John Montana
Brut der roten Wölfe Apache Cochise Band Nr. 30 Version 1.0
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Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner...
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John Montana
Brut der roten Wölfe Apache Cochise Band Nr. 30 Version 1.0
2
Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner und Amerikaner eindrangen. Das Land ihrer Väter. Karstig und elend, wasserarm und unfruchtbar schmorte es unter heißer Arizonasonne. Wüste, bizarre Klippen, himmelansteigende Berge und Giftschlangen. Trotzdem verteidigten sie es mit der Stärke ihrer Seele und dem wilden Schlag ihrer Herzen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie längst keine Athapasken mehr, sondern deren Nachfahren: Apachen. Sie selbst nannten sich T'Inde – Volk, auch Naizhan – Unsere Rasse. Und sie besiedelten ein Land so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. In diesen ihren Jagdgründen leisteten sie Eindringlingen Widerstand und verteidigten jeden Fußbreit Boden mit ihrem Herzblut. Zur Zeit der Handlung unserer Geschichte APACHE COCHISE lebten 6000-7000 Apachen, die in Arizona und Neumexiko Angst und Schrecken verbreiteten, besonders im amerikanischmexikanischen Grenzgebiet und weit in Sonora, bis hinunter zur Sierra Madre Occidental. Ihren Haß gegen die Nachfahren der Spanier und den Erzfeind, die Comanchen, übertrugen sie auf ihre neuen Unterdrücker. Von ihnen ist die Rede in unserer Serie. Sie ist die historiengetreue Basis der Thematik APACHE COCHISE.
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*** Jungen Wölfen gleich strichen Natie und seine wilde Horde durch den brusthoch wachsenden Beifuß zur Talsohle hinunter, der Murphykarawane entgegen, deren Männer ihre hochbeladenen schwerfälligen Wagen zum Karree fuhren, um in der Talsenke ihr Nachtlager aufzuschlagen. Seit Stunden schon folgten Natie und seine Krieger unbemerkt dem Murphytreck, um eine geeignete Position für den Angriff zu erkunden. Die Beute lockte, denn Natie witterte auf den hochladigen Kastenwagen, die von der östlichen Grenze New Mexicos kamen, Gewehre, Munition und Vorräte, die er dringend zum Überleben brauchte. Er und seine Meute waren streunende Wölfe, gejagt von der eigenen Sippe, den Yaquis, deren Häuptling Tehueco sie aus dem Kreis der Stämme ausgestoßen und auf alle Zeiten verbannt hatte. Gehetzt von Militäreinheiten der US-Army, die dem räuberischen Treiben ein Ende setzen wollten. Und neuerdings verfolgt von zwei gnadenlosen Jägern, mit denen Tehueco sich verbündet hatte, um die Schande aus seinen Familien auszulöschen. Nur ein Gedanke streifte den Chiricahuahäuptling Cochise und seinen weißen Bastardfreund, den Falken. Doch in Naties Augen glomm unbändiger Haß, der allen seinen Feinden, doch in erster Linie Cochise und John Haggerty galt, deretwegen er aus dem Yaquiland so weit nach Osten fliehen mußte. Goc-ane, der sich Comanchen-Kid nannte, kroch lautlos mit behenden Bewegungen an Naties Seite und deutete wortlos zur Wagenburg hinunter, an deren Südseite die Kutscher zwischen Skelettbäumen einen Seilcorral zogen, um die Zugpferde unterzubringen. 4
Natie spürte dessen Gedanken. Er lächelte grausam, als er nickte. »Wir werden erst ihre Pferde nehmen und in den offenen Plains auseinandertreiben. So ist uns die Beute sicher.« Sein sehniger Körper spannte sich unter dem dünnen Leder des Calicohemdes und zeigte die Kraft, die in dem jungen Krieger steckte. »Dies soll in der Nacht geschehen, wenn ihr Lagerfeuer niedergebrannt ist und die Wachsamkeit nachläßt. Vielleicht werden sie kopflos und hetzen hinter ihren Pferden her. Dann haben wir leichtes Spiel mit ihnen.« Comanchen-Kid, der einige Zeit in der Welt der Weißaugen gelebt hatte, ehe er zu Naties Wölfen gestoßen war, lächelte verächtlich über Naties primitive Hoffnungen. »Die Männer, die ihre Wagen durch diese Wildnis führen, sind nicht zu unterschätzen, Natie. Sie sind keine unerfahrenen Siedler, die das Land der Comanchen und Apachen durchqueren, sie wissen zu kämpfen.« Natie winkte ab, während er den Wagentreck unablässig im Auge behielt. »Wir sind keine kopflosen Schneehühner, Gocane, sondern Krieger, denen List und Verschlagenheit in die Wiege gegeben wurde.« »Die Weißaugen sind keine Dummköpfe, Natie«, Comanchen-Kid reckte seine dreizehnschüssige Winchester über den Kopf, »sie haben dies, und das ist ihre Stärke …« Ein begehrlicher Blick streifte Kids Karabiner. In Naties Augen leuchtete gieriges Verlangen. »Bevor der neue Tag beginnt, werden wir unsere Lanzen und Vorderlader gegen solche Gewehre tauschen, Goc-ane.« Natie schob die Hände vor den Mund und ahmte dreimal das heisere Bellen eines Präriefuchses nach. Das Zeichen, das er mit seinen Kriegern, die hinter dem Hügel bei den Pferden lagerten, vereinbart hatte. Die Sonne stand im schrägen Winkel zum Tal und verteilte ihre Schatten, als Little Raven, Kleiner Rabe, unbemerkt die 5
Pferde heranführte. Die Krieger, die dem Ruf des Roten Wolfes gefolgt waren, umgaben ihren Anführer, der eine flache Mulde im Gesträuch zur Beratung bestimmt hatte. Natie sprach in der ihn geprägten Apachenschlauheit. »Enakai«, er deutete auf den sehnigen schlanken Krieger im Lendenschurz, der nun schweigend seine Lanze hob, »wird mit drei Kriegern die Pferde des Trecks tief in die Ebene führen und auseinandertreiben, während Goc-ane, von Norden vorstoßend, und ich mit den übrigen Kriegern von Osten, die Wagenburg angreifen. Wir müssen ihre Angst ausnutzen und schnell handeln. Ein totes Weißauge wird uns nie mehr Ärger bereiten.« Damit waren die Zeichen gesetzt, und jeder wußte nun, wie er sich verhalten sollte. Nur Comanchen-Kid, der schon einmal erlebt hatte, wie angreifende Indianer unter dem Feuersturm von Karabinern verblutet waren, warnte. »Sie haben Gewehre wie das meine.« Natie reckte stolz den Kopf in den Nacken. »Wir haben Lanzen, Tomahawks und kräftige Bogen. Wir haben den Mut, in ihre Gewehre zu blicken.« Seine Augen wanderten zum westlichen Berghügel hinüber, dessen Kuppen im Strahlenkranz der niedergehenden Sonne erglühten und für ihn ein gutes Zeichen der Götter bedeuteten. »Die mächtigen Himmelfürsten der Dunkelheit werden uns bald mit ihrem Mantel schützen. Laßt uns mit ihnen sprechen.« Sie kauerten nieder, verschränkten die Arme vor der Brust und blickten dann stumm nach Westen, wo im Schatten zunehmender Dunkelheit die Berge versanken. * Rock Snife, der rotbärtige Hüne, der den Murphytreck von Texas nach Arizona führte, hob witternd die Nase, als spüre er die Gefahr, die sich lautlos durch die Finsternis bewegte. 6
Ein Leben lang war der Himmel das Dach seines Bettes, die weiten offenen Plains seine Heimat. Er hatte noch die mächtigen Büffelherden erlebt, denen er von Norden nach Süden auf ihren Wanderungen gefolgt war und hatte hier manche Erfahrung mit Rothäuten gesammelt. Während des zurückliegenden Bruderkrieges war er einer der erfahrensten Scouts der Konföderierten Armee gewesen und die bittere Zeit danach, bis er zu Butterfield Overland Company stieß, hatte er Rinderherden auf gefahrvollen Wegen durch Indianerland nach Colorado und Arizona getrieben. Ein Dutzend Wunden, von Indianerpfeilen und Lanzen, waren als Lohn der Angst geblieben. Rock Snife dachte an den einzelnen Reiter, den er am Morgen auf den schroffen Zinnen der Animas bemerkt hatte, er faßte seine Winchester, die schußbereit unter der Decke lag, und stieß den Lauf seinem Nachbarn in die Seite. »Ich habe eine schlechtes Gefühl, Slough«, flüsterte Snife, als Habergeen sich unmutig zur Seite drehte. »Draußen ist es so still geworden.« Slough Habergeen grunzte verschlafen. »Das sind die roten Pecosbohnen, die sich nicht mit deinem gräßlichen Schnaps vertragen. Vertrete dir die Beine und blase dich aus, Rock. Und laß mich schlafen. Wir haben morgen einen harten Tag vor uns.« Obwohl Slough sehr müde war, spürte er doch die seltsame Stille, die sie umgab. Er vermißte plötzlich den flatternden Flug der Nachtschwalben, das Bellen der Kojoten. Nur die Pferde außerhalb der Wagenburg stampften ihre Hufe in die Erde. Zögernd schob er die Decke zurück und richtete den Oberkörper auf. Trotz der herrschenden Dunkelheit sah Rock den mächtigen Büffeltöter, von dem Slough sich selbst im Schlaf nicht trennte, in dessen Faust. 7
»Weißt du nun, was ich meine?« flüsterte der rotbärtige Recke. Lautlos hatte er sich erhoben, und sein mächtiger vom Rum zerfressener Nasenkolben sog geräuschvoll die klare Nachtluft in die Lungen, als könnte er das Fremde, das um ihr Lager schlich, riechen. »Ich schaue nach den Pferden«, fügte er entschlossen hinzu. Slough stand plötzlich neben ihm. Hager, hochaufgeschossen wie eine Telegraphenstange, Deutlich knackte der Hammer, als er seine schwere Büchse spannte. »Banditen …« »Streunende Indianerbastarde«, zischte der Rotbart. »Weck die anderen Männer.« Der Schatten des Murphys nahm Snife auf. In der Linken hielt er die Winchester, in der Rechten den schußbereiten Colt, bereit, bedenkenlos zu feuern, wenn etwas Verdächtiges seinen Weg kreuzen sollte. Fahlblaues Licht beherrschte die Prärie. Zwischen den Skelettbäumen bewegte sich das Rudel Zugpferde. Keine dreißig Yards entfernt führten zwei Männer ihre Pferde über den Grasteppich. Sie näherten sich dem Corral. Er glaubte ihre nackte Haut zu sehen und wußte nun, daß seine Nase ihn nicht betrogen hatte. Snife kannte weder Furcht noch hatte er Bedenken, als er zwischen den schweren Wagen hindurch zum Corral huschte. Auf halbem Wege dorthin wuchsen zwei Reiter aus der Dunkelheit, die ihn angingen. Snife fuhr herum. Seine Winchester in der Armbeuge blitzte auf. Donnernd fuhr das Echo durch die Prärie. Die Reiter auf ihren Pferden waren verschwunden, ohne daß die Pferde ihre Richtung änderten. Snife kannte diesen Trick aus früheren Tagen seines Lebens. Sie waren auf zehn Schritte heran, als ihr Geheul losbrach. Eine Lanze durchschnitt die Luft, streifte Snifes Leggins, und es schien, als wäre der anstürmende Lauf der Bastarde nicht mehr zu bremsen. 8
