläufe im EPCglobal-Konzept. Der Showcase veranschaulicht den Datenfluss und zeigt beispielhafte RFIDgesteuerte Prozessabläufe auf. Die möglichen Anwendungsfälle zeigen die Nutzung der EPCglobal-Komponenten, insbesondere des EPCIS, sowohl in internen als auch in unternehmensübergreifenden Prozessen. Mit dem EPCglobal-Konzept werden Warenflüsse transparent gemacht und die notwendigen Daten auf Basis neuester IT-Technologien ereignisgesteuert und bedarfsgerecht ausgetauscht. Der EPC-Showcase zeigt einen Ausschnitt aus der Wertschöpfungskette. Es werden ein Produktionsbetrieb und ein Distributionszentrum dargestellt (siehe Abb. 3).
Abb. 3. Schematischer Aufbau des Showcase
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Zur Abwicklung der Produktions- und Distributionsprozesse wird RFID-Technologie eingesetzt. Die Produktionsstufen wie Lager oder Kommissionierung sind an relevanten Punkten mit Lesegeräten versehen, welche die Transponderdaten erfassen. Anschließend werden diese in EPCIS-Ereignisse umgewandelt und gespeichert. In den Abb. 3 und 4 sind die Lesegeräte durch Quader dargestellt. Die zugehörigen Ereignistypen, die am jeweiligen Lesepunkt erfasst werden, sind durch die entsprechenden Abkürzungen symbolisiert. • • • •
Objektereignis (abgek. O) Aggregationsereignis (abgek. A) Quantitätsereignis (abgek. Q) Transaktionsereignis (abgek. T)
3.1 Produktionsbetrieb Im Produktionsbetrieb beginnt der Prozess mit der Herstellung des Produktes, welches direkt mit einem Transponder versehen wird, der eine serialisierte Artikelnummer (SGTIN) enthält. Das zugehörige EPCIS-Ereignis beinhaltet Informationen über Zeit, Ort und darüber, dass der EPC hier zum ersten Mal mit dem Produkt verknüpft worden ist. Anschließend folgen zwei Verpackungsstufen. Die Produkte werden in Kartons verpackt, danach erfolgt die Palettierung. Das EPCIS speichert diese beiden Prozessschritte in Form von Aggregationsereignissen. Beim ersten Schritt vernüpft das EPCIS-Ereignis die SGTINs der Produkte mit der SGTIN des Umkartons.
Abb. 4. Produktionsbetrieb
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Frank Kuhlmann, Dirk Masuhr
Bei der Palettierung verbindet das EPCIS-Ereignis die NVE der Palette mit den SGTINs der Kartons auf der Palette. Bis zum Warenausgang wird der EPC der Palette an wichtigen Punkten wie Lagerein- und -ausgangstür oder Lagerplatz ausgelesen. Die zugehörigen Objektereignisse werden wiederum im EPCIS gespeichert. Am Warenausgang werden die Idente von Kartons und Paletten mit der zugehörigen elektronischen Nachricht (Lieferavis) über ein Transaktionsereignis verknüpft. So kann der Wareneingang der nächsten Stufe der Lieferkette bei Bedarf weitere Informationen anfordern. 3.2 Distributionszentrum Mit dem Eintreffen der elektronischen Liefermeldung beginnt der Prozess im Distributionszentrum. Unmittelbar nach dem Eintreffen der Ware erfolgt die Validierung der in der Liefermeldung (DESADV) angekündigten Einheiten. Danach wird die vollständige Identnummer anhand des am Warenausgang des Produktionsbetriebes erzeugten Transaktionsereignisses geprüft. Die Einheiten werden eingelagert. Dabei werden Quantitätsereignisse auf Objektklassenebene genutzt. Das bedeutet, dass ausschließlich die Artikelnummer in dem zugehörigen EPCIS-Ereignis und nicht der serialisierte Nummernteil gespeichert wird. Bei der anschließenden Kommissionierung kommen ebenfalls Aggregationsereignisse zum Tragen, die wiederum die Verbindung zwischen Palette, Karton und zugrunde liegender Bestellung herstellen. Der Warenausgang erfolgt wie im Produktionsbetrieb. Es wird ein Transaktions- und Objektereignis im EPCIS gespeichert.
Abb. 5. Distributionszentrum
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Die während des Produktions- und Distributionsprozesses im EPCIS abgespeicherten Daten ermöglichen die Beantwortung einer Vielzahl unternehmerischer Fragestellungen. Es müssen nur die entsprechenden Anfragen formuliert und an die EPCIS übermittelt werden. Exemplarisch seien die folgenden Fragestellungen genannt: • • • • • •
Wie viele Paletten befinden sich im Lager? Welche Paletten wurden bereits versendet? Welche EPC sind im Wareneingang des Handels gelesen worden? Welche Lagerorte sind momentan belegt? Wie sieht die Produkthistorie aus? Welche Aufträge befinden sich gerade in der Bereitstellungszone?
4 Blick in die Zukunft Die Voraussetzungen für einen sofortigen Einsatz von EPC sind somit geschaffen: das Front End mit Datenstruktur, Luftschnittstelle und bestimmten Schnittstellen im Bereich der RFID-Middleware ist fertiggestellt, an der Umsetzung der offenen Themen wird gemeinsam mit Wissenschaft und engagierten Unternehmen aus Wirtschaft und Technologie gearbeitet. Auch ein Blick in die unterschiedlichen Branchen stimmt optimistisch: neben den klassischen Branchen Fast Moving Consumer Goods (FMCG) und Textil wird das EPC-Konzept auch in den Branchen Transport/Logistics, Gesundheitswesen/Pharma, Automotive/Aerospace und Consumer Electronics intensiv diskutiert; erste Testanwendungen wurden bereits pilotiert. Die bestehende Einschätzung, dass EPC zukünftig das Synonym für RFID in offenen Anwendungen sein wird, scheint somit weiter untermauert. Die Zukunft spricht EPC!
Integrierte RFID sorgt für mehr Qualität bei Life Sciences
Heinz-Paul Bonn GUS Group AG & Co. KG
Der Wareneingang ist der Punkt der Wahrheit – hier werden Proben gezogen und zur Analyse ins Labor gebracht. Solange von dort keine Freigabe erfolgt, kann die Ware zwar ins Lager, aber nicht in den Produktionskreislauf gelangen oder gar an Kunden ausgeliefert werden. So wollen es die Good Manufacturing Practices, eine Serie von Arbeitsvorschriften und Dokumentationsanweisungen, die in den sogenannten Life-ScienceIndustrien – dazu gehören im Wesentlichen die pharmazeutische, kosmetische, chemische und biotechnische Industrie sowie der Nahrungs- und Genussmittelsektor und die unterstützende Logistik – maßgeblich sind. Gesetzesvorgaben wie Arzneimittelgesetz, Hygieneverordnung oder aber auch die EU-Verordnung zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln (EUVO 178/2002) untermauern die Tatsache, dass es dem Gesetzgeber mit der Umsetzung dieser Richtlinien ernst ist. Wem hier bei den mindestens einmal jährlich stattfindenden Kontrollen ernsthafte Verstöße nachzuweisen sind, muss mit Strafen bis zum Entzug der Herstellerlaubnis rechnen. Und einer der neuralgischen Qualitätspunkte der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten ist der Wareneingang. Ohne Qualitätsprüfung keine Freigabe der eingehenden Waren für den weiteren Produktionsprozess, so lautet der Grundsatz. Allerdings kann die Quarantänezeit – der Zeitraum, in dem die vereinnahmte Ware zwar bereits eingelagert, aber noch nicht freigegeben ist – durchaus für logistische Schwierigkeiten sorgen: zum Beispiel dann, wenn Frischeware verarbeitet werden muss oder der gesamte Produktionsprozess wegen eines Engpass-Rohstoffs warten muss. Kein Wunder also, dass Life-Science-Unternehmen mit großem Interesse auf RFID-gestützte Lösungen schauen, die möglicherweise den Prozess der Qualitätskontrolle beschleunigen und zugleich eine verbesserte Analyse der Produkte im Wa-
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Heinz-Paul Bonn
reneingang, beim Verlassen des Lagers und auf dem Transportweg ermöglichen. Dabei kommen die Fortschritte der Nanotechnologie und der Mikrosystemtechnik im Anwendungsbereich der Sensorik den RFID-Einsatzmöglichkeiten mit hohem Tempo entgegen. Der Transport von Tiefkühlprodukten oder Frischeware, die Kommissionierung äußerst hochwertiger und chargengebundener Diagnostika oder die Behandlung und Lagerung von Gefahrgütern in der Chemie kann durch mit Sensortechnik ausgestattete RFID-Tags deutlich optimiert werden. Der wesentliche Vorteil für die Qualitätssicherung besteht in der beschleunigten Analyse. Bereits die Auswertung der RFID-Tags im Wareneingang gibt sofort einen ersten Hinweis über die Unversehrtheit der eingehenden Produkte oder aber über mögliche Beanstandungen. Vor allem temperaturgeführte Transporte, wie sie im Bereich Medizin, Pharma und Food typisch sind, können mithilfe von Dataloggern oder Temperaturfühlern, die mit RFID zu komplexen Systemen der Produktverfolgung zusammengeführt werden, besser überwacht werden. Dabei werden die RFID-Transponder als Datenspeicher für Temperatur-Messwerte oder prozessbezogene Zeitstempel eingesetzt. Werden die Güter im Wareneingang am Lesegerät vorbeigeführt, übernimmt das Lagerverwaltungssystem (oder das ERP-System zur Steuerung der gesamten Material- und Wertflüsse im Unternehmen) sofort die Informationen zu den Eingangschargen und weist unmittelbar jene Produkte ab, die auf dem Transportweg nicht vorschriftsmäßig behandelt wurden. Bei einem Hersteller für Käsespezialitäten wurde eine solche integrierte Wareneingangsmeldung mit Qualitätsdatenerfassung bereits realisiert. Hier werden die vereinnahmten Ausgangsstoffe nur kurz gelagert beziehungsweise in Tanks gefüllt und schnell verarbeitet, so dass eine beschleunigte Qualitätsprüfung unabdingbar ist. Allerdings müssen die bestandsführenden Systeme auch in der Lage sein, die Informationen aus den Transpondern aufzunehmen und „zur Kenntnis zu nehmen“ und darüber hinaus ereignisabhängig Prozesse auszulösen wie etwa die Beanstandung und Abweisung von Eingangschargen. Die GUS Group hat deshalb als Anbieter für Unternehmenslösungen für die Life-Science-Industrien zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) Softwareerweiterungen (sogenannte Plug-Ins) für ihr ERP-System (GUS-OS ERP for Life Sciences) entwickelt. Mit dem RFID-Plug-In ist eine ERP-Lösung beispielsweise in der Lage, die Mehrweglogistik optimal zu gestalten. Per Funk-Tag wird eine durchgängige Behälterverfolgung inklusive der Dokumentation der Bestands- und Bewegungsdaten möglich. Die Erweiterungen, die im Rahmen eines Förderprojekts der Stiftung Industrieforschung entwickelt wurden,
Integrierte RFID sorgt für mehr Qualität bei Life Sciences
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werden nun bei Food- und Pharma-Unternehmen erstmals in den Einsatz gebracht. Entscheidend ist dabei, dass die bestandsführenden Systeme auf der Basis vorgegebener Toleranzwerte eigene Geschäftsprozesse anstoßen können. Haben die Temperaturen auf dem Transportweg beispielsweise über einen längeren Zeitraum eine vorgegebene Obergrenze überschritten, kann das System die Ware im Bestand als „beanstandet“ markieren und über eine To-Do-Liste die Qualitätskontrolle über eine Prüfung informieren oder aber die Ware direkt zur Vernichtung übergeben. Eine entsprechende Wertberichtigung im Bestand und im Rechnungswesen erfolgt dann automatisch. In der Workflow Engine des ERP-Systems ist eine Designfunktion vorgesehen, in denen einzelne Prozessschritte definiert und deren Reihenfolge festgelegt werden können. So können Anwender die Ereignisse, die Sensoren/Transponder auslösen sollen, eigenhändig gestalten.
Abb. 1. Die fehlerfreie und dokumentierte Übermittlung von Statusänderungen mithilfe von RFID-Middleware ist ein wesentlicher Beitrag zur Prozesssicherheit in den Life-Science-Industrien (Quelle: Fraunhofer IML)
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Heinz-Paul Bonn
Der RFID-Einsatz ist auch in der Kommissionierung, also im Warenausgang, sinnvoll. Anbieter von Diagnostika zum Beispiel, also pharmazeutischen Stoffen, mit denen die Analyse und der Nachweis bestimmter Erkrankungen möglich ist, reservieren für ihre Kunden nach Bedarf ganze Herstellungschargen, liefern jedoch nur Teile auf Bestellung aus. Die äußerst hochwertigen und kostenintensiven Produkte werden somit für bestimmte Einsatzbereiche und Analysesysteme reserviert und „geeicht“. Mithilfe von RFID können jetzt diese Reservierungen bereits im Lager des Herstellers hinterlegt werden. Damit wird einerseits verhindert, dass im Warenausgang reservierte Chargen an den falschen Lieferauftrag gebunden werden. Zweitens aber wird auch beim Kunden die Zuordnung der Chargen im Wareneingang zu den Einsatzbereichen und Analysesystemen erleichtert. Ein interessanter Nebeneffekt der um Sensorik erweiterten RFIDTransponder ist, dass damit auch verbessertes Datenmaterial zur Lieferantenbewertung bereitgestellt wird. Wurden im Life-Science-Umfeld bislang die Bewertungen der Lieferanten ganz wesentlich aus den qualitätsbezogenen Daten der Labore herangezogen, kann künftig auch das Datenmaterial aus den Sensoren berücksichtigt werden. Hier werden in absehbarer Zeit auch Informationen über Dichte, Farbe oder Feuchtigkeit gemessen und gespeichert werden. Auch die Verfolgung bestimmter chemischer Messwerte in Flüssigkeiten oder Gasen können hier neue Einsatzbereiche bringen. So ergibt sich zurzeit gerade bei Silo- oder Tankwaren das Problem der Chargenabgrenzung. In Molkereien und Milchwerken etwa wird eine Schnellanalyse der angelieferten Milch vorgenommen, ehe sie aus dem Tankwagen in die Tanks gefüllt wird. Mit der Verfügbarkeit chemischer Werte aus den RFID-Systemen kann auch dieser Prozess deutlich abgesichert werden. Eine genaue mikrobiologische Analyse wird dabei allerdings nach wie vor unumgänglich bleiben. Ein großes Nutzenpotenzial ergibt sich durch den Einsatz integrierter RFID-Systeme auch bei der Verfolgung von Industriegebinden in den Bereichen Pharma und Food. Insbesondere bei der Leergutverfolgung gibt es attraktive Rationalisierungsmöglichkeiten. Dabei kommt als weiteres Einsatzgebiet der Sensorik auch der Beurteilung der Zustände des Leerguts eine wichtige Rolle zu. So müssen beispielsweise eventuelle Beschädigungen identifiziert werden oder aber auch Rückstände (beispielsweise Sahne oder Milch) erfasst und beseitigt werden. Hier zeigt sich allerdings auch, dass heutige wirtschaftlich nutzbare Systeme an ihre physikalischen Grenzen stoßen., Um hier mit einer Reihe von Lesegeräten die Ergebnisse zu optimieren, nutzt die GUS Group das openID-center des Fraunhofer IML Die gezeigten Einsatzbeispiele machen deutlich, dass die Kombination aus RFID-Technologie und Sensorik gerade im Life-Science-Bereich zu
Integrierte RFID sorgt für mehr Qualität bei Life Sciences
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erheblichen Verbesserungen der Qualitätsprozesse führen kann. Der zusätzliche Einsatznutzen, der sich hier im Bereich Qualitätssicherung ergibt, führt erkennbar dazu, dass RFID auch im Mittelstand zu konkreten Projekten führt. Dies setzt allerdings voraus, dass die bereits eingesetzten bestandsführenden Systeme auch in der Lage sind, die RFID-Daten aufzunehmen und ereignisgesteuert vordefinierte Geschäftsprozesse anstoßen zu können. Mit dem mithilfe des Fraunhofer IML entwickelten Plug-Ins für GUS-OS ERP ist dies jetzt möglich. Aber auch die vielzitierte Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln, pharmazeutischen Erzeugnissen und künftig auch von Chemieprodukten entlang der Wertschöpfungskette vom Rohstoffhersteller bis zum Handel und dem Endverbraucher wird durch RFID abgesichert. Ein entscheidender Vorteil ist hier, dass über die auf den RFID-Tags festgehaltenen Informationen über den Bestimmungsort direkt mit den Materialflusssystemen kommuniziert werden kann. Die Praxis zeigt, dass die wesentlichen Verzögerungen im Fall eines Rückrufs auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind, weil die entsprechenden Maßnahmen nicht oder zu spät eingeleitet werden. Vom Gesetzgeber ist hier eine „möglichst zeitnahe“ Aktion gefordert, wobei aus der Sicht des Lebensmitteleinzelhandels ein Rückruf gegriffen haben sollte, ehe die Ware in den Regalen ausgelegt ist. Dies kann durch mit RFID-Systemen beschleunigte Prozesse erfüllt werden. Ebenso entscheidend aber ist, dass mithilfe von RFID die Abgrenzung der zu beanstandenden Waren besser möglich ist. Es ist durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung, ob die Produktion eines Tages betroffen ist oder lediglich die Ladung eines Lastzugs. Auch hier ist eine engere Verbindung zwischen RFID und bestandsführendem System nötig. Dadurch kann man je nach Art der Beanstandung auf Knopfdruck anhand der RFIDInformationen entscheiden, ob weitere Lieferungen, die beispielsweise mit dem gleichen fehlerhaften Rohstoff in Berührung kamen, betroffen sind und wohin sie unterwegs sind. Das Fraunhofer IML hat bei der Verzahnung von RFID plus Sensorik mit ERP- oder Lagerverwaltungssystemen zusammen mit der GUS Group Pionierarbeit geleistet, die jetzt bei Unternehmen der Life-ScienceIndustrien zum Einsatz kommt. Dabei wurde ein weiterer zukunftsgerichteter Aspekt berücksichtigt: Die Verknüpfung von RFID und ERP erfolgt auch im zunehmend attraktiver werdenden ASP-Modell, also dort, wo die bereitgestellten Services über das Internet genutzt werden können. Application Service Providing könnte die Basis für eine gemeinsame Nutzung von RFID-gestützten Qualitätsmaßnahmen sein, auf die die Unternehmen einer kompletten Wertschöpfungskette gemeinsam zugreifen. Das wäre dann nach dem „Internet der Dinge“ das „Internet der Qualität“.
Kühlketten lückenlos online überwachen – Intelligente Sendungsverfolgung schließt Lücke bei unternehmensübergreifenden Transportprozessen
Markus Krüger, Michael Böckle inet-logistics GmbH
1 Einführung Durch Standard-Softwarelösungen für Supply Chain Execution (SCE) wie den logistics-server kann die Planung, Durchführung und Steuerung von (Inbound- und Outbound-)Transporten in komplexen, unternehmensübergreifenden Logistiknetzen optimiert werden – bis hin zur vollständigen Automatisierung wichtiger Prozessschritte. Hier ermöglicht z. B. die Lösung „Lademittelmanagement“ eine vollständige Transparenz über Lademittelbestände und -bewegungen. In unternehmensübergreifenden Kreisläufen können überdies Gebühren für die Nutzungsdauer von Lademitteln verrechnet werden. Beispielsweise in Verbindung mit den Lösungen „Transportmanagement“ und „Frachtkostenmanagement“ kann die Behälterdisposition, Transportbeauftragung, Sendungsbildung, Tourenplanung und Frachtkostenprüfung durchgängig automatisiert werden. Die automatische Lademittelidentifikation (AutoID) mit optionaler RFID-Integration trägt dazu bei, die Datenqualität, -granularität und -aktualität deutlich zu erhöhen.
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Markus Krüger, Michael Böckle
2 Intelligente Sendungsverfolgung bei unternehmensübergreifenden Transportprozessen Die Einführung von Systemen zur lückenlosen Überwachung von Kühlketten steht insbesondere in der Lebensmittel-, chemischen, pharmazeutischen oder Baustoffindustrie weit oben auf der Agenda der zu lösenden Herausforderungen. Höchste Qualitätsansprüche, die Vermeidung von Transportverlusten, die Generierung detaillierter Daten für die Transportoptimierung und auch immer restriktiver werdende gesetzliche Vorgaben sind hier die treibenden Kräfte. Viele Anbieter haben sich auf die Entwicklung von entsprechenden Sensoren und RFID-Tags spezialisiert. Mithilfe dieser Module werden Daten während des gesamten Produktionszyklus – angefangen von der Herstellung über den Transport bis hin zur Auslieferung und Lagerung am Verkaufs- bzw. Verbrauchsort – dokumentiert und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen an weiterverarbeitende IT-Systeme zur Auswertung übermittelt. Die größte Lücke bei der Auswertung von Daten besteht bisher während der Transporte: Daten über den Temperaturverlauf können aufgrund der fehlenden Anbindung an die weiterverarbeitenden Systeme nur ex post ausgewertet werden. Ein Eskalationsmanagement ist nicht zeitgerecht möglich. Diese Lücke schließen erstmals innovative Monitoring-Lösungen für die Kühlkette, in denen die sensorisch erfassten Daten per GSM (Global System for Mobile Communication) an eine zentrale IT-Anwendung übermittelt, dort ausgewertet und allen Partnern der Supply Chain zur Verfügung gestellt werden.
Abb. 1. Die größte Lücke bei der Auswertung von Daten besteht bisher während der Transporte (Bildquelle: Gebr. Weiss)
Kühlketten lückenlos online überwachen
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Die lückenlose Überwachung von Kühlketten ist zweifellos eines der prädestinierten Einsatzgebiete für RFID Radio Frequency Identification). Über diese in der Logistik zunehmend relevante Technologie können Daten auf einem Transponder berührungslos und ohne Sichtkontakt gelesen und auch gespeichert werden. Damit ist sie geeignet, Waren in der Supply Chain zu identifizieren und zu lokalisieren. Hohe Qualitätsanforderungen, etwa beim Transport sensibler Güter, und restriktive rechtliche Vorschriften bewegen immer mehr Unternehmen dazu, sensible Kühlketten engmaschig zu überwachen und zu dokumentieren. In einigen Fällen reicht eine simple Aufzeichnung der Temperaturverläufe während des Produktionszyklus aufgrund geringer monetärer Ausfallrisiken aus, um nachweisen zu können, dass nur einwandfreie Produkte beispielsweise in den Handel kommen. Eine Online-Überwachung bei geringwertigen Gütern beziehungsweise risikoarmen Kühlketten ist weniger sinnvoll. In diesen Fällen reicht eine Temperaturaufzeichnung und -speicherung mittels RFID-Datenträger aus, die mit einem integrierten Temperatursensor und einem sogenannten Datenlogger für die Aufzeichnung der sensorisch gemessenen Daten ausgestattet sind. Diese Datenträger werden an definierten Stellen in der Kühlkette ausgelesen. So lassen sich Temperaturverläufe ausreichend dokumentieren. Bei dieser sogenannten „Aufzeichnung im Batch-Betrieb“ kann die Anzahl der möglichen Eskalationspunkte über die Anzahl der RFID-Schleusen bestimmt werden. Diese sind an definierten Punkten der Kühlkette installiert und mit einem zentralen, hauseigenen IT-System verbunden. Damit lassen sich sicher in jeder Kühlkette Produktbeschädigungen durch übermäßige Temperaturabweichungen vermeiden und etwa innerbetriebliche Kühlketten mit einem relativ geringen Aufwand sehr gut überwachen.
3 Standort- und Unternehmensgrenzen überwinden Komplexer wird die Überwachung von Kühlketten, wenn diese über Standort- beziehungsweise Unternehmensgrenzen hinweg gehen. Klassischerweise werden in solchen Kühlketten dort Schleusen aufgebaut, wo Produkthaftungsgrenzen physikalisch überschritten oder Waren über einen längeren Zeitraum gelagert werden. Dementsprechend finden sich diese Schleusen in Lager- und Verkaufsräumen sowie an Laderampen, wo Produzenten Waren an den Logistikdienstleister übergeben beziehungsweise Empfänger Waren vom Logistikdienstleister übernehmen. An solchen Übergabepunkten wird vielfach die einheitliche Auswertung der dokumentierten Daten unterbrochen, da die ausgelesenen Informationen in jeweils
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unterschiedliche IT-Systeme eingespielt werden. Damit sind zwar alle Daten auf dem RFID-Chip dokumentiert, doch fehlt es häufig an einer umfassenden und durchgängigen Auswertung aller Daten in einem einheitlichen System. Den Nutzen einer solchen übergeordneten Informationsbasis erkennen derzeit insbesondere Unternehmen mit einer komplexen Transportlogistik, in die mehrere Logistikdienstleister und eine Vielzahl an Zulieferern und Produktionsstandorten eingebunden sind. Viele dieser Unternehmen befassen sich intensiv mit Projekten zur Einführung einer Softwarelösung für Supply Chain Execution, also für alle mit der Planung, Durchführung, Steuerung und Überwachung von Transporten in Zusammenhang stehenden Aufgaben. Im Kern erfolgt über solche skalierbare Lösungen eine umfassende, durchgängige und automatisierte Transportbeauftragung, Sendungsbildung, Behälterdisposition (inklusive Gebührenverrechnung), Tourenplanung sowie Frachtkostenprüfung und -verrechnung. Besondere Aspekte stellen dabei das Beschaffungsmanagement (z. B. der PickupProzess nach VDA-Empfehlung 5004 in der Automobilindustrie) sowie das durchgängige und lückenlose Tracking and Tracing in Echtzeit auf Sendungsebene dar. Jederzeit verfügbare und aktuelle Statusinformationen schaffen die Voraussetzung, auf unvorhergesehene Ereignisse während eines Transportes schnell und flexibel zu reagieren. Über die Internet-Technologie können die zentral vorgehaltenen und ausgewerteten Informationen eines unternehmensübergreifenden Warentransports von jedem Supply-Chain-Partner eingesehen und unter den für die jeweiligen Belange spezifischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Supply-Chain-Execution-Lösungen wie der logistics-server® von inetlogistics sind prädestiniert, alle sensorisch erfassten Daten aus der Überwachung der Kühlkette zentral zu sammeln, aufzubereiten und den Supply-Chain-Partnern zur Verfügung zu stellen. Supply-Chain-Partner, die ihre Backoffice-Systeme noch nicht an diese zukunftsweisende Kommunikationsplattform angeschlossen haben, können per Standard-Browser alle für sie relevanten Daten aus der Kühlkettenüberwachung einsehen und abrufen. Supply-Chain-Execution-Lösungen sind dabei nicht nur einfache Informationsplattformen im Internet. Sie bieten vielmehr ausgeklügelte transportspezifische Funktionen, die etwa von herkömmlichen ERP-Systemen in dieser Komplexität nicht ohne Weiteres geboten werden können. In Bezug auf die lückenlose Überwachung der Kühlkette bietet etwa der logistics-server® Funktionen für ein automatisches Eskalationsmanagement. Diese greifen, sobald Transponderdaten auf einen kritischen Zustand von Produkten in der Kühlkette hindeuten.
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Abb. 2. Webbasierte Supply-Chain-Execution-Lösungen wie der logistics-server® optimieren die Planung, Durchführung und Steuerung komplexer Transporte (Bildquelle: inet-logistics)
Dabei kommt der hohe Vernetzungsgrad aller Supply-Chain-Partner zum Tragen. Das System ist beispielsweise in der Lage, die jeweiligen Verantwortungsbereiche innerhalb der Kühlkette abzugrenzen und damit den Supply-Chain-Partner gezielt zu informieren, der für eine Fehlerbehebung zuständig ist.
4 Lückenlose Überwachung sensibler Güter Ein zentrales IT-System ist von elementarer Bedeutung für eine transparente Überwachung komplexer Kühlketten. Für eine lückenlose Überwachung ist es notwendig, innerhalb der physikalischen Kühlkette ausreichend Möglichkeiten zur Übertragung der sensorisch erfassten Daten zu bieten. Bisher ungelöste Herausforderungen lagen insbesondere in der lückenlosen Online-Überwachung der unternehmensübergreifenden Transporte. Lösungen für das Problem, permanent erfasste Daten in kritischen Fällen online an das weiterverarbeitende Supply-Chain-Execution-System zu senden, ergaben sich in einem Pilotprojekt, das inet-logistics gemeinsam mit dem Forschungsinstitut VResearch und unter Beteiligung des Logistik-Dienstleisters Gebrüder Weiss sowie des Herstellers von aktiven RFID-Komponenten Identec Solutions über ein Jahr hinweg durchgeführt hat. In diesem Pilotprojekt wurden die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes der RFID-Technologie zusammen mit den Ortungstechnologien GSM und GPS (Global Positioning System) im praktischen Einsatz bei
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verschiedenen Transportaufgaben ermittelt. Das Ergebnis belegt, dass RFID mit Sensorik in Verbindung mit intelligenten Ortungssystemen via GSM neuartige Möglichkeiten eröffnet, Kühlketten zuverlässig online zu überwachen. Beim Verladen der Sendung werden temperaturkritische Waren mit RFID-Tags, die über eine entsprechende Sensorik verfügen, bestückt. Am Warenausgang erfolgt die automatische Erfassung dieser Waren über fest installierte RFID-Lesestationen. Die gelesenen Informationen werden über ein GSM-Modul via SMS (Short Message Service), also einer im Mobilfunk etablierten Datenübertragungstechnologie, an das zentrale IT-System übermittelt. Dadurch ist eine flexible, schnelle und kostengünstige Installation der Infrastruktur möglich; IT-Systeme von Supply-Chain-Partnern müssen nicht angepasst werden. Während des eigentlichen Transports werden die sensorisch erfassten relevanten Temperaturabweichungen über die Mobilfunktechnik an den logistics-server® übermittelt (und dort wird, sofern erforderlich, real-time eine Eskalationsprozedur ausgelöst). Bei dieser Übertragung können gleichzeitig auch Transportstatusinformationen wie etwa der Standort übermittelt werden, so dass Temperatur- und Transportdaten miteinander verknüpft werden. Damit stehen dezidierte Informationen über Rahmenbedingungen zur Verfügung, die etwa für ein effizientes Trouble-Shooting wertvolle Hinweise geben. So kann bspw. ein zentraler Leitstand des Logistikdienstleisters für den Fahrer ermitteln, wo er eine nahe gelegene Werkstatt findet, und gleichzeitig dort eine Reparatur avisieren. An den Umschlags- und Endpunkten in der Transportkette werden die aufgezeichneten Temperaturkurven über die dort installierten Lesestationen in das zentrale IT-System übertragen. Damit stehen dort allen integrierten Supply-Chain-Partnern Informationen auch über den Prozessverlauf und zu Temperaturen zur Verfügung. Darüber hinaus werden im Wareneingang dem Sachbearbeiter sofort Unter- beziehungsweise Überschreitungen der Temperatur durch eine im Transponder eingebaute Lampe (LED) angezeigt. Eine lückenlose und integrierte Überwachung von Kühlketten ist durch die intelligente Verknüpfung der RFID- und der GSM-Technologie realisierbar. In dem Pilotprojekt wurden gemeinsam mit Herstellern von Standardkomponenten wie RFID-Datenträgern mit integriertem Temperatursensor und Datenlogger marktreife Komplettlösungen entwickelt, die von inetlogistics als sogenannte Shipment Localisation Kits (SLK) vermarktet werden. Diese stehen sowohl für die Überwachung von Kühlketten als auch in einer einfacheren Version für die effiziente Sendungsverfolgung bei unternehmensübergreifenden Transporten zur Verfügung.
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Abb. 3. Visualisierung der Fahrtroute und des Temperaturverlaufs während des Transportes (Bildquelle: inet-logistics)
Der Clou dabei: Über eine Schnittstelle können die realen Fahrtrouten über Google Earth dezidiert nachverfolgt werden. Routenabweichungen etwa infolge geänderter Verkehrsführungen können zu jeder Zeit nachverfolgt werden. Transportprozesse werden für alle Beteiligten transparent und letztendlich auch optimierbar. Aus dem Piloten hervorgegangen sind zudem konkrete Realisierungsprojekte, die inet-logistics bei der kontinuierlichen Sendungsverfolgung von Chemietransporten durchführt. In einem aktuellen Kunden-Projekt kommt es neben der Ortung insbesondere auch auf die Sicherung der Temperaturführung bei diesen Transporten an. Die Projektergebnisse zeigen, dass diese unternehmenskritische Anwendung vergleichsweise einfach gelöst, die Effizienz in solchen Transportprozessen signifikant und nachhaltig gesteigert werden kann.
5 Intelligentes Behälter- und Asset-Management Die im Rahmen der Kühlkettenüberwachung eingesetzten Technologien können ebenfalls in anderen Bereichen, z. B. dem Asset Management, eingesetzt werden. Hierbei erhalten Transportbehälter, Container, Kesselwagen usw. eine gewisse „Intelligenz“, indem diese mit Sensorik inklusive Kommunikationstechnologien ausgestattet werden, die den jeweiligen An-
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forderungen Rechnung tragen. Inhalt, Füllstand oder Zustand werden ebenso erfasst wie Transportweg und Destination. Über entsprechende Ausgabegeräte können diese „intelligenten“ Behälter Informationen beispielsweise zu Kommissionier- oder Transportaufträgen von einer zentralen Plattform übernehmen und an die jeweils Zuständigen verteilen. Im Falle eines Fehlers gibt der Behälter ein entsprechendes Signal ab und initiiert eine entsprechende Eskalationsprozedur. Durch die „Dezentralisierung von Intelligenz“ werden somit simultan zwei Herausforderungen gelöst: Der Behälter überwacht den Warenzustand und -fluss. Überdies werden die Assets selbst (online) verwaltet, so dass das Behältermanagement auf Basis aktuellerer und detaillierterer Informationen optimal gesteuert werden kann.
Abb. 4. Standortgenaue Erfassung in einer Landkarte; separat ausgewiesen sind die Lademittel in „Transit“ (Bildquelle: inet-logistics)
6 Ausblick Die Vernetzung von solchen intelligenten Objekten wird in naher Zukunft weitere Möglichkeiten eröffnen. Hierbei kommunizieren die Assets technisch nicht nur mit einer zentralen Plattform, sondern auch untereinander. Der Transportbehälter „erkennt“ in diesem Fall den ebenfalls mit RFID bestückten Inhalt und alarmiert beispielsweise bei nicht autorisierter Entnahme. Oder der Behälter synchronisiert sich während der Verladung mit dem Lkw-Bordnetz und gleicht automatisch seinen eigenen Zielort mit der hinterlegten Route ab.
Multiagentensysteme im Internet der Dinge – Konzepte und Realisierung
Andreas Trautmann LinogistiX GmbH
Das Internet der Dinge bringt einen Wechsel von festgelegten, statischen Prozessen hin zu selbstgesteuerten, dynamischen Prozessen. Dies erfordert eine zeitnahe, prozessadaptive Änderung der Ablaufsteuerung. Damit einher gehen der Trend zu höheren Sendefrequenzen bei abnehmenden Volumina einzelner Sendungen sowie kleinere Kommissionen. Bezogen auf die einzelne Lager- und Transporteinheit steigt der Aufwand für die Handhabung. Ein Wandel technischer Materialflusssysteme hin zu automatisierten Systemen, die auf das effiziente Lagern und Transportieren kleinerer Einheiten ausgelegt sind, ist die Konsequenz.
1 Software-Agenten Besonders vielversprechend für die Entwicklung prozessadaptiver Steuerungssysteme sind Software-Agenten. Ein Software-Agent ist „ein längerfristig arbeitendes Programm, dessen Arbeit als eigenständiges Erledigen von Aufträgen oder Verfolgen von Zielen in Interaktion mit einer Umwelt beschrieben werden kann“ [4]. Agenten sind entweder reaktiv, d. h. sie reagieren unmittelbar auf Reize aus der Umwelt, oder proaktiv, d. h. sie verfolgen Ziele mit einem gewissen Grad an Eigeninitiative. Agenten können stationär in einer Systemumgebung beheimatet sein oder als mobile Agenten in andere Umgebungen migrieren. Kooperation und Lernfähigkeit sind weitere Eigenschaften, die mit Software-Agenten in Verbindung gebracht werden. Ein Multiagentensystem ist ein System aus gleichartigen oder unterschiedlichen Software-Agenten, die miteinander interagieren, um z. B. kooperativ eine gemeinschaftliche Aufgabe zu bewältigen.
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Die Informatik hält Methoden und Entwurfsmuster zur Programmierung von Multiagentensystemen bereit, die praktisch erprobt sind und zuverlässig arbeiten ([3, 16, 10, 11]). Multiagentensysteme tragen durch die Verteilung von Aufgaben auf autonom agierende Komponenten, die Agenten, maßgeblich zur Komplexitätsreduktion bei. Gerade im Bereich mobile Roboter haben sich agentenbasierte Konzepte mittlerweile etabliert. Das DFG-Schwerpunktprogramm 1125 Kooperierende Teams mobiler Roboter in dynamischen Umgebungen ist eines von vielen Beispielen. Auf dem Gebiet der Logistik sind richtungweisende Forschungsergebnisse über Agentensysteme in der Initiative agents.enterprise des Schwerpunktprogramms 1083 der Deutschen Forschungsgemeinschaft erarbeitet worden [6]. An anderer Stelle sind bereits Systeme für die unternehmensübergreifende Warendisposition prototypisch realisiert worden ([13, 12]). Auch für die Planung materialflusstechnischer Prozesse gibt es Lösungsansätze, die auf Agenten basieren ([14]). [20] zeigt auf Grundlage der Arbeiten von JENNINGS, dass Agentensysteme grundsätzlich auch in der Automatisierungstechnik zur Anwendung kommen können. Andere Beiträge kommen zu demselben Schluss ([1, 8]). Für Fahrerlose Transportsysteme beispielsweise haben GÜNTHER, LEHMANN, RAFFEL und WAGENER im Rahmen des genannten Schwerpunktprogramms 1083 der DFG eine Modellierung als Multiagentensystem vorgestellt. Ein weiterer Beitrag zu dem Thema technische Agentensysteme in Produktion und Dienstleistung, der auch Aspekte der innerbetrieblichen Materialflusssteuerung beinhaltet, ist innerhalb des vom BMBF geförderten Verbundprojekts AgenTec geleistet worden. Die erzielten Ergebnisse zeigen deutlich das Potenzial von Agentenarchitekturen in Produktionsumgebungen. Der Sonderforschungsbereich SFB 637 Selbststeuerung logistischer Prozesse – ein Paradigmenwechsel und seine Grenzen der Universität Bremen nimmt sich dieses Forschungsbedarfs an ([15]), insbesondere für die Domäne Produktions- und Transportlogistik. Die Domäne des intralogistischen Materialflusses mit dem Schwerpunkt der dezentralen Steuerung von Stetig- und Unstetigfördersystemen behandelt die Real-Time-Logistics-Initiative des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) und des Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen der Universität Dortmund ([2, 18]). Das Projekt Internet der Dinge – Wandelbare Echtzeit-Logistiksysteme auf Basis Intelligenter Agenten für den produktionsnahen Bereich des BMBF markiert den neuesten Stand der Entwicklung in diesem Bereich.
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2 Adaptivitätsanforderungen Die Anforderungen, die ein prozessadaptives System zu erfüllen hat, sind vielfältig. Beim Ein- und Auslagern von KLT-Behältern innerhalb eines automatischen, shuttlebedienten Kleinteilelagers gilt es beispielsweise, einen geeigneten Lagerplatz für einen Behälter zu bestimmen. Der Einlagerauftrag wird dann zu einem geeigneten Zeitpunkt von einem freien Fahrzeug ausgeführt. Beim Auslagern bestimmt das Lagerverwaltungssystem aus der Menge der möglichen Behälter, die den gewünschten Artikel enthalten, einen geeigneten und generiert einen Transportauftrag (TA) vom jeweiligen Lagerplatz zum Auslagerplatz. Das Steuerungssystem disponiert ein geeignetes Fahrzeug. Das Ein- und Auslagern erfordert also Entscheidungen vom Steuerungssystem, die es so zu treffen gilt, dass das Gesamtsystem robust und so optimal wie möglich gesteuert wird. Übergeordnete Zielgrößen sind die Einlagerzeit und die durchschnittliche Abweichung von dem geforderten Auslagerungszeitpunkt. Beide Zielgrößen sind durch die Entscheidungen des Steuerungssystems zu minimieren. Bei der parallelen Bearbeitung von Ein- und Auslageraufträgen kommt es aber im Betrieb zu Zielkonflikten zwischen diesen konkurrierenden Zielen. Beispielsweise muss ein Einlagerauftrag evtl. zurückgestellt werden (was die Einlagerzeit verlängert), weil die Fahrzeuge zunächst Auslageraufträge erfüllen, um keine Abweichung vom Auslagertermin zu riskieren. Bedenkt man, dass zur Steuerung weitere Aspekte berücksichtigt werden müssen, wird schnell die hohe Komplexität dieser Aufgabenstellung deutlich. Beispielsweise gilt es, neben der geeigneten Lagerfachauswahl und Fahrzeugdisposition die Beauftragung von Betriebsmitteln wie Aufzügen so vorzunehmen, dass keine unnötigen Wartezeiten der Fahrzeuge auf die jeweiligen Betriebsmittel entstehen. Besonderes Augenmerk muss zudem auf die Vermeidung von Blockaden gelegt werden. Diese Randbedingungen wirken wiederum zurück auf die Fahrzeugdisposition. So ist z. B. denkbar, dass ein Fahrzeug, das ein anderes blockiert, eine Leerfahrt ausführt, um aus der Behinderungszone zu fahren. Die Problematik der Zuordnung von TA zu Fahrzeugen ist in der Literatur bekannt unter dem Terminus Vehicle Dispatching Problem. Es existieren unterschiedlichste Lösungsansätze, angefangen bei Prioritätsregeln (z. B. [7]) über Ansätze aus der gemischt-ganzzahligen Programmierung bis hin zu Tabu-Search-Heuristiken und Genetischen Algorithmen (z. B. [5]). Der überwiegende Teil der Arbeiten besitzt allerdings eine abstrakte, theoretisch geprägte Sichtweise auf die Problematik. Kaum eine der vorliegenden Arbeiten bezieht den Aspekt der Steuerungstechnik und deren Implikationen hinsichtlich Antwortzeit und Applikationsanforderung ein.
