Jürgen Gross/Jörg Bordt/Matias Musmacher Business Process Outsourcing
Jürgen Gross/Jörg Bordt/Matias Musmacher
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Jürgen Gross/Jörg Bordt/Matias Musmacher Business Process Outsourcing
Jürgen Gross/Jörg Bordt/Matias Musmacher
Business Process Outsourcing Grundlagen, Methoden, Erfahrungen
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage August 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike M. Vetter Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0226-8 ISBN-13 978-3-8349-0226-9
Vorwort
In den letzten Jahren ist eine Entwicklung im Bereich der Organisation und Aufgabenerledigung in Unternehmen zu beobachten, die zu vielen Diskussionen führt: Angefangen hat es mit der Jahr-2000-Frage, als aus Kapazitätsgründen IT-Tätigkeiten nach Indien verlagert wurden, um durch Programmumstellungen den „Crash“ zu vermeiden, gefolgt von der Verlagerung ganzer IT-Abteilungen als Outsourcing im IT-Bereich. Daran schloss sich das Business Process Outsourcing (BPO) an, das sich zunächst überwiegend auf Call-Center-Aufgaben bezog und dann begann, andere Tätigkeiten und Funktionen mit einzubeziehen. Heute redet man nun über Business Process Management, und das vorläufig neueste Schlagwort ist das Knowledge Process Outsourcing. Diese Entwicklungen und die Diskussion darüber fanden und finden statt in einem hochemotionalen und sehr politischen Umfeld mit wissenschaftlicher Verbrämung: Es geht um Globalisierung, um Outsourcing, das heißt die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktion, um Protektionismus. Außerdem geht es darum, dass sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben und neue Spieler auftauchen, die wir zum Teil selbst „trainiert“ haben und die jetzt besser spielen, als wir eigentlich wollten. Eigentlich ist das alles nichts Neues: Ökonomische Umbrüche, verbunden mit politischen Verwerfungen und Strukturveränderungen im gesellschaftlichen Bereich, sind in der Geschichte schon häufiger aufgetreten. Für die jeweils Betroffenen, seien es Unternehmen oder Mitarbeiter, ist dies natürlich keine große Hilfe. Wie immer bei solchen Entwicklungen gibt es eine theoretische und eine praktische Seite: Es gilt, ein Phänomen einzuordnen und zu verstehen, und es gilt andererseits, konkrete Maßnahmen oder Projekte durchzuführen und zu beherrschen. BPO ist unserer Meinung nach nicht eine vorübergehende Mode-Erscheinung, und es geht nicht um einen Hype, dafür ist die Entwicklung zu sehr eingebunden und logische Konsequenz von makroökonomischen und strukturellen Entwicklungen. Wenn es aber kein „Hype“ ist wie das „papierlose Büro“, sondern ökonomische Realität, dann muss man sich nicht nur mit dem Phänomen beschäftigen, sondern, so wie viele Unternehmen es ja auch bereits tun, es praktizieren und nutzen. Dieses Buch soll für beide Aufgaben nützlich sein: Es soll eine grundsätzliche Einordnung ermöglichen und ein Grundverständnis dafür schaffen, was passiert und wie sich die Auswir-
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Vorwort
kungen abschätzen oder projizieren lassen, und es soll andererseits Erfahrungen vermitteln und Handlungsanweisungen dafür geben, wie man BPO durchführen und nutzen kann. Die Autoren waren und sind verantwortlich für das Outsourcing von Geschäftsprozessen -- als Auftraggeber ebenso wie als Auftragnehmer oder als begleitende Berater. Die Erfahrung von Jörg Bordt, Leiter Customer Care Management bei T-Online, schlägt sich nieder in Kapitel „Richtige Implementierung“, das Praxiserfahrungen darstellt und ihre Übertragbarkeit aufzeigt. Die Erfahrungen von Matias Musmacher, lange Jahre verantwortlich für strategische Unternehmensplanung bei DB-Dialog Telefonservice, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, finden sich insbesondere in Kapitel „Prozessgebundene Logik des BPO“, in dem eine Einordnung in die strategische Entscheidungsfindung vorgenommen wird. Jürgen Gross hat mit 30 Jahren Berufserfahrung überwiegend im IT-Bereich viele der organisatorischen und technischen Entwicklungen miterlebt und gestaltet. Wir hoffen, dass unser Buch zu einer versachlichten Diskussion beiträgt und gleichzeitig Handlungshilfe ist für Führungskräfte in Unternehmen, die sich mit der Thematik BPO beschäftigen oder sehr bald beschäftigen müssen.
Die Autoren
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.....................................................................................................................................5 Abbildungsverzeichnis............................................................................................................11 Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen ..........................................................13 1. Das Phänomen Outsourcing...........................................................................................13 1.1 Einführung .............................................................................................................13 1.2 Bedeutung des Dienstleistungs-Sektors .................................................................14 2. Industrialisierungsaspekte..............................................................................................21 2.1 Einordnung in die Wertschöpfungskette, Value Chain ..........................................23 2.2 Service Profit Chain und Neuorientierung .............................................................25 2.3 Begrifflichkeit bei Business Process Outsourcing .................................................26 2.4 Ausprägungen von Business Process Outsourcing.................................................29 3. Arten und Abgrenzung von Business Process Outsourcing ...........................................31 3.1 Einleitung...............................................................................................................31 3.2 IT-Outsourcing versus Business Process Outsourcing...........................................33 4. Entwicklungstendenzen .................................................................................................35 4.1 Einleitung...............................................................................................................35 4.2 Handlungsoptionen ................................................................................................37 5. Organisations- und Managementfragen bei BPO...........................................................41 5.1 Rolle der IT bei BPO .............................................................................................47 6. Der Markt ......................................................................................................................50 6.1 Einleitung...............................................................................................................50 6.2 Marktsegmente.......................................................................................................51 7. Auswirkungen auf Arbeitsplätze....................................................................................56 7.1 Beherrschung von Sprachen...................................................................................57 7.2 Qualität der Ausbildung .........................................................................................58 7.3 Kultureller Fit (interpersonelle Skills, Teamfähigkeit, Flexibilität) .......................59 8. Marktteilnehmer ............................................................................................................63 8.1 Einleitung...............................................................................................................63 8.2 Projektstrukturen....................................................................................................64 8.3 Forderung nach Transparenz..................................................................................68 8.4 Interessenlage der Marktteilnehmer .......................................................................70
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Inhaltsverzeichnis
Prozessgebundene Logik des BPO ......................................................................................... 77 1. Einleitung ...................................................................................................................... 77 2. Strategische Entscheidungen in den Phasen des Produktlebenszyklus.......................... 78 3. Funktionaler versus prozessualer Ansatz in der Organisation....................................... 81 3.1 Entwicklung von Organisationen .......................................................................... 82 3.2 Prozessmanagement als ergänzende Sichtweise auf Organisationen..................... 86 3.3 Fazit....................................................................................................................... 90 4. Standardisierung und Industrialisierung von Prozessen ................................................ 91 4.1 Standardisierung von Prozessen – Kontrolle und Austauschbarkeit...................... 91 4.2 Auswirkungen der Informationstechnologien auf Prozesse................................... 99 4.3 Fazit..................................................................................................................... 104 5. Vorgehen bei Outsourcing-Vorhaben.......................................................................... 106 5.1 Kernprozesse oder Kernkompetenzen: Was muss inhouse bleiben? ................... 106 5.2 Das Outsourcing-Vorhaben ................................................................................. 114 6. BPO als Übergang von Unternehmensteilen ............................................................... 116 6.1 Gesellschaftsrechtlicher Ansatz........................................................................... 116 6.2 Gründung einer Tochterfirma/Captive Outsourcing ............................................ 119 6.3 Verkauf von Unternehmensteilen (Teilbetrieben)/Third-party Outsourcing ....... 123 6.4 Unterschiede für das Projektmanagement ........................................................... 126 6.5 Weg ist weg: Der (Wieder-)Aufbau von herausgegebenen Prozessen ................ 127 7. Anforderungen an BPO-Dienstleister.......................................................................... 128 8. Alles outsourcen – die Utopie des vollkommen virtuellen Unternehmens.................. 131 8.1 Outsourcing löst kein Problem, es kann eines werden......................................... 133 8.2 Das hohle Unternehmen?..................................................................................... 137 8.3 Fazit und Ausblick............................................................................................... 141 Richtige Implementierung .................................................................................................... 143 1. Zielsetzung/Migrationsstrategie .................................................................................. 143 2. Vorgehensmodell ........................................................................................................ 146 2.1 Implementierung ................................................................................................. 147 2.2 Scoping................................................................................................................ 148 2.3 Machbarkeit......................................................................................................... 149 2.4 Auswahl der Dienstleister.................................................................................... 152 2.5 Vertragsgestaltung/-abschluss ............................................................................. 154 2.6 Service Level Agreement .................................................................................... 156 2.7 Preisgestaltung..................................................................................................... 159 2.8 Governance-Modell............................................................................................. 162 3. Migration..................................................................................................................... 163 4. Regelbetrieb ................................................................................................................ 164 5. Projektorganisation ..................................................................................................... 169 5.1 Projektmanagement ............................................................................................. 173 5.2 Kommunikation und Change............................................................................... 174
Inhaltsverzeichnis
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6. Qualitätsmanagement ..................................................................................................176 7. Risikomanagement ......................................................................................................178 8. Die 10 Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen BPO-Implementierung ............................180 Literaturverzeichnis ..............................................................................................................183 Die Autoren...........................................................................................................................187
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35:
Beschäftigte nach Sektoren, EU 25 und Deutschland............................... 15 Dienstleistungsarten.................................................................................. 17 Verlagerung von Dienstleistungen............................................................ 17 Lieferform von Endprodukten .................................................................. 19 Dynamik der Dienstleistungen Kategorie 2 .............................................. 20 Typischer Prozess Dienstleistung Kategorie 2.......................................... 21 Funktionsgruppen und Beispiele............................................................... 23 Wertschöpfungskette herstellende Industrie ............................................. 24 Service Profit Chain.................................................................................. 26 Auswirkungen der Ausprägung auf Governance ...................................... 30 Branchenverteilung der BPO-Projekte mit Direktinvestitionen 2002-2003 ................................................................................................ 36 Makroeinflüsse auf Unternehmen............................................................. 37 Prozess-Stationen...................................................................................... 40 Optimierte Prozess-Stationen ................................................................... 40 Abdeckung im Jahr der Implementierung................................................. 47 Systemmutation nach 8 Jahren ................................................................. 48 Marktgröße nach Regionen, in Millionen US-Dollar, BPO- und ITOutsourcing.............................................................................................. 52 Exportleistungen der wichtigsten Länder in Millionen US-Dollar ........... 53 Geografische Verteilung von BPO relevanten Projekten.......................... 54 Verteilung nach Geschäftsprozessen ........................................................ 55 Sprachenhäufigkeit (Millionen Sprecher)................................................. 57 Einflussfaktoren Offshoring Entscheidung ............................................... 60 Analyse der Herausforderungen ............................................................... 62 Projekte im Projekt ................................................................................... 65 Am Projekt beteiligte Parteien .................................................................. 67 Gründe für BPO nach dem Produkt-Lebenszyklus ................................... 79 Funktionale Organisation.......................................................................... 82 Divisionale Struktur.................................................................................. 82 Geografische Struktur eines multinationalen Konzerns............................ 83 Matrixorganisation.................................................................................... 84 Wertschöpfung der einzelnen Aktivitäten der Wertekette (Beispiel)........ 85 Gründe für BPO in Abhängigkeit von Wertschöpfungsanteil................... 86 Organisatorische Koordinationsprinzipien nach Mintzberg...................... 94 Ergebnis der Gesprächzeitmessung .......................................................... 97 Schematische Darstellung der Managementaufgabe Komplexitätsreduktion............................................................................. 98
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Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48: Abbildung 49: Abbildung 50: Abbildung 51: Abbildung 52: Abbildung 53: Abbildung 54: Abbildung 55: Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58: Abbildung 59: Abbildung 60: Abbildung 61: Abbildung 62: Abbildung 63: Abbildung 64: Abbildung 65: Abbildung 66: Abbildung 67: Abbildung 68: Abbildung 69: Abbildung 70:
Abbildungsverzeichnis
Desintegration von Wissen und Informationen ....................................... 100 Gegenüberstellung von BPO-Gründen und -Möglichkeiten der Standardisierung..................................................................................... 105 Die Bestimmung der Kernprozesse......................................................... 107 Kompetenzen im Rahmen der Prozessanalyse ........................................ 109 BPO-Gründe im Kontext......................................................................... 109 Der Prozess der Produktionsplanung ...................................................... 111 Ergebnis der Bewertung des Produktionsplanungsprozesses .................. 113 Optionen für BPO-Projekte..................................................................... 115 Erst konsolidieren, dann Outsourcing/Offshoring (Kundenbeispiel) ...... 117 Alternativer Ablauf eines BPO-Projekts ................................................. 118 Schematische Darstellung aller Kosteneffekte bei einem „BPO-Deal“ .. 124 BPO-Gründe im Spannungsfeld zwischen fachlichen und kaufmännischen Anforderungen...................................................... 129 Wertekette des Schienenpersonenverkehrs (SPV) nach Marktöffnung (UK) ................................................................................ 139 Wertekette des SPV nach Markteintritt von NewCo............................... 140 Zielsetzungen BPO-Projekt..................................................................... 144 Bestandteile der Migrationsstrategie ....................................................... 145 Phasenmodell der BPO-Implementierung............................................... 147 Ergebnisse der Implementierungsphase im Überblick ............................ 148 Umfang und Inhalt eines BPO-Cases ...................................................... 150 Prozessschritte einer BPO-Ausschreibung .............................................. 153 Gliederung und Inhalte der SLAs bei BPO ............................................. 157 Beispiel, Inhalt eines Leistungsscheins (Anhang zu SLA)...................... 157 Beispiel für Hybridmodell-Pricing.......................................................... 160 Vergleich der Migrationsvarianten.......................................................... 164 Quantitative Steuerungsgrößen (Beispiel)............................................... 165 Qualitative Steuerungsgrößen (Beispiel)................................................. 166 Messung von KPIs (Beispiel).................................................................. 166 Besondere Herausforderungen bei BPO-Projekten ................................. 170 Mögliche Projektstruktur bei BPO .......................................................... 171 Involvierte Funktionen beider Seiten ...................................................... 172 Zentrale Aufgaben der Projektorganisation............................................. 172 Bestandteile des Change Managements .................................................. 175 Kriterien der erfolgreichen Kommunikation ........................................... 176 Zentrale Risiken des BPO ....................................................................... 178 Regelkreis und Bestandteile des Risk Monitoring .................................. 179
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
1.
Das Phänomen Outsourcing
1.1
Einführung
Die Vereinten Nationen reden von einem „globalen Shift”, andere wollen 50 % der ITKosten sparen, die Europäische Zentral Bank macht sich Sorgen hinsichtlich der Aufsicht bei Banken, der Bundesverband der Materialwirtschaft Einkauf und Logistik sieht einen Erfolgsfaktor, und einige große Unternehmen sehen es als Fehlschlag -- alle reden vom gleichen Thema. Wenn man den internationalen Institutionen und etlichen Wirtschaftswissenschaftlern glauben darf, spielt sich die nächste Revolution der Organisations- und Arbeitswelt bereits im Stillen ab. Weltbank, OECD, Fraunhofer-Institut, Prof. U. Karmakar an der UCLA Anderson School of Management und viele andere sind sich einig: Ein „Global Shift“, die „Tradability Revolution“, die „Service Industrialisation“, bei der Gewerkschaft verdi heißt es „Informationalisierung“, ist bereits da. Gemeint ist damit eine Entwicklung, die seit gut 20 Jahren in unterschiedlichen Bereichen stattfindet und begrifflich schwer zu fassen ist. Da werden IT-Abteilungen großer Unternehmen ausgegliedert und verkauft, es werden CallCenter in Indien und auf den Philippinen gegründet. Die Researchaufgaben von Banken und Unternehmensberatungen, Übersetzungen technischer Texte, die Bearbeitung von Kartenanträgen, die Herstellung von Zeichentrickfilmen, die Beurteilung medizinischer Befunde, nichts, so scheint es, gibt es, was man nicht auch auslagern und exportieren bzw. importieren könnte. Alle Bereiche eines Unternehmens, von der simplen Datenerfassung zu komplexen Forschungsaufgaben, scheinen betroffen zu sein. Was, außer Kostensenkung, hinter diesen Entwicklungen steht, wird nur undeutlich formuliert und ist heute Bestandteil polemischer politischer Diskussion über die Gefahren der Globalisierung, die Verlagerung von Arbeitplätzen, das Lohndumping.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Grund dafür ist die Tatsache, dass die technologischen Entwicklungen der letzten zehn Jahre im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien Möglichkeiten eröffnet haben, die heute allmählich in ihrem ganzen Ausmaß wirksam werden. Eine Vielzahl einzelner Entwicklungen beginnt sich zu verknüpfen und lässt damit in Umrissen ein neues Bild von Organisation und Abwicklung klassischer Unternehmensaufgaben sichtbar werden. Vier Entwicklungen sind in dieser Hinsicht zu beobachten: 1. Der immer noch wachsende Dienstleistungssektor verändert sich durch immer neue Angebote und Spezialisierungen, die es erlauben, bisher im Unternehmen erbrachte Dienstleistungen nach außen zu verlagern, ebenso wie sie es erlauben, Produkte durch den Einbezug von Dienstleistungen anzureichern. 2. Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichen nichtmaterielle Dienstleistungen zeitnah außerhalb des Unternehmens oder in konzentrierter Form innerhalb des Unternehmens abzuwickeln und sie in die laufenden Unternehmensprozesse als integralen Bestandteil einzugliedern, eine Form der „Just in time“-Produktion angewendet auf die internen Unternehmensleistungen. Damit entsteht eine Handelbarkeit der Leistungen, die in dieser Form neu ist. 3. Es zeigt sich, dass eine sehr viel weitergehende Standardisierung und Arbeitsteilung als bisher realisiert bei vielen Prozessen möglich ist. Dies eröffnet, verbunden mit den Entwicklungen unter Punkt 2, neue Möglichkeiten im Sinne der industriellen Fertigung von Dienstleistungen. 4. Die Erbringung solcher Leistungen ist an keine geografischen Grenzen gebunden. Wo immer die Infrastruktur vorhanden ist und die Qualifikation der Mitarbeiter sichergestellt ist, kann auch die Leistung erfolgen, ob z. B. in Südafrika, Indien oder Rumänien, für den Abnehmer der Leistung ist der Produktionsstandort ein nachgeordnetes Merkmal. Das eröffnet die Möglichkeit, bei der Erbringung von Dienstleistungen den internationalen Arbeitsmarkt sehr viel stärker als bisher zu nutzen. Diese Entwicklungen wirken alle zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Jede dieser Entwicklungen hat natürlich auch eigene Besonderheiten, Einschränkungen und Risiken für den, der sie nutzen will: Ein englischsprachiger internationaler Arbeitsmarkt ist für Leistungen in Deutschland bzgl. deutschsprachige Konsumenten wohl nicht nutzbar, unabhängig davon, wie günstig die Kosten und hervorragend die Infrastruktur ist.
1.2
Bedeutung des Dienstleistungs-Sektors
Dass wir in der Entwicklung von der Agrargesellschaft über die Industriegesellschaft heute bei der Dienstleistungsgesellschaft angelangt sind, ist mittlerweile ein Gemeinplatz .
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
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Gemeint ist damit im Allgemeinen die Beschäftigungssituation: Es sind heute mehr Menschen mit der Erbringung von Dienstleistungen beschäftigt als mit der Herstellung von Gütern, zumindest gilt dies für alle industrialisierten Gesellschaften.
Beschäftigte nach Sektoren % Dienstleistungen
Industrie
Landwirtschaft
100%
80%
60%
40%
20%
1994
1996
1998
2000
EU 25
Deutschland
EU 25
Deutschland
EU 25
Deutschland
EU 25
Deutschland
EU 25
Deutschland
Deutschland
EU 25
0%
2002
2004
Quelle: Eurostat 2006 Abbildung 1: Beschäftigte nach Sektoren, EU 25 und Deutschland Die Entwicklung der Beschäftigung nach Sektoren, wie in Abbildung 1 dargestellt, zeigt sowohl für den EU-Raum der 25 Mitglieder als auch für Deutschland den eindeutigen Trend zur Dienstleistung auf. Schwierig ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff „Dienstleistungen“ sehr breit gefasst ist. Die Kategorie Dienstleistungen ist in der Statistik so großzügig gefasst, dass hier alle nur vorstellbaren Arten von Leistungen zugeordnet werden können. Allgemein akzeptiert ist mittlerweile die Einteilung von Bhagwati (1987). Danach werden Dienstleistungsgüter in zwei prinzipielle Kategorien aufgeteilt: Kategorie 1: Dienstleistungen, welche physische Nähe von Produzent und Konsument erfordern, wobei es drei Typen gibt: Typ 1: Der Konsument muss den Standort des Produzenten aufsuchen und hierfür die Kosten tragen. Typische Beispiele hierfür sind der Einzel- und Grosshandel, personenbezogene Dienstleistungen, Tourismusdienstleistungen, staatliche Behörden und Ämter im hoheitlichen Bereich
16
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Typ 2: Der Produzent muss den Standort des Konsumenten aufsuchen und hierfür die Kosten tragen, typischerweise das Transportgewerbe, Reparaturdienste, etliche personenbezogene Dienstleistungen, Teile von unternehmensbezogenen Diensten, im öffentlichen Bereich z. B. die Abfallbeseitigung Typ 3: Produzent oder Konsument können den Standort des jeweils anderen aufsuchen, dazu gehören überwiegend personenbezogene Dienstleistungen, wie Vermögensberatung, Reparaturen an tragbaren Einrichtungen etc. An den Beispielen zeigt sich bereits, dass die Abgrenzung und Definition fließend ist, es handelt sich um eher grundsätzlich anwendbare Gruppierungen und nicht um wissenschaftliche Definitionen. Dienstleistungen können sehr leicht in allen drei Typen auftauchen, je nach Kreativität des Marktes. Ein Beispiel dafür sind die Entwicklungen des Unterhaltungsmarktes: Konzerte gehören zum Typ 1, können aber ebenso auch als Typ 2 stattfinden. Einzel- und Großhandel liefern auch aus und können von daher manchmal auch eine Leistung des Typs 2 erbringen. Kategorie 2: Es ist kein persönlicher Kontakt zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten nötig. Leistungen aus dem Banken- und Versicherungsbereich, Marketingdienstleistungen, Vermittlungsgeschäfte, Vetriebsstrukturen (Internethandel) u. Ä. gehören in diese Kategorie. Eine zweite globale Einteilung der Dienstleistungen wurde von F. Machlup (1962) vorgenommen, als er erstmalig den US-Markt für Dienstleistungen untersuchte. Er definierte einen primären Dienstleistungssektor, d. h. alle Dienstleistungen die für andere im Markt erbracht werden, und einen sekundären Sektor, die Erbringung von Dienstleistungen in Unternehmen zum eigenen Gebrauch. Beide Sichtweisen sind von großer Bedeutung zum Verständnis der grundsätzlichen Entwicklungen, zu denen auch BPO gehört: einerseits der Blick auf die Art der Leistung, um die es geht, und andererseits der Blick auf die verfolgte Zielsetzung: Soll die Leistung an Dritte verkauft werden oder ist sie für die eigene Nutzung gedacht? Die Abbildung 2 verdeutlicht den Zusammenhang der beiden Sichtweisen. Relevant ist die Einteilung wie von Bhagwati vorgeschlagen deshalb, weil die Handelbarkeit von Dienstleistungen im Wesentlichen in der Kategorie 2 gegeben ist. Kategorie 1 setzt im Normalfall voraus, dass im Sinne von Internationalisierungsstrategien Direktinvestitionen getätigt werden, um in einem Markt vor Ort die Dienstleistung erbringen zu können. Handelshäuser wie Aldi oder Metro können einen Auslandsmarkt nur erschließen durch physische Präsenz und Direktinvestition, und dies ist normalerweise nicht mit einer Arbeitsplatzverlagerung verbunden, der Beschäftigungseffekt ist grundsätzlich neutral. Anders in der Kategorie 2: Eine Leistungsverlagerung ist häufig verbunden mit kostenorientierten Strategien und damit sehr wohl potenziell beschäftigungswirksam.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
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Erbringung im Unternehmen für eigenen Gebrauch
Dienstleistungen Kategorie1 Kategorie2
Erbringung als Produkt für Dritte
Abbildung 2:
Dienstleistungsarten
Alle Märkte für Dienstleistungen sind seit einigen Jahren enormen Veränderungen ausgesetzt. Der Einsatz von IT-Technologien und die dort anhaltenden Entwicklungen im Hardware- wie im Softwarebereich werden auch weiterhin eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit bedingen. Eine Auswirkung des Technologieeinsatzes ist die Verschiebung von Dienstleistungen aus dem Bereich der „selbsterzeugten“ innerhalb des Unternehmens in den Marktbereich der Anbieter. Dies gehört zum typischen Wachstum des Dienstleistungssektors dazu.
Erbringung im Unternehmen für eigenen Gebrauch
gi olo n ch Te
Dienstleistungen Kategorie 1 Kategorie 2
Erbringung als Produkt für Dritte
Abbildung 3:
Verlagerung von Dienstleistungen
m ei
ct pa
18
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Die Erbringung von Dienstleistungen ist typischerweise durch die Abfolge von Prozessschritten gegeben, die im Gegensatz zur Produktion nicht technisch determiniert sind und von daher grundsätzlich leicht änderbar. Die Dienstleistung „Haare schneiden“ erfordert die physische Anwesenheit des Leistungserbringers und des Leistungsempfängers, die Dienstleistung „Raumreinigung“ erfordert die physische Anwesenheit des Leistungserbringers am Ort der Leistung. Der Prozess der Reinigung oder des Haareschneidens, wie üblich in den Dienstleistungen der Kategorie 1, erfordert auch den Einsatz von Instrumenten. Die Dienstleistung „Geld zur Verfügung zu stellen“ kann andererseits von irgendwo an irgendwen erbracht werden, physische Anwesenheit ist nicht erforderlich. Erforderlich ist natürlich ein physisches Medium für die Übertragung oder Bearbeitung, allerdings handelt es sich dabei um eine aufgabenneutrale Infrastruktur. Die Annahme einer Beschwerde, die Entgegennahme eines Auftrags erfordern ebenfalls keine physische Anwesenheit. Bei den Dienstleistungen und zugehörigen Erstellungsprozessen, die körperliche Anwesenheit nicht erforderlich machen, zeigen sich durch die Entwicklung der Produktionsmittel völlig neue Strukturen und Perspektiven. Die Produktionsmittel in diesem Fall sind die Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Möglichkeiten in beiden Bereichen sind der organisatorischen Anwendung der Technologien weit voraus. Heute lässt sich die Leistungserbringung so organisieren, dass sie räumlich getrennt stattfindet und dennoch als einheitliche Leistung an einem beliebigen Ort ankommt. Ein Auftrag kann in Hamburg gescannt, in München geprüft, in Schwerin gebucht, in Köln freigegeben und aus Frankfurt ausgeliefert werden. Wenn der Prozess nicht gerade zusammenbricht, merkt der Kunde zu keinem Zeitpunkt, welche räumlichen Distanzen die Bearbeitung überwunden hat. Er kann auch nicht feststellen, wie viele Unternehmen, ob zum gleichen Konzern gehörend oder nicht, in die Abwicklung involviert waren. Es interessiert den Kunden auch nicht, so lange er die Leistung zu einem aus seiner Sicht günstigen Preis erhält. (Dass „Geiz ist geil“, also das billige Einkaufen hochwertiger Waren und Dienstleistungen, eine Kehrseite hat, nämlich den Zwang zu Kostensenkungen bei der Produktion der Dienstleistungen wird gerne verdrängt.) Das, was dabei tatsächlich Zeit kostet, ist die Auslieferung. Neben dieser Verlagerung der Dienstleistungen aus dem unternehmensinternen Bereich in den Marktbereich, gibt es weitere Entwicklungen, die zur massiven Expansion der Dienstleistungen führen: die Produktanreicherung und Produktdiversifizierung. Professor Uday Karmarkar von der UCLA Anderson School of Management hat dazu im Jahre 2004 einige Vorstellungen entwickelt. Die vier Segmente, in denen sich wirtschaftliche Tätigkeit abspielt, sind in Abbildung 4 dargestellt. Im Dienstleistungsbereich gibt es dabei die materiell orientierten Dienstleistungen, die im Wesentlichen der Definition der Kategorie 1 Dienstleistungen entsprechen, und die informationsorientierten Dienstleistungen, die im Wesentlichen der Kategorie 2 entsprechen.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
19
Lieferung in Form von: Produkt
Materiell
Dienstleistung
Maschinen, chemische Produkte, Fahrzeuge, Modeartikel, Consumer Goods etc.
Tourismus, Handel Transport, Gesundheitswesen etc.
Bücher, Zeitschriften, Computer, Film, Musik, Software, Spiele etc.
Finanzdienstleistungen, Radio und Fernsehen, Telekommunikation, Beratung, Auskunftsdienste etc.
Endprodukttyp: Information
Quelle: nach Uday Karmarkar, UCLA Abbildung 4: Lieferform von Endprodukten Die herstellende Industrie diversifiziert verstärkt ihre Produkte und Angebote. Ein Teilaspekt dieser Diversifizierung ist die permanente Zunahme an Komplexität in den Produkten. Die Automobilherstellung ist heute ein softwaregetriebener Produktionsprozess, und auch das Endprodukt, nämlich das Fahrzeug selbst, ist voll von Elektronik und Software. Damit ergeben sich Dienstleistungsnotwendigkeiten auf den unterschiedlichsten Ebenen: Dienstleistungen, die für die Produktion selbst erforderlich sind, aber auch Dienstleistungen, die bezogen auf das Endprodukt erforderlich sind. Der Markt für Navigationssysteme ist ein gutes Beispiel dafür. Vor nicht allzu langer Zeit war Navigation im Pkw eine Aufgabe für den Beifahrer mit der Straßenkarte in der Hand, heute ist es ein integraler Bestandteil des Fahrzeugs, mit einer blühenden Industrie und Services. Die funktionale Anreicherung des Kernproduktes, um bessere und mehr Leistung zu erreichen, führt zu stetig höheren Anforderungen an Dienstleistungen (Volumen und Qualität). Hier gibt sind mitunter interessante Nebenwirkungen oder Zusatzwirkungen zu beobachten: Die Kontrolle über die Infrastruktur zur Fähigkeit, die Position genau zu bestimmen, nicht nur zur Bequemlichkeit der Autofahrer, hat die EU wiederum veranlasst das Projekt „Galileo“, immerhin eine Investition von einigen Milliarden Euro, zu starten. Nach Abschluss des Projektes werden eine Vielzahl neuer Möglichkeiten entstehen und neue Services erforderlich sein. Allein die Beratung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten eines Produktes z. B. in der Werkzeugmaschinenindustrie ist eine „neue“ Dienstleistung, die erbracht werden muss. Fast alle
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
materiellen Produkte sind auf die eine oder andere Art mit Dienstleistungen angereichert oder ohne Dienstleistung nur begrenzt nutzbar. In anderen Industrien findet die Diversifizierung von Produkten durch Dienstleistung statt, welche in Ergänzung oder zusätzlich zum Produkt angeboten werden. Die Energieberatung zum Haus, der Rezeptservice zu Lebensmitteln sind Beispiele für Dienstleistungen, die nicht integrierter Bestandteil des Produktes sind, aber dennoch einen Diversifizierungseffekt haben und zum Teil bereits als selbstverständlich erwartet werden und erbracht werden müssen. Der Effekt dieser Entwicklungen ist, dass alle Wirtschaftsgüter heute sowohl in der Produktion als auch in der Verwendung stark durch Dienstleistungen unterschiedlichster Art geprägt sind und häufig Art und Qualität der Dienstleistung wettbewerbsentscheidend sind. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Durchdringung der unterschiedlichen Felder immer stärker wird und dadurch eine ungeheure Dynamik insbesondere bei Dienstleistungen der Kategorie 2 zu beobachten ist. Abbildung 5 soll dies verdeutlichen.
Lieferung in Form von: Produkt Dienstleistung
Materiell
Maschinen, Chemische Produkte, Fahrzeuge, Modeartikel, Consumer Goods etc.
Tourismus, Handel Transport, Gesundheitswesen etc.
Bücher, Zeitschriften, Computer, Film, Musik, Software, Spiele etc.
Finanzdienstleistungen, Radio und Fernsehen, Telekommunikation, Beratung, Auskunftsdienste etc.
Endprodukttyp: Information
Abbildung 5:
Dynamik der Dienstleistungen Kategorie 2
Die Verbindung der beiden aufgezeigten Entwicklungen, nämlich die Verlagerung von unternehmensintern erbrachten Dienstleistungen in den Marktsektor einerseits und die Anreicherung der materiellen Produkte um informationsbasierte Eigenschaften oder Fähigkeiten, führte und führt zu tief greifenden Änderungen im Dienstleistungssektor.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
2.
21
Industrialisierungsaspekte
Der typische Prozessablauf für eine Dienstleistung der Kategorie 2 besteht aus folgenden Schritten:
Erfassung
Abbildung 6:
Transport
Speicherung
Transport
Bearbeitung
Transport
Verbrauch/ Verwendung
Typischer Prozess Dienstleistung Kategorie 2
und unterliegt heute praktisch keinen physischen Grenzen mehr. Jeder Schritt in dieser Prozesskette kann durch eine Vielzahl von Technologien erfüllt werden: Die Erfassung kann ein digitales Photo sein, könnte auch ein Scan-Vorgang sein, kann ebenso auch die Tastaturerfassung sein oder ein Mikrofon bei der Aufnahme von Musik. Das Speichern kann auf dem Server erfolgen, könnte eine CD, eine DVD, ein USB-Stick sein. Bearbeitet werden kann die Dienstleistung auf einer PC-Work-Station, einem Großrechner oder einem PDA, und Die Verwertung oder der Verbrauch kann in einem CD- oder DVD-Spieler oder in einem PC, vielleicht auch in einem Telefon, stattfinden. Der Transport zwischen den unterschiedlichen Schritten hängt nur noch von der Bandbreite ab, die zur Verfügung steht. Diese technisch gewonnene Freiheit und die damit verbundene Geschwindigkeit erlaubt das radikale Überdenken von fast allen Prozessen, und damit auch von vielen Dienstleistungen, ob sie für den Markt erbracht werden oder für den internen Gebrauch. Denken wir etwas zurück: Vor 30 oder auch 20 Jahren wurde ein Verwaltungsprozess gekennzeichnet durch die „Papiertransportgeschwindigkeit“. Die Post brachte etwas ins Haus, die Postabteilung hat es verteilt, physisch in Eingangskörbe gelegt, dort wurde es registriert, bearbeitet, an den nächsten weitergegeben, und jeder dieser Bearbeitungsschritte war mit physischen Transporten verbunden und damit mit Zeitaufwand. Wo immer denkbar und machbar, mussten möglichst viele Funktionen der Verwaltung räumlich beieinander sitzen um Wege kurz zu halten. Sicherlich ist es nicht so, dass es das heute nicht mehr gibt, allerdings existieren heute eine Menge Alternativen dazu. (Die Begrifflichkeit Verwaltungsprozess, die hier absichtlich gewählt wurde, verdeutlicht auch, dass die Prozesse kaum als Service begriffen wurden.)
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Der Zeitbedarf für den gleichen Prozess ist heute fast ausschließlich von der Dauer und Häufigkeit der menschlichen Intervention abhängig. Wie lange benötigt ein Sachbearbeiter zur Bearbeitung des jeweiligen Vorgangs, und wie viele Sachbearbeiter will ich einsetzen, das sind die Determinanten. Der Prozessfluss (Transport) per se benötigt Millisekunden, im Gegensatz zur physischen Produktion. Damit wurden und werden immer noch Möglichkeiten der Arbeitsflussorganisation eröffnet, deren Konsequenzen und Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation nicht absehbar sind. Diese mögliche Zergliederung oder besser gesagt Atomisierung eines Prozesses oder eines Arbeitsablaufes ist in einigen Bereichen weitergehend, als es jemals in der herstellenden Industrie möglich war. Davon ausgehend lassen sich nun Arbeitsschritte oder Arbeitseinheiten definieren, die als Zulieferung in Prozesse bzw. als Bestandteile von Prozessen extern durchgeführt werden können, um z. B. Skaleneffekte zu erreichen. Industrialisierung lässt sich anhand folgender Merkmale beschreiben:
Industrialisierungsmerkmale Standardisierung von Produkten und Funktionen Standardisierung von Komponenten oder Teilen Standardisierung der Arbeitsprozesse Fähigkeit, Ergebnisse zu spezifizieren und zu testen Fähigkeit, Ergebnisse zu „verpacken“ oder zu bündeln und an andere Stelle zu verbringen
Betrachten und klassifizieren wir nun unternehmensinterne Prozesse unter Nutzung dieser Merkmale, zeigt sich, dass ein breites Feld potenzieller Industrialisierung winkt, von Prozessgruppen bis zu Einzelprozessen und ihren Komponenten. Typischerweise sind bisher im Wesentlichen die Potenziale im Bereich der Erfassungs- und der Verwertungsteilprozesse in Angriff genommen, wie z. B. die Antrags- oder Datenerfassung einerseits und andererseits z. B. die Lohn- und Gehaltszahlungen (Berechnung und Druck). Der Ansatzpunkt waren also die an der „Unternehmensperipherie“ stattfindenden Ein- und Ausgangsaktivitäten, die meistens auch mit einer geringen Eintauchtiefe in die Organisation verbunden waren und typischerweise in einer Abteilung angesiedelt sind. Allmählich verbreitet sich der Einsatz jedoch auch zu Prozessen die funktionsübergreifend stattfinden und sehr viel tiefer in der Organisation verwurzelt sind, d. h. es werden auch echte Bearbeitungsprozesse miteinbezogen oder betroffen, die bisher eher durch „Herrschaftswissen“ in einem quasi geschützten Bereich abliefen. Es gibt mittlerweile vielfältige Formen der Industrialisierung von Dienstleistungen: Die Entwicklungen im Bereich Customer Self Service entweder über das Internet oder über Automaten oder z. B. Interactive Voice Response Systeme (IVR) gehören ebenso dazu wie die Entwicklungen im Busines Process Outsourcing.
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In diesem Buch konzentrieren wir uns auf die Thematik „Business Process Outsourcing“ und lassen die anderen Entwicklungen, die natürlich auch von Bedeutung sind, außer Betracht. Erst in der letzten Zeit entwickeln sich allmählich Dienstleistungsangebote in den Gebieten, die normalerweise zu den Kernbereichen eines Unternehmens zählen. Die typischen Angebote, die sich heute im Markt finden zeigt Abbildung 7.
Funktionen/Aufgaben Finanz/Rechnungswesen Personalwesen Vertrieb/CRM Logistik
typische Inhalte, Beispiele Buchhaltung, Rechnungsstellung, Zahlungsabwicklung, Personalabrechnung und Verwaltung, Personalbeschaffung, Ausbildung Telemarketing, In-/Outbound Vertrieb, Kundengewinnung, Kundenmanagement, Auskunftsdienste Auftragsverfolgung, Auftragsabwicklung
Banken/back office
Zahlungsabwicklung, Transaktionsabwicklung, Analysetätigkeiten
Verwaltungsaufgaben
Antragsbearbeitung, Schadensfallbearbeitung, Verschreibungen,
Content-Entwicklung
Pflege von Web-Seiten, Graphik, Produktentwicklung
Technische Unterstützung
Help-Desk, Service Lines
IT-Querschnittsaufgaben
CAD, Testing, Applikationsmanagement und Pflege, SystemIntegration, Infrastrukturmanagement
Abbildung 7:
Funktionsgruppen und Beispiele
Es zeigt sich hier deutlich, dass der größte Bereich der sich bildenden Dienstleistungen in der Kategorie 2, nicht gebunden an persönliche Anwesenheit, zu suchen ist. Es ist auch, wie wir noch bei den Marktentwicklungen sehen werden, davon auszugehen, dass hier die interessantesten Entwicklungen stattfinden.
2.1
Einordnung in die Wertschöpfungskette, Value Chain
Die Verlagerung von Dienstleistungen als „Business Process Outsourcing“ aus dem sekundären in den primären Marktbereich und die damit einhergehende Industrialisierung von Prozessen haben jedoch nicht nur technologische Ursachen. Technologie hat die Verlagerung beschleunigt und in einigen Fällen auch erst ermöglicht, Auslöser war aber die kritische Neubetrachtung und -bewertung der Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfungskette nach M. Porter ist die typische Wertschöpfungskette der herstellenden Industrie und damit des dominanten Sektors der Industriegesellschaft.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Sekundär-Aktivitäten Unternehmensinfrastruktur Personalmanagement Forschung und Entwicklung Beschaffung
Inbound Logistic
Operations
Outbound Logistics
Marketing Sales
Service
Primär-Aktivitäten
Quelle: Michael E. Porter Abbildung 8: Wertschöpfungskette herstellende Industrie Die Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten haben dazu geführt, dass sich in allen „Primärsektoren“ lebhafte Märkte mit jeweils eigenen Angeboten gebildet haben. Die Produkt- und begrenzt auch schon stattfindende Dienstleistungsstandardisierung haben dazu beigetragen, dass sich in schneller Geschwindigkeit Zuliefermärkte in jedem der primären Blöcke gebildet haben, mit eigener Dynamik und mit der Konsequenz, dass die Wertschöpfungstiefe verringert werden konnte und immer noch verringert werden kann. Begonnen hat diese Entwicklung im Bereich der Operations, also der Teileproduktion, und hat sich dann sehr schnell auf den Bereich Logistik, Inbound wie Outbound, erweitert. Als relativ neue Bereiche haben sich in den letzten Jahren Marketing und Sales sowie Service herausgebildet. Dies waren auch die Gebiete, wenn sich die Diskussionen um Kernkompetenzen drehten oder strategische Geschäftsfelder zur Diskussion standen. Hier entstand auch die ursprüngliche Diskussion über Outsourcing, nämlich im Bereich der Zulieferbeziehungen der herstellenden Industrie. Die Gliederungsstufen dieser Industrien sind mittlerweile derart, dass sowohl die ganze Leistung als auch Teilaspekte dieser Leistungen auf dem Markt einkaufbar sind. Ein Effekt davon ist, dass sich Wertschöpfungsnetzwerke bilden, in denen Leistungen entstehen und erbracht werden, die entscheidenden Mehrwert bieten gegenüber anderen Formen der Leistung. Die zweite Entwicklung, die einen wichtigen Impuls gegeben hat, war die von Hammer eingeführte Sichtweise auf Prozessketten. Die Orientierung an den innerhalb dieser Ketten ablaufenden Prozessen, insbesondere an den kundenorientierten Prozessen wie von M. Hammer (1990) mit der Bezeichnung „Business Process Reengineering“ vorgeschlagen, führte zu veränderten Sichtweisen und einer veränderten Gewichtung innerhalb der Wertschöpfungskette. Da Prozesse abschnittsübergreifend ablaufen und durchgeführt werden und damit die in Sequenz angeordneten Blöcke durchbrochen werden, und zwar in den primären Bereichen ebenso wie auch in den sekundären Bereichen, entstand eine neue Perspektive. Einerseits rückte der Kunde in den Mittelpunkt der Betrachtungen, und andererseits wurde erstmalig
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deutlich, wie ineffizient die „Silo“-Strukturen waren. Die Abteilungs- oder Bereichshürden, um einen aus Business-Sicht zusammengehörenden Prozess im Unternehmen auch in kürzester Zeit durchführen zu können, wurden erkannt und zumindest teilweise auch beseitigt. Diese Entwicklungen die im Primärbereich der Wertschöpfungskette begonnen, wirken sich nun auch bei den Sekundär-Aktivitäten aus. Bei einer Vielzahl von Unternehmen hat sich der Fokus für die Bestimmung und Beibehaltung der Wettbewerbsfähigkeit vom operativen und primären Bereich auf den sekundären Bereich verlagert: Qualifiziertes Personal, Innovation, effiziente Finanzierung, effiziente Beschaffung sind in vielen Unternehmen heute die Aspekte, die das Management beschäftigen. Für lange Zeit wurden die Sekundär-Aktivitäten zwar als Kostenblock gesehen, häufig genug als die allseits beliebten Gemeinkosten, die man senken muss. Heute jedoch sind sie nicht mehr nur Gemeinkosten, sie sind zum Teil überlebenswichtig in ihrer Qualität und Ausprägung.
2.2
Service Profit Chain und Neuorientierung
Als Beispiel dafür dient die Service Profit Chain von Heskett, Jones, Lovemann und Schlesinger (1994) beschrieben. Die Bedeutung der Sekundärfunktion HR zur Erzeugung von Werten wird in Abbildung 9 deutlich dargestellt: Der Zielwert Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit wird hier eindeutig an typische HR-Themen gebunden. Wie zuvor angesprochen, haben sich in den einzelnen Blöcken der Primär-Aktivitäten Leistungsanbieter etabliert und es hat sich ein Wettbewerb der Zulieferer gebildet, der eine Verringerung der Wertschöpfungstiefe bei gleichzeitiger Kostenreduktion erlaubte. Die Dekonstruktion (Auflösung der Wertekette in Prozess-Cluster) und der sich daraus ergebende stärkere Einbezug von Sekundär-Aktivitäten in die Wertschöpfungsbetrachtung führt dazu, dass Wettbewerb und die Generierung neuer Angebote nicht mehr nur innerhalb der Blöcke der Primär-Aktivitäten der Wertschöpfungskette stattfinden, sondern dass prozessbezogene Leistungsangebote definiert und verkauft werden, welche auch die Sekundäraktivitäten wesentlich stärker einbeziehen. Logistik und Supply-Chain sind dafür hervorragende Beispiele. Die heute angebotenen Leistungen von Logistikanbietern gehen weit über die Transportleistung hinaus, und der Wettbewerb der Logistikanbieter führt zu stetigen Innovationen in diesem Segment, die entweder zu Kostensenkungen oder zu zusätzlichen Produktmerkmalen führen. Die Nutzung dieser Effekte setzt allerdings voraus, dass in der Beschaffung, bei der Produktentwicklung, im Management des Unternehmens, also den SekundärAktivitäten, genügend Know-how und Skills vorhanden sind, um diese Einzelkomponenten nun wiederum sinnvoll und zielführend zusammenzuführen damit ein Produktangebot im Markt entsteht, das auch noch mit distinkten Merkmalen wahrgenommen wird und nicht selbst nur Commodity ist. Damit werden Komponenten, die bisher als sekundär betrachtet wurden, primäre Komponenten der Wertschöpfung.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Sekundär-Aktivitäten Unternehmensinfrastruktur Personalmanagement Forschung und Entwicklung Beschaffung Inbound Logistic
Outbound Logistics
Operations
Marketing Sales
Service
Primär Aktivitäten
ServiceQualität
Mitarbeiterzufriedenheit
MitarbeiterTreue
MitarbeiterProduktivität
Servicewert für Kunden
Kunden Loyalität
Service Value Chain
Abbildung 9:
Service Profit Chain
Die Darstellung einer Wertschöpfungskette für die Dienstleistungsgesellschaft analog zu Porters Darstellung für die herstellende Industrie gibt es noch nicht, es gibt nur Teilbetrachtungen einzelner Aspekte. Natürlich sind auch die Entwicklungen in diesem Bereich gerade am Anfang, wir befinden uns mitten in der Umbruchphase. Eines lässt sich festhalten: Bei BPO ebenso wie Shared Service Center, d. h. der internen Form des Outsourcings, gibt es eine „Rezentralisierung“. Nur bei entsprechend hohen Volumina und zentralisierter Abwicklung ist BPO sinnvoll einsetzbar. Dass sich auch in der IT in den letzten Jahren wieder der Trend zu zentralen Lösungen mit dezentraler Nutzung durchgesetzt hat (internetbasierte Clients setzen zentrale SW-Lösungen voraus), zeigt sich jetzt wieder im Abrücken von Departmental Computing und dezentralen Lösungen. Der Trend zu Plattformlösungen, die dann konfigurierbar sind für die individuelle Lösung, zeigt sich in Standardsoftware-Entwicklungen genauso wie im Internet.
2.3
Begrifflichkeit bei Business Process Outsourcing
Der frühe Entwicklungsstand in diesem Bereich zeigt sich in der begrifflichen Vielfalt, die sich meistens nicht auf Inhalte bezieht, sondern eher auf die Art und Ausprägung einer Outsource-Aktivität.
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Verwendete Begrifflichkeiten Infrastruktur Outsourcing, Application Outsourcing, Business Process Outsourcing, Captive and non captive Sourcing, Co-sourcing, Value added Outsourcing, Business Process Management, Multi Sourcing, Single Sourcing, Shared Services, Hosting, Offshoring und noch viele andere.
Vieles scheint eher für die Kreativität von Beratern oder Systemanbietern zu sprechen, die ein Alleinstellungsmerkmal nicht in der Leistung, sondern der Begrifflichkeit suchen. Definitionen im eigentlichen Sinne gibt es allerdings mittlerweile auch: In einem World-Bank Policy Research Working Paper vom Januar 2004 heißt es: „We are dealing with a phenomenon that is hard to define and quantify. First of all, there is no easy correspondence between the services that are being traded and existing service sector statistical classification“. Als Definition wird dann in einer Fußnote angeboten: „BPO (Business Process Outsourcing) can be defined as a contractual service to completely manage, deliver, and operate one or more (typically IT-intensive) business processes or functions.” Gartner Dataquest gibt als BPO-Definition: „BPO is the Delegation of one or more ITIntensive business processes to an external provider, who, in turn, owns, administrates and manages the selected process(es), based upon defined and measurable performance metrics.” In ihrem „Report on EU Banking Structure“, Kapitel 4, Outsourcing in the EU Banking Sector, definiert die EZB für diesen Bericht „outsourcing is defined as the supply to a credit institution by another entity of services and facilities that form part of the business processes that are necessary...“ Und fährt dann fort: „A specific feature of outsourcing is that the direct control over these operations is shifted to the external service provider, which can be an intragroup company, an independent third party or a joint venture with an independent third party.” Zu guter Letzt noch eine Definition aus dem deutschsprachigen Raum von René Riedl, (2003): „Nach der Rechtsstellung der Vertragspartner wird in der Fachliteratur zwischen Auslagerung (externes Outsourcing) und Ausgliederung (internes Outsourcing) unterschieden. Auslagerung ist die partielle oder vollständige Übertragung von Unternehmensfunktionen an externe, rechtlich eigenständige Unternehmen. Nach erfolgter Auslagerung ist die direkte Einflussnahme auf die ausgelagerte Unternehmensfunktion nicht mehr möglich.“.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Die Gemeinsamkeiten dieser unterschiedlichen Definitionen führen zu einer brauchbaren Basisdefinition:
Basisdefinition/Merkmale Vertragsverhältnis Messbare Leistungskriterien Definierter Umfang (Aktivität, Prozesse, Funktionen) Kontrollübergang für Durchführung Gestaltung und Qualität Verantwortungsübergang für Management der Durchführung und Optimierung
Outsourcing ist gekennzeichnet durch ein Vertragsverhältnis, das messbare Leistungskriterien bezogen auf Geschäftsprozesse oder Funktionen festschreibt. Mit dem Vertrag gehen die Kontrolle über die Prozesse und ihre Gestaltung sowie die Verantwortung für die Durchführung ebenso wie das Management der Durchführung der vereinbarten Leistung auf den Auftragnehmer über. Allerdings sollte dabei berücksichtigt werden, dass dies den Auftraggeber keinesfalls von seinen gesetzlichen oder aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen befreit: Der Auftraggeber hat dafür Sorge zu tragen und ist auch verantwortlich dafür, dass die Leistungserbringung nachvollziehbar und kontrollierbar im Rahmen der Vorschriften stattfindet, bei Verletzungen dieser Vorschriften haftet der Auftraggeber. Zum Beispiel heißt es in § 25a KWG (Besondere organisatorische Pflichten von Instituten), Abschnitt 2: „(2)1 Die Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen, die für die Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen wesentlich sind, darf weder die Ordnungsmäßigkeit dieser Geschäfte oder Dienstleistungen noch die Steuerungs- oder Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung, noch die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt beeinträchtigen.2 Das Institut hat sich insbesondere die erforderlichen Weisungsbefugnisse vertraglich zu sichern und die ausgelagerten Bereiche in seine internen Kontrollverfahren einzubeziehen.3 Das Institut hat die Absicht der Auslagerung sowie ihren Vollzug der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzuzeigen.“ Daraus ergibt sich, dass der Antwort auf die Frage der Governance von Business Process Outsourcing ein hoher Stellenwert zukommt, neben der wirtschaftlich gegebenen Bedeutung.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
2.4
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Ausprägungen von Business Process Outsourcing
Im Rahmen der oben gegebenen Definition ergibt sich nun ein weites Spielfeld der Ausprägungen von Business Process Outsourcing, das sich im Wesentlichen in drei Dimensionen einfangen lässt: 1. Umfang: Funktion, Prozessgruppe, Einzelprozess, Aktivität 2. Gesellschaftsrechtliche Struktur: Service-Center, Unternehmensbereich, Tochtergesellschaft, Joint Venture, Externer Service-Anbieter 3. Geografie: im Heimatland, nearshore, offshore Der Inhalt des Leistungsvertrages, d. h. ob es um Auftragsbearbeitung, Auskunftsdienste, Loyalty-Programme oder anderes geht, steht hier zunächst nicht zur Diskussion. Wichtig an dieser Stelle sind die Auswirkungen der Kombination dieser drei Ausprägungen. Die Auswirkungen zeigen sich im Wesentlichen in der Komplexität der Vertragsgestaltung und der sich daraus ableitenden Governance-Erfordernis. Die Auslagerung einer Funktion (maximaler Umfang) an einen externen Leistungsanbieter (Kontrolle nur durch vertragliche Vereinbarungen gegeben) in einem anderen Kontinent (offshore) bedeutet natürlich eine hohe Komplexität der Governance und erfordert substanzielle Managementressourcen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Auslagerung von Prozessen (mittlerer Umfang) an eine Tochtergesellschaft im Konzern (Kontrolle über gesellschaftsrechtliche und vertragliche Möglichkeiten), angesiedelt im Heimatland, ist eine eher operative Kontroll- und Aufsichtsaufgabe. Als Beispiel sind in Abbildung 10 zwei Möglichkeiten angezeigt. Entscheidend ist im Einzelfall, die konkreten Anforderungen zu untersuchen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Da es kaum möglich sein wird, sämtliche denkbaren und möglicherweise auftretenden Situationen in einem externen Verhältnis vertraglich vollständig zu beschreiben und zu regeln, ist der laufende und permanente Governance-Prozess das eigentliche Steuerungsinstrument. Alle sind sich darin einig, dass es nicht um zeitlich begrenzte Projektaktivitäten geht, also den Zukauf von Ressourcen oder die Vergabe eines Projektauftrages an ein externes Unternehmen, sondern um die dauerhafte Abwicklung von „normalen“ Geschäftsprozessen oder die Verantwortungsübernahme für Unternehmensfunktionen. Es besteht ein Unterschied zwischen dem „Einkauf“ von 20 oder 50 Programmierern um ein Projekt zu unterstützen, und z. B. der Auslagerung der IT-Abteilung. Deshalb ist die Steuerungsfrage von besonderer Bedeutung: Es geht nicht um eine Projektsteuerungsaufgabe, sondern um das Management von Prozessen und Funktionen als laufende Tätigkeit. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ein Lenkungsausschuss nicht das geeignete Instrument für Governance ist. Ein Lenkungsausschuss ist erforderlich im Rahmen der Projektarbeit, er ist aber nicht ausreichend für die sich daran anschließende Betriebsphase.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
GovernanceAnforderung
Externer Dienstleister
Offshore
Prozess
Tochtergesellschaft
Nearshore
Aktivität
Shared Services Center
Heimatland
Funktion
hoch
mittel
niedrig
Abbildung 10: Auswirkungen der Ausprägung auf Governance Welche Ausprägung konkret zum Tragen kommt, ist oft von zwei sehr groben Kriterien abhängig: Eines der Kriterien ist die Frage nach der höchsten Einsparung, das andere ist die Frage nach Kernkompetenzen. Dabei zeigt sich immer wieder, dass der reine Kostensenkungsaspekt zu kurz gegriffen ist und zu falschen Erwartungshaltungen führt, die dann auch zu Enttäuschungen führen. 20, 30 oder 40 % Einsparungen zu erreichen ist in der Tat zu schön um wahr zu sein, die Realität aus unterschiedlichen Untersuchungen weist eher auf 15 bis 20 % als realistisch hin. Falscheinschätzungen in der Durchführung sollten allerdings nicht dazu führen, dass das ganze Instrument als untauglich oder irreführend klassifiziert wird: Auch wenn fast 30 % der Outsourcingerfahrungen negativ sind, heißt es umgekehrt, dass in mindestens 70 % aller Fälle die Erwartungen erfüllt oder übertroffen wurden. Die bisher prävalente Betrachtung, dass Outsourcing sich auf Prozesse und Aufgaben beziehen sollte, die als nicht strategisch oder nicht zum Kerngeschäft gehörend einzuordnen sind, ist ebenfalls ein irreführender Mythos, wie im folgenden Kapitel dargelegt wird. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass auch das Kerngeschäft eines Unternehmens kein stabiles und permanentes Gerüst ist. In der FAZ vom 5. Februar 2006 wird darauf hingewiesen, „70 % der Unternehmen in Europa, Nordamerika und Asien erkennen die Notwendigkeit, ihre Kerngeschäftsfelder zu justieren, um in den kommenden Jahren profitabel wachsen zu können. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company unter 258 Topmanagern in den wichtigsten Wirtschaftsregionen weltweit…“.