Da erreichte ihn Sloughs warnender Ruf: »Geh zu Boden, Rock, sonst frißt Emery dich auf.« Während Rock Snife sich instinktiv fallen ließ, erhellte ein greller Blitz die Szene, dem das dumpfe Wummern eines Abschusses folgte. So fürchterlich, daß es ihm auf die Ohren schlug und ihn fast taub machte. Snife sah, wie der Aufprall von rostigen Eisensplittern, die aus Sloughs Büffeltöter fegten, das Pony förmlich in die Höhe riß und aus der Richtung schleuderte, ehe der Gaul zusammenbrach. »Hol die Kerle am Corral«, schrie Slough, »sie dürfen nicht an die Pferde heran!« Snife hielt seine Winchester an die Schulter, feuerte zwei Schuß auf den Mann, der an dem niedergestürzten Pony vorbei jagte und nach Süden schwenkte. Fast gleichzeitig hörte er ihr wildes Geschrei. Es kam von Norden, Osten und Süden und zeigte Snife, daß diese vier Kerle keine Einzelgänger waren. Im Lager war es lebendig geworden. Peitschende Detonationen weckten die Nacht, Schatten flohen durch die Plains und griffen die Wagenburg an. Ohne Panik visierte Snife den Reiter an, der dem Corral am nächsten war, und nickte zufrieden, als der Bursche seitlich in die Büsche fiel. Der zweite floh, Indianertaktik gebrauchend, seitlich im Bügel hängend, in die Finsternis. Rock Snife kroch bäuchlings in den Schutz der schweren Wagen zurück. Seine Leute waren in arger Bedrängnis. Er sah, wie Sloughs schwere Büchse eine einbrechende Rothaut vom Rücken seines Pferdes fegte und ein zweiter Mann genau vor dem Lauf seiner Emery auftauchte. Mit einem grellen Funkenschlag zerfetzte Sloughs Waffe auch diese Rothaut. Irgendwie schien dieser Feuerschlag die Entscheidung herbeizuführen, denn mit wildem Geheul brach die Meute aus, sprengte als schwer zu treffendes Ziel um die 9
Wagenburg, ehe sie in die Nacht floh und im flachen Berghang verschwand. »Denen haben wir es aber gegeben«, sagte Slough, während er die Büchse auflud. »Sie haben die Schnauze voll.« Snife richtete sich finster auf. Er sah die langgestreckten Schatten zwischen den Wagen liegen und deutete zum Seilcorral. »Sie haben unsere Pferde erwischt. Beim Teufel, sie kommen wieder.« Er trat in den Kreis und schürte das Feuer. Drei Männer lagen reglos, von Lanzen durchbohrt, im Gras. Der vierte lehnte an den Radspeichen eines Murphy und stöhnte jämmerlich. Als Snife sich näherte, schrie Tom Bridge unter Schmerzen: »Beim Teufel, Rock, bleib, wo du bist, mir kann keine Menschenseele helfen.« Dennoch beugte sich Snife über den Verletzten. Er erkannte den kurzen, gefiederten Pfeilschaft, der oberhalb von Bridges Breitgurt in seinem Leib steckte und wußte, daß Tom seine Lage längst erkannt hatte. Er brauchte keine tröstenden Worte. »Ich habe Männer gesehen, die andere Verletzungen überstanden haben, Tom«, versuchte er dennoch zu trösten. »Spiele nicht den Prediger, Rock«, keuchte der Verletzte, »gib mir lieber von deinem verteufelten Schnaps. Feuer muß man mit Feuer bekämpfen. In meinem Leib brennt's, als wäre die Hölle dort geboren.« »Das wäre dein Tod, Tom.« »So oder so, ich werde den Morgen nicht überleben.« Zögernd richtete der Hüne sich auf. Er trat zu seiner Lagerstätte und reichte Habergeen die Canteen. »Gib du ihm die Flasche, Slough, ich kann es nicht.« »Mit oder, ohne Schnaps. Er stirbt noch in dieser Nacht.« Slough nahm die halbvolle Canteen. »Vielleicht nimmt es ihm den Schmerz, vielleicht verkürzt es sein Leiden.« Snife wandte sich ab, um die auftretende Feuchtigkeit in seinen Augen zu verbergen. 10
Eine Weile war es still, dann schrie Tom Bridges erbarmungswürdig auf, als würde die Hölle aus seinem Körper fahren. Als Snife über die Schulter blickte, hing sein Kutscher schlaff in Sloughs Armen. Habergeen trat näher. »Er hat es überstanden, Rock.« Es klang wie eine Entschuldigung. »Wir aber wissen nicht, was morgen ist.« Rock Snife schwieg. Er dachte, daß in Las Cruces eine Frau und vier unmündige Kinder auf ihren Ernährer warteten, und warf trockenes Distelwerk ins Feuer. »Wir wollen die Wagen näher zusammenschieben. Beim nächsten Angriff werden die Bastarde die Hölle kennenlernen.« Noch während er sprach, trat er zu einem der Murphys und schlug die Plane zurück. Wütend riß er eine Kiste unter der Plane hervor und setzte sie am Boden ab. »Dynamit«, sagte Slough, als Snife den Deckel sprengte. »Ja«, erwiderte Rock, »für Howards Armee in Tucson bestimmt. Wir hätten früher daran denken sollen.« »Hatten wir Zeit?« wischte Slough Snifes Vorwurf beiseite. Der Treckführer richtete sich auf. Wütend blitzten seine Augen. »Jetzt haben wir Zeit. Einen Tag. Zwei Tage. Eine Woche, wenn es sein muß.« »Und dann?« Slough Habergeen grinste bissig. Er überschlug ihre Wasservorräte, die sie mitführten, und dachte an die vierzig Meilen Wüstenweg, die zur nächsten Ansiedlung führten. Rock Snife schwieg. Was sollte er auch antworten? * Als Cochise und der Falke in das Lager einritten, sah Tehueco an ihren Mienen, daß das Jagdglück ihnen versagt geblieben war. Stumm saß der Yaqui-Kazike am Feuer und wartete, bis 11
seine Gäste ihre Pferde versorgt und sich an der Quelle erfrischt hatten, ehe sie den Platz an seiner Seite einnahm. Er hatte Sonne, Mond und Berge über den Verbleib Naties befragt. Sie hatten geschwiegen. Er hatte einen Dachs erlegt, um in seinen Eingeweiden Naties Zukunft zu sehen. Die Geister der Zukunft blieben stumm. Er war trotz aller Gefahren, die durch maximilianische Truppen und mexikanische Rebellen an der Grenze warteten, den beschwerlichen Weg zum Whitewater geritten und hatte Minio gerufen, den Geist der Flüsse und Seen, ohne erhört zu werden. Und selbst im Canyon der flüsternden Winde, der von Mistai, dem Geist der unheimlichen Geräusche, beherrscht wurde, war ihm die Antwort nicht zuteil geworden. Und selbst der Jefe, der höchste Häuptling aller Apachenstämme, würde ihm keine Antwort geben können. (Anmerkung: Für den Apachen war die Welt um ihn mit Geistern und übernatürlichen Mächten erfüllt. Wind, Sonne, Donner, Blitz, waren Wohnsitz sakraler Geister. Flüsse und Seen belebten Ungeheuer. Wie in allen Tieren nützliche und böse Geister schlummerten. So der Bär, dessen Kraft als Symbol der Heilung menschlicher Verletzungen galt. Der Adler oder Habicht ein Helfer in Kriegszeiten war. Die Klapperschlange, die die Kraft hatte, Regen zu schicken, oder der Dachs, der dazu beitrug, die Zukunft vorherzusagen. Selbst sein Pferd betrachtete der Apache, wie auch andere indianische Stämme, als einen Teil von sich selbst. All diese Dinge lassen erkennen, wie tief der Aberglaube des roten Mannes mit seiner Umgebung verwurzelt war.) Tehueco wußte, daß er Natie finden mußte, um den Schmutz und die Schande von den Stämmen der Yaquis abzuwenden. Häuptling Cochise näherte sich dem Feuer. Ein kräftiger, stattlicher Mann, dessen Brustmuskeln unter dem offenen, ärmellosen Chaparajos zuckten. Keine Spur von Müdigkeit haftete dem Chief an. 12
Auch John Haggerty sah man die Strapazen eines langen Weges längs der Grenze nicht an. Doch sie beide hatten Natie nicht gefunden. Tehueco führte die Hand zur Brust und zur Stirn. Cochise und John beantworteten den Willkommensgruß. »In deinem Gesicht sehe ich, daß der Weg ohne Erfolg war, Jefe«, sagte Tehueco, während er die Alltagspfeife mit Kinnikinnik stopfte, umständlich entzündete und sie nach einigen Zügen dem Jefe reichte. »Seine Spur verliert sich in den vier heiligen Himmelsrichtungen, wie der Wind, der nicht zu fassen ist.« Cochise sog tief den scharfen Tabak in die Lunge. Er reichte John die Pfeife und erwiderte: »Die Sorgen der Yaquis sind auch die Sorgen der Chiricahuas. Ich werde solange in deinem Land bleiben, bis die Schande getilgt ist. Der Falke mag sprechen.« Tehuecos Blick wanderte zu Haggerty, der ihm als Freund Cochises willkommen war, weil er als Vermittler zwischen den Pferdesoldaten in Tucson und den Apachenstämmen diente. Er kannte ihn nun schon zwei Jahre. »Sprich …!« John legte die Pfeife auf einen ausgewaschenen Stein. »Der Rote Wolf bringt immer größere Schande über das Volk der Yaquis, Tehueco. Seine Spur wechselt wie der Wind. Was er hinterläßt, sind verbrannte Ranchos, niedergemetzelte Menschen, vergewaltigte Frauen und verstümmelte Kinder. Du hättest ihn nach den Gesetzen der Yaquis verurteilen und ihm nicht die Gnade der Verbannung erweisen sollen. Es war genug, daß Natie die hilflosen Menschen in Naca ermordete, die Frauen beschmutzte und sie nach ihrem Glauben an gekreuzte Stämme nagelte und sie in der Sonne zu Tode folterte. Jedes Gericht im Territorium Arizona hätte ihn und seine Helfer zum Tode verurteilt und gehängt.« Tehueco nickte schweigend. Das Letzte war vielleicht der Grund seiner Milde gewesen, denn kein Yaqui, den man mit 13