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3 Agentifizierung von intralogistischen Systemen Es hat sich gezeigt, dass agentenbasierte Steuerungssysteme geeignet sind, Anlagen mit hoher Dynamik und Komplexität zu steuern. Durch die Dezentralisierung von Aufgaben genügen verhältnismäßig einfache Heuristiken für einen robusten und sehr flexiblen Betrieb. Zum Beispiel lassen sich Fahrzeuge bei Bedarf in eine Anlage einsetzen und wieder entfernen, ohne Änderungen am Steuerungssystem nötig zu machen. Ebenso unkompliziert gestalten sich Änderungen in der Streckenführung. Folgende Schritte sind bei der „Agentfizierung“ eines Steuerungssystems grundsätzlich durchzuführen: • Definition geeigneter Subprozesse (Kompetenzfestlegung, Black-BoxBetrachtung) • softwaretechnische Realisierung (Auswahl einer Agentenplattform, Schnittstellen zu über- und unterlagerten Systemen wie LVS oder SPS, Zeitanforderungen) • Befähigung der Agenten zum prozessadaptiven Handeln (Zielkriterienformulierung, Kennzahlenerfassung und Bewertung im laufenden Betrieb) • Implementierung einer Testumgebung (Kopplung von SoftwareAgenten und Simulationsmodell zur zeitgerafften Emulation der realen Anlage) Zu beachten ist, dass sich gegenüber einer klassischen Materialflusssteuerung der Kommunikationsaufwand erhöht. Dies stellt jedoch bei modernen Rechner- und Datenbanksystemen keinen Hinderungsgrund dar. Das Debuggen verteilter, nebenläufiger Multiagentensysteme ist ebenfalls ein Thema. Um bei der Versuchsdurchführung nicht auf das reale System angewiesen zu sein, bietet sich das Mittel der Emulation an: ein Simulationsmodell der Anlage, das exakt das Zeit- und Bewegungsverhalten der realen Anlage abbildet und dieselben Kommunikationsschnittstellen wie diese zur Verfügung stellt, emuliert die reale Anlage und kann mit dem Steuerungssystem gekoppelt werden ([19]). Zum Einsatz kommt der kommerzielle Simulator Automod, der speziell für Materialflusssysteme konzipiert ist und neben der Simulation und dem Generieren von Zeitreihen während des Simulationslaufs eine dreidimensionale Animation bietet. Letzteres ist für die Veranschaulichung bestimmter Betriebssituationen hilfreich. Das Modell bietet die Möglichkeit, sowohl im Echtzeitmodus als auch im echtzeitproportionalen Zeitraffermodus zu operieren. Ersterer eignet sich für die Betrachtung von Betriebsabläufen, Zweiterer für die Durchfüh-
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rung von Testläufen. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Agenten des Steuerungssystems entweder frei von Zeitbezügen sein müssen oder mit relativen Zeitbezügen arbeiten, die entsprechend dem gewählten Zeitraffer skaliert werden können, um keine Verzerrung in Kauf nehmen zu müssen. Ein weiterer Einsatzfall des Simulationsmodells ist der Vergleich der Leistungsfähigkeit der agentenbasierten Materialflusssteuerung und der zentralen Entscheidungsintelligenz, die der Simulator realisiert, wenn er nicht mit der Steuerung gekoppelt ist. Versuchsreihen haben ergeben, dass eine zentrale Disposition nicht notwendigerweise bessere Ergebnisse erzielt, da es selten gelingt, alle Abhängigkeiten und Randbedingungen einer übergeordneten Optimierungsrechnung zu unterziehen. Abbildung 1 zeigt solch eine Versuchsreihe. Aufgenommen ist die Terminabweichung bei der Auslagerung, die bei der zentralen Steuerung schlechter ausfällt. Während es für viele Einsatzfälle ausreicht, die Entscheidungen der Agenten auf einfachen, vorgegebenen Heuristiken aufzubauen, kann eine weitere Optimierung des Betriebsverhaltens durch die Ausschöpfung von Kooperations- und Emergenzeffekten sowie eine Steigerung der Adaptivität durch lernfähige Agenten realisiert werden.
4 Entwicklung einer Multiagenten-basierten Steuerung Im Folgenden wird ein agentenbasiertes Steuerungssystem für ein automatisches, shuttlebedientes Kleinteilelager skizziert. Als System kommt das Dematic Multishuttle zum Einsatz, dessen Prototyp am Fraunhofer IML installiert ist ( Abb. 2). Den Lebensraum der Agenten stellt die Agentenplattform zur Verfügung. Die FIPA Abstract Architecture Specification spezifiziert solche Plattformen. Die Agentenplattform besteht aus • einem zentralen Agentenmanagementsystem zur - Administration des Systems und zum - Erzeugen, Starten, Stoppen, Entfernen von Agenten, • Informationen über vorhandene Agenten („White Pages“), • mindestens einem Verzeichnisdienst zum Auffinden von Agenten, die bestimmte Dienste anbieten („Yellow Pages“), • einem Kommunikationssystem, über das Agenten Nachrichten austauschen können. Dieses untergliedert sich in - Transport: technische Form der Nachrichtenübertragung (z. B. TCP/IP), - Protokoll: Festlegung eines Konversationsschemas (z. B. KontraktNetz-Protokoll zur Angebotseinholung),
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Abb. 1. Terminabweichung bei agentenbasierter (oben) und zentraler Steuerung (unten)
Abb. 2. Simulationsmodell der Versuchsanlage des Dematic Multishuttle-Systems
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Ontologie: Konzepte und Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft von Agenten zum Zwecke des Wissensaustauschs in Form einer Vereinbarung über das benutzte Vokabular und dessen Anwendung, Sprache: Beschreibung und Repräsentation des Wissens (z. B. FIPA CLL).
Die gewählte Modellierung als Multiagentensystem zur Lösung der Aufgabenstellung ordnet jedem Multishuttle-Fahrzeug einen SoftwareAgenten zu, der sich um Transportaufträge bewerben kann, und einen Steuerungsagenten, der die Steuerung des Fahrzeugs übernimmt. Daneben gibt es weitere Agenten zur Auftragszuteilung, zur Steuerung jedes Betriebsmittels und zum Klären von Störungsfällen. Wesentliche Funktionalitäten eines Agenten werden in Form von sogenannten Einschubkomponenten realisiert. Eine Einschubkomponente (engl.: hot plug-in) erfüllt eine Schnittstellen-Spezifikation dergestalt, dass eine Implementierung dieser Schnittstellen-Spezifikation zur Laufzeit gegen eine andere Implementierung ausgetauscht werden kann. Die Agenten können als eigenständige Prozesse auf einem beliebigen PC innerhalb des Netzwerks gestartet werden oder als Teilprozesse (Threads) in einem zentralen Steuerungssystem (MFR) ablaufen, in dem auch die Modellierung der „Umwelt“ erfolgt. Diese besteht aus den Geschäftsobjektklassen Kontrollpunkt, Pfad, Blockstrecke, Transferplatz und Fahrzeug. Durch diese Hybrid-Architekur aus zentralem Steuerungssystem mit zentraler Datenhaltung und eigenständigen, verteilten Software-Agenten teilen alle Agenten dieselbe Streckenbelegungs-Information, was für eine sichere Kollisionsvermeidung hilfreich ist. Zur Steuerung schienengebundener, autonomer Lagerfahrzeuge werden die in Tabelle 1 aufgeführten Agenten modelliert. Beispielhaft für die Kooperation zwischen den Agenten wird im Folgenden die Vermittlung von Transportaufträgen zwischen Transportvermittler und Fahrzeugdisponent beschrieben. Der Transportvermittler ist einmalig im System vorhanden und stellt einen Dienst zur Verfügung, um einen Transportbedarf zu melden. Dazu muss das dienstkonsumierende Programm mindestens den Namen eines Quellplatzes und den Namen eines Zielfachs angeben. Optional kann eine Liste von alternativen Quellen und Zielen angegeben werden. Eine Kenntnis über den inneren Aufbau und Zustand des Materialflusssystems ist nicht erforderlich. Dieses wird als Black-Box betrachtet. Da das Multiagentensystem seinerseits keine Artikel und Lagerplatzbelegung kennt, können auf diese Weise SubstitutTransporteinheiten, die einen gleichwertigen Artikel beinhalten, propagiert werden, so dass das Steuerungssystem eine für seinen momentanen Zustand günstige Quelle-Ziel-Relation auswählen kann. Eine weitere Option
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ist die Formulierung einer Bitte, die Transporteinheit zu identifizieren. In diesem Fall bringt das Fahrzeug den Behälter zu einem I-Punkt. Schließlich kann über die Nennung eines Vorgänger-TA festgelegt werden, dass die Transporteinheit des referenzierten TA vor oder unmittelbar vor der Transporteinheit am Ziel angelangen muss. Der Transportvermittler erzeugt daraufhin einen TA. Nach der erfolgreichen Erzeugung des TA stellt der Transportvermittler eine Angebotsanfrage an die Fahrzeugdisponenten über ein Kontrakt-Netz-Protokoll (vgl. [9]). Abbildung 3 zeigt das Sequenzdiagramm einer Verhandlung. Der Fahrzeugdisponent wird hierbei über den Transportbedarf in Form einer Ausschreibung informiert. Bis zu einem zeitlich definierten Abgabeschluss hat er nun Gelegenheit, ein Angebot abzugeben. Der Fahrzeugdisponent versucht deliberativ, „seinem“ Fahrzeug einen Auftrag „an Land zu ziehen“. Die dafür zuständigen Preisberechnungskomponenten innerhalb der Fahrzeugdisponent-Agenten sind als Einschubkomponenten realisiert. Auf diese Weise können zur Preisberechnung unterschiedliche Algorithmen Verwendung finden. Eine einfache Heuristik ist das Finden eines Weges von der aktuellen Position des Fahrzeugs zum Quellplatz des Auftrags und eine Abschätzung der dafür benötigten Zeit. Eine andere Möglichkeit ist das Zurückgeben eines konstanten Wertes immer dann, wenn der Quell-und Zielplatz in bestimmten, diesem Fahrzeug zugewiesenen Ebenen liegen, und ein Angebotsverzicht, wenn das nicht der Fall ist. Diese Alternative setzt allerdings eine entsprechende Konfiguration durch einen Bediener voraus. Weitere mögliche Parameter, die der Agent zur Entscheidung heranziehen kann, sind der Zustand des Fahrzeugs – zum Beispiel betriebsbereit oder Lastaufnahmemittel frei – sowie Alter oder Priorität des Auftrags. Das nach Ablaufen einer Angebotsfrist „beste“ Angebot aus Sicht des Transportvermittlers erhält den Zuschlag. Die Bewertung von Angeboten erfolgt wiederum in einer Einschubkomponente. Das heißt, der Algorithmus zur Bewertung kann zur Laufzeit ausgetauscht werden. Neben der reinen Höhe des Gebotes kann der Transportvermittler z. B. berücksichtigen, ob der Sender „verlässlich“ ist, d. h. ob vorangegangene Aufträge termingerecht ausgeführt wurden. Ein Gebot wird als Dauer in Zeiteinheiten interpretiert, die ein Agent braucht, um den Quellplatz zu erreichen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Fahrzeugdisponent für die Abarbeitung des TA verantwortlich. Statusinformationen zum TA werden vom Fahrzeugdisponenten eskaliert. Der Transportvermittler als Beobachter des TA hat so die Möglichkeit, bei Änderungsereignissen diese an die beauftragende Instanz zu kommunizieren.
Multiagentensysteme im Internet der Dinge – Konzepte und Realisierung Tabelle 1. Agenten zur Steuerung des Multishuttles
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Abb. 3. Sequenzdiagramm einer Verhandlung um einen Transportauftrag
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Hat der Fahrzeugdisponent einen Auftrag erstanden, muss er über eine Folge von Fahrbefehlen das Fahrzeug zur Quelle fahren und dort für das Aufnehmen der TE sorgen. Dabei kann er den kompletten Weg zum Quellplatz respektive zum Zielplatz oder einen Teilweg bestimmen. Zur Realisierung eines dynamischen Routings kann er Wegweiseragenten befragen (Abb. 4). Wegweiseragenten sitzen auf Verzweigungs-Kontrollpunkten und geben Auskunft über den zu befahrenden Pfad, über den das Wegziel zu erreichen ist. Der Wegweiseragent wiederum kann bei seiner Antwort die Informationen anderer Verzweigungspunke berücksichtigen und so bei Stau oder Störung nachfolgender Streckenabschnitte auf eine Alternativroute verzweigen.
Abb. 4. Dynamisches Routing über Wegweiseragenten
Jeder Teilweg – bestehend aus einer Kette von Pfaden – wird zur Ausführung an den Fahrzeugführer übergeben. Dieser reserviert den nächsten Kontrollpunkt für sein Fahrzeug. War dies erfolgreich, sendet er einen Fahrbefehl an den Fahrzeug-Controller. Dieser Vorgang wird für die nächsten Pfade in der Kette entsprechend wiederholt. Nach jedem erfolgreich zurückgelegten Teilweg muss der Auftragsdisponent den nächsten Teilweg bestimmen. Berücksichtigt werden müssen Fahrzeugblockaden bis hin zum Deadlock. Grundsätzlich können Deadlocks 1. durch eine geeignete Topologie organisatorisch ausgeschlossen, 2. durch eine Vorausberechnung erkannt und im Vorfeld vermieden, 3. im Eintretungsfall aufgelöst werden. [22] stellt Heuristiken zum Erkennen und Protokolle zum Auflösen von Deadlocks für Multiagenten-basierte Fahrerlose TransportSysteme vor, die sich mit dem vorgestellten Modell umsetzen lassen.
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5 Enterprise Application Integration Neben steuerungstechnischer Flexibilität bieten Software-Agenten die Möglichkeit der Integration in eine vorhandene Unternehmens-IT. Die Verwendung von durchgängigen und offenen Standards bietet Herstellern von Logistiksoftware und Anwendern gleichermaßen Vorteile, nämlich den Zeitgewinn bei der Erstellung neuer Applikationen und die schnelle Anbindung an über-, unter- oder beigeordnete Systeme von der SPS bis zum E-Shop. Die Komplexität und Dynamik der Logistiksoftware von heute und morgen macht es notwendig, neue Wege in der SoftwareEntwicklung zu beschreiten. Neben Software-Agenten sind Service-Orientierung, Code-Generierung über Modelle und Methoden zum formalen Definieren von Geschäftsprozessen (Workflow-Steuerung) wichtige Themen. Mit lose gekoppelten Services und feingranularen Komponenten wächst der Grad der Wiederverwendbarkeit von Software. Basisdienste wie Protokollierung, Formularerzeugung und Drucksteuerung lassen sich mit projektspezifischen Komponenten, beispielsweise für die Lagerplatzverwaltung oder Staplerdisposition, zu maßgeschneiderten Applikationen zusammenfügen. Dann noch fehlende Funktionalität oder Logik zum Verbinden einzelner Komponenten wird programmiert. Dieses Vorgehen steht im Gegensatz zu den heute beworbenen Standardsystemen, die soviel Funktionalität enthalten, dass sie ohne Programmieraufwand angepasst werden können. Durch moderne Methoden der Software-Entwicklung ist die partielle Neuentwicklung demgegenüber kein Nachteil mehr. Die Verfügbarkeit von Codegeneratoren für die unterschiedlichsten Entwicklungsumgebungen (etwa zu Erstellung von Web-Dialogen) sowie durch formalisierte und werkzeuggestützte Modellierungs- und Testverfahren (z. B. UML – Unified Modeling Language bzw. Unit-Tests) ermöglicht heute eine zuverlässige Software-Entwicklung. Der Aufwand für die verbleibenden und immer notwendigen Anpassungen wird minimiert. Letztlich werden die Vorteile einer Standardlösung mit den Vorteilen einer kundenspezifischen Realisierung verbunden, d. h. es entsteht eine schlanke Applikation, die keine unnötige Funktionalität enthält und sich trotzdem durch einen hohen Gehalt an fertigen Komponenten auszeichnet. Insbesondere auf der echtzeitkritischen Seite des physischen Materialflusses können Software-Agenten ein wichtiges Bindeglied darstellen, um diesen Bereich vollständig in die Unternehmens-IT zu integrieren (Abb. 5).
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Abb. 5. Integration in die Unternehmens-IT
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LogAgency SCM-Datenprozessplattform – RFID-Anwendungen als SaaS-Lösung
Christian Rybak LogAgency GmbH
1 Einführung In den letzten zwei Jahren dominierte jeweils ein Thema die zukünftigen Entwicklungen innerhalb der Logistik und der Informationstechnik. Dies waren die RFID-Technologie einerseits und die Weiterentwicklung von ASP-Technologien hin zu SaaS-Lösungen (Software as a Service) andererseits. Synergien dieser beiden Themenbereiche ergeben wiederum globale Innovationen wie das „Internet der Dinge“, eine der interessantesten und vielversprechendsten Entwicklungen der letzten Jahre. Im direkten Kontext zu diesen Innovationen entstanden und entstehen innerhalb kurzer Zeit Lösungen und Produkte, die diese Technologien zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt integrieren. Anwendern werden somit die Möglichkeiten verschafft, SCM-Prozesse zunehmend effektiver und effizienter zu gestalten. Gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen werden so mehr und mehr in die Situation versetzt, Anforderungen global agierender Kunden und Lieferanten im Hinblick auf Prozessoptimierungen schnell und vor allem kostengünstig umsetzen zu können.
2 SaaS, die Weiterentwicklung von ASP SaaS stellt die logische Weiterentwicklung des ASP dar. Hierbei handelt es sich um eine Methode, Software bedarfsgerecht als Lösung über das Internet bereitzustellen, um Unternehmen diese als Anwendungen zur Verfü-
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gung zu stellen. Dies ist gerade unter dem Aspekt sich schnell entwickelnder und somit kurzlebigerer Technologien sinnvoll. Bereits seit längerem können Unternehmen nicht mehr sämtliche Leistungen, die im Rahmen einer modernen Supply Chain gefordert werden, alleine erbringen. Vielmehr sind Dienstleister und Anbieter von Lösungen gefragt, die es gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen erlauben, technische Innovationen in bestehende Prozesse einfach und kostengünstig zu integrieren und somit deren Abläufe immer weiter zu optimieren. Was liegt also näher als der Wunsch, diese Leistungen bedarfsgerecht und so zu nutzen, dass sie keine erhöhten Aufwände innerhalb der bereits bestehenden IT-Infrastrukturen erzeugen? Dies lässt sich jedoch nur dann realisieren, wenn die geforderten und sich ständig ändernden Leistungen nur abgerufen werden, nicht jedoch fest und physisch präsent in vorhandene Strukturen eingebettet werden müssen. Dieser Gedanke fortgesetzt würde auch zu einer Senkung von Betriebskosten führen, da der teure Weg vom Softwarelizenzerwerb nicht begangen werden müsste. Aus diesen Überlegungen heraus ist bereits vor längerer Zeit der Gedanke der „Software zur Miete“ entstanden. Hierbei werden Softwareanwendungen auf Systemen bei Dienstleistungspartnern betrieben und über das Internet zur Verfügung gestellt. Meist handelt es sich dabei um starre, nur schwer individualisierbare Standardanwendungen, die über Dialogeingaben zu verwenden sind. Verbesserte Basis- und Kommunikationstechnologien führten im Laufe der Zeit zu Möglichkeiten, diese Einschränkungen mehr und mehr zu beseitigen, so dass in der Zwischenzeit eine Nutzung von Diensten über das Internet möglich ist, die auf individuelle Einstellungen und erweiterte Funktionalitäten zurückgreifen kann. Den derzeitigen Stand der Dinge stellt die sogenannte SaaSTechnologie dar, bei der nicht mehr nur gesamte Softwarelösungen über das Internet zur Verfügung stehen, sondern auch einzelne Teilfunktionen, die völlig individuell parametrisierbar in vorhandene Lösungen oder Softwareprodukte integriert werden können.
3 SCM-Datenprozessplattform Für die Umsetzung der geforderten Funktionen hat die LogAgency eigens eine Datenprozessplattform entwickelt, die über verschiedene Kommunikationswege ansprechbar ist und die einzelnen Funktionsmodule zu komplexen Lösungsszenarios zusammensetzt.
SCM-Datenprozessplattform – RFID-Anwendungen als SaaS-Lösung
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Abb. 1. Informationslogistik – die SCM-Datenprozessplattform der LogAgency
Ein Beispiel für ein mögliches Szenario, das mittels der SCMDatenprozessplattform zu generieren ist, stellt der elektronische Rechnungsversand dar (Abb. 2). Hierbei können elektronisch erzeugte Dokumente – in diesem Fall Rechnungen – von Lieferanten entgegengenommen, von ihrem Format her konvertiert, mit einer elektronischen Unterschrift versehen, geprüft und weitergeleitet werden. Empfänger können hierbei kundenseitige ERP-Systeme, aber auch Archivsysteme sein.
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Abb. 2. Elektronischer Dokumentenversand als SaaS-Technologie
4 RFID mittels SaaS-Technologie Eine für die Logistik entscheidende Entwicklung der nächsten Jahrzehnte stellt der Einsatz der RFID-Technologie dar. Hierbei liegt der Schwerpunkt sicherlich auf den beiden Aspekten der Identifikation und der Steuerung von physischen Waren durch die auf den RFID-Tags befindlichen Informationen. Die Wiederbeschreibbarkeit dieser Chips sowie die zu erwartende schnell steigende Speicherkapazität bei gleichzeitiger Kostenreduzierung verspricht eine schnelle Verbreitung dieser Technologie und damit einhergehend eine deutliche Verbesserung logistischer Prozesse. Parallelen zu den Anfängen der PC-Generation der frühen 80er Jahre und der rasanten Durchdringung der IT-basierten Kommunikation mit dem Internet, beginnend Mitte der 90er Jahre, sind naheliegend. Umso wichtiger erscheint es, RFID möglichst schnell auch – oder gerade – kleinen und mittelständischen Unternehmen als innovatives AutoIDInstrumentarium zur Verfügung zu stellen. Das Szenario zum Datenaustausch zwischen Partnern (Lieferant – Kunde) unter Verwendung einer RFID-Lösung mittels SaaS-Technologie sieht die Verlagerung von wesentlichen Informationen, die beim Auslesen oder Beschreiben von RFID-Tags entstehen, zu einem Dienstleister vor. Aufseiten des Lieferanten werden erfasste RFID-Daten über eine RFIDMiddleware und Datenkonverter teils in ein lokales ERP-System importiert oder in eine Datenbank transferiert. Die Entscheidung, welche Daten lokal verbleiben und welche transferiert werden, ist als logische Regel in dem lokal befindlichen Leitstand des Lieferanten hinterlegt. Der Teil der Informationen, der zur LogAgency übertragen wird, gelangt dort in dafür vorgesehene Datenbanken und wird dort weiterverarbeitet. Er dient zum Beispiel dem Matching und Clearing von RFID-Daten gegen ERP-Informationen des Lieferanten oder der Chargenrückverfolgung.
SCM-Datenprozessplattform – RFID-Anwendungen als SaaS-Lösung
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Abb. 3. RFID-Lösung mittels SaaS-Technologie, unternehmensübergreifend
Nach einer Konvertierung in ein für den jeweiligen Empfänger (Kunden) bestimmtes Datenformat werden die Informationen in Webportalen hinterlegt, aus denen sie automatisch abgerufen werden können. Dort können die Daten direkt in ein ERP-System importiert werden und dienen somit unter anderem als DESADV (DESpatch ADVise – Lieferschein) und können in einem der folgenden Schritte mit den RFID-Daten des Wareneingangs abgeglichen werden. Der gesamte Prozess des Wareneingangs, der damit verbundenen Qualitätskontrolle (zum Beispiel für Temperaturdaten innerhalb von Kühlketten) und der Einlagerung kann somit erheblich verbessert werden. Aber auch der Versender (Lieferant) kann von den Informationen aus dem Wareneingang des Empfängers im Falle einer Rücksendung über einen SaaS-Dienstleister partizipieren. Nach erneutem Datenabgleich (Matching und Clearing) sowie -konvertierung werden die Rückmeldungen wiederum direkt in das ERP-System des Lieferanten importiert und zum Beispiel als Abgabenachweis und Abrechnungsgrundlage verarbeitet. In einem folgenden Schritt werden auch Logistiker in dieses Szenario eingebunden. Sie können durch Auslesen der RFID-Informationen ihre Abläufe zum Beispiel für die Routenplanung optimieren, da die Zielinformationen der Ware bereits als Bestandteil auf den RFID-Tags enthalten sind. Gleichzeitig können auch über Messsensoren in regelmäßigen Abständen Umgebungstemperaturen erfasst und auf die Tags geschrieben werden. Zusammen mit den Standortinformationen der Ware, die beim Umschlagen oder der Übergabe an Hubs usw. erfasst und geschrieben werden, entsteht hieraus ein Transportprotokoll, das für diverse Informationen verwendet werden kann (Chargenrückverfolgung, Kühlketten usw.).
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Die LogAgency als zentraler Dienstleister zwischen Versender und Empfänger von Waren übernimmt hierbei die zentrale Rolle der „Informationslogistik“. Durch die offene Gestaltung von Kommunikationsschnittstellen, Datenkonvertierungen usw. ist das beschriebene 1:1-Szenario auch in eine 1:n- oder n:n-Konstellation überführbar und steigert die Optimierung von SCM-Prozessen dadurch erheblich. „X“ Lieferanten können mit „Y“ Kunden Daten über die SCM-Datenprozessplattform erfassen, abgleichen und austauschen. Zum Einsatz kommt diese Art der SaaS-unterstützten RFID-Kommunikation vor allem bei kleineren Unternehmen, die nicht über die notwendige IT-Infrastruktur verfügen, aber von ihren zumeist größeren Kunden (Handelsketten usw.) zum Einsatz von RFID aufgefordert werden. Diese mittelstandsgerechten Lösungen sind auch die Voraussetzung für eine Optimierung von Geschäftsprozessen von Großunternehmen mit ihren Kunden und Lieferanten. Wesentliche Vorteile dieser Lösung sind • optimales Nutzungspotenzial auch für kleine und mittelständische Unternehmen, • ideale Ergänzung für bestehende Prozesse bei Großunternehmen, • einfache Anbindung zu vorhandenen Systemen, • permanente Verfügbarkeit und Aktualität (Technik/Informationen), • hohe Prozessoptimierungen und –automatisierung, • geringe Investitionskosten, • transaktionsbasiertes Abrechnungsmodell, • Wegfall von Wartungs- und Administrationskosten sowie • schneller Return on Invest. Wareneingang, Kommissionierung und Warenausgang innerhalb eines Unternehmens gestalten sich als Prozess in ähnlicher Form wie die unternehmensübergreifende Versendung von Waren. Auch wenn hierbei alle Aspekte der Supply Chain innerbetrieblich abgebildet werden, macht dennoch die Unterstützung eines Dienstleisters zur Integration der RFIDTechnik Sinn. Einerseits können auch hierbei die ausgelagerten Daten für Partner wie Logistiker, Lieferanten und Kunden zur Verfügung gestellt werden, um deren notwendige Anbindung und den erforderlichen Datenaustausch zu optimieren. Andererseits kann auch hier schnell eine innovative Technologie zum Einsatz kommen, die der innerbetrieblichen Prozessoptimierung dient – ohne die zwingende Notwendigkeit, von Beginn an ausschließlich RFID als Identifikationstechnologie zu verwenden. Beiden Einsatzgebieten gemein ist die Tatsache, dass für einen längeren Zeitraum mindestens zwei (Barcode und RFID), vielfach auch mehr Ver-
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fahren zeitgleich zum Einsatz kommen, um den physischen Warenstrom zu steuern. Der Erfolg von RFID hängt folglich auch von der Möglichkeit ab, vermeintlich konkurrierende Verfahren gleichzeitig einzusetzen. Aus heutiger Sicht scheint SaaS zur schrittweisen Einführung von RFID in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister die einzige Möglichkeit zu sein, diese schwierig erscheinenden Anforderungen zu erfüllen. Die eingehende Ware wird vor ihrem Eintreffen per Lieferavis (DESADV) elektronisch vom Lieferanten angekündigt. Durch Auslesen der RFID-Informationen auf den Tags, zum Beispiel der Warenverpackungen oder Paletten, und anschließende Übermittlung an den SaaS-Dienst kann automatisch ein Datenabgleich erfolgen. Die dafür notwendigen Teilschritte Datenkonvertierung, Import in ERP-System, Auswertung, Bearbeitung und Rückmeldung müssen in Echtzeit erfolgen. Die anschließende Einlagerung der Ware kann nahezu fehlerfrei in kürzerer Zeit als auf klassischem Wege erfolgen. Auch die Kommissionierung kann mittels des Einsatzes von RFID deutlich optimiert werden. Selbst Kommissioniermethoden wie „Pick-byVoice“, die als fortschrittlich gelten, weisen gegenüber der RFIDTechnologie erhebliche Nachteile in Form von höheren Fehlerquoten in der Erfassung und daraus resultierenden Zeitverlust auf.
Abb. 4. RFID-basierter Wareneingang (SaaS-Technologie)
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Abb. 5. RFID-basierte Kommissionierung (SaaS-Technologie)
Kommissionieraufträge (Artikel, Anzahl, Lagerort usw.) werden direkt auf das Display eines mobilen RFID-Scanners übertragen. Nach der automatischen Erfassung der zu kommissionierenden Ware erfolgt eine direkte Rückgabe der Informationen an das ERP-System, das nach den entsprechenden Prüfungen den Auftrag frei gibt oder eine Korrektur der Kommissionierung erfordert. Die dafür notwendigen Teilschritte müssen auch hier in Echtzeit erfolgen. Eingehende Untersuchungen verschiedener Kommissioniermethoden haben die Vorteile von RFID innerhalb dieses Prozessschrittes gegenüber anderen Verfahren eindeutig aufgezeigt. Den letzten Schritt der innerbetrieblichen Prozesskette stellt der Schritt des Warenausgangs dar. Hier können letztmalig RFID-Daten erfasst oder auch RFID-Tags mit notwendigen Informationen über deren Ware beschrieben werden. Gerade Letzteres dient der Weitergabe von warenrelevanten Daten an nachfolgende Dienstleister wie Logistiker oder darauf folgend den endgültigen Warenempfängern. SaaS-Technologien können somit auch hier sinnvoll eingesetzt werden. Die dafür notwendigen Teilschritte müssen auch hier in Echtzeit erfolgen.
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Abb. 6. RFID-basierter Warenausgang (SaaS-Technologie)
5 Das Internet der Dinge als Verbindung zwischen Ware und Daten Wie bereits vorher erwähnt dient die RFID-Technologie vorrangig den beiden Aspekten der Identifikation und der Steuerung von physischen Waren. Die mittels RFID-Tags bestückten Waren werden zu autonomen Objekten, die ihren Transportweg durch Bekanntgabe ihrer gespeicherten Informationen selbst bestimmen und sich selbst somit steuern können. Parallelen zum Versand von E-Mails im Internet sind hierbei nicht zufällig, vielmehr wird versucht, die dahinter liegenden technischen Mechanismen zum Beispiel des Routings auch auf die RFID-Technologie zu portieren und ein sich selbst steuerndes Netzwerk zu schaffen.
6 Ausblick Derzeit bestehen sicherlich noch technische Probleme in der Verwendung der RFID-Technologie. So sind die Kosten für einen Transponder noch zu hoch, um einen flächendeckenden Einsatz wirtschaftlich zu ermöglichen. Auch fehlen noch internationale Standards für eine unternehmensübergreifende und internationale Nutzung. Die Reichweite zwischen passiven Tags und RFID-Scannern entspricht noch nicht den geforderten Werten, und notwendige Netzwerke, die die entstehenden enormen Datenmengen in
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ausreichend schneller und sicherer Form verarbeiten können, sind noch nicht hinreichend genug implementiert. Dennoch wird die RFID-Technologie in wenigen Jahren in nahezu allen Bereichen der innerbetrieblichen und vor allem der unternehmensübergreifenden Logistik und Supply Chains zum Einsatz kommen. Viel zu groß sind die überwiegenden Vorteile, viel zu hoch das bereits heute erreichte technische Niveau. Der immer größer werdende Druck des Marktes nach Innovationen tut sein Übriges. Das Internet der Dinge wird darüber hinaus zu der Kommunikationsund Steuerungsplattform für den physischen Warenstrom werden. Das Internet der Dinge wird die Welt bewegen.
RFID – Schlüsseltechnologie für die Zukunft des Handels
Dr. Gerd Wolfram METRO AG Unternehmenskommunikation
Von der Kerze zur Glühbirne, von der Handschrift zur Buchdruckerkunst – zwei Beispiele, die zeigen, dass der Mensch immer auf der Suche nach einer technisch besseren, komfortableren Lösung ist und sie meistens auch findet. Dass sich Informationen mittels Funkwellen austauschen lassen, bescherte uns die Entwicklung von der ersten Telegraphenstation zum Handy und vom einfachen Rundfunkempfänger zu satellitengesteuerten Navigationssystemen. Auch im Handel eröffnet das Identifizieren von Objekten mittels Funktechnologie ganz neue Dimensionen. Die sogenannte Radio-Frequenz-Identifikation (RFID) hat das Potenzial, die Abläufe in unserer Industrie zu revolutionieren. Und das nicht nur im Bereich der Logistik und des Lagermanagements: Mithilfe von RFID ist es möglich, mehrere zentrale Herausforderungen zu meistern, denen sich der Handel jetzt und in Zukunft stellen muss.
1 Der Handel im Umbruch Der erste Gedanke in unserem Geschäft gilt immer dem Kunden, dessen Einkaufsverhalten sich in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Die Verbraucher von heute gehen erst zu einem Discounter und danach zu Armani auf die Düsseldorfer Königsallee. Sie kaufen mal im Warenhaus um die Ecke und mal bei einem Internethändler am anderen Ende der Welt. Loyal sind sie in erster Linie gegenüber sich selbst. Für uns als Händler bedeutet dies, dass wir stetig daran arbeiten müssen, unsere Attraktivität weiter zu erhöhen. Wir müssen unseren Kunden einen bequemeren, interessanteren und individuelleren Einkauf ermöglichen. Nur wer
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dies erkennt und in seinen Konzepten verankert, wird langfristig erfolgreich sein. Zugleich ist es eine kontinuierliche Aufgabe des Handels, die eigenen Abläufe noch effizienter und transparenter zu gestalten, denn die Handelswelt ist heute so komplex wie niemals zuvor. Unsere originäre Funktion besteht darin, Waren verschiedener Herkunft in unseren Märkten und Warenhäusern zu bündeln und weiterzuverkaufen. Welchen logistischen Aufwand das bei zigtausend Produkten aus fast allen Ländern der Erde bedeutet, lässt sich schon beim Einkauf für ein normales Abendessen erahnen: Nudeln aus Italien, dazu einen kalifornischen Weißwein, Kräuter aus Deutschland und holländische Tomaten für die Soße, Früchte aus Neuseeland zum Nachtisch und schließlich ein Espresso aus kolumbianischen Kaffeebohnen. Jeden Tag kommen unzählige Waren in unseren Lägern und Märkten an, die erfasst, kontrolliert, eventuell zwischengelagert und schließlich für den späteren Verkauf vorbereitet werden müssen. Diese Abläufe gilt es konsequent weiter zu verbessern.
2 RFID-Einsatz auf Paletten und Kartons Die METRO Group ist fest davon überzeugt, dass RFID eine Schlüsseltechnologie ist, um den Herausforderungen für den Handel gerecht zu werden. Daher haben wir uns im Rahmen der METRO Group Future Store Initiative, einem Zusammenschluss von über 60 Unternehmen, frühzeitig damit beschäftigt und im November des Jahres 2004 begonnen, RFID schrittweise entlang der Prozesskette einzusetzen. Unser Ziel ist es, den Weg der Ware vom Hersteller über das Lager bis in den Markt bzw. die Filiale zu optimieren. Zahlreiche Partner aus der Konsumgüterindustrie, große Konzerne wie Procter & Gamble, aber auch mittelständische Unternehmen wie PapStar beteiligen sich an der Einführung der innovativen Technologie und statten ihre Paletten mit den sogenannten RFIDTranspondern aus. Ein RFID-Lesegerät am Warenausgang des Herstellers erfasst automatisch den Funkchip einer vorbeigezogenen Palette und dokumentiert den Versand in den Systemen. Kommt die Ware dann bei einem unserer Läger oder Märkte an, wird von allein abgeglichen, ob die angelieferte Palette mit dem elektronischen Lieferschein und der Bestellung übereinstimmt. Das Einscannen des Barcodes per Hand kann so entfallen. Unsere bisherigen Erfahrungen mit RFID sind durchweg positiv: Durch den Einsatz dieser Technologie können wir die Präzision und Qualität der Datenerfassung entlang der gesamten Prozesskette erhöhen und den Wa-
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reneingang deutlich schneller abwickeln. Anstelle von 90 Sekunden benötigen die Mitarbeiter nur noch 70 Sekunden pro Palette – angesichts der Menge bei der METRO Group eine große Verbesserung. Dies bestätigt auch eine Studie, die die METRO Group zusammen mit IBM und Procter & Gamble durchgeführt hat: Durch den Einsatz von RFID in Verbindung mit Electronic Data Interchange (EDI) besteht bei unseren Vertriebsmarken Metro Cash & Carry, Real sowie den Lägern ein jährliches Einsparpotenzial von 8,5 Millionen Euro. Dabei wurden bei dieser Hochrechnung nur Deutschland und erst zwei der insgesamt elf Prozessschritte betrachtet. Diese Erkenntnisse haben uns darin bestärkt, die Einführung von RFID auszuweiten. Im August 2006 haben wir mit ausgewählten Partnern aus der Konsumgüterindustrie begonnen, die Funktechnologie auch auf Kartonebene einzusetzen. Die METRO Group verspricht sich davon unter anderem eine noch bessere Feinkontrolle und in letzter Konsequenz eine höhere Warenverfügbarkeit in den Märkten.
Abb. 1. Mithilfe eines RFID-Gates lässt sich der Wareneingang deutlich beschleunigen
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3 Vorteile für alle Marktteilnehmer Der RFID-Einsatz bietet nicht nur der METRO Group entscheidende Vorteile. Von der innovativen Technologie profitieren der Handel und die Konsumgüterindustrie gleichermaßen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen können ihre Wettbewerbsfähigkeit mithilfe von RFID erhöhen. Die Funktechnologie ermöglicht es allen Markteilnehmern, ihre logistischen Prozesse zuverlässiger zu steuern und besser aufeinander abzustimmen. Einfacheres Bestandsmanagement, ein geringerer Lagerbestand, eine höhere Warenverfügbarkeit und die insgesamt schnelleren Abläufe stellen für alle Beteiligten wichtige Vorteile dar. Die internationale Unternehmensberatung Kurt Salmon Associates (KSA) sieht allein bei der Lagerorganisation ein Einsparpotenzial von 17 Prozent. Ein immer wichtigeres Thema für den Handel und die Konsumgüterindustrie ist zudem die Qualitätssicherung. Hier kann RFID ebenfalls zu einer weiteren Verbesserung beitragen, indem jedes Produkt eine eindeutige Identität erlangt und seine Herkunft sehr schnell zurückverfolgt werden kann.
4 Standards sind die Voraussetzung Grundlage für die RFID-Anwendungen im Handel und in der Konsumgüterindustrie ist der sogenannte Elektronische Produktcode (EPC), der von der internationalen Standardisierungsorganisation EPCglobal verwaltet und weiterentwickelt wird. Es handelt sich dabei um ein individuelles Nummernschema, das auf dem RFID-Transponder gespeichert wird und die eindeutige Identifizierung von Paletten, Kartons oder Einzelartikeln ermöglicht. Im EPCglobal-Standard wird der heute genutzte EAN.UCCDatenstandard für Barcodes durch die EPC Tag Data Specification erweitert. Das heißt: Der heutige Barcode wird in erweiterter Form und in einem standardisierten Datenformat als EPC auf dem RFID-Transponder hinterlegt. Für den breitflächigen Einsatz von RFID im Handel und in der Konsumgüterindustrie sind gültige Standards unerlässlich. Nur wenn wir die gleiche Sprache sprechen wie unsere Lieferanten, können wir uns mit ihnen optimal verständigen. Erst durch Standards wird die Optimierung unserer Geschäftsabläufe möglich, zudem schaffen sie die erforderliche Investitionssicherheit. Es muss also ein Konsens bestehen über den Aufbau des EPC, die Überführung bisher gültiger Nummerierungsschemata in den EPC, die verwendeten Frequenzen, die technischen Anforderungen an die verwendeten Transponder usw. Die METRO Group hat seit Beginn der
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RFID-Einführung die Arbeit in den betreffenden Gremien von EPCglobal bzw. der deutschen Vertretung GS1 Germany unterstützt. Der aktuelle Standard für Transponder ist der EPCglobal Standard Class 1 Generation 2 oder kurz Gen2. Mittlerweile ist er auch in den ISONormen verankert. Nach der Entwicklung des EPC ist die Schaffung der Gen2 ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine RFID-gestützte Handelswelt. Sie ermöglicht noch bessere und verlässlichere Leseraten, die aus einem schnelleren Datenaustausch zwischen Tag und Reader sowie einer höheren Sensitivität resultieren. Dadurch lassen sich beispielsweise auch RFID-Transponder erfassen, die auf metallischen oder flüssigen Produkten angebracht sind, was bisher ein Problem darstellte. Auch der RFID-Einsatz auf Kartonebene wurde erst durch die höhere Leistungsfähigkeit der neuen Chipgeneration möglich. Zudem ist die Gen2 der erste weltweit einheitliche Standard in diesem Kontext.
5 Erfolgsfaktor METRO Group RFID Innovation Center Um die Partner aus der Konsumgüterindustrie sowie die interessierte Öffentlichkeit über das Potenzial von RFID zu informieren und die Technik weiterzuentwickeln, eröffnete die METRO Group in Neuss das RFID Innovation Center. Hier kann man RFID unter realen Bedingungen auf über 1.900 Quadratmetern und an rund 40 Anlagen kennen lernen. Im Mittelpunkt stehen dabei RFID-Lesegeräte und RFID-Transponder für verschiedene Produktgruppen, Verpackungseinheiten und Einsatzgebiete. So finden sich im RFID Innovation Center exemplarische RFID-Anwendungen für alle Stufen der Prozesskette – von der Kommissionierung der Ware über das Lagermanagement bis zum Warenhaus und Verbrauchermarkt. Einige Einsatzmöglichkeiten der Technologie im privaten Haushalt werden ebenfalls vorgestellt. Besucher bekommen unter anderem einen Einblick in die Anbringungsmöglichkeiten der RFID-Transponder, die Einlagerung ins Hochregal via RFID-gestütztem Gabelstapler und in Kassensysteme mit RFID-Lesegerät. Im Bereich Haushalt ist ein intelligenter Kühlschrank zu sehen, der genau weiß, welche Produkte wann verzehrt sein müssen und auf Wunsch automatisch eine Einkaufsliste erstellt. Diese kann an den Verbrauchermarkt gesendet werden und steht dort beim nächsten Einkauf zum Abruf bereit. In den Räumlichkeiten des METRO Group RFID Innovation Centers ist auch das European EPC Competence Center (EECC) angesiedelt, das die METRO Group gemeinsam mit GS1 Germany, DHL und Karstadt gegründet hat.
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Abb. 2. Im METRO Group RFID Innovation Center sind über 40 RFIDAnwendungen zu sehen, zum Beispiel der Virtuelle Laufsteg
EPCglobal hat diese Einrichtung als erstes europäisches Labor zum „EPCglobal Performance Test Center“ ausgezeichnet. Das EECC steht unseren Partnern aus der Konsumgüterindustrie, Technologieanbietern, aber auch Interessenten aus anderen Branchen offen. Das Ziel dabei ist, Unternehmen bei der erfolgreichen Einführung von RFID/EPC im eigenen Betrieb zu unterstützen. Darüber hinaus dient das EECC dem Erfahrungsaustausch und bietet Anwendern, Anbietern und Dienstleistern die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit von RFID-Transpondern auf den unterschiedlichsten Objekten erproben zu lassen. Insbesondere werden statische Tests zur optimalen Transponderplatzierung und zur Lesereichweite angeboten. Darüber hinaus hat es ein umfangreiches Schulungskonzept entwickelt, das über mehrere Seminar-Module den RFID-Einstieg erleichtert.