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31
Dies zeigt, dass ein Abstützen auf Kerngeschäftsfelder nur eine begrenzte Lebensdauer haben kann, betrachtet man die Laufzeit von Outsourcingverträgen (typischerweise nach Vorlaufzeit ca. 3 bis 5 Jahre).
3.
Arten und Abgrenzung von Business Process Outsourcing
3.1
Einleitung
Die Abgrenzung und Definition dessen, was eigentlich mit Business Process Outsourcing gemeint ist, ist oft unscharf, manchmal auch bewusst unscharf. Daher sind Untersuchungen oder Erhebungen häufig nicht oder nur begrenzt vergleichbar. Dadurch ausgelöste Effekte betreffen beispielsweise die Tatsache, dass es Marktzahlen gibt, die bis zum Faktor 5 oder manchmal sogar um eine Zehnerpotenz voneinander abweichen und emotionale Diskussionen geführt werden, in denen man alle Phänomene zusammenfasst, alt oder neu, um damit die jeweils eigene These zu untermauern. Service Outsourcing oder Business Process Outsourcing hat sich zunächst angelehnt an Outsourcing oder Zulieferbeziehungen, wie sie in der herstellenden Industrie gang und gäbe sind. Diese Anlehnung hatte mindestens zwei sehr negative Effekte: Da man es ja scheinbar mit einem vertrauten Phänomen zu tun hatte, wurden viele der Erfahrungen aus dem Industriebereich übertragen, die aber eigentlich nicht übertragbar waren. BPO wurde zunächst als eine reine Kostensenkungsmaßnahme betrachtet und man verhielt sich so, als ob es hier eine einfach zu definierende Aufgabe gibt, die durch Kostensenkung, im Wesentlichen niedrigere Personalkosten, zu schnell realisierbaren Einsparungen führen könnte. Von daher war es eine Beschaffungsaufgabe, ähnlich wie eben der Teileeinkauf in der Produktion. Also wurden in einer ersten Welle große Bereiche nach außen vergeben, mit der Begründung, dass es nicht zum Kerngeschäft gehört. So wie ein Autohersteller zu Recht davon ausgeht, dass die Herstellung von Schrauben nicht zu seinem Kerngeschäft gehört und man diese sicherlich besser einkaufen kann, wurde dieser Ansatz unreflektiert übertragen. Allerdings: Business Prozesse sind keine Schrauben. Die Schwierigkeit der Leistungs- und Qualitätsdefinition bei Prozessen im Gegensatz zu Dingen wurde massiv unterschätzt.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Der zweite negative Effekt war das Abrutschen in eine emotionale Arbeitsplatzverlagerungsdiskussion durch Outsourcing, bei der weder durch Dimension noch durch Qualität ein Unterschied zwischen herstellender Industrie, also der Verlagerung von Produktion, und der Verlagerung oder Reorganisation von Dienstleistungen oder Prozessen gemacht wurde. Damit wurde die eigentlich dringende Diskussion über Strukturwandel in der Organisation bis heute nicht richtig geführt, da jede ernsthafte Diskussion sofort mit „Totschlagargumenten“ beendet wurde. Die erforderlichen Anpassungen in Organisations- und Managementstil fanden und finden meistens höchstens an der Oberfläche statt, nicht aber in den konkreten Macht- und Ablaufstrukturen. Ein Survey des „Economist“ vom Januar 2006 zeigt das Problem deutlich auf: „And yet despite the dramatic changes in the way people work, the organisations in which they carry out that work have changed much less than might be expected. In an article in the McKinsey Quarterly last year, Lowell Bryan and Claudia Joyce, two of the firm's consultants, argued that ‘today's big companies do very little to enhance the productivity of their professionals. In fact, their vertically oriented organisational structures, retrofitted with ad hoc and matrix overlays, nearly always make professional work more complex and inefficient.’ In other words, 21st-century organisations are not fit for 21st-century workers.” Die Suche nach den angemessenen Organisationsformen wird auch noch einige Zeit weitergehen, da die Veränderungsgeschwindigkeiten sehr hoch sind. Die neuen Herausforderungen zeichnen sich zwar ab, die Lösungen allerdings noch nicht. Der Einkauf von Dienstleistungen bei Unternehmen, die eine grundsätzlich andere Zielsetzung haben als das outsourcende Unternehmen, die Synchronisation der Veränderungen in der eigenen Organisation mit Prozessveränderungen, die der externe Dienstleister vornimmt, Flexibilität zu erhalten, während man vertragliche Leistungen festschreiben muss, sind nur einige der Herausforderungen, die entstehen. Die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) hat in ihrem WorldInvestment Report 2004 im Wesentlichen vier Gruppen oder Arten von Outsourcing identifiziert: Call-Center Shared Service Center IT-Services Regional HQ Dies bezieht sich auf die Frage der Export-orientierten Direktinvestitionen außerhalb des Heimatmarktes. Interessant ist in diesem Zusammenhang sowohl die Frage der Verteilung nach Branchen als auch die Verteilung nach Geografie, weil sich dabei doch eine etwas differenziertere Sichtweise ergibt, dazu mehr in Abschnitt 4.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
3.2
33
IT-Outsourcing versus Business Process Outsourcing
Zunächst erscheint es grundsätzlich sinnvoll, zwischen IT-Outsourcing und Business Process Outsourcing zu unterscheiden. Eigentlich könnte man IT-Sourcing auf ähnliche Weise betrachten, wie man das Outsourcing von Reinigungsdiensten oder der Kantine betrachtet: Eine Funktion, die eigentlich nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens gehört, wird ausgelagert. Meistens dann auch noch in zwei Stufen: Es wird der Betrieb der Infrastruktur ausgelagert und es wird dann möglicherweise auch Erstellung und Pflege von Applikationen ausgelagert. Wenn wir nun versuchen, eine Einordnung in die zuvor definierten Kategorien vorzunehmen, zeigt sich, dass die Auslagerung des Infrastrukturbetriebs, also der Netzwerke, Rechner und Endgeräte, in der Kategorie 1 der Dienstleistungen zu suchen ist, d. h., es geht um Dienstleistungen bezogen auf materielle Produkte, wohingegen die Auslagerung von Erstellung und Betrieb von Anwendungen eher im Bereich der Kategorie 2 angesiedelt ist. Der Vergleich mit Kantine und Reinigung ist deshalb problematisch, weil die Leistungen der IT und die Inanspruchnahme der IT-Leistungen durchaus mit den Kernfunktionen des Unternehmens verbunden sind. Auch wenn angeblich die IT aus der Steckdose kommt und nur Commodity ist, ist ihre Leistungsfähigkeit oftmals kritischer Erfolgsfaktor. Und im Allgemeinen zahlt es sich nicht aus, einen kritischen Erfolgsfaktor als Commodity zu behandeln, das kann ins Auge gehen. Ein wesentliches Merkmal von Commodity ist die einfache Ersetzbarkeit und Austauschbarkeit der Lieferanten. Wer immer in der IT den Versuch gemacht hat, einen „einfachen“ Austausch vorzunehmen, hat dabei festgestellt, dass der Austausch zwar möglich ist, aber nicht gerade einfach. Die Begeisterung, mit der die Definition IT als Commodity zu betrachten, begrüßt wurde, hatte wohl mehr mit der fast verzweifelnden Erkenntnis zu tun, dass man seine eigene IT und ihre Kosten nicht unter Kontrolle hatte als mit rationaler Einschätzung. Es gab endlich einen Grund, sich nicht mehr mit der IT zu beschäftigen, sie soll doch einfach nur funktionieren, sonst kaufen wir die Leistung eben bei einem anderen Anbieter ein. „Unser Chaos, aber billiger“, ist nicht unbedingt ein strategisches Ziel, es ist aber das, was zum Teil eingetreten ist. Ohne Beherrschung der Prozesse eine Auslagerung vorzunehmen ist nun einmal gefährlich. Die Industrialisierbarkeit der Prozesse, die mit IT verbunden sind, und das gleichzeitig in beiden Dimensionen, sowohl in der Betriebsstruktur als auch in der Anwendungsentwicklung, wurden vielfach nicht beherrscht. Als eine Konsequenz wurden auch etliche der zunächst groß angekündigten Mega-Deals wieder zurückgerollt. Grund dafür war nicht die Unfähigkeit der involvierten Parteien, sondern die allmählich gewachsene Einsicht, dass Outsourcing eben nicht nur eine einfache Kostenverlagerung ist, sondern weitaus komplexer und sehr viel mehr an Managementanforderungen beinhaltet als die „einfache“ Definition von Service Level Agreements. Dass man die IT auslagert, ändert nichts an der Tatsache, dass sie ein kritischer Erfolgsfaktor ist, und IT der Enabler ist, um Business Prozesse auszulagern oder zu verändern.
34
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Am Outsourcing von IT lässt sich auch ziemlich gut die Grundentwicklung des BPO-Marktes zeigen: IT-Outsourcing startete als Bewältigung eines Kapazitätsproblems, als nämlich die Furcht vor der Jahrtausendwende dazu führte, dass plötzlich in kurzer Zeit eine enorme Anzahl von Programmen geprüft und angepasst werden musste. Dieses Kapazitätsproblem wurde insbesondere in den USA dadurch gelöst, dass Indien als IT-Personalressource „entdeckt“ wurde und viele der einfachen Tätigkeiten nach Indien vergeben wurden, als klassische Auftragsarbeit. Jeder vernünftige Auftragnehmer sucht selbstverständlich nach Möglichkeiten, seine Geschäfte auszubauen, also begannen die indischen Anbieter, weitere IT-Dienstleistungen wie Programmpflege etc. anzubieten. Die Mischung aus Engpass an Personal im Heimatland, niedrigen Kosten, scheinbar unbegrenzten Ressourcen und hoher Qualifikation führte dann zu den stürmischen Entwicklungen im IT-Outsourcing. Es gab davor, Anfang der neunziger Jahre, erste Verlagerungen, überwiegend im Bereich Captive Outsourcing, d. h. der Verlagerung von Unternehmensaufgaben an Tochtergesellschaften z. B. in Indien, erste CallCenter und Billing-Anwendungen. Die schnellsten Entwicklungen fanden dann allerdings im IT-Bereich statt, aus Kapazitäts- wie auch aus Kostensenkungsgründen. Die großen Anbieter von IT-Outsourcing-Dienstleistungen haben dann versucht, mehr und mehr auch andere Dienste anzubieten, das heißt verstärkt Prozess-Dienstleistungen, die personalintensiv waren, zu übernehmen. Die Logik erschien zunächst einfach: „Da wir sowieso ihre Systeme betreiben, warum sollten wir dann nicht auch kostengünstig ihre Prozesse abwickeln?“. In dem Fall hätte man natürlich mit dieser Logik auch die Prozessabwicklung an die IT im eigenen Unternehmen geben können, eine Vorstellung die wahrscheinlich einigen Fachabteilungen noch im Nachhinein den kalten Angstschweiß auf die Stirn treibt. Da sich sehr viele der Marktentwicklungen in Indien abspielten, wurde einige Zeit der Begriff BPO mit Offshoring gleichgesetzt, was, wie zuvor beschrieben, falsch ist. Das Outsourcing der IT fand und findet heute immer noch oft als Ausgründung der IT-Abteilung in eine eigene Gesellschaft, im Sinne von „Captive outsourcing“, statt. Diese Ausgründung ist ihrerseits häufig mit Offshoring verbunden, d. h. der Verlagerung der ITLeistungen oder wesentlicher Teile der IT-Leistungen in andere Länder. DHL ist mit seiner IT-Zentrale in Prag ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen. Ein großer Teil des Marktes der heute unter Business Process Outsourcing gezählt wird, ist IT-Outsourcing. Andererseits: Die Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen ist ohne Information- und Kommunikationstechnik nicht denkbar, allerdings ist diese „Industrialisierung“ kaum auf IT-Prozesse anwendbar. IT-Outsourcing hat natürlich viele Elemente des Business Process Outsourcings. Auf Grund dieser Zwitterstellung der IT wird im Folgenden die oben vorgeschlagene Trennung zwischen IT-Outsourcing und Business Process Outsourcing im weiteren Verlauf beibehalten.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
4.
Entwicklungstendenzen
4.1
Einleitung
35
Der heutige Stand bei Business-Process-Outsourcing-Aktivitäten zeigt, dass die Unternehmen, die diese Möglichkeit nutzen, dies hinsichtlich mehrerer Funktionen innerhalb des Unternehmens tun. Eine Untersuchung von CAPS Research gemeinsam mit A.T. Kearney aus dem Jahre 2005 (Outsourcing Strategically for Sustainable Competitive Advantage) weist aus, dass ca. die Hälfte der Unternehmen Aktivitäten in 8 bis 14 Funktionsbereichen ausgelagert haben (Einkauf, Produktion, Fulfilment, Distribution, Customer Call-Center, Marketing, Sales, Personal, Engineering, Produktentwicklung, IT, Finanz- und Rechnungswesen etc.), dass aber innerhalb der Funktionen im Durchschnitt nur etwas über 15 % der Aktivitäten davon betroffen sind, wobei IT dabei an der Spitze steht. Auf einen gerne nicht beachteten Nebeneffekt sei an dieser Stelle bereits hingewiesen: Da Verantwortung in solchen Situationen nicht mehr hierarchisch definiert ist, sondern über Ergebnisse oder Leistungen des Auftragnehmers entsteht die Situation, dass der verantwortliche Manager beim Auftraggeber unter Umständen mit Service Level Überwachung überfrachtet wird, und etwa 15 oder 20 Service Level Reports unterschiedlichster Art aus unterschiedlichen Verträgen betrachten und auswerten muss um den Gesamteffekt verstehen zu können bzw. die Abhängigkeiten beurteilen zu können. Die Proliferation von Service Level Reporting, insbesondere von schlecht oder falsch definiertem (z. B. Überwachung eher technischer Werte, weil messbar und objektiv), kann erheblichen Aufwand bedeuten. Die Entwicklungen sind da, und sie greifen um sich. Es wird auch von allen Teilnehmern, in allen Studien immer wieder betont, dass die klare Absicht besteht, BPO intensiver zu nutzen. Die heutige Einsatzstruktur ist aber durchaus noch von einer gesunden Vorsicht geprägt. Es gab bisher nur zwei Gebiete, die sich relativ schnell und intensiv entwickelt haben: ITOutsourcing und Call-Center-Funktionen, ergänzt um die Marktstrukturentwicklungen insbesondere im Bankenbereich. In allen anderen Funktionsbereichen stehen die Entwicklungen noch bevor. Auf Grund der im vorigen Abschnitt skizzierten Entwicklungen kann man jedoch davon ausgehen, dass sich Angebote wie auch Nachfrage hier noch intensiv weiterentwickeln werden. Die Geschwindigkeit der Nutzung wird abhängen von der organisatorischen Lernkurve in Unternehmen, die Ratio ist durchaus klar. Abbildung 11 zeigt sehr deutlich die bisherigen Schwerpunkte im internationalen Umfeld auf:
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Call Center
Business Services Chemie Elektronik Energie Finanzdienstleistungen Nahrungs- und Genussmittel Tourismus, Hotels Internet IT und Software Pharma Leichtindustrie Maschinenbau Metall/Bergbau Telekom Ausrüstung Telekom Services Transportmittel Sonstige
Shared Services IT Services
116 3 42 14 30
24 1 6 5 40
3 3 12 154 7 2 18 5 20 30 30 24
4 2 1 33 3 2 1 1 3 6 6
1 4 2
618
4 3
Regionale HQ Gesamt 17 15 57 15 32
157 20 109 34 104
20 19 8 132 51 20 28 10 15 25 55 47
27 24 21 937 61 24 47 16 42 58 91 77
Quelle: World Investment Report 2004, UNCTAD 2005 Abbildung 11: Branchenverteilung der BPO-Projekte mit Direktinvestitionen 2002-2003 Laut einer Studie des IT-Governance Institutes (ITGI, Governance of Outsourcing, 2005) zeigt sich, dass wir uns in der dritten Welle des Outsourcings befinden. In der ersten Welle wurden relative große Teile oder Funktionen nach außen vergeben oder ausgelagert, mit der Begründung, dass Unternehmen sich auf ihre Marke, ihr eigentliches Produkt konzentrieren wollten und sollten. In der zweiten Welle wurden kleinere Bereiche, eher Prozessgruppen, nach außen vergeben mit bereits höheren Anforderungen an Kontrolle und Individualisierung der Leistungen. Verbunden war dies mit der Einstellung, dass Outsourcing nur in einem partnerschaftlichen Verhältnis funktioniert und nicht eine reine Einkaufsbeziehung sein kann. Die derzeitige dritte Welle zeichnet sich dadurch aus, dass präzise definierte Teilaufgaben und Teilbereiche nach außen vergeben werden, mit integrierten Kontrollmechanismen, Risikoteilung mit dem Anbieter und Berücksichtigung von Konformitätsmechanismen, um den aufsichtsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Laut IT-Governance Institute ist zu erwarten, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzen wird.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
4.2
37
Handlungsoptionen
Damit haben wir in den vorangegangenen Abschnitten drei Entwicklungen aufgezeigt, die gleichzeitig und ineinander verwoben ablaufen.
DienstLeistungsMarkt
ProzessIndustrialisierung
Unternehmens Organisation
Wertschöpfungskette Veränderungen
Optionen
Abbildung 12: Makroeinflüsse auf Unternehmen Alle drei Entwicklungstendenzen werden natürlich auch ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Das hat damit zu tun, dass sich Unternehmensorganisationen an diese Entwicklungen anpassen müssen und darauf reagieren müssen, mit den dann folgenden Änderungen in Arbeitsorganisation und Aufgaben, die in der Organisation neu entstehen bzw. entfallen. Verfolgen wir die Entwicklungen im amerikanischen Arbeitsmarkt, dann zeigt sich ein schnelles Wachstum im unteren Dienstleistungssegment, verbunden mit starken Einkommensdifferenzierungen.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Tendenziell bilden sich drei Ebenen im Arbeitsmarkt heraus: Wissen anwendend, d. h., einmal erlerntes Wissen wird in der täglichen Arbeit angewendet, wie typischerweise in den niedrig bezahlten Dienstleistungsjobs überwiegend der Kategorie 1, personenbezogenen Leistungen. Wissen nutzende Aufgaben, d. h., das von anderen erarbeitete Wissen wird im Rahmen von definierten Prozessen zusammengeführt und genutzt, wie z. B. in Call-Centern, zum Teil in Vertriebs- und Serviceprozessen, bei einigen Analyseaufgaben. Das Wissen liegt nur begrenzt bei den Mitarbeitern, häufig in Datenbanken und Content-Management-Systemen. Wissensschaffende Kategorie, d. h. intellektuelle Dienstleistungen, die nicht oder noch nicht substituierbar sind, wobei es einerseits wissensbasierte/kreative Aufgaben sind (Forschung und Entwicklung, Unterhaltungsindustrie sind Beispiele dafür) oder wissens- und erfahrungsbasierte Dienstleistungen (Management, Teile des Consultings etc.). Mit welcher Geschwindigkeit sich die Entwicklungen abspielen werden ist nach wie vor offen, immerhin gibt es bei Gewerkschaften bereits eine intensive Beschäftigung mit der Thematik und Überlegungen hinsichtlich dieser Auswirkungen, die sich in etlichen Tagungen und Präsentationen der Gewerkschaften niederschlägt. Wie reagieren Unternehmen auf diese Herausforderungen? Welche Optionen bestehen, um damit umzugehen? Es gibt natürlich immer die Option, nichts zu tun und abzuwarten. Entweder man klassifiziert die Entwicklungen als „Hype“, und auf Grund der jeweils für 3 Jahre modernen Managementansätze der letzten 20 Jahre ist dies auch durchaus verständlich. Es kann auch je nach Unternehmenssituation vernünftig sein abzuwarten, bis sich Entwicklungen stabilisiert haben und entsprechend zuverlässige Marktangebote verfügbar sind. Solange das Abwarten und „Nichtstun“ nicht als Augen schließen praktiziert wird, kann es eine durchaus sinnvolle Option sein. Die Entwicklung sowohl von neuen Dienstleistungsangeboten als auch Methoden und Verfahren, um sie einzusetzen, aber auch von alternativen Möglichkeiten wie ASP und anderem sind so rasant, dass für etliche Unternehmen die sinnvolle Strategie sicherlich im abwarten besteht, bis sich stabile Marktstrukturen entwickelt haben. Eine andere Option, die gerne genutzt wurde und immer noch großes Wachstum aufweist, ist die Verlagerung von Unternehmensfunktionen in Niedriglohnländer, um scheinbar schnelle Kostensenkungserfolge erreichen zu können. Dies geschieht über Business Process Outsourcing im Offshoring-Verfahren, entweder durch Gründung einer Tochtergesellschaft, durch Joint Ventures oder die vollständige Vergabe an Dritte. Dies ist eine relativ simple Form der Kostensenkung: Prozesse oder Funktionen, wissensgebundene Aufgaben, werden nach außen verlagert, soweit die technische Infrastruktur dies zulässt. Dabei steht nicht die Prozessgestaltung oder Optimierung im Vordergrund, sondern einfach die Tatsache, dass die gleiche Tätigkeit zu niedrigeren Kosten durchgeführt werden kann. So richtig bekannt geworden ist diese Entwicklung zunächst in der IT durch die Verlagerung von IT-Entwicklungsarbeiten nach Indien. Gefolgt wurde diese durch Call-Center-Verlagerungen, und heute wird eine Vielzahl von Funktionen im Offshoring erledigt. Man kann sich hier darüber streiten, ob das
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nun Business Process Outsourcing ist oder eher Auftragsarbeit, tendenziell ist es allerdings eher im BPO-Offshoring zu sehen. Wenn Research-Aufgaben oder kreativ/Produktionsaufgaben (Zeichentrickfilme und Ähnliches) mit verbindlichen Verträgen abgewickelt werden, als laufende Tätigkeit, deren definierte Ergebnisse in der Unternehmensorganisation in die normalen Prozesse eingefügt werden, dann handelt es sich um die Verlagerung ganzer Funktionen. Alles das, was sich als Commodity bezeichnen lässt, wie z. B. der Betrieb von ITInfrastruktur oder Ähnliches, wurde ausgegliedert und entweder in eigene Tochtergesellschaften verlegt oder außerhalb der Unternehmen an Dienstleister vergeben. Unternehmen in angelsächsischen Ländern haben hier natürlich einen riesigen Vorteil: Länder, in denen man englischsprachige Aufgaben durchführen kann, gibt es einige, für die deutschsprachigen trifft dies nicht zu. Diese frühe Phase des Outsourcings war dadurch gekennzeichnet, dass häufig ganze Funktionen verlagert wurden und nicht nur Prozesse. Die Hauptschwierigkeiten in diesem Falle waren die vertraglichen Bindungen sowie die Leistungsvereinbarungen, die bei Funktionen natürlich wesentlich schwieriger sind als bei Prozessen oder Prozessteilen. Neben der IT wurden hier auch in größerem Umfang Call-Center-Dienstleistungen (Front-end) verlagert. In einigen Bereichen setzte dann die Ernüchterung ein, als sich zeigte, dass die erwarteten oder geplanten Einsparungen von 40 % oder ähnlich fantastischen Zahlen dann doch nicht so realistisch waren. Eine dritte Reaktion ist die Rationalisierung von Prozessen, die Erkenntnis, dass viele Prozesse höchst ineffizient ablaufen. Prozesse in einem Unternehmen sind im Allgemeinen historisch gewachsen und eingebettet in Organisationsstrukturen. Und da Prozesse oft von Menschen durchgeführt werden oder von Menschen getrieben werden, ist ihre Änderung nicht immer so einfach, wie sich die Powerpoint-Folien lesen. Es gibt seit etlichen Jahren, sogar Jahrzehnten, Bestrebungen und Ansätze zur Rationalisierung von Prozessen und Prozessabläufen, die letzte Welle dazu war das Business Process Reengineering. Im Vordergrund steht dabei meistens die Beschleunigung und Vereinfachung von Prozessen. Fast immer wird dazu eine End-to-End Betrachtung angestellt, und in vielen Fällen wird dies mittlerweile auch kundenbezogen durchgeführt. Der Prozess, der vom Kunden angestoßen wurde, sei es eine Bestellung oder eine Nachfrage, wird als Kundenprozess bis zur Erledigung nachvollzogen und bei Bedarf umgestaltet. Ein Prozess enthält allerdings viele einzelne Aktivitäten, und heute stellt sich neben der Ablaufoptimierung der Prozesse auch die Frage, ob sich nicht einige Aktivitäten schneller, besser, anders gestalten lassen, d. h., neben der vertikalen und am Zeitstrahl orientierten Optimierung stellt sich die Frage der Herauslösung einzelner Aktivitäten und deren Optimierung. Erfassungs-, Speicherungs-, und Prüfaktivitäten sind typisch dafür.
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Prozess Anstoss
Abbildung 13: Prozess-Stationen
Externer Dienstleister
Abbildung 14: Optimierte Prozess-Stationen Bei der „normalen“ Prozessgestaltung wird man alles, was zusätzliche Schnittstellen schafft, vermeiden, und jede Organisationseinheit versucht, eine möglichst vollständige Kontrolle über den Prozess zu erlangen, daher die zum Teil heftigen Abgrenzungskämpfe, die zwischen Schreibtischen ausgefochten werden. Diese angestrebte vollständige Kontrolle über den Prozess ist jedoch nicht immer die wirtschaftlichste Lösung, im Gegenteil. Wir werden uns daran gewöhnen müssen und lernen müssen, dass Schnittstellen nicht per se schwierig sind und dass Schnittstellenmanagement vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft sein wird. Entscheidend ist auch die Einsicht, dass diese Art des BPO nicht ein „fire and forget“ ist, im Gegenteil: Unternehmensaufgaben/-funktionen, die von z. T. hoher Bedeutung für das Unternehmen sind, müssen als Bestandteil des Gesamtprozesses gemanaged werden, obwohl sie
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nicht im Hause wahrgenommen werden d. h. dass anstelle einer disziplinarischen Führung zur Prozesserledigung, Kontrolle und Überwachung eine Mischung aus fachlicher Führung und juristischer Kontrolle tritt. Ein Grund für das Nichterreichen von gesteckten Zielen bei Oursourcingprojekten (immerhin zwischen 20 und 30 %) ist auch darin zu suchen, dass die Managementaufgaben unterschätzt werden. Der Abschluss von Service-Level-Vereinbarungen mit Sanktionen, ersetzt nicht das Management der Aufgaben und die sorgfältige Einbindung der ausgelagerten Funktionen und Prozesse in die innerbetrieblichen Abläufe. Es handelt sich eben nicht um den Einkauf eines Gutes oder einer Leistung, die dann konsumiert wird, es handelt es sich um das Abgeben einer laufenden Aufgabe, die immer noch Bestandteil der Unternehmensaufgabe ist. Der Prozess endet allerdings nicht an den Schnittstellen, die Art der Prozessgestaltung führt auch dazu, dass es einen Parallellisierungsprozess innerhalb der Prozesse gibt. Das sequentielle Denken bei Prozessen, das vielfach eine Konsequenz der realen Situation war, hat in vielen Fällen ausgedient. Kundenanfragen zu unterschiedlichen Themenbereichen (Status der Bestellung oder Lieferung, Kontenstand, Buchung etc.) mussten bisher nacheinander abgearbeitet werden. Ein Call-Center-Agent, der mit einem guten CRM-System arbeitet, sollte heute in der Lage sein, alle diese Fragen gleichzeitig zu beantworten, er sollte sowohl den Zustand der Lieferung als auch den Zahlungseingang sehen können, um nur ein Beispiel zu nennen. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess der Industrialisierung in den Call-Centern, die im Rahmen der Customer-Relationship-Management-Welle entstanden. Alles das, was heute in einem Call-Center abläuft, war vor wenigen Jahren noch auf eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationseinheiten in einem Unternehmen verteilt und wurde je nach Abteilung mit unterschiedlichen Prozessanweisungen wahrgenommen. Die Konzentration dieser Tätigkeiten und die sich daran anschließende Optimierung und Messung der Prozesse nach Anzahl, Qualität, Bearbeitungszeit, Erfolg und Kundenzufriedenheit war die erste Industrialisierung von Prozessen, oder etwas provozierend ausgedrückt der erste Aufbau von Prozessfabriken. „Prozessfabriken“ deshalb, weil in einigen Fällen die Bezahlung der Call-Center-Mitarbeiter, wie in der Produktion, auf „Stückzahlen“ bezogen wurde.
5.
Organisations- und Managementfragen bei BPO
Es ist verlockend, die Erfahrungen, die sich aus dem Supply Chain Management ergeben haben auf das Thema Business Process Outsourcing anzuwenden und über ein Service Chain Management zu reden. Es ist verlockend, aber leider irreführend. Die Dimensionen und der mögliche Umfang des Business Process Outsourcings reichen, wie zuvor dargestellt, von
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
einzelnen Aktivitäten in unterschiedlichen Funktionsbereichen über Prozessketten bis hin zu ganzen Funktionen aus dem sekundären wie aus dem primären Wertschöpfungsbereich. Eine „Service Chain“ vergleichbar zur Value Chain von Porter hätte einen solchen Abstraktionsgrad, dass die damit verbundene Beliebigkeit das Konzept unbrauchbar für den realen Einsatz macht. Es gibt, wie oben bereits angeführt, in spezifischen Prozessbereichen Werteketten oder Wertekettenanalysen, eine allgemeine Theorie dazu gibt es jedoch bisher nicht. Ebenso ist absehbar, dass die Anpassung der Organisationsstrukturen und Methoden einige Zeit auf sich warten lassen wird. Bedenken wir: Die industrielle Revolution begann im späten 18. Jahrhundert. Die „wissenschaftliche“ Darstellung und Definition der Arbeitsorganisation fand 1880 im Taylorismus statt, und die erste konsequente Anwendung davon wurde bei Ford 1913 durch die Fließbandarbeit realisiert und hat bis in die siebziger Jahre unsere Welt bestimmt. Die jetzt stattfindende Revolution in der Arbeitsorganisation, die Tatsache, dass es möglich und machbar ist, Wissen und Mitarbeiter zu trennen und damit Wissen speicherbar und handelbar zu machen, wird die Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen stellen. Business Process Outsourcing ist nur eine Ausprägung dieser sich ändernden Rahmenbedingungen. Den „Taylor“ der Dienstleistungsgesellschaft gibt es bisher noch nicht. Allerdings gibt es bereits heute Aspekte aus dem allgemeinen Management und Organisationsbereich, die grundsätzlich relevant werden können, wie im Folgenden dargelegt wird. Wenn wir uns die bisherigen Überlegungen und Betrachtungen zu Business Process Outsourcing anschauen, fehlen eigentlich noch zwei wesentliche Aspekte, die immer eine Rolle spielen: Der eine Aspekt ist die organisatorische Handhabung des BPO, der andere betrifft die Rolle der IT im Rahmen von BPO. Es ist fast gleichgültig, in welcher konkreten Organisationsstruktur die BPO-Entscheidung getroffen wird, und warum sie eigentlich getroffen wird, BPO hat grundsätzlich eine weitgehende Auswirkung auf Organisationsthemen. Eine kurze Darstellung, aus welchen Gründen BPO-Projekte/-Realisierungen Not leidend wurden, ist dabei sehr hilfreich. Die bei BPO auftretenden Probleme sind: Komplexe Management- und Governance-Fragen Schwieriges Change Management Qualitätsprobleme Fehlende Transparenz Know-how-Verlust Nicht eingetretene Einsparungen, verdeckte Kosten Mangelnde Flexibilität
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Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Enttäuschungen oder Problembereiche überwiegend im Soft-Skill Bereich zu suchen sind, und nur relativ wenig mit den quantitativen Aspekten zu tun haben. Allerdings ist hier auch der Hinweis angebracht, dass der größte Teil der Unternehmen, die BPO einsetzen bzw. nutzen, mit den Ergebnissen zufrieden oder sehr zufrieden sind. Während 20 bis 30 % Probleme sehen bzw. Probleme haben, sind in 15 bis 20 % aller Fälle die Erwartungen übererfüllt, in den anderen Fällen sind die erwarteten Effekte eingetreten. Die bisher vorliegenden Studien ergeben noch kein eindeutiges Bild bezüglich Zufriedenheit oder Unzufriedenheit, je nach Fragestellung und Untersuchungsgruppe ergeben sich durchaus abweichende Betonungen. Allerdings scheint es so, dass es eine Gruppe von 20 bis 30 % Enttäuschten gibt. Der Grund dafür ist häufig einfach: BPO muss in die Organisation eingeordnet werden, auf eine Art und Weise die vielen Führungskräften noch ziemlich fremd ist. Da die Auslagerung sich auf Organisationsprozesse oder Komponenten bezieht, muss sichergestellt sein, dass die Schnittstellen, Ausgang wie Eingang, reibungslos funktionieren und die Verantwortungszuordnung eindeutig ist. Dies ist nun wiederum ein Prozess, der stetem Wandel unterliegt. Es ist nur sehr selten möglich, eine Schnittstellendefinition vorzunehmen, die dann über Jahre hinweg stabil bleibt und keinen Änderungen unterliegt. Die Veränderungen, die entweder durch Technologie oder den Markt oder die Lernkurve der eigenen Organisation ausgelöst werden, sind bei weitem zu vielfältig, als dass sie sich zu Beginn einer Outsourcing-Aktivität in vollem Umfang stabil definieren lassen. Auch ein Business Process Outsourcing ist ein „Schnappschuss“ einer Organisationsfrage zu einem definierten Zeitpunkt. Diese momentane Situation wird dann im Prinzip vertraglich festgelegt und damit zu einem gewissen Grad natürlich den Änderungen und der Dynamik der eigenen Organisation entzogen. Je nach Art des Vertrages kann es auch die Absicht sein, dass eine Weiterentwicklung der Prozesse durch den Auftragnehmer gewünscht wird. In jedem Fall ergeben sich unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten beim Auftragnehmer und beim Auftraggeber, die zu Konflikten an den Schnittstellen führen können. Die Praxis zeigt, dass die Veränderungsgeschwindigkeit innerhalb von Organisationen heute extrem hoch ist. Änderungen auf Abteilungs- oder Bereichsebene finden heutzutage mit einer sehr hohen Frequenz statt, häufig mit einer Lebensdauer von 12 bis 18 Monaten. Hinzu kommen dann noch die „großen“ Reorganisationen, ausgelöst durch Unternehmenskäufe oder Verkäufe, Strategiewechsel und Ähnliches. Häufig ist ein Change-Management-Prozess noch nicht abgeschlossen, wenn bereits die nächste Veränderung zumindest in der Planung ist. Beschleunigte Märkte und harte Konkurrenz erzwingen einerseits permanente Anpassungen, andererseits führen Anpassungen auch sehr häufig zu geänderten Prozessabläufen. Relevant ist dabei, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu beachten: Während eine neue Verantwortungsdefinition, abgesehen von den möglichen politischen Diskussionen, schnell eingeführt und durchgeführt werden kann, ist die Realisierung auf den unteren Ebenen einer Organisation sehr viel langwieriger und zeitaufwändiger. Die Verbindung zwischen Aufbauorganisation und Ablauforganisation, also Verantwortungsbereichen und Prozessabläufen, ist
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nach wie vor sehr innig, wobei die Aufbauorganisation sich schneller ändern lässt als die Ablauforganisation. In solchen Situationen kann Business Process Outsourcing sowohl Bremse als auch Unterstützung sein: Gezielt eingesetzt, kann BPO durchaus dazu dienen, Plattformcharakter zu bekommen und die mühsame Auflösung von internen Strukturen wesentlich zu erleichtern. Möglicherweise ist das Outsourcen dann so etwas wie ein Befreiungsschlag, wenn interne Lösungen zu lange dauern würden. Es kann allerdings auch sehr stark bremsen oder einschränken, wenn durch die gegebenen Verträge bestimmte Abläufe und Leistungen festgeschrieben sind und Change-Prozesse dadurch unter Umständen sehr mühsam und langwierig werden. Je umfangreicher und inhaltsgetriebener die ausgelagerten Prozesse sind, desto schwieriger wird die Beschreibung und Klassifizierung, und desto schwieriger wird das Management der Prozesse. Die verlangten Managementskills verändern sich von disziplinarischer und fachlicher Führung, das heißt von „Command und Control“, zu Vertrags- und Change Management. Die fachliche Führung und die disziplinarische Führung bezogen auf den outgesourcten Prozess liegt beim Provider. Eigentlich war das auch so gewollt, aber: Änderungen in der Organisation oder an den Schnittstellen, die Auswirkungen auf die vereinbarte Leistung oder die Art der Lieferung dieser Leistungen haben, müssen jetzt beantragt werden und über einen ChangeManagement-Prozess implementiert werden. Erfüllung oder Nicht-Erfüllung des Vertrages richten sich nach den festgelegten Service-Leveln und den dort definierten Kriterien, Änderungen daran sind Vertragsänderungen, die verhandelt werden müssen. Dies verlangt natürlich hohen Managementaufwand. Andererseits wurden in den letzten Jahren insbesondere im mittleren Management massive Stellenstreichungen vorgenommen und die Straffung in diesem Bereich ist noch nicht zu Ende. Einige Auswirkungen dieser diskutierten Entwicklungen zeigen sich in einem „Global Survey of Business Executives, July 2005”, der von McKinsey durchgeführt wurde: 64 % der Teilnehmenden bestätigen, dass das Volumen an Meetings, E-mail und Voice-Mail über die letzten 5 Jahre signifikant angestiegen ist, und immerhin dreiviertel der Führungskräfte in großen Unternehmen sagen, dass Wachstumschancen nicht genutzt werden können, weil die strukturellen Unterschiede zwischen Business Units (Rollen und Funktionsdefinitionen) zu komplex sind. Eklatant ist dabei der Unterschied in der Einschätzung von Schwierigkeiten zwischen Top-Management (Cxx Ebene) und Fachmanagement: Die Cxx-Ebene schätzt diese Schwierigkeiten als weitaus kleiner ein als die operative Management-Ebene. Hier gilt es jetzt, Abwägungen vorzunehmen: Wie realistisch ist es, einem bereits bis zum Anschlag belasteten Fachmanagement jetzt auch noch Outsourcingmanagement zuzumuten? Die ursprüngliche Annahme ist, dass Outsourcing die Belastung verringert, denn die Aufgabe ist ja nun in eine andere Verantwortung übergegangen. Die Praxis zeigt jedoch, dass der Managementaufwand häufig höher ist als eingeschätzt.
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Das Accenture Institut for Strategic Change hat in einer Veröffentlichung bereits 2002 darauf hingewiesen, dass „Relationship Management“ einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei BPO-Ansätzen ist. Dieses Relationship Management bezieht sich auf die Außenbeziehung. Neben dieser Außenbeziehung gibt es natürlich auch eine Innenbeziehung, denn die Auslagerung eines Prozesses ändert nichts an der Tatsache, dass dieser Prozess Teil eines Ganzen ist. Die Frage danach, welche Leistung und wie diese Leistung innerhalb des Unternehmens integriert wird, gewinnt eher an Brisanz als dass sie verliert. Lassen Sie uns dazu ein einfaches Beispiel betrachten: In einer Handelsorganisation werden die telefonische Auftragsannahme sowie der InternetBestell-Service nach außen vergeben, aus Kostengründen und aus Technologiegründen. Außerdem entscheidet man sich, die Logistik-Aktivitäten extern abwickeln zu lassen, und zwar nicht nur den Transport, sondern die ganze Kette, d. h. vom angenommenen Auftrag, dessen Bestätigung und Auslieferung bis zur Rückholung und Abwicklung von Rückläufern. Und es sind aus dem Finanzbereich einige Themen wie Zahlungsabwicklung, Kontenführung und ähnliches ebenfalls vergeben, vielleicht auch noch das Cash-Management. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um mindestens drei Auftragnehmer, die ihrerseits Teile ihrer Leistung an Unterauftragnehmer vergeben haben. Finanz- und Rechnungswesen stellt fest, dass die Zahlungsmoral der Kunden sinkt, und gibt eine Warnung an den Vertrieb. Der Vertrieb stellt, nach Rücksprache mit dem Auftragnehmer, fest, dass die Rücknahmequote enorm gestiegen ist und die Kundenzufriedenheit sinkt. Der Outsourcing Manager ruft seinen Kollegen, ebenfalls Outsourcing Manager bei der Logistik, an und erführt, dass der Outsourcingnehmer gerade seine Systeme umgestellt hat, oder einen neuen Unterauftragsnehmer hat usw. Oder der Vertrieb führt ein neues Produkt ein, der Erfolg ist sehr hoch und das Anrufvolumen und das Internetvolumen steigen in kurzer Zeit (wenigen Tagen) um das Doppelte. Die durch BPO-Verträge erzwungene formale Reaktion auf diese beiden Situationen erlaubt es nicht, schnell und radikal zu reagieren. Schnelle Reaktionen in solchen Situationen kosten Geld, zu dessen Beschaffung unter Umständen zunächst interne Genehmigungsprozesse ablaufen müssen. Eigene Mitarbeiter könnte man vielleicht über Firmenidentifikation, Wir-Gefühle, wir schaffen das und ähnliche Dinge motivieren, es lassen sich kurzfristige Qualitätsprämien einsetzen, es steht eine ganze Palette an Möglichkeiten zur Reaktion und Beeinflussung der Situation zur Verfügung. Gegenüber dem Auftragnehmer hat man im Grundsatz genau die Möglichkeiten, die vertraglich vereinbart sind, mit entsprechenden Vorlaufzeiten, Zusatzzahlungen etc. Spricht das nun gegen Outsourcing? Eigentlich nicht, dann das Problem fängt ein Stück früher an: Die Outsourcingverträge und ihre Service-Level sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aufeinander abgestimmt und spiegeln jeweils nur die aktuellen Bedürfnisse der jeweiligen Fachabteilung wieder. Die Schnittstellen sind möglicherweise nur technisch definiert worden, im Sinne von Datenaustausch und Kompatibilität der Systeme untereinander, aber nicht bezogen auf ihre Funktionalität und Einordnung in einen Gesamtprozess.
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Nicht die Outsourcinglösungen als solche waren schlecht, die organisatorische Beherrschung war nicht optimal. Das Beispiel dient zwei Zwecken: Einerseits könnte es sein, dass vorher bereits vorhandene Prozessschwächen nach außen verlagert wurden, anstatt gelöst zu werden, andererseits könnte es auch sein, dass die Kostensenkung je Bereich zu verlockend war und zu wenig Schnittstellenmanagement betrieben wurde. Es zeigt sich, dass die Beherrschung des Prozesses Voraussetzung ist, um gezieltes Outsourcing zu betreiben, und zwar die Beherrschung der gesamten Prozesse und nicht nur der Teilprozesse. Und es zeigt sich außerdem, dass indirektes Management über indirekte Steuerungs- und Beeinflussungsinstrumente nicht unbedingt leichter und einfacher ist als direktes Management. Darüber hinaus scheint eines ebenfalls klar zu sein: Eine übergreifende Steuerung der Outsourcing-Aktivitäten fand nicht statt. Das IT-Governance Institute (ITGI) identifiziert in Summe 11 Rollen oder Funktionsgruppen im Rahmen von Governance von Outsourcing, wenn es sich um multinationales Business Process Outsourcing verbunden mit Offshoring handelt. Diese 11 Rollen sind nicht mit jeweils einzelnen Personen zu besetzen, im konkreten Falle wird man jeweils Rollen zusammenfassen, bis im Extremfall u. U. eine Person alle Rollen ausfüllt. Wichtig ist, dass die definierten Funktionen, so sie erforderlich sind, auch tatsächlich wahrgenommen werden. Und es ist weiterhin wichtig, dass beim Outsourcen unterschiedlicher Aktivitäten eine organisatorische und prozessuale Gesamtbetrachtung und Governance vorliegt. Die wesentlichen Rollen dabei sind:
Rollen nach IT-Governance Institute Top-Management für globale Vereinbarungen, Konfliktlösungen auf globaler Ebene, Programm-Management bei multiplen Outsourcingvereinbarungen, Service Management, Service Support, Vertragsmanagement, Migration-/Überführungsmanagement, Change Management, Kommunikationsmanagement, Finanzmanagement, (Sponsor der Fachabteilung).
Die Rolle und Bedeutung der einzelnen Funktionen werden in Kapitel 3 ausführlich behandelt. Selbstverständlich lässt sich Business Process Outsourcing auch betreiben, ohne dass diese Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt und eindeutig zugewiesen sind. Allerdings lassen sich auch einige der Probleme, die zu Enttäuschungen geführt haben direkt, aus dem Fehlen oder der mangelnden Planung solcher Aufgaben ableiten.
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5.1
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Rolle der IT bei BPO
Verbleibt noch die Frage, welche Rolle spielt eigentlich die IT in diesem Zusammenhang? Klar ist, dass die Technologie als solche Auslöser und Infrastruktur für die Realisierung derartiger Vorhaben ist. Unternehmen beginnen allerdings nur selten auf der grünen Wiese was IT angeht, im Gegenteil. Eine grundsätzliche Business-Process-Outsourcing Entscheidung hat immer und in jedem Fall IT-Auswirkungen, weil sie sehr oft in und mit der bestehenden IT-Landschaft realisiert werden muss. Nun ist zu berücksichtigen, dass je nach Unternehmen einige der heute noch betriebenen operativen Systeme in den sechziger und siebziger Jahren entstanden sind, und seit dieser Zeit vor sich hin wuchern. Das Alter von Systemen hat zwei Dimensionen, die zu potenziellen Schwierigkeiten führen: Einerseits ist die zugrunde liegende Infrastruktur (Sprachen, Datenbanken bzw. Datenorganisation etc.) im Allgemeinen veraltet und erlaubt wenig oder keine Flexibilität. Meistens ist auch die Personaldecke mit den erforderlichen Fachkenntnissen zur Beherrschung und Pflege dieser Systeme mittlerweile sehr dünn geworden. Andererseits sind die Anpassungen die in den letzten Jahren stattgefunden haben, oft Auswirkungen jeweiliger Reorganisationen und Veränderungen in Business-Prozessen.
Organisationseinheit 1
Organisationseinheit 3
Organisationseinheit 2
Organisationseinheit 4 Systembereich
Organisationseinheit A Abbildung 15: Abdeckung im Jahr der Implementierung Jede der mit einiger Sicherheit im Laufe von mehreren Jahren stattgefundenen Reorganisationen hinterlässt ihre Spuren, Spuren sowohl in der Art der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation als auch in den Prozessabläufen. Notwendigerweise werden Systeme entsprechend angepasst, aber nicht jedes Mal vollständig neu gebaut
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Als Folge daraus verändert sich die Systemlandschaft zum Teil kaum spürbar, bis dann alle Änderungen und Ergänzungen dazu führen, dass ein minimal funktionierendes System vorliegt, in dem es eine Menge Überbrückungslösungen gibt, Restbestände aus alten Zeiten, Ergänzungen im Sinne von Abteilungs-PC Lösungen, überlappende Technologien und eben die ganze Hässlichkeit die in der IT auch denkbar ist. Die Antwort der Softwareindustrie auf dieses Problem war bisher, entweder Schichten (z. B. Enterprise Application Integration Lösungen, oder Extact-Transfer-Load Instrumente) anzubieten, die man auf diese alten Systeme aufsetzt um zumindest Teile daraus doch noch nutzen zu können oder eben Standardsoftware zu entwickeln, die es dann erlaubt zumindest Teile dieser Systeme zu ersetzen. Problematisch ist dabei nur, dass die Basis dadurch natürlich weder besser noch stabiler wird. Die Gefahr ist, dass man dabei umgekehrte Pyramiden baut, mächtige moderne Software Applikationen die auf schmalem und instabilem Grund stehen. Hinzu kommt, dass neuere Systeme nicht nur mit neuen Softwaretechnologien arbeiten, sondern natürlich auch auf neue Hardware- und Kommunikationsmöglichkeiten aufbauen. Das Resultat ist dann vielfach ein Gebilde, das ähnlich aussieht wie in Abbildung 16 dargestellt. Es ist nur deshalb nicht sichtbar, weil es durch neue „Schichtenmodelle“ verdeckt wird.
Abbildung 16: Systemmutation nach 8 Jahren
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Deshalb sehen CIOs die Ablösung von Legacy Systemen als eine ihrer wichtigsten Aufgaben für die Zukunft an, haben dabei aber häufig das Problem, dass solche Mega-Projekte extrem schwer begründet werden können. Jeder weiß, dass sie erforderlich sind, niemand will dafür bezahlen, eine typische Situation bei Infrastrukturthemen, unser Gesundheitswesen ist ein schönes Beispiel für die Problematik: Jeder will die Reform und versteht die Notwendigkeit, keiner will dafür bezahlen. So wie ein Business Prozess in die Gesamtstruktur des Unternehmens eingebunden ist, ist normalerweise die Frage der Auslagerung dieses Prozesses auch verbunden mit der Frage nach den Schnittstellen in eigenen bzw. vorhandenen IT-Systemen. Oftmals liegen in den vermeintlichen Kleinigkeiten, den technischen Einzelheiten, Aspekte, die später durchaus kostspielige Auswirkungen haben können. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Datenhoheit: Welche Daten sollen in Systemen verbindlich sein? Die beim Auftragnehmer geführten oder die des Auftraggebers? Wenn zum Beispiel der Auftragnehmer per Service-Level verpflichtet wird, ein bestimmtes Qualitätsniveau bei Kundendaten einzuhalten, wird er aus verständlichen Gründen darauf bestehen, dass Änderungen an Kundendaten nur in seinen Systemen und unter seiner Kontrolle stattfinden. Das kann bedeuten, dass Systemstrukturen beim Auftraggeber, die ebenfalls Kundendaten nutzen, z. B. Buchhaltungssysteme, Kundendatenänderungen nur dann durchführen können, wenn sie vorher durch den Auftragnehmer geprüft und genehmigt sind oder man mit dem Risiko lebt, zwei oder mehrere Kundendatenvariationen zu benutzen, auch keine besonders schöne Aussicht. Immerhin mehr als 50 % des IT-Budgets wird für Maintenance-Aufgaben genutzt, d. h. stehen für Innovationen und neue Aufgaben nicht zur Verfügung, sondern dienen der Verwaltung der Vergangenheit. Business Process Outsourcing kann und wird auch benutzt, um einen Technologiesprung zu vollziehen, d. h. um technologische Möglichkeiten einzukaufen, bei denen man davon ausgeht, dass eine eigene Realisierung zu lange dauern würde bzw. dass das Know-how dazu auch auf der technischen Seite nicht im Hause vorhanden ist. Allerdings gilt auch hier natürlich das Prinzip, dass über laufende Anpassungen und Change Management die ehemals saubere und glatte Lösung, die man sich im Wege des Outsourcings scheinbar besorgt hat, im Laufe der Zeit kleine „Rucksäcke“ und „Warzen“ entwickeln wird. Und es stellt sich auch die Frage, welche technologischen Fähigkeiten, die möglicherweise für die Zukunft des Unternehmens von großer Bedeutung sind, man selbst beherrschen muss oder sollte. Ob eine Strategie, die dazu führt, dass man die modernsten und neuesten Anwendungen auslagert, während man die alten Applikationen selbst beherrscht, insgesamt zukunftssicher ist, darf bezweifelt werden. So sehr Business Process Outsourcing selbstverständlich eine Business-Entscheidung sein muss und bleiben muss, so sehr ist allerdings auch der Aspekt der mittel- und langfristigen IT-Strategie zu berücksichtigen. Business Process Outsourcing ist immer auch zumindest in Teilbereichen IT-Outsourcing, und ebenso wie man sich Gedanken machen muss über die Prozessabhängigkeit und den möglichen Verlust an Knowhow (siehe Kapitel 2 für eine detailliertere Behandlung dieser Thematik) muss man sich auch über den Verlust oder die Reduktion an IT-Fähigkeit Gedanken machen. Natürlich gehört dazu auch das Thema, dass Business Process Outsourcing keine Entscheidung für die Ewigkeit ist, sondern bewusst und geplant als temporäre Entscheidung betrachtet werden kann.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Outsourcing zu betreiben, um eine akute Situation zu bewältigen, mit der möglichen Zielsetzung, in der Zwischenzeit eigenes Know-how aufzubauen, um die Prozesse später wieder zurückzuholen ist eine denkbare Strategie des Outsourcing. Entscheidend ist es, BPO als ein Instrument im Katalog der operativen Möglichkeiten zu betrachten und damit die „Exitplanung“ als normales Instrument zu berücksichtigen.