einem Strick am Hals zu Tode brachte, fand den Weg ins Reich der Götter. Aber heute wußte er, daß seine Gnade verfehlt war, denn Naties Taten beschmutzten alle Stämme der Yaquis. Nicht nur das, sie brachten Bleichgesichter und Gelbgesichter in Aufruhr, daß ein Yaqui es kaum noch wagte, seine Apacheria zu verlassen. »Ich habe mit dem Jefe gesprochen«, fuhr John im gleichen Rhythmus fort, »und wir haben beide beschlossen, die Jagd nicht aufzugeben.« »Wo willst du den Wind fangen?« fragte Tehueco zögernd, aber Hoffnung zog bei den Worten des Falken in sein gekränktes Herz ein, daß irgendwann der Tag kommen würde, wo der Yaqui sich wieder frei in den Tälern bewegen konnte, ohne wie eine Buschratte abgeschossen zu werden. Cochises antwortete: »Zwischen den Dragoons, den Chiricahuas und den Sierra Madres ist es ruhig geworden. Tief im Süden spricht man von Revolution und es heißt, daß der Rebell Pablo Juárez den Kaiser bald über das Meer treibt. Die Stille, die sich nun um Natie ausbreitet, läßt vermuten, daß er nach Osten geflohen ist. Es gibt Gerüchte, die erzählen, das tief im Herzen New Mexicos ein Auswurf der Menschen im Verborgenen lebt, denen Natie, der Bandido willkommen ist.« Tehueco zuckte bei der Erwähnung des Wortes Bandido leicht zusammen, denn der Rote Wolf war ein naher Verwandter seiner Familie. Aber dann nickte er. »Er ist ein Bandido und niemand soll ihn mehr einen Yaqui nennen. Ich werde dir alle Hilfe versprechen, die du brauchst, um ihn zu finden.« Cochise sah die Unruhe, die in dem Yaqui-Kaziken tobte, und er spürte dessen Gedanken. »Du willst ihn selbst töten?« Tehueco nickte. »Er soll den Tag verfluchen, an dem er dem Leib seiner Mutter entschlüpft ist.« »So sei es denn.« Cochise griff nach dem Kalumet und sog 14
heftig am hörnernen Mundstück. Von nun an waren alle Worte, die Natie betrafen, vergessen. Tehueco wies seinen Gästen Jacales an und ließ ein Festmahl vorbereiten, das dem großen Häuptling aller Apachen würdig war. Schon bald duftete ein prächtiger Bärenschinken, den Tehueco eigenhändig aus dem Cache, der Erdgrube für Vorräte, geholt hatte, über dem lodernden Feuer, und Tehueco erzählte farbenprächtig seinen verwegenen Kampf mit dem Braunbären, den er mit dem Jagdmesser erlegt hatte. Squaws richteten mit flinken Händen das Beiwerk, einen Salat aus eßbaren Disteln, wilden Erbsen, Wolfsmilchknospen und der Frucht des Feigenkaktus. Aus tönernen Schalen lockten kostbare Früchte wie Wildkirschen, Dattelpflaumen, Hagebutten und die weißen Nüsse des Hickorybaumes. Tortillas, gefüllt mit Pfefferschoten, rundeten das Bild ab. Dies alles war genau abgestimmt, um Cochise die Freundschaft und Verbundenheit der Yaquis zu zeigen. Den folgenden, bis tief in die Nacht hinein dauernden Powwow der Häuptlinge würzte Tehueco mit scharfem Baconora und Tizwin, einem gegorenen Getränk aus Pflanzen. Beim Klang der Trommeln tanzten die hübschesten Mädchen des Stammes wild und leidenschaftlich Liebestänze und ließen erkennen, daß ihre Tipis für die Gäste offenstanden. Tehuecos Aufforderung, ihren Lockungen nachzukommen, wies Cochise mit den Worten ab, daß die Lage zu ernst und ein unbestimmter anstrengender Weg vor ihnen lag. Der Falke widerstand ebenfalls dem Reiz. Seine Gedanken waren bei Tla-ina, Cochises junger hübscher Schwester, die er liebte und deren Bild er in seinem Herzen trug. Es dämmerte bereits, als sie das große Palaver beendeten und sich in die Jacales zurückzogen. Am Nachmittag des folgenden Tages, nach einem erfrischenden Bad, rüsteten Cochise und sein Freund, der 15
Falke, zum Aufbruch. Der Yaqui-Kazike hatte zwei starke Ponys mit Trockenvorräten und Wasserschläuchen bestückt. Als Cochise sich verabschiedete und aufs Pferd schwang, reichte Tehueco ihm einen Medizinbeutel, in dem der Schwanz eines Stinktieres steckte, der nach dem Glauben der Yaquis dem Träger übernatürliche Kräfte verlieh. Cochise bedankte sich höflich. »Du wirst bald von uns hören, Tehueco. Schicke einen Boten mit einer Nachricht in meine Apacheria, um Naiche über mein Vorhaben zu informieren.« Tehueco versprach es wortreich. »Es wird geschehen, Cochise. Du selbst wirst mich und meine Krieger an der südöstlichen Grenze finden. Ich hoffe, mein Taime wird dir Jagdglück und Kraft schenken.« Nun endlich kam es zum Aufbruch, und sie ritten durch verborgene Felsschluchten und Engpässe talwärts durch das Yaquiland zur Grenze. Ein beschwerlicher, unbestimmter Weg lag vor ihnen, der sie weit nach Osten über die Grenzen des Apachenlandes führen sollte. * Zwei Angriffe der Indianer gingen im Feuerschlag detonierender Dynamitstangen unter. Natie verlor zwei weitere Krieger und vier Broncos. Aber der Widerstand seiner Gegner reizte Natie, weil er nun glaubte, daß auf den Frachtwagen kostbare Beute zu holen war. Er träumte von dem schnellen Gewehr, das Comanchen-Kid gehörte, dem Teufelszeug der Donnerbomben, in denen der böse Geist des Donnergottes steckte und ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft bot. Nach einem dritten vergeblichen Versuch, die Wagenburg zu überrennen, zog er sich mit seinen Kriegern ins Strauchland des Hügels zurück. 16
»So wirst du es nie schaffen, Natie«, orakelte Kid, als er sich an die Seite des wütenden Wolfes setzte. »Ich habe dich gewarnt, vor diesen Wagenmännern. Sie sind gefährlich und kämpfen wie ein Rudel Grislys. Du solltest aufgeben oder einen anderen Weg wählen.« Naties Augen blitzten zornig. »Du trägst unsere Haut und denkst wie ein Bleichgesicht. Niemals werde ich von der Beute lassen, Goc-ane.« »Und du denkst wie eine Squaw, Natie. Du verrennst dich in einen dummen Gedanken und läßt deine Männer verbluten.« Unbeherrscht fuhr die Hand des Roten Wolfes zum Jagdmesser. Aber er zog die Hand zurück, als Comanchen-Kid ihm die Karabinermündung vor das Gesicht hielt. »Du bist auch unbeherrscht, Natie«, rügte Kid grinsend, »und hast die Fähigkeit verlernt, schweigsam zuzuhören, wenn ein Freund spricht. Ich bin dein Freund und habe es dir oft bewiesen.« Natie nickte. »Ich habe dir auf unseren Kriegszügen schon oft einen guten Rat erteilt, Roter Wolf«, fuhr Goc-ane fort, »denn ich habe die Denkensweise der Weißaugen studiert. Diese Wagenburg in der Senke ist eine Festung, die nicht mit Gewalt, sondern nur mit List zu bezwingen ist. Wir müssen einen anderen Weg suchen.« Natie dachte nach. Sein Freund hatte ein Jahr in den Städten und Dörfern weißer Eindringlinge gelebt und vieles von ihnen gelernt, ehe sie ihn mit Schande aus ihren Städten jagten. Der Comanche war listig und verschlagen wie ein Apache. »An welchen Weg denkst du?« »Sie haben Waffen, Munition und Sprengstoff im Überfluß. Sie sind in der Lage, den Angriff eines ganzen Kriegsstammes abzuwehren. Aber eines fehlt ihnen.« Natie sah den Sprecher ratlos an. »Es fehlt ihnen nicht an Mut.« »Aber an Wasser«, triumphierte Goc-ane. »Die 17
Murphykolonne ist auf dem Weg nach Westen. Die nächste Ansiedlung liegt dreißig Meilen entfernt. Deshalb führen sie keine allzu großen Wasservorräte mit.« Naties Augen blitzten. »Du bist klug wie eine Klapperschlange. Wir werden ihre Burg belagern, bis sie wahnsinnig werden oder um einen Tropfen Wasser betteln. Aber…«, in seiner Stimme schwang Bedenken, »das kann Tage dauern oder eine Woche. Man wird den Wagenzug vermissen und Soldaten oder die Miliz aus den Städten entsenden.« »Wer weiß, wie weit ihr Weg führt. Vielleicht wird niemand sie vermissen.« »Und wenn doch?« Comanchen-Kid zuckte die Achseln. »Dann können wir immer noch aufgeben und irgendeine abgelegene Ranch überfallen.« Natie war ein junger, ungestümer Krieger, den es nach Taten dürstete, der den Ruhm suchte, damit man später über seine Grausamkeit in den Yaquifestungen sprach. Er wollte Tehueco zeigen, wie man mit Bleichgesichtern umging. Vielleicht würde der große Häuptling die Erleuchtung finden und erkennen, wie schmählich er ihn behandelt hatte. Als Kriegsheld wollte er, mit Ruhm bedeckt und fetter Beute, in die Festung Tehuecos einreiten, um alle Schmach zu tilgen, die mit der Verbannung an ihm haftete. Goc-anes Worte stimmten ihn nachdenklich, und nach einem langen Palaver bestimmte er, daß seine Krieger, außer Reichweite der Donnerbüchsen der Wagenmänner, einen engen Kreis schließen und mit nächtlichen Feuern zeigen sollten, wie wenig der Teufelsmut der Bleichgesichter von Nutzen war. In kleinen Gruppen aufgeteilt zogen seine Krieger ins Tal. Natie und Goc-ane blieben im dichten Gesträuch des Hügels zurück. In der Nacht loderten flache Feuer auf, die weithin sichtbar 18
den Feinden zeigten, daß es aus dieser Umschlingung kein Entkommen gab. Der zweite Tag verging und auch die dritte Nacht. Am Morgen des folgenden Tages, als alles in Resignation gebannt war, wurde Natie ungeduldig. »Wenn sie aber mehr Wasservorräte haben, als wir denken?« fragte er unruhig. Kid lächelte. »Dann wird die Zeit und der Gedanke an die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage ihren Mut abkühlen. Vielleicht sind sie bald bereit, zu verhandeln.« Der Tag lief träge dahin. Wie ein glühender Feuerball stand die Sonne über den Plains und trocknete die Erde aus. Der Rote Wolf, der Untätigkeit müde, war in die Plains geritten und hatte zwei Krieger bestimmt, die aus einer verborgenen Quelle in den Bergen Wasservorräte holen sollten. Sein Instinkt spürte wohl, das die Belagerung über Gebühr hinaus dauern würde. Als er am Nachmittag ahnungslos ins Berggestrüpp einritt, wo Comanchen-Kid zurückgeblieben war, erkannte er drei schwerbewaffnete Männer, die vor seinem Freund am Feuer standen. Bärtige, ungehobelte Weißaugen, die rechts und links der Hüften schwerkalibrige Revolver trugen, in deren Fäusten moderne Winchestergewehre blitzten, in den Gurten um die Schulter steckten blitzende Patronen. Natie riß seine Lanze hoch, um sie einem der Fremden in die Brust zu schleudern. Doch Comanchen-Kid trat mit erhobenen Händen schützend vor die Fremden. »Es sind Freunde, Roter Wolf, Freunde, die ich aus Las Cruces kenne.« Natie zögerte. Wildheit stand in seinem Gesicht geschrieben, wie der Haß, den er gegen Weißaugen empfand. Noch immer hielt er die Lanze zum Wurf bereit. »Du nennst die Bleichgesichter deine Freunde?« »Sie kämpfen wie wir gegen ihre weißen Brüder. Sie stehlen und rauben mit dem gleichen Gedanken wie wir es tun, Roter 19