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Abb. 3. Transpondertests des EECC – durchgeführt in der Anechoic Chamber
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6 Unsere Vision: RFID auf Artikelebene Der Einsatz von RFID auf Paletten und Kartons bietet bereits viele Vorteile. Unsere Vision geht aber noch einen Schritt weiter: In zehn bis 15 Jahren wird jeder Artikel mit einem RFID-Transponder ausgestattet sein. Dadurch werden zahlreiche Innovationen möglich, von denen insbesondere auch die Kunden direkt profitieren. Zum Beispiel beim Bezahlvorgang, für den die Kunden in aller Regel wenig Geduld mitbringen: Mithilfe von RFID müssten unsere Kunden die Artikel nur noch in den Einkaufswagen legen, diesen an einem RFID-Lesegerät vorbeischieben und schon wäre alles automatisch erfasst. Die Einkäufe müssten nicht mehr auf ein Laufband gelegt und einzeln eingescannt werden. Die Wartezeit an der Kasse würde deutlich verkürzt. Einen bequemeren und interessanteren Einkauf könnte die sogenannte intelligente Umkleidekabine ermöglichen. Diese würde via RFID erkennen, welches Produkt der Kunde anprobieren möchte und auf einem integrierten Display beispielsweise andere verfügbare Größen oder Farben anzeigen. Sie könnte auch weitere Kleidungsartikel empfehlen, die besonders gut zum Produkt des Kunden passen. Einige zukunftsweisende RFID-Anwendungen erproben wir bereits anhand von vier ausgewählten Produkten im Future Store, dem Testmarkt der METRO Group in Rheinberg. Zum Beispiel intelligente Regale: Diese erkennen via RFID von allein, wie viele Exemplare eines Produktes noch vorrätig sind, und senden frühzeitig ein Signal an einen Mitarbeiter, wenn der Bestand zur Neige geht. Leere Regale gehören so der Vergangenheit an. Die METRO Group geht fest davon aus, dass in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Anwendungen hinzukommen. Das Potenzial für RFIDAnwendungen auf Artikelebene ist enorm.
Abb. 4. Die Intelligente Umkleidekabine bietet dem Kunden zusätzliche Informationen zu den Kleidungsartikeln
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7 Den Weg gemeinsam gehen Die RFID-Technologie wird in den nächsten 15 Jahren Einzug in den Alltag vieler Menschen finden. Ob sie nun im Lagermanagement arbeiten, ITDienstleister sind oder in einem modernen Supermarkt einkaufen. Effizientere Prozesse und eine höhere Attraktivität für den Verbraucher – das sind die Maßstäbe, an denen sich der Handel immer wieder messen lassen muss, um im Wettbewerb dauerhaft bestehen zu können. RFID ist ein Hilfsmittel, um in diesen Bereichen eine entscheidende Verbesserung zu erzielen. Die METRO Group geht diesen Weg aber nicht allein. Viele Partner unterstützen uns im Rahmen der METRO Group Future Store Initiative bei der Forschung und Entwicklung. Mit unseren Partnern aus der Konsumgüterindustrie stehen wir in einem engen Dialog und helfen ihnen bei der Einführung von RFID. Denn wir sind fest davon überzeugt, dass die RFID-Technologie allen Beteiligten entscheidende Vorteile bietet – der Konsumgüterindustrie, dem Handel und den Kunden.
Das X-Internet – Verbindung zwischen physischer und Cyber-Welt
Oliver Philipp, Andreas Schaller, Dr. Siegfried Pongratz Motorola GmbH
1 Einführung In nur 20 Jahren hat das Internet die Art und Weise, wie wir leben, lernen, arbeiten und unsere Freizeit gestalten, grundlegend verändert. Das Revolutionäre am Internet ist, dass es einen Standardweg aufzeigt, der Menschen überall auf der Welt miteinander verbindet. Dank preiswerter Endgeräte, die sich neue Optionen und die zunehmende Reichweite der Funkverbindung zunutze machen, ist das Internet nun auf dem Weg zu einer neuen Ära der umfassenden Mobilität (Seamless Mobility). Standardbasierte Funktechnologien und Infrastruktur wachsen so schnell, dass sie alle verbleibenden Barrieren zur allgegenwärtigen, nahtlosen persönlichen Interaktion und zum Wissenstransfer völlig abzubauen versprechen. Aber auch ein allgegenwärtiges kabelloses Internet bedeutet nicht die vollständige Erfüllung der Seamless Mobility Revolution. Das heutige Internet verbindet Menschen mit Menschen und stellt Daten in Form von Text, Video, Ton und anderen Formaten für uns Menschen bereit. Im nächsten Schritt sollen physikalische Objekte internetfähig gemacht werden – Menschen werden mit Dingen verbunden und sogar Dinge mit Dingen. Das Internet der Dinge oder Extended Internet bzw. auch X-Internet wird die Verbindungsmöglichkeit nicht nur zwischen Menschen und deren Computern ermöglichen, sondern zwischen wirklichen alltäglichen Dingen wie Fenstern, Straßen, Obst, Haustieren, Geräten und dergleichen.
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Motorola hat eine Führungsrolle übernommen, das X-Internet Wirklichkeit werden zu lassen. Das X-Internet wird unser Leben und unsere Arbeit in viel stärkerer Form verändern als das Mobiltelefon oder auch das heutige Internet. Vor 20 Jahren konnte man sich noch nicht vorstellen, wie sehr das klobige Mobiltelefon, das einige Geschäftsleute aus der Führungsetage benutzten, unser Leben in kurzer Zeit verändern würde. Ein paar Jahre später, mit der Einführung von E-Mail, war es schwer, sich all die Informationen, Unterhaltungsangebote, Bequemlichkeiten und die Kommunikation vorzustellen, die das heutige Internet mit sich bringen würde. In ähnlicher Weise fällt es sicherlich vielen Menschen schwer, sich das XInternet vorzustellen, wenn sie zum ersten Mal davon hören. Aber zweifellos wird das X-Internet in viel stärkerem Maße Leben und Arbeit verändern als der PC oder auch das heutige Internet selbst. Das heutige Internet verbindet Menschen mit Menschen. Das X-Internet geht noch viel weiter: Es fügt die Verbindungsmöglichkeit für physische Objekte hinzu und schafft damit eine Fülle an neuen Möglichkeiten für intelligente Interaktionen zwischen Menschen und Dingen und sogar zwischen Dingen und anderen Dingen. Wie Teile eines Puzzles sind viele der Enabling-Technologien und frühen Implementierungen schon vorhanden. Preiswerte RFID-Tags werden in Einzelteile, Produkte, Zugangskarten und dergleichen eingesetzt, um jeden Artikel genau zu identifizieren. Diese passiven Tags sind klein, preiswert und brauchen keine Batterie. Geräte, die diese RFID-Tags lesen sollen, können in Hauseingängen, an Kontrollpunkten und sonstigen Portalen platziert werden, um ein- und ausgehende Objekte zu lokalisieren. Das Einsetzen kleiner preiswerter batteriebetriebener Radios in die RFID-Tags ermöglicht es, technisch ausgefeilte Applikationen zu entwickeln, die einen wesentlich größeren Bereich abdecken – beispielsweise die Lokalisierung von Menschen und Objekten innerhalb eines Gebäudes. Bei aktiven RFID-Systemen senden RFID-Tags ihre eigenen Signale, statt ein vom RFID-Leser gesendetes Signal zu wiederholen. So können weniger, einfachere und kostengünstigere Leser eingesetzt und damit auch technisch ausgefeiltere Applikationen ermöglicht werden. Der nächste Schritt in der RFID-Technologie sind Tags mit Umweltüberwachungssystem, Informations- und Zweiwegekommunikation. Diese können heutzutage aus verschiedenen Gründen in Sensornetzwerken, Maschennetzwerken und Ad-hoc-Netzwerken enthalten sein. Die ZigBee (Industriestandard zur drahtlosen Verbindung) Alliance zum Beispiel arbeitet an Standards für diese Art Vernetzung, und standardbasierte Produkte und Lösungen stehen allmählich zur Verfügung.
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Diese Lösungen entstehen aus den bestehenden Internet-, Funk- und Fernüberwachungsmöglichkeiten. Das X-Internet baut seine Innovationen auf diesen Technologien auf, die eine ständig wachsende Verknüpfung zwischen neuen Applikationsarten bereithalten. Diese revolutionäre Entwicklung wird sich bald von Implementierungen im industriellen und staatlichen Bereich hin zu Unternehmensapplikationen ausbreiten und sogar zu Hause und im täglichen Leben Einzug halten.
2 Technologien, die nahtlose Mobilität in der X-InternetWelt ermöglichen Beim X-Internet geht es vor allem darum, alle Aspekte des Lebens zu vereinfachen, indem Menschen und Unternehmen vollständige Kontrolle über Dinge und darüber gegeben wird, wie sie mit anderen Menschen, ihrer Umwelt und miteinander interagieren. Diese Kontrolle soll, soweit möglich, automatisch erfolgen – entsprechend den Nutzerbedürfnissen und -vorlieben, aber ohne dass ein ausdrücklicher Befehl erforderlich ist. Vom Standpunkt des Endverbrauchers aus betrachtet vereinfacht das XInternet alles. Aber das heißt, dass die gesamte Komplexität vom Nutzer auf die zugrunde liegende Technologie übertragen wird. Durch hoch entwickelte, kooperative Funktechnologie verbindet das XInternet alle Arten von Dingen in allen Arten von Räumen. Mobilität ist die Norm. Das heißt zuallererst, dass das X-Internet drahtlose, pervasive (zeitnahe und standortunabhängige) Verknüpfung benötigt. Gleichzeitig haben X-Internet-Applikationen unterschiedliche Anforderungen an die Radiofrequenz, den Bereich, die Datengeschwindigkeit und die Kosten – drahtlose, kooperative Technologien müssen also auf multiplen Standards basierenden Systemen erlauben, nahtlos zusammenzuarbeiten. In einem X-Internet-fähigen Haus beispielsweise teilen sich die Systeme mit niedriger Datengeschwindigkeit wie Haussicherheit, Monitoring und Umweltkontrolle dasselbe Netzwerk, das Musik, Video und Spiele für Unterhaltungsgeräte auf hoher Bandbreite im gesamten Haus durchfließt. Enabling-Technologien für das X-Internet müssen automatisch die Unterschiede zwischen verschiedenen Radiotechnologien und Kommunikationsprotokollen ausgleichen, damit nahtlose Interaktion gewährleistet ist.
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Abb. 1. Evolution des Internets
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2.1 Kontextbewusstsein Unbegrenzte Mobilität ist auf die Fähigkeit von Geräten und leblosen Objekten angewiesen, ihre Umgebung wahrzunehmen und ihre eigene Präsenz und ihren Kontext anderen relevanten Geräten und Objekten zu kommunizieren. Je nach Applikation können kontextbewusste Knoten folgende Umgebungen wahrnehmen: • die technische Umgebung beispielsweise, welche Netzwerke und Geräte in Reichweite sind, welche RF-Standards in Gebrauch sind, welche Applikationen und welcher Content vorhanden sind usw. Diese Art Bewusstsein ermöglicht es, dass sich X-Internetknoten automatisch mit vorhandenen Netzwerken verbinden und die je nach Applikation erforderlichen Daten austauschen. • die physische Umgebung beispielsweise: Aspekte wie Temperatur, Feuchtigkeit, Beleuchtung, Vibration und Ausstattungsparameter. Viele dieser Fähigkeiten sind heute schon bei Hersteller-, Distributions- und sonstigen vertikalen Unternehmen in Anwendung. Das X-Internet erfordert, dass ähnliche Fähigkeiten horizontal über alle Arten von Objekten verteilt sind – und exponentiell die zur Weiterverarbeitung vorhandenen Datentypen und deren Beziehungen verbreiten, um neue Arbeits- und persönliche Applikationen zu ermöglichen. • das menschliche Verhalten und sonstige neue Kategorien komplexen hoch integrierten Bewusstseins. Geräte der Zukunft beobachten Nutzerverhalten und prüfen die Umgebung, um nahtlos den entsprechenden Content und die Dienste zu liefern. Beispielsweise könnten die Sicherheitssysteme der Zukunft fähig sein, automatisch den Unterschied zwischen einem Bewohner und einem Eindringling zu erkennen, die Behörden zu informieren, die Videokameras zu aktivieren und zu steuern, Zimmer zu verschließen, die Wertsachen enthalten, und dergleichen mehr – alles ohne dass der Nutzer das System manuell konfigurieren und aktivieren muss. Unbegrenzte Mobilität erfordert autonomes Peer-to-Peer-Ortsbewusstsein und die Verbindung zwischen den Dingen selbst.
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Abb. 2. Informationsnetzwerke
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2.2 Peer-to-Peer-Bewusstsein, Selbstorganisation und autonomes Handeln Außer herkömmlicher Konnektivität mittels einer übergeordneten Infrastruktur erfordert die unbegrenzte Mobilität ein autonomes Peer-to-PeerOrtsbewusstsein und die Verbindung zwischen den Dingen selbst. Eine wichtige Voraussetzung für das Peer-to-Peer-Bewusstsein ist die Fähigkeit von Netzwerken zur Selbstorganisation und Selbstwartung. Da Geräte und Objekte aller Art Teil des globalen X-Internets werden, wächst die Zahl der potenziellen Knoten überproportional verglichen mit dem heutigen Internet. Daher werden vernetzte Dinge die Fähigkeit benötigen, vorhandene Kommunikation und Kontrollkanäle zu erkunden, indem sie sich automatisch ohne menschliches Eingreifen mit den entsprechenden Unternetzen und Applikationen verbinden. Knoten benötigen auch die Fähigkeit, in intelligenter Weise mit anderen Knoten eine Kommunikation aufzubauen, indem sie eine minimale Anzahl von „Hops“ benutzen. Es könnte ein globales Netzwerk mit sich bringen, in dem eine Botschaft einen drahtlosen Hop oder zwei zu einem nahe liegenden Access Point braucht, dann zu einem anderen Access Point halb um die Welt durch das verkabelte Internet reist und schließlich noch einen drahtlosen Hop braucht, um das Zielgerät zu erreichen. Peer-to-Peer-Erkundung und Interaktion muss, soweit erforderlich, durch herkömmliche hierarchische Kontrolle ergänzt werden. Nehmen wir das Beispiel eines X-Internet-Verkehrskontrollsystems. Peer-to-Peer-Bewusstsein und autonomes Handeln ermöglichen dem System, sofort die Signale für einen optimalen Verkehrsfluss zu koordinieren, ohne dass menschliches Eingreifen notwendig wird. Gleichzeitig ermöglicht die hierarchische Kontrolle, dass das System Informationen zurück zu den Verkehrsingenieuren sendet, die diesen helfen, chronische Verkehrsprobleme zu diagnostizieren und zukünftige Straßenprojekte entsprechend zu planen. Je nach Anwendung erfordert das X-Internet einen flexiblen Mix aus autonomer Kontrolle und Kontrolle durch den Menschen. Ein X-Internet-Fahrzeuginformations- und Verkehrskontrollsystem (Abb. 3) ist fähig, Erkundungsinformationen zu liefern, die den Verkehrsfluss und die Sicherheit auf unseren Straßen verbessern können, und stellt ebenfalls Informationen an OEMs und Unternehmen zur Verfügung, die Kundenbeziehungen fördern und Kundenbindung pflegen.
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Abb. 3. X-Internet-Fahrzeuginformations- und Verkehrskontrollsystem
2.3 Neue Formfaktoren Neue Formfaktoren werden benötigt, damit die Knoten in praktisch jeder Umgebung eingesetzt werden können. Die heutigen drahtlosen Sicherheitssensoren, die typischerweise neben dem Fenster- und Türrahmen angebracht werden, werden in Zukunft Teil des Rahmens selbst. Sensoren, die ätzenden Umgebungen und extremen Temperaturen widerstehen, werden neue Arten von Applikationen im Bereich Industriekontrolle, Landwirtschaft, Verkehrsmanagement, Homeland Security, Klimamodellierung u. v. a. m. ermöglichen. Kleine, kostengünstige Sensoren werden entwickelt werden, die in Waren eingelassen werden ähnlich wie bei RFID-Tags, aber mit zusätzlichen Fähigkeiten wie beispielsweise „Intelligent Sensing“, Kontrolle und Konnektivität. Sensoren, die injiziert werden oder oral von Tieren und Menschen eingenommen werden, werden neue Methoden des Monitorings, der Gesundheitspflege, der Notfallreaktion und ähnliche Anwendungen möglich machen.
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Das X-Internet ist eine ideale Umgebung, in der mikroelektromechanische Systeme (MEMS) und Nanotechnologie gedeihen und ihr Potenzial einlösen können. Diese Grenze der Wissenschaft und Technologie ist auf die automatische Montage von extrem kleinen „Smart“-Partikeln und Geräten gerichtet – größenmäßig von einem Millimeter bis zu einem Millionstel Millimeter reichend oder noch kleiner. Objekte dieser Größenordnung können ganz andere physikalische Eigenschaften haben als größere Objekte und bieten ein spannendes Potenzial für neue Applikationen im Bereich Materialtechnik, Gesundheitspflege, Geophysik, EDV, Telekommunikation, Energie und auf vielen anderen Gebieten. Mikroelektromechanische Sensoren beispielsweise, die mit integrierter drahtloser Kommunikation ausgestattet sind, können vielleicht eines Tages „smartDust“-Netzwerke ermöglichen. Diese Netzwerke sind dann analog zu herkömmlichen Sensornetzwerken, jedoch mit Sensoren, die mikroskopisch klein und preiswert sind, millionenfach einzusetzen. Zu Hause könnten diese Technologien Baufachleuten ermöglichen, Umweltüberwachung, Sicherheit und andere Arten von Netzwerken unsichtbar in Baumaterial einzusetzen. Und das Potenzial von Applikationen in anderen Bereichen ist praktisch unbegrenzt (Abb. 1) Enabling-Technologien für das X-Internet verändern schon jetzt Staat und Industrie und bieten eine Vorschau der Fähigkeiten an, über die eines Tages alle denkbaren Benutzermodelle verfügen.
3 Supply Chain Management/Produktlebenszyklusmanagement Supply Chain Management (SCM) als Element des X-Internets ist ein Integrationskonzept für Produktion und Logistik mit zunehmender Bedeutung für weltweit operierende Unternehmen. SCM strebt eine an der Nachfrage orientierte, integrative Steuerung der gesamten Kette an, mit der eine unternehmensübergreifende Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit realisiert werden soll. Der Fokus richtet sich auf das Management physischer Güter und ihrer begleitenden Informationen entlang der Supply Chain. Eine große Bedeutung kommt daher der Integration derjenigen betrieblichen Funktionen zu, die das Management von Gütern verantworten. Dreh- und Angelpunkt des Konzeptes ist die Transparenz der Absatz- und Steuerungsinformationen. Mit RFID als einer der ersten Anwendungen des ubiquitären Computings im großen Maßstab steht ein mächtiges Werkzeug zur Generierung von Daten über Materialflüsse zur Verfügung. Während diese Systeme
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bisher den Verbleib von Gütern sozusagen buchhalterisch mitschrieben und nur an bestimmten, definierten Prozessschnittstellen ein Abgleich mit der realen Welt stattfand, ermöglicht RFID eine viel umfassendere Verfolgung von Vorprodukten und Waren zu geringen variablen Kosten. Der Einsatz der Funkchips auf Artikelebene erlaubt darüber hinaus die Generierung von Absatzdaten in Echtzeit. Weiterhin soll die RFIDTechnologie zur Eindämmung des Handels mit gefälschten Produkten, also zum Schutz geistigen Eigentums und daraus resultierender Verwertungsansprüche beitragen. Mit der Entwicklung der RFID-Technologie werden daher in der Zukunft massive Veränderungen und eine Neuausrichtung von Logistik- und Produktionsprozessen mit dem Ziel der Effizienz- und Qualitätssteigerung einhergehen. Die Entwicklung des Supply Chain Managements von der reinen Organisation einer Transportabwicklung zwischen zwei oder mehreren Punkten hin zu einer integralen Betrachtungsweise der gesamten Prozesskette ist ein konkretes Beispiel dieser Entwicklung und erfordert entsprechende, zum Teil völlig neue technische Voraussetzungen, die im Folgenden anhand eines konkreten Beispiels erläutert werden sollen. In der Vergangenheit wurde jeder einzelne Prozessschritt separat betrachtet und als einzelne Box mit technischen Mitteln ausgestattet, die meist ausschließlich innerhalb des entsprechenden Prozessschrittes verwendet werden konnten. Eine Verwendung in weiteren Prozessschritten innerhalb der Supply Chain kam meist nur für den sich unmittelbar anschließenden Teilschritt in Betracht. Mit der Erweiterung des Blickfeldes über möglichst viele Teilschritte des Supply Chain Managements bis hin zum Verbraucher entstanden veränderte technische Anforderungen an die innerhalb der Prozesskette verwendeten Systeme. Die Anforderungen der Kunden gehen mehr und mehr in Richtung stärkere Transparenz der Warenströme und Bestände, sowohl der sich im Transit befindlichen Ware als auch der in verschieden Zwischenlagern liegenden Produkte. Die Veränderungen in der Supply Chain, insbesondere bei der Unterhaltungselektronik, werden bei einer historischen Betrachtung der SupplyChain-Prozesse deutlich (Abb. 4). Während in der Vergangenheit der Fokus auf dem Bereich der Fertigung lag, hat sich dieser in den letzten Jahren auf den Bereich der Distribution verlagert. In Zukunft ist daher mit einer verstärkten Aktivität der Hersteller von Unterhaltungselektronik im Bereich des Retails zu rechnen.
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Abb. 4. Veränderungen in der Supply Chain
Aus dieser Tatsache lassen sich drei wichtige Faktoren für den Einsatz von RFID ermitteln. Zum einen muss der Schwerpunkt auf der Beschaffungslogistik von hochwertigen Zukaufteilen wie z. B. Displays und Halbleitern liegen. Zum anderen liegt der Nutzen von RFID in der Verringerung der Lagerhaltungskosten für fertige Produkte. Der dritte Faktor bezieht sich auf die Auswahl der richtigen RFID-Technologie, um beide RFID-Einsatzfelder (Beschaffung und Lagerhaltung) bestmöglich abdecken zu können. Diese Entwicklung der Supply Chain in Richtung „nahtlose Verfolgung der Produkte vom Hersteller bis zum Verbraucher“ stellt z. B. auch das Motorola Customer Fulfillment Center für Mobiltelefone in Flensburg vor neue Herausforderungen. Um Warenströme und damit einhergehend Kundenzufriedenheit sicherzustellen, genügt es nicht mehr, „nur“ die Ware zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in der gewünschten Qualität anzuliefern. Vielmehr stehen inzwischen auch Themen wie Datentransfer auf IMEI-Nummer-Niveau bei Warenausgang, Inventory Management, Track and Trace von Sendungen sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstahl im Mittelpunkt des Kundeninteresses. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein lückenloses Zusammenspiel zwischen Versender, Spediteur und Kunden unerlässlich. Eine gute Basis für eine gemeinsame Technologieplattform, mit der so viele Teilbereiche wie möglich innerhalb der Supply Chain arbeiten und
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kommunizieren können, ist der Einsatz von RFID-Technologie. Diese bietet die Möglichkeit für die Erfüllung von Supply-Chain-Anforderungen, notwendige Information direkt mit der Ware zu liefern. Zudem kann dieselbe Technologie zur Vereinfachung operativer Tätigkeiten eingesetzt werden. Innerhalb der Supply Chain für das Motorola Customer Fulfillment Center lassen sich die verwendeten Verpackungseinheiten in vier Level mit unterschiedlicher Komplexität unterteilen (Abb. 5). • Der niedrigste Level bildet das Item sprich Produkt selbst (Level 0). Dieser Level ist wegen der preislichen Hochwertigkeit des Produktes in der Konsumgüterindustrie für RFID besonders geeignet. Trotz des zu erwartenden positiven ROI bei der Verwendung von RFID direkt auf Mobiletelefonen sind wegen der Anforderungen an Taggröße und Materialien noch zu viele technische Detailfragen offen, um den theoretischen ROI auch praktisch umzusetzen. • Einfacher ist dies beim Level 1, der Verkaufsbox, die bereits über einen eindeutigen Barcode Label inkl. IMEI-Nummer verfügt.
Abb. 5. Verpackungsstruktur Customer Fulfillment Center
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• Im sogenannten Umkarton (Overpack) Level 2 werden ca. zehn bis zwölf Verkaufsboxen zu einer Einheit zusammengefasst, was einen größeren RFID-Tag erlaubt und eine mögliche Bulk Erfassung damit vereinfacht. • Die höchste Einheit ist die Palette, Level 3, die aus ca. 25 Overpacks (Level 2) oder 300 Einzelobjekten zusammengesetzt ist. Eine Einzelerfassung von 300 Objekten verschiedener Materialen mit einer hundertprozentigen Erfassungsqualität stellt derzeit noch eine Herausforderung für die Technik dar, so dass zurzeit eine Bündelung der Informationen auf Palettenebene anzustreben ist. Grundsätzlich stehen drei verschiedene passive RFID-TagTechnologien für die Level 0 bis 3 zur Verfügung. Dies sind RFID-Tags im niedrigen, hohen und ultra-hohen Frequenzbereich. In Abb. 6 wurden diese drei unterschiedlichen RF-Technologien den Verpackungsebenen zugeordnet, wobei die Zuordnung nach der technischen Umsetzbarkeit im Motorola Customer Fulfillment Center erfolgte. Neben der technischen Umsetzbarkeit ist der ROI einer möglichen RFID-End-to-End-Lösung von ausschlaggebender Bedeutung, was im Rahmen einer stufenweisen Einführung untersucht werden soll. Aus Sicht des Mobiltelefonherstellers Motorola in Flensburg bietet RFID eine vielversprechende Plattform zur Lösung der angesprochenen Aufgaben. Dementsprechend werden im Rahmen eines Pilotprojekts operative Arbeitsschritte durch den Einsatz von RFID untersucht und die Auswirkungen getestet.
Abb. 6. RFID-Technologie in Abhängigkeit von der Verpackung
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So wird in Kürze die in den Versandbereich ein- und ausgehende Ware erfasst und automatisch auf den entsprechenden Lagerort gebucht. Hierzu werden die Paletten an den entsprechenden Punkten durch sogenannte Reader Gates gefahren, die an den Ein- und Ausgängen angebracht sind. Damit können die Mitarbeiter auf relativ einfache Art und Weise erfassen, welche Waren aus dem operativen Pick-Pack-Bereich dem Versandbereich übergeben wurden – nicht nur buchhalterisch, sondern tatsächlich auch physisch. Derselbe RFID-Tag kann dann zur Verfolgung von Bewegungen innerhalb des Versandbereichs bis hin zur Verladung verwendet werden, wobei ein einfaches Durchfahren eines Reader Gates, das einzelne Bereiche abgrenzt, genügt. In einem späteren Projektschritt soll der RFID-Tag beim Durchfahren von Reader Gates nicht nur den Lagerort verändern, sondern für den Versandprozess wichtige Buchungen automatisch anstoßen. Die Verladung und der Transport von wertvollen Massenprodukten wie Mobiltelefonen sind von besonderem Interesse, weil hierbei die Verantwortung vom Hersteller auf den Spediteur übergeht. Hier bietet die RFID-Technik eine relativ einfache Möglichkeit der klaren Erfassung. Nachdem die Ware das Motorola Distributionszentrum in Flensburg verlassen hat, kann derselbe RFID-Tag und dessen Information vom Spediteur direkt übernommen werden. Bei entsprechender technischer Ausstattung kann der Spediteur als das nächste größere Glied der Supply Chain die eigenen Prozesse optimieren und vereinfachen. Das kann z. B. die Erfassung und Zuordnung der Ware zu einem bestimmten Lkw oder die Optimierung der internen Logistik sein. Ebenso kann bei Ankunft im Lager des Kunden derselbe RFID-Tag mit entsprechender Information für die Wareneingangsprozesse dort verwendet werden, was auch hier zu einer Vereinfachung der Prozesse führen wird. Im weiteren Verlauf können weitere Optimierungen erfolgen, immer basierend auf dem RFID-Tag, so lange, bis die Palette aufgebrochen wird. Sind die RFID-Tags zunächst an den jeweiligen Paletten angebracht, bringt das Taggen von Sammelkartons oder einzelnen Verkaufsboxen eine weitere Prozesstiefe und Möglichkeiten der Nutzung der RFID-Technik, sowohl in den operativen Bereichen, insbesondere aber auch im Bereich der Verkaufsläden, in denen das Thema Verfügbarkeit der Ware und Verlust durch Diebstahl wichtig ist. Die ideale Lösung wäre ein RFID-Tag direkt auf der gedruckten elektronischen Schaltung (Printed Wired Board, PWB) eines Mobiltelefons. Dann könnten auch die logistischen Prozesse von zum Beispiel in Asien gefertigten Boards, die in Europa mit der kundenspezifischen Software versehen werden, und letztendlich das komplette Telefon, das für den Kunden fertig gepackt wird, vereinfacht werden. Dies wäre für den gesamten Logistikprozess der Supply Chain und insbesondere
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bei den am Ende der Kette stehenden Verkaufsläden ein großer Gewinn. Trotz dieser vielversprechenden Perspektiven sei der Hinweis erlaubt, dass sich der Einsatz von RFID-Systemen derzeit vor allem bei hochwertigen Gütern und in denjenigen Branchen rechnet, in denen aufgrund hoher Nachweispflichten höchste Prozesssicherheit erforderlich ist.
4 Beispiele, bei denen X-Internet-Technologie bereits auf dem Vormarsch ist Smart-Signale und -Sensoren sind schon in vielen Großstädten in Betrieb und senden Daten und Bilder zu einem Kontrollzentrum, wo Menschen das Signal Timing, Message Displays und sonstige Geräte überwachen, um den Verkehrsfluss zu verbessern. In der X-Internet-Welt werden diese Systeme fähig sein, den Crew-Status in Echtzeit, Fahrzeugdichteinformationen in Arbeitsgebieten und mögliche Hindernisse auf dem Weg der Crew sowohl zum Kontrollcenter wie auch zur entsendeten Crew zu liefern – automatisch und in Echtzeit. Und das Netzwerk wird direkt mit Fahrern kommunizieren können, wo immer sie sind, sie vor Gefahren warnen, geschätzte Fahrzeiten mitteilen und dabei die schnellste Route bei aktuellen Verhältnissen empfehlen. Viele Landwirte verwenden bereits Fernerkundungs- und Kontrollsysteme für die Steuerung der Berieselungsanlagen. In Zukunft werden X-Internet-Sensoren ein Fernnetz über den gesamten Betrieb bilden und so den kompletten Vorgang sichtbar machen und einer fein abgestimmten Kontrolle unterziehen. Der Wasserverbrauch wird sich anhand der tatsächlichen Bodenfeuchtigkeit der Grundstücke bestimmen, Unkrautentwicklung wird überwacht und kontrolliert und die richtige Menge an Pestiziden und Dünger sowie Erntepläne können anhand der tatsächlichen Blattfarbe und der Temperatur usw. festgelegt werden. Polizei, Feuerwehr und sonstige First Responder setzen in zunehmendem Maße Maschentechnologie ein, die ihnen erlaubt, sofort Peer-to-PeerVoice-and-Data-Netzwerke am Einsatzort herzustellen. Das X-Internet wird ermöglichen, diese Netzwerke zu erweitern, um Gebäudesensoren, Verkehrskontrollen, Sicherheitskameras, Fahrzeuge, persönliche Standortund Alarmgeräte, Datenbanken der öffentlichen Sicherheit, und mehr – um für alle Beamten der öffentlichen Sicherheit schnell und nahtlos die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Dieses sind nur ein paar Beispiele dessen, was das X-Internet in absehbarer Zukunft für uns bereithält. Das X-Internet ist ein Teil von Motorolas Vision der Seamless Mobility. Die Realität wird im Laufe der X-Internet-
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Entwicklung noch unglaublicher sein. Und Motorola wird inmitten der gesamten Entwicklung stehen.
Literatur 1. Mesh Networks (2005) Positionpaper, Motorola Inc http://www.motorola.com/mot/doc/6/6007_MotDoc.pdf 2. Seamless Mobility: „A Continuity of Experiences Across Domains, Devices and Networks” (2005) Whitepaper, Motorola Inc http://www.motorola.com/mot/doc/5/5764_MotDoc.pdf 3. The X-Internet: Connecting the Physical World with the Cyber World (2006) Whitepaper, Motorola Inc http://www.motorola.com/mot/doc/5/5696_MotDoc.pdf
RFID im praktischen Einsatz
Ulrich Ahle Siemens IT Solutions and Services
1 Supply Chain Management Die Erstellung von Waren und auch Dienstleistungen wird zukünftig noch stärker auf eine mehr oder weniger komplexe Lieferkette aufgeteilt sein. Diese Supply Chain kann global verteilt agieren. Das Ziel ist die Integration aller Beteiligten an der Supply Chain in einen Waren- und Informationsfluss. Durch die daraus resultierenden Vorteile wie Kostenreduktion, erhöhte Flexibilität, Vereinfachung des Güterflusses und Reduktion der Lieferzeiten ergeben sich Wettbewerbsvorteile am Markt. Die Vorteile der Integration aller Beteiligten zu einem (virtuellen) Netzwerk werden immer deutlicher, je automatisierter die entstehenden Geschäftsvorfälle behandelt werden. Ist beispielsweise in einem KanbanLiefersystem ein Behälter leer, sollte automatisch, vom leeren Behälter ausgehend, ein entsprechender IT-Geschäftsprozess angestoßen werden. Das heißt, nicht nur der eigentliche Warenfluss ist Bestandteil der Supply Chain, sondern ebenfalls der Informationsfluss. Der Warenfluss wird mit Stichworten wie Just-in-Time, Just-in-Sequence, Kanban und Konsignationslager beschrieben. Der Informationsfluss wird mithilfe von EDV-Anlagen generiert und mit vorhandener passender Branchensoftware verarbeitet. Durch die Trennung der Supply Chain in einen Waren- und einen Informationsfluss lassen sich RFID und AutoID Backbone (AIB) nun gut in die bestehenden Begrifflichkeiten einordnen.
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Ulrich Ahle
Abb. 1. Darstellung von Waren- und Informationsfluss
1.1 Der Warenfluss mit RFID RFID-Transponder werden mit den Wirtschaftsgütern verbunden und kodiert. Die Transponder sind bereits so klein und leistungsfähig, dass sie in Textilien eingearbeitet, in Schuhsohlen integriert oder auf Verpackungen geklebt werden können. Nun kann der Inhalt der gesamten Palette (als Lieferschein) auf dem Transponder gespeichert werden. Die Informationen auf dem Transponder können jederzeit mit einem (der Frequenz und Protokollen) entsprechenden Hardware-Lesegerät ausgelesen werden. Bei dem ursprünglichen Barcode ist dieses Vorgehen nicht möglich. Die einzelnen Ziffern auf dem Barcode sind ohne entsprechendes Hintergrundwissen wertlos. Die Informationen sind erst verwertbar, wenn der Lieferantennummer 184 der richtige Lieferant zugeordnet werden kann. Diese Zuordnung wird in einem Warenwirtschaftssystem getroffen. RFID verzichtet nicht zwingend auf diese Zuordnung. Aber die Informationen sind, wie bereits erläutert, mit einem Handlesegerät auslesbar.
RFID im praktischen Einsatz
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Abb. 2. Heutiger Einsatz der RFID-Technologie
Die Qualität der gespeicherten Information ist davon abhängig, ob die Informationen lexikalisch gespeichert (eher in der Produktion) oder mit Artikelnummer und Farbcode kodiert sind (eher in der Logistik). Im letzteren Fall ist ebenfalls eine Verbindung zum unternehmenseigenen Warenwirtschaftssystem notwendig. RFID erweitert den Barcode und wird ihn in naher Zukunft ablösen. Die Transponder von RFID-Chips können ohne Sichtkontakt und im Pulk ausgelesen werden. Das bedeutet, dass eine Palette mit Premiere-Receivern im Fiege Mega Center in Erfurt nicht geöffnet, ausgepackt und jeder Receiver einzeln behandelt werden muss, sondern dass die gesamte Palette mit allen Receivern auf einmal („im Pulk“) eingelesen wird. Der Vorteil dieser Technik ist, dass keine Leseverbindung mit jedem einzelnen Transponder (Receiver) aufgebaut werden muss, sondern nur einmal eine Verbindung mit einem bestimmten Transponder aufgebaut wird, der die Informationen über die gesamte Palette vorher gesammelt hat. Die Transponder können also auch untereinander kommunizieren – das Internet der Dinge gestaltet sich. Wie eben dargestellt, existieren zu jedem RFID-Transponder zusätzlich z. B. im Warenwirtschaftssystem gespeicherte Daten, die über die Tag-ID abgerufen werden können. Genauso wie die Wirtschaftsgüter physisch aus-
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geliefert werden müssen, müssen die Daten für die (mitausgelieferten) RFID-Transponder übermittelt werden. Heute ist diese Optimierung in einigen Unternehmen bereits realisiert. Bezogen auf die gesamte Supply Chain handelt es sich jedoch meist um Insellösungen. Die in jedem beteiligten Unternehmen eingesetzten und u. U. unterschiedlichen ERP(Enterprise Resource Planning)-Systeme müssen Daten austauschen. Für die Vernetzung der ERP-Systeme und die Übermittlung der Daten liefert Siemens jetzt einen neuen Ansatz: AutoID Backbone. 1.2 Der Informationsfluss mit AutoID Backbone Die Siemens-Entwicklung des AutoID Backbone (AIB) gestaltet den unternehmensübergreifenden Informationsaustausch aller an einer Supply Chain beteiligten ERP-Systeme. AIB bedient sich hierbei internationaler und branchenübergreifender Datenaustauschformate wie EDIFACT und XML, um einen optimalen Datenaustausch verschiedenster EDV-Systeme zu gewährleisten.
Abb. 3. Siemens AutoID Backbone
RFID im praktischen Einsatz
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Abb. 4. Darstellung der Funktionsweise des AutoID Backbone
Über das Internet werden die ERP-Systeme gekoppelt. Wie in einer Sterntopologie kommunizieren die ERP-Systeme über einen zentralen Knoten miteinander – dem Business Information Server. Für die Sicherheit bei der Datenübertragung der sensiblen Daten über das Internet bietet sich die Technik des Virtual Private Networks (VPN) an. Die Integration der Waren- und Informationssysteme mithilfe von Supply Chain Management, RFID und AIB vom Rohstofflieferanten bis zum Endverbraucher ist der Ansatz der Real-Time Enterprise (RTE). Auch ohne den Aufbau eines virtuellen Netzwerks birgt das AIB Vorteile für die RFID-Integration in die ERP-Software. Daher wird das AIB im Folgenden kurz näher erläutert.
2 AutoID Backbone AutoID Backbone ist eine von Siemens entwickelte Lösungsplattform (und -konzept), welche den wirtschaftlichen und technischen RFID-Einsatz ermöglicht. AutoID Backbone basiert auf einer hochverfügbaren Shared Services Platform, die als leistungsfähige Middleware die Integration der RFIDTechnologie (aber auch anderer AutoID-Technologien) zu Applikationen, Systemen und insbesondere zu Geschäftprozessen gewährleistet. Diese In-
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tegrationsplattform stellt zudem sicher, dass die installierte RFIDHardware (z. B. Handlesegeräte und Antennen) zentral überwacht und betreut werden kann. 2.1 Schichtenmodell von AutoID Backbone Das Schichtenmodell in Abb. 5 macht die Aufgaben des AIB deutlich. Auf der linken Seite sind die Backend-Systeme der beteiligten Unternehmen der Wertschöpfungskette dargestellt. Jedes Unternehmen (Importeur, Veredler, Händler) setzt dabei ein anderes ERP-System ein (ERP 1, ERP 2 und ERP 3). Die ERP-Systeme sind kein Bestandteil des AIB. Das AIB setzt sich aus vier Abstraktionsebenen zusammen. Die unterste Schicht (Device Layer, Geräte-Schicht) beschreibt die eingesetzte Hardware. Nicht nur RFID-Hardware (RFID Readers) kann mit AIB bedient werden, sondern auch Barcode-Scanner, Pocket-PCs, Handhelds, Terminals und andere. Die Bezeichnung 802.1x ist ein vom Berufsverband IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) verabschiedeter Standard zur Authentifizierung und Autorisierung in Rechnernetzen. Das darüber liegende Data Collection Layer (Datenerfassungs-Schicht) sammelt, filtert, glättet, aggregiert und fehlerbereinigt die von dem Hardware Handler ankommenden Daten und stellt sie einheitlich der nächsten Schicht zur Weiterverarbeitung zur Verfügung.
Abb. 5. Schichtenmodell des AutoID Backbone
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Auf der Businesslogik- und Datenhaltungsschicht (Business Logic & Data Management Layer) werden die Daten erstmals operativ verarbeitet, indem Regeln und Analysewerkzeuge angewendet werden. Das Service & Integration Layer (Wartung und Integrationsschicht) ermöglicht der AIB an dieser Stelle die Abbildung von Funktionen, welche konventionelle ERP-Systeme im Standardumfang nicht enthalten, wie z. B. Track and Trace (Sendungsverfolgung) oder automatisch angestoßene Alarme und Nachrichten. Ebenfalls findet auf dieser Ebene die Product Info Resolution (Produktauflösung) statt. Dies bedeutet, dass zu einer eingelesenen und gültigen Nummer die extern gespeicherten Daten (z. B. in Datenbanken) aufgerufen werden. Über offene Standardschnittstellen (EDIFACT, XML) werden alle Informationen an die nachgelagerten ERPSysteme übermittelt. 2.2 Sicherheit im AutoID Backbone Die gesicherte Kommunikation zwischen den Unternehmen über Siemens Rechenzentren in Deutschland, USA und Singapur erfolgt über Virtual Private Networks. Zur Authentifizierung greift das AIB dabei auf digitale Signaturen zurück, die ein Trustcenter im Siemens Rechenzentrum verwaltet. Die vom Trustcenter ausgestellten Zertifikate übernehmen in etwa die Funktion eines Personalausweises. Durch diese beiden Schutzmaßnahmen ist die Sicherheit für den Austausch von sensiblen Daten über das öffentliche Internet gegeben. AutoID Backbone bietet einen übergreifenden, gesicherten Datenaustausch. Dies verdeutlicht Abb. 6.
Abb. 6. Einbettung des AutoID Backbone in eine IT-Infrastruktur
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Die Abbildung zeigt die gesamte IT-Infrastruktur und Integration des AIB. Die gesamte Kommunikation findet über ein VPN statt. Die Lösung im Überblick zeigt Abb. 7. Durch die Integration aller Partner entlang einer Supply Chain ergeben sich deutliche Vorteile für jeden einzelnen Partner, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Supply Chain (Abb. 8).
3 Real-Time Enterprise Die Real-Time Enterprise (RTE) ist ein Konzept, um ein Echtzeitunternehmen auf den Weg zu bringen. In einem Echtzeitunternehmen sollen alle Informationen in Echtzeit (direkt ohne Verzögerung) zusammenfließen und ebenso schnell verarbeitet und ausgewertet werden Die eventuell daraus entstehende Korrektursteuerung soll ebenfalls ohne Verzögerung erfolgen. Demnach muss eine permanente, hundertprozentige Verfügbarkeit aller involvierten Ressourcen der Hard- und Software-Infrastruktur sichergestellt werden.