6.
Der Markt
6.1
Einleitung
Es gibt keinen einheitlichen Markt für Business Process Outsourcing und es gibt keine nationale oder international anerkannte und damit Vergleichbarkeit herstellende Definition die dazu dienen könnte, einen Markt zu bestimmen. Die Schwierigkeit der Definition besteht darin, dass eine sich entwickelnde Form der Arbeitsteilung, die eng verbunden und abhängig von technologischen Aspekten ist, dazu führt, dass zum einen bereits existierende Märkte oder Leistungen sich verändern oder neu definiert werden, zum anderen dass sich völlig neue Angebote bilden, die es in dieser Form vorher nicht gab. Immerhin, in der Statistik der EU (NACE Klassifikation, rev. 1.1., final draft 2002) gibt es bereits eine Kategorie 74.86 für Call-Center Activities. Es wird sicherlich auch hier eine Weiterentwicklung geben. Es soll hier auch nicht versucht werden, Marktanalysen und Marktzahlen zusammenzutragen, dafür gibt es jährlich hervorragende Untersuchungen und Analysen der verschiedensten Anbieter. Um eine Dimension aufzuzeigen, in der wir uns bewegen, verweisen wir auf die Zahlen der IDC Studie von 2005 (Worldwide and US BPO 2005-2009 Forecast, IDC# 33815). Danach beträgt der weltweite Markt für Business Process Outsourcing im Jahre 2004 382,5 Mrd. USDollar und wird für 2009 auf ca. 641,2 Mrd. US-Dollar anwachsen. Eingeschlossen in diese Zahlen sind folgende Segmente: Personal, Einkauf, Finanzen und Buchhaltung, Customer Service, Logistik, Sales und Marketing, Produkt-Engineering und Training. In Europa umfasste der BPO-Markt ca. 25 Mrd. Euro im Jahre 2004, wenn man den ITOutsourcingteil mitberücksichtigt, handelt es sich um ca. 59 Mrd. Euro.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
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Der deutsche Markt für IT-Outsourcing wird mit ca. 13 Mrd. Euro geschätzt. Der reine BPOTeil ohne IT-Services liegt bei ca. 2 Mrd. Euro, mit einem geschätzten Volumen für 2009 von 4,4 Mrd. Euro. Aus diesen Zahlen wird bereits deutlich, dass die Märkte noch ziemlich am Anfang stehen, konsequenterweise werden auch von allen Analysten kräftige Zuwächse über Jahre hinaus erwartet.
6.2
Marktsegmente
Als erste grobe Unterteilung kann man die Trennung zwischen dem „allgemeinen“ Business Process Outsourcing und dem IT-Outsourcing im Besonderen sehen. Da seit etlichen Jahren IT-Outsourcing betrieben wird, hat sich hier ein relativ gut bekannter und greifbarer Markt gebildet, der natürlich auch einige Facetten aufweist. So geht es einerseits um das Betreiben von IT-Infrastruktur, d. h. den reinen Betrieb der HW, Netze und zugehöriger Infrastruktursoftware. Es gibt dann den Betrieb der Anwendungen und die Maintenance incl. kleinerer Weiterentwicklungen, und es gibt die vollständige Auslagerung der IT inclusive Entwicklungsaufgaben. Diese Märkte existieren auf nationaler wie internationaler Ebene. Der BPO-Markt ist noch wesentlich kleiner und spielt sich auch nur sehr begrenzt in Verlagerungen außerhalb des Heimatmarktes ab. Um auch hier einen Eindruck zu vermitteln, stellen wir in Abbildung 17 die Aufteilung exportierter IT- und BPO-Services nach Regionen dar. Wir benutzen dabei eine Darstellung von McKinsey aus der Studie „The Emerging Global Labor Market“ vom Juni 2005, wobei sich die Marktzahlen auf 2003 beziehen, und eine Darstellung von neoIT „Mapping Off-Shore Markets Update 2005“, September 2005, wobei sich die Marktzahlen auf 2004 beziehen. Gezeigt werden soll hier die Gewichtung nach Kontinenten und Unterschiedlichkeiten der Marktgrößenbestimmungen, die sich aus unterschiedlichen Abgrenzungen ergeben. Ein Unterschied ist darin verborgen, dass der Markt von 2003 auf 2004 durchaus kräftig angewachsen ist, die sichtbare Differenz von 11 % würde sich damit leicht erklären lassen. Die unterschiedliche Gewichtung der Kontinente ergibt sich allerdings aus unterschiedlichen Einschätzungen der Länder. Während bei den Zahlen von IBM Irland mit 8,6 Mrd. US-Dollar zu Buche schlägt und Kanada mit 3,8 Mrd. US-Dollar gewichtet ist, zeigt sich bei neoIT ein völlig anderes Bild: Irland ist mit 2,2 Mrd. US-Dollar und Kanada mit 13,7 Mrd. US-Dollar eingeschätzt. Je nach Abgrenzung haben wahrscheinlich beide recht, die Dominanz Asiens, und innerhalb Asiens von Indien, ist in beiden Fällen fast gleich.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Was sich hier sehr deutlich zeigt, ist die Tatsache, dass es von enormer Wichtigkeit ist, die Marktdefinitionen und Marktabgrenzungen nachzufragen, wenn man die Größenordnung (und damit potenzielle Reife) des Marktes abschätzen will. Die wesentlichen Entwicklungen im Markt für BPO wurden und werden getrieben von Unternehmen aus den USA, Großbritannien und natürlich den international tätigen Großunternehmen. Die anderen europäischen Märkte, außerhalb Großbritanniens, spielen bisher eine eher untergeordnete Rolle.
nach McKinsey, 2003
6.100 9.500
17.800
Europa
Asien
Amerika
nach neoIT, 2004 3.185
14.200
19.690
Europa
Asien
Amerika
Abbildung 17: Marktgröße nach Regionen, in Millionen US-Dollar, BPO- und ITOutsourcing
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
53
Die wichtigsten exportierenden Länder sind dabei Indien und Kanada, mit deutlichem Abstand gefolgt von den anderen Ländern.
Land Indien
IT-Service
BPO
Gesamt
12.200
5.200
17.400
Kanada
8.200
5.500
13.700
Irland
2.200
2.200
Philippinen
330
800
1.130
China
700
300
1.000
Russland
550
25
575
Mexiko
100
200
300
Süd-Afrika
220
Brasilien
200
Polen
110
70
180
Malaysia
120
40
160
Tschechische Republik
60
40
100
Ungarn
50
25
75
Rumänien
30
25
55
Gesamt
25.070
12.225
37.295
220 200
Quelle: neoIT, Mapping-Offshore Markets Update 2005 Abbildung 18: Exportleistungen der wichtigsten Länder in Millionen US-Dollar Die Exportleistung, die von allen diesen Ländern erbracht wird, beträgt in Summe 37,3 Mrd, US-Dollar. Stellen wir das nun einmal dem Weltmarkt für Business Process Outsourcing gegenüber, handelt es sich bei „Offshoring“ um ca. 10 % (Weltmarkt für BPO 382 Mrd. USDollar), wobei der reine BPO-Teil ca. 1/3 des Offshorings ausmacht. Die Reihenfolge der Länder ergibt sich einerseits aus der Verfügbarkeit von hochqualifiziertem englischsprachigem Personal zu niedrigen Kosten im asiatischen Raum und der räumlichen Nähe im Fall von Kanada (bei neoIT) zum wichtigsten Auftraggeberland, in der McKinsey Studie wird diese Rolle von Irland eingenommen. Viele Schwellenländer haben BPO/IT-Outsourcing als strategische Entwicklungsmöglichkeit für ihre Volkswirtschaften erkannt und deshalb hohe Investitionen in Ausbildung und Infrastruktur getätigt, was das internationale Angebot verbreitert hat. So ist zwar in der Zukunft eine größere Konkurrenz zu erwarten, insbesondere auch weil in den besser entwickelten Ländern, insbesondere in Indien, mittlerweile erste Zeichen von Personalknappheit und anziehenden Lohnkosten zu beobachten sind, so dass der reine Kostenvorteil sich zu relativieren beginnt. Ein zweiter, relativ gut entwickelter und abgegrenzter Markt sind die Call-CenterDienstleister, die im Wesentlichen im Customer-Care-Bereich tätig sind. Hier allerdings
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
beginnt schon die Grauzone, denn fast alle Call-Center-Dienstleistungen sind heute nicht mehr nur telefongebundene Tätigkeiten, sondern schließen Back-office-Prozesse ein, und damit Teile von Business-Prozessen oder ganze Prozessketten. Auch hier gilt, dass die englischsprachigen Märkte dominant sind. Interessant ist nun auch, wie zuvor erwähnt, die Analyse, die von der UNCTAD vorgenommen wurde: Die bekannten Direktinvestitionsprojekte wurden weltweit einerseits nach Geografie und andererseits nach Branchen untersucht, bezogen auf die Jahre 2002 und 2003. Dabei wurden nur die gemeldeten, d. h. bereits abgeschlossenen, Verträge berücksichtigt. Auch wenn immer wieder von Asien die Rede ist zeigt sich eine aufschlussreiche Verteilung: Europa weist genauso viele Direktinvestitonen in BPO-relevanten Bereichen auf wie Asien, wobei in Asien der IT Anteil höher ist, alle anderen Regionen spielen im Bereich Direktinvestitonen eine untergeordnete Rolle. Betrachten wir nun auch noch die Rolle einzelner Länder innerhalb der Regionen, zeigt sich eine deutliche Reihenfolge, die etwas überraschen mag: in Europa wird das Feld angeführt von Irland, Großbritannien und Deutschland, in Nordamerika ist es Kanada, in Südamerika Brasilien und in Asien China und Indien.
Call Center
Shared Service
IT-Service
Regionale HQ
800
700
600
500
400
300
200
100
0 Europa
Nordamerika
Afrika
Südamerika
Quelle: World Investment Report 2004, UNCTAD Abbildung 19: Geografische Verteilung von BPO relevanten Projekten
Asien
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
55
Auch wenn die Projekte mit Direktinvestitionen in Deutschland in diesem Bereich durchaus relevant sind, bedeutet das noch lange nicht, dass der Markt gut entwickelt ist. Im Gegenteil: Im deutschen Markt ist das Angebot noch ziemlich unterentwickelt, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Auch hier gilt, dass der IT-Outsourcing-Markt sowie der Call-Center-Markt relativ gut entwickelt sind, und es gibt darüber hinaus einen ausgeprägten Markt im industriespezifischen BPO, allerdings dort nur bei Finanzdienstleistungen, andere Arten oder Segmente des BPO sind in Deutschland nur in Ansätzen vorhanden. Laut einer Marktstudie von PAC (Pierre Audoin Consulting, München) verteilen sich die BPO-Aktivitäten in Deutschland wie folgt:
Geschäftsprozesse Finanz- und Rechnungswesen
Prozentanteil 3
Personalabrechnung/HR
26
Vertrieb, CRM
29
Logistik
7
Banken Back-Office
17
Sonstiges
18
Quelle: nach PAC, München Abbildung 20: Verteilung nach Geschäftsprozessen Im englischsprachigen Raum hingegen entwickeln sich fast beliebige Arten des BPOutsourcings, im Medizinbereich, im Forschungsbereich, im Research von Banken und Beratungsunternehmen, neben den bereits entwickelten Segmenten z. B. im Personalbereich und Rechnungswesen, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Internationale Unternehmen mit Sitz in Deutschland bedienen sich natürlich auch dieser internationalen Angebote. Unternehmen mit stärker national ausgerichteten Aktivitäten auf dem europäischen Festland können die Möglichkeiten des Near-shore oder Off-shore Outsourcings nur sehr begrenzt nutzen, zwar gibt es gewisse Niedriglohnländer mit französischsprachiger Bevölkerung, aber keines, das solche Möglichkeiten bietet wie z. B. Indien oder die Philippinen. Deutsche Unternehmen ziehen mittlerweile Lösungen im osteuropäischen Raum in Betracht, primär hinsichtlich Polen, Tschechische Republik, Rumänien und Bulga-
56
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
rien, weil es dort historisch oder auf Grund der Wirtschaftsentwicklungen der letzten Jahre einen Pool an deutschsprachigen qualifizierten Arbeitskräften gibt. In der Summe ist jedoch die Annahme berechtigt, dass die kontinentaleuropäischen Märkte beim BPO auch weiterhin eher national und sprachenorientiert sind als international. Viele Anbieter von BPO-Dienstleistungen die versucht haben, den Erfolg aus dem angelsächsischen Raum nach Kontinentaleuropa zu übertragen sind an der Tatsache gescheitert, dass es zwar einen europäischen Wirtschaftsraum gibt aber nach wie vor eben kulturell und sprachlich definierte Wirtschaftsgebiete. Die Analysten rechnen heute überwiegend folgende Unternehmensfunktionen in den BPOMarkt ein:
Unternehmensfunktionen im BPO-Bereich Personal Einkauf Finanzen und Buchhaltung Customer Service Logistik Sales und Marketing Produkt-Engineering Training
Eine Folge dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass der BPO-Ansatz ein grundsätzlich anderer sein muss, als in den angelsächsischen Ländern. Während es dort möglich war (und auch genutzt wurde), eventuelle Prozess- oder Funktionsineffizienzen durch den enormen initialen Kosteneinspareffekt bei Personalkosten zu verdecken, ist dieser Weg verschlossen. BPO in Deutschland macht erst dann Sinn, wenn die Kosteneinsparungen aus den eigentlichen Prozessbereichen erreichbar sind, d. h. durch echte Industrialisierungseffekte und nicht durch „einfache“ Reduktion der Kosten des Faktors Arbeit.
7.
Auswirkungen auf Arbeitsplätze
Damit sind wir beim Thema der Jobverlagerung angelangt und den Fragen: Vernichtet BPO Arbeitsplätze in Deutschland oder grundsätzlich im Auftraggeberland? Was ist die Dimension, über die wir hier reden? Das McKinsey Global Institute hat in einer Studie (The Emerging Global Labor Market, June 2005) die wahrscheinlich bisher umfassendste Untersuchung zu Entwicklungen im Bereich der Arbeitsplatzverlagerung im Rahmen von Business Process Outsourcing durchgeführt.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
57
Einige der Ergebnisse davon lauten wie folgt: In der Weltwirtschaft geht man für 2008 von 1,46 Mrd. Service Jobs aus. Ca. 11 % davon könnten ausgelagert werden, d. h. weltweit 160 Millionen Arbeitsplätze. Dies allerdings nur dann, wenn es keine Restriktionen gibt. Als realistische Annahme unter Berücksichtigung auch bisheriger Verhaltenweisen, werden 4,1 Millionen Jobs ausgelagert werden, d. h. ca. 1,2 %. Um die Zahl anders darzustellen: Nach den Zahlen des US Bureau of Labor Statistics (2004) fangen 4,6 Millionen US-Bürger monatlich bei einem neuen/anderen Arbeitgeber an. Dass die Zahlen nicht wesentlich höher liegen, hat zwei Gründe: Zum einen ist auf der Angebotsseite zu berücksichtigen, dass die häufig gern genannten Bruttozahlen nur begrenzt aussagefähig sind: Indien allein hat fast so viele junge Ingenieure wie die USA, und China hat zweimal so viel, Russland hat ca. zehnmal so viele Finanz- und Buchhaltungsfachleute wie Deutschland. Wie viele deutsche Unternehmen nun aber bereit wären, wegen des riesigen Ressourcenpools ihre Finanzangelegenheiten nach Russland zu verlagern, ist noch sehr fraglich. Der riesige Ressourcenpool mit den entsprechend niedrigen Kosten wird eingeschränkt durch die folgenden Parameter:
7.1
Beherrschung von Sprachen
Wenn wir uns die Sprachverteilung bzw. Häufigkeiten von Fremdsprachenkenntnissen anschauen, dann gibt es eine sehr eindeutige Verteilung.
Sprache Mandarin Hindi Spanisch Englisch Arabisch Portugiesisch Bengali Russisch Japanisch Deutsch Französisch
als Muttersprache
Gesamt
873 370 350 340 206 203 196 145 126 101 67
1.051 490 420 510 230 213 215 255 127 129 130
Quelle: Ethnologue, Languages of the World, 2005 Abbildung 21: Sprachenhäufigkeit (Millionen Sprecher)
58
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Wenn wir dann noch die geografische Verbreitung der Sprachen betrachten, zeigt sich der bekannte Fakt, dass Englisch eine Weltsprache und auf dem Vormarsch ist, Deutsch geografisch begrenzt in weniger als zehn Ländern gesprochen wird, die anderen Sprachen entweder deckungsgleich dem ehemaligen Kolonialgebiet entsprechen oder nur im eigentlichen Herkunftsland gesprochen werden. Damit ist die Offshoring-Chance für deutsche Unternehmen, wenn deutsche Sprachkenntnisse gefordert sind, extrem begrenzt. Hinzu kommt, dass in Abhängigkeit von Produkt und Service die Qualitätsanforderungen an die Sprachbeherrschung inklusive der Akzentfrage eine entscheidende Rolle spielen können (insbesondere im Call-Center Bereich). Selbstverständlich gibt es Back-Office-Aufgaben, die fast sprachunabhängig sind oder nur geringe bzw. überwiegend passive Sprachkenntnisse verlangen. Antragsbearbeitung, Datenerfassung und Ähnliches gehört in diesen Bereich. Und es gibt natürlich auch gerade bei deutschen Unternehmen internationale Tätigkeiten, die in Englisch abgewickelt werden müssen. Sprache als Quelle der Missverständnisse gerade beim Business Process Outsourcing ist allerdings etwas, was man im Normalfall vermeiden sollte. Neben dieser Eingrenzung gibt es noch weitere limitierende Parameter:
7.2
Qualität der Ausbildung
Unzweifelhaft gibt es viele Länder auf dieser Erde, die hervorragende Ausbildung leisten, und auch eine Bildungselite aufweisen, die problemlos den Anforderungen von multinationalen Unternehmen gerecht wird, dennoch stellt sich auch hier die Frage: Wie lange noch kann man davon ausgehen, dass u. U. ein qualifizierter Ingenieur bereit ist, in einem Call-Center zu arbeiten? Die vielfach zitierten Situationen, in denen überqualifizierte Menschen einfache Tätigkeiten ausführen, sind eine Reaktion auf eine Notlage, nicht eine Wunschvorstellung. Man kann also davon ausgehen, sobald sich auch nur annähernd neue Möglichkeiten ergeben, wird sich diese Situation auch schnell wieder ändern. Und es ist auch fraglich, ob das Erreichen eines formalen Abschlusses ausreicht, um die gestellten Anforderungen im Arbeitsumfeld zu erledigen. In vielen Fällen ist auf Grund der mangelnden wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im eigenen Land die Frage nach der Anwendung und Erfahrung im erlernten oder studierten Fach negativ zu beantworten. Auch in Indien oder China, den Philippinen oder Südafrika sind nicht alle Universitäten Elite-Universitäten. Als Konsequenz ergibt sich daraus die Situation, dass Prozesse outgesourced werden, die dann von eigentlich überqualifizierten Mitarbeitern wahrgenommen werden, oder dass angenommene/unterstellte Erfahrungen, die wir mit dem Aufgabenbild
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
59
verbinden, nicht oder nicht in der Form gegeben sind, wie sie erforderlich wären. In jedem Fall jedoch ist die „Bruttozahl“ der Hochschulabsolventen nur begrenzt aussagefähig.
7.3
Kultureller Fit (interpersonelle Skills, Teamfähigkeit, Flexibilität)
Das Arbeiten in einer letztendlich fremden Kultur, und sei es im Heimatland des Betroffenen, erfordert einige Fähigkeiten, die nicht als selbstverständlich mit einem Universitätsabschluss erworben werden. Das beginnt mit Problemlösungsansätzen und dem Verständnis dessen, was gemeint ist und nicht dessen was gesagt wurde oder formal niedergeschrieben ist, und endet beim Verständnis von Führung und Managementstil. Ein Beispiel: Ein deutscher Auftraggeber, der in einem indischen BPO-Zentrum auf dem Flur einen Mitarbeiter sieht, anhält und ihn fragt, was denn so vor sich geht und dabei über Schwierigkeiten oder Probleme spricht, wird normalerweise dabei nicht berücksichtigen, dass er soeben die Autorität des indischen Managements unter Umständen leicht untergraben hat. Dass ein rumänischer Mitarbeiter mir kaum jemals sagen wird, er könnte etwas nicht, sondern immer einen Weg suchen wird, es irgendwie zu tun oder einen Weg, wie er sich aus der Aufgabe verabschieden kann, ist etwas, was man lernen und berücksichtigen muss. Es gibt kein falsch oder richtig in diesem Zusammenhang, sondern es geht um das Verständnis für die üblichen Verhalten- und Führungsmethoden, die zum Teil in den jeweiligen gesellschaftlichen Traditionen verankert sind. Wie McKinsey ausführt, ergaben Interviews mit 83 HR Managern multinationaler Gesellschaften bzw. Personalagenturen, dass nur 13 % der potenziellen Kandidaten überhaupt geeignet wären. Die Zahl reduziert sich noch weiter, wenn solch einfache Faktoren berücksichtigt werden wie die geografische Nähe zu einer großen Stadt mit Flughafen. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl der potenziellen Kandidaten ist weiterhin nicht bereit umzuziehen. In Zahlen ausgedrückt: Von den 33 Millionen jungen Professionals in Emerging Markets sind ca. 4,6 Millionen geeignet, um in einem ausländischen Unternehmen/Umfeld tätig zu sein. Berücksichtigt man dann noch die Frage der geografischen Verteilung und der nationalen Konkurrenz um Arbeitskräfte, reduziert sich die Zahl auf 2,8 bis 3,9 Millionen weltweit. Die zweite Seite der Gleichung ist natürlich die Nachfrage nach solchen jungen Professionals. Die Nachfrage wird neben den allgemeinen wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst von den Gründen oder Hemmnissen, die Unternehmen im Zusammenhang mit Offshoring bei Dienstleistungen sehen. Interessant ist dabei die Feststellung, dass die Gründe gegen ein Offshoring häufiger in den Unternehmen selbst zu suchen sind als in den allgemeinen Bedingungen oder politischen, gesetzlichen oder regulatorischen Restriktionen.
60
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Die Häufung der hinderlichen Faktoren bei organisatorischen und operativen Aspekten zeigt hier sehr deutlich, was als Hemmnis gesehen wird. Allerdings kann man auch davon ausgehen, dass der Sektordruck, der als „förderlich“ betrachtet wurde, dazu führen wird, dass Lösungen im organisatorischen und operativen Bereich gefunden werden: Der Druck wird nicht kleiner. Ähnliche Aussagen finden sich in Arbeitspapieren der Deutsche Bank Research, z. B. vom August 2004, in denen die Annahme getroffen wird, dass in Deutschland 2009 ca. 2 % der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor ins Ausland verlagert werden, das sind gut 500.000 Arbeitsplätze. Auch hier zeigen sich einerseits ein allgemein empfundener Kostendruck, dem man gerne ausweichen möchte, und dann im konkreten Einzelfall operative und organisatorische Aspekte, die wiederum gegen eine Auslagerung sprechen. Angesichts dieser Zahlen kann BPO wohl kaum als „Treiber der Arbeitsplatzvernichtung“ angesehen werden. Dies tröstet nicht darüber hinweg, dass im Einzelfall schwierige und schmerzliche Anpassungen erzwungen werden. Jede grundlegende Änderung der Arbeitsorganisation in den letzten zweihundert Jahren hat zu, teilweise extrem schmerzhaften, Anpassungen geführt. Verzögerungen des Anpassungsprozesses führen allerdings eher dazu, dass die Schmerzen länger dauern, aber nicht dazu, dass die Anpassungen vermieden werden konnten.
Beeinflussende Faktoren bei Offshoring Entscheidungen PaketSoftware IT-Services Banken
Versicherungen Pharma
Kfz
Gesundheitsfürsorge
Einzelhandel
Sektor Charakteristika und Dynamik
+
Kostendruck (absolut) Kostendifferenz (wahrgenommen oder angenommen)
+
+ +
+
+
+
-
-
+
Qualität verfügbarer Anbieter Qualität der Arbeitskräfte
Organisatorische und operative Aspekte Globale Präsenz, internationale Erfahrung
+
Umfang der Business Prozesse Angemessenheit der Prozesse
-
+ -
-
-
Intensität papierbasierter Prozesse
-
Angemessenheit der IT für globales Resourcing Ausrichtung der Mgt-Incentives
-
ROI Alternativbetrachtungen
-
-
Rechtlicher Rahmen, soziale, politische Faktoren Zugang zu attraktiven Märkten Soziale/politische Einstellung zu Outsourcing Arbeitsmarktvorschriften im Heimatland Produktvorschriften im Heimatland Schutz des geistigen Eigentums
-
Quelle: nach McKinsey Global Institute, 2005 Abbildung 22: Einflussfaktoren Offshoring Entscheidung
-
-
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
61
Andererseits, wie auch von Deutsche Bank Research dargestellt, bedeutet die durch die Sprache gegebene geringe Chance, die Möglichkeit des Offshorings zu nutzen, im Zweifelsfall Kostennachteile für die deutsche Wirtschaft. Es bedeutet, dass potenziell ein bedeutsamer Zukunftstrend, nämlich die Handelbarkeit von Dienstleistungen und die dynamische Entwicklung im Dienstleistungsmarkt, nur in begrenztem Umfang genutzt und benutzt werden könnte. Es gibt allerdings auch eine andere Perspektive: Die Tatsache, dass die „einfachen“ Formen der Kostensenkung nicht nutzbar sind, nämlich Offshoring, zwingt dazu, sich wesentlich intensiver mit den Prozessthemen zu beschäftigen und hier Lösungen zu finden, damit durch das Outsourcing von Prozessen und Funktionen über Spezialisierungs- und Skaleneffekte Kosteneinsparungen erreicht werden können. Die allgemeine Annahme ist, dass der Markt für BPO weiter anwachsen wird, mit Wachstumsraten die in der Größenordnung 10 % und darüber liegen, es gibt Projektionen die über 20 % annehmen. Die Problematik bei der Bestimmung der Marktgrößen ist in den zum Teil sehr unterschiedlichen Abgrenzungen zu sehen und in der zum Teil schon vorher angesprochenen Schwierigkeit die internationale Statistiken bei der Erfassung der Dienstleistungen mit sich bringen. Spezifisch im Off-Shore-Markt ist zu beobachten, dass die Klassifikation und Meldung nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Der nachfolgenden von „Deutsche Bank Research“ durchgeführten Analyse der Herausforderung für die Statistik ist nichts hinzuzufügen. Der größte Teil der hier gemachten Aussagen lässt sich verallgemeinern, er gilt nicht nur für Offshoring von Dienstleistungen, es gilt in ähnlichem Umfang auch für Business Process Outsourcing insgesamt. Insbesondere das Thema der Abgrenzung der Märkte bietet viel Gestaltungsspielraum: Einige der Analysten beziehen spezifische Segmente ausdrücklich in ihre Projektionen ein, wie z. B. Human Resources, Beschaffung, Finanz- und Rechnungswesen, Kundendienst, Logistik, Vertrieb und Marketing, Produkt Engineering und Ausbildung. Andere betrachten auch Teile des IT-Outsourcings als Bestandteil des BPO. Wieder andere zeigen branchen- oder länderorientierte Zahlen, so dass eine Vergleichbarkeit nur sehr schwer herstellbar ist bzw. eigentlich unmöglich ist.
62
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Quelle: Deutsche Bank Research, Digitale Ökonomie und struktureller Wandel, 26 August 2004, Nr. 45 Abbildung 23: Analyse der Herausforderungen
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
8.
Marktteilnehmer
8.1
Einleitung
63
Wenn man sich die Märkte betrachtet hat, wie wir es in den vorhergehenden Kapiteln getan haben, stellen sich auch die Fragen: Wer spielt eigentlich welche Rolle in diesem Markt, und welche Interessen werden von diesen Mitspielern vertreten? Gibt es schon so etwas wie Machtverhältnisse und wie stellen sie sich dar? Im Folgenden soll nicht die Frage nach konkreten Anbietern und ihrer Stellung in diesem Markt beantwortet werden, dazu ändern sich die Verhältnisse zu schnell und es gibt von Analysten und spezialisierten Beratungsunternehmen hervorragende und immer wieder aktualisierte Studien über die anbietenden Unternehmen in diesem Markt. Uns geht es mehr darum, die „Mitspieler“ in diesem Markt und ihre jeweilige Interessenslage kurz zu charakterisieren. Zunächst einmal ist zu berücksichtigen, dass es natürlich Unterschiede nach der Art der Leistung gibt: Beim Outsourcing von Einzelaktivitäten wie z. B. Datenerfassung oder Ähnlichem ist die Marktsituation wesentlich anders als beim Outsourcen von Prozessen oder von Funktionen. Im Bereich Aktivitäten zum Beispiel kann man heute davon ausgehen, dass der Reifegrad relativ weit fortgeschritten ist und dass dieser Markt auch bereits sehr stark mit den komplexeren Formen des Outsourcings zusammenarbeitet, d. h. hier bereits Mehrstufigkeit vorhanden ist. Bei einer Antragsbearbeitung mit anschließender Kartenausgabe und Verwaltung, durchaus typisch im Bereich der Loyaltyprogramme, wird man heute tendenziell einen Anbieter für das Loyaltyprogramm finden, der seinerseits die Datenerfassung an andere vergibt ebenso wie die Kartenproduktion. Hier handelt es sich um gut beschreibbare und kontrollierbare Aktivitäten. Anders das Outsourcing einer großen IT-Abteilung an einen Dritten. Natürlich gibt es auch hier einen definierten Markt mit gut etablierten Anbietern. Allerdings ist es hier noch kein Commoditymarkt, die Leistungsbeschreibungen sind im besten Fall zuverlässig, aber nicht genau. Hintergrund dazu ist die Komplexität des Gesamtvorgangs inklusive der möglichen rechtlichen Konsequenzen. Beim Outsourcen eines Geschäftsprozesses bewegen wir uns zwischen diesen beiden Extremen, die Beschreibbarkeit ist besser gegeben, das Verständnis ist jedoch immer noch sehr schwierig. Im Aktivitätenbereich verhält es sich sehr ähnlich dem Commodity Markt, im Prozessbereich entwickeln sich die Strukturen gerade (bei CRM-Prozessen im Callcenter Bereich weiter fortgeschritten als bei anderen), während der Markt für Outsourcing von ganzen Organisations-Funktionen (wie IT oder HR, Einkauf oder Ähnliches) sich als typischer Spezialmarkt für große Projekte verhält. Die vielfach erwartete Economy of Scale tritt hier nur sehr bedingt ein.
64
8.2
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Projektstrukturen
Dies hat unter anderem damit zu tun, dass es sich beim Outsourcing von Geschäftsprozessen eigentlich um mehrere Projekte handelt, die miteinander verzahnt sind und aufeinander aufbauen. Jedes dieser Projekte hat seine eigenen Risikofaktoren. Konkret betrachtet handelt es sich um folgende Projekte: Ein strategisches Projekt, in dem die Grundsatzentscheidung zu treffen ist, welche Funktionen in welcher Form nach außen vergeben werden sollen. Die Entscheidungsbasis hierzu sind Aspekte wie Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, Verschränkung und Verknüpfung mit anderen Funktionen des Unternehmens, Abschätzung der Auswirkungen auf Kunden und Marktbeziehungen, Reifegrad des Marktes und ähnliche Fragen. An diesen strategischen Teil schließt sich ein operatives Beratungsprojekt an, welches die Zielsetzung hat, die Prozesse und Prozessketten möglichst exakt in ihrem Ist-Zustand zu beschreiben, um dann eine Sollkonzeption aufzubauen. Hier stellen sich Fragen nach Volumina, Personaleinsatz, operative Schnittstellen, Datenhoheit, Datenweitergabe, Arbeitsabläufe, Arbeitsregeln und natürlich die Frage nach Realisierungsalternativen. Des Weiteren folgt ein Software-Projekt verbunden mit der Migration der Services. Die Migration ist immer verbunden mit Themen der IT-Realisierung zur Umsetzung der Anforderungen. Soll man das Projekt selbst realisieren, inwieweit kann existente Software zum Betrieb nach außen gegeben werden, kann der Outsourcinganbieter eine gute SW-Lösung bieten, sind nur einige der Fragen, die der Klärung bedürfen. Wieweit dabei existente Infrastrukturen oder Verfahren zu berücksichtigen sind, ist hierbei eine der Kernfragen. Die Realisierung dieses Softwareprojektes folgt der allgemeinen Logik aller Softwareprojekte, mit inhärenten Risiken. Nach Abnahme der möglicherweise erstellten oder angepassten Software und der Migration auf die neue Lösung, geht es um den Betrieb und die Durchführung der Aufgaben durch den Auftragnehmer. Wir haben also mindestens drei Projekte unterschiedlicher Art, und eine laufende Tätigkeit. Abbildung 24 zeigt die wesentlichen Komponenten an. Je nach Ausgestaltung des Migrationsprojektes ergeben sich weitreichende Konsequenzen für Durchführung und Steuerung der BPO-Aufgabe. 1. Eine Neugestaltung der Prozesse und damit meistens auch eine Neugestaltung der ITLösung kann im Haus erfolgen, kann als eigenes Projekt durch externe Dienstleister erfolgen, kann an einen GU übergeben werden, der auch die anschließende Betriebsphase durchführt. 2. Ein anderer Projektansatz kann darin bestehen, die existenten Prozesse nach außen zu verlagern, den Betrieb und die IT aber selbst durchzuführen und weiterzuentwickeln.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
65
3. Ein dritter Ansatz besteht darin, Prozesse und IT des Anbieters zu nutzen und die eigenen Lösungen zu verwerfen.
Strategische Projekte
Betriebsphase
Organisations-/ProzessFunktions-Projekt
Neubetrachtung/ Vertragsende
Migrationsprojekt Nächster Schritt Neue Prozesse Neues IT-System
Übernahme IT-System Abbildung Prozesse
Nutzung IT-System Nutzung Prozesse
Übernahme
Abbildung 24: Projekte im Projekt Die Entscheidung darüber, welchen Migrationsweg man beschreiten will oder muss, ist natürlich im Strategieteil vorzudefinieren um dann im Organisations-/Prozessteil noch einmal verifiziert oder angepasst zu werden. Entscheidend ist, dass das Projektmanagement sich je nach dieser Entscheidung an andere Parameter anpassen muss. Jeder dieser Migrationswege hat eigene Tücken und Chancen. Wenn die Besonderheiten der unterschiedlichen Projektarten nicht genügend berücksichtigt werden, ebenso wie auch die jeweils anderen erforderlichen Qualifikationen zur erfolgreichen Durchführung, ist möglicherweise der erste Grund für das Scheitern bereits angelegt. In Abhängigkeit von den Projektstrukturen sind natürlich auch jeweils andere Unternehmen im Markt gefragt. Welche Art von Teilprojekten wird benötigt, und welche Teilprojektleiter benötige ich, was sind die Aufgaben aber auch Interessenslagen, die hier eine Rolle spielen? Was sind Widerstände oder Befindlichkeiten die zu berücksichtigen sind? Wie glücklich ist zum Beispiel meine interne IT darüber, dass eine interessante neue Aufgabe nach draußen vergeben wird, und wie viel Interesse hat sie dann am Erfolg des Projektes? Eine Sicht ist hierbei die des CIO, die seiner Mitarbeiter könnte durchaus davon abweichen.
66
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Zu guter Letzt darf auch nicht vergessen werden, dass wir hier den klassischen Konflikt zwischen Linie und Projekt vor uns haben, mit möglicherweise verschwimmenden Konturen: Das Programmmanagement/Projektmanagement findet eigentlich kein Ende, denn man könnte auch argumentieren, dass das Management des laufenden Outsourcingvertrages eher dem Projektmanagement ähnelt, mit Change Management etc., als dem Linienmanagement. Andererseits ist die Linie typischerweise für die Kosten und Ergebnisse verantwortlich, die sich aus dem Outsourcing ergeben. Diese Anforderungen führen dazu, dass Organisationsthemen eine hohe Bedeutung haben und ein Herangehen wie an ein klassisches Projekt hier erhebliche Risiken birgt. Um die Komplexität zu verstehen, wollen wir im Folgenden die möglicherweise involvierten Parteien aufzeigen: 1. Ein oder mehrere Berater, die auf strategischer Ebene Lösungsvorschlage ausarbeiten 2. Mindestens eine, aber typischerweise mehr als eine Fachabteilung immer dann, wenn Prozesse abteilungsübergreifend optimiert werden sollen 3. Bei größeren Unternehmen eine Fach-IT, welche die fachlichen IT-Bedürfnisse steuern soll 4. Wahrscheinlich eine technische IT, die typischerweise Betriebs-, Pflege- und Entwicklung der IT Applikationen betreibt, häufig genug schon im Sinne des internen Outsourcing als eigene Gesellschaft mit internen SLA Agreements mit den Fachabteilungen 5. Personalabteilung und möglicherweise Betriebsrat, wenn es um Personalverlagerung oder massive Änderungen an den Arbeitsaufgaben geht 6. Der Outsourcingnehmer 7. Vertragspartner des Outsourcingnehmers für die IT-Realisierung falls erforderlich oder für Betriebsaufgaben 8. Möglicherweise noch ein eigenes aufzubauendes „Prozess-Labor“, wenn man sicherstellen will, dass Eskalationen und Know-how über Abläufe auch im eigenen Unternehmen verbleiben. Im Einzelfall kann hier natürlich auch mehr als eine Fachabteilung involviert sein, der Komplexitätsgrad lässt sich beliebig steigern. Diese Aufzählung soll nicht dazu dienen, abzuschrecken sie soll zeigen, dass es sich um eine strategische Aufgabe handelt, die mit hoher operativer Komplexität beladen ist und deshalb des sorgfältigen Managements bedarf.
Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Personalthemen/ Personalabteilung
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Fachabteilung
Fach IT auf Bereichs-/ Abteilungsebene
Eigenes „Prozess Labor“
Interne IT Technik, Betreuung, Entwicklung
Projektmanagement
Outsourcingnehmer
Realisierungspartner
Betriebspartner
Abbildung 25: Am Projekt beteiligte Parteien In Kapitel 3 des Buches wird ausführlich auf die Fragen und Vorgehensweisen beim Projektmanagement von BPO-Projekten eingegangen, hier nur so viel: Die Motivation und Interessenslage der involvierten Parteien ist zum Teil diametral entgegengesetzt und es bedarf eines hohen und intensiven Managementaufwands, hier die erforderlichen und tragfähigen Ausgleiche zu schaffen. Eine „einfache“ Kostensenkung sieht etwas anders aus. Business Process Outsourcing ist in vielen Fällen eine Lösung die auch zu Kostensenkung führt, aber es ist selten eine einfache Lösung. Denkbar ist es nun „einen großen Regenschirm aufzuspannen“ und alle Vorhaben in ein Budget und ein Projekt zu packen und gesamthaft zu vergeben. Ebenso ist es aber auch möglich, jede Komponente einzeln als Projekt mit seinen Besonderheiten zu vergeben und abzuwickeln, wobei dann die Integrationsaufgabe zwischen den Projekten natürlich beim Auftraggeber liegt. Und es lassen sich Mischformen finden, bei denen mehrere Schritte zusammengefasst werden, so typischerweise Strategie und Organisationsthemen als „normale“ Beratungsprojekte, Migration und Betrieb als operative Projekte. Aber, wie die obige Abbildung 25 zeigt, Migration ist nicht gleich Migration. Die Rolle der hauseigenen IT, die ja möglicherweise bereits in einer eigenen Organisation outgesourced ist, muss hier auch bedacht werden. Die Komplexität liegt darin, dass es, gleichgültig welchen Organisationsansatz man im Rahmen des oder der Projekte wählt, eine Vielfalt an Abhängigkeiten und Zulieferbeziehungen zwischen verschiedenen Organisationseinheiten und Partnern/Projektbeteiligten gibt.
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Industrialisierung von Dienstleistungen und Prozessen
Erst nach einer Einarbeitungsphase zwischen 3 und 6 Monaten zeigt sich der tatsächliche Auslagerungseffekt, der dann über die Vertragslaufzeit zu beobachten ist und die gewünschten Ergebnisse erbringen soll. Je nach Dimension des Projektes kann dieser Zeitraum bis zum eigentlichen Auslagern problemlos zwischen 12 und 18 Monaten und mehr dauern. Es gibt dann allerdings noch ein „Projekt“, das gerne vergessen wird und dann richtige Kopfschmerzen bereitet: Was passiert am Vertragsende? Zugegeben, das hört sich nach 5-Jahresplan an, aber nicht alle 5-Jahrespläne sind auch Unsinn: Man sollte sich schon zu Beginn eines Vertrages darüber im Klaren sein, wie es anschließend weitergehen soll: Will man die Funktion zurückholen? Neu ausschreiben? Verlängern? Die potenzielle Sprengkraft dieser Antwort ist enorm: Zu spät berücksichtigt kann sie viel Geld kosten, wie einige Unternehmen zu ihrem großen Bedauern festgestellt haben. Deshalb gehört die Antwort auf diese Frage oder die Darstellung der Alternativen bereits in die strategischen Überlegungen, hat massiven Einfluss auf die Vertragsgestaltung und ist ein Teilaspekt, der in der laufenden Tätigkeit immer berücksichtigt werden muss. Vor Ende eines Vertrages ist es erforderlich, rechtzeitig, vor dem Zeitpunkt der „Erpressbarkeit“, ein Projekt zu starten bezüglich der Zukunft nach Vertragsende. Typischerweise wird heutzutage immer noch ein Business Process Outsourcing Projekt als geeignet zur schnellen Kostensenkung betrachtet und entsprechend liegt das Hauptgewicht auf der Frage, in welcher Zeit welche Einsparung erzielbar ist. Die Änderung die man anstrebt oder die durch das Outsourcing ausgelöst wird ist jedoch häufig genug so grundlegend, dass sie in den Bereich der strategischen Entscheidungen gehört und nicht in die operativen. Die Betrachtung bzw. Überlegung hinsichtlich der „Zeit danach“ ist deshalb dringend erforderlich.
8.3
Forderung nach Transparenz
Die Konsequenz daraus ist, dass es 3 zeitlich begrenzte Projekte (mit dem Thema „Rückholung“ 4 Projekte) und eine operative Aufgabe gibt, die geleitet und überwacht werden müssen. Meistens wird dieser Aspekt unter anderem deshalb unterschätzt und nicht richtig eingeordnet, weil zwei Dinge zusammenspielen: Große Anbieter offerieren natürlich die gesamte Palette, d. h. von der strategischen Planung über die operative Beratung, die IT-Realisierung bis zum Betreiben bzw. Durchführen der Aufgaben. Die Argumentation ist zunächst einleuchtend und verlockend: Integration der unterschiedlichen Leistungen, Kontinuität bei der Bearbeitung der Projektschritte, durchgängiges Management, Hebung von Synergien. Was
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die großen Unternehmen dabei eher verschweigen ist die Tatsache, dass die unterschiedlichen Aufgaben, die zur Lösung anstehen und die auch von unterschiedlichen Schwerpunktqualifikationen gelöst werden müssen, unternehmensintern natürlich getrennt sind: in Geschäftsbereichen oder Verantwortungsbereichen, die ihrer jeweils eigenen Logik folgen müssen, da der Erfolg der jeweiligen Abteilung unterschiedlich gemessen wird. Als Konsequenz ergibt sich daraus eher eine gewisse Intransparenz. Es erklärt auch, warum das Thema „Was passiert am Ende des Vertrages“ gerne sehr allgemein behandelt wird. Mit ähnlicher Logik führt dies auch zu GU-Konstruktionen, um eben nur einen Vertragspartner zu haben. Vermeintlich kauft man damit das Beste aus zwei Welten: ein Vertragspartner, nämlich der GU, der gesamtverantwortlich ist, aber spezialisierte Komponentenanbieter, die ihr spezifisches Know-how einbringen. Oft genug stimmt das auch, aber eben nicht immer. Es ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer an einem GU-Vertrag ebenfalls unterschiedliche Interessen in unterschiedlichen Zeithorizonten haben, je nach Vertragskonstruktion. GU und Unterauftragnehmer, die gemeinsam den Betrieb langfristig im Auge haben, sind weitaus besser synchronisiert bei ihren Interessenslagen als zum Beispiel das Beratungshaus oder der Software-Integrator, der einen wesentlich anderen Zeithorizont verfolgt. In Wirklichkeit sind die beiden Ansätze nicht so unterschiedlich, es zeigt sich oft, dass auch das Anbieten aus einer Hand eigentlich nur ein GU-Vertrag ist, mit einem größeren Budgetanteil bei einem Anbieter. Der zweite beitragende Faktor, der zur Unterschätzung führt, ist die Tatsache, dass das Outsourcing-Projekt als ein einziges Projekt im Unternehmen gesehen wird, meistens mit nur einer Budgetfreigabe damit man nicht so oft zum Vorstand und zum Controlling muss. Damit gibt es ein „Regenschirm“-Budget, unter dem sich dann alle versammeln und oft genug darüber streiten, wer welchen Anteil an diesem Brocken benötigt oder bekommt. Es gibt dabei übrigens zwei Dimensionen der Auseinandersetzung oder des Interessensausgleichs: Das eine ist die Frage der internen Organisation, welche Teilprojekte oder Vorhaben rechnet man dem Outsourcing-Vorhaben zu? Es gibt, wie immer in solchen Situationen, interessante Auswirkungen: Eigentlich getrennte und voneinander unabhängige Aufgabenstellungen werden in einem Projekt zusammengefasst: In einem großen Beschwerdemanagement-Projekt wird auch die Aufgabe „einheitliche Kundenkommunikation“ mit eingepackt, nicht nur im Beschwerdefall sondern grundsätzlich, da man das Thema anders nicht platzieren konnte. Oder ein anderes Beispiel: Ein Geschäftskundenprojekt mit starken Vertriebssteuerungskomponenten wird mit einem Call-Center-Projekt für Endkunden verbunden. Die zweite Dimension ist die Auseinandersetzung beim GU oder Gesamtanbieter, bei dem die unterschiedlichen Geschäftsbereiche oder Subunternehmer natürlich ihren jeweils eigenen Teil vergrößern wollen. Und dann diskutieren die beiden Gruppen noch untereinander, weil beiden Seiten klar ist, dass der vereinbarte Festpreis nur eine Richtgröße ist und einige Change Requests auftauchen werden. Es gibt dabei auch möglicherweise eine „unheilige“ Allianz zwischen dem Projektleiter beim Auftraggeber, der gerne endlich sein Projekt starten will, und dem Auftragnehmer, der ebenfalls die Unterschrift benötigt, dass einige Themen als „geplante“ Change Requests aus dem Angebot und der Verhandlung ferngehalten werden, damit endlich ein
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Abschluss stattfindet. Die Abrechnungsmodalität für die Change-Requests (direkt über Tagessätze nach Aufwand, durch Umlagen auf die Transaktionsraten etc.) ist ein gern diskutiertes Thema. Allen Beteiligten ist klar, dass nach Vertragsunterschrift das Projekt mit einiger Sicherheit nicht gestoppt wird, nur weil sich eine Budgetverschiebung ergibt. Damit baut sich natürlich Intransparenz auf: Das obere Management ist der Meinung, es hätte eigentlich seine Aufgaben getan, klare Entscheidungen getroffen und die Fachabteilung beauftragt und jetzt könne endlich gearbeitet werden, man brauche sich also nur noch um die Abwicklung zu kümmern, durch gelegentliche Projektforschrittsberichte und Ähnliches. Das hauen und Stechen unter dem „Regenschirm“ ist damit nicht sichtbar und auch nur schlecht steuerbar geworden. Die Kombination beider Faktoren, der potenziellen Intransparenz beim Anbieter und des „Regenschirmeffekts“ beim Kunden potenzieren sich im ungünstigsten Fall zum Chaos und Fehlschlag. Die Kommunikation zwischen „oben“ und „unten“ ist gestört, mit all den Nebeneffekten, die dadurch entstehen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die Interessen der jeweils Beteiligten zu betrachten und zu verstehen, was die Business-Logik in den jeweils einzelnen Projekten ist. Womit verdienen die Betroffenen eigentlich ihr Geld, und was sind deshalb die treibenden Faktoren, auf die der Kunde achten muss und die er im eigenen Interesse balancieren muss? Nur wenn man die Motivation und Interessen der Beteiligten kennt und richtig einschätzt, lassen sich die jedem Projekt immer inhärenten Risiken vernünftig steuern und beherrschen.
8.4
Interessenlage der Marktteilnehmer
Im vorherigen Abschnitt haben wir auf die unterschiedlichen Projekte, die sich hinter einem Business-Process-Outsourcing-Projekt verbergen können, hingewiesen. Die Interessenlage auf Seiten der Anbieter ist stark davon geprägt, welcher Projektschritt gerade vollzogen wird, denn die ökonomische Logik des Anbieters führt fast immer dazu, dass die jeweiligen Schritte in sich wirtschaftlich sein müssen. Kaum ein Anbieter wird heute die Systemintegrationsleistung oder die Beratungsleistung „verschenken“, in der Annahme, dass er das Geld über den Betrieb verdienen kann. In jeder GU-Konstruktion, aber auch bei Anbietern aus einer Hand, bei denen dann Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften involviert sind, wird jeder der Partner erwarten, dass er in dem Teilbereich, den er als sein Geschäft betrachtet, Geld verdient. Während also der Auftraggeber ein Projekt sieht, das er gesamthaft verhandelt, sieht der Anbieter mehrere Projekte, die sich rechnen müssen, und an einigen Stellen wird auch seine GU-Marge sehr dünn oder kaum vorhanden sein. Es ist deshalb enorm wichtig, den Horizont und das Basis-Geschäftsmodell in jedem Teil des Gesamtprojektes zu verstehen, um von Auftraggeberseite richtig damit umgehen zu können. Deshalb werden im Folgenden die Interessenlagen skizziert.
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Nachfrager Auf Seiten der Nachfrager scheinen die Interessenlagen zunächst klar und eindeutig zu sein: Alle Untersuchungen und Befragungen, die bisher durchgeführt wurden, zeigen immer wieder das fast gleiche Ergebnis: Die Nachfrager wollen Kosten senken und betrachten Outsourcing als eine der „schnellen“ Möglichkeiten, dies zu tun. Unter diesem Aspekt wird deutlich und verständlich, dass ein Outsourcing-Projekt fast ausschließlich unter dem Kostenaspekt gesehen wird, dabei ist es wie bisher ausgeführt im Zweifelsfall eher eine strategische Entscheidung. Das scheinbare Bestreben ist es, zu möglichst geringen Kosten möglichst viel an Leistung zu erhalten. Die einschränkenden Bedingungen, die dabei aber ebenfalls oft genannt werden, lassen jedoch an dieser „einfachen“ Motivation zweifeln: Outsourcing soll keine strategischen Prozesse betreffen, es soll in mindestens gleicher, aber eigentlich besserer Qualität durchgeführt werden. Und dann gibt es noch folgende Zielsetzungen, die genannt werden: Nutzung von Best-Practices, Innovation und Qualitätssteigerung Verbesserung der Services Vorhersehbarkeit der Kosten Zugang zu neuen Technologien Zentralisierung und Standardisierung, Konzentration auf Kerngeschäft Schnelle Nutzung von Qualifikationen, Zugang zu hochqualifizierten Arbeitskräften Flexibilität, Kapazität, Ausbaufähigkeit Alles dies sind Motivationen und Gründe, die für Outsourcing genannt werden, Wie zuvor schon erläutert, werden die gesteckten Zielsetzungen allerdings in ca. 1/3 aller Fälle nicht erreicht. Die initiale starke Fixierung auf den Kostensenkungsaspekt, die dann gerne mit den anderen Argumenten ausgeschmückt wird, führt in einigen Situationen zu einer Verengung der Sichtweise, die anschließend teuer bezahlt wird. Die Reorganisation von Arbeitsprozessen und die dadurch ausgelösten Konsequenzen in der Gesamtorganisation lassen sich nicht auf den einen Aspekt „Kostensenkung“ reduzieren. Insofern spiegelt die scheinbar eindeutige Interessenlage der Nachfrager nicht die Mächtigkeit und potenzielle Wirkung des Instrumentariums BPO die sehr viel weitreichender ist. Das führt zu möglichen Fehleinschätzungen hinsichtlich der erforderlichen Zeit für die Durchführung eines solchen Vorhabens wie auch hinsichtlich der organisatorischen Beherrschung.
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Es kann aber auch dazu führen, dass der Auftragnehmer irreführende Signale oder Prioritäten hört, die es für ihn enorm schwierig machen, die Zielsetzungen genau zu verstehen. Worauf soll er sich einstellen: Kosten? Qualität? Technologie? Innovation? Natürlich auf alles, nur wissen wir auch, dass es die „eierlegende Wollmilchsau“ nicht gibt. Also muss die „Bestellung“ schon klar sein: entweder Eier oder Speck. Wie bei jedem Einzelprojekt gilt insbesondere bei einem solchen „Multiprojekt“: Ohne klare Zielsetzung gibt es keine klaren Ergebnisse.