Wolf. Nur daß unsere Beute unwürdig erscheint gegen das, was sie zusammentragen. Der Feuerkopf, der einer ihrer Anführer ist, ist auch bereit, unser Problem zu lösen, um dir seine Freundschaft zu zeigen.« »Was weiß er von unserem Problem?« fragte Natie. Er senkte nur zögernd die Lanze, als keiner der drei Männer Anstalten machte, sich zur Wehr zusetzen. Sein Blick streifte das narbige Gesicht des Hünen, aus dessen breitrandigem Stetson brandrotes Haar bis zu den Schultern herab fiel. »Was weißt du von unseren Gedanken, Feuerkopf? Wer bist du und woher kommst du?« Der Rothaarige trat neben Comanchen-Kid. Er deutete lächelnd nach Osten, wo der mächtige Gebirgszug der Animas Mountains das Tal durchschnitt. »Man nennt mich Budd Cameron, Roter Wolf. Wir kommen aus Mexiko, wo wir für viel Geld für die Versorgung der Rebellentruppen sorgen, und ziehen dorthin in die Berge, wo in einsamen Tälern ein sicheres Versteck liegt, das uns vor jeglicher Art von Verfolgern schützt.« Naties Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Sprechers. Er sah die wildzerklüftete Bergwelt im Osten, die im prallen Sonnenlicht wie Feuer brannte. Mißtrauisch verzog er den Mund. »Was zwingt dich, einem Apachen zu helfen?« fragte er zögernd. »Die Männer dort unten tragen die gleiche Hautfarbe wie du.« »Nichts zwingt mich, Roter Wolf. Nur der Gedanke, daß sich ein Haufen tapferer Krieger uns anschließt und uns in die Berge folgt. Mein General sucht immer gute Kämpfer.« »Und wer ist dein General?« »Der Herr der Animas Mountains, Don Rodriges.« »Ein gelbgesichtiges Schlitzauge«, fuhr es aus Naties Mund, und er spürte den angeborenen Haß gegen die Mexikaner im Herzen. »Ein mächtiger Mann. Mächtig wie der Kaiser Maximilian 20
von Mexiko, den er mit allen Mitteln bekämpft.« Naties Blick streifte die Fremden, die nun an der Seite des Sprechers standen. Schmutzige, verlauste Kerle, die mit dem Blick einer Klapperschlange Natie belauerten und sicher bereit wären, ihm die Kehle zu durchschneiden, wenn es sich lohnte. Sie stanken wie der Skunk, der durch die Sträucher schlich. Er mochte sie nicht. Dennoch wandte sich Natie an den Banditen. »Und wie mächtig bist du, Feuerkopf?« »Ich will es dir zeigen, wenn du mir Vertrauen schenkst.« Natie sah zu Goc-ane, der lächelnd über den Hügel deutete. »Dort warten zwanzig wilde Reiter, die seinem Wort gehorchen. Wenn du es befiehlst, wird er dir den Weg zur Wagenburg öffnen.« Naties Gedanken kämpften zwischen Habgier und Vernunft. Mit der primitiven Schläue, die ihm eigen war, dachte er, wenn der Feuerkopf ihm den Weg zur Wagenburg öffnete, wollte er ihn als Freund anerkennen. Und unbewußt erkannte der Rote Wolf die weiteren Vorteile einer solchen Freundschaft, denn wenn der Feuerkopf ein Versteck in den Bergen kannte, das so einsam war, wie er sagte, konnte er, der Rote Wolf, sich der Verfolgung der Yaquistämme, des Militärs und Cochise jederzeit entziehen. Natie stieß die Spitze seiner Kriegslanze tief in den Sand und deutete auf den Lagerplatz am Feuer. »Setze dich, wir wollen die Dinge besprechen.« * Nordstürme peitschten den Rio Grande hinunter und führten gewaltige Staubmassen mit, um eine ganze Stadt wie Las Cruces im Sand zu ersticken. Der Reiter auf dem knochigen Falben, der nur einem Schatten in der tobenden Mauer des Sturmes glich, hatte Mühe, den abgetriebenen Gaul auf den 21
Beinen zu halten. Er schien aufzuatmen, als er das im Wind schaukelnde Holzschild erkannte, das das Marshals Office offenbarte. Der Reiter stieg aus dem Sattel, führte das Tier in den Windschatten des Hauses und stemmte sich gegen den Sturm, der ihn mit voller Gewalt erfaßt hatte und niederzuzwingen drohte. Seine Faustschläge an der Tür verhallten ungehört und es schien, als trüge der Orkan alle Geräusche aus der Stadt. Fluchend stemmte der Mann sich gegen die Tür, die nur einen Spalt nachgab, dennoch breit genug, um ihm Einlaß zu gewähren. Marshal Break, die Hände vor dem Bauch gefaltet, halb eingeschlafen, blinzelte träge dem Eintretenden entgegen. »Goodnight«, rief er überrascht und zog die Stiefel vom Schreibtisch. »Was führt Sie bei diesem Sauwetter in die Stadt?« Charlie Goodnight, der sich hier auszukennen schien, eilte in die Ecke und nahm vom Bord eine Flasche. Nach einem tiefen Schluck setzte er sich auf den Hocker an Breaks Schreibtisch und filierte schweigend den Marshal, der sichtlich nervös wurde. Break kannte den kräftigen Burschen, der vor fünf Jahren abgewrackt nach Las Cruces kam, große Töne von einem Rinderimperium spuckte und dann in die Range zog, um Mavericks aufzuspüren, herrenloses Vieh, das sich in den Kriegsjahren in der Range vermehrt hatte. Goodnight war ohne Zweifel in diesen wenigen Jahren ein reicher Mann geworden, nachdem die Regierung sein Bemühen unterstützte, und ihm gewaltige Strecken Regierungsland schenkte. Aber Break kannte auch Goodnights Sorgen. »Ist Ihnen wieder eine Herde gestohlen worden, Mr. Goodnight?« fragte er zögernd. »Ich habe mich fast daran gewöhnt, daß ich den Pleitegeier 22
schon nicht mehr sehe, der über meiner Ranch kreist, Break«, brummte Goodnight, während er den Staub und Dreck des letzten Tages herunterspülte. Dann setzte er die Flasche mit einem Ruck ab, daß ein Teil des Inhalts über seine schwielige Hand lief. Er richtete sich an seinem Selbstbewußtsein auf und zeigte, daß er ein harter Mann war, der einiges einstecken konnte. Charlie Goodnight wirkte wie ein Granitfelsen, breit und gedrungen von Gestalt, mit wulstigem Nacken und hellen stahlblauen Augen. Seine Fäuste waren wie Schmiedehämmer und konnten sicher ebenso hart zuschlagen. »Ich suche einen Mann, der sich in Ihrer Stadt aufhalten soll, Break. Meine Jungs erzählten mir, daß er hier einigen Wirbel gemacht hat. James Butler Hickok soll er sich nennen.« Ernie Break verzog mißmutig das Gesicht, als der Name fiel, und sein Blick streifte die Zelle, hinter deren Gitter ein Mann schlafend auf der Pritsche lag. Er dachte an den Ärger, den der Bursche in Las Cruces veranstaltet hatte, und welche Mühe es ihn gekostet hatte, ihn ins Jail zu schaffen. »Der dort«, knurrte er bissig und deutete zur Zelle, »schimpft sich Butler. In der Stadt und sicher auch in anderen Städten, die er berührt hat, nennen sie ihn Wild Bill Hickok. Weiß Gott, einen besseren Namen gibt es für den Bastard nicht.« Goodnight blickte zur Zelle. Der Fremde rührte sich nicht. Sein Gesicht bedeckte ein flacher Plainshut. Über die Schulter fiel langes wirres Haar. Er bewegte sich nicht, obwohl Goodnight wetten mochte, daß er jedes Wort der Unterhaltung aufgenommen hatte. »Wenn Sie ihn mir aus der Stadt bringen, Goodnight, will ich auf die Haftstrafe verzichten. Das heißt, Sie müßten Dan Brodders Saloon-Inventar bezahlen, das er zerschlagen hat.« Rancher Goodnight wandte sich ab und stampfte zur vergitterten Zellentür. »Hickok«, rief er, »stehen Sie auf. Ich habe mit Ihnen zu 23
sprechen.« Der Mann regte sich nicht. Er schob nur mit der Linken den Plainshut aus dem Gesicht und grinste. Goodnight sah den kräftigen Schnauzbart, der die Mundpartie verdeckte. Sein energiegeladenes Kinn und die mächtig gekrümmte Nase, die sein Gesicht zierte. Und Goodnight sah seine großen harten Augen, die ihn an sich selbst erinnerten, und er wußte, er hatte seinen Mann gefunden. Hickok schwieg. Es war ein stummes Messen zweier Männer, die vieles gemeinsam hatten. Goodnight brach das Schweigen. »Sie sind in einer schlimmen Lage, Hickok, und wissen, das Sie so schnell nicht aus dem Knast herauskommen«, sagte er. Hickoks Grinsen verstärkte sich. Er zog die langen Beine an, ehe er nickte. »Sie sind Charlie Goodnight von der JA-Ranch. Ihre Lage ist weit übler als die meine, Mister. Was wollen Sie von mir?« Goodnight schlang die Fäuste um die Gitterstäbe. Kräftige, verarbeitete Hände, schwielig von der harten Arbeit in den Plains. »Ich brauche einen Mann, der in der Lage ist, eine harte Mannschaft zu führen.« Wild Bill Hickok lachte knurrig, so daß Goodnight erkannte, daß Hickok seine Lage kannte. »In El Paso und an der Grenze gibt es genügend arbeitslose Revolvermänner und mexikanische Pistoleros, Goodnight. Sie werden dort finden, was sie brauchen.« Der Rancher nickte. »Sie werden diese Leute einstellen, Hickok, und Sie sind der Kopf, der sie führt.« Hickok lachte belustigt. »Sie verfügen über mich, als wäre ich Ihr Lakai.« »Ich bitte Sie, Hickok. Ich bitte Sie als verzweifelter Mann.« Hickoks Lachen verstummte. Mit einem Schwung war er auf den Beinen. Sechs Fuß hoch, stark und beweglich wie ein junger Berglöwe. 24