Abb. 7. Übersicht des AutoID Backbone
RFID im praktischen Einsatz
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Abb. 8. Vorteile für die Partner der Supply Chain
Die Mitarbeiter müssen jederzeit Zugriff auf alle aktuellen Informationen im Unternehmen haben, um Verzögerungen im Management und bei der Ausführung von kritischen Geschäftsprozessen zu vermeiden. Die Wettbewerbsfaktoren Preis und Qualität sind weitestgehend durch Konzepte wie weltweite Sourcingmöglichkeiten, Six-Sigma, Null-FehlerProduktion und weitere realisiert. Im Mittelpunkt der RTE steht der Faktor Zeit. Damit ist vor allem die Verkürzung und Straffung der Geschäftprozesse verbunden. Die Schwierigkeit bei der Formung eines RTE liegt in dem Weg zwischen den Point of Creation (POC) und dem Point of Action (POA), also dem Weg zwischen dem Ort, an dem eine Information entsteht, und dem Ort, an dem aufgrund oder mithilfe dieser Information gehandelt wird. Nur wenn diese Wege optimal verbunden bzw. miteinander vernetzt sind, können die Informationen schnell, optimalerweise in Echtzeit, fließen. Ein Hilfsmittel, um die Geschäftsprozesse in den Mittelpunkt zu stellen, ist die Service-oriented Architecture (SOA). SOA ist eine Systemarchitektur, die die IT-Infrastruktur an die gewünschten Geschäftsprozesse anpasst; sie erfreut sich steigender Beliebtheit. RFID hilft in diesem Zusammenhang Zeitspannen zu verkürzen. Ein Szenario: Die Wareneingangslieferung wird mit RFID direkt identifiziert
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und an das System übermittelt. Im System wird die Bestellung als geliefert markiert. Eventuell fehlende Bauteile werden vom Lieferschein im RFIDChip ausgelesen und an das System weitergegeben. Kurze Zeit später, nachdem die Lieferung gerade einmal die Werkshalle befahren hat und noch verschlossen auf dem Gabelstapler steht, ist die Lieferung bereits verbucht. In einem Versandhaus könnten jetzt z. B. die Lieferungen zusammengestellt werden, die mit der eingegangen Lieferung nun komplett sind und verschickt werden können. Dazu werden zeitgleich die vorhandenen Objekte gepackt, der Lieferschein gedruckt usw. Und das alles in einer Zeit, in der der Wareneingang nicht einmal ausgepackt ist. Den Kunden, der sein Paket einen Tag eher erhält, wird es freuen.
4 RFID-Einsatz außerhalb der Warenlogistik In den internistischen Abteilungen Deutschlands sterben jedes Jahr 29.000 Patienten durch falsche Medikamentengabe, so das Ergebnis einer Studie der Medizinischen Hochschule in Hannover. Abhilfe versprechen sich Gesundheitsexperten durch den Einsatz der RFID-Technik. Im Klinikum Saarbücken kann die Krankenschwester unmittelbar vor der Verabreichung eines Medikamentes überprüfen, ob der Patient das richtige Arzneimittel zur richtigen Zeit in der richtigen Dosis bekommt. Möglich macht dies die berührungslose Funktechnik RFID. Das Prinzip dahinter ist schnell erklärt: Das Herzstück bildet ein RFID-Chip. Auf ihm ist eine Nummer gespeichert, vergleichbar mit einem Strichcode. Mit einem mobilen Endgerät, etwa einem RFID-fähigen PDA oder Tablet-PC, liest das Pflegepersonal die Nummer aus und erhält dadurch Informationen wie Alter, Gewicht und Größe des Patienten sowie Mess- und Laborwerte. Ein Expertenprogramm von RpDoc Solutions überprüft die vorgeschlagene Medikation und Dosierung. Bei Gefahr schaltet es auf Rot und erklärt warum. So kann sich der intelligente Helfer als Lebensretter erweisen, etwa bei Krankheiten wie Niereninsuffizienz, wo schon geringe Fehldosierungen tödlich sein können. Die Medikamenten- und Dosierungssicherheit steht im Vordergrund des im April 2005 gestarteten Pilotprojekts in Saarbrücken, an dem Siemens Business Services, Intel und Fujitsu Siemens Computers beteiligt sind. Das Klinikum verfügt über 695 Betten, jährlich werden rund 27.000 Patienten stationär und 84.000 Patienten ambulant behandelt. Seit Beginn dieses Jahres werden auch Blutkonserven für rund 1.000 Patienten mit RFID ausgestattet. Jeder Blutbeutel erhält bei der Anlieferung ins Krankenhaus einen
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Tag mit einem entsprechenden Code. Dieser korrespondiert mit einem Eintrag in einer gesicherten Datenbank, in der Herkunft, Verwendungszweck und Empfänger hinterlegt sind. Bringt die Schwester die Beutel mit der Blutspende zum Patienten, liest sie mit einem PDA sowohl den Chip an der Verpackung als auch am RFID-Armband des Patienten ein. Erst wenn die Daten übereinstimmen, wird das Blut verabreicht. Der Patient erhält die richtige Transfusion in der exakten Menge. Die Informationen fließen anschließend in den klinischen Prozess und den Datensatz des Patienten ein. Auch im größten öffentlichen Krankenhaus in der New Yorker Bronx hat die moderne Technik Einzug gehalten. Dort tragen die Patienten den Zugang zu ihrer Krankengeschichte im Funkarmband. Bei der stationären Aufnahme bekommen die Patienten des Jacobi Medical Center ein Papierarmband mit integriertem RFID-Chip angelegt. Darauf sind Name, Aufnahmedatum und Patientennummer hinterlegt. Alle weiteren Patientendaten befinden sich in einer elektronischen Akte auf dem zentralen Datenbankserver. Mithilfe mobiler Geräte erhalten die Ärzte über die Patientennummer und WLAN jederzeit Zugriff auf alle Krankendaten wie Anamnese, Diagnosen, Laborberichte, Allergiebefunde oder Röntgenaufnahmen. Die Ärzte sind damit sofort im Bild über den Patienten.
Abb. 9. RFID ermöglicht eine sichere Patientenidentifikation per Funk und eine sichere Zuteilung der Medikamente und Blutprodukte (Quelle: Siemens Business Services)
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Abb. 10. RFID-Einsatz im Krankenhaus (Quelle: Siemens Business Services)
Das Klinikpersonal kann bereits während der Behandlung über PDA oder Tablet-PC die Patientendaten aktualisieren. Die Pfleger ersparen sich Schreibarbeiten und haben somit mehr Zeit, sich um jeden einzelnen Patienten zu kümmern. Auch die Patienten sind durch RFID besser informiert. Fragen, die bei der Visite nicht beantwortet wurden, kann der Patient an speziellen Terminals im Aufenthaltsraum in aller Ruhe über sein Armband am Bildschirm abrufen. Dort stehen Informationen beispielsweise zu Blutdruckwerten, Krankheiten und entsprechenden Therapien sowie Behandlungs- oder Entlassungstermine bereit. Doch nicht nur auf die Krankengeschichte lässt sich dank RFID schneller zugreifen: Ein spezieller Sensor an der Brust misst die Herzwerte und sendet sie an eine RFID-Uhr, welche die Daten wiederum an den Arzt funkt. Um die Position des Trägers auf zwei Meter genau ermitteln zu können, befinden sich auf dem Klinikareal mehrere Antennen. Sobald sich der Zustand des Patienten verschlechtert, können sich die Mediziner sofort an dessen Aufenthaltsort begeben und eingreifen. Auch beim Management der Krankenhausbetten bietet die Funktechnik Optimierungspotenzial. An den Betten angebracht, zeichnen RFID-Chips automatisch Informationen über deren Bewegung auf. Dadurch wird das Personal bei Routineaufgaben in Hauswirtschaft, Transport, Reparatur, Buchhaltung und Pflege entlastet.
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5 Ausblick RFID steht gerade einmal am Anfang des Durchbruchs. Es sind noch einige Entwicklungen abzuwarten, bis RFID den Massenmarkt erreicht. Die wichtigsten Themen werden im Folgenden erläutert. 5.1 Standardisierung Wie bereits erläutert, gibt es die Transponder in vielen technischen Varianten. Ausschlaggebend ist die Frequenz, auf der die Daten gesendet werden. Zu den einzelnen Frequenzen gibt es von der ISO verabschiedete Standards. Ein Transponder kann auf nur einer Frequenz arbeiten. Das ist solange irrelevant, wie die Transponder in einem geschlossenen Kreislauf nur unternehmensintern verwendet werden. Werden die Transponder allerdings unternehmensübergreifend eingesetzt, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Denn das bedeutet, dass jedes an einer Supply Chain beteiligte Unternehmen die passende Hardware bereitstellen muss, um mit den eingesetzten Transpondern arbeiten zu können. Typischerweise ist ein Unternehmen an mehreren Wertschöpfungsketten beteiligt. Unter Umständen kann es also vorkommen, dass ein Unternehmen mehrere Lesegeräte für verschiedene Frequenzen bereitstellen muss. Dies ist für moderne Unternehmen nicht praktikabel und führt zu hohen Investitionen. Mehrfrequenzfähige Lesegeräte könnten eine Lösung sein, sind aber noch nicht am Markt vorhanden. Das Ziel müssen international geltende und verbindliche Standards sein, die oben dargestelltes Szenario nicht zulassen. Die Standardisierung im RFID-Bereich wurde zu lange beiseitegeschoben, so dass an dieser Stelle akuter Nachholbedarf besteht.
Abb. 11. Logo der International Organization for Standardization
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5.2 Massenmarkt Der Durchbruch steht und fällt nicht zuletzt mit den Preisen für die Transponder. Erst, wenn diese tief genug sind (ca. zwei Eurocent pro Label), kann RFID im Investitionsgütermarkt alle Branchen bedienen. Hieraus werden sich neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Diese Grenze kann bis 2009 erreicht sein. Nachdem RFID ein Standard ist, wird RFID auch Einzug in die privaten Haushalte finden. Die Labelinformationen werden für den Konsumgütermarkt erweitert. Auf dem Label des Joghurtbechers wird das Mindesthaltbarkeitsdatum kodiert werden, und der Kühlschrank wird zum Lesegerät erweitert. Der Kühlschrank kennt seinen Inhalt und meldet, wenn Nahrungsmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben. Durch das bereits heute verfügbare WLAN kann der Kühlschrank zudem einen Einkaufszettel auf dem Drucker ablegen, da der Kühlschrank weiß, welche Nahrungsmittel nicht mehr vorhanden sind. Hierzu wäre es zunächst einmal notwendig, den EPCglobal-Standard weltweit konsequent anzuwenden und jedes hergestellte Objekt damit zu versehen. Dieses hat der Barcode in seiner über zwanzigjährigen Geschichte nicht vollständig geschafft. Ob es überhaupt so weit kommen wird, wird sich zeigen, sobald RFID den Einzug in die Haushalte geschafft hat. Die Chancen stehen aber gut, RFID zumindest auf die Verbreitung, die der Barcode heute hat, zu heben. 5.3 PolyApply PolyApply (The Application of Polymer Electronics to Ambient Intelligence; zu deutsch: Die Anwendung von Polymerelektronik auf Umgebungsintelligenz) ist ein Forschungsprojekt mit dem visionären Ziel von „denkenden Dingen“.
Abb. 12. Logo des PolyApply-Konsortiums
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Allgemein beschäftigt sich das Forschungsprojekt mit der Herstellung von druckbarer Ambient Intelligence. Die Bauelemente (z. B. RFIDTransponder) werden nicht mehr extra an einem Objekt angebracht, sondern bereits mit in die Verpackung gedruckt1. Damit wäre eine einfache Umetikettierung, wie es heute bei RFID möglich ist, ausgeschlossen. Die herkömmlichen, siliziumbasierten Chips werden erst zusammengesetzt (Antenne, Chip) und dann am Objekt angebracht. In der Polymerelektronik werden – auf Basis organischer leitender und halbleitender Materialien – die Bauteile direkt auf ein Plastik-Substrat gedruckt. Daher gibt es auch den Begriff des „Plastik-Chips“. Diese sind (bisher) nicht so leistungsfähig wie die Siliziumchips, aber deutlich günstiger in der Produktion und umweltverträglicher. Alle genannten Entwicklungen stehen noch in den Kinderschuhen. Von der EU und beteiligten Industrieunternehmen geförderte Wissenschaftsprojekte forschen an vielfältigen Möglichkeiten, RFID zu erweitern und zu nutzen.
Abb. 13. Strukturen von Transistoren werden auf Kunststofffolien gedruckt2
Ein Projekt, welches sich nur mit intelligenten Produktverpackungen beschäftigt, ist das PoliTag-Projekt. 2 Hier auf einer Labordruckmaschine des Institutes für Print- und Medientechnik an der TU Chemnitz. 1
RFID im mittelständischen Einsatz
Dirk Hellbach, Monika Néméth, Wernher von Schrader Tectura GmbH
1 Einleitung Immer wieder hört man, eine neue Technologie wie Radio Frequency Identification (RFID) sei nur etwas für die großen Unternehmen, die es sich leisten können, teure Piloten zu entwickeln. Kleine und mittelständische Unternehmen hätten hier nicht die personellen und finanziellen Möglichkeiten, sich frühzeitig mit dieser Technologie zu beschäftigen. Gleichzeitig sehen viele mittelständische Unternehmen zumindest mittelfristig den Investitionsbedarf gegeben. Deshalb muss schon heute die Frage gestellt werden:
2 Ist der Mittelstand bereit für RFID? RFID ist seit mehreren Jahren eines der Hauptthemen in der Fachdiskussion über Logistik, Supply Chain Management und Artikelverfolgung. Unbestritten hat sich inzwischen in vielen Projekten diese Technologie bewährt. Viele große Unternehmen haben eigene Labore eingerichtet, die sich mit der technischen Entwicklung der Transponder und Lesegeräte beschäftigen und die die Prozesse, die mit RFID gesteuert werden sollen, beschreiben. So ist die METRO ein Vorreiter für den Einsatz von RFID in der Lieferkette der Konsumgüterindustrie und des Handels, während Pfizer schon seit langem sein Potenz-Mittel Viagra mit RFID-Tags vor Produktpiraterie schützt.
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Durch diese Forschungsunterstützung seitens der „global Player“ hat RFID eine schnell fortschreitende technologische Entwicklung genommen. Viele Einsatzszenarien, die vorstellbar sind, krankten in der Vergangenheit daran, dass sie sich nicht wirtschaftlich sinnvoll umsetzen ließen, da der Automatisierungsvorteil durch nötige händische Korrekturen und Kontrollen verpufft. Aber inzwischen gibt es eine enorme Steigerung der Lesereichweite und Lesezuverlässigkeit und damit neue Einsatzmöglichkeiten der Transponder, z. B. auf und in der Nähe „problematischer“ Materialien wie Metalle und Flüssigkeiten, die in der Vergangenheit noch scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet haben. Diese Erfolge in der Prozessfähigkeit der Technologie eröffnen immer neue Anwendungsfelder für die RFID. Insgesamt gehen die Autoren dieses Artikels davon aus, dass sich RFID schneller flächendeckend verbreiten wird, als es die Analysten im Moment noch erwarten. Denn wesentliche Barrieren, die bislang gegen eine baldige Einführung gesprochen haben, scheinen inzwischen schon sehr niedrig zu sein. Dafür spricht nicht zuletzt die Menge der durchgeführten RFIDEinführungen im Mittelstand. Welche Hindernisse, RFID einzuführen, hat der Mittelstand im Gegensatz zu den großen Unternehmen?
Mittelständler können sich keine eigenen Forschungslabore für die Neugestaltung von Prozessen oder die Erprobung neuer RFID-Technologien leisten. Deshalb wurden in der Vergangenheit im Mittelstand vor allem drei Gründe genannt, die einer baldigen Einführung im Wege stehen: • Erstens die mangelnde Standardisierung sowohl technisch als auch inhaltlich: Hier herrschte vor allem die Befürchtung, dass die Transpondertechnologien noch nicht ausgereift waren und einer schnellen Veränderung unterliegen. Des Weiteren wurde bemängelt, dass die Datenformate auf den RFID-Transpondern nicht definiert sind und damit keinen überbetrieblichen Austausch ermöglichen. Ohne diese Standardisierung wolle man aber nicht investieren, da die Zukunftsfähigkeit nicht sichergestellt sei. • Zweitens sieht man sich überfordert von den innovativen Prozessen: RFID-gestützte Prozesse müssen neu definiert werden und sind durch ihren hohen Automatisierungsgrad zunehmend komplex. Dem Mittelstand fehle hier das organisatorische Know-how und die nötigen Ressourcen. Der Mittelstandsvorteil Flexibilität setzt ja auf die kurzen Wege zwischen den handelnden Personen und das damit verfügbare impliz-
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ite Wissen der Mitarbeiter. RFID setze hier mehr auf die systemseitige Selbstorganisation. • Drittens fehlt allgemein das Wissen, wie sich RFID-Technologie in die bestehende Systemlandschaft einbinden lässt. Allgemein wird hier der Barcode als die für den Mittelstand geeignete, wesentlich preiswertere Produktidentifizierung angesehen. Diese in einschlägigen Umfragen bestätigten Vorbehalte seitens mittelständischer Betriebe unterliegen nun aber auch einer starken Veränderung. • Dass sich hier die Stimmung ändert, zeigen zum einen die stetig steigenden Zahlen von tatsächlichen RFID-Einführungen im Mittelstand und zum anderen, dass die Standardisierungen recht deutlich vorangeschritten sind. So ist in der überbetrieblichen Lieferkette durch EPCglobal der Funkfrequenzbereich maßgeblich standardisiert, und einheitliche Datenformate für Produktkennzeichnungen sind vorgegeben. • Viele haben auch erkannt, dass Barcode-Einführungen ähnliche, wenn nicht die gleichen Prozessverbesserungen verlangen, wie es bei RFID der Fall ist. Denn oft ist es nur eine Frage der Umgebungsbedingungen, welche Technologie den Vorzug bekommt. 2.1 Mit Barcode schon heute komplexe Handels-Logistik in den Griff bekommen Ein Beispiel, wie die Logistikprozesse heute schon mit Barcode abgebildet werden, zeigt der mittelständische Tiefkühl-Backwarenhersteller Hiestand. Die Hiestand AG mit Hauptsitz in der Schweiz expandierte 1989 nach Deutschland und begann zunächst von Gerolzhofen in Unterfranken aus, seine Tiefkühlprodukte zu vertreiben. Schnell wurde klar, dass es nicht bei einer Vertriebsniederlassung bleiben würde. Sukzessive wurde der Standort als Produktionsstandort ausgebaut. 1997 wurde die Produktion in einem Neubau erheblich ausgeweitet. Heute wird dort ein Großteil der über 600 Produkte hergestellt, die Hiestand an Tankstellen, in Bäckereien, Back-Shops usw. vertreibt. Dazu gehören nicht nur die berühmten Gipfel (Croissants), sondern auch viele verschiedene Klassiker wie Brötchen, Süßgebäck und raffinierte Snacks wie Tomatenstrudel und Hot-Dog-de-Luxe. Hiestand liefert dabei die Tiefkühlteiglinge in allen Garstufen.
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Abb. 1. Weder Barcode noch RFID-Tag machen auf dem Schoko-Croissant Freude – auf der Versandeinheit sind sie bereits Alltag
2001 wurde dann das Vertriebs- und Handelsunternehmen Suhr im Breisgau übernommen, wodurch Hiestand in die Lage kam, die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Logistik im Unternehmen zu vereinen. Hiestand & Suhr dient als Vertriebs- und Marketinggesellschaft, die den Kontakt zum Endkunden hat und die Aufträge entgegennimmt. Hiestand in Gerolzhofen ist für die Produktion der Waren zuständig und verwaltet die sieben Auslieferungslager in Deutschland, von denen aus die 120 Lkws direkt die Großhändler und Endkunden in ganz Deutschland innerhalb von 24 Stunden beliefern. Bereits 1998 begann Hiestand seine betriebswirtschaftliche Software auf Basis von Microsoft Dynamics™ NAV (ehemals Microsoft® Business Solutions – Navision®) einzuführen. Hiestand hat die Flexibilität von Dynamics NAV und das Know-how von Tectura genutzt, um eine hoch integrierte und schnell reagierende Lieferkette aufzubauen. Kunden von Hiestand können bis 15 Uhr bestellen und die Ware wird bereits am nächsten Tag geliefert. Ein Echtzeitabgleich zwischen dem Vertriebsmandanten und dem Lagerverwaltungssystem über einen „Kommunikations-Server“ sichert die genauen Angaben der Lieferfähigkeit des zugehörigen Auslieferungslagers. Dort wird direkt der Kundenauftrag inklusive Palettenbildungsvorschlag übernommen, mit Barcodescannern kommissioniert und am Warenausgang zurückgemeldet. Dabei werden sowohl die Lagerabgangsmethoden als auch etwaige Resthaltbarkeitsanforderungen mit berücksichtigt. Die Rückmeldungen aus dem Lagerverwaltungssystem an das Warenwirtschaftssystem dienen als Grundlage für die Faktura. Großkunden wie Mineralölgesellschaften erhalten dabei ihre Rechnungsdaten direkt via EDIFACT.
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Abb. 2. Beispiel für die Parametrisierung eines Lieferavis für eine bestimmte Lieferadresse
Die Prozesse sind mit Barcode automatisiert
Auf der anderen Seite erfährt der Produktionsstandort die genauen Bestandsdaten der Lager und die offenen Auftragsmengen und kann so die eigene Produktion planen und steuern. Selbstverständlich werden die Waren mit EAN 128 ausgezeichnet und die Nummern der Versandeinheit (NVE) vergeben, bevor sie entweder in das Zentrallager oder in eines der Auslieferungslager weitergeleitet werden. Am Produktionsausgang nach der Verpackung sind Eichwaage und Palettierroboter direkt mit Dynamics NAV verbunden und die Übergabe an das Lagerlogistiksystem wird automatisch dokumentiert. Die Lagerverwaltung steuert die Ein- und Umlagerungen der über 13.000 Lagerplätze an den sieben Lagerstandorten. Mit 80 Barcodescannern werden die Waren dort kommissioniert, mit den Barcodes versehen und über Citrix-Terminals direkt die Daten an Dynamics NAV übergeben.
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Das Beispiel zeigt, wie Mittelständler heute schon komplexe LogistikProzesse weitgehend automatisiert haben, ohne direkt die RFID-Technik einzusetzen. Abgesehen davon, dass RFID zu diesem Zeitpunkt noch nicht in technisch ausgereifter Form zur Verfügung stand, würde sich auch heute Hiestand möglicherweise für den Barcode entscheiden, da eine Anforderung, dass die Kühlkette durchgängig gemessen werden muss oder dass eine Pulkerfassung die Lieferprozesse stark beschleunigen würde, nicht unbedingt gegeben ist. Entscheidend ist aber, dass die internen organisatorischen Abläufe gegeben sind, die eine RFID-Einführung jederzeit, wenn wirtschaftlich sinnvoll, möglich machen. Viele Hürden, die in der Vergangenheit gegolten haben – wie technische Voraussetzungen und Organisations- und Automatisierungsgrad der Unternehmen –, sind also niedriger geworden. Gleichzeitig hat der Mittelstand weiterhin den großen Vorteil gegenüber den Großunternehmen: Viele Prozesse, bei denen RFID helfen kann, sind im Mittelstand nicht so komplex, so dass eine Einführung bereits nach kurzer Zeit zu einem messbaren Return on Investment führen kann. Damit kann auch für kleine- und mittelständische Unternehmen der RFID-Einsatz attraktiv und wirtschaftlich sein. Das belegen auch die von Tectura durchgeführten Projekte. Ein Beispiel ist das Referenzprojekt von Tectura gemeinsam mit dem Fraunhofer IML bei der Firma Hommel CNC-Service. 2.2 RFID unterstützt das Ersatzteilgeschäft im Maschinenbau Hommel CNC-Service GmbH, Köln, ist mit ca. 60 Mitarbeitern für den After Sales Service und das Ersatzteilgeschäft in der Hommel-Gruppe, einem führenden Händler und Hersteller von Werkzeugmaschinen, zuständig. Über zwei zentrale Lager in Köln und Stuttgart versorgt Hommel CNC-Service seine in ganz Deutschland beheimateten Kunden mit den nötigen Ersatzteilen. Darüber hinaus dienen aber auch die Servicefahrzeuge als mobile Ersatzteillager, die sich im Bedarfsfall untereinander austauschen müssen, da viele teure Ersatzteile nicht überall jederzeit vorgehalten werden können. Für eine effiziente Logistik ist daher der genaue Aufenthaltsort der Teile wichtig. Zudem muss gerade bei teuren Ersatzteilen wie Platinen oder Schrittmotoren die eindeutige Identifikation möglich sein, um z. B. Gewährleistungsansprüche richtig zuzuordnen. Zum Start des Projektes musste sich Hommel erst einmal für einen Anbieter entscheiden. Dabei hat sich Hommel nicht in erster Linie für die eingesetzte Hardware interessiert, sondern für eine Abbildung des Prozesses. „Hommel hat sich für die Partner Tectura und Fraunhofer IML ausge-
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sprochen, da beide Partner zusammen einen breiten Marktüberblick haben. Hinzu kommt, dass durch das openID-center beide Partner selbst über ein hohes technisches RFID-Know-how sowie über Kenntnisse der spezifischen logistischen Datenmodelle, wie es das Ersatzteilgeschäft verlangt, verfügen“, erläutert Guido Schmitt, Geschäftsführer der Hommel CNCService, seine Kriterien für die Auswahl. Für eine erfolgreiche Projekteinführung wollte Hommel zunächst die eigenen Anforderungen in einem Praxistest auf ihre Umsetzbarkeit hin prüfen. Tectura und Fraunhofer IML bieten im openID-center eine Einrichtung, in der Unternehmen die neuesten Entwicklungen eines praxisgerechten Einsatzes von RFID-Technologien in der Logistik sehen und auch eigene Anforderungen in einer Testumgebung prüfen können. Diese Testumgebung kann, wie im Fall von Hommel, auch zum Kunden transferiert werden. Tectura und Fraunhofer IML nahmen bei Hommel CNC-Service im Rahmen dieser RFID-Hardwarespezifikation die Daten auf, evaluierten die Hardware-Anbieter am Markt und führten die notwendigen HardwareTests zunächst im openID-center und schließlich bei Hommel vor Ort durch. Danach konnte eine konkrete Empfehlung für eine bestimmte Hardware-Konfiguration ausgesprochen und das darauf folgende RFIDIntegrationsprojekt spezifiziert werden.
Abb. 3. Mithilfe der zum Teil versteckt angebrachten RFID-Tags lassen sich die Teile bei Hommel eindeutig identifizieren
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Abb. 4. Unabhängig von der Hardware werden die Informationen auf dem RFIDTag direkt in Dynamics NAV eingelesen
Um die Zukunftsfähigkeit des Systems sicherzustellen, kam es bei dieser Vorgehensweise aber auch darauf an, dass die RFID-Hardware einzig und allein zur sicheren Datenkommunikation genutzt und nicht selbst zum prozessbestimmenden Faktor wird. Die Daten wurden schließlich über eine Middleware an das ERP-System übermittelt, so dass eine spätere Umrüstung auf eine andere RFID-Hardware ohne Eingriffe in die IT-Prozesse möglich ist. Gemeinsam mit Microsoft hat Tectura ein integriertes System entwickelt, das alle Informationen, die von und zu den RFID-Tags fließen, in Microsoft Dynamics™ protokolliert. Die RFID-Technologie wird dabei in das ERP-System Microsoft Dynamics™ NAV über eine Middleware (Tectura® RFID) integriert. Beim Einsatz von Tectura RFID wird der allgemeine Ablauf der logistischen Prozesse weiterhin von Microsoft Dynamics NAV initiiert. „Wir haben bei Hommel eine Kommunikations-Schicht unter das ERP-System gelegt“, erläutert Dirk Hellbach, Leiter Logistikinformationssysteme bei Tectura. „An diese Schicht können verschiedene RFID-Reader und -Writer adaptiert werden.“ Als Reader dienen Lesestifte mit Bluetooth der Microsensys GmbH, Erfurt. Die erwähnte Schicht ermöglicht es, unterschiedliche RFID-Hardware zu implementieren, ohne
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dass der Informationsfluss zwischen der Middleware und dem ERPSystem parametrisiert werden muss. So lassen sich sowohl ältere als auch neuere Technologien einsetzen. Der Informationsfluss an das ERP-System bleibt gleich. Um von Anfang an die wirtschaftliche Einführung der RFID-Technologie mit möglichst geringen Risiken im Auge zu behalten, hat sich Hommel für eine schrittweise Einführung entschieden. Nachdem der erste Pilot die prinzipielle Machbarkeit erwiesen hatte, wurden im nächsten Schritt nur die wertvollsten und kritischsten Produkte mit RFID-Transpondern versehen. Damit stellte Hommel sicher, dass einerseits eines der Hauptprobleme bekämpft wird, nämlich der stetige Schwund hochwertiger Ersatzteile im Sumpf einer intransparenten Ersatzteillogistik, zum anderen, dass nicht zu viele Datensätze bei etwaigen Problemen die Fehlersuche erschweren. Im Ergebnis hat Hommel jetzt jederzeit die Sicherheit zu wissen, wo sich ein bestimmter Artikel zu jedem beliebigen Zeitpunkt befindet. Eine Verwechslung ist nun praktisch ausgeschlossen, eine Manipulation nur sehr schwer möglich.
3 Effizienzsteigerung durch RFID entlang der Supply Chain Um von der Rückverfolgung der teuren Artikel zu einer exakten Nachverfolgung aller Artikel zu kommen, muss die Wirtschaftlichkeitsberechnung ausgeweitet werden. Frühere Optimierungsversuche der Lieferkette setzten auf eine starke Standardisierung von festen Lieferbeziehungen. Dort wurden bestimmte Produkte bestellt und geliefert, und deren Eigenschaften waren in Referenzdokumenten abgelegt. Dies führte aber zwangsweise zu einem relativ starren und unflexiblen System mit festen Lieferantenbeziehungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bzw. mit unvorhersehbaren Unstimmigkeiten durch nicht nachvollziehbare Produktwechsel. Wenn nun produkt- und herstellerspezifische Informationen bereits beim Hersteller direkt auf dem Artikel oder dessen Verpackung gespeichert werden, stünden diese Informationen ohne einen Zugriff auf eine zentrale Datenbank in Echtzeit zur Verfügung. Dies hat viele Vorteile: • Es kann eine lückenlose Verfolgung der einzelnen Artikel gewährleistet werden. • Eine Effizienzsteigerung in der Lieferkette entsteht bei der Wareneingangs- bzw. Warenausgangskontrolle durch die Erfassung mehrerer Produkte in einer Lieferung.
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Abb. 5. RFID in der Supply Chain
• Bei der automatischen Sortierung finden die Objekte ihr Ziel mithilfe der auf dem Transponder angebrachten Informationen. • Kommissionierprozesse können durch den Einsatz von Transpondern unterstützt und kontrolliert sowie aufwendige und zeitintensive Inventurvorgänge optimiert werden. Dies alles ist technisch gesehen keine Zukunftsvision, die in weiter Ferne liegt. Die Standardisierung von Hardware und Datenformaten, die ja die bekannten EDI-Standards weiterhin nutzen, ist inzwischen so weit fort geschritten, dass einer solchen Einführung prinzipiell nichts mehr im Wege steht. Dennoch muss beständig überprüft werden, welche betriebswirtschaftlichen Vorteile durch die Einführung tatsächlich erzielt werden. Dabei ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass andere Technologien innerhalb der Logistik zum Einsatz kommen, die eine RFID-Einführung beeinflussen. Vereinfacht ausgedrückt, kann an das Lagerverwaltungssystem von Tectura jeder beliebige Aktor oder Sensor angeschlossen werden, seien es Fahrerlose Transportsysteme, Hochregalsteuerungen oder Kommissionierhilfen. Eine interessante Integration bietet Pick-by-Voice. Tectura Pick-ByVoice ist ein erprobtes Kommissionierungssystem und erweitert das Angebot des Tectura Lagerverwaltungssystems. Es ist das optimale Bindeglied zwischen der Sprachtechnologie von per dictum und dem Lagerver-
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waltungssystem Tectura LVS im logistischen Betrieb. Ein modernes Kommissioniersystem muss sich den individuellen Gegebenheiten vor Ort anpassen. Daher hat Tectura ein sehr flexibles System entwickelt, das sich in fast jeder Einsatzumgebung installieren lässt. Mit Tectura Pick-by-Voice in Verbindung mit Tectura LVS werden Abläufe im Lager rationalisiert. Die Kommunikation zum Tectura LVS erfolgt online, so dass jederzeit aktuelle Bewegungsinformationen vorhanden sind. Tectura Pick-by-Voice übernimmt Aufträge aus dem Tectura LVS und generiert daraus Voice-Kommissionieraufträge. Dabei werden sowohl Personal- und Fahrzeugstammdaten als auch unterschiedliche Kommissionier-Strategien berücksichtigt. In Verbindung mit RFID – sei es als in den Handschuh integrierter RFID-Scanner oder in DurchfahrRahmen – lässt sich nun der durch Pick-by-Voice gewonnene Vorteil – dass nämlich der Kommissionierer immer beide Hände frei hat für die Warenbewegung und seine Kommissionierungen nicht für Scans mit einem Handheld unterbrochen werden müssen – aufrecht erhalten. Dennoch ist eine vollständige Kontrolle der Kommissionierung durch elektronische Datenerfassung möglich. Wie schon oben angedeutet, befinden sich zurzeit zahlreiche RFIDProjekte auch im Mittelstand bereits in der Umsetzung (vgl. Informationsforum RFID. Ein Leitfaden für den Mittelstand). So werden z. B. im Produktionsbereich Transponder zur Produktionssteuerung und zur Identifikation von Transporthilfsmitteln (Werkstückbzw. Werkzeugträger, Ladungsträger, Behälter u. Ä.) eingesetzt. Bestände und Bewegungen dieser Transporthilfsmittel können mithilfe von RFID gesteuert und überwacht werden. Das Fortschreiben der Bearbeitungsschritte auf dem Werkstück oder dessen Transporthilfsmittel ermöglicht einen Soll-Ist-Vergleich für die Endabnahme. Ein bekanntes Beispiel1 hierfür ist die Halbleiter-Produktion von Infineon in Österreich, da dort die Verarbeitungsschritte immer wieder wiederholt werden müssen. Ein ständiges Scannen eines Barcodes wäre hier zu aufwendig. Ebenfalls über die Möglichkeiten des Barcodes hinaus gehen die RFIDTransponder mit eingebauten Messfühlern. Die Kontrolle z. B. der Lagerund Transporttemperatur sorgt für die Qualitätssicherung von temperaturempfindlichen Produkten wie Arznei- und Lebensmitteln.
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Zum Nutzen der RFID-Unterstützung in der Produktion bei Infineon: Interview mit Hanspeter Fischer, Projektleiter iFAB: http://businesscircle.at/files/interview_fischer/Interview_fischer.pdf (zuletzt zugegriffen am 21.11.2006)
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Abb. 6. Mit Headsets wie diesem haben Logistikmitarbeiter immer beide Hände frei.
Ein weiterer wichtiger Bereich für RFID ist der Einsatz in rauen oder verschmutzenden Umgebungen. Dort, wo Barcodes einfach unleserlich werden würden, kann mit RFID eine robustere Variante gefunden werden. Das könnten Fußmatten sein, die mit Wasser und Lauge gereinigt werden, oder Werkzeuge im Tagebau, die rundum verschmutzt sind. Originalitätsschutz/Fälschungssicherung
Laut WHO2 sind bereits zehn Prozent aller Arzneimittel weltweit gefälscht. Die FDA empfiehlt daher bereits den Einsatz von RFID zur sicheren Nachverfolgung. Was nutzt die eigene Qualität in der Herstellung, wenn Produktfälschungen am Markt erhältlich sind? Hierzu kann die RFID-Technologie mit der Public-Key-Infrastruktur-(PKI-)Technologie kombiniert werden. Diese ist ein Sicherheitsverfahren, bei dem digitale Zertifikate zum Einsatz kommen. Während der Herstellung versiegelt der Hersteller Daten auf dem Tag, inklusive Unique Identification Number und dem Product Manufacturer Identifier, um einen sicheren und unveränderlichen Code zu kreieren. Der betreffende Tag wird mit dem Schlüssel des Herstellers digital „signiert“.
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http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs275/en/ (zuletzt zugegriffen am 17.11.06)
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Abb. 7. Schema, wie eine Anfrage über EPC aussehen könnte
Der RFID-Reader kann dann den authentifizierten Tag und dessen digitale Signatur „bestätigen“ – egal an welchem Punkt in der Lieferkette. Durch diesen Schutz können alle hochwertigen Produkte vor Imitation bewahrt und Verluste verringert werden. Die weitergehende Möglichkeit ist, die Authentifizierung nicht auf den RFID-Tags selbst zu hinterlegen, da dies die Tags selbst teurer macht, sondern über den von EPC (Electronic Product Code)3 favorisierten Weg über den Object Name Service (ONS) zu gehen. Dieser zentrale Server speichert in einem Verzeichnis alle Hersteller, die daran angeschlossen sind, und leitet die Anfrage an einen vom Hersteller gehosteten Server weiter, wo die konkreten Informationen wie Herstelldatum, Logistikhistorie usw. zu dem Produkt hinterlegt sind. Passt die aktuelle Situation nicht zur Produkthistorie, muss etwas fasch sein. Dieser Weg wird für den gesamten Handel in Zukunft wohl der interessanteste sein. Die Einsatzmöglichkeiten von RFID sind so vielfältig, wie es der Mittelstand selbst ist. Es gibt daher keine Plug-and-Play-Lösungen, die es erlauben, ohne große Veränderungen die Technik zu nutzen. Aber zugleich baut die RFID-Technologie auf bewährten Standards auf, die bereits in anderen Zusammenhängen entwickelt wurden. 3
Empfehlung der EPC zu ONS finden sich zum Beispiel: http://www.gs1germany.de/content/e39/e466/e468/datei/ccg/8_auto_id-ons-1.0.pdf (zuletzt zugegriffen am 17.11.06)
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Wie bei Hommel sollte gemäß der „Engpass-Theorie“ zunächst am größten Schmerz angesetzt werden, um diesen zu optimieren bzw. den Engpass zu beseitigen. Je nach Industrie variieren hier die häufigsten Gründe für Engpässe. Seien es die Lieferverfügbarkeit, die Produktsicherheit oder die Effizienz des Lagers: Es sind oft nicht-monetäre Gründe, die den Ausschlag geben.
4 Rolle des ERP-Systems für die informationslogistische Kette RFID-Prozesse sind kein Selbstzweck, sondern die technische Seite einer Prozessinnovation. Kern der Prozessinnovation ist eine effiziente Informationslogistik. Das heißt: Wie kann man sicherstellen, dass benötigte Informationen im richtigen Moment am richtigen Ort sind, so dass auf dieser Basis die richtigen Entscheidungen getroffen werden? Der Einsatz von RFID lohnt sich daher auch erst immer dann, wenn die Prozesse, die mit RFID automatisiert und effizienter gesteuert werden können, bereits durch entsprechende IT unterstützt werden. So hat es wenig Sinn, einen Artikel mit RFID zu versenden oder entgegenzunehmen, wenn das elektronische Lieferavis nicht dementsprechend via EDI verarbeitet wird. In den meisten Fällen der aktuellen RFID-Projekte im Mittelstand ist die informationslogistische Zentrale das ERP-System, das für bestimmte Aufgaben von angehängten oder integrierten Systemen unterstützt wird. So kann für die Lagerortzuweisung und Inventur das Lagerverwaltungssystem zuständig sein und für die Bestimmung von Garantiezeiten eines Produktes das CRM-System. Immer wird beim Einsatz der RFID-Technologie der allgemeine Ablauf der logistischen Prozesse vom ERP-System initiiert. Eine typische Konfiguration der IT-Systeme sieht in der Intralogistik folgendermaßen aus: Der allgemeine Ablauf der logistischen Prozesse wird vom ERP-System initiiert und geplant. Auf der nächsten steuernden Ebene kommt meist ein Lagerverwaltungssystem (LVS) zum Einsatz. Dank der autonomen Prozesslenkung durch RFID-Technologie kann optional das ERP-System direkt angebunden werden. Eine Middleware zwischen dem ERP-System und der RFID-Technik (z. B. BizTalk RFID von Microsoft) hat das Ziel, eine reibungslose, standardisierte Interaktion der Anwendungen zu ermöglichen. Mithilfe der Middlewaretechnik können unterschiedliche RFID-Systeme mit ERP- und LVS-Systemen verbunden werden.
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Abb. 8. Struktur der Integration von RFID-Technologie in die ERP-Software
Die Middleware transformiert ERP-Daten in „Maschinensprache“ und umgekehrt. Der Transponder schließlich ist ein Datenspeichermedium mit Funkverbindung zu den entsprechenden Schreib- und Lesegeräten. Für die berührungslose Identifizierung ist kein Sichtkontakt erforderlich. Eine klare Entkopplung von ERP-System und RFID-Hardware hat den Vorteil, dass nur solche Daten an das ERP-System weitergegeben werden, die dort auch zu bearbeiten sind. Es macht wenig Sinn, wenn die Warenlieferung auf einem Lkw zwar in einigen Sekunden erfasst wurde, aber die Zuweisung des Lagerplatzes aus dem ERP-System auf sich warten lässt. Es geht aber nicht nur um eine Synchronisation der Abläufe. Vielmehr sollen Informationen, die allein die Feldebene betreffen, das ERP-System gar nicht erst belasten. Ein weiterer Vorteil der Entkopplung ist, dass zukünftige HardwareEntwicklungen flexibel integriert werden, da die neue, modifizierte RFIDHardware nur über Parametersetzung innerhalb der Middleware ohne Anpassungen im ERP-System integriert wird. Durch den Einsatz der Middleware steht zugleich ein steuerndes Medium zur Verfügung, um weitere Systeme wie Fördertechnik, Fahrerlose Transportsysteme usw. mittels RFID zu steuern.
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Abb. 9. Tectura RFID: Beispiel Warenausgang (vgl. Schritt 3 der Abb. 5)
Auch hier gilt, dass eine zukünftige Plattformtechnologie eine Serviceorientierte Architektur ermöglichen wird (in der dann die Middleware für die Altsysteme, ohne die entsprechenden SOA-Schnittstellen, weiterhin eine Rolle spielen wird). Wird bei der Einführung darauf geachtet, dass eine modulare ITUmgebung aufgebaut wird, so lassen sich mit dem Einsatz von RFID nicht nur die logistischen Prozesse beschleunigen, sondern auch die informationslogistische Kette lässt sich vereinfachen, da viele Aufgaben durch verteilte Systeme erledigt werden. Im Ergebnis wird das ERP-System weniger beansprucht, da viele Informationen nur noch bei Bedarf eventgesteuert erfragt oder registriert werden müssen. Es können sehr flexible Softwaremodule für die betriebswirtschaftlichen Daten eingesetzt werden; Mächtigkeit steht dann weniger im Vordergrund. Dennoch werden die Daten, die mittels RFID direkt von der Feldebene erhoben werden, eine bessere Qualität haben und als Echtzeitdaten vorliegen können. In der praktischen Einführung gilt es darauf zu achten, dass die Responsezeiten, z. B. einer Lagerbestandsabfrage, minimal sind und für die Transaktion zeitnah zur Verfügung stehen. Nur so lassen sich diese Daten im laufenden Prozess auch nutzen.