Berater Wenden wir uns nun den Beratern zu. Was sind die Interessen der Berater und wie werden sie wahrgenommen? Im Beratungsgeschäft gilt grundsätzlich die Maxime: Der Auftrag, den man nicht erhalten hat, kommt nicht wieder, und die Leistung ist nicht lagerbar, jeder nicht verkaufte Tag ist unwiderbringlich aus der Planung zu entfernen und kann nicht nachgearbeitet werden. Das Geschäft ist typischerweise durch Projekte getaktet, die auch fachlich hochqualifiziert verkauft werden müssen. Daraus ergibt sich ein klassisches Problem: Die Mitarbeiter mit der besten Qualifikation, die die Aufgabenstellung des Kunden am besten verstehen und vielleicht auch lösen können, werden gleichzeitig gebraucht, um den nächsten Kunden zu überzeugen, einen Auftrag zu erteilen. Der Berater, der die strategische und vielleicht auch noch operative Beratungsphase eines Outsourcing-Projektes betreut, weiß mit einiger Sicherheit, dass es nach der Prozessberatung keinen sofortigen weiteren Einsatz für ihn gibt. Also muss man am Anfang mit dem A-Team verkaufen und anfangen, und gegen Mitte eines Projektes bereits in der Verhandlung mit dem nächsten Kunden sein. Dazu benötigt man dann den erfahrenen Senior oder Partner, der ursprünglich ins Projekt eingebunden war. Meistens wird, im Rahmen eines normal laufenden Projektes, zu Gunsten des Neuverkaufs entschieden, und es findet ein sachter Braindrain statt. Das muss nicht schädlich sein, kann aber gefährliche Auswirkungen haben, wenn z. B. Entwicklungen mangels Erfahrung falsch eingeschätzt werden. Die tatsächliche Realisierung des Outsourcings und der dann, hoffentlich, eintretende Normalbetrieb interessieren den Berater in seiner typischen Funktion nur als theoretisches Ergebnis, als berechnete Einsparung. Lässt sich das Problem umgehen, indem man mit einem Unternehmen arbeitet, das alles aus einer Hand anbietet? Nur sehr begrenzt, die interne Logik auch dieses Anbieters wird dazu
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zwingen, dass das Beratungsmodell so abläuft, wie es am Markt üblich ist, und das ist der Neuverkauf von Projekten auf Basis der Erfahrung, die man einbringen kann, siehe oben. Und realistischerweise muss man sagen, der größte Teil der Auftraggeber ist nicht bereit, die Kosten für einen echten Senior im erforderlichen Umfang zu bezahlen. Vom Kunden gefordert und vom Berater gefördert kommen nun auch noch der Aspekt der „Einmaligkeit“ der Leistung und die Innovation der Leistung dazu. Verkauft, und dann ausgearbeitet, werden Konzepte, von denen man (Berater wie Kunde) sich Wettbewerbsvorteile verspricht, weil andere sie so noch nicht haben. Damit kann man davon ausgehen, dass das Beraterinteresse sich auf die ersten beiden Phasen richtet und nicht auf das Gesamtproblem, und dass das Beraterinteresse nicht immer die einfachste Lösung der gegebenen Situation darstellt, sondern manchmal auch die „innovativste“. Betrachten wir gerade im Bereich des Outsourcings die Vielfalt an Modellen und Begriffen, die gerne benutzt werden, verbirgt sich dahinter oft mehr die Marketingbestrebung eines Beraters als die tatsächliche Unterschiedlichkeit eines Ansatzes. Der Geschäftsbereich Beratung innerhalb eines großen Leistungsanbieters kann sich dieser Logik auch nicht entziehen, gemessen wird an Auslastung in Tagen und eingespieltem Honorarvolumen für die Einzelperson oder für das Team, bei gleichzeitiger Mitwirkung an der Generierung von neuen Aufträgen. Das Risiko für den Auftraggeber besteht also in der möglichen Innovation, die aus sachfremden Gründen verkauft wird, und darin, dass die Personen, die überzeugt haben, nicht genügend Zeit für das Projekt aufbringen, die Denkleistung delegieren und nur noch kontrollieren. Vor allem aber ist immer zu berücksichtigen, dass die Berater in Projekten denken, damit in abgegrenzten Zielsetzungen, und nicht in der Realisierung, also dem laufenden Betrieb.
Softwarehäuser und Integratoren Wenn die Berater nun ihre Arbeit getan haben und das Konzept fertig vorliegt, treten die Integratoren bzw. Softwarehäuser auf. Ein typisches Software-Projekt besteht aus folgenden Phasen: Erstellen/Prüfen der Anforderungsdefinition, anpassen oder modifizieren in Abhängigkeit der gewählten Software-Lösung Design der Lösung auf technischer Ebene Realisierung/Programmierung Test Evtl. Daten- und Programm-Migration/Integration Training Abnahme
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Auch wenn die Berater eine Anforderungsdefinition erstellt haben, wird typischerweise ein Systemintegrator eine Prüfung oder Anpassung verlangen. Dies ist zum Teil berechtigt und dient zum anderen Teil der Einarbeitung und Identifikation mit der Aufgabenstellung. Außerdem sind die Mitarbeiter, die diese meistens kurze Phase durchführen, natürlich auch für die Marge von hoher Bedeutung. Die Mitarbeiter bei Systemintegratoren sind im allgemeinen fachlich stark unterschiedlich ausgerichtet: Es gibt Architekten und Business-Analysten, Spezialisten für Datenbanken, Spezialisten für Schnittstellen und Integrationsfragen zwischen Systemen und Programmierer. Auf Grund der Tatsache, dass es sich um eine Realisierungsaufgabe handelt, wird im Allgemeinen die fachliche Anforderung nicht weiter hinterfragt, so wie vorgegeben wird detailliert und dann realisiert. Tendenziell werden eher die Anforderungen modifiziert oder massiert, damit sie in einer gegebenen Softwarestruktur besser und einfacher abbildbar sind. Das ist nicht unbedingt falsch, in vielen Fällen verbirgt sich hinter einer Standardsoftwarelösung einiges, was man als Best-Practice bezeichnen kann. Als problematisch kann sich die Vorgehensweise dann erweisen, wenn die fachlichen Themen dabei zu kurz kommen und der Software-Optimierungsaspekt zu stark im Vordergrund steht. Man sollte auch nicht außer Acht lassen, wann die ursprüngliche Software Konzeption entstand und auf welcher technischen Basis sie beruht, ebenso wie die Frage nach der ursprünglichen Zielsetzung. Die Mergers und Akquisitionen der letzten Jahre in der Software-Industrie haben dazu geführt, dass Suiten von Software angeboten werden die aus unterschiedlichen Quellen stammen und nicht tatsächlich aus einem Guss oder integriert sind. Der Auftraggeber ist selbst für die Sinnhaftigkeit der Anforderungen verantwortlich. Auch bei System-Integratoren gilt wie bei den Beratern, dass die verkaufte Zeit das wesentliche Erfolgselement ist. Insofern ist nicht zu erwarten, dass ein solches Team eine Änderungsanforderung ablehnt. Im Gegenteil: Change Requests sind eine nicht unbeachtliche Einnahmequelle. Aus Sicht eines solchen Teams ist die Tätigkeit mit der Abnahme abgeschlossen. Der eigentliche Produktivbetrieb wird dann als ordnungsgemäß angenommen. Das hat dann zu tun mit der Qualität der Dokumentation und mit der Qualität eines Betriebshandbuches. Beide sind aus Sicht des Auftraggebers enorm wichtig, aus Sicht des realisierenden Teams störende und unbequeme Nebenerscheinungen. Auch hier gilt, dass die besten Mitarbeiter sich spätestens ab Mitte des Projektes bereits für ihr nächstes Projekt interessieren oder in Verhandlungen eingebunden sind. Wer sich nicht rechtzeitig positioniert, erhält unter Umständen die eher etwas faden Aufgaben. Die tatsächliche Qualität der Lösung zeigt sich bei der Abnahme nur begrenzt, im laufenden Betrieb und bei den dann unweigerlich entstehenden Modifikationen der Aufgabe (weitere Auswertun-
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gen, Ergänzungen, zusätzliches Einpflegen etc.) zeigt sich erst tatsächlich, wie stabil die Lösung ist und wie flexibel, um ungeplante Aufgabenstellungen auch noch zu lösen. Das Risiko für den Auftraggeber besteht hier im Wesentlichen darin, dass die Lösung genau das ist, was auf einem Stück Papier aufgeschrieben war, aber so nie gemeint war. Das zweite Risiko ist die unmerkliche Aushöhlung der Qualität durch eventuellen frühzeitigen Personalaustausch, um bei einem anderen Kunden ein Problem zu lösen. Zahlt man als Alternative nach Zeit und Material, sind u. U. die Leute physisch vorhanden, so stellt sich dann möglicherweise die Frage nach der Arbeitseffizienz.
Betreiber Bleibt als Letzter in der Kette der Betreiber übrig, der den eigentlichen Betrieb übernehmen soll. In dessen Interesse ist eine möglichst stabile, klare Lösung, die unverändert laufen soll. Der Betreiber hat ein Interesse an einer möglichst lange laufenden Vertragsbeziehung und damit natürlich daran, sich „unersetzbar“ zu machen. Je einfacher eine potenzielle Rückführung ist, desto gefährdeter ist sein Geschäft. Von daher besteht das Bestreben, möglichst schnell, möglichst viel Know-how aufzubauen, Prozesse schlanker und effizienter zu machen und wenn möglich seinem Kunden zusätzliche Möglichkeiten mit der Lösung aufzuzeigen. Diese steigern aus seiner Sicht die Kundenbindung und führen dazu, dass nach zwei Jahren Nachverhandlungen über die Leistungen und die Preise recht schwierig werden. Vereinbarte zu erreichende Einsparungsziele können nicht eingehalten werden, weil die Lösung doch zu spezifisch ist oder viele Sonderwünsche erfüllt werden mussten etc. Zunächst ist natürlich auch jeder Betreiber bemüht, möglichst frühzeitig Prozess-Ownership zu übernehmen um Wissen aufzubauen und die Gestaltung beeinflussen zu können. Parallel dazu entwickelt sich bei der Fachabteilung mehr oder weniger heimlich so etwas Ähnliches wie eine Excel- oder Access-Kultur: Jede nicht vertraglich definierte Leistung wird natürlich vom Betreiber in Rechnung gestellt, mit normalen bzw. vereinbarten Tagessätzen. Wenn nun also die Fachabteilung zusätzliche Auswertungen benötigt, die über das vereinbarte Maß hinausgehen, geschieht dies gegen Rechnung, und das kann nicht unerhebliche Kosten verursachen. Zwar wird man zu Auswertungszwecken häufig ein Data Warehouse aufbauen, um dann mit Instrumenten selbst darauf Auswertungen vornehmen zu können, dennoch wird es immer wieder Situationen geben, die außerhalb des Standards liegen und als Anforderungen an den Dienstleister gehen. Um dies zu vermeiden, beginnt die Fachabteilung dann, sich Daten in Excel-Dateien oder kleinen Datenbanken zu sichern, um sie dann so bearbeiten zu können, wie man das gerne möchte oder wie man es gerne mal ausprobieren will. Entweder entstehen also Zusatzkosten beim Dienstleister oder eine Excel-Kultur in der Fachabteilung, die dann mit ihren eigenen Daten weiterarbeitet und sich kleine Subsysteme baut. Es entstehen damit ungeplante Zusatzkosten, die direkt nachweisbar sind oder die indirekt entstehen. Damit wird dann ein Teil der gewonnenen Einsparungen wieder konterkariert.
Prozessgebundene Logik des BPO
1.
Einleitung
Die Entscheidung für Business Process Outsourcing ist eine Managemententscheidung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen der Strategiediskussion getroffen wird. Es ist, wie im vorangehenden Kapitel dargestellt, eine Organisationsentscheidung, Prozesse und Funktionen, die bisher intern durchgeführt wurden, extern zu vergeben beziehungsweise diese gar nicht erst intern aufzubauen. Der Hauptgrund für Business Process Outsourcing ist laut einer Studie in 2005 noch immer Kostensenkung. Weitere Gründe, die zunehmend an Bedeutung gewinnen, sind allerdings die qualitative Aufwertung und Optimierung des Geschäftsprozesses sowie eine schnellere und bessere Anpassung an technologischen und strategischen Wandel (Müller, 2005, S.1). Aus Sicht der Autoren dieses Buches lassen sich die diversen Gründe für BPO zu drei Kategorien zusammenfassen. Diese sind: 1. Kosten: Kann der betrachtete Prozess preiswerter in einer anderen als der eigenen Organisation durchgeführt werden? 2. Qualität: Kann der betrachtete Prozess mit einer höheren Qualität in einer anderen als der eigenen Organisation durchgeführt werden? 3. Kapazität: Kann die Durchführung des Prozesses in einer anderen als der eigenen Organisation unterstützen, diesen Prozess in der erforderlichen Menge und/oder den geeigneten Fähigkeiten durchzuführen? Auf Basis dieser drei Gründe wird nachfolgend die Frage nach der richtigen Herangehensweise an diese Entscheidung diskutiert. Im Folgenden wird anhand einer typischen strategischen Entscheidungssituation gezeigt, wann welcher der drei Gründe relevant sein kann. Im Anschluss daran werden dann die Grundlagen über Prozesse und deren Bedeutung im Unternehmen aufgezeigt. Der sich anschliessende Abschnitt zeigt die Möglichkeit der Koordination und Kontrolle von Prozessen auf und betrachtet speziell den Einfluss der neuen Technologien. Daraus werden dann konkrete Empfehlungen für die jeweilige Entscheidungssituation geliefert. Diese werden ergänzt durch eine Betrachtung der Outsourcingrisiken.
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2.
Prozessgebundene Logik des BPO
Strategische Entscheidungen in den Phasen des Produktlebenszyklus
Anhand der Strategiefindung für Produkte wird dargestellt, dass eine Entscheidung über Outsourcing immer im Rahmen einer gesamtheitlichen Strategiediskussion fallen muss und es keine generische Empfehlung gibt. Die Entwicklung von Produktstrategien startet mit der Analyse, in welcher Phase des Produktlebenszyklus sich das jeweilige Produkt/die jeweilige Dienstleistung befindet. Diese Phase sowie die Wettbewerbsposition des Produkts beeinflussen die strategische Entscheidung, welche Ressourcen einem Produkt zugeordnet werden. Die vier Phasen des Produktlebenszyklus sind: Einstehungs-/ Einführungsphase Wachstumsphase Reifephase Altersphase So wird ein Unternehmen einem Produkt in der Einführungsphase viele Ressourcen zuordnen, um Marktanteile zu gewinnen. In der Wachstumsphase wird ein Unternehmen versuchen, entweder seinen Marktanteil auszubauen oder bei einer schwächeren Wettbewerbsposition über eine Nische für sein Produkt nachdenken. In der Reifephase werden einige der schwächeren Anbieter über eine Verringerung der eingesetzten Ressourcen nachdenken. In der Altersphase werden alle außer den dominierenden Unternehmen die Produktion des Produkts einstellen. Für jedes Produkt wird also eine Strategie festgelegt. Hierbei sind vier mögliche Strategien denkbar: Ressourcenzuweisung erhöhen (investieren oder Investitionen erhöhen) Ressourcenzuweisung beibehalten Ressourcenzuweisung reduzieren (z. B. Produktionskosten senken) Ressourcenzuweisung einstellen (deinvestieren) Hat das Management für jedes Produkt innerhalb des geplanten Produktportfolios diese Strategie festgelegt, werden die einzelnen Bestandteile des Produkts analysiert. Dabei geht es dann um die Frage der Eigen- oder Fremderstellung. Abhängig von der Produktstrategie können unterschiedliche dieser Gründe in jeder Phase des Produktlebenszyklus eine Rolle spielen.
Prozessgebundene Logik des BPO
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Gründe in Abhängigkeit von Produktstrategie Kostensenkung (Kosten) Unternehmen A produziert ein Produkt für einen reifen Markt. Das Management entscheidet auf Grund der schwachen Marktposition – man ist mit einem Marktanteil von 4 % nicht bei den Top 10 des Marktes – das Produkt zwar weiter herzustellen, allerdings möchte man die Herstellungskosten senken. Ein wichtiger Kostenfaktor ist der telefonische Kundenservice, der bisher intern betrieben wurde. Unternehmen A entscheidet sich die Kosten für den Kundenservice zu reduzieren. Die interne Abteilung kann nicht zu den erwarteten Kosten produzieren. Deshalb entscheidet Unternehmen A, den Kundenservice zukünftig an einen externen Partner zu vergeben. Anpassung an technologischen Wandel (Kapazität) Unternehmen B ist in demselben Markt tätig. Die Marktposition unterscheidet sich mit 6 % Marktanteil nur geringfügig von der des Unternehmens A. Das Management von Unternehmen B stellt bei der Analyse des Produkts auch den telefonischen Kundendienst als Kostentreiber fest. Allerdings hat eine Kundenbefragung ergeben, dass die Kunden als zusätzlichen Kanal einen Kundendienst per E-Mail erwarten. Die interne Abteilung kann diesen nicht in der erwarteten Zeit aufbauen. Unternehmen B entscheidet sich deshalb, die E-Mail-Korrespondenz des Kundenservices an einen externen Partner zu vergeben.
Marktbefragungen zeigen, dass heute in den Management-Etagen noch der einfache Schluss vorherrscht: „Outsourcing aus Kostengründen ist immer sinnvoll“. Aber das Beispiel oben zeigt, dass ein Unternehmen sich wesentlich genauere Gedanken über das Outsourcingpotenzial machen muss. Abbildung 26 zeigt, wie die Kombination aus Phase des Produktlebenszyklus und Ressourcenstrategie entscheidet, welche Gründe für eine BPO Entscheidung ausschlaggebend sind.
Ressourcen erhöhen Ressourcen beibehalten Ressourcen reduzieren Ressourcen einstellen
Einführungs- Wachstums- Reifephase Altersphase phase phase Kapazität Kapazität Kapazität n/a Qualität Kapazität Qualität Qualität Qualität Kosten Kosten Qualität Qualität Kosten Kosten Kosten n/a n/a n/a n/a
Abbildung 26: Gründe für BPO nach dem Produkt-Lebenszyklus
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Prozessgebundene Logik des BPO
Aber auch ein anderer Mythos hat sich inzwischen überlebt: „Unternehmen sollten strategische Funktionen selbst durchführen.“ Auch hier hilft ein Beispiel zur Verdeutlichung. Für die Banken in Deutschland ist im Privatkundengeschäft von strategischer Bedeutung, dass die Kunden das Gehaltskonto bei ihnen eröffnen. Dieser Schritt wird als wichtiger Einstieg in eine Kundenbeziehung verstanden. Mit dem Girokonto übernehmen die Banken auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs wie beispielsweise von Überweisungen. Folgt man oben dargestelltem Leitsatz, würden Banken diese Abwicklung nicht aus der Hand geben. Gerade in den letzten Jahren hat in der Branche verstärkt die Diskussion stattgefunden, eine Aufteilung in Banken mit Kundenkontakt und in große Transaktionsabwickler vorzunehmen. Was war der Grund? Leitet man aus der Erwartung der Endkunden, also der Kontoinhaber, die Bedeutung des Zahlungsverkehrs ab, so stellt man fest, dass diese einen „reibungslosen Zahlungsverkehr“ fordern. Unternehmen müssen also, um ihre Kunden zu binden, nicht den gesamten Zahlungsverkehr durchführen, sondern sich darauf konzentrieren, eine hohe Qualität des Zahlungsverkehrs sicherzustellen. Ein mögliches Vorgehen ist: Feststellen der Qualität aus Endkundensicht Definition der Anforderungen an „Zahlungsverkehr“ Prüfung der externen Vergabemöglichkeit (Was kann wie extern hergestellt werden?) Bewertung von internen und externen Kosten Entscheidung über Sourcing-Ansatz Um die Komplexität der Entscheidungsfindung zu erhöhen: Banken haben jetzt die Chance, im Zahlungsverkehr, obwohl dieser eine strategisch wichtige Rolle spielt, auf der Basis von Kostensenkungsmöglichkeiten zu entscheiden. Denn die beschriebenen Transaktionsabwickler sind in der Lage, den Zahlungsverkehr für viele Banken zu übernehmen und somit Größenvorteile zu erzielen. Diese Größenvorteile können dann im Rahmen eines Servicevertrags zwischen Bank und Transaktionsabwickler in den Preisverhandlungen weitergegeben werden. Die Beispiele zeigen, dass Entscheidungen über BPO vom gesamten Management im Rahmen der Strategieformulierung getroffen werden müssen. Eine Entscheidung des Finanzoder des Einkaufbereichs, aber auch des funktional verantwortlichen Managers, wird zu einem suboptimalen Ergebnis führen. Gerade hier gilt: „Doch der wesentliche Kern einer Strategie besteht in funktionsübergreifender, aktivitätsübergreifender Integration.“(Porter, 1997, S. 96). Es darf nicht nach dem Gebaren, dass aus vielen Stabsabteilungen bekannt ist, vorgegangen werden: „Doch in vielen Unternehmen gilt Strategie immer noch als etwas, was nur eine einzige Person vorgeben kann, oder als ein Prozess, der darauf hinausläuft, dass eine Marketing-Strategie und eine Produktionsstrategie und eine Finanzstrategie [im Falle eines BPOs die Beschaffungsstrategie(Anmerkung des Autors) ‚aufeinandergestapelt’ werden, um insgesamt die so genannte Wettbewerbsstrategie zu ergeben.“ (Porter, 1997, S.97)
Prozessgebundene Logik des BPO
81
Nach der Strategieformulierung beginnt das Management mit der Umsetzung der beschlossenen Strategie. Ein essenzieller Schritt ist dabei die Implementierung einer neuen Organisationsstruktur. Hierbei werden die Bereiche eines Unternehmens und die Aufgaben der einzelnen Mitarbeiter so angepasst, dass das in der Strategie formulierte Ziel -- das von den Mitarbeiter und den anderen Stakeholdern des Unternehmens mitgetragen oder idealerweise sogar mitentwickelt worden ist -- erreicht werden kann. Welche Implikationen dieses für BPO hat, wird zu einem späteren Zeitpunkt betrachtet. Zunächst beginnt die Betrachtung eines Unternehmens auf der Basis von Prozessen, anschließend wird diskutiert, wie diese Prozesse auf BPO-Potenzial analysiert und welche Vorteile und Risiken bei einer anschließenden Umsetzung betrachtet werden müssen.
3.
Funktionaler versus prozessualer Ansatz in der Organisation
Nachdem wir im vorherigen Kapitel betrachtet haben, warum BPO eine ganzheitliche strategische Entscheidung ist und welche Gründe für diese relevant sein können, werden wir uns im vorliegenden Kapitel mit der Beantwortung der Frage: “Warum Prozessbetrachtung und nicht Betrachtung von Unternehmensfunktionen?“ auseinander setzen. Dazu wird zuerst der Begriff von Funktionen in Unternehmen diskutiert und anhand der Entwicklungen in der Managementliteratur und der Unternehmenswirklichkeit gezeigt, dass Prozesse einen immer größeren Stellenwert einnehmen, wenn verstanden werden soll, welche Tätigkeiten in einem Unternehmen anfallen und betrachtet werden müssen. So werden zum Beispiel die strategischen Entscheidungen über Produkte innerhalb der einzelnen Phasen im Produktlebenszyklus heute in den meisten Unternehmen von einem Produktmanager vorbereitet. Diese Rolle gibt es erst seit 20 Jahren in Unternehmen, vorher wurden die Arbeitsschritte von der Beschaffung der Komponenten bis zum Verkauf des Produkts nicht integriert betrachtet. Unternehmen haben mit der Bestellung von Produktmanagern auf die Wichtigkeit der Koordination von Ablaufschritten reagiert und die Verantwortung für diese Prozesse in Stellen niedergeschrieben.
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3.1
Prozessgebundene Logik des BPO
Entwicklung von Organisationen
Grundsätzliche Organisationsstrukturen Zur Analyse von Unternehmen eignet sich als erster Schritt eine Betrachtung der Aufbauorganisation. Spricht man mit dem Management des Unternehmens über die Unternehmensstruktur, kommen sehr schnell Organigramme auf den Tisch. Diese tragen den Gedanken des Managements Rechnung, wie die anfallende Arbeit am besten organisiert sein sollte. Es gibt zwei Grundmodelle von Organisationen: Die funktionale Organisation Die divisionale Organisation
Management
ZentralZentral-
Vertrieb
Produktion
Abbildung 27:
Personal
funktionen funktionen Weitere Funktionen
Funktionale Organisation
Management
Geschäftsfeld Touristik
Geschäftsfeld Reisen
Geschäftsfeld Transport
ZentralZentralWeitere funktionen funktionen Geschäftsfelder
Abbildung 28: Divisionale Struktur Diese Grundmodelle finden sich in den meisten Unternehmen. Abhängig von der Größe der Unternehmen können sich diese Modelle auch mischen, so dass sich innerhalb der Geschäftsfelder eine funktionale Aufteilung nach Produktion, Vertrieb etc. findet. Wird ein Unterneh-
Prozessgebundene Logik des BPO
83
men größer, so finden sich neben dieser „reinen“ Bereichsstruktur weitere „Infrastrukturstellen“ wie Holdingstellen und Stabsstellen. Die folgende Abbildung 29 zeigt die Struktur eines globalen Konzerns.
Aufsichtsrat
Vorstand F&E
Zentraler Stab
Geschäftsfelder U.S.
GF Europa
Produkt A
Produkt B
GF Lateinamerika
GF Asien
Produkt C
Produkt D
Quelle: nach Wheelen/Hunger, 2002 Abbildung 29: Geografische Struktur eines multinationalen Konzerns Auch in dieser Darstellung befinden sich unterhalb der Produktebene die einzelnen Funktionen. Der Nachteil dieser vertikalen funktionalen Betrachtungsweise liest sich dann auch in den Stellenbeschreibungen. Jeder Mitarbeiter kennt genau die Aufgabe, die in seiner Stellenbeschreibung steht, aber es gibt keinen Verantwortlichen -- mit Ausnahme des Vorstands -- für das Gesamtergebnis.
Wertekette und Matrixorganisation als Werkzeuge der Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen Weiter oben wurden bereits die Wertschöpfungskette und ihre Bedeutung dargestellt Diese Methode wurde zu Beginn ihrer Einführung im Jahre 1985 primär zur Analyse von Funktionen benutzt: „The simplest way to begin an analysis of a corporation’s value chain is by carefully examining its traditional functional areas for potential strengths and weaknesses.” (Wheelen/Hunger, 2002, S. 87) Dies bedeutet noch keine Lösung vom funktionalen Denken und Handeln, allerdings bedeutet die Einführung der Wertekette die Sensibilisierung des Managements, während der Strategiefindung aktiv alle Funktionen und Teilfunktionen zu betrachten. Die Wertekette lenkt durch ihre grafische Darstellung der Funktionen auch den Blick der Betrachter auf horizontale
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Prozessgebundene Logik des BPO
Abläufe. Die Darstellung der sekundären Aktivitäten erfolgt bereits horizontal; die Betrachtung der primären Aktivitäten führt dazu, dass auch hier nicht nur die einzelnen Funktionen singulär analysiert werden. So sind das Management bzw. die unterstützenden Strategieentwickler aufgefordert, bei der Analyse der internen Unternehmensumwelt auch die Verbindungen zwischen den Funktionen zu betrachten, wenn auch noch nicht die Ablauforganisation im Sinne von ganzheitlichen Prozessen. „Examine the linkages within each products line’s value chain. Linkages are the connections between the way one value activity (for example, marketing) is performed and the cost of the performance of another activity (for example, quality control). In seeking ways for a corporation to gain competitive advantage in the marketplace, the same function can be performed in different ways with different results.” (Wheelen/Hunger, 2002, S. 86) Bei den bereits beschriebenen Organisationsformen gibt es also keine Position, deren Inhaber für ein Produkt von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Verkauf alle Schritte kennt und sich für die Koordination und die hohe Qualität des Ergebnisses verantwortlich fühlt. Die Wertekette und darauf aufbauende Forschungen haben aber bereits auf die Bewertung der Verbindungen hingewiesen. Gerade Unternehmen aus der Markenartikelindustrie haben dieses bereits in den 80er Jahren als wichtig erkannt und mit organisatorischen Maßnahmen reagiert. Produktmanager bzw. Markenverantwortliche wurden eingeführt, zuerst als Projektleiter bei der Neuentwicklung und -einführung von Produkten, später dann als dauerhafte Stellen in der Organisation. Mit Hilfe dieser Position wurde das Manko der funktionalen Organisation gemildert, denn diese Mitarbeiter dienen als Integratoren der Abläufe über Funktionsgrenzen hinweg. Die Mitarbeiter beispielsweise in der Produktion können Weisungen sowohl vom Produktionsleiter als auch vom Produktmanager entgegennehmen. Konflikte über Prioritäten und Ressourcenzuweisungen werden dann gemeinsam gelöst. Diese Organisationsform wird Matrixorganisation genannt
Management
Produktion
Vertrieb
Produkt A
Produkt B
Abbildung 30: Matrixorganisation Beispiele für Firmen, die mit der Einführung von Produktmanagern in einer Matrixfunktion erfolgreich waren, sind Nestlé, Henkel und vor allem Procter & Gamble.
Prozessgebundene Logik des BPO
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Ein Produktmanager kann mit Hilfe einer Analyse aller primären und sekundären Aktivitäten der unternehmensinternen Wertekette darstellen, welche Aktivitäten in welchem Umfang zur Erhöhung des Unternehmenswerts beitragen. Die Analyse selbst zeigt, welche Relevanz die jeweilige Funktion für das entsprechende Produkt hat. Zur Entscheidungsfindung kann dem Anteil an der Wertschöpfung der Anteil an den Kosten gegenübergestellt werden. Allerdings muss in dieser Bewertung dann auf Effekte geachtet werden, die in den oben dargestellten Verbindungen zwischen den Aktivitäten auftreten können. Stellt man beispielsweise auf Basis der Analyse die Forschung ein, weil Forschung 5 % der Wertschöpfung, aber 20 % der Kosten ausmacht, muss darauf geachtet werden, ob sich die Kosten für die Produktion erhöhen, weil bestimmte Technologien nicht mehr erforscht werden. Des Weiteren muss analysiert werden, ob die Forschungsergebnisse für dieses eine Produkt die Herstellung von weiteren Produkten vereinfachen. Drittens muss die strategische Fragestellung beantwortet werden, ob das Einstellen der Forschung den Zugang zu Schlüsseltechnologien verhindert. Die Entscheidung des Managements muss also auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtung und nicht auf Basis der Betrachtung dieser einen Funktion erfolgen. Nachdem die Analyse der unternehmensinternen Wertschöpfungskette den jeweiligen Anteil des Arbeitsschritts dargestellt hat, führen die daraus folgenden strategischen Fragestellungen zu den oben genannten drei BPO-Gründen:
IT
Vertrieb
Marketing
Logistik
Produktion
Einkauf
Entwicklung
Forschung
0
5
10
15
20
25
30
35
Wertschöpfung in %
Abbildung 31: Wertschöpfung der einzelnen Aktivitäten der Wertekette (Beispiel)
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Prozessgebundene Logik des BPO
Anteil an der Wertschöpfung
Strategische Fragestellung
Hoch
Wie können wir diesen Prozess schneller, häufiger etc. durchführen
Kapazität
Mittel
Wie können wir die effiziente Abwicklung des Prozesses sicherstellen
Qualität
Gering
Wie können wir unsere Kosten senken?
Kosten
Grund für ein mögliches BPO
Abbildung 32: Gründe für BPO in Abhängigkeit von Wertschöpfungsanteil Oder anders ausgedrückt: Bei einem hohen Anteil der Arbeitsschritte an der Wertschöpfung greifen wir zum BPO, wenn wir die Leistungen nicht erstellen können. Bei einem niedrigen Anteil der Arbeitsschritte an der Wertschöpfung greifen wir zum BPO, weil wir die Leistungen nicht erstellen wollen. Bei einem mittleren Anteil der Arbeitsschritte an der Wertschöpfung müssen wir genauer analysieren und greifen nur dort zum BPO, wo eine solche Maßnahme die Qualität verbessern kann. Die Ablauforganisation des Unternehmens erhält durch die Betrachtung der Wertekette und die organisatorischen Implikationen eine hohe Bedeutung. Unternehmen haben in den letzten Jahren vermehrt das Prozessmanagement als Methode entdeckt, um diese Betrachtung in einer standardisierten Weise durchzuführen.
3.2
Prozessmanagement als ergänzende Sichtweise auf Organisationen
Prozessmanagement bedeutet in dem vorliegenden Buch die Betrachtung und Optimierung der Ablauforganisation. Ein Prozess wird als ein Bündel von integrierten, also aufeinander folgenden Arbeitsschritten verstanden. Das Durchschreiten dieser Bündel kann entweder funktionsübergreifend oder innerhalb einer Funktion stattfinden, wobei Funktionen im oben dargestellten Sinne Teile der Organisationsstruktur sind. Währenddessen wird aus einem Input durch Transformation ein Ergebnis. Diese Transformation ist gleichzusetzen mit dem Begriff des Prozesses. Beispiele für Prozesse aus dem Bereich der Dienstleistung Customer Care können sein:
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Mitarbeiterschulung als Beispiel für einen funktionsübergreifenden Prozess 1.
Bedarfsermittlung durch den Fachvorgesetzten in der Produktion
2.
Abgleich zwischen Bedarf und Weiterbildungsangeboten durch den Fachvorgesetzten gemeinsam mit der Personalabteilung
3.
Festlegung der Weiterbildung in einer Gruppenschulung durch den Fachvorgesetzten gemeinsam mit der Personalabteilung
4.
Information an die Personaleinsatzplanung durch den Fachvorgesetzten
5.
Planung der Schulungsmaßnahme durch den Personaleinsatzplaner
6.
Durchführung der Schulungsmaßnahme durch den Trainer
7.
(Optional): Lernkontrolle durch Fachvorgesetzten oder Trainer
Das telefonische Kundengespräch als Beispiel für einen Prozess innerhalb einer Funktion (hier: Produktion/Operations) 1.
Anrufannahme durch den Mitarbeiter
2.
Ermittlung des Kundenwunsches durch den Mitarbeiter
3.
Beratung des Kunden durch den Mitarbeiter
4.
Beendigung und Dokumentation des Gesprächs durch den Mitarbeiter
Der dargestellte Prozess der Mitarbeiterschulung macht zwei wichtige Punkte der Prozessanalyse deutlich: Erstens können mehr als zwei Funktionen an dem Prozess beteiligt sein. Im vorliegenden Fall können es bis zu vier Funktionen sein. Zweitens ist es irrelevant, ob diese Arbeitsschritte primäre oder sekundäre Aktivitäten in der Wertekette betreffen. Oben dargestellter Prozess betrifft beide Arten von Aktivitäten. Bei der Prozessdarstellung muss aber ein verstärktes Augenmerk auf die Vollständigkeit der Prozesse sowie die erwarteten Inputs und Outputs gelegt werden und der Prozess in einer sinnvollen nachvollziehbaren Weise vollständig dargestellt werden. Am Beispiel der Mitarbeiterschulung bedeutet das: Als Output oder Ergebnis des Prozesses wird ein geschulter Mitarbeiter erwartet. Es kann aber auch als Ergebnis ein Mitarbeiter, der das Gelernte auch anwenden kann, erwartet werden. Diese verschiedenen Ergebnisse stellen an den Prozess und die Inhalte der einzelnen Arbeitsschritte unterschiedliche Anforderungen. Das Management des Unternehmens muss sich über die Qualität des Ergebnisses einig sein, denn nur dann wird die Relevanz des jeweiligen Prozesses in einer Entscheidung über Ressourcen und Ort der
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Durchführung (extern oder intern) richtig bewertet. Die Relevanz der unterschiedlichen Ergebnisdefinition kann anhand eines Beispiels verdeutlicht werden.
Unterschiede im Prozessoutput am Beispiel des telefonischen Kundengesprächs Kundenbegeisterung oder Verkauf? Und wie mache ich das klar? Die einzelnen Arbeitsschritte des Prozesses sind allen Beteiligten klar, schließlich sind sie ja dokumentiert. Aber spätestens in der Kommunikation mit den Mitarbeitern, die den Prozess durchführen sollen, treten dann doch Fragen auf. Und hier muss das Management dann die Intention klar kommunizieren. Kommt der Mitarbeiter bei der Beratung des Kunden beispielsweise zu dem Schluss, dass das geeignete Produkt für den Kunden nicht vorrätig ist oder das es das Produkt in einem anderen Vertriebskanal preiswerter gibt. Folgende Fragen können dann auftauchen: - „Was mache ich, wenn der Kunde nicht kaufen will, sondern nur eine Beratung wünscht?“ - „Verweise ich den Kunden ins Internet, weil es das da billiger gibt?“ - etc. Die Antworten sind jetzt von den Zielen und der Kundenkontaktstrategie des Managements abhängig. die Antworten können lauten: 1. „Das müssen Sie doch merken, womit der Kunde zufrieden ist.“ 2. „Der Kunde will doch kaufen, warum hat er sonst angerufen. Also verkaufen Sie ihm etwas!“ 3. „Unsere Kunden wollen vor allen Dingen eine kompetente Auskunft. Und die geben Sie ihm. Selbst wenn das bedeutet, dass Sie nichts verkaufen.“ 4. „Wenn Sie den Kunden von den Vorteilen des sofortigen Verkaufs überzeugen, dann haben Sie die richtige Beratung durchgeführt. Und normalerweise kauft er dann auch etwas.“ Diese Erwartungshaltungen unterscheiden sich in einigen Dimensionen: Sie sind unterschiedlich konkret, sie geben den Mitarbeitern unterschiedliche Handlungsanweisungen und die Entscheidungsfreiheit für die Mitarbeiter ist unterschiedlich. Aber abhängig davon werden sich die Mitarbeiter auch unterschiedlich verhalten. Also wird das Ergebnis über die Aussagen bestimmt, und die Ziele des Unternehmens für diesen Prozess sollten damit in Einklang stehen. Wenn ein Unternehmen Antwort 2 gewählt hat, dann sollte das wichtigste Ziel für diese Gespräche die Verkaufsquote sein. Ist es stattdessen die Gesprächszeit, dann wird ein Konflikt auftreten. Diese Hinweise erhalten bei einem BPO-Ansatz zusätzliches Gewicht. Wenn dieser Prozess des Kundengesprächs an einen externen Dienstleister vergeben worden ist, dann müssen diese Antworten und die damit kongruierenden Ziele verbindlich festgeschrieben
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werden. Und in dieses Konstrukt kann dann nicht ständig spontan eingegriffen werden, um neue Zielausrichtungen abzubilden. Ebenso schmerzhaft sind die Erfahrungen bei ungenauer Definition von Prozess und Ergebnis. Denn dann werden zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer einige Diskussionsrunden stattfinden müssen, bis die Qualität der Kundengespräche dem Ziel des Auftraggebers und den Erwartungen der Kunden entspricht.
Die vollständige Darstellung ist eigentlich selbstverständlich, aber gerade in einer komplexen, funktionsübergreifenden Prozesswelt ist es nicht zu vermeiden, dass im ersten Schritt nicht alle Prozessschritte beachtet werden. Bei genauerem Hinsehen zeigt schon das Vorgehen bei der Dokumentation eine Fehlerquelle. Mitarbeiter, die Prozesse dokumentieren, sind in den meisten Unternehmen nicht identisch mit denen, die Prozesse durchführen; oft genug wird auch externe Unterstützung in Anspruch genommen. Die Zusammenarbeit zwischen diesen Personengruppen findet häufig in Interviews bzw. Workshops mit anschließender Dokumentation statt. Diese Art der Darstellung von Prozessen „aus zweiter Hand“ unterliegt den Problemen der Kommunikation. Folgende Fragen müssen während der Phase der Prozessdokumentation „im Hinterkopf behalten“ werden: Sind alle Prozessschritte genannt worden oder hat der Mitarbeiter einige nicht genannt? Hier sind zwei Dinge besonders zu beachten. Prozesse werden häufig intuitiv durchgeführt, Mitarbeiter erwähnen solche Selbstverständlichkeiten nicht. Auf der anderen Seite schwingt häufig bei Mitarbeitern die Sorge mit, dass die Wissensweitergabe mit Machtverlust, Ersetzbarkeit und der größeren Möglichkeit der „Wegrationalisierung“ einhergeht. Sind alle Prozessschritte vom Gegenüber gehört worden oder hat die (gleichzeitige) Dokumentation Teile der Schilderung überlagert? Es kann durchaus sinnvoll sein, die Dokumentation von der Interaktion zu trennen. Dies erfordert aber einen höheren Ressourceneinsatz, es kommt jetzt eine dritte Person zum Gespräch hinzu. Hat der „Interviewer“ alle Prozessschritte inhaltlich und qualitativ verstanden? Dies ist die interne Qualitätskontrolle des Interviews. Ein einfaches Beispiel: Haben alle Teilnehmer das gleiche Verständnis von benutzen Abkürzungen und sind diese innerhalb der Prozessdarstellungen eindeutig? Beinhaltet die Dokumentation alle verstandenen Prozessschritte? Zur Überprüfung der Dokumentation wird neben der Kontrolle, dem Review, durch den Interviewten häufig auch das Instrument der Beobachtung eingesetzt. Reviews bergen die Herausforderung in sich, dass jetzt der eigentliche Wissensträger sich mit einer für ihn ungewohnten und nicht vertrauten Art der Darstellung auseinander setzen muss. Beobachtungen können immer nur ergänzenden Charakter haben, nicht alle Prozessschritte oder Tätigkeiten (z. B. basiert der Arbeitsschritt „Ermittlung des Kundenwunsches“ im Prozess „Kundengespräch“ teilweise auf angewandtem Wissen des Mitarbeiters, dieses kann nicht beobachtet werden) finden beobachtbar statt. Das weiter oben bereits erwähnte Business Process Engineering verstärkt den Druck auf das Prozessmanagement und die sorgfältige Dokumentation. Benutzt man Business Process En-
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gineering als Managementmethode „Reengineering“, so wird die Schlüsselfrage gestellt: „Wenn wir dieses Unternehmen mit dieser Wertekette heute neu aufbauen würden, welche Prozesse wären am besten geeignet?“ Diese Methode wird in Zeiten eingesetzt, in denen eine große Veränderung notwenig wird, um Ziele in den Bereichen der Kostenstruktur, der Produktqualität oder der Durchlaufzeiten zu erreichen. Ein entscheidender Vorteil ist hier, dass nicht nur an einem bestehenden Prozess Änderungen zur Effizienzsteigerung stattfinden, sondern auf Grund des gedanklichen Neuanfangs sowohl größere Kreativität als auch neueste technologische Erkenntnisse einfließen können. Mit diesem Ansatz kann ein Unternehmen sich auch auf eine strukturierte, konzeptionelle Art mit den Herausforderungen der Prozessinnovation auseinander setzen. Prozesse können so ohne Beachtung von gewachsenen Traditionen, Rahmenbedingungen oder anderen Einschränkungen neu erdacht und designed werden. Gerade die dabei entstehenden Prozesse müssen aber analog der oben aufgezeigten Fragen bewertet werden, sonst besteht die Gefahr, dass die neuen Prozesse zwar schlanker sind, aber leider nicht mehr zu denselben Ergebnissen (z. B. einer hohen Produktqualität) führen. Auch ist Business Reengineering eine mögliche Grundlage für ein BPO-Projekt. Denn das Ergebnis kann sehr gut als Grundlage für die Entscheidung darüber, wie Prozesse aufgeteilt werden können und welche Arbeitsschritte dann von wem wo erbracht werden, genutzt werden. Hier gilt es aber mehr denn je darauf zu achten, dass aus Gründen der Innovation und der Verschlankung es nicht zu Problemen in der Prozessdurchführung kommt. Ein Unternehmen muss also durch Simulation, Expertenreview oder intensive Befragungen der betroffenen Mitarbeiter die Prozessveränderungen oder die neu entstandenen Prozesse auf Durchführbarkeit untersuchen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass zwei Projektergebnisses miteinander vermengt werden und die einzelnen Effekte nicht klar erkennbar sind. Es kann dann vorkommen, dass auf Grund der auftretenden Risiken aus einem nicht qualitativ hochwertigen Business-Reegineering-Projekt (BRP) nicht nur die Vorteile des BPO-Projekts nicht realisiert werden, sondern die BRP-Risiken Gründe für das Eintreten von Risiken des BPOProjekts liefern. Eine genaue Diskussion des generellen Projektmanagements und Hinweise über ein Zusammenfassen oder ein Entzerren der einzelnen Projekte werden im Abschnitt 3 aufgezeigt. Des Weiteren sollte sich die Unternehmensführung erneut vor Augen halten, aus welchen Gründen das BRP- und das BPO-Projekt durchgeführt werden sollen: Kosten, Qualität oder Kapazität.
3.3
Fazit
In den meisten größeren Unternehmen findet man heute sowohl eine Darstellung der Aufbauorganisation in Organigrammen als auch eine Darstellung der Ablauforganisation in der Form einer Sammlung von Prozessdokumentationen.
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Eine alleinige Darstellung von Unternehmen als Bündel von Prozessen ist nicht sinnvoll. Diese Darstellungen dienen neben dem Verständnis für das Unternehmen auch immer einem weiteren Zweck, nämlich der Kommunikation z. B. zwischen Management und Mitarbeitern. Ausschließlich auf der Basis diverser Prozessdarstellungen zu kommunizieren verringert die Lesbarkeit einer Präsentation, erhöht damit die Komplexität unnötig und ist zur Definition des jeweiligen „Standorts“ nicht notwendig. Das Bindeglied zwischen diesen beiden Darstellungen findet man auf der Mitarbeiterebene. Jeder Mitarbeiter innerhalb dieser Strukturen besetzt eine Stelle. Für jede dieser Stellen existiert eine Stellenbeschreibung. In dieser sind die Aufgaben, die Kompetenzen und die Verantwortung festgehalten. Gerade die Aufgaben lassen sich aus den Prozessen ableiten, denn eine sinnvolle Hintereinanderreihung aller Aufgaben aus allen Stellenbeschreibungen ergibt die Prozessdarstellung aller Prozesse des Unternehmens. Dabei ist dann nicht relevant, ob die Mitarbeiter Angestellte der eigenen Organisationseinheit, eines Shared Service Center oder eines externen Dienstleisters sind. Hat ein Unternehmen diese Hausaufgaben in der Organisation erledigt, kann das Management jetzt auf Basis dieser Dokumentationen die Veränderungen in den Prozessen analysieren und darauf reagieren.
4.
Standardisierung und Industrialisierung von Prozessen
4.1
Standardisierung von Prozessen – Kontrolle und Austauschbarkeit
Prinzipien der Koordination in Unternehmen Nach Mintzberg gibt es fünf Grundprinzipien, mit deren Hilfe die Koordination von Aufgaben in einem Unternehmen vorgenommen werden kann: „Five coordinating mechanisms seem to explain the fundamental ways in which organizations coordinate their work: mutual adjustment, direct supervision, standardization of work processes, standardization of work outputs, and the standardization of worker skills. These should be considered the most basic elements of structure, the glue that holds organizations together.” (Mintzberg, 1983, S. 4)
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„Mutual Adjustment“ bedeutet, dass die Koordination innerhalb der Organisation über Kommunikation und daraus resultierende Abstimmung zwischen den Mitarbeitern stattfindet. Diese findet sich vor allen Dingen in kleinen Organisationen. Die Kommunikation läuft hier nicht standardisiert oder formal ab, sie findet zum Beispiel bei einen Friseur informell und fallweise statt. So ist bei einem Friseurbesuch zwar schon häufig der Name des „Haareschneiders“ bekannt, aber wer die Haarwäsche durchführt, wird geklärt, wenn der Arbeitsschritt gerade ansteht. Gleichzeitig findet man diese Art der Koordination aber auch bei sehr komplexen Abläufen, bei denen viele anspruchsvolle Arbeitsschritte koordiniert werden müssen. Häufig ist das Ergebnis des Ablaufs zu Beginn sehr grob definiert und wird erst, während die einzelnen Arbeitsschritte durchgeführt werden, für alle Teilnehmer klar erkennbar. Häufig ist z. B. in der Arzneimittelforschung zwar ein Ziel erkennbar („Wir wollen ein Mittel gegen XYZ entwickeln.“), der Weg dahin kann aber nur beschritten werden, wenn die Forscher sich durch den ständigen Austausch von Arbeitschritten und Ergebnissen koordinieren. Bei „direct supervision“ übernimmt ein Mitarbeiter die Verantwortung für die Koordination aller Mitarbeiter, die Organisation benötigt eine Hierarchie; es wird eine Führungskraft benannt und mit Weisungsrechten ausgestattet. Diese Form der Koordination etabliert sich, wenn die Organisation wächst. Wächst der Friseurbetrieb über eine gewisse Größe, so wird häufig der Firmeninhaber zur Führungskraft in der Organisation. Er entscheidet darüber, welcher Mitarbeiter den „Kunden ohne Termin“ bedient. Die Entscheidung, wer den Arbeitsschritt des Haarewaschens übernimmt, wird ebenfalls nicht durch informelle Kommunikation bestimmt, sondern in vielen Fällen wird der Auszubildende von der Führungskraft zur Durchführung bestimmt. In beiden dargestellten Koordinationsmethoden findet der Zeitpunkt der Koordination an der Stelle im Prozess statt, an der die Entscheidung getroffen werden muss. Koordination und Durchführung des Prozesses können (aber müssen nicht) gleichzeitig stattfinden. Werden Aufgaben und Prozesse komplexer, kann es für das Ergebnis eines Prozesses von Nachteil sein, Entscheidungen immer ad hoc zu treffen. So kann die Einigung auf ein Vorgehen nicht gelingen (Mutual Adjustment), die Kommunikation über Hierarchieebenen zu lange dauern oder die Entscheidung auf Grund falscher Fakten getroffen werden (Direct Supervision). In Organisationen treffen Führungskräfte deshalb viele Entscheidungen über Koordination von Arbeit bereits vor dem Start des Prozesses. Es werden also von Führungskräften Vorgaben entwickelt. Diese Vorgaben können drei Themenfelder betreffen: 1. Prozesse (Wie soll die Arbeit getan werden?) 2. Ergebnisse (Was soll erarbeitet/produziert werden?) 3. Fähigkeiten/ Wissen (Welche Mitarbeiter sollen an dem Prozess beteiligt werden? Die Standardisierung von Arbeitsprozessen ist eine Art der Koordination von Mitarbeitern, die von vielen Führungskräften in großen Unternehmen innerhalb der Auswahl von Standardisierungsmöglichkeiten bevorzugt wird. Die Standardisierung kann sehr eng gefasst sein, d. h., alle Arbeitsschritte sind bis das kleinste Detail vorgeschrieben. Als bekanntestes Bei-
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spiel kann die Fließbandproduktion angesehen werden. Dort wird den Mitarbeitern jeder Handgriff sowie die Dauer dieses Handgriffes vorgeschrieben. Ein Beispiel ist auch das oben dargestellte Kundengespräch. Den Mitarbeitern im Customer-Care-Bereich wird die Durchführung dieses Gesprächs in Skripten oder Gesprächsleitfäden vorgegeben. Ebenso existiert ein Richtwert für die Gesprächsdauer. Zunehmend hält diese Art der Koordination auch in den administrativen Funktionen eines Unternehmens Einzug. So findet man in vielen Buchhaltungen Handbücher und Vorschriften, in welcher Art und Weise Vorgänge gebucht werden müssen. Ein Entscheidungsspielraum für Mitarbeiter ist in den aufgezeigten Fällen fast nicht mehr existent. Ein Mitarbeiter am Fließband kann nicht entscheiden, Dichtungen in anderer als der vorgesehenen Technik einzubauen. Die Standardisierung von Prozessen kann aber auch weit gefasst sein. In diesen Fällen existieren zwar Richtlinien über Prozesse, diese haben auch normativen Charakter, allerdings wird nicht jeder Arbeitsschritt detailliert vorgeschrieben. Im Bereich des Business-to-Business-Vertriebs existiert in vielen Firmen die Vorgabe des Quartalsgesprächs und der Dokumentation dieses Gesprächs in einem standardisierten Formular, die Herangehensweise und die Durchführung dieser Gespräche liegt im Entscheidungsspielraum des Vertriebsmitarbeiters. Bei der Standardisierung von Prozessergebnissen in einem Unternehmen werden nicht der Ablauf und Inhalt der einzelnen Arbeitsschritte festgeschrieben, sondern es werden klare Messpunkte zwischen den einzelnen Arbeitsschritten und am Ende des Prozesses festgelegt. Generell sind damit die Grenzen für den Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter nicht so eng gezogen wie bei der Standardisierung von Arbeitsprozessen. Beispiele sind teilautonome Arbeitsgruppe in der Produktion. Hierbei wird den einzelnen Teams vorgeschrieben, was in welcher Qualität produziert werden soll und welche Dauer der Prozess hat, wie der Produktionsprozess im Detail ablaufen soll, wird allerdings im Team entschieden. Im Managementbereich findet man diese Art der Standardisierung in dem Managementprinzip „Management by Objectives“ (MBO). Hier werden Mitarbeiter und Führungskräfte regelmäßig nach dem Erreichen bestimmter Kennzahlen bewertet. Dies kann rein nach finanziellen Kennzahlen durch eine Gewinn- und Verlustrechnung geschehen. Eine Alternative zu dieser Betrachtung bietet sich mit der Beurteilung anhand einer Balanced Scorecard (BSC) an. Innerhalb dieser BSC werden insgesamt vier Ergebnisdimensionen betrachtet. Neben den Finanzen sind dies Produktion, Mitarbeiter und der Markt. Unabhängig von der Betrachtungsweise findet man bei diesem Vorgehen auch nur eine Standardisierung der Ergebnisse, in diesem Fall durch allgemein gültige Kennzahlendefinition. So werden regionale Manager in einer internationalen Struktur nach den gleichen Kennzahlen beurteilt, allerdings kann die Ausprägung der Kennzahlen unterschiedlich sein, und der Weg zum Erreichen der Kennzahlen wird vom Vorstand nicht vorgeschrieben. Zur Standardisierung von Fähigkeiten und Wissen als Mittel der Koordination und Kontrolle von Organisation greifen Führungskräfte, wenn weder Prozesse noch Arbeitsergebnisse standardisiert werden können. Analogien lassen sich hier zum Sport ziehen. Eine Fußballmannschaft hat zwar einen Trainer und einen Kapitän, doch direkte Weisung kann während eines Spiels nur begrenzt stattfinden. Prozesse werden in der Form von Spielzügen geübt, Ergebnisse in der Form von Siegen gewünscht. Tatsächlich liegt ein Großteil des Erfolgs im Üben
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und Verbessern der Fähigkeiten der Spieler in den Trainings. Denn dann weiß jeder Spieler in den entscheidenden Situationen, was er zu tun hat und wie die Mitspieler reagieren. Man redet dann von „blindem Verständnis“. In Unternehmen finden sich die Beispiele für die Standardisierung von Fähigkeiten und Wissen in Form von Stellenbeschreibungen. Dort werden Anforderungen an den Stelleninhaber dargestellt, dies kann von der Schulbildung über absolvierte Weiterbildungsmaßnahmen bis zu Fähigkeiten und Wissen, das über Erfahrungen in bestimmten Aufgabenstellungen („fünf Jahre Projektmanagement im SAP-DW-Umfeld“) erworben worden ist, reichen. „As organizational work becomes more complicated, the favoured means of coordination seems to shift from mutual adjustment to direct supervision to standardization, preferably of work processes, otherwise of outputs, or else of skills, finally back to mutual adjustment.“ (Mintzberg, 1983, S. 7) Zur Verdeutlichung kann das Beispiel der Fußballmannschaft beitragen. Wenn die Situation sehr komplex und wichtig wird (z. B. ein Freistoß kurz vor dem 16-Meter-Raum), dann stimmen sich die Spieler direkt ab, welcher Spieler den Freistoß ausführt.
Standardisierung als geeignetes Mittel der Koordination und Kontrolle Was sind die Treiber für den Anstieg dieser Komplexität in Unternehmen? Was muss analysiert werden, wenn für eine bestimmte Fragestellung das „richtige“ Prinzip der Koordination gesucht wird?