»Ich weiß es, Hickok. Sie waren Marshal in Abilene und Dodge und haben ein Dutzend Halunken umgelegt. Sie sind Spieler und Hassadeur. Was Sie sonst auf dem Kerbholz haben, interessiert mich nicht. Sie haben die Qualitäten, eine harte Mannschaft zu führen, und ich weiß, daß Sie mir das Diebesgesindel aus dem Weg räumen. Tausend Dollar im Monat, Hickok, und für jeden Mann, den Sie unter sich vereinen, dreihundert.« Hickok lachte. »Eine Menge Geld, das Sie ausspucken, Goodnight. Ich wette, daß das Diebesgesindel nicht mehr Rinder stiehlt, als sie als Prämie aussetzen.« »Ich denke an die Zukunft.« Hickok schwieg. Er spürte die verzweifelte Not, die den Rancher beherrschte. Noch einmal trafen sich ihre Blicke. Abschätzend, ja, herausfordernd, bis Hickok nickte. »Ich bin Ihr Mann, Goodnight. Holen Sie mich aus dem Kasten und begleichen Sie im Saloon meine Schulden. Sie können es vom Lohn abziehen.« Marshal Break kam mit dem Schlüsselbund. Er öffnete die Tür und schien sichtlich erleichtert. Nur als er Hickok den breiten Revolvergurt mit den herabhängenden Revolvertaschen reichte, verzog er bedenklich das Gesicht. Dieser Kerl war ein Teufel von Mensch, der es mit einer vollbesetzten Kneipe aufgenommen hatte. Er hatte mächtigen Respekt. Hickok schwang den Gurt um die Hüften. Als er die Schnalle schloß, grinste er den Marshal an. »Sie machen ein Gesicht, Break, als bedauerten Sie, unsere vertraute Gemeinsamkeit aufgeben zu müssen.« »Hickok«, erwiderte Break wütend, »je weiter Sie von meiner Stadt entfernt sind, um so wohler fühle ich mich.« »Kommen Sie«, warf Goodnight ein, »wir wollen gehen.« Sturmböen schlugen ihnen entgegen. Goodnight löste die Zügel vom Hitchrack und folgte dem Hünen, der sich zum Mietstall 25
vorkämpfte. Als sie im Windschatten des Stalles standen, zog Hickok einen knochigen Wallach aus der Box und begann ihn zu satteln. »Sie hören von mir, Goodnight«, sagte er und schwang sich in den Sattel. »Wann?« fragte der Rancher unruhig. Er lauschte dem tobenden Sturm, in den Hickok hinaus wollte. »In einer Woche, in einem Monat, Goodnight. Ich muß erst die Spreu vom Weizen trennen. Good bye.« Hickok zog die Krempe seines Plainshut tief ins Gesicht und trabte durch das offene Tor ins tobende Unwetter. * »Sie kommen«, knurrte Rock Snife. Er faßte seine Winchester fester. Seine Kehle war trocken wie das Land selbst. Es war der vierte Tag, an dem sie von der räuberischen Indianerhorde eingeschlossen waren. Slough Habergeen nickte grimmig. Er schob den mächtigen Lauf seines Büffeltöters über die Deichsel des Murphys und angelte mit der Linken seinen Karabiner heran. Vielleicht war es der letzte Angriff, den sie überstehen konnten, ehe ihr Skalp am Gurt der Apachen hing. Er war entschlossen, seinen dürftigen Haarwuchs so lange wie möglich auf dem Kopf zu tragen. Snife und die anderen Murphyfahrer jagten bereits einen Bleihagel in die weit auseinandergezogenen Reihen der Angreifer, ohne daß sie ihr Ziel erreichten. »Sie sind zu weit entfernt«, schrie Slough über die Schulter. »Spart euer Pulver.« Er wischte mit dem schmutzigen Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht und visierte einen der Reiter an. Er sah die nackte glänzende Gestalt, die, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, der Wagenburg entgegenpreschte und zog den Abschußbügel durch. 26
Mit dumpfem Grollen entlud sich seine Emery. Eine Pulverwolke verdeckte die Sicht. Als sie sich legte, lud Slough bereits seine schwere Büchse. Ohne hinzusehen wußte er, daß von dem Burschen wenig geblieben war. Ihr wildes Kampfgeschrei füllte den brennend heißen Tag. Sie schwenkten nun nach West und Ost, um die Wagenburg einzuschließen. Ihr Geheul wurde unerträglich. Rock Snife war auf den Planwagen gekrochen. Sein wüstes Bartgeflecht glänzte in der Sonne. Im Mund klebte ein brennendes Zigarillo und in der Rechten hielt er wurfbereit eine Dynamitstange. »Entweder Sie oder wir«, schrie er voller Zorn, »laßt sie nahe genug herankommen, Jungs. Ich möchte erleben, wie sie in die Hölle fahren.« Auch die anderen Männer hielten Dynamit in den Fäusten, bereit, sich so teuer wie möglich zu verkaufen. Aber nun, da die Rothäute sich zum neuen Angriff formierten, tauchten auf dem flachen Hügel fast zwei Dutzend Reiter auf, die rücksichtslos ihre Gäule durch den Beifuß drängten und ihre Karabiner abfeuerten. »Wer sind Sie?« schrie Snife verblüfft in den Kampfeslärm und senkte den zum Wurf erhobenen Arm. »Bestimmt nicht Ihre Freunde«, rief Slogan zurück. Er hatte sich aufgerichtet und sah den harten Zusammenprall der Weißen und der Indianer. Trocken und heiser bellten kurzläufige Revolver auf. Im erbitterten Ringen fuhren gleich ein halbes Dutzend Rothäute aus dem Sattel. Die anderen wandten sich entsetzt zur Flucht und jagten in die offene Ebene hinaus, verfolgt vom Hufschlag der Reiter. Noch lange Zeit rollte das Echo vieler Abschüsse durch die Plains, ehe der Reitertrupp im Westen auftauchte und zügig die Wagenburg anritt. »Es sind Weiße«, jubelte Rock Snife. »Eine Posse aus der Stadt. Verdammt, sie kamen in letzter Minute.« Federnd sprang 27
er vom Wagen herab. Slough lehnte seine Büchse an die Wagennabe und trat aus der Burg. Hinter ihm drängten sich die Kutscher. Slough zählte fast zwanzig Männer, die im flotten Trab näherrückten und über den Köpfen ihre Karabiner schwangen. An ihrer Spitze ritt ein Rotbärtiger mit flammendem Haar, das sich in der Sonne widerspiegelte. Sie waren schwer bewaffnet. Snife und die Crew winkten ihnen freudig zu. Doch Slough verzog sein Gesicht, als er seinen Freund Snife anstieß. »Verdammt, sie sehen aus wie Banditen.« »Du bist verrückt«, erwiderte Snife lachend. »Sie haben uns das rote Gesindel vom Hals gejagt. Ich schätze, den räuberischen Indianern ist der Appetit auf unsere Ladung vergangen. Willkommen, Freunde«, schrie er im nächsten Augenblick, »kommt an unser Feuer, wir wollen den Tag mit einem kräftigen Schluck Rum begießen.« Dabei winkte er seinen Leuten, die zurücktraten und eine Gasse bildeten, durch die die Reiter in den Innenhof der Wagenburg ritten. Die Fremden sprangen aus den Sätteln und banden ihre Gäule an die Räder der Murphys. Der Rotschopf wandte sich an die Männer. »Wer ist der Treckführer?« »Ich bin es.« Snife trat in den Vordergrund und reichte dem Mann die Hand. »Weiß Gott, ich finde keine Worte, um euch zu danken. Ich bin froh, daß ihr unseren Weg gekreuzt habt.« »Es ist kein Zufall«, der Rotbart lächelte auf, »wir kommen aus Animas, weil dort euer Wagentreck überfällig ist.« Der Sprecher nickte dankbar, als Snife ihm seine Canteen reichte. »Dann seid ihr lange unterwegs«, warf Slough ein. Sein Mißtrauen wuchs. Der Rotbart nickte, während er trank und die Bottle an seine Leute weitergab. »Seit gestern morgen, eine kurze Rast ausgenommen, sitzen wir im Sattel.« 28
Slough sah die schwere Bewaffnung der Burschen, die sich im Innenhof der Burg drängten, und dumme Gedanken spielten in seinem Hirn. Er war ein kluger Mann, er wußte, daß in Animas sie niemand erwartete und ihre Pferde verdammt frisch nach dem anstrengenden Ritt aussahen. Unbewußt trat er rücklings zum Murphy, wo sein gewaltiges Büffelrohr am Rad lehnte. Die Kerle sahen aus wie Banditen, dachte er, und suchte eine Verbindung zwischen ihnen und den roten Bastarden draußen in den Plains. Unwillkürlich langte er nach der todbringenden Waffe. »Was hast du?« fragte Snife befremdet, dem das seltsame Gebaren seines Freundes nicht entgangen war. »Hier stimmt was nicht«, fluchte Slough, »die Burschen sehen aus wie Banditen und haben etwas anderes im Sinn.« Er sah die Bewegung des Rotschopfes und riß seine Waffe hoch. Da peitschten auch schon zwei Schüsse auf, und Slough spürte den harten Einschlag im Körper, der ihn über die Radachse des Murphys schleuderte, ehe er in ein großes schwarzes Loch fiel, aus dem es keine Rückkehr gab. »Was soll das?« fluchte Snife und blickte auf den rauchenden Revolver in der Faust des Bärtigen. »Slough ist unser Freund.« »Er war es, Mann.« Cameron lachte. Snife sah die vielen Revolver, die die Fremden in den Fäusten hielten. »Wenn du Sehnsucht nach deinem Freund hast, kannst du ihn auf seinem Weg begleiten.« Snife blickte an dem Sprecher vorbei. Aus dem Winkel zweier Murphys sah er in den Plains eine Staubwolke von Westen her heranwehen und wußte plötzlich, daß sie blindgläubig in eine Falle getappt waren. Ihre vermeintlichen Helfer waren Apacheros oder Comancheros, die sich mit indianischem Gesindel verbündet hatten. Seine Hand zuckte zur Hüfte, doch der warnende Ruf des Bärtigen stoppte ihn. »Du spielst mit deinem Leben, Mann, laß die Hände, wo sie 29
sind.« Immer deutlicher schälten sich aus der Staubwolke halbnackte Gestalten, die ein Rudel Pferde vor sich her trieben. Ihre Gespanne. Snife spürte Leere im Gehirn. Alles schien dort oben zu gerinnen, und mit einer wilden Bewegung stürzte er auf den Rotbart. Seine Fäuste krachten dem Mann entgegen, der in die Knie brach. Aber dann waren die anderen schon über ihm. Faustschläge trommelten auf Rock Snife ein, bis er das Bewußtsein verlor. Als er wieder erwachte, lag er außerhalb der Wagenburg, kreuzweise an in die Erde gerammte Pfähle gepflockt. Die Sonne brannte fürchterlich in sein Gesicht. Unweit von ihm, in der gleichen hilflosen Lage, entdeckte Snife Cord, Swatter, Buchanan und Mattem, die letzten Überlebenden der Indianerattacke, die sich bis zum letzten Augenblick gewehrt hatten. Zu seinen Füßen standen der Rotbart und eine Rothaut, in dessen schweißigem bunten Stirnband eine einzelne Feder steckte. »Er ist ihr Anführer, Natie«, sagte Budd Cameron, während er Snife lässig mit den Stiefeln antippte. Der Rote Wolf blickte zur Sonne hoch, und ein grausames Funkeln lag in seinen Augen, als er den Kopf senkte. »Er wird sterben wie die anderen, Feuerkopf. Der Sonnengott wird dafür sorgen.« Als er zurücktrat, sah Snife, daß der Rote eine noch ölige Winchester in der Faust hielt, die für die Armee in Tucson bestimmt war. Im Hintergrund erkannte Snife seine Murphykolonne, die abmarschbereit nach Osten zeigte. Wütend zerrte er an seinen Fesseln. »Du roter Bastard sollst im Abgrund tiefster Dunkelheit schmoren und nie den Weg zu Manitu finden.« Natie fuhr federnd herum. Seine Hand fuhr zum Tomahawk. 30