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5 Zusammenfassung Bei der Evaluation des Einsatzes der RFID-Technologie müssen verschiedene Dinge beachtet werden. Der erste und wichtigste Punkt ist die Feststellung des Projektziels. Welcher Zustand soll durch RFID optimiert werden? Wir haben schon gesehen, dass sich hier sehr unterschiedliche Szenarios denken lassen. Aus dieser Zielsetzung leiten sich auch die Erfolgskriterien ab, die damit verknüpft sind. Soll eine Kostensenkung, Zeitgewinn oder Prozesssicherheit erreicht werden? (Um nur einige mögliche Ziele zu nennen.) Wichtig ist, auf die Gesamtsituation des Unternehmens zu achten. Möglicherweise lassen sich so auch ganz neue Geschäftsmodelle umsetzen. Sind der Einsatzort und der Prozess für die RFID-Technologie geklärt, kann die technische Umsetzung geplant werden. Je nach Anwendungsfall können verschiedene Transponder gewählt werden: read only, read once, read/write. Ein gleichzeitiges Lesen mehrerer Transponder in einem Lesevorgang (Pulklesung) und die Wiederbeschreibbarkeit sind die wesentlichen Vorteile von RFID im Vergleich zum Barcode. Hinzu kommen eine hohe Resistenz und Langlebigkeit. Mit Sensorik ausgestattete Transponder sind in der Lage, z. B. einen Temperaturverlauf für einen definierbaren Zeitraum zu dokumentieren. Tectura und das Fraunhofer IML gehen hier anbieterneutral vor, da es für eine zukunftsfähige Lösung nötig ist, sich von der Hardware unabhängig aufzustellen. Entscheidender als die Hardware ist ein stimmiges Datenmodell, das die Interaktion mit dem ERPSystem und anderen Datenbanken effizient gestaltet. Im Ergebnis kann es sogar sein, dass nicht RFID, sondern reiner Barcode zum Einsatz kommt. Spätestens hier ist der mittelständische Projektleiter auf die Erfahrung eines Beraters angewiesen. Tectura bietet hier eine ganzheitliche Systembetrachtung über die Hardware zur Software und Systemintegration, die im openID-center auch einer ständigen Überprüfung und Weiterentwicklung unterzogen wird. Aber auch schon in der Neugestaltung von logistischen Prozessen kann Tectura helfen, Soll-Szenarien und die dazugehörigen Prozessabläufe zu definieren. RFID-Projekte sind nicht komplexer als andere Einführungen von Unternehmenssoftware, vor allem, wenn man wie bei Hommel in kleinen Schritten startet und das System später ausweitet. Die große Chance, die RFID bietet, ist die zunehmende Vernetzung innerbetrieblicher und überbetrieblicher Abläufe, ohne riesige monolithische Systeme aufzubauen oder starre Vorgaben ständig einhalten zu müssen. Schritt für Schritt kann die Informationshoheit von zentralen Steuerungssystemen an die einzelnen logistischen Abteilungen delegiert werden.
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Trotzdem ist eine ständige und aktuelle Überwachung durch die ständige Erfassung an den Lesegeräten gegeben.
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Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M., Mareike Bonnekoh Westfälische Wilhelms-Universität Münster, ITM
1 Einführung RFID ist die Abkürzung für „Radio Frequency Identification“ und bezeichnet Verfahren zur automatischen und verbindungslosen Identifizierung von Objekten über Funk. RFID-Systeme könnten sich zu einer Schlüsseltechnologie der Zukunft entwickeln und werden schon heute in vielen Bereichen, insbesondere im Logistikbereich und der Lagerbewirtschaftung nutzbringend eingesetzt. Die Datenübertragung erfolgt durch magnetische oder elektromagnetische Felder. RFID-Systeme bestehen aus zwei technologischen Komponenten: einem Transponder1 und einem Lesegerät. Die Vorteile der RFID-Technologie liegen in der Möglichkeit, kontaktlos und ohne optische Verbindung Daten zu übertragen, in der Leseschnelligkeit von weniger als 100 Millisekunden2 und in der Langlebigkeit der Mikrochips. Außerdem sind RFID-Systeme nahezu wartungsfrei. RFID ist keine neue Technologie. Bereits in den 1940er Jahren entstanden erste Abhandlungen über die Technologie, deren praktische Relevanz allerdings gering war.3 In den 1960ern gelangten dann die ersten kommerziell genutzten RFID-Systeme auf den Markt. Dabei handelte es sich um Der Begriff Transponder setzt sich zusammen aus den Begriffen Transmitter und Responder, vgl. Lahner, Datenschutzrechtliche Probleme beim Einsatz von RFID-Systemen, 2004, S. 1. 2 Association for Automatic Identification and Mobility (AIM), What is Frequency Identification (RFID)?, 2004. 3 Landt, Shrouds of Time, The History of RFID, 2001, S. 4. 1
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einfache 1-Bit-Transponder, die zur elektronischen Warensicherung4 eingesetzt wurden, um Diebstähle zu verhindern.5 Mit diesen 1-Bit-Systemen konnte lediglich das Vorhandensein oder das Fehlen der Markierung überprüft werden. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die RFIDTechnologie weiter entwickelt und gelangte z. B. bei der Tierkennzeichnung und in Zugangskontrollsystemen zur Anwendung. In den 1990ern breitete sich der Einsatz der Systeme weiter aus und es wurden Verwendungsmöglichkeiten in Verkehrssystemen, bei Zahlungsvorgängen und anderen Bereichen erschlossen.6 In den 2000ern wurde der Anwendungsbereich für die Transpondertechnologie weiter ausgedehnt, was zu einer größeren Produktion und so zu fallenden Stückpreisen führte. Der Stückpreis für die Mikrochips liegt derzeit bei etwa 10 bis 30 Eurocent. Für das Jahr 2008 wird mit einem Stückpreis von nur noch wenigen Eurocent gerechnet. Als „magische Schwelle“ für den Einsatz der Technologie auf dem Massenmarkt wird der Wert von einem Eurocent betrachtet.7
2 Rechtliche Bewertung von RFID Durch Fortschritte in der Informationstechnologie entstehen auch im rechtlichen Bereich neue Herausforderungen. Die Entwicklung neuer Technologien soll das Leben bereichern und Prozesse vereinfachen. Aufgrund der kontaktlosen Auslesbarkeit der RFID-Chips wurde in der öffentlichen Diskussion aber auch die Frage aufgeworfen, ob die Technologie Einschränkungen für das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung mit sich bringt. Verbraucherschützer befürchten, dass gesammelte Daten beliebig miteinander verknüpft werden, ohne dass der Bürger etwas davon erfährt. Das deutsche Recht verfügt jedoch über starke Schutzvorkehrungen zur Wahrung der Privatsphäre. Diese werden im folgenden Abschnitt speziell in Bezug auf RFID näher erläutert (Abschn. 2.1). Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Datensicherheit von RFID-Systemen (Abschn. 2.2). Schließlich soll im dritten Teil der rechtlichen Bewertung auf die rechtlichen Vorkehrungen zum Schutz der vertraulichen Kommunikation und damit des Fernmeldegeheimnisses eingegangen werden (Abschn. 2.3). Da sich die Diskussion aufgrund des Verbraucherbezugs vor allem auf den Einzelhandel bezieht, soll dieser Anwendungsbereich verstärkt dargestellt werden. Electronic Article Surveillance (EAS). Landt, Shrouds of Time, The History of RFID, a. a. O., S. 4. 6 Landt, Shrouds of Time, The History of RFID, a. a. O., S. 5. 7 Wikipedia, Freie Enzyklopädie, Stichwort: Radio Frequency Identification, S. 4. 4 5
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2.1 Recht des Datenschutzes In jüngster Zeit ist vermehrt über die datenschutzrechtlichen Auswirkungen des Einsatzes von RFID-Systemen diskutiert worden. Im Zentrum der Debatte standen die Anwendungen im Handel, weil hiervon viele Bürger in ihrer Rolle als Verbraucher betroffen sind. Es stellt sich die Frage, ob das geltende Datenschutzrecht in der Lage ist, die Belange der Betroffenen zu wahren, ohne Innovationspotenziale einzuschränken. Vorab kann festgestellt werden, dass nicht alle Verwendungsmöglichkeiten der gleichen juristischen Bewertung zugeführt werden können; es bedarf vielmehr einer differenzierten Betrachtung. 2.1.1 Anwendbarkeit des Datenschutzrechts
Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) soll den Einzelnen vor der Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten schützen, die durch den Umgang anderer mit seinen personenbezogenen Daten entstehen kann.8 Der Anwendungsbereich wird also durch den Begriff der „personenbezogenen Daten“ bestimmt. Wie bereits angedeutet, ist nicht jede Verwendungsart von RFID juristisch gleich zu bewerten, sondern es ist zur Bestimmung des datenschutzrechtlichen Anwendungsbereichs danach zu differenzieren, ob personenbezogene Daten betroffen sind. Grundsätzlich lassen sich hier drei verschiedene Grundvarianten unterscheiden: • Zum einen gibt es RFID-Anwendungen, bei denen ausschließlich ein elektronischer Produktcode (EPC) auf den Tags gespeichert wird. • In einer anderen Variante werden diese Produktcodes mit Kundendaten verknüpft, die in einer Datenbank gespeichert sind. • Drittens ist es auch möglich, dass persönliche Kundendaten direkt auf dem Tag gespeichert werden. Speicherung des Produktcodes auf dem Tag In der ersten zu untersuchenden Sachverhaltsvariante wird auf dem Tag lediglich ein elektronischer Produktcode (EPC) gespeichert, wie es im Einzelhandel zukünftig der Fall sein kann. Beispiele hierfür sind die Nutzung von Mehrwegverpackungen sowie die Kennzeichnung von Waren zur automatischen Erfassung im Kassenbereich.
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Vgl. § 1 Abs. 1 BDSG.
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Abb. 1. EPC- Produktcode
Angenommen, ein Kunde nimmt in einem Supermarkt einen Joghurtbecher, der mit einem RFID-Tag gekennzeichnet ist, aus dem Warenregal. Auf dem Tag ist ein EPC gespeichert. Der EPC wird an der Kasse ausgelesen. Es findet kein Einsatz von Kunden-, ec- oder Kreditkarten statt. Zu prüfen ist, ob hier personenbezogene Daten erhoben bzw. verarbeitet werden oder anders ausgedrückt, ob der Produktcode an sich ein personenbezogenes Datum ist. Personenbezogene Daten sind gem. § 3 Abs. 1 BDSG „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).“9 Bestimmt ist eine Person, wenn die Daten mit dem Namen des Betroffenen verbunden sind oder sich aus dem Inhalt bzw. dem Zusammenhang der Bezug unmittelbar herstellen lässt.10 In der hier dargestellten Sachverhaltsvariante ist der Name des Kunden nicht mit dem auf dem Tag gespeicherten EPC verbunden und lässt sich auch nicht aus dem Zusammenhang unmittelbar herstellen, da der Kunde seinen Namen überhaupt nicht preisgibt. Fraglich ist aber, ob die Person bestimmbar ist. Für die Bestimmbarkeit kommt es auf die Kenntnisse, Mittel und Möglichkeiten der fraglichen Stelle an.11 An einer solchen Bestimmbarkeit fehlt es, wenn diese nicht in der Lage ist, die Daten einer Bezugsperson und damit einer natürlichen Person zuzurechnen. So die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG, vgl. auch Art. 2a der Datenschutzrichtlinie, Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Nr. L 281 vom 23. November 1995 S. 31. 10 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, 8. Aufl., 2005, § 3 Rn. 9. 11 Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl., 2003, § 3 Rn. 21; Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 3 Rn. 9. 9
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Nur wenn personenbezogene Identifizierungsmerkmale festgestellt werden, welche zur Bestimmung der Identität einer Person geeignet sind, liegt eine Erhebung von personenbezogenen Daten vor.12 Kauft eine Person Produkte, die mittels RFID-Technologie gekennzeichnet sind, so sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der EPC wird zwar an der Kasse ausgelesen, allein durch das Auslesen wird aber kein Bezug zwischen dem Produktcode und dem jeweiligen Kunden hergestellt. Der Kunde gibt Informationen über seine Person weder bei der Entnahme der Ware aus dem Regal noch bei der Übergabe des Geldes an der Kasse her. Es ist auch nicht nachträglich rekonstruierbar, wer welche Ware gekauft hat. Die Person ist folglich auch nicht bestimmbar, so dass die Vorschriften des BDSG somit nicht anwendbar sind. Verknüpfung des Produktcodes mit personenbezogenen Daten In der zweiten zu untersuchenden Konstellation wird auf dem Tag wiederum ausschließlich ein Produktcode oder eine Seriennummer gespeichert. Es wird jedoch eine Verknüpfung zu personenbezogenen Daten hergestellt, die in der Regel in einer Datenbank (im sog. Backend) gespeichert sind. Dies ist in verschiedenen praktischen Anwendungsfällen denkbar. Möglich wäre z. B. der Einsatz von RFID-Tags bei Paketdiensten und Verleihsystemen. Um das zuvor genannte Beispiel weiterzuführen, ist auch vorstellbar, dass ein Kunde einen mit einem RFID-Chip gekennzeichneten Joghurtbecher, auf dem ein EPC gespeichert ist, kauft und an der Kasse eine Kundenkarte einsetzt. Bei dieser Sachverhaltsvariante wird der auf dem Transponder gespeicherte Produktcode an der Kasse ausgelesen und mit den entsprechenden Produktdaten, die in einer Datenbank gespeichert sind, abgeglichen. Diese Daten werden für die Abwicklung von Kundenrabatten im Rahmen eines Bonussystems13 mit den auf der jeweiligen Karte gespeicherten Kundendaten verknüpft. Neben den Produktdaten werden i. d. R. auch weitere Daten wie Ort, Datum und Uhrzeit des Karteneinsatzes sowie der getätigte Umsatz erhoben. Auch hier ist der Name des Kunden nicht direkt mit dem auf dem Tag gespeicherten Produktcode und den in der Datenbank abgelegten ProduktSchild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, Die neuen Grundlagen für Wirtschaft und Verwaltung, 2003, 4.2 Rn. 44. 13 Derartige Bonussysteme dienen in der Regel der Kundenbindung. Grundlage der Teilnahme an einem Kundenbindungssystem ist ein entsprechender Vertrag des Kunden mit dem Unternehmen. In dem Vertrag verpflichtet sich das Unternehmen, gegenüber dem Kunden Rabatte zu gewähren oder bestimmte Serviceleistungen zu erbringen. Vgl. hierzu das Gutachten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Kundenbindungssysteme und Datenschutz, 2003, S. 69. 12
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daten verbunden. Die Person des Kunden ist folglich nicht durch den Produktcode bestimmt. Fraglich ist aber, ob sie in diesem Fall bestimmbar ist, d. h. ob das Unternehmen mit den ihm normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln bzw. Informationen dazu in der Lage ist, die Produktdaten einer Bezugsperson zuzuordnen. Der Begriff des Personenbezugs ist insofern relativ, d. h. dasselbe Datum kann je nach Umfang des verfügbaren Zusatzwissens aus Sicht eines Dritten anonym und aus der Sicht eines anderen personenbezogen sein.14 Durch den Einsatz der Karte im Zusammenhang mit dem Auslesen des Tags wird ein Bezug zwischen den gekauften Produkten und dem Kunden hergestellt. Es handelt sich somit bei dem Produktcode, wenn er bei gleichzeitigem Einsatz einer Kunden-, ecoder Kreditkarte ausgelesen wird, um Einzelangaben über sachliche Verhältnisse einer bestimmbaren natürlichen Person und folglich um personenbezogene Daten. Die Vorschriften des BDSG finden daher Anwendung. Auch das folgende Beispiel ist dieser Kategorie zuzuordnen: Die Tickets für die Fußball-WM 2006 werden mit RFID-Tags ausgestattet, auf denen eine eindeutige Kennnummer gespeichert ist. Diese Nummer ist personenbeziehbar, da jeder, der eine Eintrittskarte erwerben möchte, bestimmte Angaben zu seiner Person machen muss, die dann in einer Datenbank des DFB gespeichert werden.15 Die Speicherung der Kennnummer auf dem Tag ist vor der Bestellung und Auslosung der Tickets datenschutzrechtlich belanglos. Danach aber können sämtliche in der Datenbank erfassten Antragsdaten über die eindeutige Kennnummer erschlossen werden.16 Speicherung von personenbezogenen Daten direkt auf dem Tag Werden Angaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person direkt auf einem RFID-Tag gespeichert, so beziehen sie sich auf eine bestimmte Person und unterliegen damit dem Schutz des BDSG. Anzutreffen sind solche Anwendungen überall dort, wo die Integration personenbezogener Daten Voraussetzung ist, also dort, wo es um Identifikation und Sicherheit geht. Dies ist der Fall bei personenbezogenen Daten, die für die Zugangskontrolle für Gebäude erforderlich sind, bei Signaturkarten oder bei Karten mit besonderen Schutzmechanismen. Aktuelle Beispiele hierfür sind ÖPNV-Tickets sowie biometrische Daten, die in den neuen e-Pässen gespeichert werden. Die Einführung dieser Variante ist z. B. im Einzelhandel nicht geplant. Dementsprechend sieht auch die EPCglobalTinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, 4. Aufl. 2005, S. 280. 15 Conrad, CR 2005, 537, 538. 16 Conrad, CR 2005, 537, 538. 14
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Selbstverpflichtung vor, dass auf RFID-Tags keine personenbezogenen Daten gespeichert werden. Fazit Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein auf einem RFID-Tag gespeicherter EPC für sich betrachtet kein personenbezogenes Datum ist und datenschutzrechtliche Vorschriften folglich nicht anwendbar sind, solange über den EPC keine Verknüpfung zu personenbezogenen Daten hergestellt wird. Findet eine Verknüpfung mit personenbezogenen Daten statt, so ist der Anwendungsbereich des BDSG eröffnet. Die Speicherung von personenbezogenen Daten unmittelbar auf dem Tag führt selbstverständlich ebenfalls zur Anwendbarkeit des BDSG, wird aber derzeit nur selten praktiziert. 2.1.2 Datenschutzrechtliche Grundlagen
Nur wenn bei RFID-Anwendungen personenbezogene Daten betroffen sind, sind die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Dies ist in der unter Abschn. 2.1.1 geschilderten Sachverhaltsvariante, bei der lediglich ein EPC auf einem Tag gespeichert wird, nicht der Fall. Zum besseren Verständnis der einzelnen Regelungen sollen zunächst einige datenschutzrechtliche Grundlagen dargestellt werden: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung In seinem „Volkszählungsurteil“17 hat das BVerfG aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet. Dieses beinhaltet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.18 Wer nicht mit Sicherheit überschauen kann, welche Informationen über ihn in seiner sozialen Umwelt bekannt sind, kann in seiner Freiheit gehemmt sein, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu handeln.19 Wer nicht weiß, welche Verhaltensweisen registriert werden, wird versuchen, nicht aufzufallen und wird dadurch unter Umständen in der Ausübung seiner Grundrechte eingeschränkt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung macht daher den Einzelnen selbst grundsätzlich zum Herrn über die ihn betreffenden Daten. Neue Technologien können die Privatsphäre des Einzelnen auf eine Weise berühren, die bei der Ausarbeitung des BDSG so nicht absehbar war. Individuelle Selbstbestimmung muss aber gerade auch unter den BeBVerfGE 65, 1 ff. BVerfGE 65, 1, 42. 19 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 1 Rn. 9. 17 18
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dingungen moderner Informationstechnologien gewährleistet sein. Entsprechend führt das BVerfG in seinem Urteil weiter aus, dass für jede Person die Möglichkeit bestehen muss, auch unter veränderten technologischen Bedingungen grundsätzlich über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten zu bestimmen. Es fordert somit eine dynamische Fortschreibung des Grundrechtsschutzes unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts.20 Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nach dem in § 4 Abs. 1 BDSG niedergelegten Grundsatz des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“21 nur dann zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet. Als Erlaubnistatbestände für das Erheben, Speichern, Übermitteln, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten für eigene Zwecke kommen insbesondere die Erlaubnistatbestände des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BDSG in Betracht. Danach ist der Datenumgang zulässig, wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient (Nr. 1) oder soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt (Nr. 2). Transparenzgebot Soll der Einzelne selbst entscheiden können, wann und wem er welche Daten preisgibt, so ist hierfür die Transparenz der Erhebungs- und Verarbeitungszusammenhänge notwendig. Dies erfordert vor allem institutionelle Vorkehrungen der Transparenz und Unterrichtung der Betroffenen im öffentlichen wie im privaten Bereich.22 Der Betroffene hat ein Recht auf Offenlegung der über ihn gespeicherten Daten. Nur so ist es ihm möglich, evtl. Löschungs- und Korrekturansprüche geltend zu machen.23 Ihm werden daher Auskunftsrechte gewährt (§§ 19a, 34 BDSG). Um von diesen Auskunftsrechten Gebrauch machen zu können, muss der Betroffene von einer Datenerhebung benachrichtigt werden. Es bestehen Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 142. Gola/Schomerus, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, a. a. O., § 4 Rn. 3; Globig, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.7 Rn. 6; Sokol, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 4 Rn. 3. 22 Trute, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 2.5 Rn. 33. 23 BVerfGE 100, 313, 361; Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 33 Rn. 1. 20 21
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deshalb Benachrichtigungspflichten der verantwortlichen Stellen (§§ 19, 33 BDSG). Verletzt eine private Stelle eine bestehende Benachrichtigungspflicht, so kann dies als Ordnungswidrigkeit gem. § 43 Abs. 1 Nr. 8 BDSG mit einem Bußgeld belegt werden. Das erforderliche Maß hinsichtlich Art, Gegenstand, Inhalt und Reichweite von Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten bemisst sich an dem Ziel, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Datenerhebungs- und -verarbeitungsvorgänge zu sichern.24 Werden im Zusammenhang mit dem Einsatz von RFID-Systemen personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt, sind die verantwortlichen Stellen zur Benachrichtigung des Betroffenen hierüber verpflichtet. Dies gilt allerdings nur, soweit die Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen erfolgt, §§ 19a Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 1 S. 1 BDSG. Das bedeutet insbesondere, dass, wenn eine Einwilligung für die Erhebung eingeholt worden ist, die Benachrichtigungspflicht entfällt.25 In jedem Fall müssen dem Betroffenen die o. g. Auskunftsrechte gewährleistet werden. Besondere Bedeutung haben Informations- und Auskunftsrechte dort, wo aufgrund technischer Vorkehrungen das Verhalten von Personen umfassend und unbemerkt dokumentiert werden kann.26 Besonders kritisch stellt sich die Situation dar, wenn es sich um sog. sensitive Daten27 handelt, beispielsweise wenn RFID im pharmazeutischen oder klinischen Bereich eingesetzt wird. Zweckbindung Nach dem Grundsatz der Zweckbindung dürfen personenbezogene Daten nur für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nur für diese Zwecke weiterverarbeitet werden.28 Jede zweckwidrige Nutzung ist unzulässig. Insbesondere verstößt nach dem VolkszähTrute, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 2.5 Rn. 34. Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 33 Rn. 8. 26 Trute, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 2.5 Rn. 33 in Bezug auf die Dokumentation des Kommunikationsverhaltens. Aus diesem Grund ist auch für Medien- und Teledienste eine Unterrichtung vor der Datenerhebung vorgesehen (§ 18 Abs. 1 MDStV, § 4 Abs. 1 TDDSG). 27 Dabei handelt es sich um Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben (besondere Arten personenbezogener Daten), vgl. § 3 Abs. 9 BDSG. 28 So die Vorgaben in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der EG-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. EG L 201 vom 31.07.2002, S. 37. 24 25
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lungsurteil die Speicherung „auf Vorrat zu unbestimmten Zwecken“ gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Zweckbindungsgrundsatz ist im BDSG nicht expressis verbis erwähnt, findet aber beispielsweise Eingang in § 14 BDSG, wonach das Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten nur zulässig ist, wenn es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass der Erhebung eine Festlegung des Zweckes vorausgegangen sein muss.29 Prinzip der Erforderlichkeit Der Grundsatz der Zweckbindung wird flankiert vom Erforderlichkeitsgrundsatz.30 Dieser bezeichnet die Relation zwischen dem Datenverarbeitungsvorgang und der Sachaufgabe, der sie dient.31 Daten dürfen nur dann erhoben und verarbeitet werden, wenn sie für die Bearbeitung der jeweiligen Aufgabe erforderlich sind. Für nichtöffentliche Stellen hat dieser Grundsatz Eingang in offene Abwägungsklauseln gefunden, so z. B. in § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG: „wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses (…) dient“; und in § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG: „soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist.“ Was dies in der Konsequenz für den Einsatz der Transpondertechnologie bedeutet, wird noch zu erörtern sein. Grundsatz der Datensparsamkeit Das Prinzip der Erforderlichkeit wird zudem konkretisiert durch den Grundsatz der Datenvermeidung und -sparsamkeit, § 3a BDSG. Danach haben sich Gestaltung und Auswahl von Datenverarbeitungssystemen an dem Ziel auszurichten, keine (Datenvermeidung) oder so wenig wie möglich (Datensparsamkeit) personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen (S. 1). Es soll insbesondere von den Möglichkeiten der Anonymisierung und Pseudonymisierung Gebrauch gemacht werden (S. 2). Durch diesen „Datenschutz durch Technik“ sollen Gefährdungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts präventiv reduziert werden.32 So ist auch bei der technischen Entwicklung von RFID-Systemen darauf zu achten, dass diese so datenschutzfreundlich wie möglich sind.
Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 14 Rn. 9; Trute, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 2.5 Rn. 40. 30 BVerfGE 65, 1, 43, 46. 31 Trute, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 2.5 Rn. 43 m. w. N. 32 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 3a Rn. 1. 29
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2.1.3 Die Phasen des Datenumgangs
Als Phasen des Umgangs mit personenbezogenen Daten nennt das BDSG das Erheben, Verarbeiten und Nutzen. Erheben Erheben ist gem. § 3 Abs. 3 BDSG das Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Gemeint ist das gezielte Beschaffen von Daten, so dass die sich zufällige oder in Verbindung mit einer anderen Handlung ergebende Wahrnehmung keine Erhebung darstellt.33 In der Alltagsanwendung von RFID wird es wahrscheinlich sein, dass bei einer Abfrage durch ein Lesegerät auch andere Tags ungewollt miterfasst werden. Bei der automatischen Identifikation erfolgt die Erfassung der Kennungen aller RFID-Chips in der Reichweite des Lesegeräts und kann nicht auf bestimmte Tags beschränkt werden.34 Passiert z. B. ein Kunde in einem Supermarkt eine Selbstzahlerkasse, bei der die Preise der gekauften Produkte automatisch ausgelesen werden, so werden möglicherweise auch andere RFIDTags von Produkten, die der Kunde in einem anderen Geschäft gekauft hat, zwangsläufig mit ausgelesen. Dies führt jedoch nicht zu einer falschen Berechnung, da das Kassensystem erkennen kann, ob es sich um Waren aus dem eigenen Bestand handelt. Ein solches nicht zielgerichtetes Auslesen von RFID-Tags ist keine Datenerhebung i. S. d. BDSG. Werden diese Daten dann allerdings weiter verwendet, so finden die datenschutzrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Die verantwortliche Stelle darf sich nicht auf sie berufen und darf sie nicht speichern. Sind sie bereits gespeichert, so sind die Daten unverzüglich zu löschen, § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG.35 Der Betroffene ist bei der Erhebung nach § 4 Abs. 3 BDSG über die Identität der erhebenden Stelle, die Zweckbestimmungen der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung und die Kategorien von Empfängern zu unterrichten. Die Zwecke der Datenerhebung sind von der verantwortlichen Stelle bereits vor der Erhebung festzulegen, § 14 Abs. 1 S. 1 bzw. § 28 Abs. 1 S. 2 BDSG. Außerdem müssen die zu erhebenden Daten für den konkreten Zweck erforderlich sein.36 Verarbeiten Verarbeiten ist gem. § 3 Abs. 4 S. 1 BDSG das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten. Diese fünf Phasen des Verarbeitens sind im BDSG legaldefiniert. Danach ist Speichern das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren personenbezogener Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren VerarbeiTinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 296. Müller, DuD 2004, 215, 217. 35 Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 47. 36 Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 52. 33 34
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tung oder Nutzung.37 In Abgrenzung zur Datenerhebung setzt die Speicherung voraus, dass das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren zum Zwecke der weiteren Verwendung erfolgt. Das BDSG ist bereits dann anwendbar, wenn eine bedingte Verwendungsabsicht vorliegt.38 Verändern ist das inhaltliche Umgestalten gespeicherter personenbezogener Daten.39 Ein inhaltliches Umgestalten liegt bereits dann vor, wenn durch die Maßnahme der Informationsgehalt einer Nachricht geändert wird, so dass ein neuer Aussagewert entsteht.40 Das kann durch die Berichtigung oder Verfälschung von Daten oder durch das Herausnehmen aus dem Zusammenhang oder das Einfügen von Daten in andere Zusammenhänge geschehen. Übermitteln ist das Bekanntgeben personenbezogener Daten an einen Dritten und zwar entweder durch Weitergabe der Daten durch die verantwortliche Stelle an den Dritten (a) oder dadurch, dass der Dritte die bereitgehaltenen Daten einzieht oder abruft (b).41 Dabei kommt es auf die konkrete Einsichtnahme bzw. den konkreten Abruf an.42 Sperren ist das Kennzeichnen gespeicherter personenbezogener Daten, um ihre weitere Verarbeitung oder Nutzung einzuschränken.43 Personenbezogene Daten sind vor allem dann zu sperren, wenn eine Verpflichtung zur Sperrung besteht (§§ 20 und 35 BDSG), wenn ein Widerspruch des Betroffenen vorliegt (§§ 20 Abs. 5, 28 Abs. 4, 29 Abs. 4 und 35 Abs. 5 BDSG) und bei gesonderter Speicherung der Identifikationsmerkmale (§§ 30 Abs. 1 und 40 Abs. 2 BDSG). Die Kennzeichnung muss in technischer Hinsicht bewirken, dass die Daten nur noch eingeschränkt bzw. für gesetzliche Ausnahmefälle verwendet werden können.44 Löschen ist das Unkenntlichmachen gespeicherter personenbezogener Daten.45 Diese Phase beendet die Verarbeitung von Daten.46 Die gespeicherten Daten dürfen nicht mehr rekonstruierbar sein.47 Das Deaktivieren § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BDSG. Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 299. 39 § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 BDSG. 40 Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 64; Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 300. 41 § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 BDSG. 42 Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 302. 43 § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 4 BDSG. 44 Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 303; zu der Frage, wie dies technisch im Einzelfall realisiert werden kann, vgl. Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 79. 45 § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 5 BDSG. 46 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 3 Rn. 40. 47 Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 303. 37 38
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eines RFID-Tags wäre als Löschen der Daten einzuordnen, da, auch wenn die Seriennummer z. B. mit Nullen überschrieben wird, die Nummer nicht mehr rekonstruierbar ist und ein Bezug zu den in der Datenbank gespeicherten Daten nicht mehr hergestellt werden kann. Die Personenbeziehbarkeit wäre in diesem Fall also nicht mehr gegeben. Nutzen Nutzen ist gem. § 3 Abs. 5 BDSG jede Verwendung personenbezogener Daten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt. Das Verwenden von Daten kann also als Obergriff für das Begriffspaar „Verarbeiten und Nutzen“ aufgefasst werden.48 Die Nutzung muss sich auf die personenbezogenen Daten beziehen. Eine Nutzung kann z. B. ein Abgleich oder eine statistische Auswertung sein sowie das Erstellen einer Rechnung, das Kopieren von Daten oder die Weitergabe zur Auftragsdatenverarbeitung.49 Auch die Verwendung von Informationen innerhalb der verantwortlichen Stelle stellt einen Nutzen i. S. d. Vorschrift dar.50 2.1.4 Einwilligungsvorbehalt gem. § 4 Abs. 1 BDSG
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind vom gesetzlichen Ansatz her verboten. Sie sind aber gem. § 4 Abs. 1 BDSG dann zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder soweit ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand den Datenumgang erlaubt. Diesen Grundsatz bezeichnet man auch als „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. So ist die Einwilligung z. B. grundsätzlich erforderlich bei Werbemaßnahmen, die die Privatsphäre des Betroffenen tangieren.51 Erlaubnistatbestände können sich sowohl im BDSG selbst als auch in anderen Rechtsvorschriften befinden. Sollen beim Einsatz von RFID-Systemen personenbezogene Daten erhoben oder verarbeitet werden, so ist hierfür grundsätzlich eine Einwilligung des Betroffenen erforderlich, soweit kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand eingreift. Das Einwilligungserfordernis dient der Selbstbestimmung des Betroffenen und stellt zugleich eine Konkretisierung des Transparenzgebots dar: Der Betroffene muss wissen, wann beim Einsatz der RFIDTechnologie personenbezogene Daten auf einem Transponder, mit dem er in Berührung kommt, gespeichert werden. In der Konsequenz bedeutet dies natürlich auch, dass kein Einwilligungserfordernis und damit auch
Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 3 Rn. 41. Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 87. 50 Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 87; Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 306. 51 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 4a Rn. 4. 48 49
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keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Transponder besteht, wenn keine personenbezogenen Daten gespeichert werden. Bei der Einwilligung handelt es sich nach dem Begriffsverständnis des BGB um eine antizipierte Erlaubnis, d. h., dass sie ausnahmslos der Datenverarbeitung vorausgehen muss.52 Eine nachträgliche Genehmigung reicht hingegen nicht aus53 und macht eine vorausgegangene illegale Datenverarbeitung auch nicht zulässig.54 Die datenschutzrechtliche Einwilligung ist als geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren, so dass in zivilrechtlicher Hinsicht die Vorschriften über Willenserklärungen grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind.55 Das BDSG stellt an die Einwilligung einige formale und inhaltliche Anforderungen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Betroffene die Tragweite seiner Entscheidung richtig abschätzen kann. So muss die Einwilligungserklärung gem. § 4a Abs. 1 S. 1 BDSG auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruhen und grundsätzlich schriftlich erfolgen (S. 3). Eine Einwilligungserklärung, die der Schriftform nicht genügt, ist in entsprechender Anwendung der §§ 125, 126 BGB unwirksam und führt zur Unzulässigkeit der darauf beruhenden Datenverarbeitung.56 Eine mündliche Einwilligungserklärung kann nur unter besonderen Umständen als ausreichend betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist eine Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Verarbeitungsumstände vorzunehmen. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, die grundsätzlich restriktiv auszulegen ist.57 Zu den Fallgruppen, in denen eine mündliche Einwilligung genügen kann, zählen dauerhafte und langfristige Geschäftsbeziehungen,58 Eilbedürftig-
Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 4 Rn. 15; Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.8, Rn. 19; zur Rechtsnatur der Einwilligung vgl. auch Heinrichs, in: Palandt, Einf. vor § 182, Rn. 1 ff. 53 Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, Stand 2005, § 4a Rn. 2. 54 Sie kann allerdings dazu führen, dass Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind, vgl. Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.8, Rn. 19 m. w. N. 55 Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.8, Rn. 21 ff. 56 Vgl. Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 4a Rn. 13. 57 Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.8, Rn. 29. 58 Dies gilt für erneute oder zusätzliche Datenerhebungen, wenn eine schriftliche Einwilligung ursprünglich erteilt worden ist; dazu Gola/Schomerus, BDSGKommentar, a. a. O., § 4a Rn. 13; Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzge52
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keit59 und Eigeninteresse des Betroffenen.60 Außerdem muss der Betroffene auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung und, soweit dies erforderlich ist oder der Betroffene es verlangt, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hingewiesen werden (S. 2). Oftmals wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben. Dies kann insbesondere bei Vertragsabschlüssen den Verwaltungsaufwand reduzieren. In diesen Fällen darf die Einwilligung nicht in anderen Erklärungen „versteckt“ werden. Daher ist sie gem. § 4 Abs. 1 S. 4 BDSG besonders hervorzuheben, wenn sie zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt wird. 2.1.5 Ausnahmetatbestände nach § 28 BDSG
Eine Einwilligung ist dann nicht erforderlich, wenn ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand vorliegt. Für den Datenumgang von nicht-öffentlichen Stellen kommen insbesondere die Erlaubnistatbestände nach § 28 BDSG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen der jeweiligen Vorschrift nicht vor, so ist die Datenverarbeitung unzulässig. Gespeicherte Daten müssen dann gem. § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG unverzüglich gelöscht werden. Zweckbestimmung des Vertrages Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG zulässig, wenn es der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient. Durch das Merkmal des vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses wird deutlich, dass bereits im Vorfeld eines Vertrages sowie nach Beendigung des Vertrages eine Speicherung personenbezogener Daten erlaubt sein kann.61 setz-Kommentar, a. a. O., § 4a Rn. 5; Simitis, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 4a Rn. 48. 59 Jedoch nur, wenn der Betroffene ein eigenes Interesse daran hat, z. B. bei einem ärztlichen Heileingriff im Notfall, Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz-Kommentar, a. a. O., § 4a Rn. 5; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, den Datenschutzgesetzen der Länder und zum Bereichsspezifischen Datenschutz, Loseblattsammlung, Stuttgart, Stand: September 2005, § 4a Rn. 55. 60 Wenn der Betroffne auf eigene Initiative eine Datenverarbeitung wünscht, die die Abgabe einer schriftlichen Einwilligung nicht zulässt, z. B. bei telefonischer Bestellung mit sofortiger Auslieferung, vgl. Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.8, Rn. 29. 61 Hoeren, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.6, Rn. 17.
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Werden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses RFID-Systeme eingesetzt und werden dabei personenbezogene Daten gespeichert, so muss die Speicherung der Zweckbestimmung dieses Vertrages dienen, d. h. zwischen der Speicherung und der Abwicklung des Vertrages muss ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang62 bestehen. Kauft jemand beispielsweise Waren, dürfen dessen Kundendaten nur im Rahmen der Durchführung des Vertrages gespeichert werden. Die Verwendung der Daten für eine Werbekampagne kann nicht auf den Kaufvertrag und somit nicht auf § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG gestützt werden.63 Auch die beim Einsatz von ecoder Kreditkarten erhobenen Daten dürfen nur für den Bezahlvorgang verwendet werden. Gleiches gilt für bei dem Kauf von WM-Tickets gespeicherten Daten: Diese dürfen nur für die Abwicklung des Ticketkaufs verwendet werden. Zulässig wäre hingegen z. B. die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Gepäckermittlung bei Flugreisen. Für die Länge der Speicherung ergibt sich folgendes: Die Speicherung ist für die Dauer der Durchführung des Vertrages zulässig. Ein Vertrag gilt als durchgeführt, wenn die Ware geliefert und die Gewährleistungsfrist beendet ist.64 Nach geltendem Recht dürfte daher eine Speicherung von zwei Jahren nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG legitim sein, da die regelmäßige gesetzliche Gewährleistungsfrist zwei Jahre beträgt.65 Welche Daten im Einzelnen verarbeitet werden dürfen, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern richtet sich stets nach der jeweiligen konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses.66 Zulässig wird i. d. R. die Verarbeitung der sog. Stammdaten sein. Hierbei handelt es sich üblicherweise um den vollständigen Namen, die Anschrift und in einigen Fällen auch um weitere Angaben wie das Geburtsdatum, die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse. Es muss im Einzelfall überprüft werden, welche Daten für die Vertragsabwicklung erforderlich sind. Wahrnehmung berechtigter Interessen Ferner kommt eine Speicherung personenbezogener Daten nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG in Betracht, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Betroffenen entgegensteht. Unter den Begriff des berechtigten Interesses fällt jedes tatsächliche, auch wirtSimitis, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 28 Rn. 79 m. w. N. 63 Hoeren, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.6, Rn. 19. 64 Hoeren, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.6, Rn. 21. 65 § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. 66 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 18; Simitis, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 28 Rn. 82. 62
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schaftliche oder ideelle Interesse.67 Ein berechtigtes Interesse kann daher jedes von der Rechtsordnung gebilligte Interesse sein.68 Die Verwendung der Daten muss zur Wahrung des berechtigten Interesses nicht nur dienlich, sondern erforderlich sein. Inwieweit die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen vorrangig sind, kann nur im Rahmen einer Interessenabwägung ermittelt werden.69 Dabei ist zu beachten, dass sich aus der Wertentscheidung des § 4 BDSG ergibt, dass im Zweifel die Interessen des Betroffenen überwiegen.70 Das Gesetz lehnt den Begriff der „schutzwürdigen Interessen“ entsprechend seinem Schutzziel nach § 1 BDSG an Begriffe wie „Privat-, Intim- oder Vertraulichkeitssphäre“ an, die gleichzeitig Synonyme für das auf Art. 1, 2 GG beruhende „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ darstellen.71 Sollen die bereits zulässigerweise zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses erhobenen Daten beispielsweise zu Werbungs- und Marktforschungszwecken benutzt werden, so liegt eine Zweckänderung vor. Diese ist gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG nur dann zulässig, wenn die Datenerhebung zur Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens erforderlich ist. Die Durchführung von Werbemaßnahmen und Marktanalysen wird von der herrschenden Meinung als berechtigtes Interesse eines Unternehmens bewertet.72 Für die Stammdaten wie Name und Anschrift lässt sich feststellen, dass teilweise kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen der Verwendung der Daten entgegensteht. So wird der Kunde i. d. R. davon ausgehen müssen, dass die z. B. im Rahmen eines Kundenkartenvertragsmodells einmal erhobenen Daten auch zu Werbezwecken verwendet werden.73 In Kombination mit einem RFID-Chip können aber auch weitere Informationen erlangt werden, wenn ein Kunde einen Tag etwa in einem Supermarkt mit sich führt und darüber identifizierbar ist (z. B. durch einen Tag in einer Kundenkarte). Würden beispielsweise an Ein- und Ausgang Reader aufgestellt, so könnte festgehalten werden, wann ein bestimmter Kunde das jeweilige Geschäft betritt und wann er es verlässt. Die ErheVGH Mannheim, NJW 1984, 1912. Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 85. 69 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 36. 70 Hoeren, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.6, Rn. 33. 71 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 35. 72 Simitis, in: Simitis Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 28 Rn. 137; Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 92. 73 Gutachten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz SchleswigHolstein (ULD), Kundenbindungssysteme und Datenschutz, a. a. O., S. 72. 67 68
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bung dieser Daten würde der Bestimmung der Verweildauer des Kunden im Geschäft dienen, was keine Ausnahme von der Einwilligungspflicht gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG begründen würde, da ein schutzwürdiges Interesse des Unternehmens an dieser Information nicht ersichtlich ist. Auch eine Ausnahme nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG läge nicht vor, da die erhobenen Daten weder der Abwicklung des potenziellen Kaufvertrags noch der Abwicklung des Bonus-Serviceprogramms dienen würden. Informationen über das Kaufverhalten eines Verbrauchers könnte das Unternehmen durch Lesegeräte erlangen, die in bestimmten Abteilungen platziert werden und so registrieren können, welche Bereiche des Geschäftes der Kunde bevorzugt aufsucht. Das Erstellen solcher umfassenden Bewegungsprofile begegnet durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken, da es sich hierbei um einen intensiven Eingriff in die Privatsphäre des Kunden handelt.74 An der Erlangung derartiger Daten besteht wiederum kein schützenswertes Interesse des Unternehmers, so dass zur Erhebung dieser Informationen ebenfalls die Einwilligung des Kunden erforderlich ist.75 Nutzen Die Datenverarbeitung ist gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG auch dann zulässig, wenn die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, sofern nicht ein entgegenstehendes Interesse des Betroffenen offensichtlich überwiegt. Unter einer allgemein zugänglichen Quelle versteht man eine Informationsquelle, die technisch zur Eignung bestimmt ist, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu verschaffen.76 Zu solchen Quellen zählen insbesondere öffentliche Register wie Schuldnerverzeichnisse, Handelsund Vereinsregister, Zeitungen, Adressbücher, Telefonbücher, Rundfunk und Internetseiten, sofern ohne zusätzliche Kenntnis bestimmter Umstände auf die Daten zugegriffen werden kann.77 Zudem ist zu prüfen, ob nicht ausnahmsweise das schutzwürdige Interesse des Betroffenen der Datenverarbeitung offensichtlich entgegensteht. Aus dem Begriff „offensichtlich“ ergibt sich, dass eine Speicherung der Daten im Zweifel zulässig sein Das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen, d. h. die langfristige Speicherung von Daten aus unterschiedlichen Lebensbereichen, ist unzulässig, da es gegen das Menschenbild des Grundgesetzes verstößt und somit verfassungswidrig ist; vgl. BVerfG, NJW 1969, 1707; BVerfG, NJW 1984, 424; allgemein zu dieser Thematik: Weichert, in: Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, Stand März 2005, S. 130 (Rn. 31 f.). 75 Holznagel/Bonnekoh, MMR 2006, 17, 20. 76 BVerfGE 33, 52, 65. 77 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 45; Hoeren, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.6, Rn. 35. 74
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soll. Die verarbeitende Stelle ist daher nicht zu einer intensiven Einzelfallprüfung verpflichtet, es sei denn das Gegeninteresse liegt klar auf der Hand.78 2.1.6 Sondervorschriften für mobile Speichermedien
Eine besondere Ausprägung des Transparenzgebots findet sich in § 6c Abs. 1 BDSG, wonach für den Unternehmer bei der Verwendung von mobilen personenbezogenen Speicher- und Verarbeitungsmedien besondere Unterrichtungspflichten bestehen.79 Unter solchen Medien sind Datenträger zu verstehen, auf denen personenbezogene Daten über die Speicherung hinaus durch die ausgebende oder eine andere Stelle automatisiert verarbeitet werden können und bei denen der Betroffene diese Verarbeitung nur durch den Gebrauch des Mediums beeinflussen kann.80 Betroffen sind hier also vor allem Anwendungen der dritten Fallgruppe, also solche, bei denen personenbezogene Daten direkt auf dem Tag gespeichert werden. Die besonderen Informationspflichten sind deshalb notwendig, da die Kontrolle bei diesen Medien aufgrund der Tatsache, dass keine Schnittstelle zwischen Mensch und Gerät besteht, dem Besitzer entzogen wird.81 Anwendungsbereich Typischer Anwendungsfall sind sog. „Chipkarten“82, also z. B. ec-Karten, Krankenversicherungskarten, SIM-Karten für die Nutzung von Mobilfunkdiensten, elektronische Tickets und auch zahlreiche Varianten der Kundenkarte.83 Ist also eine Kundenkarte mit einem RFID-Chip ausgestattet, auf dem personenbezogene Daten gespeichert sind, so ist der Anwendungsbereich des § 6c BDSG eröffnet.84 Bei den Transpondern selbst ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich, je nachdem, ob eine über die bloße Speicherung hinausgehende automatisierte Verarbeitung möglich ist. Dies ist zweifelsohne bei Funkchips im High-End-Bereich der Fall, die über einen Mikroprozessor und ein Betriebssystem verfügen und zum Teil auch mit zusätzlichen kryptographiGola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 28 Rn. 44. Diese 2001 in das BDSG aufgenommene Informationspflicht soll einen weiteren Schritt des neuen BDSG zu mehr Transparenz für den Betroffenen bewirken, vgl. Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 6c Rn. 6. 80 So die gesetzliche Legaldefinition, vgl. § 3 Abs. 10 BDSG. 81 Lahner, DuD 2004, 723, 724. 82 Siehe hierzu ausführlich Weichert, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 9.5; ders., DuD 1997, 266 ff. 83 Bizer, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 6c Rn. 6 f. 84 So auch Gräfin von Westerholt/Döring, CR 2004, 710, 714. 78 79
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schen Koprozessoren ausgestattet sind.85 Bei diesen Tags reicht die Kapazität zur Speicherung von personenbezogenen Daten aus. Der Verarbeitungsvorgang kann auf dem mobilen Medium selbst stattfinden.86 Bei Transpondern im Low-End-Bereich bestehen weder Speichermöglichkeiten, noch sind Verarbeitungsschritte auf diesen Transpondern durchführbar. Bei RFID-Chips mit mittlerer Speicherkapazität muss im Einzelfall untersucht werden, ob eine über die Speicherung hinausgehende automatisierte Verarbeitung möglich ist. Bei einem einfachen ROM-Speicher werden die Daten z. B. dauerhaft und unveränderlich gespeichert. Sie können weder elektrisch noch optisch gelöscht oder verändert werden.87 Hier wäre der Anwendungsbereich des § 6c BDSG folglich nicht eröffnet.88 Solche Transponder finden sich z. B. im Bereich des Lagermanagements, wo ausschließlich Seriennummern zur Identifizierung der Ware gespeichert werden. Eine darüber hinausgehende automatisierte Verarbeitung der Daten findet nicht auf den Chips statt. Etwas anderes gilt aber beim Einsatz eines Read-Write-Systems. Diese verfügen über einen beschreibbaren EEPROM-Speicher, der elektronisch programmier- und löschbar ist89 und bei dem auch einfache Verschlüsselungsverfahren implementiert werden können.90 Werden RFID-Tags im Einzelhandel eingesetzt, so handelt es sich dabei in der Regel um passive Tags, d. h. um solche, die keine Daten verarbeiten. Solche „dummen“ Speichermedien sind nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich von der Regelung nicht erfasst.91 Ein Medium, das lediglich ein automatisiertes Auslesen von Informationen aus dem Medium ermöglicht, erfüllt daher nicht die Voraussetzungen von § 3 Abs. 10 Nr. 2 BDSG.92 Eine Unterrichtungspflicht nach § 6c BDSG besteht bei Transpondern, auf denen ausschließlich ein EPC gespeichert wird, auch deshalb nicht, weil auf den Tags keine personenbezogenen Daten gespeichert sind.