-
+
Komplexität der Koordination
• Standardisierung von …
… Prozessen • gegenseitige Abstimmung
… Ergebnissen
… Fähigkeiten
• Direkte
• gegenseitige
Anweisung
Abstimmung
Abbildung 33: Organisatorische Koordinationsprinzipien nach Mintzberg
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Zwei Themenbereiche können betrachtet werden, um die Komplexität zu bewerten: Unternehmensgröße Anzahl und Art der Arbeitsschritte pro Mitarbeiter Je größer ein Unternehmen wird, desto komplexer wird die Koordination. Direkte Anweisung ist bei Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern möglich, so kann ein Friseursalon durchaus von einer Person geführt werden. Wird daraus aber auf Grund des Erfolges eine Kette von Friseursalons, so kann diese Einzelperson nicht mehr alle Mitarbeiter beeinflussen. Damit aber der Erfolg nicht verloren geht, werden Vorgaben eingeführt, dahingehend, wie die Leistung erbracht wird (Prozess), mit welcher Frisurqualität der Kunde den Salon verlässt (Ergebnis) oder welche Fortbildungen die Mitarbeiter besucht haben müssen (Fähigkeiten). Die Betrachtung der Art und Anzahl der Arbeitsschritte wird besonders im Bereich der Standardisierung notwendig. Die Anzahl der Arbeitsschritte kann nach einer Prozessdokumentation einfach ermittelt werden. Mit Art ist gemeint, dass jeder Arbeitsschritt auf seine beobachtbaren Bestandteile hin analysiert werden sollte. Sind alle Bestandteile beschreibbar, so kann der Prozess standardisiert werden. Sind die Bestandteile nicht beobachtbar, so wird der Dokumentierende nicht vorrangig den Prozess dokumentieren, sondern vor allen Dingen auf die Standardisierung der Fähigkeiten Wert legen. Strategiefindung (z. B. die Bewertung von Business Process Outsourcing) ist ein solcher Prozess. Das Vorgehen wird über Leitfäden und Zeitvorgaben standardisiert, das Ergebnis wird über Vorgabe von Layouts und MussBestandteilen (z. B. eine Wirtschaftlichkeitsrechnung über fünf Jahre) eingeschränkt, aber die klarste Vorgabe ist die Bestimmung der Teilnehmer an dem Prozess über Fähigkeiten (Unternehmensberater oder Planungsstäbe) und Wissen (Führungskräfte). Während die Analyse der Unternehmensgröße einfach zu handhaben ist, ist gerade die Art der Arbeitsschritte nicht leicht zu betrachten. Zunächst haben wir es mit Hilfe der Beobachtbarkeit getan. Was ist aber relevant für Beobachtbarkeit? Hier muss der Anteil von Informationen, also der immaterielle Anteil, der in die Arbeitsschritte und in das Ergebnis einfließt, berücksichtigt werden. Dies und die Veränderung durch die heutigen Technologien wurden bereits untersucht. Zuvor wird noch die Notwendigkeit der Reduktion der Komplexität durch Unternehmen dargestellt, damit der Rahmen für die Betrachtung von Outsourcingpotenzialen in den folgenden Kapiteln gesteckt ist. Was bedeutet Komplexität für Führungskräfte? Je komplexer die Koordination der Zusammenarbeit in einem Unternehmen wird, desto höher wird der Zeit- und Ressourceneinsatz, den eine Führungskraft aufwenden muss. Oder das Unternehmen muss mehr Führungskräfte beschäftigen. Bei gegenseitiger Abstimmung ist keine Steuerung notwendig, während die Standardisierung von Fähigkeiten und Wissen einer intensiven Betreuung durch das Unternehmen bedarf. Der Friseursalon mit zwei Mitarbeitern besteht also aus zwei gleichberechtigten Partnern, während der Strategieentwicklungsprozess nicht ohne intensive Mitarbeit und Steuerung einer Führungskraft auskommt. Die Steuerung über Standardisierung von Fähigkeiten birgt für Unternehmen zwei Problemfelder. Die hohe Betreuungsintensität zwingt ein Unternehmen in eine schlechte Kostensitua-
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Prozessgebundene Logik des BPO
tion. Bei einer Standardisierung von Fähigkeiten und Wissen wird ein Unternehmen eine andere Führungsspanne haben als bei der Standardisierung von Prozessen. Während es im Business-to-Business-Vertrieb durchaus üblich ist, dass ein Bereichsleiter fünf Mitarbeiter führt, wäre dasselbe Verhältnis an einem Fließband desaströs. Dort sind Führungsspannen von 1:20 oder höher an der Tagesordnung. Das zweite Problemfeld betrifft den Verlust der Kontrolle. Je höher der Anteil von Fähigkeiten und Wissen an einzelnen Arbeitsschritten, desto schwieriger ist die Überprüfung der Prozess- und Ergebnisqualität. Bei einem Prozess wie der Strategieentwicklung, der selten durchgeführt wird, wird dies von Unternehmen toleriert. Aber bei Prozessen, die häufig durchlaufen werden, bringt dies ein Unternehmen in eine Krise. Unternehmen müssen versuchen, einen Großteil ihrer häufig wiederkehrenden Prozesse zu standardisieren, da sie sonst die Kontrolle über Kosten und Qualität verlieren. Im Bereich der fertigenden Industrie hat dieses Denken schon vor langer Zeit mit Einführung des Fließbands durch Henry Ford stattgefunden, mit Hilfe des Prozessmanagements und anderen Managementmethoden hält dieses Denken aber auch zunehmend in Bereichen von Arbeitsschritten mit einem hohem immateriellen Anteil Einzug. Das oben dargestellte telefonische Kundengespräch im Customer Care ist ein typisches Beispiel. Vor einigen Jahren noch war das telefonische Kundengespräch eine Kunst. Die Kundenberater waren davon überzeugt, dass Erfahrung, Wissen und Fähigkeiten bei der Bedarfsanalyse den höchsten Stellenwert einnehmen: „Ich weiß doch, was mein Kunde will; das höre ich doch schon in den ersten Sätzen heraus.“ Das hat sicherlich bei Telefonaten mit komplexen Fragestellungen wie der Entstörung eines Großrechners seine Richtigkeit, dort basiert die Problemanalyse tatsächlich auf dieser „Kunst“. Folgendes Beispiel zeigt anhand einer Analyse der Prozesszeiten, welche Verbesserungspotenziale durch eine Standardisierung der Prozesse gehoben werden können, wenn die richtigen Schlüsse aus den Analyseergebnissen gezogen werden.
Prozesszeiten in der Störungsannahme Abbildung 34 zeigt die durchschnittlichen Gesprächszeiten pro Mitarbeiter in einer Störungsannahme. Die Rahmenbedingungen für die Analyse: Die Problemstellung war in den jeweiligen Prozessen gleich. Die einzelnen Mitarbeiter hatten annähernd gleiche Quoten von gelösten Kundenproblemen, und die Kundenzufriedenheit lag für alle Mitarbeiter bei ähnlichen Werten. Die Stichprobe für jeden Mitarbeiter war gleich groß. Die Unternehmensleitung bat um Vorschläge, ob die Produktivität der Mitarbeiter (in diesem Unternehmen gemessen in Calls pro Stunde) nicht erhöht werden könnte. Die Verantwortlichen für den Customer-Care-Bereich entschlossen sich zu einer Beobachtung und Analyse der Gesprächszeiten.
Durchschnitte Durchschnitte Gesprächszeit Gesprächszeitini sec.
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400 300 200 100 0 A B C D E F G H Agent
Abbildung 34: Ergebnis der Gesprächzeitmessung Das Ergebnis zeigt einen Mittelwert für die Gesprächszeiten von 235 Sekunden und einer Abweichung sowohl nach oben als auch nach unten von ungefähr 25 %. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde beschlossen, die Störungsannahme nicht mehr nur mit Mitarbeitern zu besetzen, die über ähnliche Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, sondern auch die Prozesse der Störungsannahme und Problemlösung zu standardisieren. Dazu wurden die zuvor beschriebenen Maßnahmen ergriffen. Auf Grund der Analyse wusste man jetzt, welche Mitarbeiter produktiver waren als die anderen, ohne allerdings eine qualitativ schlechtere Leistung abzubilden. Deshalb war auch die Beschreibung der Rahmenbedingungen wichtig. Man wollte hier nicht den Fehler begehen, die Prozesse schlanker zu designen und dabei die Qualität der Anrufe aus dem Bereich der Kundenzufriedenheit absacken zu lassen. Das hätte dann zwar die Produktivität erhöht, aber die kaufmännischen Erwartungen der Unternehmensleitung wären nicht erfüllt worden. Denn es ist anzunehmen, dass zeitgleich die Anzahl der Beschwerdeanrufe zugenommen hätte.
Im Zug der Erhöhung der Häufigkeit von Prozessen mit Problemanalyse wie z. B. einer Störung des Internetzugangs kann die Problemanalyse nicht den Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter überlassen werden. Die Gefahr besteht, dass sonst jede Problemlösung ein Spezialfall ist oder Fälle nicht immer gelöst werden, obwohl dies eigentlich möglich wäre. Unternehmen haben das erkannt und reagieren zunehmend mit einer Standardisierung von Prozessen. Jeder, der schon einmal eine Störung des Internetzugangs gemeldet hat, wird merken, dass der Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung einen Fragebogen, ein Skript, abarbeitet. Die Unternehmen streben eine Standardisierung der Prozesse an, um so die Qualität der Arbeitsschritte bewerten zu können und die Kosten zu kontrollieren.
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Die Managementaufgabe heißt also Reduktion der Komplexität, damit der Großteil der Ablauforganisation durch standardisierte Prozesse oder Ergebnisse koordiniert wird:
• gegenseitige
• Direkte
Abstimmung
Anweisung
• gegenseitige Abstimmung
• Standardisierung von …
… Prozessen
… Ergebnissen
… Fähigkeiten
Nur für kleine Organisationen interessant
Ideale Anzahl von Prozessen
Abbildung 35: Schematische Darstellung der Managementaufgabe Komplexitätsreduktion Für Unternehmen existiert ein weiterer Grund, die Prozesse zu standardisieren: Selbst wenn Mitarbeiterfähigkeiten und Wissen standardisiert sind, so ist es doch eine Herausforderung, mögliche gesammelten Erfahrungen für das Unternehmen zu dokumentieren. Dies ist aber notwendig, denn Mitarbeiter und Unternehmen bilden nicht immer ein Berufsleben lang eine Einheit. Ganz im Gegenteil, die wechselseitigen Bindungen von Mitarbeitern und Unternehmen werden immer kurzfristiger. Wieder soll Customer Care als Beispiel dienen. In dem Bereich dieser personalintensiven Dienstleistungen ist Mitarbeiterfluktuation ein großes Diskussionsthema. Führungskräfte betrachten es dort als eine Managementaufgabe, die Fluktuation nicht zu groß werden zu lassen, aber auch nicht zu klein zu halten. Dies ist nur dann möglich, wenn die Qualität von Durchführung und Ergebnis nur im geringen Teil von Wissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter abhängen. Und wo das der Fall ist, sollen standardisierte Aus- und Weiterbildung dieses Wissen auch wiederum mitarbeiterunabhängig für den Unternehmenserfolg sichern. In einem Bereich, in dem eine Fluktuation von 10 bis 15 % als annehmbar gilt, ist dies auch zwingend notwendig, denn in 6 bis 10 Jahren ist ja im Zweifelsfall die Belegschaft einmal durchgetauscht. „Es (das Unternehmen) muss im Prinzip jeden Mitarbeiter austauschbar halten, wenn es sich nicht von ihm abhängig machen will.“ (Simon, 2004, S. 95) Alle aufgezeigten Kriterien für die Standardisierung gelten in einem noch größeren Maße für die Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung im Falle einer externen Leistungserstellung im
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Rahmen eines BPO-Vertrags. Denn eine Koordination von Aufgaben über Unternehmensgrenzen hinweg wird immer schwieriger sein als innerhalb eines Unternehmens, denn häufig muss die fachliche Koordination von kaufmännischen und/oder juristischen Interaktionen begleitet werden. Sind aber die Vorgaben im Rahmen der Standardisierung von Prozessen und Arbeitsergebnissen klar und eindeutig formuliert, so können die Vorteile aus einem BPO gehoben werden.
4.2
Auswirkungen der Informationstechnologien auf Prozesse
Das oben schon beschriebene Aufkommen der Informationstechnologien und der damit verbundenen Möglichkeiten leistet einen entscheidenden Beitrag zur Standardisierung von Prozessen und Ergebnissen. In den Bereichen Immaterialität und Häufigkeit der Arbeitsschritte erhalten Unternehmen durch die Informationstechnologie Werkzeuge an die Hand, die es ermöglichen, bei immer mehr Prozessen die Komplexität zu reduzieren. Fähigkeiten und Wissen der Mitarbeiter werden in immer selteneren Fällen der alleinige Erfolgsfaktor; Prozesse, deren Abwicklung früher Spezialisten („Problemlöser“) erforderten, werden heute zu Commodities, deren Abwicklung auf Grund der Standardisierung weniger hoch qualifizierte Mitarbeiter benötigt. Entsprechend der dargestellten Forderung von Simon sind Unternehmen somit dabei, sich aus der Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeitern zu lösen. Auf den folgenden Seiten wollen wir betrachten, welche Veränderung für Prozesse auf Grund der neuen Technologien neben der Unterstützung der Standardisierung resultiert und wie Unternehmen auf diese Veränderungen reagieren können.
Prozessveränderungen durch Informationen und Wissen? Schon im Jahr 1997 haben Tofler und Tofler einige der Managementtrends der letzten Jahre vorhergesehen: „Die Wissensrevolution unserer Tage – Auslöser einer gigantischen ‚Dritten Welle’ wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Wandels – zwingt Unternehmen zu einer radikal neuen, ständigen Veränderungen ausgesetzten Betriebsabwicklung, die sämtliche Konzepte der ‚Zweiten Welle’ auf den Kopf stellt. Der bisher unerschütterliche Glaube etwa an vertikale Integration, Synergie, Größenvorteile und hierarchische Kommando-KontrollOrganisationen weicht einer Neueinschätzung von Outsourcing, Unternehmensverkleinerung, Gewinnzentren, Netzwerken und einer Vielfalt sonstiger Organisationsformen. Sämtliche Vorstellungen aus dem Industriezeitalter werden genau unter die Lupe genommen und in brillanter Weise neu formuliert.“ (Tofler/Tofler, 1997, S. 11)
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Wissensrevolution bedeutet nicht nur, dass Wissen und Information als eigenständige Einflussfaktoren für Prozesse betrachtet werden. Diese Betrachtung wird im Bereich der Wirtschaftsinformatik bereits seit Längerem durchgeführt. Als Wissensrevolution sollen hier die Auswirkungen auf Mitarbeiter und Prozesse auf Grund der Desintegration von Wissen und Information betrachtet werden.
Abbildung 36: Desintegration von Wissen und Informationen Abbildung 36 zeigt die Veränderungen, die durch die Desintegration auf Unternehmen einwirken. Zum einen ist Wissen jetzt beobachtbar, speicherbar und unabhängig vom Mitarbeiter geworden. Der Mitarbeiter wendet jetzt Wissen an, dass nicht seines ist, sondern das er erst erwirbt, wenn es für einen bestimmten Arbeitsschritt notwendig wird. Zum anderen laufen Informationen, die notwendigerweise von Kunden in den Prozess eingebracht werden müssen, jetzt direkt in Prozess ein, ohne vom Mitarbeiter veredelt zu werden.
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Was bedeuten diese Effekte für Unternehmen?
Separierung von Mitarbeiter und Wissen Wenn Prozesse häufig und mit einer gleich hohen Qualität ablaufen sollen, dann werden Unternehmen dazu übergehen, den Mitarbeitern das benötigte Wissen einheitlich und standardisiert zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht natürlich über Mitarbeiterschulungen, die ebenfalls nach einem vorgegebenen Verfahren und mit einer einheitlichen Dokumentation ablaufen. Aber nicht alles Wissen kann so vermittelt werden. Deshalb haben viele Unternehmen das Wissen in Wissensdatenbanken oder Intranetportalen hinterlegt. Denn es gibt Wissen oder auch Informationen, die benötigt ein Mitarbeiter umgehend nach dem Bekanntwerden (z. B. muss die Information über einen neue Preisaktion umgehend nach den Presseberichten im Kundenservice bekannt sein, damit Kunden nicht mehr wissen als Mitarbeiter). Dieses Wissen kann dann über Push-Technologien direkt an Mitarbeiter verteilt werden. Außerdem gibt es Wissen, das auf Erfahrungen beruht. Dieses findet man beispielsweise in den frequently asked questions (faq), also häufig gestellten Fragen. Außerdem bietet sich die Möglichkeit, das bereits in Schulungen vermittelte Wissen wieder aufzufrischen, indem man die relevanten Seiten oder Antworten in dem Moment, in dem man sie benötigt, aus den Systemen holt.
Dieser Effekt ist für ein Unternehmen, das ein BPO-Projekt auf der Basis von standardisierten Prozessen plant, sehr wichtig. Denn die Dokumentation des Wissens muss vollständig und mit hoher Qualität erfolgen. Und die Darstellung muss auf verständliche und einfach nachvollziehbare Art erfolgen. Die anschließende Verteilung an die Mitarbeiter muss schnell und gleichzeitig vonstatten gehen. Nur so kann die ortsunabhängige Anwendung des Wissens sichergestellt werden. Und diese ist für das Gelingen eines BPO-Projekt unabdingbar. Die Effekte aus der Desintegration von Wissen und Information zeigen auf, dass es bei der Prozessmodellierung zu berücksichtigen gilt, Wissen richtig zur Verfügung zu stellen und den Umgang mit Ausnahmen darzustellen. Diese Darstellung muss es geben. Es kann entweder eine Weiterleitung dieses Falls aus dem Bereich der Commodities in den Bereich der Problemlöser erfolgen oder es kann über eine Prozessschleife versucht werden, die fehlenden Informationen einzuholen. Auch hier ist wieder zu entscheiden, wie häufig diese Ausnahmefälle auftreten werden. Sollte die Häufigkeit wiederum die Standardisierung rechtfertigen, so können neue Prozesse für den Umgang mit Ausnahmefällen definiert und von IT unterstützt werden. Es wird aber immer einige Fälle geben, bei denen sich diese Vorgehensweise auf Grund ihrer niedrigen Fallzahl nicht empfiehlt. In den meisten Unternehmen ist denn auch die mitarbeiterunabhängige Dokumentation von Wissen nicht gewährleistet. Die Konsequenz aus einer solchen Situation ist zumindest zu einem guten Teil von der Zielsetzung des Managements abhängig. Je nach Ausrichtung des Prozesses auf den jeweiligen Kunden und das gewählte Qualitäts- und Kostenniveau kann die Reaktion zwischen unbedingter Lösung und Zurückweisung des Vorgangs liegen. Davon sind dann auch der generelle Einsatz und die Anzahl von (teuren) Problemlösern abhängig.
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Prozessgebundene Logik des BPO
Kundeninformationen als Prozessinput Die Informationen des Kunden müssen auf Grund der IT-Unterstützung des standardisierten Prozesses in einer eindeutigen Weise einfließen. Die Informationen werden von Mitarbeitern eingegeben, aber nicht veredelt. Es ist sogar möglich, den Kunden die Informationen direkt in die Software und damit in den Prozess eingeben zu lassen. Gerade die Internettechnologie hat hier einen entscheidenden Beitrag geleistet. Prozesse wie Überweisungen in einem Internetformular oder Urlaubswünsche der Mitarbeiter nur noch als Anfrage über System sind heute bereits breitflächig akzeptiert. Der Prozess ist nicht länger flexibel in Bezug auf die Behandlung von Ausnahmefällen. War es vor der Standardisierung möglich, dass ein Problem auch mit weniger als den notwendigen Informationen gelöst werden konnte, weil ein Mitarbeiter vielleicht Dinge wusste oder bestimmte Arbeitsschritte ausgelassen hat, ist dies bei klarer Prozessunterstützung durch IT nicht mehr möglich. Fehlt dem Mitarbeiter eine Information und kann er dadurch ein Feld in dem Formular am Bildschirm nicht füllen, so akzeptiert die Software seine Eingabe nicht. Damit kann der Prozess die notwendigen Arbeitschritte nicht durchlaufen, und das gewünschte Ergebnis wird nicht abgeliefert.
Reaktionen auf Veränderungen Komplett neue Geschäftsmodelle und -abläufe resultieren aus den Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Ein Unternehmen muss immer die Kompetenz im Haus behalten, um die Entwicklungen in der Wertekette der Branche analysieren und Strategien zur Erlangung neuer Wettbewerbsvorteile formulieren zu können. Auch wenn die Innovationskraft der Dienstleister zunehmend ein Grund für BPO ist, so kann ein Unternehmen Dienstleister zwar als Ideengeber oder Umsetzer nutzen, die Entscheidung über den Inhalt und die Struktur der Prozesse und damit die Kontrolle über den Wettbewerbsvorteil muss im Unternehmen verbleiben. Dazu gehört die Möglichkeit, mit Hilfe von interdisziplinären Teams die bestehenden Kernkompetenzen zu kennen und bewerten zu können, ob diese in der zukünftig veränderten Branche das Überleben des Unternehmens sichern. Einen beispielhaften Fragenkatalog zur Analyse der Branchenveränderungen zeigen Evans und Wurster im Rahmen einer Diskussion der Informationsökonomik auf: 1. In welcher Weise und an welcher Stelle ist Information in der aktuellen Wertekette des Unternehmens eine wertschaffende Komponente? 2. Wo werden in dem Unternehmen derzeit Abwägungen zwischen Informationsfülle und Reichweite getroffen? 3. In welchen Situationen spielen diese Abwägungen keine Rolle? 4. Welche wichtigen Arbeitsbereiche – insbesondere Informationstätigkeiten – könnten zu eigenständigen Geschäften gemacht werden?
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5. Könnte das physische Basisgeschäft effizienter bewältigt werden, wenn die Informationsfunktionen ausgegliedert würden? 6. Welche neuen Aktivitäten – insbesondere Funktionen hilfreicher Informationsvermittler – würden dann erforderlich? 7. Wie stünde es um die Risiken und Gewinne bei den Nachfolgefirmen? 8. Welchen Einfluss hätte der Verlust an Kontrolle über einige Kerntätigkeiten auf die Rentabilität des gesamten Geschäftsmodells? 9. Welche der derzeitigen strategischen Aktivposten könnten sich zu Belastungen entwickeln? 10. Welche neuen Fähigkeiten werden benötigt, um die neu entstehenden Geschäfte zu beherrschen? Quelle: Evans/Wurster, 1998, S. 59 Neben den Veränderungen für die Branchen, mit den von Evans und Wurster skizzierten Möglichkeiten, gibt es auch Veränderungen in den Unternehmen und in den Anforderungen an die Mitarbeiter. Und diese sind für ein BPO ebenso relevant. Zielen die Fragestellungen von Evans und Wurster eher auf die mittelfristige Unternehmensstrategie sowie auf den BPO-Grund „Kapazität“, so können Konsequenzen aus der Desintegration von Wissen und Information auch für die Gründe „Qualität“ und „Kosten“ aufgezeigt werden.
Veränderungen des Prozesses Personalrekrutierung Der Prozess der Personalrekrutierung hat sich auf Grund der Möglichkeiten, die aus der Desintegration von Wissen und Informationen resultieren, verändert. Früher schalteten Unternehmen eine Anzeige, meistens mit Adresse der verantwortlichen Personalabteilung. Kamen die Bewerbungen im Unternehmen an, dann wurden diese gesammelt und dem für die offene Stelle disziplinarisch Verantwortlichen übergeben. Nach Sichtung wurden die interessanten Kandidaten eingeladen. Die übrigen erhielten eine Absage. Separierung von Mitarbeiter und Wissen Die erste Dokumentation der Anforderungen findet jetzt in Form von Stellenbeschreibungen statt. Damit ist das Wissen nicht mehr an den Vorgesetzten gebunden, und die Bewertung kann jetzt bereits in der Personabteilung oder bei Personalberatern stattfinden. Damit ist die Verantwortung für einige Arbeitsschritte vom Vorgesetzten in den Personalbereich gewandert. Dies kann zur Folge haben, dass die Kommunikation mit dem Kunden des Prozesses schneller und professioneller abläuft. Es kann aber auch zur Folge haben, dass die einschränkende Auswahl die falschen Kandidaten ergibt, nämlich dann, wenn die Dokumentation in der Stellenbeschreibung nicht den tatsächlichen Anforderungen entspricht. Personalrekrutierung ist jetzt soweit standardisiert, dass auch Mitarbeiter in einem zentra-
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len „Recruitingcenter“ Bewerbungen für ein dezentral organisiertes Unternehmen übernehmen können. Dabei spielt auch die Größe des Unternehmens nur noch eine untergeordnete Rolle. wobei sich dann so etwas wie ein Shared Service Center aufbaut. Kundeninformationen als Prozessinput Die zweite Veränderung des Prozesses fand mit dem Einzug der Internettechnologie statt. Bewerber wurden jetzt gebeten, ihre Unterlagen und Daten verstärkt über die Webseiten des Unternehmens zu senden. Dies kann dann entweder über den Versand einer E-Mail oder über ein Webformular, in dem der Bewerber sämtliche Daten einträgt, ablaufen. Gerade mit der Integration des Formulars werden die Informationen des Kunden (hier: Bewerbers), die zur Durchführung des Prozesses notwendig sind, unabhängig von den Prozessbeteiligten eingegeben. Der Bewerber erhält dann eine E-Mail: „Vielen Dank für ihre Bewerbung. Wir haben diese an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet. Sie werden in den nächsten drei Wochen von uns Nachricht erhalten.“ Für diesen Prozessschritt kommt häufig noch ein weiterer Prozessteilnehmer ins Spiel, der Autor der Webseite. Dieser kann entweder die hauseigene IT-Abteilung sein, es können aber auch auf BewerbungsWebseiten spezialisierte Anbieter sein. Diese Prozessinnovation ist noch verhältnismäßig neu. Das hat zur Folge, dass der Prozess leider noch nicht bei allen Unternehmen richtig beschrieben und implementiert ist. So kann es passieren, dass Bewerber auf ihren Unterlagenversand überhaupt keine Antwort erhalten.
Aus dem Beispiel des Prozesses der Personalrekrutierung können die zwei Gründe „Qualität“ und „Kosten“ für ein BPO deutlicher herausgefiltert werden: Während im Falle der Separierung von Mitarbeiter und Information vor allem der Qualitätsgrund eine Rolle spielt, überwiegt bei der Integration des Kunden in den Prozess der Grund der Kostensenkung. Das Beispiel zeigt auch, wie für die Durchführung des Prozesses im Laufe der Entwicklung zunehmend weniger Spezialistenwissen notwendig wurde. Außerdem hat sich die Verantwortung zwischen den Prozessteilnehmern verlagert, und es werden heute neue Teile des Prozesses an neue Prozessteilnehmer, durch deren Unterstützung eine schnelle Standardisierung des Prozesses ermöglicht worden ist, in den Prozess integriert.
4.3
Fazit
Unternehmen standardisieren ihre Prozesse, um die Kontrolle über Kosten und Qualität zu erlangen, behalten und zu kontrollieren. Durch die Einflüsse der Informationstechnologien werden sowohl die Standardisierung unterstützt als auch die Steuerung von Prozessen über
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Unternehmensgrenzen sowie die ortunabhängige Durchführung von einzelnen Arbeitsschritten vereinfacht. Die Frage der Eigen- oder Fremderstellung von Prozessen erhält damit eine neue Relevanz, denn alte Vorstellungen von Alleinstellungsmerkmalen gelten nicht mehr ohne kritische Würdigung der neuen Unternehmensumwelt. Porter hat dazu 1997 eine provokative These aufgestellt: „ …, zählt die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen mit billiger Arbeitskraft oder Größenvorteilen zu den alten Paradigmen. Diese Paradigmen sind überholt. Heute ist ein Wettbewerbsvorteil nur durch Innovation und durch das Angebot immer höherwertigerer Erzeugnisse zu erreichen.“ (Porter, 1997, S. 94) Diese Paradigmen sind natürlich nicht überholt. Sie gelten immer noch, allerdings sind sie um die Themen der Innovation ergänzt worden. Und andererseits muss ein Unternehmen oder eine Unternehmenseinheit wesentlich genauer betrachten, ob es zwingend selbst diese Wettbewerbsvorteile heben muss oder ob es andere Organisationsformen bzw. Formen der Zusammenarbeit gibt, die wesentlich geeigneter sind, um diese Vorteile zu realisieren. Und hier kommt dann der Gedanke des BPO ins Spiel. Bisher haben wir gesehen, dass Unternehmen Energie darauf verwenden müssen, die Standardisierung von Prozessen voranzutreiben. Wenn dies nicht funktioniert, dann sollte zu den Mitteln der Standardisierung der Prozessergebnisse oder der Fähigkeiten gegriffen werden. Wenn man diese drei Möglichkeiten der Standardisierung den drei Gründen für BPO gegenüberstellt, so ergibt sich folgende Matrix:
BPO-Grund Wachstum
Qualität
BPOPrüfung
Kosten
BPODurchführung Prozesse
BPOPrüfung
BPODurchführung
BPODurchführung
BPOPrüfung
Ergebnis
Fähigkeiten
Art der Standardisierung
Abbildung 37: Gegenüberstellung von BPO-Gründen und -Möglichkeiten der Standardisierung
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5.
Prozessgebundene Logik des BPO
Vorgehen bei Outsourcing-Vorhaben
Im Folgenden geht es darum, welchen Einfluss die BPO Gründe und die damit einhergehende Art der Standardisierung auf beschlossene Outsourcing-Vorhaben haben. Bei einem BPO-Projekt, egal ob intern oder mit einem Dritten, gibt ein Unternehmen/eine Unternehmenseinheit die Verantwortung über die Prozessdurchführung aus der Hand. Je nach Art der Standardisierung betrifft dies unterschiedliche Arten von Prozessen. Wie diese Arten von Prozessen identifiziert werden und was bei der Entscheidung über auszulagernde Prozesse oder Prozessteile beachtet werden sollte, wurde bereits dargestellt.
5.1
Kernprozesse oder Kernkompetenzen: Was muss inhouse bleiben?
Handlbauer, Hinterhuber und Matzler haben in ihrer Betrachtung von Prozessorganisationen den Fokus auf die Auswirkungen der Prozesse auf die Kundenbegeisterung und auf die Kompetenzen des Unternehmens gelegt. Bei den Autoren resultiert daraus eine Differenzierung der Unternehmensprozesse in: unterstützende Prozesse, kritische Prozesse und Kernprozesse. Die Autoren ordnen die Prozesse in einer Matrix an, in der dann anschließend die drei Prozessgruppen identifiziert werden. Aus der Abbildung 38 lässt sich noch keine Empfehlung für ein BPO-Projekt ableiten. Eine oberflächliche Ableitung könnte natürlich sein: „Unterstützende Prozesse müssen outgesourct werden, Kernprozesse werden immer im eigenen Haus behalten, und kritische Prozesse müssen einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.“ Aber dies ist so nicht richtig, denn die Autoren sortieren die Prozesse auf Basis eine bestimmten Perspektive, und zwar der Kundenorientierung. Wobei mit dem Begriff „Kunden“ ausschließlich der Abnehmer gemeint ist. Im Rahmen der hier vorliegenden Betrachtung müssen schließlich alle Prozesse auf Potenziale für BPO untersucht werden. Wie zuvor schon dargestellt, sind es gerade die Kundenprozesse, die vielfach dem BPO unterliegen, es gibt also offensichtlich noch andere Aspekte, die hier bei der Entscheidung eine maßgebliche Rolle spielen.
Leistungseigenschaft Begeisterungseigenschaft
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KernkompetenzenHöchste Priorität für Prozessmanagement
Kritische Geschäftsprozesse
Basisanforderung
Kundenwert/zufriedenheit
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Unterstützende Geschäftsprozesse
Niedrig
Mittel
Hoch
Einfluss des Prozesses auf die Kompetenzen des Unternehmens
Quelle: Handlbauer/Hinterhuber/Matzler, 1998 Abbildung 38: Die Bestimmung der Kernprozesse
Bewertung von Prozessen Greifen wir nun den weiter oben dargestellten Gedanken auf, dass jeder Prozess einen Kunden hat, dann muss die Analyse der Unternehmensprozesse sicherlich detaillierter durchgeführt werden, und die Differenzierung der Prozesse nach Eigenerstellung und Fremderstellung muss nach anderen Dimensionen durchgeführt werden. Eine der Dimensionen haben wir in den vorhergehenden Kapiteln aus den BPO-Gründen hergeleitet: die Art der Standardisierung. Für die andere Dimension können wir dem Ansatz von Handlbauer, Hinterhuber und Matzler folgen und die Kernkompetenzen eines Unternehmens betrachten. Dort werden Kernkompetenzen als prozessspezifische Kombination von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Technologien beschrieben, die von dem Unternehmen besser als von den Mitbewerbern innerhalb der Branche beherrscht werden.
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Der Begriff der Kernkompetenzen stammt aus dem Anfang der 90er Jahre. Damals führten wissenschaftliche Vertreter im Rahmen der Betrachtung des ressourcenorientierten Ansatzes das Konzept der Kernkompetenzen ein. Im Gegensatz zu der oben beschriebenen Organisation und Strategie, die produkt- oder geschäftseinheitenspezifisch aufgestellt wurden, werden bei der Betrachtung von Kernkompetenzen die Dinge analysiert, die den Erfolgen oder Misserfolgen auf Produkt- oder Geschäftseinheitenebene zugrunde liegen. Denn „Geschäftseinheiten sind auf Produkte und Märkte ausgerichtet, Kernkompetenzen hingegen auf Kundenvorteile wie ‚Benutzerfreundlichkeit’ bei Apple oder ‚Taschenformat’ bei Sony.“ Neben dieser Ausrichtung auf die Kundenzufriedenheit müssen Kernkompetenzen zur Erringung oder Sicherstellung von Wettbewerbsvorteilen nicht in beliebiger Menge für alle Branchenteilnehmer verfügbar sein, die Kompetenzen dürfen von Wettbewerbern nicht schnell durch ähnliche Kompetenzen ersetzt werden, und Wettbewerber dürfen nicht in der Lage sein, diese Kernkompetenzen eigenständig „nachzubauen“. Die Vertreter dieses Ansatzes unterscheiden zwei Arten von Kernkompetenzen: „Capabilities“ und „Resources“, also zwischen Fähigkeiten und Ressourcen. Im Sinne der Prozessbetrachtung sind mit Ressourcen die eingehenden Produktionsfaktoren (Input) gemeint. Fähigkeiten bezeichnet die Bündelung – in der Terminologie der Prozessbetrachtung die Transformation – dieser Ressourcen zu einem Prozessergebnis. Für die vorliegende Betrachtung im Rahmen von BPO-Projekten haben wir oben einen weiteren Faktor für die Veränderung sowohl von Produktionsfaktoren als auch von Prozessen aufgezeigt: die Technologie, speziell die Informationstechnologie. Deshalb wird der IT im Rahmen der Betrachtung eine Sonderrolle eingeräumt und sie wird als dritte Art der Kernkompetenz an der Schnittstelle zwischen Input und Transformation eingeführt. Wenn ein Unternehmen jetzt diese drei Arten auf ihre Unterstützung bei der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen analysiert, dann können die Ausprägungen der Kompetenzen in dem eigenen Unternehmen im Branchenvergleich entweder besser sein, dann spricht man von Kernkompetenzen. Sind nicht alle Merkmale erfüllt, kann ein Unternehmen entweder dem „Branchenstandard“ bei diesen Kompetenzen entsprechen oder es kann sogar schlechter sein als der Branchendurchschnitt. Diese Betrachtung von Kompetenzen soll in Abbildung 39 noch einmal schematisch verdeutlicht werden. Die Herausforderung bei dieser Art der Unternehmensanalyse ist die Bewertung der Kompetenzen. Dazu findet sich in der Literatur wenig Konkretes. „This can be done by comparing measures of these resources with measures of (1) the company’s past performance, (2) the company’s key competitors, and (3) the industry as a whole. To the extent that a resource (such as a firm’s financial situation) is significantly different from the firm’s own past, its key competitors, or the industry average, the resource is likely to be a strategic factor and should be considered in strategic decisions.” (Wheelen/ Hunger, 2002, S. 81) Die jeweilige Maßeinheit (measures) für die jeweilige Ressource, Fähigkeit oder Technologie ist genau die Hürde, die die Entscheider nehmen müssen. Es kann hier aber auf die aus dem Benchmarking bewährten Konzepte zurückgegriffen werden.
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Kriterien nicht erfüllt
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Input
Transformation
Ressourcen schlechter als branchenüblich
Technologie schlechter als branchenüblich
Ressourcen branchenüblich
Technologie branchenüblich
Kriterien erfüllt
Ressourcen (i. S. v. Kernkompetenzen)
Technologie (i. S. v. Kernkompetenzen)
Output Fähigkeiten schlechter als branchenüblich Fähigkeiten branchenüblich
Fähigkeiten (i. S. v. Kernkompetenzen)
Kunde Beitrag zur Wertschöpfung unter Branchenstandard Beitrag zur Wertschöpfung im Branchenstandard
Beitrag zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils
Quelle: in Anlehnung an Körfgen, 1998 Abbildung 39: Kompetenzen im Rahmen der Prozessanalyse Führt man die beiden Dimensionen Standardisierung und Kompetenzen zusammen, so entsteht eine Matrix, die zur Bewertung möglicher Outsourcing-Vorhaben dienen kann. Die Gründe für BPO können in diesen Kontext zwischen Kernkompetenzen und Standardisierung eingetragen werden. Es ergeben sich aber auch zwei Bereiche, die andere strategische Entscheidungen als BPO-Diskussionen nahe legen.
Art der Standardisierung Fähigkeiten
Ergebnis
Prozesse
BPO wegen Innovation
Insourcing
BPO wegen Kostensenkung
Kernkompetenz
BPO wegen Qualität Problemzone branchenüblich
Kompetenz
Abbildung 40: BPO-Gründe im Kontext
Schlechter als Wettbewerber
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Ist ein Unternehmen in der Situation, dass es Kompetenzen besitzt, deren Ausprägung besser ist als bei den Wettbewerbern, und dass die Standardisierung von Fähigkeiten und Wissen möglich ist, dann sollte es die identifizierten Prozesse insourcen. Denn es handelt sich um Prozesse, die Wettbewerbsvorteile nachhaltig sichern. Ist ein Unternehmen besser als die Wettbewerber und die Komplexität ist so groß, dass der Prozess nicht als Commodity standardisiert werden kann, so werden die Wettbewerber eine lange Zeit benötigen, um diesen Vorsprung aufzuholen. Sollten die Wettbewerber die gleiche Analyse durchführen, so landen diese in der gleichen Zeile der Matrix, aber weiter rechts, also mit nicht so hervorragend ausgeprägten Kompetenzen.
Insourcing bei FedEx Wenn Ihr Unternehmen in einer Disziplin unschlagbar ist, dann können Sie diese womöglich anderen Firmen anbieten. Ein Bespiel für erfolgreiches Insourcing ist FedEx. Das Unternehmen übernimmt für über 1.500 Lieferanten von General Motors die Planung und Abwicklung des Lieferverkehrs bei 26 Motorenwerken. Damit steht das Unternehmen an der Spitze der Outsourcing-Branche im Logistikbereich, die Umsätze von 225 Mrd. USDollar erwirtschaftet (zitiert aus Gottfredson/Puryear/Phillips, 2005, S. 68).
Eine andere Situation erfordert schnelles Handeln: Ein Unternehmen identifiziert Prozesse, in denen es geringere Kompetenzen als die Wettbewerber hat, und es erkennt, dass die Prozesse standardisierbar sind. In diesem Fall hat das Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil, den es kaum noch ausgleichen kann. In dieser „Problemzone“ muss ein Unternehmen überlegen, wie es diese Prozesse durch andere Prozesse ersetzen oder komplett einstellen kann.
Identifikation der Prozesselemente, die Wettbewerbvorteile sichern Die Identifikation von Prozessen oder auch Prozesselementen, die Wettbewerbsvorteile darstellen, erfordert eine detaillierte Analyse und die notwendige „Kreativität“ bei der Bewertung und der Entscheidungsfindung. Die Darstellung des Vorgehens soll hier anhand eines Beispiels konkretisiert werden. Als Beispiel kann der -- allgemein als strategisch wichtig anerkannte -- Prozess der Produktionsplanung dienen. Da dieser Prozess maßgeblich die Effizienz einer Produktion steuert, herrscht auch heute noch die verbreitete Auffassung, dieser müsse zwingend in der eigenen Geschäftseinheit durchgeführt werden.
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Die Analyse startet über eine Prozessdokumentation, die auf einer sehr aggregierten Ebene zusammengefasst werden soll:
VolumenPrognose
Personaleinsatzplanung
Steuerung
Reporting
Abbildung 41: Der Prozess der Produktionsplanung Das Ergebnis des ersten Schritts Mengenprognose sind die in einem Zeitintervall herzustellenden Mengen. Der Prognoseprozess bündelt Informationen aus dem Absatzmarkt, von den Vertriebsverantwortlichen sowie Erfahrungswerte aus vorhergehenden Perioden über mathematische Methoden und liefert eben diese Mengen. Mit diesen Mengen als ein Inputfaktor startet der zweite Schritt Personaleinsatzplanung. Weitere Faktoren sind auf Erfahrungen basierende Annahmen über die durchschnittliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters pro produziertes Stück. Außerdem werden Annahmen über Schwund und über die Abwesenheiten von Mitarbeitern auf Grund von Urlaub, Krankheit und anderen Themen als Inputfaktor benötigt. Wenn die Produktion beispielsweise in einem Customer Care Center stattfindet, ist auf Grund dessen, dass die Produktion während des Kundenkontaktes stattfindet, ein Service-Level eine weitere Inputgröße. In manchen Betrieben können Mitarbeiter Schichtwünsche abgeben, in anderen gibt es Vorschriften aus Betriebsvereinbarungen darüber. Sämtliche arbeitsrechtlichen Vorschriften müssen ebenfalls Berücksichtigung finden. Diese Informationen werden dann vom „Schichtplaner“ verarbeitet und das Ergebnis ist dann ein Schichtplan. Der dritte Schritt ist dann die Mitarbeitersteuerung. Dies bedeutet, dass ein Produktionsleitstand auf die innerhalb eines Tages stattfindenden Abweichungen achtet und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen initiiert. Inputfaktor sind hier Informationen über die aktuelle Produktionssituation. Erfahrungen der Mitarbeiter sind im Bereich der Steuerung insofern relevant, als bekannt sein muss, wie die Produktionskurve „normalerweise“ verläuft und welche Eingriffsmöglichkeiten der Leitstand in die Produktion hat. Der vierte Schritt, das Produktionsreporting, beschäftigt sich mit der Dokumentation und Analyse der Leistungen der Produktion anhand von Kennzahlen. Inputfaktor sind hier die entstandenen Produktionsdaten. Der Transformationsprozess sind hier die mathematischen Formeln, mit deren Hilfe die Daten aufbereitet, verdichtet und analysiert werden. Ergebnis ist ein Report über den Produktionsverlauf der letzten Zeiteinheit. Dieser wird als Inputfaktor für die Mengenprognose verwandt. Auf Basis dieses Reports wird aber auch die Wirtschaftlichkeit der Produktion abgebildet, denn der Finanzbereich eines Unternehmens wird im Falle einer Profit-Center-Organisation aus diesen Zahlen eine Gewinn- und Verlustrechnung für die Geschäftseinheit erarbeiten. Für die weiterführende Analyse treffen wir die Annahme, dass es sich bei der zu betrachtenden Geschäftseinheit um ein Fließband als Teil einer größeren Produktion handelt.
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Prozessgebundene Logik des BPO
Der Verantwortliche für dieses Fließband wird sich im Rahmen seiner OutsourcingGedanken jetzt mit der Analyse der einzelnen Schritte beschäftigen. Der erste Schritt Mengenprognosen benutzt sowohl Inputfaktoren als auch einen Transformationsprozess, die er als besser als in der Branche üblich einschätzt. Die eingesetzte Technologie ist kein Wettbewerbsvorteil, es kommen normale Anwendungsprogramme zum Einsatz. Allerdings fällt bei Betrachtung des Prozesses auf, dass nur Fähigkeiten und Wissen der Inputgeber standardisiert werden können, weder Ergebnis noch Transformationsprozess können umfassend standardisiert werden. Dieser Schritt ist damit ein Kandidat für Insourcing und sollte auf keinen Fall fremdvergeben werden. Die Betrachtung des zweiten Schritts Personaleinsatzplanung führt den Verantwortlichen zu dem Einsatzplaner seiner Geschäftseinheit. Dieser erstellt auf Basis seiner Erfahrungen und der Inputfaktoren einen Schichtplan mit Hilfe von Bleistift und Papier. Nach Interviews mit anderen Unternehmen und Geschäftseinheiten zeigt sich, dass nicht alle Inputfaktoren berücksichtigt werden, dass z. B. die arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht korrekt für die Transformation angewandt werden und existierende Softwarelösungen eingesetzt werden könnten. Die Kompetenz ist damit unterdurchschnittlich ausgeprägt. Auch hier sind Fähigkeiten und Wissen des Mitarbeiters standardisiert. Der Verantwortliche beschließt die Prüfung eines BPOs, um die Innovationen zu nutzen. In einem zweiten Schritt will er die notwendigen Kompetenzen erwerben, um auf branchenüblichem Niveau das Ergebnis zu standardisieren und dann das BPO auf Grund von Qualität beizubehalten. Der dritte Schritt Personalsteuerung zeigt, dass die Personalsteuerung im Vergleich zu den anderen Geschäftseinheiten kompetenter ist. Hier ist allerdings der Prozess schon festgeschrieben, es gibt eine Handlungsanweisung an die Steuerer, was in welchem Fall zu tun ist und welche Ergebnisveränderung bewirkt wird. Der Verantwortliche überlegt für Schritt drei einen BPO aus Kostengründen, denn ein Zusammenlegen der Steuereinheiten aus allen Geschäfteinheiten würde Skaleneffekte realisieren. Bei der Analyse des vierten Schritts Produktionsreporting kommt der Verantwortliche zu dem Schluss, dass die Inputfaktoren nicht besser oder schlechter als der Branchenstandard sind, allerdings ist sowohl die Software auf diese spezielle Produktion zugeschnitten, und der Prozess (die Transformation) der Bewertung und Verdichtung beinhaltet Methodenwissen, das in der Branche so nicht noch einmal vorhanden ist. Auf Grund der auftretenden Unregelmäßigkeiten bei der Datenlieferung ist der Prozess nicht standardisierbar und durch das Auftreten von Ad-hoc-Analyseanfragen von verschiedenen Seiten auch das Ergebnis nicht. Der Verantwortliche entscheidet sich dafür, diesen Prozessschritt in der Geschäftseinheit zu behalten.
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Es ergibt sich für die Geschäftseinheit folgendes Bild für den Prozess der Produktionsplanung:
Insourcing von Kernkompetenzen
Volumenprognose
Personaleinsatzplanung
Steuerung
Reporting
BPO-Potenzial Abbildung 42: Ergebnis der Bewertung des Produktionsplanungsprozesses Die Entscheidung über diesen Prozess findet sich so auch in anderen Branchen als der produzierenden Industrie. Software für die Unterstützung dieses Prozesses gibt es für so unterschiedliche Branchen wie das Gesundheitswesen (z. B. Schichtpläne in Krankenhäusern), dem öffentlichen Dienst (z. B. Einsatzpläne der Polizei) und natürlich in Customer Care Centern. So heißt es in dem Standard COPC, der für personalintensive Dienstleistungsbereiche angewendet werden kann, zu Schritt zwei: „Diese Prognose muss für die Entwicklung eines Personalplanes verwendet werden, der die Abweichungen zwischen den Verlaufskurven und der Mitarbeiterkapazität … minimiert. Der CSP (in diesem Fall das Customer Care Center: Anmerkung des Autors) muss ein quantitatives Modell anwenden, um Personalpläne zu entwickeln, das Folgendes einschließt: Durchschnittliche Bearbeitungszeit Verlaufsprognose Geplanter Service-Level ‚Schwund’“ (COPC, 2004, S. 29 ff.). Es wird also Output und zum Teil auch Input standardisiert vorgegeben. Zu Schritt drei findet man dort: „Der Ansatz des CSPs zur Personalplanung muss die Regeln für die Minimierung (von) Über- und Unterbesetzung … deutlich darlegen. Diese Regeln müssen so wie sie angelegt sind implementiert werden.“ (COPC, 2004, S. 30).
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Prozessgebundene Logik des BPO
Es wird also ein standardisierter, auf Regeln basierender Prozess verlangt. Wenn auch aus einer anderen Branche, so unterstützt dieser Standard doch die Analyseergebnisse unseres Verantwortlichen.
5.2
Das Outsourcing-Vorhaben
Hat das Unternehmen jetzt seine Prozesse durchleuchtet und anhand der Ausprägung der Kompetenzen und Art der Standardisierung bewertet, so entsteht ein genaues Bild für die Entscheider, welche Prozesse eine Veränderung erfahren müssen, damit das Unternehmen in seinem Markt erfolgreich sein kann. Die Entscheider sehen sich jetzt mit der Frage konfrontiert, was mit den einzelnen Prozessen geschehen soll. Dazu können die Prozesse in drei Kategorien eingeteilt werden: Prozesse, die aus eigener Kraft verbessert werden sollen Prozesse, die automatisiert werden können Prozesse, die im Rahmen eines BPO verbessert werden können Dieser Abschnitt beschäftigt sich ausschließlich mit den Prozessen, die in die dritte Kategorie eingeordnet worden sind. Eine Diskussion über alle drei Kategorien würde den Rahmen dieses Buch überschreiten. Ein Unternehmen steht, wenn es beschließt, bestimmte Prozesse nicht mehr eigenständig durchzuführen, vor der Frage, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. In Kapitel 1 haben wir gesehen, welche Begriffsvielfalt auf dem Markt für „Outsourcing“ herrscht. Deshalb wollen wir an dieser Stelle die Diskussion darauf lenken, welche Arten von BPOProjekten es geben kann und welche Kriterien an den Dienstleister in Abhängigkeit des BPOGrundes angelegt werden müssen.
Arten von BPO-Projekten Dem Ansatz dieses gesamten Kapitels folgend werden die BPO-Projekte an dieser Stelle nach den Möglichkeiten der Koordination und Kontrolle unterschieden. Der Verantwortliche für die Produktionsplanung kann nun mit den anderen Entscheidern überlegen, ob das Unternehmen weiterhin Kontrolle über eine gesellschaftsrechtliche Kopplung über die Prozesse haben möchte oder nicht. Soll die Kontrolle auch gesellschaftsrechtlich erfolgen, so sind zwei Ausprägungen denkbar. Das Unternehmen kann die Prozesse in einem so genannten Shared Service Center bündeln oder sogar in einem eigenen Tochterunternehmen ausgründen, das die Prozesse möglicherweise auch am Markt anbietet. Das Anbieten am Markt, ein gern genutztes Argument für die Ausgliederung, sollte allerdings genau hinterfragt werden. Es
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115
setzt nämlich voraus, dass die Leistung besser als branchenüblich angeboten werden kann, eine Annahme, die sich öfter als falsch denn als richtig herausgestellt hat. Muss die Kontrolle nicht über gesellschaftsrechtliche Kopplung erfolgen, so kann das Unternehmen die Prozesse bei Lieferanten am Markt einkaufen. Natürlich können auch Mischformen auftreten, wenn Unternehmen und Lieferant eine gemeinsame Firma, ein Joint Venture, gründen. Dann muss die Entscheidung über eine Mehr- oder Minderheitsbeteiligung fallen. Einen Überblick über die verschiedenen Optionen zeigt Abbildung 43:
Organisatorische Bindung
Name
Koordinationsmöglichkeiten
Strategische Ausrichtung
Intern
Shared-Service-Center
interner Servicevertrag Eskalation über Unternehmensleitung
BPO-Potenziale heben
Tochterfirma
Dienstleistungsvertrag Eskalation über Unternehmensleitung
BPO-Potenziale heben Vermarktung „einzigartiger“ Services
Mehrheitsbeteiligung
Dienstleistungsvertrag
BPO-Potenziale heben
Vorgabe der Unternehmensstrategie
gemeinsame Vermarktung
Dienstleistungsvertrag
BPO-Potenziale heben
Vetorecht über Unternehmensstrategie
Partizipation am Markterfolg
Dienstleistungsvertrag
BPO-Potenziale heben
Mischformen (Joint Venture zwischen Unternehmen und Dienstleister)
Minderheitsbeteiligung
Extern
BPO-Dienstleister
Abbildung 43: Optionen für BPO-Projekte Die Verantwortlichen, die die zwei erwähnten Arbeitsschritte des Produktionsplanungsprozesses über ein BPO-Projekt verbessern wollen, haben die Optionen für diesen Prozess bewertet. Sie haben in diesen zwei Schritten keinen langfristigen Wettbewerbsvorteil erkannt, der extern vermarktet werden sollte, damit schieden die Varianten Tochtergesellschaft und Mehrheitsbeteiligung aus. Eine Minderheitsbeteiligung wurde nicht weiter in Betracht gezogen, da das Unternehmen in der Vergangenheit mit Minderheitsbeteiligungen schlechte Erfahrungen gesammelt hatte und am Markterfolg zu partizipieren aus Sicht der Unternehmensleitung nicht den Managementaufwand rechtfertige. Die Entscheidung lag also zwischen dem Dienstleistungsvertrag mit einem Dienstleister und einer Gründung eines Shared Service Center (SSC). Eine erste Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigte den Entscheidern, dass viele der Kosteneffekte aus der Skalierung in einem SSC ebenso zu heben wären. Im Rahmen der Diskussion über die Qualität, die es zu erzielen galt, kam das Unternehmen zu dem Schluss, dass die notwendigen Kompetenzen in einem SSC in
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kurzer Zeit aufgebaut werden könnten. Damit fiel eine Entscheidung für einen Aufbau eines Shared Service Center, um die BPO-Potenziale zu heben.
6.
BPO als Übergang von Unternehmensteilen
Im diesem Abschnitt wird aufgezeigt, welche Implikationen für ein Projekt und einen laufenden Betrieb entstehen, wenn neben den Prozessen auch Mitarbeiter und Anlagen betrachtet werden. Die aktuelle Diskussion spricht dann häufig von „Asset-Deals“. Das Trennen von Unternehmensteilen ist kein neues Phänomen, das erst mit dem Aufkommen des Begriffes Outsourcing aufgetreten ist. In der Entwicklung von Gesamtunternehmensstrategien wird das Verschlanken schon seit langem diskutiert. Dort taucht es als Teil der Problemlösung auf, die das Unternehmen benötigt, wenn die Beurteilung der aktuellen Unternehmenssituation darauf hinweist, dass die Wettbewerbsposition innerhalb der Branche schwach ist. Die Empfehlung des Verschlankens wird im Rahmen der Turnaround-Strategie betrachtet. Das Trennen von Unternehmensteilen oder die Fremdvergabe von Aufgaben wird dann vor allen Dingen aus Gründen der Kostensenkung durchgeführt. „Analogous to a weight reduction diet, the two basic phases of a turnaround strategy are contraction and consolidation. Contraction is the initial effort to quickly ‚stop the bleeding’ with a general across-the-board cutback in size and costs. The second phase, consolidation, implements a program to stabilize the now-leaner corporation. To streamline the company, plans are developed to reduce the unnecessary overhead and to make functional activities cost-justified.” (Wheelen/Hunger, 2002, S. 148) Eine weitere Ausprägung von Business Process Outsourcing haben wir bereits dargestellt: Erkennt ein Unternehmen, dass eine eigenerstellte Leistung Ausprägungen hat, die eine Absatzchance außerhalb des Unternehmens ermöglichen, dann kann diese Leistung beispielsweise in einer Tochterfirma gebündelt werden. Diese Tochterfirma kann dann die Leistung sowohl internen als auch externen Kunden anbieten.