Mit einer wilden Bewegung wollte er sich auf den Wehrlosen stürzen. Camerons harte Faust hielt ihn zurück. »Laß dich nicht herausfordern, Roter Wolf. Du hast sein Leben deinem Sonnengott geschenkt. Erzürne ihn nicht.« Natie atmete schwer. Nur zögernd senkte er den Arm. »Du hast Recht, Feuerkopf. Er wird den Tod der tausend Qualen sterben und dankbar sein, wenn ihn der Mantel der Finsternis aufnimmt. Führst du uns nun zu deinem Häuptling?« Cameron nickte. »Er wird dich wohlwollend aufnehmen, Natie, denn du bringst ihm reiche Beute, die für seine Freunde im Süden nützlich sind.« Natie wandte sich ab und schwang sich auf sein Pferd. Er ritt zu seinen Kriegern, die bei den Murphys warteten. Budd Cameron beugte sich noch einmal vor und prüfte die Fesseln der Gefangenen. »Mehr kann ich nicht für dich tun, Kutscher«, sagte er im Aufrichten. Seine Hand deutete zum flammenden Stern am Himmel. »Euer Schicksal liegt in ihrer Hand.« Rock Snife spie dem Sprecher seine Verachtung vor die Füße. Aber Cameron hatte sich schon abgewandt. Seine Befehle schallten durch die Stille. Schwerfällig setzte sich die Murphykolonne in Bewegung. Einsamkeit blieb zurück. Drückend, Snifes Gedanken belastend, in der keine Hoffnung zu finden war. * Cochise und Haggertys Weg führte an der mexikanischen Grenze entlang nach Osten. Gerüchte, die sie in abgelegenen Dörfern aufnahmen, erzählten von dem grausamen Apachenwolf und seinen unmenschlichen Taten. Sie waren bis nach New Mexico vorgestoßen. Einmal erlebten sie, wie mexikanische Rebellen sich ein erbittertes 31
Gefecht mit rothosigen Franzosen lieferten, deren leichte Feldhaubitzen kräftig Ernte hielten. Cochise sagte bei diesem Anblick: »Das Herz eines Apachen füllt sich mit Freuden, wie Bleich- und Gelbgesichter sich gegenseitig zu Tode martern.« Zweimal in diesen Tagen wurden sie im Wechsel von Rebellen und Regierungstruppen gejagt, und nur einer schnellen Flucht ins Innere des Gebirges verdankten sie ihr Leben. In den Tälern stießen sie auf niedergebrannte Gehöfte und verbrannte Erde. Die sichtbare Spur von Naties Weg. Nun, als sie die weite dürre Ebene durchquerten und den fernen Schatten des breiten Gebirgszuges entgegenstrebten, hielt Cochise plötzlich sein Pferd an und deutete in die schillernde, glasige Luft, die wie eine Glocke über dem Badsland stand. Dunkle Punkte schwebten kreisend am Zenit, um dann pfeilschnell zur Erde niederzustürzen. »Der große Schnabelvogel wittert Beute«, sagte er nachdenklich. Haggerty, der Cochises Handbewegung folgte, nickte ernst. »Es sind Geier, Cochise, die irgendein Aas wittern. Ein verendetes Wildpferd vielleicht, oder ein Rind, das sich verlaufen hat.« Cochise schüttelte bestimmt den Kopf. »Dann kreisten die Geier nicht unruhig am Himmel, sondern würden ihre gefräßigen Därme füttern. Etwas hält sie zurück.« John Haggerty dachte an die letzten Tage, in denen sie keiner menschlichen Seele begegnet waren. »Wir wollen unsere Neugierde befriedigen«, sagte er und lockerte die Zügel. Cochise, immer wachsam und auf der Hut, trieb seinen Bronco an Haggerrys Seite. Mißtrauen lag in seinen Augen. »Wir wollen einer Gefahr nicht offen begegnen.« Er deutete zu den flachen, von Wüstenwuchs bewachsenen Hügeln im 32
Süden, »dort können wir uns sicherer der Stelle nähern.« Der Scout nickte zustimmend. Während sie den Hügel anstrebten, dachte John, die Freiheit brachte auch nicht mehr als der einengende Dienst eines Armeescouts. Es war wie eh und je, ein ständiges Treiben zwischen Gefahr und Abenteuer. Sicher würde er heute nicht so weit im Osten, weitab vom Zeltlager in Tucson, reiten, hätte er seinen Dienst nicht quittiert. Unbewußt mußte er bei dem Gedanken lächeln, welches verblüffte Gesicht General Howard gemacht hatte, als er ihm erklärte, daß er künftig auf seine Dienste als Chefscout verzichten müsse, weil in ihm der Drang nach Freiheit und Ungebundenheit erwacht war. General Howard war der Abschied seines besten Kundschafters sichtlich schwergefallen, und er hatte verzweifelt eine Lösung gesucht, die sie beide nicht ganz voneinander trennte. So war Howard schließlich auf den Gedanken verfallen, Haggerty zur besonderen Verwendung für schwierige Aufgaben zu verpflichten, und um seiner Sache sicher zu gehen, blieb John schließlich auf der Soldliste der Armee bestehen. Ein Vorschlag, den Haggerty nicht umgehen könne, denn einmal war er frei aller militärischen Aufgaben, zum anderen sicherte ihm ein bescheidenes Einkommen seine Zukunft. »Woran denkst du, Falke?« fragte Cochise in seine Gedanken, während er einen sicheren Weg durch das dichte Beifußgesträuch suchte. »An den Roten Wolf?« »An den einarmigen General, Jefe. Ob es je zwischen deinem und meinem Volke Frieden geben wird?« Der Häuptling lächelte listig. »Die Götter des funkelnden Himmelslichtes werden uns einmal die Antwort geben. Wir beide sind Freunde geworden. Warum soll es eines Tages nicht ebenso zwischen deinem und meinem Volk sein? Ich weiß, daß es schwer sein wird, denn es gilt viele grausame Dinge zu vergessen, die geschehen sind.« 33
Haggerty spürte die ausweichende Antwort auf seine Frage. Aber er drang nicht tiefer in den Häuptling ein. Cochise zügelte plötzlich sein Pferd. Er deutete in die flache Mulde, die sich in der Ebene erstreckte. »Dort unten, Falke.« Haggerty hatte die dunklen Punkte in der Steinwüste entdeckt, um die sich ein halbes Dutzend Geier flügelschlagend um Beute stritten. Trotz der Entfernung erkannte sein scharfes Auge, das dort unten Männer reglos am Boden lagen. »Bleichgesichter«, sagte Cochise. »Sie werden dem Yaquiwolf begegnet sein.« John Haggerty drängte dem Gaul die Sporen in die Flanken und preschte rücksichtslos durch das Gesträuch, dem Ziel entgegen. Der harte Hufschlag zeigte ihm, daß Cochise mit den Handpferden folgte. Im Näherreiten erkannte Haggerty, daß die Männer, gekreuzt an Pflöcken in die Erde geschlagen, leblos am Boden lagen. Flügelschlagend umkreisten die Geier den Ort des Grauens. Im vollen Lauf schwang John aus dem Sattel. »Mein Gott«, stieß Haggerty entsetzt hervor. Er war ein harter Mann und hatte viele Grausamkeiten gesehen. Aber dieser Anblick hinterließ ein Würgen in seiner Kehle. Cochise tauchte an seiner Seite auf. Ein kurzer schweigender Blick streifte die toten Weißaugen, ehe er aus dem Sattel glitt und zu den vielen Spuren eilte, die der Boden abzeichnete. Haggerty erwachte aus seinen Gedanken. Schwaches Stöhnen erreichte sein Ohr. Er blickte in die Richtung und sah die laxen Bewegungen eines bärtigen Mannes. John eilte hinüber und sah, wie sich die verbrannten Lippen des Mannes bewegten. Mit wenigen Schritten war er bei seinem Pferd, nahm die Wasserflasche vom Sattelhorn und kniete neben dem Mann nieder. Einige Tropfen Wasser, mit denen er die Lippen des Fremden benetzte, schienen seine Lebensgeister aufzuwecken. »Wasser«, röchelte der Bärtige hilflos. »Wasser.« Zwei tief 34
in Höhlen liegende Augen blickten John weltfremd entgegen. John spürte, daß diesem armen Teufel nicht mehr zu helfen war. Dennoch hielt er die Flasche an seinen Mund, der sich gierig öffnete und die Tropfen wie eine Kostbarkeit aufsog. »Mehr«, flüsterten seine Lippen begierig, als John die Flasche abstellte und zum Jagdmesser griff, um die Stricke von den Gelenken des Fremden zu durchschneiden. »Mehr.« Seine Arme streckten sich ihm hilflos entgegen. John blickte zu Cochise hinüber, der in der Nähe weiterer Tote die Erde nach Spuren absuchte. Er schob dem entkräfteten Hünen die Hand unter die Schultern und bettete ihn im Schoß. »Es ist genug, Stranger. Du weißt, daß ich das nicht darf. Du bekommst später noch mal Wasser. Erzähle, wer dieses Massaker inszeniert hat.« Rock Snifes zerrissene Lippen zuckten. Mehrmals versuchte er Worte zu finden, bis er haltlos vor sich hin stammelte. »Indianer – Feuerkopf – Murphy. Und nach einer Weile: »Gewehre – Dynamit – Tucson – Wasser.« Sein Körper bäumte sich auf unter Schmerzen. John hielt den Mann fest an der Schulter. Seine Gedanken gingen zu General Howard, der hatte vor Wochen, als er, John, noch fest im Dienst der US-Army stand, die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß er bald eine bessere Bewaffnung für seine Soldaten erwartete. Er sprach von modernen Karabinern. »Waren die Gewehre für die Armee bestimmt, Freund?« Rock Snife nickte schwach. »Winchestergewehre?« »Howard – Wasser – Gewehre – Dynamit.« John spürte, daß es mit dem Mann zu Ende ging. Seine fieberbrennenden Augen lagen tief in den Höhlen, aus denen irrer Glanz entsprang. Er setzte ihm die Feldflasche an die Lippen und ließ ihn trinken, um für einen Augenblick seine Lebensgeister zu erwecken. »Wer ist der Feuerkopf, Freund?« 35