Lahner, DuD 2004, 723, 724. Lahner, DuD 2004, 723, 724. 87 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 30. 88 A. A. Lahner, der den Anwendungsbereich des § 6c BDSG auch auf diese Arten von Transpondern ausdehnen will, vgl. Lahner, DuD 2004, 723, 725 f. 89 Lahner, Datenschutzrechtliche Probleme beim Einsatz von RFID-Systemen, a. a. O., S. 10 m. w. N. 90 Finkenzeller, RFID-Handbuch, a. a. O., S. 25. 91 BT-Drucks. 14/5793, S. 60. 92 Bizer, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 3 Rn. 277. 85 86
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Unterrichtungspflichten Wird ein mobiles Speicher- und Verarbeitungsmedium eingesetzt, muss der Unternehmer dem Kunden seine Identität und Anschrift mitteilen (Nr. 1) und ihn über die Funktionsweise des Mediums aufklären, wobei hier keine detaillierte technische Beschreibung erfolgen soll, sondern für den Laien verständliche Informationen zu erteilen sind.93 Außerdem muss der Betroffene wissen, wie er seine Rechte auf Auskunft und Korrektur nach den §§ 19, 20, 34 und 35 BDSG im Hinblick auf die Besonderheiten des Mediums ausüben kann (Nr. 3). 2.1.7 Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften
Der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften ist bußgeld- und ggf. strafbewehrt. Nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet. Voraussetzung ist folglich, dass es sich um personenbezogene Daten handelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 250.000 € geahndet werden. Fahrlässiges Handeln kann allerdings nur mit der Hälfte des jeweils angedrohten Höchstbetrags belegt werden, § 17 Abs. 2 OWiG. Nach § 44 Abs. 1 StGB ist eine Handlung nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG sogar strafbar, wenn sie gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen begangen wird. Die Tat kann mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. 2.1.8 Fazit
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass personenbezogene Daten auch bei der Verwendung der Transpondertechnologie durch die geltenden Bestimmungen des BDSG geschützt sind. Personenbezogene Daten sind tangiert und damit der Anwendungsbereich des BDSG eröffnet, wenn Angaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unmittelbar auf dem Tag gespeichert werden. Des Weiteren ist dies der Fall, wenn eine Verknüpfung über den Tag mit solchen Daten möglich ist, die in einer Datenbank gespeichert sind. Ist das BDSG anwendbar, so ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nach § 4 Abs. 1 BDSG nur dann zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet. Auch die weiteren datenschutzrechtlichen Grundsätze wie das Prinzip der Erforderlichkeit, der Transparenz- und der Zweckbindungsgrundsatz 93
Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 6c Rn. 6.
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sind zu beachten. Werden mobile Speichermedien eingesetzt, bestehen zusätzliche Unterrichtungspflichten des Verwenders. Bei einem elektronischen Produktcode, der auf einem RFID-Tag gespeichert ist, handelt es sich nicht um ein personenbezogenes Datum, so dass datenschutzrechtliche Vorschriften nicht anwendbar sind.
Abb. 2. Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes auf den Bereich RFID
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2.2 Recht der Datensicherheit Neben den Chancen, die die RFID-Technologie für die Gesellschaft und ihre Wirtschaft eröffnet, entstehen auch neue Risiken. Der wirtschaftliche Erfolg wird nicht zuletzt auch davon abhängen, inwieweit es gelingt, die anfallenden Daten gegen Datenverlust und –missbrauch zu schützen.94 Im folgenden Abschnitt wird daher erörtert, welche Gefahren für RFIDAnwendungen bestehen (Abschn. 2.2.1), welche technischen Lösungswege bestehen (Abschn. 2.2.2) und welche rechtlichen Verpflichtungen zum Ergreifen von Sicherheitsmaßnahmen existieren (Abschn. 2.2.3). Anschließend wird der strafrechtliche Schutz erläutert (Abschn. 2.2.4). 2.2.1 Gefahren für die Datensicherheit
Als erstes soll untersucht werden, welchen technischen Sicherheitsrisiken die RFID-Technologie ausgesetzt ist. Bei der Speicherung von Daten auf einem Tag kann sich in mehrfacher Hinsicht eine spezifische Bedrohungslage ergeben.95 Bedrohungen können sich ergeben für die Verfügbarkeit von Daten, deren Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität.96 Abhören der Kommunikation Eine der signifikanten Bedrohungslagen für RFID-Systeme besteht im Abhören der Kommunikation zwischen Transponder und Lesegerät. Dabei wird die Kommunikation über die Luftschnittstelle durch Auffangen und Dekodieren der Funksignale abgehört.97 Die Kommunikation handelsüblicher Tags läuft größtenteils im 125 kHzoder im 13,56 MHz-Bereich ab. Wird nun eine im ISO-Standard 14443 definierte Funkschnittstelle verwendet, so liegt diese im Kurzwellenband und kann mit handelsüblichen Breitband- oder Weltempfängern empfangen werden.98 Auch die Reichweite von RFID-Systemen hat Auswirkungen auf die Abhörmöglichkeit. Die aktive Kommunikation kann nur aus Abständen BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 101. 95 Zu den unterschiedlichen Bedrohungslagen umfassend Kapitel 7 der BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., wobei hier die verschiedenen Angriffsarten auch nach den unterschiedlichen Bedrohungslagen der aktiven (Betreiber der RFID-Systeme) und der passiven Partei (insbesondere Kunden und Arbeitnehmer) differenziert werden. 96 Holznagel, Recht der IT-Sicherheit, 2003, S. 12 ff. 97 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 42. 98 Finke/Kelter: Radio Frequency Identification – Abhörmöglichkeiten der Kommunikation zwischen Lesegerät und Transponder am Beispiel eines ISO 14443Systems. 94
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von 10 bis 15 cm (ISO 14443) oder maximal 1,5 m (ISO 15693) als typische Arbeitsabstände abgehört werden. Das passive Abhören ist jedoch auch aus größeren Abständen möglich. Ein Experiment ergab, dass ein passives Abhören der Kommunikation von RFID-Systemen nach ISO 14443 bis zu mehreren Metern und damit weit über den spezifischen Arbeitsbereich von 10–15 cm hinaus möglich ist.99 Die praktischen Konsequenzen, die sich hieraus ergeben, stellen ein Risiko sowohl für den Verwender von RFID als auch für den Verbraucher dar, der beispielsweise Produkte bei sich trägt, die durch RFID-Chips gekennzeichnet sind. Für den Verwender besteht die Gefahr der Industriespionage. Konkurrenten oder Wirtschaftsspione könnten die auf den Tags gespeicherten Daten ausspähen, um sich so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Kunden oder auch Arbeitnehmer, die Tags oder mit Tags gekennzeichnete Objekte benutzen, tragen ein anderes Risiko. Sie haben keine Kontrolle über die Daten, die auf den Tags gespeichert sind. Auf RFIDChips gespeicherte Daten könnten durch einzelne Kriminelle unbefugt ausgelesen werden. Theoretisch könnte dadurch das Konsumverhalten von Kunden ausgeforscht werden, wenn die jeweilige Person bestimmbar ist. Dient ein RFID-Chip der Zutrittskontrolle, so ist es rein technisch betrachtet auch möglich, dass Arbeitnehmer auf ihre Anwesenheit und Leistung hin kontrolliert werden. Denkbar ist auch, dass Datenspuren, die bei der Verwendung von RFID anfallen, zu Strafverfolgungszwecken gebraucht werden. So wie derzeit die Telekommunikationsüberwachung bei Vorliegen des Verdachts einer bestimmten Straftat gem. § 100a StPO möglich ist, könnten staatliche Überwachungsmaßnahmen auf das „Internet der Dinge“ ausgeweitet werden.100 Fälschung des Inhalts oder der Identität Eine weitere Angriffsart besteht in der Fälschung des Inhalts oder der Identität eines Transponders.101 Die Fälschung kann in mehreren Hinsichten erfolgen: Im ersten Fall werden die auf dem Tag gespeicherten Daten durch einen unautorisierten Schreibzugriff verändert. Die Seriennummer bleibt dabei unverändert, so dass das Lesegerät die Identität des Transponders weiterhin korrekt erkennt. Im zweiten Fall bringt sich der Angreifer dagegen in den Besitz der Finke/Kelter: Radio Frequency Identification – Abhörmöglichkeiten der Kommunikation zwischen Lesegerät und Transponder am Beispiel eines ISO 14443Systems. 100 So ein fiktives Fallbeispiel der BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 102. 101 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 42. 99
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Seriennummer und eventuell darüber hinausgehender Sicherheitsinformationen eines Tags und missbraucht diese zur Vortäuschung der entsprechenden Identität. Er könnte den RFID-Chip klonen, wodurch dann mehrere Tags der scheinbar gleichen Identität in Umlauf gelangen könnten. Mithilfe der abgehörten Kommunikationsinhalte kann ein Angreifer den jeweiligen Tag nachbilden, indem er die Informationen im einfachsten Fall auf einen unbeschriebenen Tag aufbringt.102 Drittens könnte ein Tag physisch vom Trägerobjekt getrennt und mit einem anderen Objekt verbunden werden. Dies entspricht von der strafrechtlichen Einordnung her dem „Umkleben“ von Preisschildern auf Waren.103 Beim Ablösen des Tags vom Trägerobjekt können ferner dessen Bewegungen vor dem Lesegerät verborgen werden. Schließlich kann ein Angreifer auch die Identität eines autorisierten Lesegeräts vortäuschen, um die Daten eines Tags mit seinem eigenen Lesegerät auslesen zu können. Störung des Datenaustauschs Die Sicherheit von RFID-Systemen kann auch durch das Stören des Datenaustauschs durch Denial-of-ServiceAngriffe (DoS-Angriffe) beeinträchtigt werden. Der Datenaustausch kann zum einen aktiv, z. B. durch Benutzen eines Störsenders behindert werden. Wenn dieser Störsender ein ausreichendes künstliches Umgebungsrauschen erzeugt, sind Tag und Reader nicht mehr in der Lage, dieses Signal durch ihr eigenes Nutzsignal zu überlagern.104 Außerdem kann der Datentransfer durch den unautorisierten Gebrauch von Deaktivierungsbefehlen unterbrochen werden. Die Störung des Datenaustauschs kann zum anderen auch passiv erfolgen. Ein passiver DoS-Angriff ist durch Abschirmen möglich. Dabei wird ein Tag so mit einer schirmenden Hülle versehen, dass ein RadioFrequency-Feld diese Schirmung nicht mehr durchdringen kann. Dies würde allerdings voraussetzen, dass der Besitzer des Transponders seinen Tag absichtlich abschirmt. Die Gefahr ist hier daher eher als gering einzustufen, zumal nur ein einzelner Tag betroffen wäre und alle anderen im Ansprechbereich befindlichen RFID-Transponder nicht beeinflusst würden.105 Relevanter für die Sicherheit von RFID-Systemen ist hingegen der Einsatz sog. „Blocker-Tags“. Durch Blocker-Tags kann gegenüber dem Lesegerät eine beliebig große Anzahl von anwesenden Transpondern vorgetäuscht werden, so dass das Lesegerät eine entsprechend große Anzahl von vergeblichen Tag-Anforderungen abarbeiten muss und dadurch bloKelter/Wittman, DuD 2004, 331, 333. Zur strafrechtlichen Bewertung des Umklebens von Preisetiketten vgl. z. B. Tröndle, in: Leipziger Kommentar, § 267 Rn. 147 f. 104 Kelter/Wittman, DuD 2004, 331, 333. 105 Kelter/Wittman, DuD 2004, 331, 333. 102 103
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ckiert wird.106 Blocker-Tags wurden ursprünglich aus Gründen des Verbraucherschutzes entwickelt. Es liegt jedoch nahe, dass diese Tags bewusst oder unbewusst auch zu Störungen sinnvoller RFID-Anwendungen führen können. Eine weitere Gefahr besteht im Zerstören der RFID-Chips. Transponder können durch physische Gewalteinwirkung oder auch durch Mikrowellenstrahlung beschädigt oder zerstört werden.107 Das gleiche Ergebnis kann auch durch die Verwendung von elektromagnetischen Feldern erreicht werden. Ein passiver Tag bezieht seine Energie aus dem magnetischen Feld des Lesegeräts. Wird nun ein geeignetes Feld erzeugt, das hinreichend stark ist, so kann die Kopplungseinheit des Tags oder sogar der gesamte Tag zerstört werden.108 Angriff auf das Backend Schließlich können sich Angriffe auf das Backend von RFID-Systemen beziehen. Unter Backend versteht man die Datenbestände, mit denen die vom Lesegerät erfassten Daten über weitere Kommunikationskanäle verknüpft werden. Auch hier besteht das Risiko des Abhörens. Ist das Backend mit dem Internet verbunden, so ergeben sich zusätzliche Gefahren durch Hacking und durch das Einbringen von Software-Anomalien wie Viren und Würmer. Dadurch kann auch die Identität eines Lesegeräts mit autorisiertem Zugang zum Backend gefälscht werden.109 Allerdings handelt es sich hierbei nicht um RFID-spezifische, sondern um allgemeine IT-Sicherheitsrisiken, die mit den üblichen ITSicherheitsverfahren abgewehrt werden können. Diese lassen sich leichter neuen Erfordernissen anpassen als Sicherheitsverfahren, die auf den Tags implementiert werden. 2.2.2 Technische Sicherheitsmaßnahmen
Ausgehend von den oben geschilderten Angriffsmöglichkeiten bieten sich folgende Sicherheitsmaßnahmen an: Authentifizierung Authentizität ist gewährleistet, wenn durch geeignete Kontrollmaßnahmen sichergestellt wird, dass Daten und Informationen wirklich aus der angegebenen Quelle stammen bzw. dass die Identität des angeschlossenen Systems korrekt ist.110 Um das Abhören der KommunikaBSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 42. 107 Kelter/Wittman, DuD 2004, 331, 333. 108 Kelter/Wittman, DuD 2004, 331, 333. 109 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 44. 110 Holznagel, Recht der IT-Sicherheit, a. a. O., S. 14 Rn. 9. 106
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tion und die Fälschung von Transpondern zu verhindern, können Authentifizierungsmechanismen in RFID-Systeme implementiert werden. Zur Überprüfung der Identität eines Lesegeräts kann z. B. ein Passwortschutz eingerichtet werden. Dabei identifiziert sich das Lesegerät gegenüber dem Tag durch Übertragung eines Passworts, das der Transponder mit dem gespeicherten Passwort vergleicht, und gestattet den Zugriff auf die gespeicherten Daten nur, wenn beide miteinander übereinstimmen.111 Auch die Identität des Tags ließe sich überprüfen. Die Gefahr der Identitätsfälschung wird häufig von Verbraucher- und Datenschutzorganisationen moniert. Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Sicherheit könnte in der weltweit eindeutigen Regelung zur Vergabe der Serienummern von Tags bestehen, wie es z. B. bei der Nutzung des Elektronischen Produktcodes (EPC) bereits der Fall ist.112 Hier wäre eine weltweite Standardisierung erforderlich, wie sie durch EPCglobal für den Bereich Handel und Konsumgüterindustrie entwickelt wird. Die im Jahre 2003 gegründete Non-ProfitOrganisation entwickelt wirtschaftliche und technische Standards für den elektronischen Produktcode. Ziel ist es, ein Netzwerk aufzubauen und die Verbreitung standardisierter Prozesse voranzutreiben. Diese Vorgehensweise würde zumindest einen gewissen Schutz vor gefälschten Tags bieten. Jedenfalls könnte dadurch das Auftreten nicht vergebener Nummern oder geklonter Tags erkannt werden. Die Authentifizierung des Tags könnte auch durch ein Challenge-Response-Verfahren sichergestellt werden.113 Dabei sendet das Lesegerät an den Tag eine Zufallszahl oder einen Zeitstempel (Challenge), die dieser dann verschlüsselt an das Lesegerät zurücksendet (Response). Der Schlüssel beweist dem Lesegerät die Identität des Tags und wird nie mitübertragen. Das Challenge-Response-Verfahren setzt jedoch eine gewisse Speicherkapazität des verwendeten Tags voraus, da es Zufallszahlen generieren können muss. Verschlüsselung Eine höhere Sicherheit gegen das Auslesen von Daten wird durch eine Verschlüsselung der Daten mittels des Hash-LockVerfahrens erreicht.114 Vor dem erstmaligen Beschreiben eines Tags wird mithilfe einer Hash-Funktion aus einem Schlüssel eine sog. Meta-ID als Pseudonym für den Tag erzeugt und im Tag gespeichert, wodurch der Tag BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 48. 112 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 47. 113 BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 47. 114 Hierzu BSI-Studie, Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen, a. a. O., S. 48 f. 111
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gesperrt wird („locked“). Auf die Signale eines Lesegeräts reagiert er dann nur noch mit dem Senden der Meta-ID. Erst wenn das Lesegerät in einer Backend-Datenbank den zur Meta-ID gehörenden Schlüssel abgerufen und zum Tag übertragen hat, wird dieser entsperrt, falls das Ergebnis der auf den Schlüssel angewandten Hash-Funktion mit der Meta-ID identisch ist.115 In diesem Fall ist das Lesegerät authentifiziert und gibt den Zugriff auf seine Daten frei. Auch beim Einsatz kryptographischer Verfahren müssen die Tags eine gewisse Speicherkapazität aufweisen. Verhinderung des Auslesens durch Blocker-Tags Das unautorisierte Auslesen von auf Transpondern gespeicherten Daten kann durch den Einsatz sog. Blocker-Tags verhindert werden. Ein Blocker-Tag ist ein Transponder, der sämtliche Anfragen eines Lesegeräts positiv beantwortet und dieses dadurch derart verwirrt, dass das eindeutige Identifizieren eines bestimmten Tags unmöglich gemacht wird. Ein Kunde könnte einen solchen Blocker-Tag in seinem Einkaufsbeutel mit sich führen und so verhindern, dass die von ihm gekauften Produkte von Dritten erkannt werden können. Unerwünschter Nebeneffekt kann jedoch die ungewollte Störung anderer RFID-Anwendungen in der Umgebung sein. Es ist daher geplant, Blocker-Tags auf bestimmte Seriennummernbereiche zu begrenzen und somit nur Labels bestimmter Nummernbereiche auszuschalten.116 Dies hätte zur Folge, dass beispielsweise die RFID-Warenwirtschaft innerhalb eines Supermarkts nicht gestört würde. Beim Bezahlen an der Kasse könnten die Labels dann umkodiert werden und dadurch in den Blockadebereich der Störsender fallen. Der Verbraucher könnte dann autonom darüber entscheiden, ob er seine möglicherweise unbewusst mitgeführten Tags durch einen Blocker-Tag maskiert oder ob er darauf verzichtet. Deaktivierung und Kill-Befehl Um auf Konsumgütern angebrachte Tags zu deaktivieren, kann durch einen sog. Kill-Befehl die Seriennummer derart anonymisiert werden, dass diese nicht mehr ausgelesen werden kann. Dieses Vorgehen bringt jedoch einige Nachteile mit sich. Kritisiert wird zum einen, dass derzeit technisch nur die Deaktivierung eines einzelnen Transponders möglich ist, so dass jedes gekaufte Produkt einzeln behandelt werden muss. Ob die Kunden einen solchen (zeitlichen) Aufwand auf
Weis, Security and Privacy in Radio-Frequency Identification Devices, 2003, S. 38 f.; Weis/Sarma/Rivest/Engels, Security and Privacy Aspects of Low-Cost Radio Frequency Identification Systems, 2003, S. 7. 116 Kelter/Wittman, DuD 2004, 331, 334. 115
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sich nehmen wollen, erscheint sehr zweifelhaft.117 Unpraktikabel ist der Einsatz des Kill-Befehls teilweise auch vor dem Hintergrund, dass der Kunde den Vorgang der Deaktivierung nicht überprüfen kann. Dem lässt sich jedoch abhelfen, indem ein Lesegerät zur Verfügung gestellt wird, mit dem Kunden, die dies wünschen, den jeweiligen Tag selbst auslesen und so die Deaktivierung kontrollieren können. Ein Nachteil der permanenten Deaktivierung liegt darin, dass die positiven Nutzungsmöglichkeiten, wie die Verwendung von Daten bei Umtausch, Reparatur, Weiterverkauf oder Recycling, verloren gehen. Eine Lösung hierfür könnte eine neue Generation von Tags sein, bei denen der Kunde bei Bedarf die Verbindung zwischen Chip und Antenne durch einfaches Abreißen trennen und so die Aussendung von Funksignalen unterbinden kann. Dies hat den Vorteil, dass die gespeicherten Daten im Bedarfsfall aus sehr geringer Entfernung wieder gelesen werden können, sofern sie noch einmal benötigt werden.118 2.2.3 Rechtliche Verpflichtungen zur Sicherung personenbezogener Daten
Im Folgenden sollen die rechtlichen Verpflichtungen zum Ergreifen von Datensicherungsmaßnahmen in Bezug auf personenbezogene Daten dargestellt werden. Datensicherung umfasst alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die zur Sicherstellung der Datensicherheit getroffen werden.119 Anforderungen des BDSG Das BDSG schreibt Maßnahmen zur Datensicherung und Datenschutzkontrolle in verschiedenen Bestimmungen vor, auch wenn die Begriffe hierbei nicht ausdrücklich genannt werden. Die verantwortlichen Stellen werden teilweise zu konkreten personellen (§§ 4f, 4g Abs. 1 BDSG), organisatorischen (§ 5 BDSG) oder technischen Maßnahmen verpflichtet. Zentrale und entscheidende Norm ist in diesem Zusammenhang jedoch § 9 BDSG.120 Sowohl öffentliche als auch nichtöffentliche Stellen, die personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen, haben gem. § 9 S. 1 BDSG die technischen und organisatorischen So auch Langheinrich, Die Privatsphäre im Ubiquitous Computing – Datenschutzaspekte der RFID-Technologie, 2004, S. 14. 118 Vgl. heise online, Meldung vom 10.3.2006, abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/70646. 119 Heibey, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.5, Rn. 1, vgl. auch Ernestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 2 f.; Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, a. a. O., S. 384. 120 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 9 Rn. 4. 117
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Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Ausführung des BDSG, insbesondere die in der Anlage zu § 9 BDSG genannten Anforderungen, zu gewährleisten. Auf RFID-Chips gespeicherte personenbezogene Daten sind daher durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen vor unbefugten Zugriffen zu sichern. Nach § 9 S. 2 BDSG sind aber nur solche Maßnahmen erforderlich, deren Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Schutzzweck steht. Diese Einschränkung stellt klar, dass nur solche Maßnahmen gefordert werden können, die dem im Grundgesetz verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Die Abwägung zwischen Aufwand und Schutzzweck der Norm führt allerdings nicht selten zu dem Ergebnis, dass höchster Aufwand gerechtfertigt ist, um die Schutzziele zu erreichen.121 Die Verhältnismäßigkeit ist die einzige Auswahlrichtlinie, die das BDSG den Daten verarbeitenden Stellen vorgibt. Es ist aber mittlerweile anerkannt, dass die Gesamtheit der Maßnahmen zum technischen Datenschutz in einem Verfahren oder bei einer Daten verarbeitenden Stelle auf der Grundlage eines Sicherheitskonzeptes zusammengestellt werden muss.122 Dieses muss sich dem Stand der Technik entsprechend angemessen gegen realistische Bedrohungen richten. Als anerkannte Methoden zur Entwicklung solcher Sicherheitskonzepte sind das IT-Sicherheitshandbuch und das jährlich aktualisierte IT-Grundschutzhandbuch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) zu nennen.123 Anlage zu § 9 BDSG In der Anlage zu § 9 BDSG ist geregelt, dass bei automatisierter Datenverarbeitung die innerbehördliche bzw. innerbetriebliche Organisation so zu gestalten ist, dass sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes gerecht wird. Relevant sind hier insbesondere die in Punkt 3 geregelte Zugriffskontrolle und die in Punkt 4 niedergelegte Weitergabekontrolle. Die Zugriffskontrolle schreibt Maßnahmen vor, die gewährleisten, dass die zur Benutzung eines Datenverarbeitungssystems Berechtigten ausschließlich auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden Heibey, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.5, Rn. 26. Heibey, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.5, Rn. 30. Das nordrhein-westfälische Landesdatenschutzgesetz hat diesen Aspekt konsequent in § 10 Abs. 3 DSG NW umgesetzt. Nach dieser Vorschrift sind die zu treffenden technisch-organisatorischen Maßnahmen zu einem Sicherheitskonzept zusammenzuführen, welches auf einer Vorabkontrolle hinsichtlich möglicher Gefahren oder auf einer Risikoanalyse beruht. 123 Sowohl das IT-Sicherheitshandbuch als auch das IT-Grundschutzhandbuch sind über die Homepage des BSI abrufbar: http://www.bsi.de/literat/sichhandbuch/sichhandbuch.zip; http://www.bsi.de/gshb/deutsch/index.htm. 121 122
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Daten zugreifen können und dass personenbezogene Daten bei der Verarbeitung, Nutzung und nach der Speicherung nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können. Die Regelung betrifft also primär die Begrenzung des Zugriffs für die zur Benutzung eines Datenverarbeitungssystems an sich Berechtigten auf die Daten, die im Rahmen der jeweiligen Zugriffsberechtigung liegen.124 Zugriff ist der Zugang zu den personenbezogenen Daten zum Zwecke ihrer Verwendung. Umfasst ist daher jede Aktivität in Bezug auf die gespeicherten Daten, die den Informationswert verfügbar macht, insbesondere die Kenntnisnahme oder die Nutzung der Daten.125 Die Zugriffsberechtigung ist die Befugnis, mit einer bestimmten Menge von Daten in einer definierten Weise umzugehen. Diese Befugnis der einzelnen Mitarbeiter ist von der verantwortlichen Stelle datenschutzgerecht zu bestimmen. In Punkt 4 ist geregelt, dass personenbezogene Daten bei der elektronischen Übertragung oder während ihres Transportes oder ihrer Speicherung auf dem Datenträger nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden dürfen. Die Daten sind also während der Übertragung besonders gegen den unbefugten Zugriff Dritter zu schützen. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Daten während dieser Phase der Verarbeitung besonders durch Angriffe von außen gefährdet sind. Als geeignete Maßnahme kann vor allem die Verschlüsselung der Daten vor der Übertragung angesehen werden.126 Daten sind aber auch besonders zu schützen, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert sind. Bedeutung für RFID-Systeme Insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung im Backend sind Maßnahmen für eine ausreichende Zugriffskontrolle zu ergreifen (§ 9 BDSG i. V. m. Punkt 3 der Anlage zu § 9 S. 1 BDSG). Hier kommen insbesondere in Betracht:127 • • • •
Festlegen der Zugriffsbefugnisse der einzelnen Mitarbeiter Identifikation der Zugreifenden Protokollieren von Zugriffen und Missbrauchsversuchen Authentifizierung durch Passwort-Schutz
Heibey, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.5, Rn. 45; Ernestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 100. 125 Ernestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 103. 126 Ernestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 112. 127 S. hierzu ausführlich Ernestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 108 f. 124
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• automatisches log-off nach einem bestimmten Zeitraum/nach Dienstschluss Auch in Bezug auf die Weitergabekontrolle sind erforderliche Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten zu treffen. Werden personenbezogene Daten im Rahmen von RFID-Systemen übertragen, müssen diese gem. § 9 BDSG i. V. m. Punkt 4 der Anlage zu § 9 S. 1 BDSG grundsätzlich verschlüsselt werden. Außerdem können Maßnahmen zur Authentifizierung von Tag und Reader getroffen werden. Hierbei ist aber insgesamt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Es ist daher eine Abwägung zwischen dem Schutzbedürfnis und dem jeweils entstehenden Aufwand vorzunehmen. Als Aufwand sind sämtliche Kosten zu berücksichtigen, die von der Planungsphase bis zur Einführung entstehen, sowie die anfallenden Betriebskosten. Dazu zählen auch Entwicklungskosten und Investitionskosten, die in die eigentliche Sicherungstechnik fließen.128 Auf der anderen Seite ist zu bedenken, wie sensitiv die anfallenden Daten sind und wie hoch das Risiko für die Sicherheit dieser Daten ist. Insofern ist also möglichst eine Risikoanalyse durchzuführen. So ist z. B. für biometrische Daten in Ausweispapieren ein besonders hoher Schutz zu fordern, da es sich hier z. T. um besondere personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG) handelt. In diesem Fall ist auch ein kostenintensiver Aufwand inkauf zu nehmen. Andererseits kann für Transponder aus dem Low-End-Bereich beispielsweise kein kompliziertes kryptographisches Verfahren verlangt werden. 2.2.4 Strafrechtlicher Schutz
Die Sicherheit von RFID-Systemen wird auch durch Straftatbestände geschützt. Datenveränderung, § 303a StGB Bei Angriffen auf RFID-Systeme kommt zunächst eine Strafbarkeit gem. § 303a StGB in Betracht. Danach macht sich strafbar, wer rechtswidrig Daten löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert. Die Vorschrift schützt das Interesse des Verfügungsberechtigten an der unversehrten Verwendbarkeit der gespeicherten Daten.129 Die unversehrte Verwendbarkeit wird durch die Authentizität und Integrität (Tatbestandsalternativen löschen, unbrauchbar machen und verändern) und durch die Verfügbarkeit (unterdrücken) der Daten sichergestellt. Der Datenbegriff des § 303a StGB ist identisch mit dem DatenbegErnestus/Geiger, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 9 Rn. 34. 129 BT-Drs. 10/5058, 34. 128
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riff des § 202a StGB. Anders als § 202a Abs. 1 StGB verlangt § 303a StGB aber nicht, dass die Daten nicht für den Täter bestimmt sind.130 Ebenso wie § 202a StGB schützt die Vorschrift diese Daten unabhängig von ihrem Inhalt.131 Nicht erforderlich ist, dass sie einen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, ideellen oder sonstigen Wert besitzen.132 § 303a StGB schützt Daten davor, gelöscht, unterdrückt, unbrauchbar gemacht oder verändert zu werden. Gelöscht werden Daten, wenn sie vollständig und unwiederbringlich unkenntlich gemacht werden.133 Unterdrückt werden Daten, wenn sie dem Zugriff des Verfügungsberechtigten entzogen werden und deshalb von diesem nicht mehr verwendet werden können.134 Dies wäre z. B. bei einer DoS-Attacke auf ein RFID-System der Fall. Daten sind dann unbrauchbar, wenn die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit des Datenmaterials anders als durch Datenlöschung oder Datenunterdrückung aufgehoben wird.135 Verändern umfasst diejenigen inhaltlichen Modifikationen einzelner Daten oder Abänderungen einer Datenfolge, die die Verwendbarkeit der Daten nicht aufheben, sondern nur beeinträchtigen oder zumindest modifizieren.136 Computersabotage, § 303b StGB Ein Angriff auf RFID-Systeme könnte auch gem. § 303b StGB strafbewehrt sein. Die Vorschrift schützt das Interesse von Wirtschaft und Verwaltung an der Funktionsfähigkeit ihrer gesamten Datenverarbeitung.137 Die Vorschrift setzt voraus, dass der Vorgang einer Datenverarbeitung beeinflusst wird. Der Ausdruck „Datenverarbeitung“ bezeichnet in § 303b StGB den gesamten Arbeitsbereich, der sich auf die Speicherung und Verarbeitung von Daten mittels EDV bezieht. Ein Streng genommen erfasst der Tatbestand des § 303a StGB deshalb auch die Veränderung eigener Daten. Um dieses widersinnige Ergebnis zu vermeiden (die Vorschrift soll den Berechtigten vor unbefugter Veränderung durch Fremde schützen und nicht die Überarbeitung eigener Dateien verbieten), ist der Tatbestand auf das Verbot der Veränderung solcher Daten zu reduzieren, an deren Unversehrtheit ein anderer ein unmittelbares Interesse besitzt. Vgl. hierzu Lenckner/Winkelbauer, CR 1986, 824, 829. 131 Möhrenschlager, wistra 1986, 128, 141. 132 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, 25. Aufl. 2004, § 303a Rn. 1; Schulze-Heiming, Der strafrechtliche Schutz der Computerdaten gegen die Angriffsformen der Spionage, Sabotage und des Zeitdiebstahls, Diss. Münster, 1995, S. 164. 133 BT-Drs. 10/5058, 34. 134 BT-Drs. 10/5058, 34. 135 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, a. a. O., § 303a Rn. 3. 136 Hilgendorf, JuS 1996, 890, 891. 137 Möhrenschlager, wistra 1986, 128, 142; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGBKommentar, a. a. O., § 303b Rn. 1. 130
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einzelner Datenverarbeitungsvorgang wird nur erfasst, wenn dadurch die betreffende Datenverarbeitung insgesamt beeinträchtigt wird.138 Die Tat kann sich folglich nicht auf einzelne RFID-Tags beziehen. Sie ist aber möglich bei einem Angriff auf das Backend eines solchen Systems. Der Begriff der Datenverarbeitung erfährt eine Einschränkung insofern, als die Datenverarbeitung für einen fremden Betrieb, ein fremdes Unternehmen oder eine Behörde von wesentlicher Bedeutung sein muss. Dies setzt eine solche Komplexität der Datenverarbeitung voraus, dass von ihrem störungsfreien Ablauf die Funktionstüchtigkeit der Einrichtung im Ganzen abhängt.139 Ein Angriff auf das Backend eines Unternehmens ist also nur dann als Computersabotage zu werten, wenn hiervon seine Funktionstüchtigkeit abhängt. Der Angriff muss eine Störung der Datenverarbeitung verursachen. Dies setzt mehr als eine bloße Gefährdung, nämlich eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des reibungslosen Ablaufs voraus.140 Diese kann zum einen durch eine Datenveränderung nach § 303a Abs. 1 StGB hervorgerufen werden, § 303b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Computersabotage stellt somit einen qualifizierten Fall der strafbaren Datenveränderung dar, der wegen seiner schwerwiegenden Auswirkungen auf einen wichtigen Datenverarbeitungsvorgang deutlich strenger bestraft werden kann. Zum anderen kann die Störung durch Angriffe auf die Hardware verursacht werden, wenn die Anlage selbst oder einzelne Datenträger zerstört, beschädigt, unbrauchbar gemacht, beseitigt oder verändert werden. Fälschung beweiserheblicher Daten, § 269 StGB Die Fälschung von Inhalt oder Identität eines RFID-Tags könnte als Fälschung beweiserheblicher Daten zu werten sein. Nach § 269 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derart gespeicherte oder veränderte Daten gebraucht. Die Fälschung beweiserheblicher Daten ist deshalb insoweit geschützt, als ein Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Authentizität des Datenbestands im Hinblick auf dessen unveränderte Herkunft von einem bestimmten Aussteller besteht.141 Urkunde i. S. d. Strafrechts ist jede verkörperte Erklärung, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt ist, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen und die ihren Aussteller erkennen lässt.142 Wird Hilgendorf, JuS 1996, 1082, 1083 m. w. N. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, a. a. O., § 303b Rn. 2. 140 BT-Drs. 10/5058, 36. 141 Möhrenschlager, wistra 1986, 128, 134. 142 BGHSt 3, 84; 4, 285; 13, 235; 16, 96. 138 139
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ein Tag auf einen Gegenstand aufgebracht, so handelt es sich hierbei, bis auf die visuelle Wahrnehmbarkeit des gespeicherten Inhalts, um eine zusammengesetzte Urkunde, da die beweiserheblichen Daten mit dem Trägerobjekt fest zu einer Beweiseinheit verbunden werden.143 Die Echtheit einer Urkunde bestimmt sich danach, ob alle Angaben in der Urkunde dem vermeintlichen Aussteller auch tatsächlich zuzurechnen sind,144 so dass für die Erklärung im Rechtsverkehr die als Aussteller erscheinende Person tatsächlich haftbar zu machen ist. Unecht ist eine Urkunde daher nicht etwa dann, wenn in ihr inhaltlich Unrichtiges wiedergegeben ist (sog. schriftliche Lüge), sondern wenn die verkörperte Erklärung, sei sie richtig oder falsch, nicht von dem stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Aussteller des beweiserheblichen Ergebnisses eines Datenverarbeitungs- oder Datenspeicherungsvorganges ist, wem die Gedankenerklärung geistig zuzurechnen ist.145 Dies ist im hier relevanten Zusammenhang der Verwender des RFID-Systems. Das oben beschriebene Klonen eines Tags würde dem Verwender des ursprünglichen Tags einen gleich lautenden Erklärungsinhalt erneut unterschieben, der diesem auch im Rechtsverkehr zugerechnet würde. Dies entspräche dem Herstellen einer unechten Urkunde, so dass hier eine Strafbarkeit gem. § 269 Abs. 1 StGB vorläge. Als Verfälschung ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde anzusehen, durch die der Anschein erweckt wird, der Aussteller habe die Erklärung in der Form abgegeben, die sie durch die Verfälschung erlangt hat.146 Ändert ein Täter also die auf einem Tag gespeicherten Daten, so dass der Anschein entsteht, der reguläre Verwender habe die Daten so abgelegt, so liegt in diesem Fall eine Verfälschung beweiserheblicher Daten vor. Verändern beweiserheblicher Daten, § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB Das Ablösen eines RFID-Tags von seinem Trägerobjekt könnte eine Straftat nach § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein. Danach macht sich strafbar, wer beweiserhebliche Daten (§ 202a StGB), über die er nicht oder nicht ausschließlich verfügen darf, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert. § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB schützt die Integrität und Authentizität (Tathandlungen löschen, unbrauchbar machen und verändern) sowie die Verfügbarkeit (Tathandlung unterdrücken) beweiserheblicher Daten und somit die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts- und Beweisverkehrs. § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Zu zusammengesetzten Urkunden vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 269 Rn. 5 und § 267 Rn. 8. 144 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 269 Rn. 6. 145 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 269 Rn. 6. 146 OLG Hamm, NJW 1969, 625. 143
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Qualifikationstatbestand im Verhältnis zur Datenveränderung gemäß § 303a StGB und stellt das Gegenstück zum Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) dar. Während § 269 StGB die positive Schaffung unechter beweiserheblicher Daten durch Speicherung und Veränderung regelt, erfasst § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB deren negative Beseitigung durch Löschen, Unterdrücken, Unbrauchbarmachen und Verändern. Wird also die zusammengesetzte Beweiseinheit aus RFID-Tag und Trägerobjekt z. B. durch Ablösen oder Zerstören des Tags vernichtet, ist dies strafbar gem. § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Computerbetrug, § 263a StGB Bei der Manipulation von RFID-Systemen kommt auch eine Strafbarkeit gem. § 263a StGB in Betracht. Danach macht sich des Computerbetrugs strafbar, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorganges durch unrichtige Gestaltung des Programmes, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst. Geschütztes Rechtsgut ist ausschließlich das Vermögen.147 Besonders relevant ist dieser Straftatbestand für das Benutzen von Geräten zur Überwindung elektronischer Wegfahrsperren. In einem entsprechenden Fall hat die Staatsanwaltschaft Konstanz eine Strafbarkeit gem. § 263a Abs. 1 StGB grundsätzlich in Betracht gezogen.148 Demnach ist die Wegfahrsperre eines Fahrzeugs als eine Einheit anzusehen, in der durch implementierte Software verschiedene Rechnervorgänge gesteuert werden. Zur Überwindung der Wegfahrsperre werde die Rechneranlage mit unrichtigen Daten „gefüttert“. Schon die Nutzung eines Kraftfahrzeuges stelle eine vermögenswerte Leistung dar,149 so dass der Tatbestand des § 263a Abs. 1 StGB erfüllt sei. In dem zu entscheidenden Fall waren die Täter allerdings bereits an der Grenze von Beamten überprüft worden. Dabei stellte sich heraus, dass einer der Täter ein Gerät zur Manipulation und unberechtigten Überwindung der Wegfahrsperren von hochwertigen BMW Fahrzeugen mit sich führte. Der Mittäter trug fünf Transponder bei sich, die als Fahrzeugschlüssel für Fahrzeuge dienen, bei denen die elektronische, rechner- und softwaregeBGHSt 40, 331, 334. AG Konstanz, Strafbefehl vom 7.10.2005, Az. 10 Cs & 0 Js 5031/05 – AK 419/05. Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat die Strafverfolgung jedoch gem. § 154a StPO auf die Strafbarkeit gem. §§ 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 UWG i. V. m. §§ 25 Abs. 2, 74 StGB beschränkt. 149 Strafgedanke des § 248b StGB. 147 148
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steuerte Wegfahrsperre manipuliert wurde. Allein das Mitsichführen des Manipulationsgerätes und der Transponder unterfällt bereits dem Tatbestand des § 263a Abs. 3 StGB. Danach macht sich strafbar, wer eine Straftat nach Abs. 1 vorbereitet, indem er Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt. Das Manipulationsgerät enthält nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine entsprechende „Knacksoftware“. In dem geschilderten Fall erging der Strafbefehl allerdings nicht aufgrund der Strafbarkeit gem. § 263a Abs. 3 StGB, sondern wegen des gemeinschaftlichen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. §§ 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 UWG i. V. m. §§ 25 Abs. 2, 74 StGB. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG macht sich strafbar, wer aus Eigennutz oder zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch Anwendung technischer Mittel oder durch Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses unbefugt verschafft oder sichert. In dem Strafbefehl wird ausgeführt, dass die elektronische Wegfahrsperre bei hochwertigen Fahrzeugen durch den Hersteller mittels Software und Programmroutinen sowie darauf abgestimmter Hardware realisiert werde. Details dieses Schutzverfahrens seien ein vom Hersteller gehütetes Geschäftsgeheimnis. Das mitgeführte Manipulationsgerät sowie die darauf abgestimmten Transponder verkörperten das entsprechende Geschäftsgeheimnis des Herstellers, das die Täter zu eigenen Zwecken verwenden wollten. 2.2.5 Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die RFID-Technologie zwar neue Risiken für die Verfügbarkeit der Daten, deren Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität mit sich bringt. Auf der anderen Seite hat die Untersuchung gezeigt, dass diesen Gefahren durch technische Sicherheitsmaßnahmen begegnet werden kann. Es können Authentifizierungsmechanismen implementiert werden wie beispielsweise ein Passwortschutz. Auch eine weltweit eindeutige Regelung zur Vergabe von Seriennummern kann zum Identitätsschutz von Transpondern beitragen. Zusätzlich bieten sich Verschlüsselungsverfahren und Deaktivierungsmöglichkeiten an. Es bestehen insbesondere für den Bereich der personenbezogenen Daten umfangreiche rechtliche Verpflichtungen zur Datensicherung. Ferner wird die Sicherheit und Integrität von RFID-Systemen auch strafrechtlich geschützt. Eine zusätzliche gesetzliche Regelung für die RFID-Technologie ist nicht erforderlich.