6.1
Gesellschaftsrechtlicher Ansatz
Der gesellschaftsrechtliche Ansatz stellt eine Ausprägung des bisher beschriebenen prozessualen Ansatzes dar. Ein Unternehmen, das die für ein Business-Process-Outsourcing-Projekt relevanten Prozesse bereits selbst erbringt, steht vor der Herausforderung, was mit den exis-
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117
tierenden Ressourcen geschehen soll. In Abhängigkeit von der gewählten Lösung gibt es dafür mehrere Handlungsoptionen: Einsatz in anderen Prozessen durch Umwidmung Übergang an den Dienstleister im Sinne eines (Teil-)Betriebsübergangs nach § 613a BGB Verkauf/Verschrottung der Maschinen und Anlagen sowie Freisetzen der Mitarbeiter In dem vorliegenden Abschnitt soll vor allen Dingen der zweite Punkt betrachtet werden. Nettesheim, Grebe und Kottmann haben in ihrem Artikel den Trend von einer dezentralen Organisation über Shared Service Center zu einer Offshoring-Lösung – entweder als Joint Venture oder komplett mit einem externen Dienstleister aufgezeigt.
Dezentrale Organisation
Shared services
Standardisierung
Outsourcing
Offshoring
Quelle: Nettesheim/ Grebe/ Kottmann, 2003, S. 27 Abbildung 44: Erst konsolidieren, dann Outsourcing/Offshoring (Kundenbeispiel) Dem Schritt der Standardisierung ist bereits ausreichend Platz eingeräumt worden, denn dieser wird als wichtigster Bestandteil der Vorbereitung für ein BPO-Projekt angesehen. Die Entscheidung über den nächsten Schritt ist dann allerdings eine Entscheidung zwischen den möglichen Varianten der organisatorischen Bindung an den „Dienstleister“. Zwar kann im Zeitverlauf entschieden werden, von einer Ausprägung der organisatorischen Bindung wie dem Shared Service Center zur komplett externen Leistungserbringung zu wechseln, es ist aber genauso wahrscheinlich, dass Unternehmen nach der Standardisierung sofort die Prozesse extern erbringen lassen oder dass es für einen Mittelfristzeitraum von 5 Jahren bei dem Shared Service Center Ansatz bleibt. Neben der organisatorischen Bindung und den damit verbundenen Zielsetzungen sowie Kontrollmöglichkeiten spielt die wirtschaftliche Betrachtung eine weitere Rolle. Durch das Projekt entstehen Migrationskosten, die dem jeweiligen Nutzen gegenübergestellt werden müssen. Jeder Umbau der Organisation, der Prozesse mit den notwendigen Schnittstellen und die Veränderungen bei den notwendigen Ressourcen müssen dabei betrachtet werden. Wenn ein Unternehmen also entscheidet, zuerst ein Shared Service Center aufzubauen um dieses dann anschließend an einen externen Dienstleister zu verkaufen, dann müssen den Verkaufserlösen und möglichen Kostensenkungen aus Effizienzgewinnen die Kosten für den Aufbau des SSC gegenübergestellt werden. Das Ergebnis aus diesen Projektschritten ist dann einem Ergebnis gegenüberzustellen, das ein sofortiges Outsourcing nach der Standardisierung erbracht hätte. Zum vieldiskutierten Phänomen des Offshorings, das in Abbildung 44 als eingeständiger Projektschritt dargestellt ist, muss angemerkt werden, dass es eigentlich eine Variante jeder
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möglichen BPO-Ausprägung darstellt. Gerade Konzerne sind in der Lage – und tun dies auch – sowohl SSCs als auch Joint Ventures in Niedriglohnländern zu gründen; für Dienstleister wird die Leistungserbringung in Niedriglohnländern ein lebensnotwendiger Teil der Produktionsstrategie.
Standardisierung
Shared Services Tochtergesellschaft JV (Mehroder Minderheitsbeteiligung) Outsourcing
Organisationsentscheidung
Dezentrale Organisation
Organisationsentscheidung
Die Verlagerung von Funktionen wie etwa der Produktion ins Ausland ist nichts Neues. In der Industrie wird dies seit vielen Jahren praktiziert, Beispiele dazu sind die Automobilindustrie mit Produktionsstätten in EU-Ländern wie Tschechien sowie die Textilindustrie mit Produktionsstätten in den asiatischen Ländern. Für Dienstleistungsprozesse ist das Thema relativ neu, da die oben beschriebene Desintegration von Wissen und Information jetzt erst die Verlagerung möglich macht.
Zeitverlauf
Abbildung 45: Alternativer Ablauf eines BPO-Projekts Die Entscheidungsfindung über die Etablierung von Offshoring in einem BPO-Projekt konzentriert sich, neben der Kostenbetrachtung, auf zwei Kriterien, die eher in den Qualitätsbereich gehören: Räumliche Nähe Kulturelle Unterschiede Räumliche Nähe spielt auch heute noch eine wichtige Rolle. Die technische Infrastruktur für Sprach- und Datenkommunikation hat die Restriktionen für viele Funktionsbereiche in Unternehmen aufgehoben. So werden beispielsweise Datenverarbeitung, Programmierung und Customer Care als Kandidaten für Offshoring betrachtet. „Disziplinen, bei denen die physikalische Nähe absolut keine Rolle spielt, eignen sich ideal für die Auslagerung ins Ausland.“ (Gottfredson/Puryear/Phillips, 2005, S. 69). Funktionen, in denen allerdings der Transport von materiellen Gütern und die physikalische Qualitätsbewertung dieser Güter
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eine Rolle spielen, müssen auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung analysiert werden. Auch im Customer Care müssen die Prozesse, die Schnittstellen und die sich ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen genau betrachtet werden. Beinhaltet der Kundenserviceprozess auch einen Schritt, der räumliche Nähe erfordert, wie z. B. die Koordination der Servicetechniker vor Ort, dann ist dieser Prozess kein so idealer Kandidat wie die telefonische Buchungsannahme für Touristikunternehmen. Im Kundenservice ist also die Art des Produkts, für welches der Service erbracht wird, relevant. Kulturelle Unterschiede spielen in den Bereichen, in denen der Kunde in den Prozess integriert wird, eine entscheidende Rolle.Zum einen ist die Sprachbarriere relevant. Während im Business-to-Business-Bereich Kunden tolerieren, dass Spezialisten im Ausland sitzen und die Geschäftssprache Englisch ist, so ist dies im Business-to-Consumer-Bereich noch nicht anerkannt. Unternehmen stellen dann Muttersprachler ein und setzen diese in den Niedriglohnländern ein. Aber auch in den englischsprachigen Ländern sind kulturelle Unterschiede ein Kriterium bei Offshoring-Initiativen. So haben Finanzinstitute in Großbritannien herausgefunden, dass ihre Kunden es bevorzugen, mit Mitarbeitern zu sprechen, die einen schottischen Akzent haben und in manchen Fällen auch ein Gespräch über das aktuelle Tagesgeschehen führen. Da es sich um hochwertige und beratungsintensive Produkte wie z. B. Versicherungen handelt, wollte man den Wünschen der Kunden natürlich Rechnung tragen. Da diese Institute große Teile des Kundenservices nach Indien verlagert haben, hat man jetzt Sprachtrainer engagiert und stellt eine Versorgung mit den aktuellen Informationen, vor allem Fußballergebnissen, sicher. Die folgenden Diskussionen werden nicht auf die Besonderheiten von Offshoring eingehen, denn der Übergang von Unternehmensteilen im Ausland unterliegt der dortigen Gesetzgebung. Eine Diskussion aller Faktoren kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Es werden in den nachfolgenden Ansätzen vielmehr die BPO-Projekt-Varianten „Gründung einer Tochterfirma“ und „Betrieb durch einen externen Dienstleister“ betrachtet. Diese beiden Varianten werden anhand der Besonderheiten dieser „Asset-Deals“ im Bereich der kaufmännischen Themengebiete und im Bereich des Arbeitsrechts gegenübergestellt. Alle bereits in den vorhergehenden Kapiteln erwähnten Themen finden natürlich auch bei diesen Projekten Anwendung, die nachfolgenden Ausführungen sind ergänzend dazu gedacht.
6.2
Gründung einer Tochterfirma/Captive Outsourcing
Mit der Gründung einer Tochterfirma können Unternehmen unterschiedliche Ziele verfolgen. Die „schwächste“ Variante ist die Zielsetzung, über die Gründung dieser Tochterfirma eine klare Übersicht über Kostenstrukturen zu erhalten. Diese Tochterfirma ist dann auf den internen Markt ausgerichtet, um in den Gebieten „Qualität“ und „Kosten“ Marktniveau zu erreichen. Der Unterschied zu einem Shared Service Center ist hier gering, denn die zu hebenden
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BPO-Potenziale sind im Bereich der Kosten über die Personal-Faktorkosten zu realisieren. In den Bereichen der Qualität und der Innovation werden Potenziale dann realisiert, wenn die neue Tochterfirma so attraktiv ist, dass neue Mitarbeiter von außen für dieses Unternehmen gewonnen werden können. Beispiele sind hier die Gründungen von internen IT-Dienstleistern, die in vielen Konzernen stattgefunden haben. Eine weitere Variante ist die Gründung von Tochterfirmen zur Realisierung auch externen Umsatzes. Hier spielt neben dem Heben von BPO-Potenzialen auch die Realisierung von Marktchancen eine Rolle. Eine Marktchance kann entweder dann bestehen, wenn das Unternehmen eine einzigartige Kompetenz vermarkten kann, diese Kompetenz aber nicht für den bisherigen Zielmarkt relevant ist, sondern in einer vorgelagerten Wertschöpfungsstufe angesiedelt ist. Eine Marktchance besteht auch dann, wenn Kapazitäten in einem Markt angeboten werden können, der bisher unterversorgt worden ist oder wenn eine Ausgründung Zugang zu Kunden ermöglicht, wie z. B. die Belieferung eines Wettbewerbers, der nie bei der direkten Konkurrenz eingekauft hätte. Auch diese Art der Gründung von Tochterfirmen ist nicht neu. In der Automobilindustrie haben die amerikanischen Fahrzeughersteller erfolgreich gezeigt, dass aus dem eigenen Hause Teilelieferanten ausgegliedert werden können. So hat General Motors Delphi und Ford Visteon gegründet. Beide Firmen sind in ihren Märkten auch für andere Automobilhersteller erfolgreich tätig und manchen etablierten Wettbewerbern wie Siemens VDO Automotive oder Bosch erhebliche Konkurrenz. Wird eine Markchance ergriffen, so kann diese sowohl für den Mutterkonzern als auch für das Tochterunternehmen sehr erfolgreich sein. Im Bereich der Kosten greifen jetzt neben dem Thema Personal auch Skaleneffekte, die zu einer Reduktion des Fixkostenanteils pro produzierte Einheit führen. Die Qualität der erbrachten Leistung wird sich konsequent verbessern, denn das Tochterunternehmen ist jetzt den Qualitätsmaßstäben mehrerer Kunden unterworfen. Die gleiche Logik gilt dann auch für den Bereich der Innovation. Eine Marktchance muss aber auch real vorhanden sein, es wird einem Unternehmen wenig nützen, wenn es Forderungen auf Seiten der Unternehmensleitung des Mutterkonzerns gibt („Ich vertraue erst wirklich der Qualität und den Kosten von Tochterfirma XY, wenn 30 % des Umsatzes mit externen Kunden erwirtschaftet werden.“), aber keine echte Chance besteht, diese Forderungen auch zu erfüllen. Wenn der Markt nicht vorhanden ist, sei es weil die eigenen Kapazitäten nicht so überzeugend sind, sei es weil die Nachfrage nicht so hoch ist wie angenommen oder erhofft, kann der Markteintritt nicht erfolgreich sein.
Kaufmännische Themengebiete Der kaufmännische Bereich ist bei der Gründung einer Tochterfirma nicht der Bereich, in dem entscheidende Veränderungen für die Faktorkosten entstehen. Nach Gründung des Unternehmens wird der Mutterkonzern alle zur Leistungserbringung notwendigen Inventare über einen „Einbringungsvertrag“ an die Tochterfirma übergeben. Verhandlungen werden
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hier normalerweise nicht geführt, da keine unterschiedlichen Bewertungen über die Assets von den beiden Vertragsparteien vorliegen. Es werden also die vorhandenen Buchwerte aus der Bilanz des Mutterkonzerns in die Bilanz der Tochterfirma übertragen. Aus Sicht der Tochterfirma kann dies sowohl positive als auch negative Ausprägungen haben. Positiv dann, wenn der Mutterkonzern aus Gründen der Komplexität viele Dinge schon abgeschrieben oder gar nicht erst aktiviert hat (z. B. es sind alle Güter mit einem Anschaffungswert unter 2.000 Euro Gebrauchsgüter). Negativ dann, wenn Güter übernommen werden müssen, die entweder nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, oder Güter einen höheren Bilanzwert als den marktüblichen Vergleichswert ausweisen. Dies sind dann Hemmschuhe, die das Tochterunternehmen schlechter dastehen lassen, als wenn sich ein Dienstleister „auf der grünen Wiese“ gegründet hätte. Der Grad der rechtlichen Absicherung wird vom üblichen Vorgehen innerhalb des Konzerns vorgegeben, schließlich sollte keine der Vertragsparteien der jeweils anderen einen Versuch der Übervorteilung unterstellen.
§ 613a BGB und arbeitsrechtliche Konsequenzen Die folgenden Aussagen beziehen sich auf eine kaufmännische Bewertung der einzelnen Aspekte. Sie ersetzen nicht die genaue Prüfung aller juristischen Aspekte durch einen Experten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Im Wortlaut bestimmt der viel zitierte § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): „(1) Geht ein Betrieb oder ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. (...)" In einem ersten Schritt prüfen die Arbeitsrecht-Experten, ob überhaupt ein Betriebsübergang vorliegt. Dabei wird der betroffene Betriebsteil darauf untersucht, welche Aktiva übergegangen sind. Das Augenmerk wird dabei sowohl auf die materiellen als auch auf immaterielle Aktiva gerichtet. Während der Übergang von Maschinen, die zur Produktion notwendig sind, noch einfach zu prüfen ist, ist der Übergang von immateriellen Dingen schwieriger zu beleuchten. Im Unterschied zu einem Verkauf ist zu prüfen, ob die produzierten Güter oder Leistungen weiterhin denselben Kundenkreis bedienen und ob die Arbeitsorganisation die gleiche bleibt. Wird zum Beispiel ein Schnellimbiss vom Käufer in ein 3-Sterne-Restaurant umgebaut, so wird trotz eines Kaufs von einigen Aktiva hieraus kein Betriebsübergang. Die Arbeitsorganisation wird auf ein weiteres Merkmal hin geprüft: In welchem Maße (Anzahl und Fähigkeiten) werden Mitarbeiter weiterbeschäftigt?
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Im Falle von BPO nicht relevant ist zumeist die Überprüfung der Dauer der Unterbrechung der Geschäftstätigkeit, dies spielt vor allen Dingen im Einzelhandel und ähnlichen Branchen eine Rolle. Outsourcing selbst ist auch schon Bestandteil einiger Urteile und Kommentare, Einigkeit herrscht zumindest darüber, dass eine Auftragsvergabe ohne Übernahme von Arbeitsmitteln und Personal auf jeden Fall keinen Betriebsübergang darstellt. Liest man diesen Auszug, dann erkennt man, dass bei der Ausgründung von Tochterfirmen innerhalb eines Konzerns kaum Veränderungen für die Mitarbeiter auftreten werden. Im Regelfall können alle Betriebsvereinbarungen erst nach dem Ablauf eines Jahres geändert werden. Tarifverträge sind auch im Regelfall konzernweite Regelungen. Um aber dem Thema Faktorkosten Personal doch eine Bedeutung zu geben: Es sind Änderungen auch sofort bei dem Übergang der Mitarbeiter in das neue Unternehmen möglich. Dann nämlich, wenn die neu gegründete Firma vom Konzern abweichende Regelungen trifft, und zwar bevor die Mitarbeiter übergehen. Dies geht aus Satz 3 hervor: „Satz 2 gilt nicht, wenn …“ So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, unternehmensspezifische Betriebsvereinbarungen und Haustarifverträge zu schließen. Gleichzeitig muss sich das Management der Tochterfirma bemühen, nicht in den Geltungsbereich der Konzernregelungen (Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge) zu gelangen. Die neue Firma kann durch die Vorbereitung in zwei Richtungen Kostensenkungspotenziale heben. Zum einen wird die neue Tochterfirma in einem neuen Markt tätig, in dem unter Umständen niedrigere Gehälter gezahlt werden als in dem bisherigen. So versuchte Delphi ein Absenken der Stundenlöhne von 25 US-Dollar auf 9,50 US-Dollar durchzusetzen. Zum anderen können Betriebsvereinbarungen gezielter auf das Kerngeschäft abgestimmt werden. Beschließt ein Unternehmen (beispielsweise aus der Automobilindustrie), seine Gehaltsabrechnung auszugliedern, so sollte die neue Tochterfirma eine Betriebsvereinbarung über die Personaleinsatzplanung abschließen, die sich an den neuen wichtigen Geschäftsprozessen orientiert. Das könnte dann bedeuten, auf Mehrarbeit oder 6-Tage-Regelungen an den Abrechnungstagen mehr Wert zu legen als auf 3-Schicht-Regelungen, damit ein Fließband nicht stillsteht. Die Faktorkosten im Bereich lassen sich also durch mögliche Absenkungen im Gehaltsniveau oder durch effizientere Steuerung der Mitarbeiter verringern. Individualvertragliche Regelungen müssen aber immer mit dem jeweiligen Mitarbeiter einzeln verhandelt werden.
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6.3
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Verkauf von Unternehmensteilen (Teilbetrieben)/Third-party Outsourcing
Im Gegensatz zur Ausgründung von Tochterunternehmen, bei der am Ende alle Assets und Mitarbeiter weiterhin in der Konzernbilanz verbleiben, trennt sich das Unternehmen bei einem Verkauf von Unternehmensteilen von Inventar und Mitarbeitern. Dies sind die Arten von BPO-Projekten, zu denen Nettesheim, Grebe und Kottmann anmerken: „OutsourcingDeals können hinsichtlich ihrer Komplexität mit M&A-Deals verglichen werden. Viele der notwendigen Fähigkeiten für die Vorbereitung und den Abschluss von M&A-Deals sind auch für die Planung und Durchführung von Outsourcing-Geschäften erforderlich.“ (Nettesheim/ Grebe/Kottmann, 2003, S. 28) Die Phasen nach der Umsetzung des M&A-Deals und der Outsourcing-Implementierung unterscheiden sich allerdings deutlich. In einem OutsourcingGeschäft beginnt das Heben der erwünschten Effekte in der täglichen Zusammenarbeit nach Vertragsabschluss und „Go live“, ein M&A-Verkaufsprojekt endet nach Vertragsabschluss für die verkaufende Firma. BPO-Projekte koppeln den Verkaufsvorgang mit abschließendem Verkaufsvertrag mit einem Dienstleistungsvertrag, denn das Käuferunternehmen übernimmt ja nicht nur Unternehmensteile, sondern wird auch Wert darauf legen, einen langfristigen Vertrag über die exklusive Erbringung der übergehenden Prozesse zu erhalten.
Kaufmännische Themengebiete (Due diligence) Unternehmenskäufe und -verkäufe sind ein Thema sehr vieler und äußerst detaillierter Ausführungen. Deshalb wird an dieser Stelle nur auf einige Dinge hingewiesen, die bei einer wirtschaftlichen Betrachtung des BPO-Projekts berücksichtigt werden sollen. Ein Unternehmen, das seine Prozesse analog den Beschreibungen in Kapitel 2 standardisiert hat, kann zu der Überlegung kommen, die betroffenen Unternehmensteile über eine Ausschreibung an einen Dienstleister abzugeben. Die angesprochenen Dienstleister werden dann zwei Dinge inhaltlich und kaufmännisch beurteilen wollen: Bewertung der zu übernehmenden Unternehmensteile Bewertung der zu übernehmenden Prozesse Die Bewertung der zu übernehmenden Unternehmensteile findet im Rahmen einer Due Diligence statt. „Allgemein wird darunter (einer Due Diligence, Anm. des Autors) die sorgfältige Analyse, Prüfung und Bewertung eines Objektes im Rahmen einer beabsichtigten geschäftlichen Transaktion, insbesondere jedoch im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen verstanden. Es handelt sich also um die Beschaffung und Aufarbeitung von Informationen im Sinne einer Kauf- oder Übernahmeprüfung. Ziel der Aktivitäten ist dabei das Aufdecken verborgener Chancen und Risiken beim Zielunternehmen, zur Verbes-
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serung der Qualität der Entscheidung und zur Erhöhung der Genauigkeit der Wertermittlung auf Grund des verbesserten Informationsstandes.“ (Kelle, 1998, S. 1) Die Zurverfügungstellung von Informationen findet häufig in einem klar begrenzten Zeitraum statt. Sind die Informationen professionell gesammelt, dann werden sie den Käufern in einem „Data Room“ zur Verfügung gestellt. Die Art und der Umfang der Informationen sind abhängig vom jeweiligen Verkaufsobjekt, eine grobe Struktur kann allerdings der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zur Verfügung gestellten Checkliste (BMWI, Due Diligence Checkliste) entnommen werden. In einem BPO-Projekt ist sicherlich auf Grund dessen, dass Personal übergeht, wichtig zu bewerten, welche Zahlungsversprechen den Mitarbeitern beispielsweise im Rahmen von Pensionsversprechen oder Betriebsrenten gemacht worden sind. Die Bewertung der Prozesse durch den Käufer wird letztendlich in einem Angebot über die Erbringung der Dienstleistungen erfolgen. Allerdings muss bei einer wirtschaftlichen Betrachtung des Gesamtprojekts beachtet werden, dass der Dienstleister auch eine Gewinnmarge über die gesamte Vertragslaufzeit erzielen wird und dass er unter Umständen eine Plattform erhält, auf der er mit Hilfe von Skaleneffekten auch die Prozesse anderer Kunden abwickeln wird. Der Verkäufer kann hier in der Verhandlung anstreben, den Kaufpreis zu erhöhen. Die dadurch entstehende Position wird dann als Goodwill verbucht und bedeutet für den Verkäufer einen zusätzlichen Gewinn aus der Transaktion. „In a purchase, an accounting term called ‚goodwill’ is created. Goodwill is the excess of the purchase price over the sum of the fair market values of the individual assets acquired.” (Ross/Westerfield/Jaffe, 1990, S. 773) Zusammenfassend kann eine kaufmännische Betrachtung wie folgt aussehen:
Kosten Dienstleister
Kosten Dienstleistersteuerung
Migrationskosten
Remanenzkosten
Goodwill/ Kaufpreis
Gesamtkosten
Abbildung 46: Schematische Darstellung aller Kosteneffekte bei einem „BPO-Deal“
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Anwendbarkeit § 613a BGB und Konsequenzen Auch bei einem Betriebsübergang zu einem Dienstleister greift der bereits zitierte § 613a BGB. Und auch hier gilt die „Besitzstandswahrung“ von einem Jahr für Individualverträge. Sollten bei dem Dienstleister bereits kollektivrechtlichte Vereinbarungen wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen vorliegen, so ersetzen diese die bisherigen Regelungen. Eines der umstrittenen Probleme tritt dann auf, wenn in den Mitarbeiterverträgen auf Tarifverträge und Ähnliches Bezug genommen wird. Hier prüfen dann die Experten fallbezogen und es gilt vorerst die juristische Antwort: „Es kommt darauf an, …“ Die Ein-Jahres-Regelung gilt ausdrücklich auch für Kündigungen: „Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs des Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.“ (§ 613a Absatz 4, BGB). Das übernehmende Unternehmen wird also, wenn Personalabbau einer der Treiber der Wirtschaftlichkeit ist, entweder ein Jahr warten oder verstärkt auf andere Mittel zur Erhöhung der Fluktuationsquote setzen. Das verkaufende Unternehmen muss darauf achten, dass nicht viele Mitarbeiter dem Betriebsübergang widersprechen. Tritt dieser Fall nämlich ein, so bleibt der Mitarbeiter im Unternehmen, obwohl seine Stelle nicht mehr vorhanden ist. Natürlich kann das Unternehmen dann zum Mittel der betriebsbedingten Kündigung greifen, aber ob man bei Funktionen, die nicht hoch spezialisiert sind, einen Stellenabbau nachweisen kann oder ob ein Richter den Abbau nicht doch mit dem oben zitierten Absatz in Verbindung bringt, ist Teil der jeweiligen Prüfung der Rechtslage. Dieser Abschnitt soll nur als Indikator für die zugrunde liegende Komplexität dienen. Eine genaue Betrachtung der arbeitsrechtlichen Situation bleibt den Experten überlassen, die eine solche Transaktion begleiten sollten.
BPO-Projekte als Mittel zum Personalabbau Auch wenn wir weder in den Umfragen zum Thema BPO noch in der bisherigen Diskussion im vorliegenden Buch den Grund „Personalabbau“ finden, außer vielleicht in dem Grund „Kostensenkung“ versteckt, so gibt es Unternehmen, die BPO-Projekte als Möglichkeit ansehen, ein Problem auch im Personalüberhang durch einen Dritten lösen zu lassen. In diesem Fall scheut die Unternehmensleitung den Konflikt, den eine Standardisierung oder in diesem Fall eine Sanierung des betroffenen Unternehmensteils mit sich bringen würde. In solchen Fällen werden die kaufmännischen Betrachtungen ungleich schwieriger. Jeder Dienstleister wird sich von dem Verkäufer ein Premium zahlen lassen, wenn er die Aufgabe der Erhöhung der Fluktuation übernimmt. Ähnlich den in Kapitel 3 skizzierten Herausforderungen, wenn man nicht beherrscht, was man fremdvergibt, begibt sich der Verkäufer hier in eine schlechte Verhandlungsposition. Und wenn das eigentliche Ziel hinter dem BPO-Projekt bekannt wird, und sei es nur als Gerücht, dann steht das Projektmanagement vor neuen Herausforderungen im Bereich der Kommunikation.
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Eine andere Herausforderung ist das Ziel einiger Unternehmen, Outsourcing an einen Dritten explizit nicht als Betriebsübergang gelten zu lassen. Wenn abzusehen ist, dass die Mitarbeiter im eigenen Konzern eingesetzt werden können oder der Dienstleister in seinen Kalkulationen darstellt, welcher „Abschlag“ für das Inkaufnehmen der einjährigen „Ruhephase“ anfällt, dann kann sich ein Unternehmen entschließen, dass „Kein Betriebsübergang“ die wirtschaftlich interessantere Lösung ist. Die weiter oben beschriebene Prüfung wird dann von den Experten mit genau umgekehrten Vorzeichen durchgeführt werden müssen. Allein eine örtliche Verlagerung des Arbeitsplatzes reicht nicht aus, wenn beispielsweise Arbeitsprozesse identisch bleiben, diese kann aber dazu führen, dass viele Mitarbeiter einem Betriebsübergang widersprechen. Und durch diesen Widerspruch wird dann ebenfalls ein Betriebsübergang verhindert.
6.4
Unterschiede für das Projektmanagement
Über Projektmanagement ist sowohl in diesem Buch als auch an vielen anderen Stellen geschrieben worden. Deshalb wollen wir hier auch nur die Besonderheiten betonen, die bei einer Ausgründung oder einem Verkauf einer prozessorientierten Einheit auftreten. Hier lassen sich zwei Themengebiete identifizieren: Projektorganisation Kommunikation Weiter oben steht, dass das Projekt bei einem Verkauf an eine externe Firma M&ACharakter hat. Dieses wirkt sich vor allem auf die Anzahl und die Art der am Projekt Beteiligten aus. Während die Standardisierung (wie an den oben beschriebenen Projekten zu sehen ist) vor allem von Experten aus der Fachabteilung und dem IT-Bereich gesteuert worden ist, kommen hier auf jeden Fall die Fachleute für Arbeitsrecht ins Spiel. Je nach Struktur des Unternehmens spielen außerdem Strategie-/M&A-Abteilungen eine Rolle. Auch der Finanzbereich – sowohl die Buchhaltung für die Inventare als auch die Controller für die Wirtschaftlichkeitsrechnung – spielt eine Rolle. Da auch ein Dienstleistungsvertrag verhandelt wird, wird in manchen Konzernen auch der Einkaufsbereich zur Sicherstellung eines exzellenten Verhandlungsergebnisses sowie der Einhaltung der Vergaberichtlinien beteiligt. Die Kommunikation, und hierbei insbesondere die Kommunikation in Richtung der betroffenen Mitarbeiter, bekommt eine herausragende Rolle. Es können einige Regeln oder Erfahrungen aus Change-Management-Projekten übertragen werden, denn vom Start an – dem Beschluss der Standardisierung – wird die Organisation verändert. Dies betrifft sowohl die Koordination und Kontrolle durch das Management als auch die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Bereichen. Simon beschreibt die Aufgabe des Verantwortlichen unter anderem als „Beobachtung der relevanten Umwelten: Welches sind die für das
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Erreichen des Ziels relevanten Umwelten, d. h. Personen, Institutionen, Organisationen, Märkte usw.? Wer ist durch die angestrebte Veränderung betroffen oder könnte es sein? Welches sind – soweit vorhersehbar – Gewinner und Verlierer der Veränderung (das ist besonders bei Strukturveränderungen zu bedenken, wo sich durch die Veränderung der Status und damit die Beziehung der Beteiligten radikal verändern kann)? Die – im Hinblick auf die Veränderung positiv wie negativ gefärbten – Meinungen, Einstellungen und Reaktionsmöglichkeiten all dieser Akteure müssen berücksichtigt werden. Dies gilt in besonderem Maße für all diejenigen, die das Projekt scheitern lassen könnten.“ (Simon, 2004, S. 266). Durch die Standardisierung und die anschließenden Schritte verändern sich vor allen Dingen die Aufgaben der Mitarbeiter, und bei größeren organisatorischen Veränderungen werden auch Führungskräfte und Mitarbeitervertreter wie Betriebsrat und Gewerkschaften Betroffene bzw. Beteiligte. Hier gilt es also mit der Kommunikation anzusetzen. Ist am Start vor allen Dingen das deutliche Signal der Notwendigkeit der Veränderung wichtig, so verschiebt sich nach dem Überwinden des Widerstands („Das haben wir doch immer so gemacht. Wir waren doch erfolgreich.“) der Schwerpunkt der Kommunikation auf die Motivation der Mitarbeiter, unter den neuen Bedingungen weiterhin eine gute Leistung zu bringen. Dabei ist es für die Verantwortlichen wichtig, den Mitarbeitern das mit negativem Image verbundene Wort „Outsourcing“ zu erklären. Denn selbst wenn das Ziel des Unternehmens der Aufbau eines Shared Service Centers ist, es wird immer das Gerücht geben: „Die da oben machen das nur, um uns am Ende loszuwerden. Entweder das machen dann Inder an unserer Stelle oder wir werden für weniger Gehalt bei einem Dienstleister arbeiten müssen.“ Die Folgen, wenn das Management nicht auf diese Ängste der Mitarbeiter und den parallel entstehenden möglichen Konflikt mit den Betriebsräten und Gewerkschaften eingeht, können sein: o o o o
Abwanderung der Mitarbeiter Innere Migration der Mitarbeiter Abfall des Leistungsniveaus in der Prozessen Widersprüche gegen Betriebsübergänge (siehe weiter vorne)
Das Projektmanagement erhält also im Falle eines „Asset-Deals“ zusätzliche Komplexität, auf die auch bei der Besetzung von Projektmanager und Lenkungskreis zu achten ist.
6.5
Weg ist weg: Der (Wieder-)Aufbau von herausgegebenen Prozessen
Generell ist es ein sehr steiniger Weg, wenn das Unternehmen beschließt, Prozesse, von denen es sich absichtlich getrennt hat, wieder aufzubauen. Während einer erneuten Bewertung der Prozesse stellt ein Unternehmen fest, dass die bisher fremdvergebenen Prozesse jetzt doch wieder besser selbst erbracht werden. Dieses Vorgehen
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wird häufig Insourcing genannt. Jetzt muss geprüft werden, ob das noch vorhandene Knowhow auch dem aktuellen Stand des Inhalts der Leistungen entspricht, es sollte also die Dokumentation überprüft werden. Ist diese während der Laufzeit nicht kontinuierlich auf dem aktuellen Stand gehalten worden, so steht das Unternehmen vor der ersten Herausforderung: Es hat die Kontrolle über die fremdvergebenen Prozesse verloren. Es gilt jetzt in einem ersten Schritt gemeinsam mit dem Dienstleister den tatsächlichen Inhalt der Prozesse zu beschreiben, so dass eine Bewertung der anfallenden Aufwände durchgeführt werden kann. In den meisten Fällen ist dies auch schon die erste Hürde: Das Unternehmen hat sich während der lang andauernden Partnerschaft auf den Dienstleister verlassen und hat auch die Kontrolle verringert. Und der Dienstleister wird jetzt nicht mit großem Eifer in ein Projekt einsteigen, dessen Zielsetzung darin liegt, „überflüssig“ zu werden. Hier muss ein besonderes Augenmerk auf allen etablierten, auch den informellen, Schnittstellen des Dienstleisters in die Organisation liegen. Gerade Informationskanäle laufen dann häufig außerhalb der dokumentierten und ursprünglich gebauten Wege entlang. Ist diese Hürde genommen, so steht der nächste Schritt an: Wie sollen wir die Prozesse in unserem eigenen Unternehmen abbilden? In dieser Abbildung steckt eine weitere große Herausforderung, denn genau dieses „Wie“ ist die Kernkompetenz des Dienstleisters. Also muss das Unternehmen wahrscheinlich auf externe Experten zurückgreifen, denn diese Prozesse müssen neu entwickelt werden. Ist all dies definiert und entschieden, so muss auch hier ein Projekt analog dem in Kapitel 3 beschriebenen aufgesetzt werden, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Es ist auch möglich, einen Betriebsübergang vom Dienstleister zum Unternehmen durchzuführen, in der Praxis ist dies eher selten. Allerdings gibt es Projekte, die von Beginn an darauf ausgelegt sind, dass der Dienstleister die Entwicklung und Industrialisierung der Prozesse übernimmt, dafür ein Premium erhält und dass nach einem vorher festgelegten Zeitraum das Unternehmen die Abwicklung der Prozesse selbst übernimmt. Dies ist vor allem bei BPO aus Gründen der Innovation der Fall.
7.
Anforderungen an BPO-Dienstleister
Wenn ein Unternehmen entschieden hat, dass Prozesse über die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister, wobei die ausgewählte Option hier irrelevant ist, abgewickelt werden, dann muss es die Anforderungen an den Dienstleister aufstellen. Diese sind sowohl für eine mögliche Ausschreibung als auch für eine Bewertung dieser Ausschreibung sowie auch für Vertragsverhandlungen wichtig. Natürlich können während der einzelnen Projektphasen Anforderungen ergänzt werden oder sich das Gewicht der einzelnen Anforderungen verändern. Je
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früher man allerdings die Sammlung der Anforderungen startet und beendet, desto schneller und transparenter werden die einzelnen Phasen durchlaufen. Die verschiedenen Anforderungen lassen sich in drei Kategorien aufteilen: Fachliche Anforderungen Kaufmännische Anforderungen Unternehmensinformationen
Hoch Mittel
Wachstum
Qualität
Niedrig
Relevanz der fachlichen Anforderungen
Unternehmensinformationen spielen immer dann eine große Rolle, wenn das eigene Unternehmen mit dem Dienstleister nicht gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Denn dann muss der Auftraggeber bewerten, ob der Anbieter auch auf Grund seiner Finanzkraft und seiner Unternehmensgröße ein langfristiger Partner sein kann. Auf diese Weise können auch das Image und die Referenzen des Dienstleisters bewertet werden. Je nach Anspruch des Projekts ist auch die regionale Aufstellung zu bewerten. Bei einigen Projekten kann ein Auftraggeber außerdem auch die Vorlage von Versicherungen über Projektrisiken und Haftpflichtversicherungen einfordern. Diese Informationssammlung und deren Bewertung sind aber nicht BPO spezifisch und sind sicherlich Teil des Aufgabenspektrums jeder Einkaufabteilung.
Kosten Niedrig
Mittel
Hoch
Relevanz der kaufmännischen Anforderungen
Abbildung 47: BPO-Gründe im Spannungsfeld zwischen fachlichen und kaufmännischen Anforderungen Die BPO-Gründe können aber in einer Matrix aus fachlichen und kaufmännischen Anforderungen gezeigt werden. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass diese Darstellung aufzeigen soll, auf welchen Bereich der Anforderungen Betonung gelegt werden soll. So sind
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Prozessgebundene Logik des BPO
bei „Innovation“ natürlich die kaufmännischen Anforderungen nicht zu vernachlässigen, aber bei der Unterscheidung zwischen den Dienstleistern sollte das Hauptaugenmerk auf den fachlichen Anforderungen liegen. Bei „Kosten“ finden sich die wichtigsten Bewertungsmerkmale (und Unterscheidungsmerkmale zwischen den einzelnen Dienstleistern) unter den kaufmännischen Anforderungen. Wird der Prozess von seiner Qualität her weit über dem Branchenstandard durchgeführt, so kann die Dienstleisterauswahl sogar zugunsten der kaufmännischen Vorteile einen Anbieter ergeben, der die Prozesse qualitativ schlechter als andere Anbieter durchführt. Die kaufmännischen Anforderungen sind in Kapitel 3 im Rahmen der Preisgestaltung dargestellt. Was können mögliche fachliche Anforderungen sein? Dazu ist hier eine Kriterienliste aufgestellt. Diese ist nur als Hinweis gedacht, welche Anforderungen bei einem BPO-Projekt auftreten können. Sie hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Des Weiteren soll auf eine generische Gewichtung der einzelnen Kriterien untereinander verzichtet werden. Die Gewichtung sollte sich aus den oben beschriebenen, im Laufe des BPO-Projekts bereits durchgeführten, Analysen ergeben. Prozesse
Prozessmanagement Projektimplementierungserfahrung Dokumentierte Prozesse Zertifizierung etc.
Personal Personalrekrutierung Ausbildung Anstellungsverhältnisse (geringfügig Beschäftigte, Teilzeit- versus Vollzeitanstellungen, Zeitarbeitskräfte) Trainingskonzepte etc. Technologie Installierte Technik Prozessunterstützende Software Integrationsmöglichkeit für Verbindungen zwischen Unternehmen und BPODienstleister Reportingssystem (z. B. Zugriff auf Online-Statistiken, Analysemöglichkeiten etc.) Datensicherheit Investitionszyklen etc.
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Performance/Qualitätsmanagement Qualitätssicherungsmöglichkeiten und -maßnahmen Ansätze zur Qualitätsoptimierung Reportingwesen (Frequenz der Reports, Definition von Key Performance Indicators etc.) Leistungsstärke (Volumen, Kapazität) etc. Innovationsfähigkeit Unterstützung bei neuen Konzepten Reaktionsgeschwindigkeit bei Veränderungen etc. Flexibilität Abfedern von kurzfristigen Volumenschwankungen Mitwachsen oder -schrumpfen in Abhängigkeit der Geschäftsentwicklung etc.
8.
Alles outsourcen – die Utopie des vollkommen virtuellen Unternehmens
Eines soll hier vor allen Dingen verdeutlicht werden: BPO ist kein Allheilmittel. Es ist eine Strategie, die sich in einer Turnaround-Situation oder zur Verbesserung existierender Prozesse eignet. BPO kann bei der Erschließung neuer Wachstumsfelder unterstützen, allerdings ist BPO nicht der Treiber bei der Definition und Entwicklung von Wachstumsstrategien. Ein Unternehmen muss die Identifizierung von Wachstumsfeldern mit eigenen Ressourcen angehen, aber es müssen dann nicht alle für die Erschließung notwendigen Prozess im Unternehmen etabliert werden, hier kann dann BPO aus Wachstums- oder Innovationsgründen durchgeführt werden. Des Weiteren wäre die Betrachtung unvollständig, wenn wir nicht auch Risiken, die mit Outsourcing einhergehen, beleuchteten.
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Nettesheim/Grebe/Kottmann beschreiben in ihrem Artikel zwei Risikodimensionen, die es während der Vorbereitung für ein BPO-Vorhaben zu berücksichtigen gilt:
Risikoallokation Mengenrisiko Kostenrisiko Preisrisiko Haftungsrisiko Bilanzrisiko
Originäre Outsourcing-Risiken Operatives Risiko Abhängigkeitsrisiko Qualitätsrisiko Vertragsrisiko Kompetenzrisiko
Quelle: nach Nettesheim/Grebe/Kottmann Die Dimension der „Risikoallokation“ wird in Kapitel 3 näher beleuchtet. In der Dimension der originären Outsourcing-Risiken unterscheiden Nettesheim/Grebe/Kottmann 5 Risikoarten. Unter dem operativen Risiko wird hier das Risiko der Insolvenz oder der Illiquidität des Auftragnehmers verstanden. Diesem kann mit zwei Möglichkeiten begegnet werden. Ist die einzukaufende Leistung klar beschrieben, so besteht die Möglichkeit des Lieferanten Mixes. Hat ein Unternehmen sich aus klar dokumentierten Gründen für genau einen Lieferanten entschieden, so ist während der Vertragsauswahl eine genaue Betrachtung dieses Lieferanten notwendig, denn das Unternehmen begibt sich bei der Vergabe an genau einen Dienstleister in eine strategische Abhängigkeit. Eine Insolvenz dieses Lieferanten wird unter dem Stichwort Abhängigkeitsrisiko betrachtet. Die Abhängigkeit von einem Lieferanten wird deutlich, wenn ein Unternehmen bewertet, wie einfach die Leistung bei einem anderen Lieferanten eingekauft werden kann (Lieferantenwechsel) oder wie schnell die Leistung im eigenen Unternehmen erbracht werden kann (Insourcing). Das Qualitäts- und Vertragsrisiko beschäftigen sich mit der ausreichenden Beschreibung und Spezifizierung der Prozesse im Rahmen der Fremdvergabe. Die Beherrschung dieser Risiken wird im folgenden Kapitel näher beschrieben. Das Kompetenzrisiko hat zwei Dimensionen: Einerseits kann es ein, dass die Kompetenz des Auftragnehmers überschätzt wird und die erwartete Innovation oder Kostensenkung nicht eintritt. Die „Boshaftigkeit“ dieses Risikos ist darin zu sehen, dass es eigentlich der permanenten Überprüfung bedarf: Die Kompetenz des Auftragnehmers kann sich über die Laufzeit des Vertrages verändern, sei es durch Personalabgang, sei es durch Konkurrenz. Die Situation zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses muss nicht langfristig stabil sein. Die zweite Dimension bezieht sich auf die eigene Kompetenz, fachlich wie vertraglich. Die eigene Fachkompetenz, aber auch die Governance-Kompetenz kann sich aus ähnlichen Gründen wie beim Auftragnehmer auch beim Auftraggeber verändern. Business Process Outsourcing ist ein dynamischer Metaprozess, der langfristiger Betrachtung bedarf.
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8.1
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Outsourcing löst kein Problem, es kann eines werden
„Downsizing kann zur Magersucht geraten: Das Unternehmen wird schlanker und dünner, aber nicht unbedingt gesünder.“ (Prahalad, 1997, S.107) BPO-Projekte werden zum Teil auch aus anderen Gründen als den oben aufgezählten durchgeführt. Drei Gründe finden sich, wenn die BPO-Projekte der letzten Jahre in Deutschland einer kritischen Betrachtung unterzogen werden: Folgen eines Managementtrends („Was können wir noch outsourcen? Unternehmen XYZ steht schlanker da als wir!“) Defensiver Managementstil/Angst („Die Prozesse bekommen wir nur in den Griff, wenn wir Einschnitte machen, die politisch nicht möglich sind. Den Arbeitsplatzabbau müssen andere für uns betreiben.“) Mangel an Fähigkeit zur Problemlösung („Wir bekommen das Kundenmanagement nicht in den Griff, wir müssen das an Profis übergeben!“) Alle diese Gründe haben eines gemeinsam: Die durch sie hervorgebrachten Entscheidungen basieren nicht auf einem strategischen Pfad, der Wachstum für das Unternehmen hervorrufen soll, sondern auf einem Managementstil, der darauf basiert, keine falschen Entscheidungen zu treffen. „Doch es geht nicht um persönliche Schwächen. Es geht darum, dass diese Zwischenklasse (der Manager) einen Strukturwandel markiert: die zunehmende Virtualisierung der Ökonomie. … Nur der Abbau von Arbeitsplätzen garantiert das Überleben – zumindest bei Börse, Kapitalmarkt und Weltbank.“ (von Müller, 2006, S. 47) Folgendes Beispiel soll die Problematik eines Vorgehens, das auf vor allen Dingen auf den drei „defensiven“ Verhaltensweisens des Managements basiert, verdeutlichen.
Aufbau eines Shared Service Center im Personalbereich eines Großunternehmens Folgende Situation: Per Vorstandsbeschluss fällt die Entscheidung, bisher in Tochterfirmen etablierte Prozesse im Personalbereich wie Bewerbung, Versetzung und Gehaltsabrechnung in Shared Service Center zu verlagern. Diese Zusammenfassung soll die Effizienz im Personalbereich erhöhen. Der Ansatz entspringt dem strategischen Willen des Vorstands, Skaleneffekte durch Zentralisierung in einer neuen eigenständigen, auf die Abwicklung der Prozesse spezialisierten Einheit, eben diesen Shared Service Centern, zu heben. Es werden in den Abteilungen des Mutterkonzerns die Soll-Prozesse designed. Anschließend werden ausgesuchte Fachleute aus den einzelnen Töchtern zusammengezogen, um diese Prozesse zu bewerten. Diese Prozesse werden anschließend in der von der Konzern-IT-
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Strategie vorgegebenen neuen Software abgebildet. Parallel wird auf Basis der Ergebnisse all dieser Überlegungen die Mitarbeiteranzahl (Full Time Equivalents = FTEs) sowohl für die neuen Shared Service Center als auch für die in den Töchterunternehmen verbleibenden Personalbereiche berechnet. Anschließend erfolgen die Veröffentlichung der Ergebnisse mit einem Zeitplan und die Ansprache der Mitarbeiter, die entweder in die Shared Service Center wechseln sollen oder in dem verbleibenden Personalbereich vor Ort eine Tätigkeit angeboten bekommen. Betrachtet man das ganze aus Sicht des theoretischen Projektansatzes, dann sind alle Tätigkeiten (Prozesse, Organisation und IT-Unterstützung) durchgeführt worden, um die erwarteten Potenziale zu heben. Aber: Am Ende des Projekts waren die SSCs aufgebaut, die Software auf Basis der Prozesse implementiert und die Zusammenarbeit begann. Leider gab es erhebliche Anlaufschwierigkeiten, und die Potenziale, die der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Entscheidungsfindung des Vorstands zugrunde lagen, wurden in den ersten Monaten nicht gehoben. Was war passiert? Erstens: Die Prozessmodellierung und -überprüfung hatten zwar stattgefunden, allerdings erfolgte das „Schneiden“ der Prozesse am grünen Tisch. Aber die Schnittstelle zwischen den zwei Stellen konnte nicht so mit Leben gefüllt werden, wie ursprünglich geplant. Als Folge mussten weitere Korrekturschleifen und Versandprozesse eingeführt werden. Zweitens: Die lang angekündigte Mitarbeiterüberführung hatte allen Führungskräften die Chance gegeben, ihre vermeintlich besten Mitarbeiter vor Ort unterzubringen. Der Vorteil eines Wechsels in ein SSC war den Mitarbeitern nicht verdeutlicht worden. Infolgedessen ging Know-how verloren, das im SSC erst über IT-Unterstützung und Erfahrung wieder aufgebaut werden musste. Bobiatynsky, Gehrmann und Krause weisen darauf hin, das gerade bei der Übernahme von Personalprozessen auch das Wissen über Tarifverträge an die übernehmende Einheit übergehen muss. Außerdem müssen auch Betriebsvereinbarungen und andere arbeitsrechtlich relevante Themen an die Einheit, die die Leistung erbringen muss, übergehen. Drittens: Die Einführung der neuen Prozesse auf der Basis einer neuen Software hatte zu einer fehlerhaften Abschätzung der Dauer für die einzelnen Arbeitsschritte und damit zu einer falschen, weil zu geringen, Abschätzung der Größe der einzelnen Einheiten geführt. Zusammen mit den nicht berücksichtigen Effekten der Prozessverlängerung bei Einführung einer Software führte dies zu einer Überlastung der eingesetzten Mitarbeiter. Viertens: Die Kommunikation und Koordination zwischen den Einheiten sollten ausschließlich auf Basis der Software funktionieren. Tatsächlich aber musste man miteinander sprechen, und es wurden Jour Fixes zwischen den Führungskräften und telefonische Abstimmungen zwischen den Einheiten eingeführt. Fünftens: Das errechnete Personalabbaupotenzial wurde nicht gehoben, die Führungskräfte vor Ort hatten für ihre Mitarbeiter gesorgt.
Prozessgebundene Logik des BPO
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Zusammenfassend hat diese Einführung erst nach Überarbeitung der Prozesse, Anpassung der FTEs und Installation von Kommunikationsmechanismen zu dem gewünschten Ergebnis geführt und die Potenziale werden – wenn auch verspätet – gehoben.
Die Analyse dieses Beispiels zeigt, dass die Beschreibung der Prozesse und die Spezifizierung der Prozesse zwar stattgefunden haben, allerdings nicht in dem geeigneten Maße, das eine professionelle Migration erlaubt hätte (s. o. Qualitätsrisiko). Es wurden zu viele Stellhebel zur gleichen Zeit verändert, so dass die Reaktion des Gesamtsystems nicht in der gewünschten Art stattfand. In dem Beispiel hätte eine Entzerrung der Veränderungen durch eine sukzessive Migration zuerst auf die neuen Prozesse und Software und anschließend auf die neue Organisationsform ein besseres Ergebnis ergeben. Die Herausforderungen in der Einschwingphase nach dem Inkrafttreten der neuen Organisation wären noch größer gewesen, wenn die Entscheidung gefallen wäre, diesen Schritt nicht nur innerhalb der eigenen Organisation zu gehen, sondern dieses Shared Service Center an einen Dritten zu vergeben. Dann wäre neben dem Qualitätsrisiko auch das Vertragsrisiko aufgetreten, denn die Vertragstexte, die Qualitätsparameter und die Kosten pro Vorgang hätten nach der Inbetriebnahme der SSCs bei einem Externen nachgebessert werden müssen. Vielleicht aber auch nicht, denn zur Fremdvergabe hätte das Unternehmen eine Ausschreibung durchgeführt. Während der Vorbereitung der Ausschreibung, dem Studium der Angebote und der Verhandlungen mit den Dienstleistern zeigen sich die Qualität und Vollständigkeit der Unterlagen sowie der zugrunde liegenden Überlegungen über Prozesse, Ressourcen und Qualitätsparameter. Die Erarbeitung der Unterlagen sowie die Diskussionen mit dem Dienstleister erfordern dann auf Seiten des vergebenden Unternehmens sowohl juristisches, kaufmännisches als eben auch fachliches Know-how. Ein Unternehmen, das eine Fremdvergabe plant, sollte deshalb ein Bewertungsteam aus dem Fachbereich (im Beispiel oben der Personalbereich), dem Einkauf, der Rechtsabteilung sowie Teilnehmern der IT-Abteilung zusammenstellen. Beschließt ein Unternehmen die Fremdvergabe ohne diese sicherlich auch zeitintensive Vorbereitung, können nicht alle Potenziale eines BPO gehoben werden. Leider ist diese Erkenntnis noch nicht in den Köpfen aller Manager in Deutschland verankert. „Für viele deutsche Manager ist die Beschaffung dennoch eher ein taktisches Werkzeug, um Verwaltungskosten zu senken, denn eine strategische Frage. Zudem sind in deutschen Unternehmen Prozesse nur unzureichend standardisiert und mit Hilfe von Informationstechnik (IT) automatisiert. Dies erschwert Funktionen auszulagern.“ (Gumsheimer, 2005, S. 70)
Fremdvergabe eines Kundenbindungsprogramms Ein großes deutsches Unternehmen hat geplant, seine Marktposition durch Anpassungen im Bereich der Kundenbindung zu verbessern. Im Vorstand fällt die Entscheidung, das Programm nicht in einer eigenen Einheit aufzubauen, sondern die Dienstleistungen über eine Ausschreibung zu beschaffen. Es wurde eine Projektgruppe installiert, die für eine perfekte Einführung und einen reibungslosen Betrieb der Kundenbindung sorgen soll. Das
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Prozessgebundene Logik des BPO
Team bestand aus Mitarbeitern des Marketingbereichs, die Systemspezialisten aus dem IT-Bereich erhielten eine Rolle, der Einkauf wurde involviert, und das Team bekam Unterstützung durch externe Spezialisten. Der von der Unternehmensspitze vorgegebene Zeitplan sah einen Zeitraum von neun Monaten bis zum Starttermin bei dem externen Dienstleister vor. Das Projekt startete mit einer Definitionsphase. An deren Ende lagen folgende Dokumente vor: Vertragsentwurf (20 Seiten) Prozessbeschreibung (150 Seiten) Bewertungsmatrix für Angebote Prozesszeiten Kennzahlen (35) und Reportinganforderungen Anforderungen an Software, Schnittstellen und Integration in Altsysteme Über eine Ausschreibung mit Beteiligung von vier ausgewählten Wettbewerbern und eine anschließende Vertragsverhandlung kam man zum Vertragsschluss mit einem Dienstleister. Dieser etablierte das Kundenbindungsprogramm in seiner Organisation, und das Projekt startete mit geringem Verzug. Auf Grund des Neuaufbaus des gesamten Programms konnten alle Prozesse implementiert und die Systeme geeignet aufgebaut werden. Leider hatte das Projektteam die Prozesszeiten nicht korrekt angenommen. Da aber die Kennzahldefinitionen vor allen Dingen den Bereich der Kundenzufriedenheit und des Volumens abdeckten, wurde die Problematik erst nach einigen Wochen sichtbar, als die Reports des Dienstleisters anzeigten, dass erheblich mehr Personal eingesetzt werden musste, als in der Kalkulation und den anschließenden Verhandlungen angenommen worden war. Des Weiteren waren auf Grund der Verbindung von Altsystemen beim Auftraggeber und den neuen Systemen beim Auftragnehmer einige Kennzahlen gar nicht, andere nur mit Hilfe von vielen manuellen Zwischenschritten zu erheben. Die Prozesszeiten stellten allerdings für die Zusammenarbeit kein Problem dar. Es war vertraglich vereinbart worden, dass die in der Definitionsphase getroffenen Annahmen genutzt werden, die tatsächlichen, auch für Bonus-Malus-Zahlungen relevanten Zahlen, erst nach Ende der Einschwingphase gemeinsam vertraglich fixiert werden. Somit oblag beiden Vertragsparteien die Pflicht, eine Erhebung der Prozesszeiten durchzuführen. Dies wurde über die Messung einer hohen Anzahl von Vorgängen gewährleistet, was zwar ressourcenintensiv war, da diese Messungen eine gewisse Zeit dauerten, aber die Grundlage für den Vertrag und die Rechnungslegung war ausreichend fundiert. Schwieriger stellte sich die Situation im Bereich der Kennzahlen dar. Hier hatte nun die Einschwingphase gezeigt, dass sowohl die Kennzahlen als auch die Reportingstrukturen überarbeitet werden mussten. Das erforderte aber auch eine Überarbeitung des Vertragswerks, denn viele der Kennzahlen waren nicht nur zur qualitativen und quantitativen Kontrolle der Leistung gedacht, sondern waren auch Grundlage für die Rechnungslegung und
Prozessgebundene Logik des BPO
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für Bonus-Malus-Regelungen. Auch hier wurde ein gemeinsames Projektteam mit der Lösung beauftragt. Im Gegensatz zu der Prozesszeitenerhebungen konnte hier nicht auf das Mittel der Beobachtung zurückgegriffen werden, sondern das Team entschied sich, zurück zur Definition zu gehen. So wurden die einzelnen Kennzahlen auf ihre Relevanz hin geprüft. Als Resultat wurden einige Definitionen verändert, andere Kennzahlen aus dem Reportingsystem gestrichen und weitere neue definiert. Alle diese Kennzahlen wurden jetzt auf ihre Erhebbarkeit überprüft, das heißt, das Projektteam hat mit den IT-Spezialisten beider Unternehmen die Datenquellen daraufhin untersucht, ob die die nun beschriebenen Kennzahlen aus den Systemen geliefert und mit einem vertretbaren Aufwand in Reports konsolidiert werden können. Diese Veränderungen führten zu einer Überarbeitung der diversen Vertragstexte. Sowohl der Anhang, in dem die Kennzahlen beschrieben worden waren, als auch der Preisteil mit den Bonus-Malus-Regelungen wurden überarbeitet. Da diese Änderungen auch Auswirkungen auf die kommerzielle Seite des Auftrags hatten, nahmen hier die Fachverantwortlichen und der Einkauf auf der einen Seite sowie der Vertrieb und Vertreter des Betriebs des Dienstleisters Verhandlungen auf, die auf Grund der bereits gestarteten Zusammenarbeit schnell und für beide Seiten zufrieden stellend beendet wurden.