»Bandit, er – uns betrogen – General …« »Howard?« hakte John nach. Mühsam bewegte Snife den Kopf. Der Glanz in seinen Augen begann zu erlöschen. »In – Bergen – Apacheros – Banditen …« Apacheros, durchzuckte John der Gedanke. Er beugte sich ganz tief über den Sterbenden. »Die Rothäute, waren es Apachen?« John sah, daß er den Mann quälte, aber seine Antwort war für ihn von dringender Wichtigkeit. »Waren es Yaquis?« Rock Snifes Leben floh davon wie ein Fels, den der Blitz zertrümmerte. Snife spürte keine Schmerzen. Bleierne Müdigkeit zog durch seine Glieder, und der weite dunkle Mantel der Ewigkeit breitete sich aus. »Roter Wolf…« Ein letzter Atemzug wehte über seine Lippen, dann fiel sein Kopf zur Seite. John richtete sich auf. Cochise hatte seine Suche aufgegeben. Er kehrte zurück. »Tiefe Radspuren in der Erde«, sagte er mit einem Seitenblick auf den Toten. »Abdrücke von vielen Pferden. Beschlagene und unbeschlagene. Ihre Spur führt in Richtung der aufgehenden Sonne. Hat das Weißauge gesprochen, Falke?« John Haggerty nickte. Sein Blick verlor sich im schillernden Glanz der fernen Berge, die unter der Einstrahlung der Sonne wie eine feurig lodernde Wand wirkten. Er versuchte die wirren Worte des Toten zu ergründen, ehe er seinem Freund antwortete. »Natie hat sich mit weißen Banditen verbündet, Cochise. Sie haben moderne Repetiergewehre und Sprengstoff erbeutet, die für den einarmigen General in Tucson bestimmt waren. Wir werden die Toten bestatten und ihnen folgen.« Cochise nickte. »So haben wir es bestimmt.« Bis zum Abend dauerte ihr Werk. John war ständig mit Gedanken beschäftigt, und er wußte nun, was General Howard damals meinte, als er vorschlug, ihn zur besonderen 36
Verwendung einzusetzen. Hier schien ein solcher Fall eingetreten zu sein. Es dämmerte bereits, als John den Klappspaten am Sattel befestigte und vor dem breiten Grabhügel ein paar Worte aus der Bibel sprach, die irgendwo in seiner Erinnerung haften geblieben waren. Als er die Sattelgurte seines Pferdes straffte, deutete er nach Osten. »Es ist nicht mehr Tehuecos und deine Aufgabe, den Roten Wolf zu jagen. Es ist nun auch Aufgabe der US-Army. Wir wollen aufbrechen und der Fährte folgen, solange es hell ist.« Cochise bestieg schweigend sein Pferd. Seine Gedanken führten ihn zu Natie und der Brut der roten Wölfe, die er führte. * Charlie Goodnight flickte gerade seinen Vormann Loone zusammen, der in einer harten Auseinandersetzung mit Viehdieben verwundet und als Einziger von den Weiden zurückgekehrt war, als durch das weite Tor der Ranch eine Reiterschar in den Hof sprengte. Auf den ersten Blick erkannte Goodnight den starken Recken auf dem kräftigen Falben, der die Meute führte. Sie waren sich vor zwei Wochen in Las Cruces begegnet. Er reichte Dan Hicker, dem einbeinigen Alten, der auf der JA-Ranch sein Gnadenbrot hatte, Mull und Verbandszeug. »Bring die Blutung zum Stillstand und verbinde Loone. Ich sehe später nach ihm, Dan.« Der Rancher trat den Reitern entgegen, die in breiter Front Aufstellung genommen hatte. Goodnight zählte dreiundzwanzig Männer, von denen der jüngste etwa siebzehn Jahre und der älteste vielleicht dreißig sein mochte. Sehnige, drahtige Kerle, wie Texas sie gebar. Ihre Kleidung war über 37
und über mit dem feinen roten Staub des Rio Tales bedeckt, was auf einen langen Ritt schließen ließ. Im Scabbard am Sattel trugen sie dreizehnschüssige Winchestergewehre und an den Hüften, in weitaufgeschnittenen, tiefhängenden Halftern, steckten mächtige Faustkanonen, deren abgegriffene Hornschalen darauf schließen ließen, daß sie mit den Dingern umgehen konnten. Einige ihrer Gesichter kannte Goodnight aus früheren Zeiten, als ihre Visagen auf brandroten Bulletins im Land hingen. »Tag, Hickok«, grüßte er nach kurzer Musterung der Truppe, »ist das der Weizen, den Sie vom Spreu getrennt haben?« Wild Bill Hickok grinste. »Das Beste, was Texas zu bieten hat. Gauner, Halunken, Tagediebe, aber Männer mit Mut und Ausdauer. Alles konföderiertes Gesindel, das nach einem verlorenen Krieg sein Brot verloren hat. Vagabunden, die vom Revolver leben und käuflich sind. Ihr Angebot hat sie gelockt, Goodnight.« Noch einmal streifte Goodnights Blick die Reiter. »Sie sprechen nicht von ihrer Verläßlichkeit, Mr. Hickok.« »Dafür verbürge ich mich«, antwortete Bill Hickok im Brustton tiefster Überzeugung. »Sie wissen, daß ich mein Wort verpfändet habe, und sie ihres Lohnes sicher sind.« Goodnight nickte. Der Anblick der Burschen berührte ihn unangenehm, weil einige von ihnen in Texas wegen Viehdiebstahls gesucht wurden. Sie erinnerten ihn an das Gesindel, das ihn in den Bankrott trieb. »Die Mannschaft findet im Bunkhaus eine Bleibe, Hickok. Kommen Sie ins Haus, wir wollen die Lage besprechen.« Wild Bill stieg kopfschüttelnd vom Pferd und deutete zum verletzten Vormann hinüber. »Wir hörten unterwegs, sie hatten Ärger, Goodnight. Eine Herde soll gestohlen worden sein. Ist er der Rest vom Weideabschnitt?« Goodnight nickte wütend. »Drei meiner Jungs bissen ins Gras. Die Diebe sind mit tausend Longhorns über die Grenze.« 38
»Dann wollen wir unser Geld redlich verdienen, Goodnight.« Hickok wandte sich an seine wilde Mannschaft. »Füttert und tränkt eure Gäule. Wir reiten in einer Stunde los«, und zu dem Rancher gewandt sagte er: »Sie sorgen für eine Tropa und vergessen Sie nicht, was flüssiges für den Magen unter die Vorräte zu mischen. In den Bergen werden die Nächte kalt, und ein guter Brandy verschönt den Abend. Ich werde mit ihrem Mann sprechen.« Goodnight blickte hinter den Reitern her, die ihre Pferde zur Tränke führten, und dachte dabei, Hickok hat sie Strauchdiebe und Halunken genannt, und dennoch stehen sie zu ihm. Er mußte sich verdammten Respekt verschafft haben. Goodnight trat ins Haus und gab Anweisungen. Als er später über den Hof ging, um Tragetiere auszusuchen, die Hickoks Truppe mitführen sollte, stand Wild Bill noch immer bei Loone und sprach auf ihn ein. Eine Stunde später, die Tropa stand, und die Reiter saßen auf ihren Gäulen, trat Hickok Goodnight gegenüber. »Entschuldigen Sie, Goodnight, daß ich mich mehr um Ihren Vormann kümmerte als um Sie«, sagte er lächelnd, »aber Loone war für mich der berufene Mund, weil er den letzten Geschehnissen am nächsten gestanden hat. Das soll für Sie keine Beleidigung sein.« Der Rancher winkte gelassen ab. Wild Bill gefiel ihm schon besser. »Sie jagen das Gesindel. Wer könnte Ihnen bessere Auskunft geben als meine Leute, die mit den Viehdieben konfrontiert wurden. Wann werde ich von Ihnen hören, Hickok?« Wild Bill erfaßte die Zügel und schwang sich behend in den Sattel. »Wenn wir die Viehdiebe erwischt haben oder Ihrem Brand begegnet sind. Vielleicht bringe ich Ihnen den schwarzen Skalp eines Indianerbastards mit.« Er schwenkte sein Pferd zum Ausgang und gab das Zeichen zum Aufbruch. 39
Charlie Goodnight blieb schweigend zurück. Er hatte getan, was er tun konnte, um sein Imperium zu retten. * »Hippeeh.« Budd Cameron sprengte seiner Truppe voraus, die den breiten Saumpfad benutzte, um die schweren Wagen talwärts in den weiten Arrayo zu führen. Drei seiner Männer und Natie begleiteten ihn. Natie staunte nicht schlecht über die vielen Hütten, die im Schatten steil hochragender Felsen am Ufer des schmalen Creeks standen, der, von einem herabfallenden Wasserfall gespeist, am Ende des Arrayos wieder im Fels verschwand. »Eine Bergfestung«, rief der Rote Wolf an Camerons Seite. »Mit Weibern und Huren. Mit einem festen Bett unter dem Hintern und einem Saloon, in dem man sich besaufen und sonstiges tun kann. Vorwärts, Roter Wolf, ich führe dich zu meinem Häuptling.« Er winkte den Menschen zu, die auf dem freien Platz vor der großen Hütte zusammenliefen, dort, wohin der Rotbart seinen Poncho führte. Blonde Weiber und dunkelhaarige Mexikanerinnen erwiderten seinen Gruß und riefen laut Hallo. Und selbst Squaws erkannte Natie, die mit ihren Männern aus ihren Jacales eilten, um Budd Camerons Ankunft zu erleben. »Comanchen«, sagte Natie, als er seinen Mustang neben dem Feuerkopf vor der breiten Holzveranda zügelte, auf der ein kräftiger Mann mit aristokratischem Bartwuchs stand. Er deutete zu den Zelten am Hang. »Sie sind die Feinde der Apachen.« Der Bandit schwang lachend vom Pferd. »Sie sind Rothäute wie du. Keine Feinde, sondern Mitglieder unserer Gemeinschaft. Und er dort«, sein Arm deutete die flachen Stufen hoch, »ist unser General: Don il Campo Rodriges.« Cameron stampfte die Treppe hoch, während Natie, 40
abwartend und mißtrauisch die fremde Umgebung belauernd, auf seinem Mustang zurück blieb. Don Rodriges war ein intelligenter Mann, der vor Jahren diese Bergfestung ausgebaut hatte, um von hier aus Beutezüge bis tief nach Texas durchzuführen. Ein Intimus Benito Pablo Juárez, dessen rebellische Ideen er mit der nötigen Energie unterstützte, indem er Banken ausplünderte, um Juárez' magere Kriegskasse zu füllen, seine Rebellenarmee mit Frischfleisch von den Weiden texanischer Ranches zu versorgen, nicht ohne daß seine Helfer zu kurz kamen. Keineswegs uneigennützig, wie Don Rodriges zugeben mußte, sondern daran glaubend, daß Juárez ihm seine Besitzungen im Land wiedergab, wenn die verhaßte napoleanische Kaiserregierung gestürzt und außer Landes getrieben war. Schweigend musterte er die sehnige Gestalt der Rothaut, die ihre Winchester schußbereit in den Fäusten hielt und ebenso stumm zu ihm heraufblickte. »Ein Apache«, sagte Rodriges schließlich. Cameron nickte. »Ein Yaqui. Ausgestoßen von seinen Stämmen. Der Rote Wolf.« »Ist er allein?« »Nein, General. Er ist in Begleitung von sechzehn Kriegern.« Don Rodriges behielt Natie noch immer im Auge. »Wo hast du ihn aufgelesen, Cameron?« »Draußen in der offenen Ebene, General. Er machte einigen Fahrkutschem das Leben schwer, die eine kostbare Fracht durch die Plains führten.« Cameron deutete zum Berg hoch, wo auf der breiten Serpentine die Murphykolonne sichtbar wurde. »Wir verdanken dem Roten Wolf fette Beute, und er hofft, das Sie sich ihm gegenüber erkenntlich zeigen.« Don Rodriges lächelte. »In welcher Form? Möchte er eine weiße Squaw, die ihm seine Caparajos oder seine Wüstenstiefel gerbt? Es gibt genug Huren im Lager, die sich nach einem jungen, unverbrauchten Körper sehnen.« 41