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2.3 Schutz der vertraulichen Kommunikation (Fernmeldegeheimnis) Nachdem nun datenschutzrechtliche und sicherheitsrelevante Aspekte der RFID-Technologie untersucht worden sind, soll jetzt überprüft werden, ob die Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität von RFID-Systemen auch durch das Fernmeldegeheimnis geschützt sind. 2.3.1 Abhörverbot nach § 89 TKG
Im datenschutzrechtlichen Teil wurde festgestellt, dass Produktcodes oder Seriennummern, die auf RFID-Tags gespeichert werden, für sich betrachtet keine personenbezogenen Daten i. S. d. BDSG und datenschutzrechtliche Vorschriften somit nicht anwendbar sind. Hier könnte aber möglicherweise rechtlicher Schutz nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) bestehen. Im TKG ist das aus Art. 10 GG folgende sog. Fernmeldegeheimnis einfachgesetzlich geregelt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikation. Zu klären ist zunächst, ob der Datenaustausch zwischen RFID-Tag und Reader der Telekommunikation zuzuordnen ist. Telekommunikation ist gem. § 3 Nr. 22 TKG der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Bei den RFID-Komponenten handelt es sich um technische Systeme, die elektromagnetische Signale senden, empfangen und steuern.150 Sie sind daher Telekommunikation i. S. d. Gesetzes und werden folglich grundsätzlich vom Fernmeldegeheimnis geschützt. Der Wahrung des Fernmeldegeheimnisses unterliegen jedoch gem. § 88 Abs. 2 TKG nur die Diensteanbieter, d. h. diejenigen, die ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, § 3 Nr. 6 TKG. Die Verwender von RFID-Systemen bieten jedoch keine Telekommunikationsdienste für Dritte an, so dass § 88 TKG insoweit nicht zur Anwendung gelangt. Die Verwender von RFID-Systemen unterliegen jedoch den datenschutzrechtlichen Bestimmungen, so dass für personenbezogene Daten der Betroffenen ein ausreichender Schutz besteht. Die Vertraulichkeit der Kommunikation kann jedoch auch durch Eingriffe Dritter verletzt werden. So ist insbesondere denkbar, dass Tags von Dritten unbefugt ausgelesen werden. Dieser Schutzpflicht dient § 89 TKG, der ein allgemeines Verbot statuiert, Nachrichten abzuhören, die nicht für die empfangende Funkanlage bestimmt sind. Verboten ist des Weiteren gem. S. 2 die Weitergabe des 150
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Inhalts oder der Tatsache des unbeabsichtigten Empfangs der Nachricht selbst. Ein Verstoß gegen das Abhörverbot ist gem. § 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG strafbar. Fraglich ist, ob RFID-Systeme vom Abhörverbot des § 89 TKG erfasst werden. § 89 S. 1 TKG Der Begriff der Funkanlage wird im 2004 novellierten TKG nicht mehr legaldefiniert. Nach der Definition des § 3 Nr. 4 TKG 1996 sind Funkanlagen elektrische Sende- und Empfangseinrichtungen, zwischen denen die Informationsübertragung ohne Verbindungsleitungen stattfinden kann. An diesem Verständnis hat sich durch die Novellierung des TKG nichts geändert.151 RFID-Systeme bestehen aus einer Sende- und einer Empfangseinrichtung. Die Informationsübertragung zwischen diesen beiden Komponenten erfolgt leitungslos per Funk. Sie sind daher als Funkanlage zu qualifizieren und fallen unter § 89 S. 1 TKG. Mit diesen Funkanlagen dürfen keine Nachrichten unbefugt abgehört werden. Der Begriff der Nachricht umfasst jede Information, die zwischen zwei Stellen übermittelt wird. Entscheidendes Merkmal der Nachricht ist der Übermittlungsvorgang.152 Auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Informationsgehaltes kommt es nicht an. Auch wenig aussagekräftige Signale sind Nachrichten.153 Geschützt sind folglich nicht nur auf Tags gespeicherte personenbezogene Daten, sondern z. B. auch Seriennummern, wenn diese einen Informationsgehalt aufweisen. Es kommt lediglich darauf an, dass diese Information übermittelt wird, was innerhalb eines RFIDSystems der Fall ist. Fraglich ist allerdings, welchen Informationsgehalt eine Seriennummer oder ein Produktcode für Außenstehende des jeweiligen Unternehmens haben kann. Wenn aus der Nummer Rückschlüsse auf das jeweilige Trägerobjekt, die Handelskette oder möglicherweise die Filiale, in der der Gegenstand gekauft wurde, gezogen werden können, so liegt hierin eindeutig ein Informationsgehalt. Der Nummer kommt damit Nachrichtenwert zu. Aber auch wenn auf den Tags lediglich eine Aneinanderreihung von Zahlen gespeichert ist, ist zu beachten, dass der Nachrichtenbegriff weit auszulegen ist und es auf die Aussagekraft der Information nicht ankommt. Die Information eines gespeicherten Produktcodes ist gerade die Aussage, dass dieses Produkt genau diesen Produktcode hat.
Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 2006, § 89 Rn. 4. 152 Dierlamm, in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 2002, § 95 TKG Rn. 2. 153 AG Potsdam, ZUM 2000, 166, 167; Müller, DuD 2004, 215, 217; Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 89 Rn. 6. 151
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Fraglich ist, ob diese weite Auslegung nicht in der Praxis dazu führt, dass eine Vielzahl von RFID-Anwendungen gegen das Abhörverbot verstößt. Im Alltag wird es sich nämlich kaum vermeiden lassen, dass bei einer Abfrage durch ein Lesegerät auch andere Tags ungewollt miterfasst werden. Aus einer Zusammenschau mit § 89 S. 2 TKG ergibt sich jedoch, dass der unbeabsichtigte Empfang einer Nachricht und deren Kenntnisnahme nicht gegen dass Abhörverbot verstoßen. Nach § 89 S. 2 TKG ist nämlich die Mitteilung einer Nachricht bei unbeabsichtigtem Empfang unzulässig. Daraus ergibt sich ferner, dass das Nutzen einer unbeabsichtigt empfangenen Nachricht für eigene Zwecke nicht verboten ist,154 so dass auch der unbeabsichtigte Empfang einer Nachricht nicht verboten ist. Dies entspricht auch dem Normzweck von § 89 TKG, wonach die Vertraulichkeit der Kommunikation vor Eingriffen Dritter geschützt werden soll. Das unbeabsichtigte Empfangen von RFID-Signalen lässt sich aber nicht verhindern, so dass hierin kein Eingriff zu sehen ist. Obwohl eine auf einem Tag gespeicherte Seriennummer Nachrichtenwert haben kann, ist das unbeabsichtigte Empfangen folglich nicht vom Abhörverbot erfasst.155 Eine Nachricht darf nur abgehört werden, wenn sie für den Betreiber der Funkanlage, Funkamateure i. S. d. Gesetzes über den Amateurfunk, die Allgemeinheit oder für einen unbestimmten Personenkreis bestimmt ist. Die Frage, für wen eine Nachricht bestimmt ist, richtet sich nach der subjektiven Bestimmung des Senders.156 Abhören ist das Sich-Verschaffen einer Information, die nicht für den Mithörenden gedacht war.157 Die klassische Konstellation des Abhörens besteht darin, dass sich ein Dritter in die Funkkommunikation zwischen Sender und Empfänger einschaltet. Wird also die Kommunikation zwischen Tag und Reader von einem Dritten mitgehört, so ist ein Abhören i. S. d. Vorschrift zweifelsohne gegeben. Wird ein Transponder jedoch unabhängig von einem regulären Funkvorgang ausgelesen, so regt dieser die Funkkommunikation erst an. Dennoch schließt das eine Anwendung des § 89 TKG nicht aus, da von dem Abhörverbot auch neue Informationsund Kommunikationstechniken erfasst werden sollen. 158 Das Auslesen von Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 89 Rn. 14. 155 So i. E. auch Müller, DuD 2004, 215, 217, der Serienkennungen im Wege der teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des § 86 S. 1 a. F. ausschließt. 156 Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 89 Rn. 8; Müller, DuD 2004, 215, 217. 157 Dierlamm, in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 95 TKG Rn. 3. 158 Müller, DuD 2004, 215, 217. 154
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Transpondern durch Dritte ist von der Interessenlage her vergleichbar mit der klassischen Abhör-Konstellation. Der Wortlaut des § 89 TKG ist nicht darauf beschränkt, dass sich der abhörende in eine bestehende Funkverbindung einschaltet. Vielmehr soll jeglicher unbefugter Empfang von Nachrichten verboten werden.159 Entscheidend ist nur, dass sich der Dritte die spezifischen Eigenschaften der Funktechnik zunutze macht, um Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen, die nicht für ihn bestimmt sind. Das unbefugte Auslesen eines RFID-Tags ist folglich vom Begriff des Abhörens umfasst.160 § 89 S. 2 TKG Zum weiteren Schutz der Vertraulichkeit enthält Satz 2 der Vorschrift ein Mitteilungsverbot. Danach ist die Mitteilung des Inhalts von unbefugt abgehörten Nachrichten sowie der Tatsache ihres Empfangs verboten. Empfang ist die Entgegennahme von Worten, Zeichen oder sonstigen Informationen.161 Mitteilung ist jede Art von mündlicher oder schriftlicher Bekanntgabe. Die Mitteilung ist auch bei unbeabsichtigtem Empfang unzulässig, § 89 Satz 2 TKG. Aus dieser Regelung ergibt sich ferner, dass das Nutzen einer unbeabsichtigt empfangenen Nachricht für eigene Zwecke nicht verboten ist.162 Auch der unbeabsichtigte Empfang einer Nachricht und deren Kenntnisnahme verstoßen nicht gegen das Abhörverbot. Allerdings greift hier der durch § 89 S. 2 TKG angeordnete Nachsorgeschutz, d. h. dass unbeabsichtigt empfangene Daten nicht weitergegeben werden dürfen. 2.3.2 Strafbarkeit gem. § 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG
Objektiver Tatbestand Hört jemand unbefugt die Kommunikation zwischen einem RFID-Tag und einem Reader ab oder liest jemand unbefugt einen Tag aus, so kann dies auch als Straftat gem. § 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG gewertet werden. Danach macht sich strafbar, wer entgegen § 89 S. 1 oder 2 TKG eine Nachricht unbefugt mittels einer Funkanlage abhört oder den Inhalt einer unbefugt empfangenen Nachricht oder die Tatsache ihres Empfangs einem anderen mitteilt. Die Tat kann nur gegen den Willen des Senders der Nachricht begangen werden, da die Frage, für wen sie bestimmt ist, subjektiv zu beurteilen ist. Willigt der Sender in den Empfang Müller, DuD 2004, 215, 217. So auch Lahner, Datenschutzrechtliche Probleme beim Einsatz von RFIDSystemen, a. a. O., S. 49; Müller, DuD 2004, 215, 217. 161 Dierlamm, in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 95 TKG Rn. 3. 162 Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 89 Rn. 14. 159 160
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der Nachricht ein, so handelt es sich hierbei um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis.163 Subjektiver Tatbestand § 148 TKG ist eine in einem Nebengesetz enthaltene materielle Strafrechtsnorm, so dass gem. Art. 1 Abs. 1 EGStGB die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB uneingeschränkt gelten. Folglich ist nur die vorsätzliche Begehung strafbar, da das fahrlässige Handeln nicht ausdrücklich mit Strafe bedroht ist, § 15 StGB. Versuchsstrafbarkeit und Vollendung Der Versuch ist nicht strafbar, § 23 Abs. 1 StGB. Die erste Tatbestandsalternative ist allerdings bereits mit dem Abhören der ersten Sequenz der Nachricht vollendet.164 Auch das Mitteilen von Informationen ist bereits dann vollendet, wenn der Empfänger nur den Anfang der Mitteilung erhalten hat.165 Konkurrenzen und Strafrahmen Wer eine Nachricht sowohl unbefugt abhört als auch Informationen darüber mitteilt, begeht nur eine Tat, da es sich um unselbstständige Tatbestandsalternativen handelt.166 Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Bei § 148 TKG handelt es sich um ein Offizialdelikt, d. h. zur Strafverfolgung ist ein vorheriger Strafantrag nicht erforderlich. 2.3.2 Ausspähen von Daten, § 202a StGB
Auf RFID-Tags gespeicherte Daten könnten auch dem strafrechtlichen Schutz des § 202a StGB unterfallen. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, sich oder einem anderen verschafft. § 202a StGB schützt die Vertraulichkeit der Daten. Gemeint ist damit die aus dem Recht am gedanklichen Inhalt folgende Befugnis, andere von ihrer Kenntnisnahme auszuschließen, und zwar unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Datenträger oder davon, ob es sich bei den Daten tatsächlich um Geheimnisse handelt.167 Enthält ein Datenträger z. B. die Adresse eines Betroffenen, so ist das Ausspähen dieser Daten unabhängig davon strafbar,
Klescewski, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, a. a. O., § 148 Rn. 7. 164 Entsprechend zu § 201 StGB: Lenckner, in: Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 27. Aufl. 2006 § 201, Rn. 36. 165 Büchner, in: Beck´scher TKG-Kommentar, 2000, § 95 TKG Rn. 4. 166 Büchner, in: Beck´scher TKG-Kommentar, a. a. O., § 95 TKG Rn. 6. 167 Hilgendorf, JuS 1996, 509, 511; Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 202a, Rn. 1. 163
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ob die Adresse geheim oder allgemein bekannt ist oder ob sie auf dem Datenträger des Betroffenen oder eines Dritten gespeichert ist. Tatobjekt Der zentrale Begriff des § 202a StGB ist das Datum. § 202a StGB stellt keine besonderen inhaltlichen Anforderungen an die geschützten Daten. So muss es sich insbesondere nicht um personenbezogene Daten handeln. § 202a Abs. 2 StGB grenzt den Begriff lediglich dahingehend ein, dass Daten i. S. d. § 202a Abs. 1 StGB nur solche sind, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.168 Geschützt werden folglich auch Tags, auf denen ausschließlich Seriennummern oder Produktcodes gespeichert sind. § 202a StGB schützt die Daten nur, wenn sie nicht für den Täter bestimmt sind. Dies sind sie dann nicht, wenn sie nach dem Willen des Berechtigten nicht in den Herrschaftsbereich des Täters gelangen sollen.169 Zudem müssen die Daten gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sein. Besondere Sicherungen i. S. d. § 202a StGB sind Vorkehrungen, die objektiv geeignet und subjektiv nach dem Willen des Berechtigten dazu bestimmt sind, den Zugriff auf die Daten auszuschließen oder wenigstens nicht unerheblich zu erschweren.170 Es werden sowohl mechanische Sicherungen wie z. B. verschlossene Behältnisse als auch elektronische Sicherungen wie z. B. Passwörter oder Verschlüsselungsmechanismen erfasst. Auf RFID-Tags gespeicherte Daten unterliegen daher nur dann dem strafrechtlichen Schutz des § 202a StGB, wenn sie durch ein kryptographisches Verfahren oder einen Passwortschutz besonders gesichert sind. Dies wird bei im Handel verwendeten Tags, auf denen lediglich eine Seriennummer oder ein Produktcode gespeichert wird, in der Regel nicht der Fall sein, da die Produktionskosten bei komplizierteren Schutzmaßnahmen für den massenhaften Gebrauch zu hoch wären. Taterfolg Der Taterfolg liegt in dem Verschaffen der Daten für sich oder für einen anderen. Dies erfordert das Herstellen der eigenen Herrschaft oder derjenigen eines anderen über die Daten. Dies ist zum einen immer dann der Fall, wenn der Täter oder der Dritte von ihnen Kenntnis genommen hat. Zum anderen genügt auch bereits die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme, wenn der Täter einen Datenträger in seine oder des Dritten Verfügungsgewalt bringt, oder wenn er die Daten auf einem eigenen Datenträger oder dem eines Dritten speichert.171 Besonderheiten ergeben Zu den einzelnen Begriffsmerkmalen und zur daran geübten Kritik siehe Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 202a, Rn. 4. 169 Möhrenschlager, wistra 1986, 128, 140. 170 Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 202a, Rn. 7. 171 Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 202a, Rn. 10. 168
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sich, wenn die Daten verschlüsselt sind. In diesem Fall hat sich der Täter die Daten erst dann verschafft, wenn sie entschlüsselt wurden und im Klartext vorliegen.172 2.3.4 Fazit
Die Vertraulichkeit der Kommunikation innerhalb von RFID-Systemen ist auch durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Vom Abhörverbot des § 89 TKG ist jedoch nur das beabsichtigte Auslesen von Transpondern betroffen. Zusätzlich wird die Vertraulichkeit durch die Straftatbestände der §§ 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG und 202a StGB abgesichert. Insgesamt erscheint daher die aktuelle Gesetzeslage ausreichend, um die derzeit mit RFID verbundenen Risiken zu bewältigen.
3 Rechtspolitische Debatte 3.1 Technologischer Wandel und das Prinzip der Verantwortung Die moderne Informationsgesellschaft befindet sich in einem ständigen technologischen Wandel. Die Geräte der neuen digitalen Welt sind intelligent: sie können hören, lesen, sehen und Auskunft geben. Die RFIDTechnologie, die anschaulich das „Internet der Dinge“ genannt wird, ermöglicht es, den Umschlag von Waren und Dienstleistungen weiter zu beschleunigen und besser auf die Bedürfnisse der Unternehmen und Verbraucher einzustellen. Einschneidende Veränderungen sind insbesondere für den Handel, die Logistik und das Überwachungswesen zu erwarten. Keine neue Technik ist ohne Risiken. Da die RFID-Technologie das Erfassen und Auslesen von Daten erleichtert, besteht die Befürchtung, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend respektiert wird. Entsprechend kamen in letzter Zeit verschiedentlich Forderungen nach einer Weiterentwicklung und Modernisierung des 2001 nach europäischen Maßstäben neu gefassten Bundesdatenschutzgesetzes auf. Kritiker befürchten, dass die RFID-Technologie von Unternehmen zum Erstellen von Kunden- oder Persönlichkeitsprofilen missbraucht werden könnte. Auch Befürchtungen wie der gläserne Bürger und das Entstehen eines Überwachungsstaates werden in diese Diskussion mit eingebracht. Aber auch auf neue Gefährdungen für die Datensicherheit wird hingewie172
Schmitz, JA 1995, 483; a. A. Hilgendorf, JuS 1996, 702, 705.
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sen. Die neuen Techniken können von Dritten angegriffen und ihre Funktionen können gestört werden. Zudem können Unbefugte die auf den RFID-Tags gespeicherten Daten ausspionieren. Vor diesem Hintergrund wird der massenhafte Gebrauch von RFID von vielen Verbrauchern und insbesondere Verbraucherverbänden abwartend oder gar skeptisch beurteilt. Verstärkt wird ihr Misstrauen durch Pressemeldungen, die über spektakuläre Anwendungen berichten. So wird RFID offenbar zu zweifelhaften Zwecken eingesetzt, wobei die Überwachung von Menschen nicht nur möglich, sondern teilweise auch Zweck des Technologieeinsatzes ist. Ein Beispiel dafür ist eine US-amerikanische Firma, die ihre Mitarbeiter dazu anhält, sich RFID-Chips in den Körper injizieren zu lassen, um so das Verfahren für die Zutrittskontrollen für die Kontrollräume zu verbessern.173 Auch der Einsatz von RFID in einigen Schulen zur Überprüfung der Anwesenheit ihrer Schüler stimmt bedenklich.174 Diese Beispiele belegen, dass sowohl private als auch öffentliche Einrichtungen unbedacht und verantwortungslos mit den Möglichkeiten einer neuen Technologie umgehen können. Festzuhalten ist aber auch, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt. Die massenhafte Verwendung der Technologie im Handel aber auch in anderen Bereichen stellt sich weit weniger Aufsehen erregend dar. In einer Großzahl von Anwendungen werden gar keine personenbezogenen Daten erhoben oder verarbeitet, so dass insofern auch keine Überwachung von Personen stattfinden kann. Zudem kann man den Unternehmen, die RFID-Technologie seriös verwenden wollen, nicht unterstellen, dass sie das Einkaufsverhalten ihrer Kunden ausforschen möchten. Mit den Risiken einer neuen Technik wächst auch die Verantwortung für ihren sozialverträglichen Einsatz. Gefordert ist daher eine Beachtung ethischer Werte durch die Handelnden. Und dies bedeutet für RFID, dass insbesondere den Belangen des Datenschutzes, der Datensicherheit und des Fernmeldegeheimnisses hinreichend Rechnung getragen werden muss.
Vgl. heise online, Meldung vom 10.2.2006, abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/69438. 174 Vgl. heise online, Meldung vom 7.2.2005, abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/56117 und Meldung vom 18.2.2005, abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/56562. 173
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3.2 Hohes Schutzniveau durch bestehende rechtliche Vorkehrungen Im Unterschied z. B. zu den Vereinigten Staaten wird es in dieser Bundesrepublik als eine gewichtige Aufgabe des Staates angesehen, für ein angemessenes Niveau an Datenschutz, Schutz des Fernmeldegeheimnisses und Datensicherheit zu sorgen. Dementsprechend enthält unsere Rechtsordnung zahlreiche Vorgaben, um diese Schutzziele zu gewährleisten. Das deutsche Datenschutz- und Datensicherheitsrecht weist im internationalen Vergleich ein besonders hohes Schutzniveau auf. Der rechtliche Rahmen für den Einsatz von RFID ist im Einzelnen im Teil IV dieser Abhandlung untersucht worden. Hierbei hat sich ergeben, dass im Hinblick auf die in der Bundesrepublik von RFID ausgehenden potenziellen Risiken keine Regelungslücken erkennbar sind.175 Diese Sichtweise wird auch von der Bundesregierung geteilt.176 3.3 Optimierung des Schutzinstrumentariums In der rechtspolitischen Diskussion um einen möglichst verträglichen Einsatz von RFID wird überwiegend für eine Optimierung des bestehenden Instrumentariums plädiert. Hierbei geht es darum, die Möglichkeiten des bestehenden Rechtsrahmens auszuschöpfen und diese auf die neuen Anforderungen einzustellen. Ziel der Vorschläge ist es auch, auf die Befürchtungen, durch RFID überwacht und durchleuchtet zu werden, einzugehen. Denn schon allein das „Sich-Beobachtet-Fühlen“ reicht aus, um den Einzelnen in seiner Verhaltensweise zu beschränken. Um diesen Einstellungen und zum Teil auch Ängsten zu begegnen, bietet es sich vielfach an, Vorkehrungen zu ergreifen, die über das bestehende gesetzlich festgelegte Schutzniveau hinausgehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen daher von einer Verbesserung der Transparenz des RFID-Einsatzes und seiner Folgen bis zu einer Verbesserung des Datenschutzes durch Technik und Selbstverpflichtung. Kennzeichnung von Produkten mit RFID Vor diesem Hintergrund diskutieren Politik und Wirtschaft zurzeit, ob alle mit RFID-Chips versehenen Produkte aus Gründen der Transparenz zu kennzeichnen sind auch wenn So z. B. das Positionspapier des FoeBud, das sich für ein gesetzliches Verbot einiger Anwendungen von RFID ausspricht; im Internet ist das Dokument abrufbar unter http://www.foebud.org/rfid/positionspapier.pdf. 176 Vgl. RDV 2004, 196, 197 zur Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion nach den Gefahren eines Missbrauchs von Radio Frequency Identification Chips. 175
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keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Produkte mit RFID-Tags besteht, wenn darauf keine personenbezogenen Daten gespeichert sind und auch kein Personenbezug durch in Datenbanken gespeicherte Daten hergestellt werden soll. Nur so könne die Akzeptanz beim Kunden hergestellt bzw. gesteigert werden.177 Die Industrie könne so zeigen, dass sie verantwortungsvoll mit Verbraucherrechten umgeht, und das Vertrauen in neue Technologien verstärken. Beispielsweise könnte jedes Produkt bzw. jede Verpackung, die mit einem RFID-Chip versehen ist, durch Aufbringung eines besonderen Logos gekennzeichnet werden. Die Verbraucher können z. B. darüber informiert werden, wie der Tag entfernt, ausgeschaltet oder unbrauchbar gemacht werden kann. Außerdem sollten Informationen über den EPC für die Konsumenten leicht zugänglich gemacht werden. Dadurch können die Kunden mit dem Logo vertraut gemacht, die Technologie erklärt und ihre Vorteile aufgezeigt werden. Die Aufklärungspflichten sollten sich auch auf mögliche Sicherheitsrisiken beziehen. Den Verbrauchern muss klar sein, dass Tags theoretisch von Dritten ausgelesen werden können, dass diese aber in der Regel mit den gespeicherten Zahlencodes keine Information über das jeweilige Produkt oder über den Kunden erhalten. Im Rahmen der Selbstverpflichtung von EPCglobal ist eine solche Kennzeichnungspflicht für die beteiligten Unternehmen vorgesehen. Eine andere Möglichkeit zur Umsetzung des datenschutzrechtlichen Transparenzgebots wäre die Kennzeichnung von Verkaufsräumen, in denen Waren mit RFID-Chips verkauft werden, durch Hinweisschilder nach dem Vorbild von § 6b BDSG zur Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung). Nach § 6b Abs. 2 BDSG sind der Umstand der Videoüberwachung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. Informationstafeln im Eingangsbereich, die die Verwendung von RFID näher erläutern, könnten diese Hinweispflichten sinnvoll ergänzen. Auskunft über gespeicherte Informationen Um gespeicherte Daten für Betroffene transparent zu machen, sollte diesen die Möglichkeit eingeräumt werden, die gespeicherten Informationen einzusehen. Werden personenbezogene Daten gespeichert, so besteht hierzu sogar eine gesetzliche Verpflichtung sowohl für Behörden (§ 19a BDSG) als auch für private Stellen (§ 34 BDSG). Aber auch wenn keine personenbezogenen Daten betroffen sind, sondern z. B. lediglich ein elektronischer Produktcode, könnte die Auskunftsgewährung dazu beitragen, das Vertrauen des Kunden in die neue Technologie zu stärken. Er könnte sich vergewissern, dass keine ge177
Holznagel/Bonnekoh, MMR 2006, 17, 23.
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heimhaltungsbedürftigen Informationen auf dem Tag gespeichert sind und er würde sich nicht beobachtet fühlen. In Supermärkten oder sonstigen Geschäften, in denen RFID-Transponder verwendet werden, könnten am Ausgang beispielsweise Leseterminals aufgestellt werden, an denen sich die Kunden bei Bedarf über die gespeicherten Daten informieren können. Dann könnten sie selbst bestimmen, ob sie den Mikrochip aktiviert lassen wollen, um später ggf. Gewährleistungsrechte auch ohne Kassenbon geltend machen zu können, oder ob sie die gespeicherten Daten löschen bzw. den RFID-Chip deaktivieren wollen. Deaktivierung von Tags und Verhinderung ihres Auslesens Die mögliche Deaktivierung für Transponder auf Produktverpackungen oder Etiketten wird ebenfalls als eine Einflussmöglichkeit des Einzelnen auf mögliche Risiken diskutiert. Zwei Motive spielen dabei eine Rolle: Erstens erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher eine Wahlmöglichkeit. Die eigene Abwägung von Chancen und Risiken könnte damit individuell oder idealerweise sogar von Fall zu Fall anders ausfallen. Zweitens kommt die Möglichkeit ins Spiel, Transponder zeitweise zu deaktivieren, um punktuelle Risiken eines Missbrauchs zu vermeiden und damit ganz gezielt das Sicherheitsniveau anzupassen. Die Einräumung dieser Möglichkeiten wäre eine weitere vertrauensstärkende Maßnahme. Im Handel werden zum Teil bereits Deaktivierungsmöglichkeiten angeboten. Bei Durchführung dieses Kill-Befehls werden im Augenblick noch sämtliche gespeicherten Informationen gelöscht oder mit Nullen überschrieben, so dass auch für den Kunden nützliche Informationen verloren gehen. Mittlerweile werden aber auch RFID-Chips entwickelt, bei denen der Kunde bei Bedarf die Verbindung zwischen Chip und Antenne durch einfaches Abreißen trennen und so die Aussendung von Funksignalen unterbinden kann. Dies hat den Vorteil, dass die gespeicherten Daten im Bedarfsfall aus sehr geringer Entfernung wieder gelesen werden können, sofern sie noch einmal benötigt werden. Auditierung und Gütesiegel Gefordert wird von einigen Verbraucherschutzverbänden, dass die Einführung und Verwendung von RFID-Systemen auf ihre Verbraucherschutzverträglichkeit überprüft werden. Dies könnte durch ein Auditierungsverfahren geschehen. Als Instrument der Selbstkontrolle bietet es die Möglichkeit, freiwillig ein Managementsystem zum Schutz persönlicher Daten, der Datensicherheit oder des Fernmeldegeheimnisses einzurichten, das zu einer kontinuierlichen Verbesserung beitragen kann.178 Die autonome Selbstkontrolle soll das Verantwortungsbewusstsein der Datenverarbeiter stärken und den Wettbewerb 178
Roßnagel, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 3.7, Rn. 1.
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stimulieren. Zu beachten ist aber auch, dass dies einen zusätzlichen Kostenfaktor und erhöhten Bürokratieaufwand bedeuten kann. § 9a BDSG sieht explizit die Einrichtung eines Datenschutzaudits vor. Danach können datenverarbeitende Stellen ihr Datenschutzkonzept sowie ihre technischen Einrichtungen durch unabhängige und zugelassene Gutachter prüfen und bewerten lassen sowie das Ergebnis der Prüfung veröffentlichen. Die genauen Anforderungen dafür sollen in einem besonderen Gesetz geregelt werden. Zudem sind Gütesiegel geeignet, das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. So könnten die Kunden selbst entscheiden, welchem Unternehmen sie ihre Daten anvertrauen wollen und welchem nicht. In NordrheinWestfalen besteht z. B. aufgrund der Verordnung zum „DatenschutzGütesiegel“179 die Möglichkeit, dass Gütesiegel für IT-Produkte verliehen werden, wenn das Produkt mit den Vorschriften über den Datenschutz und die Datensicherheit vereinbar ist. Besonderer Wert wird dabei auf die Aspekte Datenvermeidung, Datensparsamkeit, Datensicherheit und Revisionsfähigkeit gelegt. Selbstverpflichtungserklärungen Um das Vertrauen in die RFID-Technologie zu fördern, können die Anwender sich überdies zu einer Einhaltung eines ggf. über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Schutzniveaus verpflichten. Beispielsweise gibt es derzeit für die erwähnten Kennzeichnungspflichten und Deaktivierungsmöglichkeiten keine rechtlichen Vorgaben. Es bietet sich daher an, diese im Wege der Selbstverpflichtung vorzuschreiben. Einen Schritt in diese Richtung im Bereich des Handels stellt das im Jahre 2003 gegründete EPCglobal, Inc. dar, eine Non-Profit Organisation, die wirtschaftliche und technische Standards für das EPC-Netzwerk entwickelt und einführt. Dieses Netzwerk basiert auf Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die vom Auto-ID Center des Massachusetts Institute of Technology (MIT) angestoßen wurden. Ziel ist es, ein Netzwerk aufzubauen und die Verbreitung standardisierter Prozesse voranzutreiben. EPCglobal hat Richtlinien verabschiedet, die Verbraucherrechte definieren.180 Diese Richtlinien sehen vor: • Jedes Produkt bzw. jede Verpackung, die mit einem RFID-Chip versehen ist, wird durch Aufbringung des EPCglobal-Logos gekennzeichnet. • Die Verbraucher werden darüber informiert, wie der Tag entfernt, ausgeschaltet oder unbrauchbar gemacht werden kann. Landesverordnung über ein Datenschutzaudit – DSAVO, GVBl. I, 51. Die Richtlinien sind im Internet abrufbar unter http://www.gs1-germany.de/internet/content/produkte/epcglobal/e140/e144.
179 180
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• Die Informationen über den EPC werden für die Konsumenten leicht zugänglich gemacht. • Die Kunden werden mit dem Logo vertraut gemacht, die Technologie erklärt und ihre Vorteile aufgezeigt. • Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen erhoben, so wird er über die Identität der verantwortlichen Stelle, die Art und Zweckbestimmung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung informiert. • Die Verbraucher haben bei im Einzelhandel erworbenen Produkten, die mit einem RFID-Chip versehen sind, die Möglichkeit zu wählen, ob der Transponder deaktiviert wird. • Die beteiligten Unternehmen unterstützen die Entwicklung technischer Schutzmaßnahmen. 3.4 Zukünftige Entwicklung Die zukünftigen Risiken, die durch einen breiten Einsatz von RFID verursacht werden, lassen sich derzeit nicht im Einzelnen abschätzen. Soweit auf neue Situationen nicht mehr im Wege der Optimierung des bestehenden Instrumentariums oder durch Selbstverpflichtung angemessen reagiert werden kann, kommt dann ein Handeln des Gesetzgebers in Betracht. Um auf die vorausgesagte Datenflut und die Möglichkeit ihrer Auswertung durch neue Methoden des Data-Mining zu reagieren, ist kürzlich vorgeschlagen worden, zukünftig zwischen einer zielgerichteten und der ungezielten Erhebung von Daten zu differenzieren. Das Erheben von Daten wird vom Gesetz definiert als das Beschaffen von Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 3 BDSG). Erste Voraussetzung ist also, dass die betreffende Stelle objektiv Kenntnis von den Daten erhält oder Verfügungsmacht über diese begründet. Allerdings erfüllt nicht jedes Erhalten oder Empfangen die Voraussetzungen des Beschaffens. Hinzukommen muss ein aktives Handeln, das von einem entsprechenden zurechenbaren Willen der handelnden Person getragen ist.181 Die bloß objektive Begründung der Verfügungsmacht über die Daten reicht nicht aus. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Gesetz selbst Fälle der Speicherung von Daten und damit eine Verfügungsgewalt über diese voraussetzt, ohne dass zuvor eine Erhebung
Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 3 Rn. 108.
181
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vorausgegangen sein muss.182 Ein Erheben personenbezogener Daten liegt daher nur dann vor, wenn die Daten zielgerichtet beschafft werden.183 Die Erfassung der Kennungen aller RFID-Chips in der Reichweite des Lesegeräts erfolgt bei der Automatischen Identifikation unvermeidlich und kann nicht auf bestimmte Tags beschränkt werden.184 In der Alltagsanwendung von RFID wird es demzufolge wahrscheinlich sein, dass bei einer Abfrage durch ein Lesegerät auch andere Tags ungewollt miterfasst werden. Rein rechtlich betrachtet stellt sich die Situation wie folgt dar: Ein solches ungewolltes Auslesen von RFID-Tags ist keine Datenerhebung i. S. d. BDSG. Werden diese Daten dann allerdings weiter verwendet, so finden die datenschutzrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Die verantwortliche Stelle darf sich nicht auf sie berufen und darf sie nicht speichern. Sind sie bereits gespeichert, so sind die Daten unverzüglich zu löschen, § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG.185 In tatsächlicher Hinsicht kann aber festgestellt werden, dass sich durch den Einsatz der RFID-Technologie das Risiko des ungezielten Datenempfangs erhöht. So entsteht auch nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten durch neue technische Infrastrukturen die Frage, „wer eigentlich für all die anfallenden Daten verantwortlich ist“.186 Seiner Auffassung nach müsse das BDSG diese Frage in Zukunft aufgreifen und zwischen zielgerichteter Datensammlung und der ungezielten Datenerhebung differenzieren. Gerade mit den ungezielt erhobenen Daten müsse sehr viel sorgfältiger umgegangen werden, als es bisher der Fall sei. Welche Regeln hierfür dann im Einzelnen gelten sollen, bliebe dann zu diskutieren. Derzeit macht es wenig Sinn, auf diese noch weitgehend unbestimmten Gefährdungslagen mittels eines Gesetzes reagieren zu wollen. Auch ist es kaum zweckmäßig, jetzt isoliert geltende gesetzliche Vorkehrungen für die RFID-Technologie zu schaffen. Der technologische Wandel wird sich immer weiter fortsetzen und die Steuerungsfähigkeit des Rechts würde überfordert, wollte man auf jeden Trend mit Änderungen des Gesetzes reagieren. Vielmehr gilt es derzeit insbesondere das flexible Instrumentarium des Datenschutzrechts auf die neuen Herausforderungen einzustellen. So in § 14 Abs. 1 S. 2 BDSG, vgl. dazu Dammann, in: Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, a. a. O., § 3 Rn. 108. 183 Gola/Schomerus, BDSG-Kommentar, a. a. O., § 3 Rn. 24; hierzu auch bereits unter 2.1.3. 184 Müller, DuD 2004, 215, 217. 185 Schild, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, a. a. O., 4.2, Rn. 47. 186 Schaar, „Überwachung im Alltag ist jetzt möglich“, Interview in der Berliner Zeitung vom 6. Januar 2006; abrufbar unter http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/515174.html?2006-01-06. 182
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4 Zusammenfassung RFID ist eine zukunftsträchtige Technologie, die in verschiedensten Anwendungsbereichen zum Einsatz kommen kann. Die Einsatzgebiete reichen von der Tierkennzeichnung über die neuen Reisepässe, den Einsatz im Freizeitbereich und im Gesundheitswesen bis hin zum Handel. Speziell die Anwendung im Bereich des Einzelhandels ist Gegenstand der öffentlichen Diskussion, da hier der Verbraucher unmittelbar mit den MiniTranspondern in Berührung kommt. Datenschutzrechtliche Vorschriften finden im Zusammenhang mit RFID Anwendung, wenn personenbezogene Daten unmittelbar auf dem Tag gespeichert werden oder wenn eine Verknüpfung über den Tag mit solchen Daten z. B. über eine Kundenkarte möglich ist. Ist auf einem Tag lediglich ein elektronischer Produktcode gespeichert, so handelt es sich hierbei mangels Bestimmbarkeit einer Person nicht um ein personenbezogenes Datum und das Datenschutzrecht ist somit nicht anwendbar. Ist das BDSG anwendbar, so ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nach § 4 Abs. 1 BDSG nur dann zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet. Als ein solcher Erlaubnistatbestand ist vor allem § 28 Abs. 1 S. 1 BDSG in Erwägung zu ziehen. Auch die weiteren datenschutzrechtlichen Grundsätze wie das Prinzip der Erforderlichkeit, der Transparenz- und der Zweckbindungsgrundsatz sind zu beachten. Werden mobile Speichermedien eingesetzt, bestehen zusätzliche Unterrichtungspflichten des Verwenders nach § 6c BDSG. Dies ist z. B. bei der Verwendung von Kundenkarten der Fall. Der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften ist bußgeld- und ggf. strafbewehrt. Nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG ist das vorsätzliche oder fahrlässige unbefugte Erheben oder Verarbeiten personenbezogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße von bis zu 250.000 € geahndet werden. Wird eine Handlung nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen begangen, handelt es sich gem. § 44 Abs. 1 StGB um eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Die RFID-Technologie bringt potenzielle Risiken für die Datensicherheit mit sich. Theoretisch sind Angriffe auf die Verfügbarkeit der Daten, deren Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität möglich. Allerdings kann diesen Gefahren durch technische Sicherheitsmaßnahmen begegnet werden. Es können Authentifizierungsmechanismen implementiert werden
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wie beispielsweise ein Passwortschutz. Auch eine weltweit eindeutige Regelung zur Vergabe von Seriennummern, Verschlüsselungsverfahren und Deaktivierungsmöglichkeiten können zum Schutz von auf Transpondern gespeicherten Daten beitragen. Insbesondere für den Bereich der personenbezogenen Daten bestehen umfangreiche rechtliche Verpflichtungen zur Datensicherung. Zentrale Norm ist hier § 9 BDSG i. V. m. der Anlage zu § 9 BDSG. Ferner werden die Sicherheit und Integrität von RFIDSystemen auch strafrechtlich durch die Tatbestände der Datenveränderung (§ 303a StGB), der Computersabotage (§ 303b StGB), der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB), das Verändern beweiserheblicher Daten (§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und des Computerbetrugs (§ 263a StGB) geschützt. Die Vertraulichkeit der Kommunikation innerhalb von RFID-Systemen wird ferner durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Vom Abhörverbot des § 89 TKG ist jedoch nur das beabsichtigte Auslesen von Transpondern betroffen. Zusätzlich wird die Vertraulichkeit durch die Straftatbestände der §§ 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG und 202a StGB abgesichert. Der ständige technologische Wandel bringt stets potenzielle Risiken mit sich. Daher stehen Verbraucher und insbesondere Verbraucherverbände der RFID-Technologie z. T. kritisch gegenüber, da sie Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung befürchten. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, das das deutsche Datenschutz- und Datensicherheitsrecht durch ein besonders hohes Schutzniveau geprägt ist. In Anbetracht dieser umfassenden Normierung ist eine zusätzliche gesetzliche Regelung für die RFID-Technologie nicht erforderlich. Vielmehr ist die Verantwortung der Handelnden für einen sozialverträglichen Einsatz gefordert. Um den Vorbehalten gegen RFID zu begegnen, sollten Vorkehrungen getroffen werden, die über das bestehende gesetzlich festgelegte Schutzniveau hinausgehen. So bietet sich die Selbstverpflichtung von betroffenen Unternehmen zur Umsetzung von Hinweispflichten bzw. Kennzeichnung von Produkten an, die mit RFID-Tags ausgestattet sind, so wie dies auch im Rahmen der Selbstverpflichtungserklärung von EPCglobal der Fall ist. Den Verbrauchern sollten Auskunftsrechte in Bezug auf die gespeicherten Daten gewährt werden, auch wenn es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Ferner sollte den Verbrauchern die Möglichkeit zur Deaktivierung von RFID-Tags eingeräumt werden. Durch ein Auditierungsverfahren könnte ein freiwilliges Managementsystem zum Schutz persönlicher Daten, der Datensicherheit oder des Fernmeldegeheimnisses eingeführt werden. Auch Gütesiegel können dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher zu stärken, da sie so selbst beurteilen können, wie ein Unternehmen mit den Themen Datenschutz und -sicherheit umgeht.