Hat ein Unternehmen seine Prozesse nicht mit Hilfe der Methoden und Werkzeuge des Prozessmanagements standardisiert und anschließend durch die Einführung prozessunterstützender Software automatisiert, ist Outsourcing kein geeignetes Mittel. Zusammen mit den Prozessen muss das vergebende Unternehmen die Kenngrößen und die Messpunkte klar definiert haben. Dazu gehören die richtigen Kennzahlen, die richtige Ausprägung der Kennzahlen und die Möglichkeit des systembasierten Berichtswesens und der Auswertbarkeit. Dann können Prozesse beherrscht, kontrolliert und optimiert werden. Der Standard COPC widmet diesen Punkten eine sehr große Aufmerksamkeit. Dort wird das Prinzip der kennzahlenbasierten Unternehmenssteuerung auf die Optimierung von transaktionsorientierten Unternehmen oder Unternehmensteilen heruntergebrochen. Prozesse, die nicht verstanden oder nicht beherrscht werden, können nicht mit einem für alle Parteien positiven Ergebnis über Funktions- und Unternehmensgrenzen hinweg verlagert werden.
8.2
Das hohle Unternehmen?
Nach all den oben getroffenen Aussagen können Verantwortliche für die Unternehmensstrategie sich die Frage stellen, ob es Sinn macht, nicht alle Prozesse definiert aus einem Unternehmen herauszugeben und über intelligente Kontroll- und Steuerungssysteme ein virtuelles Unternehmen zu werden. Die jeweiligen Prozesse werden je nach strategischem Grund (z. B. Kostensenkung oder Innovation) an die richtigen Orte auf der Welt („Hauptstandorte“) verla-
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Prozessgebundene Logik des BPO
gert und an interne wie externe Dienstleister vergeben. Dieser radikale Schritt ist sicherlich denkbar, allerdings wird sich eine entsprechende Umsetzung nur schwer realisieren lassen. Denn wie würde ein solches Projekt aussehen? Viele Ressourcen werden in die Erarbeitung der Konzepte und sonstigen Unterlagen investiert. Auf Grund der hohen Komplexität des gesamten Projekts und der hohen Interdependenz zwischen den einzelnen Teilprojekten wird neben den Ressourcen auch ein großer Zeitraum benötigt, um die Dokumente zu erstellen. In dem Faktor Zeit liegt dann auch ein Teil der Problematik begründet, denn die Entwicklungen technologischer und organisatorischer Art warten nicht auf das Ende des Projekts. Es ist also vorstellbar, dass Unternehmen am Ende des Projektes Kostensenkungs- oder Innovationspotenziale heben wollen, obwohl die zugrunde liegenden Prozesse bereits veraltet sind. „Die soeben noch sicheren Maßstäbe über wertschaffende Prozesse und Bilanzgrößen verflüchtigen sich. Übernahmen drohen von allen Seiten, selbst von solchen, die man eben noch selbst übernehmen wollte. Wer in solcher Lage in riskante Arbeitsplätze investiert, könnte morgen schon tot sein.“ (von Müller, 2006, S. 47) Der andere Teil der Problematik liegt im Bereich der Mitarbeiter. Es entsteht ein Kompetenzrisiko. Denn es können während des Projekts zwei Phänomene auftreten. Eine Gruppe von Mitarbeitern wird sich umorientieren, da sie für sich keine Zukunft in dem Unternehmen sehen. Dies sind häufig diejenigen Mitarbeiter, die auf Grund ihrer Qualifikationen und Erfahrungen leicht einen Arbeitsplatz finden. Es sind die Mitarbeiter, die wichtig für die Kompetenz sind, die eigentlich im Unternehmen verbleiben sollten, damit der Plan der Virtualisierung aufgeht. Als Resultat existiert das Unternehmen dann am Ende des Projekts als virtueller Verbund, allerdings hat man die Kompetenzen für den eigenen Markterfolg oder das Steuerungs- und Kontroll-Know-how aus dem Unternehmen ausscheiden sehen. Das andere Phänomen erkennt man daran, dass das Unternehmen an neuen Markttrends nicht teilnimmt bzw. keine neuen Markttrends initiiert. Denn dieses auf die Unternehmensinnenwelt gerichtete Projekt bremst das Unternehmen bei der Umweltanalyse, entweder durch Blockade oder sogar durch Abschaffung der notwendigen Ressourcen. „Bedenken Sie, was alles hätte geschehen können, wenn die Unternehmen ihr ‚überflüssiges’ intellektuelles Potenzial, von dem sie sich so einfach getrennt haben, genutzt hätten, um neue Märkte für morgen auszudenken oder neue Kernkompetenzen aufzubauen, die ihnen auf solchen Märkten zu einem Wettbewerbsvorteil verhelfen können.“ (Prahalad, 1997, S. 108) Aber Virtualisierung ist sehr wohl möglich, und zwar immer dann, wenn ein neues Unternehmen sich im Markt etablieren möchte. Im Falle des Neuaufbaus eines Unternehmens ist es möglich, dass Prozesse kontrolliert fremdvergeben werden und das Unternehmen nur die Ressourcen aufbaut, die es für seinen Markterfolg benötigt. Dabei ist es unabhängig davon, ob es sich hier bei um primäre Wertschöpfungsprozesse oder unterstützende Prozesse handelt. Das folgende Beispiel zeigt einen erfolgreichen Versuch, als Neueinsteiger in einem Markt sich ausschließlich auf eine Kernkompetenz (hier: die optimale Erfüllung des Kundenwunsches unabhängig vom Leistungsersteller) zu konzentrieren und für die Leistungserstellungsprozesse und unterstützenden Prozesse nur die Kontroll- und Steuerungskompetenzen aufzubauen.
Prozessgebundene Logik des BPO
139
Aufbau eines Ticketverkaufsunternehmens als virtuelles Unternehmen In Großbritannien sind in den neunziger Jahren die Eisenbahn (British Rail) und das Schienennetz (RailTrack) getrennt voneinander privatisiert worden. Ziel war es, den Wettbewerb auf der Schiene einzuführen und zu unterstützen. Über die ersten drei bis vier Jahre trat dieser gewünschte Effekt ein. Bis zu 26 Eisenbahnunternehmen etablierten sich in Großbritannien. Alle diese Unternehmen wollten sich natürlich von den Konkurrenten differenzieren, denn teilweise fuhren Unternehmen wie z. B. Arriva oder Virgin die gleiche Strecke von London nach Liverpool in einem Abstand von nur 10 Minuten. Die Unternehmen versuchten nun mit allen Mitteln des Marketings, die Kunden von den Konkurrenten weg und in die eigenen Wagen zu locken. Es wurden Konzepte über unterschiedliche Preissysteme, verschiedene Konzepte für den Service während der Reise und unterschiedliche Transport-Geschwindigkeiten (Anzahl Bahnhöfe, Durchschnittsgeschwindigkeit) entwickelt und umgesetzt. Die Transportgesellschaften machten sich auch Gedanken über die Ausgestaltung der Vertriebswege. Dadurch, dass alle diese Gesellschaften neu in diesem Markt waren, nutzten sie die Möglichkeit, den Schwerpunkt nicht auf den tradierten Weg der Schalter in Bahnhofshallen zu legen. Es wurde Vertriebskanal-Mixe entwickelt, die auf den Direktvertrieb über die damals neuen Medien Internet und Call-Center basierten. Schalter, tradierte Absatzmittler wie Reisebüros und der Verkauf im Zug sowie Automaten spielten geringere Rollen. Eines hatten alle Vermarktungsansätze gemeinsam: Keine der Vertriebsorganisationen der Transportgesellschaften gab Auskunft über vermarktete Leistungen von anderen Gesellschaften. Die alte Wertekette dieser Branche war durch den externen Eingriff des Gesetzgebers dekonstruiert worden. Auf Grund der Kopplung von Netz und Betrieb wurde früher die gesamte Wertekette innerhalb eines staatlichen Unternehmen abgebildet. Nach der Privatisierung und dem Markteintritt der neuen Transportgesellschaften gab es eine neue Wertekette für diese Branche.
Netzbetreiber
Transporteur A
Vertrieb
Transporteur B
Vertrieb
Weitere Transporteur A Transporteure
Vertrieb Vertrieb
Reisender
Abbildung 48: Wertekette des Schienenpersonenverkehrs (SPV) nach Marktöffnung (UK) Aber ein Team von fünf Personen erkannte eine Optimierungsmöglichkeit in der neuen Wertekette. Es gab auf Grund der neuen Informationsvielfalt über Fahrpläne und Preise die Möglichkeit für einen intelligenten Absatzmittler für den Ticketverkauf. Die Fünf gründe-
140
Prozessgebundene Logik des BPO
ten NewCo, ein Unternehmen mit der Vision, den Kunden die auf ihren jeweiligen Bedürfnissen zugeschnittenen Transportleistungen unabhängig von der jeweiligen Transportgesellschaft über die Vertriebskanäle Call-Center und Internet anzubieten.
Netzbetreiber
Transporteur A
Vertrieb
Transporteur B
Vertrieb
Weitere Transporteur A Transporteure
Vertrieb Vertrieb
NewCo
Reisender
Abbildung 49: Wertekette des SPV nach Markteintritt von NewCo Das Management von NewCo hatte die Chance, alle Prozesse des Unternehmens „auf der grünen Wiese“ zu konstruieren. Und bei diesem Prozessdesign verfolgte man zwei Maximen: größtmögliche Automatisierung und geringe Wertschöpfungstiefe. Die Betrachtung des Vertriebskanals Call-Center zeigt, wie die Umsetzung dieser Maximen verfolgt wurde. Bei Anruf erreicht der Kunde zuerst ein Sprachdialogsystem (IVR). Dies ermöglicht dem Kunden, seine Reisewünsche (Hin- und Rückfahrt, Klasse, Anzahl Personen) per Sprache an das Backendsystem von NewCo zu übermitteln. Das Backendsystem ermittelt die möglichen Verbindungen und die jeweiligen Preise. Die IVR setzt diese Informationen des Backendsystems in Sprache um und gibt dem Anrufer die notwendigen Informationen. Dann stellt es die entscheidende Frage: „Möchten Sie das Ticket/die Tickets jetzt kaufen?“ Antwortet der Kunden mit „Ja“, dann wird er in ein Call-Center durchgestellt. Der Mitarbeiter, der den Anruf zugeteilt erhält, sieht zeitgleich mit der Anrufannahme alle Daten, die der Kunde bisher mitgeteilt hat. Sollte der Kunde außerdem bereits ein registrierter Kunde sein und seine Rufnummer von den Telekommunikationssystemen erkannt worden sein, so erhält der Mitarbeiter zusätzlich auch alle Stamm- und Bewegungsdaten des Kunden auf seinen Bildschirm. Der Verkaufsabschluss und der Anstoß der finanziellen Transaktionen werden dann im Dialog zwischen Kunden und Mitarbeiter durchgeführt. Die Übergabe der Tickets geschieht dann entweder per Versand oder über die Vertriebskanäle der jeweiligen Transportgesellschaft. Die Analyse dieses Verkaufsprozesses zeigt im ersten Moment, dass der Wechsel von Mensch-Maschine-Kommunikation (Kunde <-> IVR) zu der Mensch-Mensch-Kommunikation (Kunde <-> Mitarbeiter) nicht der Maxime der größtmöglichen Automatisierung entspricht. Die Entscheidung wurde aber vom NewCo-Management bewusst getroffen, denn in der Analyse der einzelnen Prozesse und Prozessschritte zeigt sich, dass gerade der Verkauf ein Prozesselement ist, das einen Wettbewerbsvorteil sichert. Denn der Mitarbeiter kann versuchen, über die Realisierung von Cross- und/oder Up-Selling den Umsatz innerhalb dieses Gesprächs zu erhöhen. Der Verkauf von Hotelübernachtung (Cross-Selling) oder den Verkauf von Erste-Klasse-Tickets statt der angefragten Zweite-Klasse-Tickets (Up-Selling) kann von der IVR zwar angeboten werden, aber eine detaillierte Vorteilsdarstellung ist über eine IVR nicht möglich.
Prozessgebundene Logik des BPO
141
Die Maxime der geringen Wertschöpfungstiefe wurde konsequent umgesetzt. Die IVR und alle anderen IT-Systeme wurden als Infrastructure Outsourcing an einen Dienstleister übergeben. Die Mitarbeiter im Call-Center sind bei einem Dienstleister angestellt. Tatsächlich ist die Gesamtanzahl der Mitarbeiter von NewCo im einstelligen Bereich geblieben.
Zusammenfassend kann im Hinblick auf die in diesem Kapitel beschrieben Thematik bemerkt werden: Mit dem schlanken Unternehmen ist es wie mit den schlanken Menschen. Verschlanken oder Abnehmen ist ein schwieriger Prozess, bei dem es gilt, nicht zu viel auf einmal zu wollen und stattdessen lieber für Nachhaltigkeit zu sorgen. Besser, aber nicht unbedingt einfacher ist es, gar nicht erst wirklich Überflüssiges anzusetzen, sondern gezielt bestimmte Unternehmensbzw. Körperteile fit zu halten.
8.3
Fazit und Ausblick
„…, steht und fällt die Strategie häufig mit der Kreativität bei der Organisation und beim Management der Partnerschaften. Doch nur, wenn Sie sich zunächst einen allgemeinen strategischen Überblick über die Beschaffung von Fähigkeiten verschaffen, kann Ihr Unternehmen am stärksten von ihren Entscheidungen profitieren.“ (Gottfredson/Puryear/Phillips, 2005, S. 69) In Kapitel 2 haben wir einen allgemeinen strategischen Überblick gegeben. Ausgehend von empirisch ermittelten Gründen für Business Process Outsourcing haben wir gezeigt, warum Unternehmen entweder die Prozesse selbst oder die Ergebnisse oder die Fähigkeiten der Mitarbeiter standardisieren müssen, bevor sie ein BPO-Projekt starten. Gerade der Unterschied zwischen den klassischen Theorien und den Auswirkungen der Informationstechnologie bedingt ein Umdenken bei den Entscheidern. Denn es ergeben sich neue Möglichkeiten der Koordination und Kontrolle. Hat ein Unternehmen identifiziert, warum welche Prozesse mit welcher Art der Standardisierung fremdvergeben werden sollen, kann das BPO-Projekt gestartet werden. Dazu werden die Prozesse zunächst einer weiteren Bewertung unterzogen. Welche Prozesse oder Teilprozesse dann tatsächlich aus der Hand gegeben werden, ist von der jeweiligen Kompetenz des Unternehmens abhängig. Danach beginnt die Organisation der Partnerschaft. Mögliche Risiken und Fehler während des BPO-Projekts haben wir dazu ebenfalls diskutiert.
Richtige Implementierung
Nachdem die Rahmenbedingungen einer Industrialisierung von Prozessen ausführlich dargestellt worden sind, gilt es nun, die Aspekte einer Implementierung von BPO zu beleuchten. „Outsource deine Prozesse erst dann, wenn du sie selber optimiert und/oder unter Kontrolle hast.“ Ein schlicht klingender Rat, hinter dem aber große Praxiserfahrung steht. Es empfiehlt sich dringend, im Vorfeld eines BPO-Projektes die Wirtschaftlichkeit der auszulagernden Geschäftsprozesse klar abgrenzbar (arbeitsteilig) zu gestalten und nach „Best Practice“ zu optimieren. Wenn wirtschaftlich sinnvoll, soll darüber hinaus eine Standardisierung der Prozesse erfolgen. Diese ist eine grundlegende Voraussetzung für den späteren wirtschaftlichen Betrieb durch den BPO-Dienstleister und wirkt sich unmittelbar auf ein optimiertes PreisLeistungsverhältnis aus Sicht des Outsourcinggebers aus. Optimierungen, die der Dienstleister später ohne großen Aufwand erzielen kann, sind in der Regel „leicht verschenktes Geld“. Das vorliegende Kapitel fokussiert auf die erforderlichen Phasen eines BPO-Projektes bis hin zur Aufnahme des Regelbetriebes. Ziel ist, die einzelnen Phasen allgemein gültig darzustellen, dass die vorgestellte Vorgehensweise prinzipiell auf alle denkbaren Geschäftsmodelle eines Unternehmens übertragbar ist.
1.
Zielsetzung/Migrationsstrategie
BPO zielt darauf ab, von Best Practice, Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit der Leistungen zu profitieren. Veränderungen im Geschäftsumfeld bedingen mehrheitlich Anpassungen an die Prozesse, und es ist die Aufgabe der BPO-Dienstleister, diese Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten. Skalierbarkeit ermöglicht dem outsourcenden Unternehmen, Leistungen nach Bedarf abzurufen ohne die Notwendigkeit, Infrastrukturen etc. fortwährend aus eigener Kraft anpassen zu müssen. Zur Erzielung des vollen Wirtschaftlichkeitseffektes einer Überführung innerbetrieblicher Prozesse zu einem externen Partner müssen im Vorfeld die Zielsetzung und das Projektvorgehen geklärt werden.
144
Richtige Implementierung
Im Hinblick auf die Zielsetzung der BPO-Initiative gilt es aufzuzeigen, welcher Beitrag mit der Auslagerung des definierten Geschäftsprozesses zur Erreichung der unternehmerischen Zielsetzung geleistet werden soll. Darüber hinaus sind die Gründe, die für eine OutsourcingEntscheidung im Vordergrund stehen, herauszuarbeiten. Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf alle daraus abgeleiteten Folgeentscheidungen, wie Governance-Struktur, Servicemodell, Leistungsumfang, Standortauswahl, Service Level Agreements etc. Grundsätzlich lassen sich vier Zielsetzungen für ein BPO-Projekt definieren, unter die eine Vielzahl unternehmensspezifischer Teilziele subsumiert werden:
Erzielen Erzielen von von Kostenvorteilen Kostenvorteilen
Wachstum Fokus Fokus auf auf Kernkompetenzen Kernkompetenzen
Erhöhung der Prozessqualität
Abbildung 50: Zielsetzungen BPO-Projekt Beschleunigung von Wachstum, das durch die Übernahme von Prozessen durch Partner erreicht werden kann Erzielen von Kostenvorteilen u. a. durch die Verlagerung in Niedriglohnländer, Begrenzung und/oder Verlagerung des Kostenrisikos bei Kapazitätsschwankungen auf Dritte Konzentration auf anderweitige Kernkompetenzen Erhöhung der Prozessqualität Hier gilt nochmals unsere dringende Empfehlung: „Vergebe deine Prozesse erst dann, wenn du sie selber optimiert und/oder unter Kontrolle hast.“ Anzumerken ist, dass es durchaus auch externe Partner gibt, die auf Grund von Erfahrungen und Skaleneffekten eine Qualität ermöglichen, die ein Outsourcinggeber so nicht oder zumindest nicht in wirtschaftlich vergleichbarer Form erreichen kann. Eine innerbetriebliche Optimierung vor der Vergabe von Prozessen führt zu einer optimalen Verhandlungsposition bei BPOs, die prinzipiell auf eine „Kosten-
Richtige Implementierung
145
senkung“ fokussieren. Bei strategischen Zielstellungen – z. B. Realisierung von aggressivem Wachstum ist eine andere Verlagerung gegeben. Verlässlichkeit, Steuerbarkeit und Flexibilität der Prozesse sind dann von primärer Bedeutung. Neben den zu definierenden Zielsetzungen gilt es vor dem Start eines BPO-Projektes, eine Migrationsstrategie zu erarbeiten. Migration bedeutet im BPO-Geschäft die schrittweise Entwicklung hin zu einer Zielorganisation und Zielinfrastruktur, die den Anforderungen und Zielen des Outsourcings Rechnung tragen. Im besten Fall bietet sich eine zeitliche Vorsteuerung an, um einerseits den Betriebsübergang der Ressourcen nicht durch umfangreiche Reorganisationsprojekte zu belasten und andererseits die zu überführenden Prozesse klar zu definieren, soweit erforderlich zu optimieren und die Steuerungsfähigkeit der Prozesse sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund sind folgende Schritte im Rahmen der Migration im Vorfeld des BPO von dem Unternehmen umzusetzen.
Standardisierung
Reihenfolgeplanung
Prozesse/Abläufe
Produkt-/Servicefelder
Rollenbeschreibungen
Prozesscluster/
und Verantwortlichkeiten Performanceindikatoren
zur Prozessbeurteilung
Funktionen Standorte/Geschäfts-
bereiche, Gesellschaften
Konsolidierung Systeme bzw. IT-Landschaft Abwicklungs-/
Steuerungs- und Reportingsysteme Normierung (SW/HW
[Teil der IT-Strategie]) Physische Konsoli-
dierung (IT-Betrieb)
Abbildung 51: Bestandteile der Migrationsstrategie Standardisierung: Jede Outsourcing-Entscheidung erfordert eine Festlegung der sinnvollen Konsolidierungs- und Standardisierungsschritte. Migrationskosten lassen sich entscheidend verringern, wenn intern Normen gesetzt werden, die mit Outsourcing-Dienstleistern kompatibel sind. Am effizientesten ist es, wenn Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg Konsolidierungs- und Standardisierungsschritte implementieren und damit die eigene Prozessorganisation schrittweise auf eine Auslagerung vorbereiten. Bestenfalls startet erst dann das eigentliche BPO-Projekt. Der Vorteil einer schrittweisen Auslagerung ist die Reduzierung der Komplexität des Outsourcing-Projekts. Zudem haben die Mitarbeiter mehr Zeit, sich auf neue Prozessabläufe, Organisationsstrukturen und Systeme einzustellen. Gleichzeitig können bei einer reduzierten Komplexität im Normalfall deutliche Kostenvorteile erzielt werden, die dem Outsourcinggeber vor Eingang der Partnerschaft zugute kommen. Reihenfolgenplanung: Die Reihenfolgeplanung ist wichtig hinsichtlich der organisatorischen Überführbarkeit zur Risikominimierung und Beherrschbarkeit des BPO-Projekts. Es gilt, für den einzelnen BPO-Fall die bestmögliche Migrationsreihenfolge zu definieren.
146
Richtige Implementierung
Ein „bestmöglich“ wird erfahrungsgemäß durch die organisatorischen Fähigkeiten des Unternehmens determiniert. Einflussgrößen beim Procedere können die abzubildenden Funktionsumfänge oder Geschäftsfälle (Process by Process), Regionen und/oder Gesellschaftsstrukturen (Unit by Unit) sein; in der Praxis findet man in der Regel einen Mix dieser Elemente. Wichtig für den Erfolg und die Reputation eines BPO-Projektes ist der weitgehende friktionslose Transfer der Aktivitäten. Sofern es der Zeitplan und das unternehmerische Umfeld zulassen, ist es hilfreich, zunächst mit den unkomplizierten Regionen und Prozessarten zu starten (lernende Organisation). Die auf diese Weise generierte Erfahrung (inklusive der vermeidbaren Fehler) ist hilfreich für die anschließende Migration der komplexeren Fälle und schafft zudem Vertrauen und Sicherheit innerhalb des eigenen Unternehmens. Einbindung in die Systemlandschaften: Um eine erfolgreiche und reibungslose Migration zu gewährleisten, muss entlang der internen Unternehmensorganisation und den verfügbaren Kapazitäten eine Konsolidierung der Infrastruktur erfolgen. Hierbei wird zwischen einer räumlichen und einer standardkonformen Konsolidierung unterschieden. Bei der räumlichen Konsolidierung werden Infrastrukturkomponenten wie IT-Hardware, Software, Locations zentral zusammengeführt, die bisher an mehreren Standorten bzw. auf mehrere Systeme verteilt waren. Neben der Nutzung von freien Kapazitäten lassen sich so vor allem die Kommunikationsprozesse effizienter gestalten. Bei einer standardkonformen Konsolidierung werden die verschiedenen IT-Systeme auf einer zentralen Plattform in einer homogenen Systemlandschaft (bzw. einer einheitlichen Führung [z. B. Data Warehouse]) zusammengeführt. Beispielsweise werden Prozesseinheiten auf eine einheitliche ACD-Infrastruktur (Automatic Call Distribution) virtuell zusammengelegt, um eine optimale Steuerung und Nutzung der Ressourcen in Service Centern zu ermöglichen.
2.
Vorgehensmodell
Nach Festlegung der Zielsetzungen und der Migrationsstrategie geht es anschließend darum, das BPO-Vorhaben im Detail zu beschreiben, um eine erfolgreiche Überführung der Prozesse zu einem externen Dienstleister, dem Outsourcingnehmer, zu garantieren. Mit der Ausgliederung der Prozesse ist lediglich der Startpunkt für eine operative Zusammenarbeit mit dem Outsourcingnehmer geschaffen. Deswegen wird nachfolgend, neben der Beschreibung der einzelnen Implementierungsphasen, auch der Regelbetrieb skizziert.
Richtige Implementierung
2.1
147
Implementierung
Auf Grundlage der in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen bei BPO-Initiativen schlagen wir zur Implementierung ein Vorgehen in fünf Phasen vor.
Durchführung der Migration (Phase 5) Vertragsgestaltung und Vertragsabschluss (Phase 4)
Auswahl Dienstleister (Phase 3)
Klärung Machbarkeit (Phase 2)
Scoping (Phase 1)
Abbildung 52: Phasenmodell der BPO-Implementierung Scoping (Phase 1) Machbarkeit (Phase 2) Auswahl Dienstleister (Phase 3) Vertragsgestaltung und Vertragsabschluss (Phase 4) Migration (Phase 5) Das aufgeführte Vorgehensmodell muss situativ (nach Ausprägung des anstehenden BPOProjektes und der spezifischen Ausgangs- und Zielstellung des Unternehmens) angepasst werden. Ziel ist an dieser Stelle, das Grundverständnis über den Ablauf und die Funktionsweise des BPO transparent zu machen. Die vier grundlegenden Ergebnisse der Implementierungsphase sind in Abbildung 53 dargestellt. An der Qualität jedes der aufgeführten Ergebnisse muss sich das BPO-Team messen lassen.
148
Richtige Implementierung
Nachfolgend werden die einzelnen Phasen eines erfolgreichen Vorgehensmodells zur Implementierung eines BPO ausführlich dargestellt. Bei einigen BPO-Projekten haben wir festgestellt, dass Unternehmen dazu tendieren, die einzelnen Phasen mit mehr oder minder großen zeitlichen Überlappungen abzuarbeiten. Diese Vorgehensweise ist nicht sachdienlich, da eine parallele Bearbeitung in der Regel zu einem hohen Überarbeitungsaufwand führt und nur eine unzureichende Qualität in der Steuerung des BPO-Unterfangens ermöglicht. Sinnvoller ist, nach jeder Projektphase ein Entscheidungsgremium einzuberufen, das auf Basis der Ergebnisse der bereits implementierten Schritte formal den Start der nächsten Phase freigibt.
Grundlage zur ökonomischen Entscheidung des BPO inkl. der Key- Performance-Indikatoren (KPIs) zur Messung Auswahl des best geeigneten/der best geeigneten Partner zur Erreichung der BPO-Ziele Kontrahierung des Partners/der Partner inkl. aller Grundlagen zur Steuerung (Service Level Agreements)
Stabilität im Regelbetrieb und implementierter Steuerungsprozess
Abbildung 53: Ergebnisse der Implementierungsphase im Überblick
2.2
Scoping
Die Scoping-Phase dient zur Konkretisierung der Anforderungen und zur Definition der Prämissen und Rahmenparameter, die eine erfolgreiche Implementierung des BPO sicherstellen sollen. Dazu sollten im ersten Schritt in einem interdisziplinären Team die verschiedenen Fähigkeiten und Sichtweisen zusammengetragen werden. Ziele sind, die vorhandenen Dokumente zu sichten, Methoden und Begriffe zu klären und sauber zu definieren, die Komplexität der Anforderungen und erster Lösungskonzepte zu bewerten und die marktseitigen Möglichkeiten eines BPO zu überprüfen.
Richtige Implementierung
149
Typischerweise sind folgende Dokumente das Ergebnis der Scoping-Phase: Das abgestimmte BPO-Konzept mit ausformulierten BPO-Zielen denkbaren Varianten des Outsourcings grundsätzlichen Restriktionen (Umfang, Ressourcen, Timing) einer erster Abschätzung der ökonomischen Effekte einer Festlegung der Verantwortlichkeiten für das Vorhaben einem gemeinsamen Rahmen für ein BPO-Projekthandbuch; eine weitere Detaillierung erfolgt in den anschließenden Phasen eine erste Planung aller Arbeitsschritte bis hin zum Betriebsübergang einschließlich eines abgeschätzten Ressourcenbedarfs die Identifizierung der kritischen Erfolgsfaktoren eine erste Version eines (zumeist mehrsprachigen) Glossars, um erforderliche Begriffe zu klären und sauber zu definieren. Die Begriffsklärung ist grundlegend für eine spätere vertragliche Eindeutigkeit, insbesondere wenn es sich um Key-Performance-Indikatoren (KPIs) und deren Messung handelt. Mit diesen Dokumenten erhält die BPO-Implementierung die erforderliche Tiefe zur Detailarbeit – der Rahmen ist abgesteckt und von allen Beteiligten verstanden und akzeptiert.
2.3
Machbarkeit
Die Auslagerung von Geschäftsprozessen ist ein langfristiger und strategischer Prozess, der weit reichende Änderungen für ein Unternehmen zur Folge hat. Die Entscheidung für ein solches Projekt sollte daher auf einer ausführlichen Machbarkeitsstudie beruhen, in der Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abgewogen wurden. Zentrales Element der Machbarkeitsstudie ist die Ausarbeitung eines Business Case. Hierbei sollen im Detail die quantitativen und qualitativen Konsequenzen eruiert werden, wie in Abbildung 54 dargestellt. Die Bestimmung der Konsequenzen erfordert einen Vergleich der gegenwärtigen, bereits optimierten Situation zu dem angestrebten Soll-Zustand eines bzw. von mehreren beim BPO-Dienstleister ausgelagerten Prozessen.
150
1
Richtige Implementierung
Grundlagen
(Ausgangssituation/Rahmenbedingungen, Zielsetzung des BPO, Adressaten des Business Plans und Entscheidungsgrundlagen) 2
Strategie des Unternehmens / des Geschäftsbereichs (Fokus auf die Bestandteile des BPO-Vorhabens)
3
Executive Summary
4
Strategie und –umsetzung des BPO
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Markt und Wettbewerb Marktanforderungen als Treiber des BPO Besonderheiten der jew. Brachen / Unternehmenssituation Wettbewerbsstruktur und Status BPO beim Wettbewerb
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Strategie BPO als Teil der Unternehmensstrategie und Anforderungen an BPO Prozessstrategie und BPO als Teil des Geschäftsmodells Zentrale Aussagen zu Kunden, Kundenbindung, Kundenentwicklung, Kundenwerten Zukünftiges Leistungsangebot (Kernkompetenzen / Outsourcingbereiche) Strategische Aussagen zu Partnerschaften / Kooperationen
5
Konsequenzen des BPO
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3
Qualitative Konsequenzen Verbesserung der Wettbewerbsposition Steigerung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit Steuerbarkeit und Führung
5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3
Quantitative Konsequenzen (vgl. auch Financials [Details]) Auswirkungen auf die Kosten- / Erlösstruktur Auswirkungen auf den Cash-Flow Auswirkungen auf die Bilanz und G+V (Plansansätze)
6 6.1 6.2
Organisation Organisationsstruktur und Führungsstruktur nach Abschluss des BPO Organisatorische und personelle Implikationen (Qualifizierung, Outplacement etc.)
7
Umsetzungsplan
8
Risiken
8.1 8.1.1 8.1.2
Marktrisiken Wettbewerb Marktentwicklung
8.2 8.2.1 8.2.2
Technische Risiken Technische Realisierung Rascher technologischer Wandel
8.3 8.4 8.5
Personelle Risiken Rechtliche Risiken Unternehmensrisiken
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
Financials (Details) Grundlagen, Prämissen und Bestandteile Auswirkungen auf den Finanzplan Auswirkungen auf den Cash flow Auswirkungen auf die Bilanz Auswirkungen auf die GuV Return on Investment
10 Anhang
Abbildung 54: Umfang und Inhalt eines BPO-Cases
Richtige Implementierung
151
Zunächst ist eine umfassende Ist-Analyse der geplanten auszulagernden Prozesse durchzuführen. Hierbei ist neben der Darstellung der damit verbundenen Service-Levels auch die Berechnung der Ist-Kosten vorzunehmen. Eine pauschale Definition der Prozesse und grobe Kostenabschätzung sind unzureichend. Vielmehr sind eine detaillierte Prozessablaufbeschreibung sowie eine assoziierte Kalkulationen zwingend erforderlich, um eine Zuordnung von Prozessen und Kosten so exakt wie möglich herauszuarbeiten. Nur so lässt sich die Qualität der entscheidungsrelevanten Daten maßgeblich verbessern. Ob und in welchem Umfang diese so genannte Methode des Activity Based Costing (ABC) praktikabel ist, hängt vom gegenwärtigen Stand der Kostenrechnung als auch von den Prozessen – und den betroffenen Organisationseinheiten – ab, die zukünftig durch Dritte zu erbringen sind. Nachdem die direkt messbaren Effekte des BPO-Projektes ermittelt wurden, müssen die Investitionen, Kosten und die Liquiditätseffekte des BPO festgesetzt werden. Die Definition erfolgt als Szenario, da die „echten“ Effekte erst mit der Verhandlung der Partner zur Reglementierung der Details des Outsourcings bestimmt werden können. Im nächsten Schritt werden weitere Entscheidungskriterien in die Machbarkeitsstudie aufgenommen. Aus diesen lassen sich qualitative Aussagen ableiten, die sich durchaus, wenn auch mittelfristig, auf die Kostensituation bzw. auf zentrale Produktivitätskennzahlen auswirken. Beispielhaft seien hier aufgeführt: Flexibilität und Skalierbarkeit der Prozesse Bei marktgerichteten Prozessen – Qualität und Performance der Prozesse mit allen Auswirkungen auf Kunden-/Lieferantenbeziehungen Organisatorische und technologische Innovationsfähigkeit des BPO-Dienstleisters Prozess Compliance – sofern verbindliche Kriterien/Verfahren beim Outsourcinggeber definiert sind. Grundlage dafür sind häufig die Ergebnisse von vorher durchgeführten REFA-Projekten Transfer von (operationalen) Risiken Abschließend werden die ökonomischen sowie die mehr qualitativ ausgerichteten Effekte in einen Business Case überführt, aus dem die Vorteile des BPO-Vorhabens unter Berücksichtigung der geforderten Mindestperformance eindeutig hervorgehen müssen. Am Ende der Machbarkeitsphase steht ein Projektplan, der einen umfassenden Einblick in die anstehenden Aktivitäten des BPO-Projektes gibt. Neben der abgeschätzten Terminierung der einzelnen Projektschritte sind darin insbesondere die zu erarbeitenden Ergebnistypen und die erforderlichen Informationen bzgl. der Anforderungen an die Ressourcen festzuhalten. Sofern möglich sollten an dieser Stelle bereits die Maßnahmenpakete detailliert durchgeplant sein, um die Verbindlichkeit des Handelns und den Performancedruck auf alle Beteiligten zu forcieren.
152
Richtige Implementierung
Der aufgestellte und positiv bewertete Business Case und eine nach aktueller Einschätzung umsetzungsfähige Projektplanung mit klaren „Haltepunkten“ sind die Grundlagen für die Entscheidung über das Fortführen oder das Einstellen der BPO-Initiative.
2.4
Auswahl der Dienstleister
Ist ein Unternehmen zum Outsourcen entschlossen, müssen die geeigneten Partner im Markt gefunden werden. Vor der Wahl eines BPO-Partners muss der Outsourcinggeber festlegen, ob er BPO als Single BPO, Dual-BPO oder Multi-BPO durchführen will. Die hierfür entscheidenden Treiber sind: Grundsätzliche Sourcingstrategie des Unternehmens Risiko und Transferaufwand im Falle von „Problemen“ mit dem Partner Größenverhältnisse zwischen den Partnern und somit Verzicht auf Ungleichgewichte der Partnerschaft Eigene Fähigkeiten zur Steuerung (Prozesse, Instrumente) und ggf. erforderliche technische Integrationsleistungen (besonders bei proprietären Systemen) Nach der Klärung der Anzahl der zukünftigen Partner sind die Kriterien zur Beurteilung des/der Partner zu bestimmen. Dies sind üblicherweise: relevantes, d. h. referenzierbares, Branchen- und Prozess-Know-how, Erfahrung mit qualitativ und größenmäßig vergleichbaren Projekten sowie bedarfsweise internationalen Projekten, Erfahrung des Managements und Stabilität im Markt. Sachdienlich sind, sofern der Markt nicht sehr eng und eher transparent ist, die Durchführung von systematischen Marktanalysen und das Hinzuziehen von externen Beratern mit entsprechender Projekterfahrung. Die Qualität der Ausschreibung ist für eine zügige und den Aufwand begrenzende Identifizierung des späteren Dienstleisters grundlegend. Die Auswahl der Lieferanten ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Rahmen eines Outsourcing-Projektes. Zur Vorauswahl von Lieferanten hilft der Einsatz von Scoring-Modellen. Die Bewertungsdimensionen folgen selbstverständlich der Zielsetzung der Auftraggeber. Beispiele dafür sind: Markt/Kunden (z. B. Geschäftsbereiche des Unternehmens): Erhöhung der Preistransparenz, Verbesserung der Servicequalität und Erleichterung der Einbeziehung neuer Dienstleistungen
Richtige Implementierung
153
Mitarbeiter: Produktivitätssteigerung durch Ausnutzung (globaler) Prozesse und Knowhow, Eröffnung attraktiver Karrierechancen, weitergehende Spezialisierung im globalen technologischen Umfeld Finanzen: Senkung der Basiskosten und der Kosten pro Einheit, Transformation fixer Kosten in variable Kosten, Transformation von Personal- in Sachkosten Strategie: Fokussierung der Organisation auf das Kerngeschäft, Erhöhung der organisatorischen Flexibilität, Reduzierung operationaler Risiken Technologie und Service: Standardisierung der Infrastruktur, Standardisierung von Infrastrukturleistungen, Optimierung der Prozesse Referenzprojekte: Finden von Referenzpunkten für eigene, auch zukünftig im Unternehmen verbleibende Prozesse, d. h. Benchmarking Um den Ausschreibungsprozess möglichst effizient zu gestalten, hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
Selection Request for Proposal (RFP) Request for Inform. (RFI) Market Screening
4 - 20 Wochen
3 - 10 Wochen
2 - 4 Wochen
1 - 4 Wochen
Abbildung 55: Prozessschritte einer BPO-Ausschreibung Market Screening: Abhängig von Art, Umfang des Outsourcing-Vorhabens und der Marktkenntnis kann der Kreis der möglichen Outsourcingnehmer bereits deutlich eingeschränkt werden. Request For Information (RFI): Die ausgewählten Outsourcingnehmer erhalten einen RFI. Der RFI beinhaltet eine Kurzbeschreibung des Outsourcing-Vorhabens, die Beschreibung des Auswahlverfahrens mit Terminleiste, eine Frageliste zu wichtigen Eckdaten des potenziellen Outsourcingnehmers und erste Fragen zu möglichen Lösungsszenarien. Aus den Rückläufern der RFI wird eine Auswahl der potenziellen Partner getroffen, die den Request For Proposal (RFP) erhalten (Shortlist: Proposal-Partner)
154
Richtige Implementierung
Request For Proposal: Der RFP umfasst eine möglichst detaillierte Beschreibung des BPO-Vorhabens (Ziele, Vorgaben, Prozesse, Rahmenbedingungen, Integrationsaufgaben etc.). Aus den Rückläufern der RFP werden nach einem definierten Raster eine Auswahl der verbleibenden potenziellen Outsourcingnehmer getroffen (Shortlist: Potenzial-Partner) und in der Regel 2 bis 3 Partner zu einer Präsentation eingeladen. Selection: Auf Basis der Konzepte und der Präsentationen wird der endgültige BPODienstleister ausgewählt und mit ihm ein Vertrag ausgearbeitet, der die weiteren Implementierungsschritte bis hin zum Regelbetrieb detailliert beschreibt. Bei großen Outsourcing-Vorhaben ist es erfahrungsgemäß vorteilhaft, den Prozess bis kurz vor einem vertraglichen Abschluss parallel mit einem weiteren Partner durchzuführen. Vor allem in strategisch sehr wichtigen Projekten hat das Ausscheiden eines Partners gegen Ende des Prozesses dramatische Auswirkungen, wenn keine Fall-Back-Option bereitsteht. Beispielsweise wenn die Budgetierung, der Aufbau von Infrastrukturen und Vorarbeiten zur Personalverlagerung (i.d.R. Betriebsübergang) bereits auf einen Partner ausgelegt wurden, die Zusammenarbeit aber nicht zustande kommt. Die Folgen sind zusätzliche Kosten, eine Neuausschreibung mit deutlich verschlechterter Verhandlungsposition und Irritation im eigenen Unternehmen. Im Ausschreibungsverfahren werden die Eckpfeiler des Qualitätsmanagements festgelegt mit Vorgehensweisen, Werkzeugen und Prozessen zur kontinuierlichen Optimierung und die Form der Kundenzufriedenheitsmessung, das Governance-Modell, die eingesetzten Betriebsprozesse des Partners und die Prozedere zur Sicherung der Service-Level verabschiedet.
2.5
Vertragsgestaltung/-abschluss
Ein BPO-Vertragswerk sollte alle zu erbringenden Leistungen festschreiben; es besteht aus mehreren Bestandteilen: Zentraler Bestandteil ist der Rahmenvertrag. Er hat folgende Inhalte, die am Beispiel eines Call-Center/Service Providers konkretisiert werden: Vertragsgegenstand und Vertragsbestandteile (Prozesse, Scope, beteiligte Einheiten etc.) Pflichten des Auftragnehmers aus dem BPO Beschreibung zentraler Prozesse der Zusammenarbeit Abnahmen von Leistungen Change Management
Richtige Implementierung
155
Verfahren bei Mängeln bzw. unzureichender Leistungserstellung Kommunikationswege bei Verzug Aussagen zu den BPO-Services, z. B. Service-Levels im Call-Center-Geschäft für spezielle Zielgruppen, Produkte als auch Servicezeiten Aussagen zum Volumen und Flexibilität des BPO-Partners zur Abwicklung des Volumens sowie zur Planung/Planabstimmung des Volumens Ausprägung der Service Level Agreements für die verschiedenen Prozesstypen und Art der Messung, im Call/Service Center differenziert nach z. B. Call, white Mail, E-Mail, Fax Inbound/Outbound Technische Hotline oder Hotline für Anpassungen von Kundenstammdaten, Rechnungsanfragen Erreichbarkeit (je nach Service-Level, Verteilung über den Tag/Woche), Wartezeiten Forderungen bzgl. der Qualität der Dokumentation von Kontakten Verfügbarkeit von Systemen (im Call-Center z. B.: ACD, CRM-Lösung) Vorgaben zur Qualitätssicherung (Verfahren, Messungen, Zusammenarbeit) Anforderungen an technische Ausstattung Anforderungen an Qualifikation und Weiterentwicklung der Mitarbeiter des Outsourcingnehmers Regelungen von Pönalen mit Angabe von Schwellwerten Anforderungen an das Reporting (Inhalte, Aufbau) und Zyklen des Reportings Klärung der Abrechnung der Leistungen (je nach Ausgestaltung des Preissystems und systemischer Integration) Parameter der Preisgestaltung (Einheitspreise, Staffelpreise, Konditionen, Preisanpassungsverfahren) Vergütung/Zahlungsbedingungen für alle Leistungen, im Call-Center z. B.:
Vergütung der einzelnen Leistung (Call, Schriftstück je nach Prozess) Kosten für Trainings (Kostenübernahme) Regelungen im Falle der Nichteinhaltung von Volumen Aufwand des Managements
Laufzeit und Gültigkeitsdauer des Vertrags Prozedere bei Vertragsanpassungen Ansprechpartner und ihre Rollen
156
Richtige Implementierung
Beendigung des Vertrages und Kündigungsmöglichkeiten Sonstige allg. Vertragsbedingungen wie Vertraulichkeit, Datenschutz, nachvertragliche Regelungen, Erfüllungsort und Gerichtsstand Anhänge Neben dem Rahmenvertrag wird -- sofern es sich nur um ein partielles Outsourcing handelt (Spitzenlast, Teilumfänge) -- ein individueller Projekt- oder Leistungsvertrag definiert. Darin wird unter Bezugnahme auf den Rahmenvertrag die spezifische Leistung herausgearbeitet. Im Falle eines Call-Center-Geschäfts können das Kampagnen zur Gewinnung von Neukunden oder spezifische Outboundkampagnen zur Penetration oder Rückgewinnung von Kunden sein. Handelt es sich um einen Asset-Deal, sind darüber hinaus Übernahmeverträge zu vereinbaren, da in einem solchen Fall Personal, Sachmittel sowie Hard- und Software auf den Outsourcingnehmer übergehen. In den Übernahmeverträgen wird auch die Transition selbst (Verfahren, Mitwirkungspflichten etc.) geregelt.
2.6
Service Level Agreement
Service Level Agreements (SLAs) dienen als Ausgangspunkt eines integrierten Controllingansatzes für BPO-Projekte. SLAs beschreiben die wichtigsten Input-Output-Relationen der Prozesse und wie die Messung gemäß der Vereinbarung erfolgt. Mit Hilfe der SLAs werden die qualitativ und quantitativ zu erbringenden Leistungen (Service Items) des Outsourcingnehmers festgehalten, beispielhaft für die Inhalte eines RahmenSLA und für die Inhalte eines Leistungsscheins eines BPO im Bereich Customer Service, der die spezifischen Services definiert, in den folgenden Abbildungen dargestellt. Die SLAs regeln detailliert die Leistungen, die Häufigkeit, Verfügbarkeit, Qualität, Servicefähigkeit und die Termine, die seitens des Dienstleisters einzuhalten sind. Zudem werden verbindliche Regelungen bezüglich der Vorleistungen -- Faktoren wie Qualität, Fristigkeit und Frequenz (Operation Items) -- getroffen, die der Dienstleister vom Auftraggeber benötigt, um seine Dienstleistung erfolgreich durchführen zu können. Die SLAs sind damit ein zentrales Element zur Auslagerung und zum strukturierten, messbaren Fremdbezug von Leistungen.
Richtige Implementierung
157
Vorschlag zu Inhalten für einen Rahmen-SLA
Inhalt
Änderungsverzeichnis
Informationen über die
Vereinbarungsparteien
Implikationen auf die Leistungserbringung
Zeitliche Dauer der Vereinbarung
Reviews
Bestandteile (Rahmen, Leistungsscheine)
Eskalation
Ziel und Zweck
Verstöße/Pönalen
Zeiten der Leistungserbringung
Fortschreibung der Vereinbarungen
Leistungsparameter/Service Level
Unterschriften
Leistungsüberwachung
...
Überwachungssupport
Leistungserbringung
Abbildung 56: Gliederung und Inhalte der SLAs bei BPO
Vorschlag zu wesentlichen Inhalten für einen Leistungsschein (Anhang zu Rahmen-SLA)
Beschreibung der Leistung Wesentliche Inhalte Nutzungszeiten Verfügbarkeiten Ausfallzeiten, Zuverlässigkeit Wiederherstellungszeiten Nutzungsmengen, Transaktionen Antwortzeit, Prozesslaufzeit Qualität Monitoring, Messung …
Abbildung 57: Beispiel, Inhalt eines Leistungsscheins (Anhang zu SLA) Veränderungen in der Zusammenarbeit der Partner werden über Change-Request-Verfahren geregelt. Darin können Leistungsanpassungen, zusätzliche Leistungen, ihre laufenden Kosten und Laufzeiten entsprechend vereinbart werden. Das Change-Request-Verfahren ist ein ausgesprochen wichtiger und zu normierender Prozess. Er wird bei jeder Anpassung der vertraglichen Basis herangezogen und soll sicherstellen, dass grundsätzlich, ohne individuelle Verhandlungen, Klarheit über die Rechte und Pflichten der Parteien herrscht.
158
Richtige Implementierung
Während der initiale Prozess zur Vertragsgestaltung mehrheitlich professionell abläuft, verliert die ursprüngliche vertragliche Basis, so unsere Erfahrung, im Rahmen der Vertragslaufzeit erheblich an Wert. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung eines professionellen Change-Request-Verfahrens enorm groß. Die zentralen Items sollten in Service-Reports abgebildet werden. Themen sind beispielsweise die Messung der Qualität der Vorleistungen des Auftraggebers und der gelieferten Services des Dienstleisters, die Ursachen und Maßnahmen bei Störungen, das Erkennen von Schwachstellen im Prozessablauf und erforderliche Kapazitätsanpassungen. Nach der Fixierung müssen Bewertungsmaßstäbe und Messwerkzeuge festgelegt werden. Beispielsweise Verfahren, in welchen Zeitabständen die Einhaltung der SLAs zu monitoren ist und wer auf welche Art wem sowie zu welchem Zeitpunkt über die Resultate zu berichten hat. In diesem Zusammenhang müssen ebenfalls Sanktionierungsinstrumente definiert werden, die bei einer Abweichung von den vereinbarten Serviceniveaus greifen. Zusätzlich zu den rechtlichen Vereinbarungen empfiehlt es sich, im Outsourcing-Vertrag auch organisatorische Absprachen für die Planungsphase, die Implementierung und den anschließenden Betrieb des BPO festzuhalten. Prinzipiell gilt es, zwei Kommunikationsebenen zu installieren: eine operative zwischen den Mitarbeitern entlang der Wertschöpfungskette (Sachbearbeiter intern zu Sachbearbeiter extern) eine Ebene zwischen dem Management des Unternehmens und dem Management des Dienstleisters Zwischen den Partnern werden in einem Gremium Jahresziele, übergreifende Themen, erwartete Anpassungen von Volumina, Spitzenbelastungen der Prozesse sowie potenzielle Störungen im Prozessablauf diskutiert. Mitglieder dieses Gremiums sollten Führungskräfte des mittleren bis höheren Managements beim Auftraggeber und des höheren Managements beim Dienstleister sein. Die Institutionalisierung der Kommunikation muss im Outsourcing-Vertrag festgelegt werden. Folgende Aspekte sollten bezüglich der Kommunikation abgedeckt sein: je nach Bedarf: tägliches, wöchentliches, monatliches Reporting der Dienstleister mit allen zentralen KPIs der vom BPO betroffenen Prozesse Monats- bzw. Quartals-Review-Meetings bzgl. der Qualität der Leistungserbringung auf Führungskräfteebene mit Fokus auf Service-Qualität und anstehenden Prozessoptimierungen für die nächste Periode jährliche Review Meetings zur Aktualisierung der Service Level Agreements in einem Change-Request-Procedere Grundsätzlich stellt das Aufsetzen und Durchführen der Vertragsinhalte erhebliche Anforderungen an alle Beteiligten. Der Outsourcingnehmer hat hier deutliche Wettbewerbsvorteile, weil er über mehr Erfahrung beim Vertragsprocedere verfügt.
Richtige Implementierung
159
Um ein entsprechendes Gleichgewicht der Kräfte zu gewährleisten, sollte sich der Outsourcinggeber (zumindest bei Projekten mit größerer Tragweite) einer professionellen externen Unterstützung bedienen.