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Eine neue Relevanz des Datenschutzes ergibt sich aus dem Risiko des ungezielten Datenempfangs bei der Automatischen Identifikation in der Alltagsanwendung. Da die Gefährdungslage hier aber noch zu unbestimmt ist, macht es keinen Sinn, darauf mit einer eigenen gesetzlichen Regelung zu reagieren. Das Datenschutzrecht ist flexibel genug, um diesen neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
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Wahrnehmungen im Spannungsfeld neuer Technologien – Welchen Einfluss haben weiche Faktoren auf die Entwicklung von RFID?
Manuel Hüttl Waggener Edstrom Worldwide
„Es ist bei den meisten Erfindungen so, dass sie zunächst harmlos anfangen und eigentlich niemand so richtig überblickt, was daraus werden kann.“ (Konrad Zuse, deutscher Ingenieur und Erbauer des ersten programmgesteuerten Digitalrechners (1910–1995)) Wenn man die zentralen Diskussionen in der Welt der Informationstechnologie verfolgt, wird man feststellen, dass die wirklich großen Herausforderungen der Branche mit Bildung und Bewusstsein zu tun haben und nicht mit Soft- und Hardware Engineering. Es geht also um weiche Faktoren. Unterteilt man High-Tech-Themen in die vier Aspekte Organisation, Technologie, Recht und Psychologie, so scheint es, dass die beiden ersten Bereiche auf balancierte Weise bereits abgehandelt sind. Neben vielen im Kontext der Rechtssprechung offenen Fragen stellt das Thema Psychologie die größte unbekannte Komponente dar: Nach welchen Gesichtspunkten reagieren Verbraucher auf neue Technologien? Kann man diese Wahrnehmungen überhaupt beeinflussen? Welche Protagonisten müssen derartige Fragen beantworten? Steht das Bewusstsein der Konsumenten also dem technischen Fortschritt im Weg oder bildet es gerade den notwendigen Gegenpol zur Erkennung der Grenzen im Zuge der progressiven Technokratie? Wie gehen wir damit um, dass die von Menschenhand ausgelöste Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationstechnologie die genetisch bedingten Grenzen für die Entwicklung unserer geistigen Kapazität bei Weitem überschritten hat? Dem recht breiten Bewusstsein für das Vorhandensein einer neuen Technologie steht ein fehlendes Verständnis für deren Einsatz gegenüber.
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Wir können den Rahmenbedingungen unserer genetischen Voraussetzungen also offensichtlich nicht entkommen. Demnach stellt die gesellschaftliche Akzeptanz eine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung eines technologischen Potenzials dar. Fälschlich könnte der breit gefächerte Einsatz der Informationstechnologie in unserer Gesellschaft auf eine offensichtlich bereits vorhandene breite Akzeptanz schließen lassen. In der Praxis aber wurden bis dato nur die wenigsten Potenziale der digitalen Informationstechnologie ausgeschöpft. Dies steht in einem engen Zusammenhang mit der bisherigen Konzentration auf einen rein technischen Pragmatismus, der die unzweifelhaften Wechselwirkungen zwischen Technologie, Gesellschaft und Individuum, mithin also die sogenannten „weichen“ Faktoren, weitgehend außer Acht gelassen hat. Manuel Castells schreibt im zweiten Band seiner Trilogie “The information age: economy, society and culture“: „Damit neue technologische Entdeckungen die Wirtschaft ausreichend vollständig durchdringen können um zu einer messbaren Zunahme an Produktivität zu führen, müssen Kultur und Einrichtungen einer Gesellschaft und der Unternehmen sowie alle Einflussfaktoren der Produktion einem substanziellen Veränderungsprozess unterworfen werden. Diese generelle Feststellung trifft umso mehr auf eine technische Revolution zu, die das Thema Information und Wissen im Kern betrifft.“ [1] Schenkt man dieser Betrachtung Glauben, so könnte man, unabhängig von der aktuellen Krise der Branche, davon ausgehen, dass die Informationstechnologie im Markt ihre beste Zeit in der Tat noch vor sich hat. Sollte dies der Fall sein, so scheint der dafür notwendige revolutionäre Umbruch allerdings keine Frage technologischer Grundsatzentwicklung, sondern eine Aufgabe der Wegbereitung für die bisher ausgebliebenen grundsätzlichen Änderungen unseres sozialen und ökonomischen Bewusstseins für den Einsatz von IT zu sein. Vereinfacht lassen sich die Erfolgsfaktoren der Informationstechnologie aus der Sicht von Einzelpersonen, Unternehmen und aus Perspektive unserer Gesellschaft an folgenden vier Eckpfeilern festmachen: 1. der funktionelle Mehrwert, den Informationstechnologie für die betreffende Anwendung zu bieten hat 2. die Kosten, mit denen die Nutzung dieses potenziellen Mehrwerts verbunden ist 3. die potenziellen Risiken, die mit dem Einsatz der Technologie einhergehen 4. die emotionale und soziale Identifikation mit der Technologie als solcher oder zumindest der betreffenden Lösungen
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Die ersten beiden stellen sogenannte harte Erfolgsfaktoren dar, denen in der Vergangenheit der Hauptteil der Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Bei den letztgenannten Faktoren handelt es sich um solche, die stark mit Wahrnehmung und Psychologie verbunden sind und somit auf den ersten Blick nicht gerade zu den Kernfragen der digitalen Informationstechnik gerechnet werden, in der künftigen Entwicklung der Informationstechnologie aber eine gleichberechtigte Rolle spielen werden. Die leidenschaftliche Diskussion von RFID lange vor deren tatsächlicher Einführung stellt in diesem Kontext ein geeignetes Beispiel dar.
1 Wahrnehmungen als Gradmesser für den Erfolg von Technologien Schlussendlich entscheiden die Verbraucher, ob eine Innovation zum Erfolg wird oder scheitert. Dabei ist entscheidend, wie Produkte, Personen oder Unternehmen wahrgenommen werden. Zwischen den Faktoren Wahrnehmung und Kaufentscheidung besteht somit ein direkter Zusammenhang. Wer es versteht, die Wahrnehmungen seiner Anspruchgruppen zu erkennen, und sie in die Unternehmensstrategie integriert, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Um Risiken bei der Einführung von Innovationen zu reduzieren, gilt es, die Aspekte Technologie (z. B. Einfluss fremder Funkquellen bei RFID), Organisation (z. B. Schulung der Mitarbeiter), Recht (z. B. Datenschutzrichtlinien) und Psychologie zu lösen. Die Psychologie setzt sich dabei unter anderem mit den Wahrnehmungen einer Technologie, eines Unternehmens, eines Produktes oder einer Dienstleistung auseinander. Wird beispielsweise eine Technologie als negativ oder sogar gefährlich wahrgenommen, verunsichert dies Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner. Sie können den Absatz eines Produktes blockieren, was für das betroffene Unternehmen zum Verlust von Marktanteilen führen kann. Durch die mögliche Zerstörung von Geschäftsbeziehungen oder staatliche Eingriffe kann aus einem Risiko eine den Fortbestand einer Organisation bedrohende Krise werden. Prof. Peter Bienert, Vorstand der Unternehmensberatung forte, kommentiert: „Information allein reicht nicht aus, um Skepsis gegenüber neuen Technologien abzubauen. Unternehmen müssen vor allem eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Stakeholdern aufbauen – und das ist ein viel langwierigerer Prozess.“ Die Informations- und Kommunikationskultur hat sich in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs deutlich verändert. In der Theorie
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einer „Risikogesellschaft“ wird dieser Paradigmenwechsel oft beschrieben. Demnach werden zunehmend Gefahren und Risiken, weniger Chancen und Vorteile in gesellschaftlichen und technischen Fortschritten wahrgenommen. Der Bevölkerungsanteil, der davon ausgeht, dass technischer Fortschritt auch Risiken vermehrt, ist stetig gewachsen. Nur junge Menschen scheinen eher pragmatische Ansichten zu haben. Sie akzeptieren Risiken vielmehr als Teil von Innovationsprozessen. Deutliche Ausprägungen hat dieser Paradigmenwechsel in den Bürgerinitiativen der 70er Jahre gezeigt. Anfangs wurde gegen umweltbezogene Themen wie z. B. die Atomenergie protestiert, inzwischen sind es Themen aus nahezu allen Lebensbereichen. Risikowahrnehmung im Kontext technologischen Fortschritts
Ein zentraler Aspekt bei der Beurteilung von Risiken ist die individuelle und subjektive Wahrnehmung. Um den Aspekt der „Wahrnehmung“ zu verstehen, bedarf es eines Einblicks in die Mechanismen des menschlichen Gehirns. Dies ist schließlich der Ort, an dem die von uns wahrgenommenen Welten konstruiert werden. Allgemein bezeichnet der Begriff Wahrnehmung in der kognitiven (auf Erkenntnis beruhenden) Psychologie und in der Physiologie das Ergebnis der Aufnahme, Interpretation, Auswahl und Organisation von sensorischen Informationen. Dazu zählen nur die Informationen, die zur Anpassung des Wahrnehmenden an die Umwelt aufgenommen werden. Die empirische Forschung zur Risikowahrnehmung orientierte sich anfangs stark an der technischen Risikoforschung. Gesucht wurde eine Erklärung, warum sich subjektive Einschätzungen über Risiken und mögliche Schäden (Laienperspektive) von objektiven Ergebnissen formaler Risikoanalysen (Expertenperspektive) systematisch unterscheiden. Ergebnis zahlreicher Experimente war es, dass die zur Verfügung stehenden Informationen, die Aufnahme und Verarbeitung dieser Informationen und deren Bewertung „Laien“ von „Experten“ unterscheidet. „Experten“ nehmen eine maximale Menge an Informationen auf, verarbeiten sie systematisch und bewerten sie unter Berücksichtigung aller möglichen Alternativen. „Laien“ suchen hingegen in komplexen Entscheidungssituationen nicht nach „rationalen“, sondern nach einer zufriedenstellenden Lösung. Während Experten ein Risiko als Wahrscheinlichkeit mal Schadensausmaß betrachten, sind für Laien auch die Risikoquelle (bekannt – unbekannt; vom Menschen verursacht – natürlich), die Exposition (freiwillig – unfreiwillig), die Schadensart (Schrecklichkeit, Betroffenheit) und die Beherrschbarkeit des Risikos bedeutsam.
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Es ist anzunehmen, dass RFID auch als bedrohlich empfunden werden könnte, weil es sich um ein unfreiwilliges, unbekanntes, von Menschen verursachtes Risiko handelt. Kommunikation als wichtigste Stellschraube
Im Kontext der Risikowahrnehmung ist Kommunikation ein gewichtiger Wert beizumessen. Sie bietet die direktesten Möglichkeiten, Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit zu erkennen und zu beeinflussen. Risikowahrnehmung wird stark von dem Kontext beeinflusst, in dem die Gesellschaft über sie diskutiert. Eine zentrale Rolle kommt der Darstellung in den Massenmedien zu. Durch ihre hohe Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft wird der Berichterstattung über Risiken oft mehr Vertrauen geschenkt als den Aussagen von Experten. Problematisch ist das Entstehen zweier Argumentationsebenen. Neben der Expertenebene steht die Laienebene, zu der auch die Medienebene zählt. Journalisten reagieren auf Risiken wie Laien, so dass mögliche Gefahren schnell überschätzt werden. Vor diesem Hintergrund spielt die Risikokommunikation eine wichtige Rolle. Risikokommunikation ist ein Typ von Kommunikation, der betrieben wird, wenn Sachverhalten oder Themen seitens der Gesellschaft mit Misstrauen begegnet wird. Die unterschiedliche Einschätzung der damit verbundenen Risiken lässt für beteiligte Organisationen ein problematisches Meinungsklima entstehen. Risikokommunikation versucht, zwischen den Standpunkten von Laien und Experten zu vermitteln (z. B. Mediationsverfahren), um Risiken kommunikativ zu bewältigen und eine Krise zu verhindern. Im Blickfeld: Anspruchsgruppen
Auch die RFID-Technologie und die beteiligten Akteure sind im Blickfeld der Risikogesellschaft. Potenzielle Risiken durch RFID wie z. B. der Missbrauch persönlicher Daten können zu Interessenskonflikten im unternehmerischen Umfeld führen. Beteiligte Unternehmen müssen sich mit den Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit auseinandersetzen, um die Legitimität ihres Handelns zu rechtfertigen. Um Interessenskonflikten entgegenzuwirken, müssen Organisationen bestimmte Personen und Gruppen berücksichtigen: • im Unternehmen: Führungskräfte, Angestellte, Azubis, Interessensvertretungen, Betriebsrat usw. • im Markt: Kunden, Aktionäre, Händler, Lieferanten, Geschäftspartner
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• in der Gesellschaft: Journalisten, Anwohner, Vereine, Verbände, Wissenschaftler, kritische Gruppen: Bürgerinitiativen, Behörden, Politiker Diese Menschen bilden Gruppen, die sich in ihren Wünschen und Erwartungen an Kommunikation unterscheiden. Sie stehen in unterschiedlicher Weise in Beziehung zum Unternehmen und werden in ihrer Gesamtheit als Bezugsgruppen bezeichnet. Zeigen Bezugsgruppen Interesse an einem Unternehmen, werden sie Interessensgruppen genannt. Entwickeln sie konkrete Ansprüche, werden sie zu Anspruchsgruppen. „Für Unternehmen, die in Zukunft ihre Bezugsgruppen mit RFID konfrontieren werden, sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit von entscheidender Bedeutung. Diese Faktoren lassen sich jedoch nicht mit kommunikativen ‚Hau-Ruck-Aktionen‘ gewinnen. Vielmehr sollten sie langfristig ‚verdient‘ werden“, weiß Tom Köhler, Geschäftsführer Central Europe bei VeriSign. „Zentrales Element dieses Prozesses ist der Dialog mit entscheidenden Bezugsgruppen. So können frühzeitig unterschiedliche Wahrnehmungen erkannt und potenzielle Konflikte bewältigt werden.“
2 Situation im Kontext RFID Wie die Situationsanalyse der Wahrnehmung von RFID gezeigt hat, ist der Wissensstand über RFID gering. Die wenigen, die diese Technologie wahrgenommen haben, haben sich noch keine klare Meinung gebildet. Bei denen, die der Technik kritisch gegenüberstehen, sind bereits klare Positionen erkennbar. So haben Bürgerrechtsinitiativen wie FoeBud aus Bielefeld oder CASPIAN aus den USA Positionspapiere zum Umgang mit RFID veröffentlicht. Darin werden Hersteller und Anwender der Technologie aufgefordert, offene Fragen zum Umgang mit RFID im Konsumentenumfeld zu beantworten. In der breiten Bevölkerung ist die RFID-Technologie weitgehend unbekannt. Dort sind noch keine klaren Positionen pro oder kontra RFID zu erkennen. „Den Anwendern und Herstellern bietet sich derzeit die große Chance, ungeklärte Aspekte anzugehen und eine offene und aktive Kommunikationspolitik zu entwickeln. Wird diese Chance genutzt, kann die Einführung von RFID bei verschiedensten Anwendungen zu einem Erfolg werden“, so Köhler. Gelingt es nicht, die Technologie zu verbessern, und wird Kommunikation nicht als wichtiges Instrument des Wahrnehmungsmanagements genutzt, könnte es durch den Einsatz der Technologie zu Vertrauensverlusten oder Boykotten von Konsumenten kommen. Abbildung 1 verdeutlicht das Risikopotenzial von RFID.
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Abb. 1. RFID als Risikothema
Mögliche Risikodebatten können zu Glaubwürdigkeits- und Reputationsverlusten führen. Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, sind Aspekte konstruktiver Risikokommunikation mit einzubeziehen. In einem ersten Schritt werden fünf Hauptbereiche der Risikokommunikation aufgegriffen, an denen theoretische Erkenntnisse mit praktischen Handlungen verknüpft werden: • • • • •
öffentliche Haltungen gegenüber technologischen Risiken öffentliche Wahrnehmungen Medien Public Affairs Vertrauen
Aus den Ergebnissen einer Konsumentenbefragung der METRO AG ging u. a. hervor, dass der Nutzen der RFID-Technologie (z. B. Autodiebstähle vereiteln) zu einer positiven Bewertung führen kann. Somit ist nachgewiesen, dass die öffentliche Haltung zu einer Technologie stark vom Endzweck abhängt. Beispielsweise werden potenzielle Gefahren durch RFID beim Datenschutz oder der Privatsphäre äußerst kritisch bewertet. Zustimmung finden hingegen Anwendungen, die einen konkreten Nutzen haben, wie z. B. RFID-basierte Skipässe. Offensichtlich ist dort der erlebte Nutzen von
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größerer Bedeutung als Befürchtungen um etwaige Einschnitte der Privatsphäre. In der Befragung der RFID-Experten wurde ermittelt, dass momentan Anwender und Hersteller einen Nutzen durch RFID haben, z. B. durch effizientere Logistikprozesse. Konsumenten hingegen profitieren nur bei wenigen Anwendungen, die zudem oft nicht mit RFID assoziiert werden. In der zukünftigen Bewertung wird der Nutzen somit eine wichtige Rolle spielen. „Nur wenige RFID-Anwendungen werden heute schon bei Produkten verwendet, und es ist schwer zu sagen, welche dieser Anwendungen auf öffentliche Akzeptanz und welche auf öffentliche Ablehnung treffen werden. Die Ergebnisse der Wahrnehmungsanalyse zeigen aber schon deutlich, dass der Schutz der Privatsphäre und der Schutz privater Daten äußerst kritisch gesehen werden,“ kommentiert Tom Köhler weiter. Die Medien bilden einen wichtigen Teil der Risikokommunikation. Sie sind Quelle von Informationen über Risiken, tragen zur öffentlichen Meinungsbildung bei und prägen Haltungen gegenüber neuen Themen. Außerdem spielen sie eine bedeutende Rolle bei der Verstärkung sozialer Prozesse, z. B. Kontroversen über Risiken. Nach dem Konzept der sozialen Risikoverstärkung werden Risikoereignisse erst dann wirksam, wenn sie in der Gesellschaft (Medien) diskutiert werden. Presse- und Medienarbeit bekommt vor diesem Hintergrund eine präventive Bedeutung. Mit dem Kontakt zu Journalisten und der regelmäßigen Informationsversorgung von Medien können Risiken abgebaut und kann krisenhaften Entwicklungen entgegengewirkt werden. Die Analyse der Medien hat bereits gezeigt, dass Journalisten RFID kritisch gegenüberstehen. Für Anwender der RFID-Technologie gilt es, Medien als Multiplikatoren zur öffentlichen Verbreitung von Informationen in Kommunikationsaktivitäten einzubinden. Journalisten sollten dabei kontinuierlich und aktiv informiert werden. Das bedeutet, sie regelmäßig mit Informationen zu versorgen und nicht erst auf Anfragen zu reagieren. Politische Institutionen stehen vor der Herausforderung, politische Prozesse und Entscheidungen der Öffentlichkeit zu vermitteln. Organisationen gestalten hingegen Beziehungen zur politischen und sozialen Umwelt, um gesellschaftspolitische Informationen zu vermitteln. Ihr Ziel ist es, möglichst günstige Bedingungen für ihre Organisation auszuhandeln. Public Affairs werden dabei als der politische Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit betrachtet. Maßnahmen der Public Affairs sind z. B. empirische Studien, Anzeigen in Printmedien, parlamentarische Abende, Kongresse, PR im Internet und Seminare. Auch die vom Stakeholder-Dialog der Stiftung Risiko-Dialog
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geforderten Verhaltensgrundsätze (Codes of Conduct) der RFID-Branche fallen in den Bereich der Public-Affairs-Arbeit. Für Organisationen, die RFID-Technologie herstellen oder anwenden, gilt es, politische Entscheidungsträger in ihre Öffentlichkeitsarbeit mit einzubeziehen und durch Lobbyarbeit an politischen Sachentscheidungen teilzuhaben. Das Vertrauen in ein Unternehmen ist einer der wichtigsten Faktoren der Risikokommunikation, da es die Einstellung und das Verhalten der Öffentlichkeit beeinflusst. Vertrauen ist ein umfassendes Konzept mit mehreren Facetten und umfasst zahlreiche Akteure, z. B. Regierungen, Wissenschaftler, die Industrie, Medien und nichtstaatliche Organisation. Es beruht auf Glaubwürdigkeit, also der Erfahrung im Umgang mit Organisationen oder Personen, dass sie Verbindlichkeiten, die sie in Aussicht gestellt haben, auch einhalten. Die Voraussetzung dafür, Vertrauen zu schaffen, beginnt im Unternehmen, bei den Mitarbeitern und deren Angehörigen. Es setzt sich fort bei Kunden, Lieferanten, Investoren, erstreckt sich auf das unmittelbare Unternehmensumfeld und dehnt sich bis zum gesellschaftlichen Rahmen aus. Auch Medien sollten in diesen Prozess der Vertrauensgewinnung eingebunden werden. Ein Vertrauensverhältnis kann nur langfristig geschaffen werden, kurzfristige Imageaufbesserungen reichen nicht aus. Das Image, also das Bild, das externe Bezugsgruppen vom Unternehmen haben, ist nämlich nicht immer deckungsgleich mit der Identität des Unternehmens. Vertrauensgewinnung muss somit durch harte Arbeit und konkrete Leistungen langfristig verdient werden. Die RFID-Branche muss sich darauf konzentrieren, Vertrauen in die Technologie zu stärken. Offenheit bei der Übermittlung von Informationen an die Öffentlichkeit, Transparenz in Bezug auf das Treffen von Entscheidungen, öffentliche Darstellung sowohl des Nutzens als auch der Risiken und Miteinbeziehung der Ansichten sowohl von Experten als auch von Laien bei der Entscheidungsfindung sind Faktoren, die zur Stärkung des Vertrauens beitragen. Erfolgreiche Risikokommunikation setzt voraus, dass die beschriebenen Aspekte berücksichtigt werden. Ein von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichtes Handbuch zum Umgang mit Risiken bei elektromagnetischen Feldern benennt dazu vier Kernfragen, die als Grundlage für Risikokommunikation betrachtet werden. Dieses Konzept bietet wichtige Anknüpfungspunkte für die Risikokommunikation von RFID.
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Interdependenz der vier Teilaspekte
Freilich stellt – wie bereits mehrfach erwähnt – die Kommunikation das zentrale Instrument im Kontext des Wahrnehmungsmanagements dar. Es ist schlichtweg das wirksamste und direkteste Werkzeug. Dennoch kann Wahrnehmungsmanagement nicht auf Kommunikation allein reduziert werden. Der Verbraucher wird schließlich keinem Produkt beziehungsweise keiner neuen Technologie vertrauen, die nur behauptet, gut zu sein, den qualitativen Beweis dafür jedoch nicht erbringt. Technologische Aspekte und organisatorische Gesichtspunkte müssen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den psychologischen Faktoren gleichermaßen funktionieren. Das heißt mit anderen Worten, dass die vier Faktoren interdependent zueinander sind. Der Konsument muss der Technologie vertrauen, von den organisatorischen Aspekten überzeugt sein und die rechtlichen Voraussetzungen kennen. Wenn diese Faktoren in Bezug auf ihre Interdependenz schlüssig sind, ist es wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung der Verbraucher positiv ausfällt. Im Falle der RFID-Technologie haben viele Verbraucher bereits im Vorfeld der Einführung der Technologie eine negative Assoziation – nicht zuletzt durch eine eher negativ besetzte Medienberichterstattung. Kommunikation stellt also das nachhaltigste Instrument im Kontext des Wahrnehmungsmanagements dar. Ähnlich wie in anderen Managementprozessen gilt es auch hier zunächst, den Grad der Wahrnehmung zu ermitteln, bevor geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, die eine Änderung hervorrufen. Im Evaluierungsprozess wird dann überprüft, wie effizient die Maßnahmen umgesetzt wurden und ob eine entsprechende Kurskorrektur notwendig ist.
Abb. 2. Interdependenz der vier Einflussfelder
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Welche Stellschrauben sind zu drehen?
Images prägen die jeweiligen Einstellungen des Individuums zu den Subjekten und Objekten, von denen es umgeben wird. Ein positives Image bedingt ein höheres Maß an Vertrauen und führt zu insgesamt günstigeren Einstellungen zum Meinungsgegenstand – ein negatives Image hingegen führt zu Besorgnis und weniger günstigen Einstellungen seitens des Stakeholders. Das Image stellt für ein Individuum also eine Orientierungshilfe dar. Das Verhalten und das Handeln der Anspruchsgruppen werden durch Meinungsbilder oftmals sogar in bestimmender Art und Weise beeinflusst. Dabei richtet sich der Meinungsgegenstand nicht unbedingt danach, wie ein Produkt oder eine Technologie tatsächlich beschaffen ist, sondern wie der „Wahrnehmende“ meint, dass es beschaffen zu sein scheint. „Images ermöglichen die psychologische Bewältigung der verwirrend mannigfaltigen Dingwelt im Sinne einer Orientierung und Selektion, so dass Brauchbares von Unbrauchbarem, Gutes von Schlechtem, Zuverlässiges von Unzuverlässigem, Vertrauenswürdiges von nicht Vertrauenswürdigem, Begehrenswertes von Abzulehnendem, Eigenartiges von Gleichartigem unterschieden werden kann. Ein Meinungsgegenstand kann, nach objektiven Maßstäben bewertet, noch so gut sein: Hat er ein schlechtes Image, so bleibt ihm die gebührende Geltung versagt. Vorstellungsbilder sind Leitbilder.“ [2] Die unterschiedlichen Eindrücke und Assoziationen, die bei den Stakeholdern auf rationaler oder emotionaler Ebene entstehen, fließen in einem Gesamtbild zusammen. „Die Beziehungen mit den Gruppen, die einer Technologie positiv gegenüberstehen, gilt es zu festigen, zu intensivieren oder auszubauen. Schwieriger gestaltet sich dieses Unterfangen in Bezug auf die indifferenten, respektive antagonistischen Anspruchsgruppen. Wenn die Haltung dieser Stakeholder mittel- und langfristig geändert werden soll, muss zunächst eine Analyse des Status quo erfolgen,“ argumentiert Prof. Peter Bienert. „Die Anspruchsgruppen sollten über einen gewissen Zeitraum kontrolliert werden. Sobald eine entsprechende Kenntnis über das Verhalten, die Gewohnheiten oder die Assoziationen der Antagonisten bekannt ist, können Gegenmaßnahmen eingeläutet werden.“ In einem Management-Prozess könnten spezifische und bedarfsgerechte Kommunikations-, Marketing- oder andere Überzeugungskampagnen mitunter bereits für eine kurzfristige Veränderung sorgen. Ein Unternehmen sollte versuchen, seine Stakeholder quasi immun gegenüber negativen Einflüssen zu machen. Da dies meistens nicht allumfassend umsetzbar ist, sollten wenigstens Kontrollmechanismen implementiert werden, die imstande sind, die Antagonisten zu überwachen.
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Abb. 3. Managementprozess
3 Die vier W der Risikokommunikation: Wann? Was? Wie? Mit Wem? Wann kommunizieren?
Aus der Konsumentenbefragung geht hervor, dass in der Bevölkerung nur geringes Wissen über RFID besteht. Problematische Themen wie z. B. mangelnde Datensicherheit, die durch Medien und Bürgerinitiativen publik gemacht werden, könnten Auslöser für Widerstände gegen die Technologie sein. Grund für diesen Widerstand ist in vielen Fällen die späte und passive Kommunikation der Anwender und Hersteller. Der Dialog sollte demnach so früh wie möglich hergestellt werden. Dadurch wird gezeigt, dass der Kommunikator verantwortungsvoll handelt und Konflikten nicht aus dem Weg geht. Falschinformationen und Missverständnissen kann so entgegengewirkt werden. Zudem kann durch eine frühzeitige Kommunikation die Wahrnehmung und somit die Meinungsbildung positiv beeinflusst werden. Bereits gebildete Ansichten lassen sich schwerer beheben (kognitive Dissonanz).
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Zu Beginn des Dialoges sollten Informationen und Erkenntnisse ausgetauscht werden, bevor Grundsatzentscheidungen getroffen werden. In diese Phase sollten alle Beteiligten der RFID-Technologie involviert sein. Was kommunizieren?
Besonders wichtig für aktive Kommunikationsarbeit ist, dass Besorgnisse und potenzielle Probleme erkannt werden. Wenn Probleme der RFIDTechnologie erst einmal wahrgenommen werden, werden Fragen aufkommen. Bei der Streuung von Informationen muss darauf geachtet werden, auf diese Fragen einzugehen und sie ernst zu nehmen. Wird nicht aktiv am Meinungsbildungsprozess teilgenommen, werden Betroffene verstärkt andere Informationsquellen nutzen. In einer von der METRO AG durchgeführten Analyse der Konsumentenmeinungen wurde ermittelt, dass 29 Prozent der Informationen über RFID aus dem Internet entnommen werden. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass den Beteiligten der Technologie weniger Vertrauen als Internetforen oder Bürgerinitiativen wie FoeBud entgegengebracht wird. Um entsprechende Bezugsgruppen zu überzeugen, sollten sachgerechte und glaubwürdige Argumente, die nicht nur die Vernunft, sondern auch Gefühle ansprechen, genutzt werden. Folgende Themenfelder sind zu berücksichtigen: • Sachliche Argumente wie Zahlen, Daten und Fakten beispielsweise aus Fachgutachten oder wissenschaftlicher Forschung sind erste Voraussetzung, um die Urteilsbildung zu beeinflussen. Diese Expertenergebnisse müssen auf ihre Seriosität überprüft und in verständlicher Art kommuniziert werden. Gerade in diesem Punkt kommt PR-Arbeit eine besondere Mittlerfunktion zwischen Experten und der Bevölkerung zu. • Soziale Argumente wie öffentliche Besorgnisse sollten in Kommunikationsmaßnahmen einfließen. Die Motivation der Beteiligten zu begreifen bedeutet in diesem Kontext, eigene Aussagen besser abstimmen zu können. • Formale Argumente wie Regelungen zum Datenschutz oder Verhaltensgrundsätze (Codes of Conduct) legen den vorhandenen Gestaltungsspielraum fest. Darüber hinaus ist es entscheidend, Maßnahmen und Regelungen von Regierungsseite zu kennen und mit zu beeinflussen. Dabei ist es wichtig, bei zuständigen Ministerien für ein Mindestmaß an Kenntnissen über RFID zu sorgen. Nur so können Fragen aus der Bevölkerung beantwortet und an geeignete Auskunftsstellen weitergeleitet werden.
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Die Kommunikationsverantwortlichen der RFID-Branche sollten darauf vorbereitet sein, über politische Maßnahmen und Richtlinien informiert zu sein und sie auch erklären zu können. Abbildung 4 soll die Anforderungen an Kommunikation veranschaulichen. Wie kommunizieren?
Neben den Inhalten zählt gerade bei der Risikokommunikation die Art und Weise, wie etwas kommuniziert wird. Wichtig ist es, Vertrauen zu schaffen. Das erfordert Offenheit, also Anerkennung und Berücksichtigung von Ängsten und Befürchtungen sowie Transparenz bei der Entscheidungsfindung. Maßnahmen der PR sollten die folgenden Bereiche abdecken:
Abb. 4. Anforderungen an Kommunikation (Quelle: Modifiziert nach Informationszentrum Mobilfunk)
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• Medienarbeit • Public Affairs • Kundenkommunikation • interne Kommunikation externe Kommunikation Mit wem kommunizieren?
Das Feld der Interessensgruppen, die zur Ver- bzw. Entschärfung der RFID-Debatte führen können, ist breit. Neben Befürwortern, die der Technologie positiv gegenüberstehen und sie als Fortschritt sehen, stehen Kritiker, die die Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf zahlreiche Lebensbereiche skeptisch betrachten. Innerhalb dieser Konfliktlinie können verschiedenste Risikothemen aufkommen. In den 80er Jahren waren es ökologische Risiken, wie z. B. die Debatte um Kernenergie, die zu Konflikten führten. Seit den 90er Jahren sind es zunehmend gesundheitliche Themen, wie z. B. Risiken von „Elektrosmog“. Im Kontext von RFID werden Themen des Datenschutzrisikos und des Schutzes der Privatsphäre diskutiert. In Deutschland ist die öffentliche Risikodebatte um die RFIDTechnologie noch nicht weit fortgeschritten. Konflikte zwischen Konsumenten-Organisationen und Unternehmen, wie beispielsweise der Skandal um RFID-Chips in Kundenkarten der METRO haben zu kurzfristiger Aufmerksamkeit geführt. Zu einer gesellschaftlichen Diskussion haben sich diese Vorfälle nicht ausgeweitet. Universitäten, Bundesbehörden, Umweltorganisationen und Hersteller von RFID wie z. B. die Pharmaindustrie bewegen sich in der öffentlichen Debatte noch im Hintergrund. In der Debatte um RFID stehen sich Unternehmen und nichtstaatliche Organisationen direkt gegenüber (Abb. 5). Politik, Wissenschaft und Versicherungen stehen im Hintergrund. Medien spielen für die öffentliche Wahrnehmung eine zentrale Rolle und bewegen sich zwischen allen anderen Interessensgruppen. Jede dieser Gruppen hat wiederum eigene Zielgruppen, wie Abb. 5 es für die Gruppen nichtstaatliche Organisationen und Wirtschaft/Industrie zeigt. Für die Kommunikationsarbeit gilt es, die zu erreichen, die ein Interesse am Thema RFID haben, und jene, die bei der Meinungsbildung innerhalb relevanter gesellschaftlicher Gruppierungen wichtig sind. Wer die entscheidenden Interessensgruppen für die Kommunikationsarbeit sind, ist u. a. abhängig vom Absender. So werden Unternehmen wie z. B. die METRO Group PR-Arbeit nutzen, um unternehmerische Interessen durchzusetzen.
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Abb. 5. Relevante Bezugsgruppen der RFID-Debatte (Quelle: Modifiziert nach Stiftung Risiko-Dialog)
Bürgerinitiativen wie z. B. FoeBud haben dagegen ein anwaltschaftliches Einzelinteresse (Ankläger von Missständen, z. B. bei RFID) und setzen PR primär dazu ein, öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen. Außerdem unterscheidet sich jede der Interessensgruppen hinsichtlich ihrer Wünsche und Erwartungen an die Form und den Inhalt (z. B. gewünschte Informationen) der Kommunikation. Die Form bezieht sich z. B. auf Zeit, in der Kommunikation stattfindet (rund um die Uhr im Internet) und das eingesetzte Medium (Pressemitteilung per Fax oder E-Mail). Für jede Organisation, die RFID-relevante Themen kommuniziert, gilt es, die entsprechenden Interessensgruppen genau zu kennen und ihre Erwartungen zu berücksichtigen. Abbildung 6 zeigt, wie ein chronologischer Ablauf in Bezug auf die Umsetzung aussehen kann.
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Abb. 6. Umsetzung
4 Kommunikative Chancen und Risiken für die RFIDTechnologie Folgende Aspekte sollten bei der Konzeption und Umsetzung der RFIDKommunikation beachtet werden: • Sammeln von Daten über die Wahrnehmung von RFID Solche Daten können helfen, psychologische und kulturelle Faktoren, die sich auf die öffentliche Wahrnehmung und Beurteilung auswirken, zu identifizieren. Zum Beispiel: Ist das Risiko aufgezwungen? Ungerecht? Unvermeidlich? Ist die Risikoquelle unvertraut und neu? Ist das Risiko menschenverursacht oder natürlich? Ist das Risiko versteckt und/oder Quelle nicht rückgängig zu machender Schäden? Bedeutet das Risiko eine Gefährdung junger Menschen und zukünftiger Generationen? Scheint die Wissenschaft das Risiko nicht richtig zu begreifen? Bestehen Unterschiede zwischen Kulturen, Ländern und Regionen in Bezug auf die Risikowahrnehmung? • Aufnahme eines offenen Dialoges mit den verschiedenen Interessensgruppen „Verschiedene Interessensgruppen“ umfasst hier alle, die Einfluss auf die Risiken haben und wahrscheinlich von ihnen betroffen werden – also Regulierungsbehörden, staatliche Finanzierungsbehörden, politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler, nichtstaatliche Organisationen, die Medien, die Industrie und die Öffentlichkeit. Mit der Verfügbarkeit zusätzlicher Daten über die Folgen von RFID z. B. für die Privatsphäre
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und den Schutz persönlicher Daten können weitere Spannungen zwischen den Beteiligten entstehen. Durch einen offenen Dialog mit den verschiedenen Interessensgruppen sollen Gemeinsamkeiten gefunden werden, auf denen der Konsens über strittige Fragen aufbauen kann. Integration der Perspektiven und Ansichten sowohl von Experten als auch von Laien in die Entscheidungsfindung Ein Konsens aus diesen unterschiedlichen Perspektiven sorgt für Transparenz in Bezug auf die Entscheidungsfindung und die Reduzierung von Risiken. Diese beiden Elemente sollten eine Basis zur Gewinnung des öffentlichen Vertrauens darstellen. Bürgerinitiativen wie FoeBud sollten dabei genauso involviert sein wie Ministerien, Vertreter der Wissenschaft sowie Unternehmen (RFID Task Force der EICAR). Der Wissensstand über RFID ist noch gering und kann durch PRMaßnahmen erhöht werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein hoher (subjektiver) Informationsstand dazu führt, dass Risiken geringer bewertet werden. Folgende RFID-Anwendungen können die Wahrnehmung der Technologie positiv beeinflussen und sollten in der Kommunikation betont werden: - individueller Nutzen: z. B. Mobilität, schnelleres Einkaufen usw. - gesellschaftlicher Nutzen: z. B. Hilfe bei Kranken und sozial Schwachen, verbesserter Umweltschutz oder RFID als Motor für Wirtschaftswachstum - Sicherheit: z. B. Diebstahlsicherung bei Autos, Rückverfolgung sensibler Produkte (Nahrung, Medikamente) usw. Leugnen der RFID-Schwachstellen und Manipulierung der öffentlichen Meinung Dies würde zu weiteren Vertrauensverlusten führen und trägt zur öffentlichen Skepsis bei. Die Ablehnung der Technologie wäre die schlimmstmögliche Folge. Das Konfliktpotenzial steigt, wenn Anwender und Hersteller von RFID erst auf Aufforderung kommunizieren. Kurzfristige Imagekampagnen reichen nicht aus. Eine langfristig angelegte Kommunikationsarbeit sollte sich in jeder Organisation mit der Technologie beschäftigen. RFID ist eine schwer fassbare, abstrakte Technologie. Kommunikation muss Bilder schaffen, die zur positiven Imagebildung beitragen und damit langfristig die Reputation der Branche und einzelner Unternehmen stärken. Technische, organisatorische und rechtliche Aspekte müssen von entsprechenden Stellen der Organisation verbessert werden.
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Kommunikationsverantwortliche sollten in diesen Prozess (wenn auch nur als Beobachter) involviert werden. • das Internet als Kommunikations-Plattform nutzen Wie die Konsumentenbefragung der METRO AG gezeigt hat, ist das Internet neben Medien wichtige Informationsquelle. • RFID betrifft unbeteiligte Dritte (z. B. den Konsumenten). Es handelt sich somit um ein unfreiwilliges Risiko, was wahrnehmungspsychologisch negativer bewertet wird als ein freiwilliges. • Die Debatte über die Belastung durch elektromagnetische Felder könnte auf die Wahrnehmung von RFID überschwappen. Die Anwendung von RFID-Chips und Lesegeräten führt zur Zunahme elektromagnetischer Felder.
5 Fazit Erst eine zielgruppenspezifische Definition der relevanten Informationsquellen offeriert einen verbindlichen Einblick, welche Strategien und Kommunikationsmaßnahmen tatsächlich einen spezifischen und paradigmatischen Charakter besitzen. Insbesondere bei der Bewertung renommeeentscheidender Faktoren hat die Aktualität der gewonnenen Resultate nahezu unbegrenzte Bedeutung. Nur auf der Basis zeitnaher Erhebungen lässt sich eine tatsächliche Bewertung über die Wahrnehmung von Technologien im Forum der Öffentlichkeit erstellen. Auf der Grundlage von entsprechenden Evaluierungsinstrumenten gewonnene Analysen und Interpretationen assistieren dabei, die Gesamtstrategie effizient und zielgruppengerecht zu gestalten. Nirgendwo wird evidenter, welche Meinungen, Ansichten tatsächlich repräsentativ für die Majorität der Verbraucher sind, nirgendwo werden Unternehmen, Geschäftspraktiken und Produktangebote kritischer und kontroverser diskutiert als auf unterschiedlichen verbraucherorientierten Kommunikationsplattformen. Das können diverse Netzwerke sein oder simple Diskussionsforen im Internet. In solchen Foren existieren keine Lobbyisten: Hier artikuliert sich „Volkes Stimme“, unverfälscht, klar, unmissverständlich und voller Mehrwert bei der Recherche von Kritik und Impulsen, um Bewährtes zu verbessern, Notwendiges zu kreieren und Überflüssiges zu vermeiden. Die Technologie liefert uns Instrumente, über die wir den Konsumenten in Echtzeit observieren können. Man bekommt also schnellstens einen Eindruck, wie Technologien rezipiert werden, welche negativen Meinungen forciert werden oder welche Krisen womöglich gerade aufkommen. Erst eine detaillierte Beobachtung der Stakeholder er-
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laubt Rückschlüsse und ermöglicht die Einleitung effizienter Gegenmaßnahmen.
Literatur 1. Castells M (1999) The information age: economy, society and culture. Blackwell Pub, Boxed edition 2. Müller (1989) in Pflaum D, Pieper W (Hrsg) Lexikon der Public Relations. Verlag Moderne Industrie, München. S 252