2.7
Preisgestaltung
Preismodelle müssen auf die spezifische Situation des Kunden zugeschnitten sein. Ziel ist es, eine Transaktionsstruktur zu gestalten, die eine „Win-Win“-Situation ermöglicht und für beide Parteien punktgenaue Anreize setzt, um die Geschäftsergebnisse stetig zu steigern und gemeinsam an der verbesserten Prozessperformance teilzuhaben. Die BPO-Vertragspartner können zwischen Preismodellen wählen, die sich grundsätzlich in Input- und Output-basierte Modelle untergliedern lassen. Alle anderen Preismodelle sind Hybride aus Input- und OutputModellen:
Inputbasierte Preismodelle Cost-Plus: Vereinbarte Kostenbasis zuzüglich Aufschlag („Open-Book“-Beziehung als Grundlage) Ressourcenabhängig: Wird auf Grundlage der erforderlichen Mitarbeitertage bzw. des Zeiteinsatzes der Ressourcen kalkuliert (Stückpreis x Menge der eingesetzten Ressourcen)
Outputbasierte Preismodelle Geschäftswertabhängig: Die Vergütung variiert entsprechend dem Grad, zu dem das/die vorgegebenen Geschäftsziele erreicht werden Transaktionsabhängig: Wird auf Grundlage der Anzahl der aufgelaufenen Transaktionen kalkuliert (Stückpreis x Transaktionsvolumen) Festpreis: Für die Laufzeit des Vertrags wird eine feste Vergütung für die gelieferten Leistungen verhandelt – das Risiko liegt beim Outsourcingnehmer
Hybride Preismodelle Hybride Preismodelle sind Kombinationen aus den o. a. Modellen und kommen in der Praxis am häufigsten vor. Wesentlich ist, dass die hybriden Preismodelle meistens mit Anreizmechanismen oder einem „Korridor“ versehen sind, z. B. mit einem Zielpreis. Dieser festgelegte
160
Richtige Implementierung
Preis ist gültig, solange der Ressourceneinsatz oder die Transaktionsvolumina innerhalb einer vorgegebenen Spanne bleiben. Sinkt oder steigt die Aktivität auf ein Niveau außerhalb dieser Spanne, wird der Preis entsprechend angepasst. Die Teilung der Chancen und Risiken (Gain Sharing) ist ein immer häufigerer Bestandteil der in jüngster Vergangenheit abgeschlossenen BPO-Verträge. Generell ist die Gewinnteilhabe eng mit der Risikoteilhabe verbunden. Dabei wird typischerweise die Risikoübernahme durch den BPO-Dienstleister an den Grad seiner Fähigkeit angepasst, die Ergebnisse zu beeinflussen. Drei Ansätze eines Gain Sharings im Bereich Customer Service werden im Wesentlichen praktiziert. Diese sind in der Abbildung 58 mit ihren typischen Merkmalen dargestellt.
Beurteilung der Modelle Für jedes Modell findet sich ein Für und Wider. Der Festpreis z. B. lässt kaum Variabilität zu, wobei hingegen der transaktionsabhängige Preis variabel ist, jedoch die Planbarkeit eines Budgets erschwert und Fragen aufwirft, wie: Ist der Mehrwert, der dem geschäftswertabhängigen Preis hinterlegt ist, wirklich objektiv messbar und gilt er auch noch in der nächsten Periode (Quartal/Jahr)? Vor einer Entscheidung zu Gunsten des geeigneten Preismodells empfiehlt sich für den Outsourcinggeber der Aufbau einer Simulation, die die Handlungsoptionen des Partners (vor allem Trade-Offs) und die denkbaren Entwicklungen der Prozesse (Dauer, Qualität, Volumenschwankungen etc.) umfasst.
Ansätze für hybride Preismodelle (Gain Sharing) im Markt für Customer-Service-Leistungen I.
II.
III.
Ausschließliche Bezahlung der Service-Kontakte nach „First Done Rate“, d.h., es kommt zu keinen Folgekontakten BPO-Nehmer trägt limitiertes Risiko; Optimierung seines Erfolgs durch hohe Qualität (Effektivität und Effizienz als Treiber) möglich Komplettübernahme aller Services (in einer Region) durch den Partner und Bezahlung nach festen Beträgen je Kunde („Servicepauschale“) Hohes Risiko beim BPO-Nehmer – Chancen liegen für ihn in der langfristigen „Erziehung“ des Kundenstamms (ggf. auch in Richtung Self Services) Vorgabe von Customer Satisfaction Indices als einzige Grundlage der Bezahlung (z.B. in Form einer abgestimmten und regelmäßig gemessenen Balanced Scorecard) Völlige Übergabe von Risiken und Chancen auf den BPO-Nehmer (z.B. durch Aufbau eigener Prozesse, Incentivierung von Kunden, die Services nicht in Anspruch nehmen) Trade off von Servicekosten zu Incentivierung
Abbildung 58: Beispiel für Hybridmodell-Pricing
Richtige Implementierung
161
Darüber hinaus ist wichtig, dass das Preismodell für den auszulagernden Prozess angemessen ist, die Strategie des BPO im Preismodell abgebildet wird und zu den Zielstellungen des Unternehmens passt. Die Preismodelle sollten in ihren Mechanismen auch berücksichtigen, dass Outsourcinggeber und -nehmer bei aller guten Absicht, eine Win-Win-Position zu erreichen, gegenläufige wirtschaftliche Interessen haben. Prinzipiell intendiert der Outsourcingnehmer zu einer zukunftsträchtigen Zusammenarbeit. Darüber hinaus hat er aber auch das nachvollziehbare Interesse, einen möglichst hohen Gewinn aus dem BPO zu realisieren. Die Handlungsspielräume vergrößern sich, je weniger detailliert die Bestimmung der vertraglichen Grundlagen und der SLAs sind. Im Gegenzug hat der Outsourcinggeber ein Interesse, möglichst viele additive Leistungen (Art, Ausführung, Menge) kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten zusätzlich zu erhalten. An dieser Stelle wird die Bedeutung eines abschließend formulierten Change Request Managements nochmals offensichtlich. Die gegenläufigen Ziele zwischen Kosten/Preis des Outsourcings und den Leistungen des Outsourcings sind nicht in jedem Fall gegeben: Beispielsweise ist eine erhöhte telefonische Erreichbarkeit für Kunden im Service auf den ersten Blick ein zentraler Kostentreiber. Berücksichtigt man aber die bei geringem Service-Level (Erreichbarkeit) auftretenden Kosten für die Bearbeitung von zusätzlichen Schreiben der Kunden sowie die Risiken, die sich aus Vertragsauflösungen seitens der Kunden bei zu geringem Service-Level ergeben, ist die telefonische Erreichbar für die Kunden ein geringerer Kostentreiber als der Aufwand, der betrieben werden muss, um die Folgen der Nicht-Erreichbarkeit zu kompensieren. Die Unternehmensstrategie des Kunden gibt auch die Anforderungen an das Controlling und das Reporting vor. Deswegen sollte bei der Wahl des idealen Preismodells auch dieser Aspekt berücksichtigt werden. Manchmal ist die zweite Wahl eines Preismodells aus Sicht des zu bedienenden Prozesses die optimale. Denn auch ein Ideal-Modell, das nicht in die innerbetrieblichen Abläufe passt, ist nicht sachdienlich. Vorreiter in Fragen der Preis-/Leistungsmodelle ist die Fertigungsindustrie, von der die Informations- und Dienstleistungsindustrie lernen kann: Kontinuierliche Verbesserungsprozesse sind absolut notwendig, um im Spannungsfeld des globalen Wettbewerbs langfristig bestehen zu können. Dies gilt dort sowohl für Zulieferer als auch für den Kunden. Entsprechend ist der BPO-Dienstleister aufgefordert, kontinuierlich Optimierungen anzuvisieren bzw. Transformationen tatkräftig zu unterstützen oder auch einzuleiten. Als Anreiz eignet sich dazu bestens das Preismodell „Gain and Risk Sharing“, bei dem alle Beteiligten auf Grund der gemeinsamen Verantwortung der Risiken ein Interesse an kontinuierlichen Verbesserungen haben.
162
2.8
Richtige Implementierung
Governance-Modell
Corporate Governance lässt sich frei mit Unternehmensverfassung übersetzen und dient dazu, das Vertrauen der Aktionäre, Partner und Endkunden nachhaltig zu stärken. Die Corporate Governance deckt alle Felder der Unternehmensverfassung ab von der Formulierung grundlegender Geschäftsprinzipien über die Besetzung der Gremien und den Stellenwert von Transparenz bis zu den Aktionärsrechten. Darin enthalten sind ebenfalls die Codes of Best Practice. Im pragmatischen Sinne definiert Governance die organisatorischen Einrichtungen, Vorkehrungen und Verhaltensregeln (Prozesse und Protokolle) zur Führung eines Geschäfts oder zur Steuerung einer langfristigen Geschäftsbeziehung. Vor diesem Hintergrund ist Governance gut auf strategisches Outsourcing anwendbar und umfasst drei wesentliche Bestandteile: Die gemeinsamen Steuerungsorgane und ihre Schnittstellen Die administrativen und technischen Prozessabläufe Das Beziehungsmanagement, das die Arbeitsbeziehung regelt Das Governance-Modell beschreibt die zum BPO erforderlichen organisatorischen Strukturen, Prozesse und Rollenmodelle. Während des Migrationsprojekts wird ein Organisationsmodell (Projektorganisation) etabliert, später ein Governance-Modell für die Betriebsorganisation. Beide Organisationstypen gehen im Prozessverlauf ineinander über. Zur Konzeption eines Governance-Modells ist die Installierung von Rollentypen grundlegend, die über verschiedene Interaktionsformen und mit unterschiedlicher Häufigkeit miteinander kommunizieren. Im Rahmen der Implementierungsphase übernimmt der Outsourcing-Dienstleister schrittweise den Betrieb der Prozesse des Kunden (mit oder ohne die IT des Kunden). Bei den Partnern kristallisieren sich die zukünftig durchzuführenden Aufgaben sukzessive heraus. Anfängliche Reibungsverluste gehen im Verlauf der Phase signifikant zurück, und spezifische Verantwortlichkeiten und Rollen treten immer klarer in Erscheinung. Es bilden sich verstärkt Kooperationsnormen und Kooperationsregeln heraus, die die weitere Zusammenarbeit deutlich erleichtern und die wechselseitige Bindung der Outsourcing-Partner erhöhen. Die definierten Kooperationsschnittstellen und -manager sind allgemein anerkannt und beginnen als Brückenköpfe, die Kooperationsaktivitäten zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.
Richtige Implementierung
3.
163
Migration
In den oben beschriebenen Phasen wurden die Grundlagen erarbeitet, die zur Auswahl der Partner, zur Festschreibung der vertraglichen Voraussetzungen und zur Definition der Spielregeln dienen. Der Übergang zum Tagesgeschäft (Regelbetrieb) ist aber die entscheidende Herausforderung. Vor dem Hintergrund, dass innerhalb der Migrationsphase schrittweise die Prozesse verlagert werden, gilt es jetzt, die erforderlichen Schnittstellen zwischen Unternehmen und BPO-Dienstleister zu etablieren. Die Abfolge der Migration ist gemäß der festgelegten Migrationsstrategie durchzuführen. Der Ablauf sollte so festgelegt werden, dass das Risiko einer Geschäftsstörung durch den Übergang minimiert wird. Je nach Bedarfsfall kann die Implementierung als „Big Bang“ oder auch stufenweise (Unit by Unit oder Process by Process) erfolgen. Wichtig ist, dass die Entscheidung über den Migrationsansatz nach klar definierten Kriterien erfolgt. Trotz intensiver Planung und auch bei großer Erfahrung kommt es in dieser Phase oft zu Reibungsverlusten, operativen Fehlern und deutlichen Performancedefiziten. Wenn man sich dieses Risikos bewusst ist und entsprechende Maßnahmen definiert hat, funktioniert bereits ein Großteil des Risikomanagements. In der Projektorganisation sind ein hierauf ausgerichtetes Reporting und ein Task-Management zur Beherrschung von Risiken/Krisen vorzusehen. In den meisten BPO-Fällen beinhaltet ein Übergang auf den BPO-Dienstleister die Einstellung neuer Mitarbeiter (zur Steuerung des Outsourcings) sowie die gleichzeitige Freisetzung vorhandener Mitarbeiter. Prinzipiell sollte der Wissenstransfer in dieser Phase durch eine detaillierte Dokumentation der Prozesse sichergestellt werden. Es hat sich aber in der Vergangenheit gezeigt, dass trotzdem ein wesentlicher Teil der unternehmensspezifischen Erfahrungen verloren geht. Um diesen Erfahrungsverlust zu minimieren, kann eine Arbeitsplatzbegleitung als effektive Technik zur Unterstützung des Transfers von Unternehmenswissen eingesetzt werden. Hierbei sollte ein Zeitraum von mehreren Wochen bis zum finalen Übergang eingeplant werden. Zur Minimierung des Risikos sind die Mitarbeiter aus dem auszulagernden Geschäftsprozess entweder für einige Zeit an den BPO-Dienstleister zu entsenden bzw. wenn möglich sogar in die Organisation des Dienstleisters zu integrieren. Zur Sicherstellung eines reibungslosen Aufsetzens der notwendigen Schnittstellen sowie der reibungslosen Überführung der relevanten operativen Arbeit ist es vorteilhaft, ein Kernteam an Mitarbeitern aus den beteiligten Fachbereichen und aus den Bereichen Organisation/IT zu Beginn des Regelbetriebes zur Verfügung zu stellen.
164
Richtige Implementierung
Beurteilung
Beurteilung
„Big Bang“
„Step by Step“
Erforderlicher Managementaufwand in der Überführung Anzahl der Partner als auch Standorte des BPO-Deals „Sicherheit“ bzgl. der quantifizierten Vorgaben (KPIs) Komplexität der systemtechnischen Überführung Eigene Erfahrung im Outsourcing von Business Prozessen Umfang der Überführung eigener Ressourcen zum Partner
Die Outsourcing-Geber sollten je links dargestelltem Beurteilungskriterium auf Basis einer Checkliste die Beurteilung fällen. Zusätzlich sind selbstverständlich die ökonomischen Effekte einer schrittweisen versus einer Migration in einem Schritt zu beurteilen. Additive Gründe, z. B. Vorgaben aus Legacy-Systemen, spielen meist nur eine untergeordnete Rolle.
Risikoeinschätzung (vgl. Kapitel Risk Management)
Abbildung 59: Vergleich der Migrationsvarianten Während der Migrationsphase werden die späteren im Regelprozess zu etablierenden Prozesse (Kommunikationsprozess, Change Management und kontinuierlicher Verbesserungsprozess) gemeinsam aufgesetzt. Die Migration ist mit einem im Vertrag definierten Abnahmeverfahren beendet und der Regelbetrieb kann starten.
4.
Regelbetrieb
Nach Abschluss der Implementierungsphase gilt es, die Leistungserfüllung des Dienstleisters laufend zu überwachen. Kontrollmechanismen sollen insbesondere die Kosten des Prozessbetriebs messbar und kalkulierbar machen. Dazu gehören alle Maßnahmen, die der Beeinflussung der Kostenstruktur, des Kostenverhaltens sowie der Senkung des Kostenniveaus dienen. Zur Messbarkeit werden deswegen im Vorfeld Zielgrößen und Kosteneinflussgrößen vereinbart. Darüber hinaus gibt es noch weitere Indikatoren, die monetär nur schwer messbar sind und dennoch kontrolliert werden müssen. Diese Qualitätsindikatoren lassen sich über das Service Level Management (SLM) steuern. Vor diesem Hintergrund wird die Überprüfung
Richtige Implementierung
165
der Leistungserfüllung des Partners in quantifizierbare Leistungen und qualitative Leistungen unterteilt. Die folgenden Abbildungen zeigen beispielhaft für den Bereich Customer Service zentrale Dimensionen der Steuerung auf. Jedes Kriterium/KPI wird detailliert, muss mit einem vertretbaren Aufwand gemessen werden können und wird bzgl. der Verantwortlichkeiten klar bestimmt. Die Kontrolle der quantitativen Leistungen leitet sich unmittelbar aus den abzugreifenden Größen ab, die sich aus den konkreten Leistungen ergeben. Im Vordergrund stehen hierbei die zeitliche Verfügbarkeit der Dienstleistung, die Gesamtdauer des Aufwands, die Reaktionszeit bei Problemen oder die Lösungsquote. Die hierzu herangezogenen Mess- und Zielgrößen werden im Vertrag festgehalten und regelmäßig in Form eines Dienstleistungsberichts dokumentiert. Aus dem relativen Zielerreichungsgrad jedes dieser Merkmale und der Wertigkeit der einzelnen Kriterien lässt sich eine Gütezahl für die Beschreibung aller quantifizierbaren Leistungen ermitteln.
Quantitative Steuerungsgrößen am Beispiele eines Customer-Service-Bereichs Key Performance Indicators [KPIs]
Definition / Erläuterung der KPI
SOLL
Ist
Delta
Erreichbarkeit
Abfragevolumen/Ist-Angebotsvolumen inkl. alle Wahlversuche
Angabe in %
Service-Level
Abfragevolumen im Service Level innerhalb von x Sekunden/Gesamtabfragesvolumen
Angabe in %
Prozess-Durchlaufzeit Schrift (Post, Fax, E-Mail) 1st Done Rate
gewichtete, durchschnittliche Ist-Durchlaufzeit Kunde zu Kunde Schrift (Post, Fax, E-Mail) über alle erhebbaren Kernprozesse Anzahl Kundenvorgänge mit abschließender Bearbeitung beim 1. Kontakt/Gesamtanzahl Kundenvorgänge im Betrachtungszeitraum
Angabe in Tagen
Angabe in %
Abschlussquote
Anzahl Kundenvorgänge mit abschließender Bearbeitung/Gesamtanzahl Kundenkontakte
Angabe in %
Reklamations-/ Beschwerdeanteil
Summe aller Reklamationen bzw. Beschwerden/ Gesamtanzahl Kundenkontakte
Angabe in %
Kündigungsquote
Summe Kündiger/Anzahl Kunden
Angabe in %
Stornierungsquote
Anzahl Stornierer/Anzahl Neukunden
Angabe in %
Abbildung 60: Quantitative Steuerungsgrößen (Beispiel) Die Messung des qualitativen Leistungselements dient der Beurteilung der Qualität des BPOPartners im Rahmen der laufenden, d. h. operativen, Zusammenarbeit. Auf Basis einer Schnittstellenanalyse wird die Prozessfähigkeit qualitativer Prozesse bewertet. Ein wichtiger Faktor, denn gerade die Reibungsverluste, die an Schnittstellen entstehen können, sind sehr kostenaufwändig. Hier gilt es, schnellstmöglich die Ursachen für Reibungsverluste zu finden und zu beseitigen. Schnittstellen sind beispielsweise die Einhaltung gesetzter Termine, die
166
Richtige Implementierung
Qualität der Dokumentationen, die der Dienstleister zu erbringen hat sowie die Koordinationsqualität und Schnittstellenabstimmung.
Qualitative Steuerungsgrößen am Beispiele eines CustomerService-Bereichs Instrumente zur Qualitätsmessung
Erläuterung
Mystery-Calls
Ergebnisse von nicht angekündigten Calls beim Outsourcingnehmer und Bewertung nach Qualität der Bearbeitung
Mystery-Mails
Ergebnisse der schriftlichen Bearbeitungsqualität beim Outsourcingnehmer (Schreiben/Mails werden vom Outsourcinggeber nach klaren Kriterien eingesteuert)
Mitzeichnung von Gesprächen Kundenbefragungen (allg.) Kundenbefragungen
Mit dem Kunden und dem Outsourcingnehmer abgestimmte technische Lösung zur Dokumentation von Gesprächen bzw. auch Nutzung von Systemen bei der Bearbeitung Anzahl Kundenvorgänge mit abschließender Bearbeitung beim 1. Kontakt/Gesamtanzahl Kundenvorgänge im Betrachtungszeitraum Anzahl Kundenvorgänge mit abschließender Bearbeitung/Gesamtanzahl Kundenkontakte
(unmittelbar nach Kontakt)
Abbildung 61: Qualitative Steuerungsgrößen (Beispiel)
KPI-Nr. xxx
KPI-Name Durchlaufzeit Prozess xxx
1. Verantwortlichkeit Dokumentation 2. Erläuterung zum KPI (Kurzbeschreibung, Interpretation: was sagt der KPI aus) 3. Datenherkunft
(Quelle, System, Report)
4. Auswertungsmethodik u. Messpunkte 5. Betrachtungszeitraum
(Start / Ende)
6. Erhebungsfrequenz 7. Bereitstellungszeitpunkt Daten / Ergebnisse 8. Name, Verzeichnis, ggf. Link zur Ergebnisdatei 9. Verantwortlichkeit Erhebung/Reporterstellung 10. Verantwortlichkeit Report (incl. Interpretation) 11. Interpretationszeitraum 12. Anmerkungen
(spez. Ereignisse im Betrachtungszeitraum)
Abbildung 62: Messung von KPIs (Beispiel) Unerlässlich ist eine ständige Kontrolle der Einhaltung der Ziele im Regelbetrieb. Laufende Soll-Ist-Kontrollen stellen sicher, dass die externalisierten Funktionen reibungslos erbracht
Richtige Implementierung
167
werden. Darüber hinaus gilt es zudem, eine dauerhafte Kostensenkung bzw. signifikante Leistungssteigerung gegenüber dem Eigenbetrieb der Prozesse zu sichern. Zudem sollte die Komplexität spürbar zurückgegangen sein und die Transparenz bzgl. der Kosten/einzusetzenden Ressourcen zur Leistungserstellung sollte gestiegen sein. Mit Hilfe der relativen Kostenposition wird die Qualität des BPO-Dienstleisters beurteilt und mögliche Optimierungs- oder Verhandlungspotenziale werden so bestimmt. Diese Analyse wird untergliedert in eine interne und eine externe Kostensicht. Die interne Kostensicht setzt sich aus Kennzahlen zusammen, die mit dem internen Rechnungswesen und dem Controlling erfasst werden können, wie z. B. die Entwicklung der Kosten je Dienstleistung bzw. je ausgelagertem Teilprozess, Entwicklung der Stückkosten, Einhaltung der Planwerte je Dienstleistung oder Prozesskosten je Gesamtkosten und damit die Entwicklung der Kosten. Ziel der externen Kostensicht ist die Bewertung des aktuellen Marktpreisniveaus für einen (Teil-)Prozess. Die für ein derartiges Benchmarking nötigen Informationen sind aufwändig zu erlangen; alternativ sind Expertendiskussionen, Schätzungen und externe BPO-Studien ausreichend, die von BPO-Dienstleistern bzw. Beratungshäusern regelmäßig erstellt werden. Das Wissensmanagement (Aufbau klar definierter Kompetenzen) ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Eine Unternehmung in einem wissensintensiven Geschäftsumfeld ohne eigenständiges und ausgeprägtes Wissensmanagement birgt die Gefahr, dass der BPO-Dienstleister über höheres Know-how verfügt als das Unternehmen selbst. Die Basis für Initiativen im Bereich des Wissensmanagements besteht in der Etablierung einer Unternehmens- und Führungskultur, die eine Wissenskultur ermöglicht und fördert. Nach Abschluss der Implementierungsphase gilt es, durch konsequentes Wissensmanagement die Chancen und Risiken einer Weiterentwicklung des BPO-Prozesses zu identifizieren und zu steuern. Auch die Wahrung der Flexibilität hinsichtlich eines denkbaren Austauschs des BPO-Dienstleisters muss sichergestellt werden. Folglich umfasst das Wissensmanagement im Betrieb des BPO vor allem die Sicherstellung der Entkopplung des erworbenen Expertenwisssens von individuellen Mitarbeitern. Die Dokumentation des Know-hows ist vor diesem Hintergrund unabdingbar. Eine Beschreibung der Basisprozesse ist leicht und schnell vollzogen, hingegen stellt die Vielzahl an Sonderthemen und Spezialfällen eine hohe Herausforderung an dessen Abbildung. Inhalte des zu dokumentierenden Wissens sind vor allem: Beschreibung der Prozesse mit Rollen, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen Standardisierte Vorlagen zu allen Prozessen und Aufgaben Definition der Werkzeuge, wie Software- und Tooleinsatz Ansätze zur Steuerung der Prozesse (Methoden, KPIs etc.) Glossars mit Definition der einheitlich verwendeten Begriffe und Werkzeuge – Grundlage zur konfliktfreien Festlegung der Zielgrößen und deren Messung
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Richtige Implementierung
Veränderte Bedürfnisse am Markt oder aber auch eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens können zur Überarbeitung der bisherigen Leistungen des BPO-Dienstleisters führen. Ein effektives Change Request-Verfahren ist deswegen für die erforderliche Einführung von intendierten Veränderungen unabdingbar. In der Regel wird dabei das während der Umsetzungsphase (Projektphase) verwendete Change-Request-Verfahren entsprechend für den Regelbetrieb adaptiert und erweitert. Welche Aspekte beinhaltet das Change Management? Das Change Management ist zuständig für die Koordination und die Genehmigung von allen wesentlichen Änderungen in der Zusammenarbeit oder bei auftretenden Veränderungen des Environments. Die Realisierung von Änderungen selbst ist hingegen nicht Bestandteil des Change Managements. Eine klare Definition der Inhalte des Chance Requests ist wesentlich. Hierzu erfolgen in vielen BPO-Vorhaben entsprechende Diskussionen zwischen den Partnern, da sich aus der Festlegung ein spezifischer Aufwand für einen der Vertragspartner ergibt. Grundsätzlich gilt, dass eine Änderung jeglicher Aktivität, die Auswirkungen auf den Service hat, aufgegriffen werden muss. Eine Ausnahme ist der operative Betrieb im Tagesgeschäft. Mit diesem Procedere wird über ein effektives Change Management eine kontinuierliche Optimierung der Qualität der Leistungserbringung gewährleistet. Der Change Manager des Kunden muss die Auswirkungen auf den Betrieb minimieren, laufende Optimierungen – soweit vertraglich machbar – einfordern und bei der Implementierung der Änderungen sicherzustellen, dass die Vorteile dieser Änderung sich messbar auswirken. Ziele/Aufgaben des Change Managements sind folglich: Klassifikation der Requirements bzgl. Wirksamkeit als Change: in der Regel gibt es Schwellenwerte mit Korridoren, die über- bzw. unterschritten werden müssen, da ansonsten geringste Toleranzen zu einem Change Request führen würden (vgl. hierzu auch die Beschreibung der Inhalte und die Steuerung gemäß SLAs) Maßnahmen zur Verfügung stellen, um erforderliche Änderungen/„Fehler“ entgegennehmen zu können Ermitteln und Bewerten der Änderungen bzgl. Kosten, Konsequenzen auf die Leistungserbringung, Auswirkungen auf die Schnittstellen Formelles Aufzeichnen und Dokumentieren jeder Änderung Klärung der erforderlichen Anpassung der BPO-Verträge inkl. aller Bestandteile (vor allem SLAs, Preise) in Form einer Vertragsergänzung Sicherstellen, dass geeignetes Personal die Implementierung der Änderung durchführt und der Regelbetrieb nicht über Gebühr belastet wird Informieren aller betroffenen Parteien über den Status der Änderung
Richtige Implementierung
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Änderungen des Leistungsumfangs können vom Auftraggeber oder vom BPO-Dienstleister beantragt werden und sind schriftlich in einem Änderungsantrag zu formulieren. Basierend auf den beschriebenen Auswirkungen hinsichtlich Leistung, Terminen, Preisen und/oder sonstigen Bedingungen entscheiden die Parteien gemeinsam innerhalb des Projektmanagements über den schriftlichen Antrag.
5.
Projektorganisation
Mit der Vergabe von (Teil-)Prozessen an einen BPO-Dienstleister wird eine langfristig wirkende Entscheidung realisiert, die Teil der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ist. Zum Gelingen dieses Vorhabens ist eine Verankerung auf den obersten Stufen des Managements Voraussetzung. Darüber hinaus ist es unabdingbar, frühzeitig die wichtigsten Führungskräfte und die Mitarbeiter mit kritischem Prozess-Know-how zu identifizieren, zu informieren und über Konsequenzen des BPO aufzuklären. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Arbeitnehmervertreter, die so zeitnah wie vertretbar in die Überlegungen einzubinden sind. Vorgenannte Faktoren dokumentieren eindeutig, dass ein BPO-Projekt mehr umfasst als ein „klassisches“ Projekt. Alle relevanten Parteien und Führungsebenen müssen daher im BPO-Projekt beteiligt sein und in der Projektorganisation eine klar definierte Rolle zugewiesen bekommen. Bei der Besetzung der Rollen ist dabei eine Balance zwischen Prozess-, IT- und Markt-Know-how sicherzustellen. Das oberste Gremium des BPO-Projektes ist der Lenkungsausschuss. Er legt fest, wer die Projektleitung übernimmt, bestätigt die Projektplanung des Projektleiters für die einzelnen Projektphasen (Ziele, Termine, Budget) und die Projektmitarbeiter auf Vorschlag des Projektleiters. Er überwacht regelmäßig den Fortschritt des Projektes und entscheidet über alternative Vorgehensweisen und Änderungen bei außerordentlichen Projektsituationen. Die Projektleitung berichtet an den LA und ist ebenfalls im Lenkungsausschuss vertreten. Da in der Regel BPO-Projekte von Vorständen bzw. Geschäftsführern initiiert werden, obliegt ihnen die umfassende Verantwortung. Daher ist der verantwortliche Vorstand/Geschäftsführer ein zentrales Mitglied des Lenkungsausschusses.
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Richtige Implementierung
Anforderungen an Ergebnisse sind sehr hoch
Risiko-Mgt. ist nicht ausgeprägt
Häufig unbekannte ZielStrukturen Einbindung externer Partner
Überführung in Regelorganisation
Besondere Herausforderungen bei BPO-Projekten
Unbekannte Methoden und Prozesse Gegenläufige Interessen der Partner
Hoher Integrationsund Abstimmungsbedarf Akzeptanz interne User
„Angst“ der eigenen Mitarbeiter
Integration in fremde Systemumgebungen
Akzeptanz BPO bei Kunden
Abbildung 63: Besondere Herausforderungen bei BPO-Projekten Das Projektmanagement regelt das Zusammenspiel aller am Projekt Beteiligten während der Implementierungsphase und wird vom Projektleiter organisiert. Der Projektleiter stellt eine effiziente, angemessene und zielgerichtete Projektführung sicher und repräsentiert das Projekt nach außen. Zu den Aufgaben des Projektleiters gehören vor allem: die Erstellung der Projektplanung die Ressourcenplanung und -steuerung die Projektsteuerung/das Projektcontrolling die Unterstützung des Vertragsmanagements (fachlich) die Qualitätssicherung das Risikomanagement die Steuerung des Change-Request-Verfahrens die Kommunikation mit dem Lenkungsausschuss (Regelkommunikation als auch Eskalationen) Für einen reibungsfreien Projektablauf und zur Abdeckung aller wichtigen Funktionen werden darüber hinaus verschiedene Teilprojekte, wie beispielsweise Prozesse, IT, Infrastruktur, Controlling/Steuerung sowie Personal, definiert. Dabei ist der Übergang von der jetzigen in die zukünftige Struktur zu gewährleisten.
Richtige Implementierung
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Die Leiter der Teilprojekte und die in den Teilprojekten engagierten Mitarbeiter verfügen über die notwendigen fachlichen Kompetenzen. Die Teams werden vom Projektleiter in Abstimmung mit den Linienvorgesetzten bestimmt. Die Teilprojektteams sind für die fachliche Konzeption und Ausgestaltung des BPO in ihrem jeweiligen Aufgabenfeld verantwortlich. Die Teilprojektleiter berichten dabei direkt an die Projektleitung. Die Zusammensetzung der Teilprojekte sowie die erforderlichen Kapazitäten sind je nach Projektabschnitt unterschiedlich. So sind beispielsweise zu Beginn des Projektes -- in der Scoping-Phase -- noch keine Mitarbeiter des BPO-Dienstleisters im Projekt integriert. Folgende Themen sind als Teilprojekte zu etablieren:
Lenkungsausschuss Lenkungsausschuss Projektleiter Projektleiter
BPO-Teilprojekte Prozesse Prozesse Prozesse Prozesse Prozesse Prozesse IT-Systeme IT-Systeme Controlling/ Controlling/ Reporting Reporting Personal Personal
Von Von allen allenBeteiligten Beteiligten getragene getragene und und umsetzbare umsetzbare Ergebnisse Ergebnisse
Business BusinessCase Case Kommunikation Kommunikation
Abbildung 64: Mögliche Projektstruktur bei BPO Erst mit dem definitiven vertraglichen Engagement des BPO-Partners sind die Mitarbeiter des Dienstleisters zur Sicherstellung eines reibungslosen Übergangs Bestandteil des Projekts. Innerhalb der Migrationsphase stehen beispielsweise der bisherige Prozess-Owner der Auftraggeberseite und der Leiter des BPO-Betriebs in engem Kontakt. Die unterschiedlichen Aufgaben, Funktionen, aber vor allem auch die Zielsetzungen der Beteiligten müssen von beiden Parteien verstanden und gemanaged werden. Im Folgenden wird deutlich, dass bei umfassenderen BPO-Deals der Aufwand zur Führung des Prozesses nicht Teil der Linie sein kann.
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Richtige Implementierung
Beide Parteien müssen in dieser Phase einen vergleichbaren Wissensstand erarbeiten und den Transfer absichern. Nach der Ausgliederung des Prozesses übernehmen die Schnittstellenmanager (bzw. Servicecontroller) vom Auftraggeber und der Betriebsmanager (bzw. prozessbezogene Projektleiter) beim BPO-Dienstleister die operativen Aufgaben.
Outsourcing-Geber
Projektleitung
X X
Controlling
X
X
ht Rec
roller
X
Cont
X
Fachseite / ProzessOwner
Mana ger Schn ittste lle man ager n-
Proje
(Top-)Management
Site-
Mana g
ktleit
er
emen t
Outsourcing-Nehmer
X
X
Jede muss X Jede Partei Partei muss die die Schnittstellen Schnittstellen zum zum X Partner Partner in inXder der Projektphase Projektphase als als auch auch X (veränderte im im Betrieb Betrieb (veränderte Rollen/ Rollen/ Teilnehmer) Teilnehmer) X managen explizit explizit managen X
X
Recht
X
X
X
X
Diverse Externe (Consultants)
X
X
X
X
Human Resources IT-Applikationen (ggf. auch -Betrieb) Einkauf
Abbildung 65: Involvierte Funktionen beider Seiten In den folgenden Abschnitten werden die zur Führung des BPO-Prozesses erforderlichen Aktivitäten/Instrumente erläutert. Es hat sich als zweckmäßig herausgestellt, eine Untergliederung in vier Themenblöcke vorzunehmen.
ProjektProjektmanagement management
Kommunik./ PartnerChange Mgt. management
Qualitäts Qualitätsmanagement management
RisikoRisikomanagement management
Abbildung 66: Zentrale Aufgaben der Projektorganisation
Richtige Implementierung
5.1
173
Projektmanagement
Für einen reibungsfreien Projektablauf sind feste Prozeduren im Projektmanagement zu definieren. Im Folgenden wird auf die wesentlichen Komponenten im Rahmen eines BPOProjektes kurz eingegangen; einen Überblick zu den erforderlichen Komponenten – die methodisch nicht von vergleichbar komplexen Projekten abweichen – kann jedes praxisorientierte Handbuch zum Projektmanagement geben. Um ein einheitliches Verständnis zu gewährleisten, werden zu Beginn des Projekts die Projektorganisation sowie die wesentlichen Prozeduren zur Planung, Steuerung und Kontrolle des BPO-Projektes in einem Projekthandbuch dokumentiert. Die Projektleitung benötigt kontinuierlich Informationen über den Arbeitsfortschritt bei den einzelnen Arbeitspaketen, den aktuellen Stand der Teilprojekte, Schwierigkeiten, die sich im Projekt ergeben haben, und welche Projektmitarbeiter wann verfügbar und für die Projektarbeit eingeplant sind. Ein effektives Berichtswesen ist deswegen ein wichtiger Bestandteil eines reibungsfreien Projektablaufs; es unterstützt die zielorientierte Projektsteuerung mit allen Facetten. Das Berichtswesen orientiert sich für ein derartiges Projekt an der Projektorganisation (Teilprojektleiter, Projektleiter, Lenkungsausschuss). Die einzusetzende Prozedur ist zu Beginn des Projektes zu erarbeiten, zu verabschieden und an alle Beteiligten zu kommunizieren. Wichtiges Element bei der Projektsteuerung bzw. des Projektcontrollings ist ein ständiger Soll-Ist-Vergleich des Projektplans mit der Realität. Ein regelmäßiger schriftlicher Projektstatusbericht sollte alle wesentlichen Aspekte des Projektablaufs zusammenfassen: Projektgesamtstatus („grün", „gelb", „rot") Soll-Ist-Vergleich von Terminen und Aufwand Erreichung von Meilensteinen Fertiggestellte Projektergebnisse Verbleibendes Arbeitsprogramm Besonderheiten, Projektrisiken Geplante Aktivitäten (kurz- und langfristig) In regelmäßigen (wöchentlichen) Review-Meetings wird ein Überblick über den Projektstand gegeben. Folgende Fragen werden dabei beantwortet: Inwieweit entsprechen die Projektergebnisse den vereinbarten Zielen und Anforderungen? Welche Abweichungen von den vereinbarten Terminplänen liegen vor?
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Richtige Implementierung
Welche Abweichungen von den ursprünglichen Aufwands- und Kostenschätzungen gibt es? Halten sich die Projektmitarbeiter insbesondere an die festgelegten Regeln für die Kommunikation im Projekt? Inwieweit muss die ursprüngliche Projektplanung an neue Erfordernisse (Änderung von Anforderungen, Reaktion auf Terminverschiebungen) angepasst werden? Bei unerwarteten Abweichungen, die auf übergeordneter Hierarchie diskutiert werden müssen, kommt ein entsprechender Eskalationsprozess zum Tragen. Das aufgetretene Problem muss dokumentiert, Maßnahmen zur Lösung müssen aufgeführt und den entsprechenden Gremien vorgetragen werden. In diesen fällt eine Entscheidung über das weitere Vorgehen.
5.2
Kommunikation und Change
Die Übernahme von Mitarbeitern in BPO-Deals bedeutet, neben der Wahrung der gesetzlichen Vorschriften für die Betroffenen weitreichende Veränderungen. Die Akzeptanz dieser Veränderungen durch die Mitarbeiter trägt wesentlich zum Gelingen eines BPO-Projekts bei. Gute Ergebnisse erzielen daher BPO-Projekte, die durch ein professionelles Change- und Integrations-Management unterstützt werden – entscheidend ist die gelungene Integration von Menschen und Systemen. Erforderliche personalbezogene Maßnahmen müssen deshalb zwischen Kunde und BPO-Dienstleister zu einem frühen Zeitpunkt gemeinsam definiert und von einer gemeinsamen Strategie getragen werden. Die häufig mit dem BPO einhergehenden Veränderungsprozesse (z. B. Verzicht auf Leistungen, Schließen von eigenen Standorten, Veränderung des Fokus auf weitere Funktionen) erfordern eine systematische Steuerung des Prozesses. Unsere Erfahrung zeigt, dass in vielen BPO-Projekten den zentralen Bestandteilen des Change-Managements nicht ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Jede Reorganisation und Umstrukturierung eines Unternehmens bedeutet Verunsicherung für die Mitarbeiter. Dies gilt verstärkt für die Verlagerung in eine neue Unternehmenspartnerschaft, auch wenn sie für alle Beteiligten objektiv einen positiven Schritt darstellt. Die Kommunikationsstrategie muss neben den Vorteilen für das Unternehmen insgesamt ebenfalls die Befürchtungen und Bedenken der ggf. übertretenden Mitarbeiter aufgreifen und konkrete Aussagen zu Aspekten wie Arbeitsplatzsicherheit und berufliche Karriere der betroffenen Mitarbeiter machen. Die Erfahrung zeigt, dass ein intensiver Dialog ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Minimierung von Störungen der bestehenden Prozesse und ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Übergangs ist. Die rechtzeitige und offene Einbindung der Arbeitnehmervertreter ist dabei unerlässlich und schafft in der Regel die notwendige Vertrauensbasis in die Maßnahme.
Richtige Implementierung
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Der Kommunikationsplan sollte die Bandbreite der möglichen Reaktionen der Mitarbeiter abdecken und zielgruppenspezifische Antworten vorhalten. Die für das Vorhaben erforderlichen Kriterien, die zum Erfolg beitragen sind in der folgenden Abbildung 67 aufgezeigt. Die Projektleitung hat sicherzustellen, dass der Plan die jeweils angemessenen Instrumente der persönlichen als auch der nichtpersönlichen Kommunikation abdeckt.
n tio ika un
In fo rm at ion
m m Ko n io at gr te In
n/ io ung t a iv ier ot ilis M b o M
Change Management
Abbildung 67: Bestandteile des Change Managements Zusätzlich sollte der BPO-Dienstleister effektive Mechanismen anbieten, durch die ein Feedback sinnvoll aufgegriffen und Änderungen möglichst schnell umgesetzt werden können. In der Praxis wird eine enorme Bandbreite an Reaktionen beobachtet, die ein geplantes Outsourcing bei Mitarbeitern auslöst. Ein erfolgskritischer Faktor ist, dass diejenigen Mitarbeiter, die vom Unternehmen zum Dienstleister wechseln, sich neu in Richtung deutlich ausgeprägterer Dienstleistungsmentalität orientieren müssen. Erfolgt kein professionelles Managen dieses Change-Prozesses, reagiert diese Gruppe mit dem Ausstieg bzw. der „inneren Kündigung“. Sie sucht entweder eine andere Aufgabe oder arbeitet am gegenwärtigen Arbeitsplatz ohne Engagement und Motivation weiter. Sowohl der eintretende Servicequalitätsverlust als auch der potenzielle Knowhow Verlust können den Erfolg des Vorhabens massiv beeinträchtigen.
176
Richtige Implementierung
Abbildung 68: Kriterien der erfolgreichen Kommunikation
6.
Qualitätsmanagement
Die Forderungen an das Qualitätsmanagement bestehen in: der Bestimmung der zur Beurteilung des Outsourcings erforderlichen Qualitätsindikatoren (was noch relativ einfach ist) der nachvollziehbaren, operativen Messung der Leistungsqualität (hier kommen die meisten Unternehmen bereits unter Druck) der Steuerung der Qualitätsindikatoren zur Sicherstellung der erforderlichen Qualitätsstandards (abgeleitet aus dem SLA bzw. aus den sich immer mehr verschärfenden Qualitätsansprüchen von Branchen und Märkten) Unsere Erfahrung zeigt, dass in den seltensten Fällen Auftraggeber die Arbeit der Dienstleister effektiv managen bzw. managen können oder wollen.
Richtige Implementierung
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Viele Unternehmen, die externe Dienstleister mit Outsourcing-Aufträgen beschäftigen, sind überlastet, können ihr eigenes Arbeitspensum nur schlecht verwalten und sind somit ihrem BPO-Partner faktisch „ausgeliefert“. Die Gründe hierfür sind vor allem eine zu geringe Integration des Partners und eine unzureichende Transparenz der Leistungserstellung des Outsourcingnehmers. Hinzu kommt oft noch eine Unterschätzung des Managementaufwandes für den laufenden Betrieb. Beispielsweise sind bei einem kompletten Outsourcing der physischen Service-Prozesse (Repair Center Consumer Electronic oder „Weißer Ware“ etc.) die Rückflusse der reparierten Produkte an den Kunden sowie die Bestände an Ersatzteilen beim Service-Partner und die Durchlaufzeit des jeweiligen Service-Falles auf Grund unzureichender Systemintegration nur bedingt nachzuvollziehen. Vertrauen reicht hier nicht aus; es gilt Transparenz zu schaffen. Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt, „fire and forget“ ist die denkbar schlechteste Management-Methode für Outsourcing. Welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein, um die Qualität nicht nur vertraglich optimal zu gestalten und zu vereinbaren, sondern ebenfalls im Laufe der Zusammenarbeit die erforderliche Effektivität sicherzustellen? Qualitätsmanagement beginnt bereits im Ausschreibungsprozess. Das Ausschreibungsverfahren ist aufwändig und sollte mit höchster Sorgfalt durchgeführt werden: Grobe Fehler im Ausschreibungsprozess – vor allem nicht sachgerechte Kriterien der Leistungsbeurteilung – führen mit ziemlicher Sicherheit nicht zu den gewünschten Effekten und sind eine konstante Quelle von Missverständnissen und Zwistigkeiten zwischen dem Unternehmen und dem BPO-Dienstleister. Folglich müssen im Ausschreibungsverfahren zum Qualitätsmanagement die Vorgehensweise, Werkzeuge, Maßnahmen zur kontinuierlichen Optimierung, die Form der Kundenzufriedenheitsmessung, das Governance-Modell, die eingesetzten Betriebsprozesse und die Absicherung der Service-Level festgelegt werden. Ein gezielt ernannter Qualitätsbeauftragter sollte sich während der Implementierungsphase in einem ersten Schritt um die Umsetzung der festgelegten Qualitätssystematik kümmern. Die Planung, Dokumentation und Verfolgung von qualitätssteigernden Maßnahmen gehören ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich. Im Regelbetrieb sind die Existenz und Funktionsweise eines gemeinsamen Steuerungsgremiums, ein detailliertes SLA, Reporting und qualitätssteuernde Prozesse seitens des BPODienstleisters wesentliche Faktoren zur Sicherstellung der Leistung. Anhand von Checklisten sind regelmäßige Audits durch externe oder interne Experten durchzuführen, um Qualitätsdefizite zu identifizieren. Die Ergebnisse der Audits werden im Führungskreis zwischen den Partnern besprochen und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Was sind die konkreten Instrumente zur Qualitätssicherung? BPO im Call/Service-Center wird in der Praxis durch Mystery Shopping, Mystery Calls, Mithören, vollautomatische Gesprächsaufzeichnungen, Prozess-Audits zur Einhaltung der definierten Arbeitsanweisungen sowie standardisierten Kundenbefragen (z. B. via Second Calls) qualitativ gesichert.
178
7.
Richtige Implementierung
Risikomanagement
Das Risikomanagement für BPO muss die Risiken während der Phase der Implementierung und auch im späteren Regelbetrieb identifizieren, bewerten, geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung definieren und deren Umsetzung verfolgen. Dabei werden neben den wirtschaftlichen Faktoren auch veränderte Anforderungen des Marktes, die Ressourcen und die IT-Landschaft einem regelmäßigen Risikocheck nach vereinbarten Kriterien unterzogen. Die zentralen Risiken eines BPO für die Implementierung und den Betrieb lassen sich wie in Abbildung 69 schematisch darstellen:
Risiken in Phase
Risiken in Phase
„Projekt/Implementierung“
„Betrieb“
Informationsdefizite bei der Grundsatzentscheidung BPO
Ambitionierte Optimierung der Prozesse wird nicht gefordert
Risiken bei der Partnerauswahl und Vertragsgestaltung (häufig zu wenig Fokus auf pot. Rückabwicklung)
Markttrends werden vom Partner nicht erkannt/nicht umgesetzt
Ressourcenlimitierung und ungleiche Erfahrungsbasis (im Vergleich zum Partner)
Fähigkeiten zum Steuern werden nicht weiterentwickelt (das BPO ist kaum mehr rückabwickelbar)
SLA-Monitoring unzureichend aufgesetzt (KPIs definiert, die Messungen selbst nicht implementiert) Aufwand zur Übergabe und Startbetreuung „Betrieb“ unterschätzt
Abbildung 69: Zentrale Risiken des BPO Im Regelfall kommen während der Implementierung verschiedene Techniken des Risk Managements zum Einsatz. Ein implementiertes Risk Management besteht aus drei Hauptelementen und wird als Regelkreislauf geführt: Risk Assessment, um Risiken zu identifizieren und zu bewerten Risk Containment, um Risiken einzugrenzen. das Berichtswesen zu führen und Aktionen zu initiieren Risk Monitoring, um Risiken aufzuzeichnen, zu kontrollieren und neu zu bewerten
Richtige Implementierung
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Ein Risk Assessment wird zum Start einer jeden Projektphase ausgeführt. Die projektspezifischen Risiken werden zunächst identifiziert und aufgezeichnet. Anschließend sind deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu bestimmen und eine mögliche Schadenshöhe festzustellen. Basierend hierauf lässt sich eine Priorisierung der Risiken durchführen. Risk Containment ist der Prozess, um Aktionen zu starten, nachdem die Risiken identifiziert, analysiert und priorisiert wurden. Dabei unterscheidet man zwischen Risk Plan Preparing – Erstellen von Plänen, wie jedem Risiko zu begegnen ist, einschließlich ihrer Koordination Risk Resolution Preparing – Schaffen einer Situation, in der das Risiko nicht mehr besteht oder anderweitig das Problem/die Aufgabenstellung gelöst wird Management of Project Environment – Führen des Projektes durch alle Unwägbarkeiten des Projektes
Risk Monitoring
Integriertes Risikomanagement
Risk Assessment
Risk Containment Abbildung 70: Regelkreis und Bestandteile des Risk Monitoring Das Risk Monitoring ist erforderlich, um sicherzustellen, dass wirkungsvolle Maßnahmen zur Behandlung der Risiken eingeleitet werden. Neben dem Nachverfolgen der einzelnen Maßnahmen und ihrer Umsetzungsqualität ist es ratsam, ein besonderes Augenmerk auf die risikoreichen kritischen Erfolgsfaktoren zu legen – auch wenn hier keine akuten Risiken aufgetreten sind.
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Richtige Implementierung
Der Projektleiter hat die Aufgabe, alle offenen Aktionen in einem Risk-Log-File zu pflegen. Die identifizierten Risiken und die eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen inklusive des Fortschritts sind Bestandteil des regelmäßig zu erstellenden Projektfortschrittsberichtes. Während das Risikomanagement im laufenden Projekt ein allgemein bekanntes und meistens auch einigermaßen konsequent implementiertes Verfahren ist, sollte nicht vergessen werden, dass es nicht unerhebliche Risiken nach Abschluss des Projektes gibt, wie oben dargestellt. Dazu gehört auch die möglicherweise wachsende Abhängigkeit, operativ ebenso wie wissensseitig. Die regelmäßige Beobachtung und Beurteilung dieses Risikos muss durchgeführt werden, um rechtzeitige Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Im Rahmen des Governance-Prozesses ist es deshalb erforderlich, eine der dort etablierten Funktionen mit der expliziten Aufgabe des Risk-Managements zu betreuen. Die Quellen für Risiken können dabei sowohl externer als auch interner Natur (Organisationsänderungen, Neueinschätzung von Kernkompetenzen etc.) sein.
8.
Die 10 Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen BPO-Implementierung
BPO-Projekte sind anspruchsvoll in der Planung und Steuerung. Die aus unserer Erfahrung herausragenden zehn Erfolgsfaktoren fassen wir an dieser Stelle kurz zusammen: 1. Prüfung auf Strategie-Kompatibilität: Die Implementierung von BPO-Dienstleistungen (Shared Services) ist eine langfristige strategische Entscheidung, die von der Unternehmensleitung getroffen werden und Teil einer übergeordneten Vision sein muss. 2. Abgleich der Erwartungshaltung vom Auftraggeber und BPO-Partner: Viele Maßnahmen benötigen einen langen zeitlichen Vorlauf, bevor sie greifen, zudem wirken sie mehrheitlich nicht so wie gewünscht; eine angestrebte Kostenersparnis von 15 % bedeutet für den Dienstleister, dass er eine Einsparung von mindestens ca. 25 % realisieren muss – Realitätssinn muss vorhanden sein. 3. Wiederverwendbarkeit der BPO-Strukturen und -Abläufe: Bei einer flexiblen Gestaltung lässt sich der Outsourcing-Faktor leichter erweitern, wenn weitere interne Prozesse ausgelagert, weitere Partner aufgebaut werden müssen oder der Partner aus unterschiedlichsten Gründen gewechselt werden muss. 4. Optimierung und Standardisierung der auszulagernden Prozesse vor Beginn des Outsourcing – bei vielen Unternehmen, die ein Outsourcing-Vorhaben mit Fokus auf Kostensenkung anvisiert haben, erübrigt sich nach der innerbetrieblichen Optimierung eine Prozessauslagerung.
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5. Investieren in eine gemeinsame Prozessplattform mit gleichen Prozessstandards zur vollen Ausschöpfung der Shared Services und zur effizienten und effektiven Führung des Partners (Service-Controlling als strategische Herausforderung). 6. Risikomanagement während der gesamten Prozesslaufzeit: Risiken sollten von Anfang an konsequent erfasst, quantifiziert, fortgeschrieben und neu bewertet werden. 7. Der Vertragsgestaltung sollte man höchste Aufmerksamkeit widmen, die zeitliche Bindung des Managements ist enorm. Zudem zeigen die Erfahrungen, dass auf Grund nicht ausreichend konkretisierter Bestandteile einige BPO-Vorhaben rückabgewickelt wurden. 8. Mitarbeiter mit Prozess-Know-how und erforderlichem Führungswissen sollten frühzeitig identifiziert, informiert und über ihre beruflichen Perspektiven aufgeklärt werden. 9. Alle relevanten Parteien und Führungsebenen müssen am BPO-Projektmanagement beteiligt werden und im Organisationsmodell eine definitive Rolle zugewiesen bekommen. 10. Errichtung eines effizienten Kommunikationsmanagements, das alle Führungsebenen umfasst, und Abstimmung der Kommunikation, was die Zeitplanung sowie inhaltliche Punkte betrifft.
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Die Autoren
Jörg Bordt, Diplom-Kaufmann, verantwortet als Senior Vice President Customer Care Management der T-Online International AG sämtliche After-Sales-Support-Aktivitäten für die mehr als zwölf Millionen deutschen Kunden des Unternehmens. Das Aufgabenspektrum umfasst technische und administratorische Anfragen sowie Reklamationen über sämtliche Medien (Telefon, E-Mail, Schrift, Online etc.) über eine Reihe interner und externer/Outsource-Standorte. Zuvor war er Unternehmensberater bei Gemini Consulting mit Schwerpunkt Strategie/Telekommunikation bei internationalen Kunden und Projekten. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war stets die Schnittstelle zum Kunden: Vertrieb, Kundenservice, Call Center. In weiteren Positionen verantwortete er auf internationaler Basis Customer Care- und TelesalesAktivitäten bei global aktiven Telekommunikationsanbietern. Jürgen Gross ist IT-Auditor (CISA) und selbständiger Unternehmensberater mit mehr als 30 Jahren Erfahrung. Er beschäftigte sich insbesondere mit den Fragen der anwenderorientierten Nutzung der IT an der Schnittstelle zwischen IT und Fachabteilung. Gross war u. a. als Seniorberater und Mitglied der Geschäftsleitung bei Arthur D. Little tätig, wo er internationale Unternehmen bei Fragen der IT-Technologie, Systemgestaltung und -auswahl sowie Fragen der IT-Organisation und Governance unterstützte. Als Engagement-Partner war er bei einem System-Integrator verantwortlich für die Implementierung großer CRM-Projekte bei Telekom-Unternehmen und Reise- und Touristikunternehmen. Seit 2004 unterstützt er als selbständiger Berater Unternehmen bei Systemauswahl und Projektmanagement. Matias M. Musmacher, Diplom-Kaufmann, ist selbständiger Unternehmensberater und Managementcoach. Sein Schwerpunkt liegt bei der wirtschaftlichen Erbringung von Dienstleistungen unter Nutzung modernster Informations- und Kommunikationstechnologien. In seiner mehrjährigen Tätigkeit für DB-Dialog Telefonservice GmbH in unterschiedlichen Führungsaufgaben gehörte unter anderem das Management von Sanierungs- und Effizienzsteigerungsprogrammen, der Aufbau von Call-Center-Standorten, die Einführung von Individual- und Standardsoftwarelösungen sowie die Vorbereitung der Zertifizierung des Unternehmens zu seinen Aufgaben.