Cameron schüttelte bestimmt den Kopf. »Er sucht Kriegsruhm, Trophäen bleichgesichtiger Männer und Beutepferde, um den Weg zu seinem Stamm zurückzufinden.« Rodriges Lächeln vertiefte sich. »Die kann er haben. In Mexiko laufen genug napoleanische Soldaten herum. Wenn er es schafft, mag er sich den kostbaren Schöpf des kaiserlichen Günstlings Maximilian holen. Juárez würde ihm für seinen Kopf eine ganze Pferderemuda schenken.« Der General gab Natie mit der Hand ein Zeichen. Zögernd, noch immer wachsam, glitt der Yaqui vom Pferd und stieg die Treppen hoch. Drunten hatten sich etwa fünfzig Menschen versammelt, Männer, Frauen, eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft aller Schichten und Rassen, die in den Jahren den Weg zu Rodriges gefunden hatte. Ein weiterer Teil strebte durch das Tal, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Der Abschaum der Menschheit. Don Rodriges betrachtete den jungen Yaqui, dessen Muskelkraft und Beweglichkeit ihm imponierte. »Wie ein junger Puma«, sagte er leise zu Cameron, ehe er sich an Natie wandte. »Ich begrüße dich als Freund in unserem Lager, Roter Wolf. Von meinem Capo weiß ich, daß du ein guter Krieger bist, der das Kriegsglück sucht und Beute erhofft. Du wirst beides bei mir finden. Suche einen Lagerplatz für deine Leute, das Tal ist groß und hat für jeden Platz.« Natie musterte lauernd den Sprecher. »Du großer Häuptling?« »Der bin ich.« Rodriges hob stolz den Kopf höher. »Ich Natie, ein großer Yaquikrieger. Ich dir vertrauen.« Er wandte den Kopf und deutete über den Vorplatz. »Alles deine Krieger. Viele Squaws. Götter dich mit Glück gesegnet«, sagte er bewundernd. Die Murphykolonne rollte durch das Tal. Rodriges, von Amerons Worten neugierig gemacht, ging zur Treppe hinunter. Cameron und Natie wichen nicht von seiner Seite. Als die 42
Wagen ausrollten, befahl Rodriges, die Planen zurückzuschlagen und die Fracht abzuladen. Bis tief in die Nacht inspizierte Rodriges die Beute, und als er Cameron in seiner Hütte zum Umtrunk einlud, sagte er zufrieden: »Es ist die fetteste Beute, die wir im letzten Jahr gemacht haben. Mehr wert als Gold aus den Banken in Mesquite, in Anthony und El Paso zusammen. Mein Freund Juárez wird seine helle Freude haben, Cameron, denn diese vielschüssigen Gewehre sind rar und nicht mit Gold aufzuwiegen. Trinken wir auf dieses Glück und auf die künftige Republik.« Es wurde ein langes, ausgiebiges Gelage, an dem das ganze Lager teilnahm. Bis zum Morgen hinein hörte man hellen Gesang und fluchende Stimmen, Weibergekreisch und Fiedeln aus El Dorados Saloon drunten am Creek. Bei Anbruch des Tages, Rodriges und sein Unterführer Cameron standen stark betrunken auf der Veranda, hallte von den Bergen kommend donnernder Hufschlag ins Tal. Eine dichte Staubwolke zog über die Serpentine talwärts. Don Rodriges schwenkte seinen goldenen Kelch, ein Beutestück aus der kaiserlichen Residenz in Mexiko City und ein Geschenk des Rebellen Juárez. »Der Tag beginnt, wie der letzte endete, Cameron. Santillo bringt eine Herde aus Texas. Nach dem Lärm, den die Herde verursacht, müßten es tausend Longhorns sein.« * Cochise hob lauschend den Kopf. John Haggerty erfaßte instinktiv seinen Karabiner. Aus der Morgendämmerung heraus sprengten fast zwei Dutzend wilde Reiter direkt auf ihr Lager zu. Allen voran ein mächtiger Hüne, dessen langes wallendes Haar im Wind wehte. Sie führten ihre Pferde mit den Schenkeln und hielten 43
unmißverständlich ihre Karabiner in den Fäusten. Cochise wollte hochfahren, doch John berührte warnend seine Schulter. »Es sind zu viele, Chief. Außerdem sind es Bleichgesichter. Wir haben wenig zu befürchten.« Die Reitergruppe zügelte ihre Pferde etwa dreißig Yards entfernt. »He, ihr da«, schrie der Recke lautstark, »werft die Waffen weg und hebt die Hände so hoch, als wolltet ihr nach den Wolken greifen.« Zugleich gab er seinen Leuten ein Zeichen, worauf diese ihre abgetriebenen Gäule in Bewegung setzten. »Sie sehen nicht aus, als wären sie deine Freunde, Falke«, flüsterte Cochise. »Wir sollten die Flucht wagen. Noch wäre der Zeitpunkt günstig.« Sein Blick berührte das wilde Bergland, das sie nun schon seit zwei Wochen auf der Suche nach Natie durchstreiften, ohne auch nur die Spur eines Menschen zu finden. John zuckte die Achseln. Er sah keinen Weg, in diese Richtung auszubrechen, ohne daß sie von der Meute niedergeritten wurden. Außerdem waren die fremden Reiter so nahe, daß ein Zurückweichen unmöglich erschien. John Haggerty lehnte seinen Karabiner an den Strauch und löste den Waffengurt. Cochise, zornig über diesen plötzlichen Überfall, hielt die Streitaxt in der Faust. »Er soll nicht verrückt spielen«, rief der langhaarige Anführer drohend. Vom Pferd aus verfolgte er wachsam jede Bewegung Cochises. »Er wäre nicht der erste Rothautbastard, den meine Leute unter die Erde schaufeln.« John Haggerty warf kühn den Kopf in den Nacken. »Ich kann dem Häuptling nichts befehlen, Mister. Und zudem erwarte ich Ihre Stellungnahme, die diesen Überfall begründet.« Der Hüne lachte dröhnend. Seine Männer stimmten ein. »Er erwartet eine Begründung«, krächzte er und schlug begeistert seinen Plainshut auf die Schenkel. »Der Apachero erwartet 44
etwas.« Sein Gesicht war in Bewegung, seine Zähne blitzten, und er lachte wie ein wilder Gaul. Aber plötzlich brach sein Lachen ab. »Packt sie«, rief er schneidend, »packt die Halunken und legt sie in Fesseln. Ich schätze, der Apachero wird uns einiges erzählen können.« John sah die Gefahr. Er wußte, daß Cochise instinktiv den besseren Weg wählen wollte. Aber nun war es zu spät. Die Reiter trabten näher und trieben John und den Häuptling zu den Büschen. Sehnige, drahtige Männer stürzten sich auf sie und hämmerten mit ihren Fäusten brutal drauflos. John und Cochise gelang es, einige von ihnen niederzuschlagen, aber es waren zu viele, um sich erfolgreich zu wehren. Nach einem harten Fight unterlagen sie der Übermacht. Gefesselt, an Händen und Füßen krummgeschlossen wie ein Kalb, dem man das Brandmal setzt, lagen sie am Boden, umgeben von dem rüden Haufen, den der Langhaarige führte. »Mein Name ist James Butler Hickok«, sagte der Langhaarige. Sein linker Stiefel stand auf Cochises nackter Brust. Weit den Oberkörper vorgebeugt, betrachtete er den flachen Medizinbeutel, den Cochise seit seiner letzten Begegnung mit Tehueco trug, ohne daß er ihm bisher Jagdglück gebracht hatte. Der buschige Schwanz eines Skunks, der aus dem Beutel ragte, schien den Mann zu interessieren. »Der Rothautbastard liebt Stinktiere, Jungs«, rief Wild Bill Hickok, »demnach sucht seine Seele den Weg in den Himmel der Stinktiere.« »Wir können ein wenig nachhelfen«, rief Rod Claymont, ein Scharfschütze aus El Paso. Die Mündung seines Colts deutete Cochise mitten zwischen die Augen. Doch Cochise blickte furchtlos in die schwarze Öffnung, daß Hickok, der dies bemerkte, unwillig brummte: »Laß das, Claymont, wir wollen diese Bastarde nicht hinrichten, sondern einiges von ihnen 45
erfahren. How, du Stinktier«, Hickoks Stiefel rüttelte den Jefe, »verstehst du meine Sprache?« Cochise blickte ihm trotzig entgegen. Er hielt es unter seiner Würde, diesem Menschen eine Antwort auf seine Frage zu geben. Aber Haggerty antwortete an seiner Stelle. »Cochise versteht Ihre Sprache, Langhaar. Er ist in seinem Land ein großer Häuptling, und wenn Sie ihm die Fesseln losbinden, zerdrückt er Sie wie eine Zimmerwanze.« In Hickoks Augen lag ein Wetterleuchten. Er zog den Fuß zurück und beugte sich über John. »Ich liebe dieserart Herausforderung, Apachero, und werde sicher darauf zurückkommen. Doch nun zu einer anderen Frage. Wo liegt euer Versteck, Viehdieb?« »Wir sind keine Viehdiebe«, protestierte John energisch, »sondern freie Männer, wie ihr es sein wollt.« »Weiße, die mit Indianern zusammenarbeiten, sind immer Viehdiebe«, kommentierte Hickok knapp. »Also, wo in den Bergen liegt der Talkessel, wohin ihr euch verkriecht, wenn ihr Mr. Goodnights Rinder gestohlen habt? Ich will es wissen und werde es von euch erfahren.« Als John immer noch schwieg, rief Hickok über die Schulter: »Claymont, Power, Alison, hängt den Apachenbastard mit den Füßen nach oben an die Äste der Redwood, vielleicht wird er dann erkennen, wie ernst es uns ist.« »Sie machen einen Fehler, Langhaar«, knirschte John Haggerty wütend durch die Zähne. »Cochise ist ein stolzer Apache. Er wird diese Behandlung nie vergessen.« John sah, daß Cochise sich trotz seiner Fesselung erbittert wehrte, der Übermacht seiner Peiniger jedoch schließlich unterlegen war. »Ich werde seinen Stolz brechen, Mann«, antwortete Hickok zuversichtlich. Seit über einer Woche durchstreifte er die wilde Bergwelt der Animas, deren Felswälle sich bis hinauf im Norden zu den Peloncillo Mountains erstreckten. Ein Landstrich, fast menschenleer, unbesiedelt und von einer 46
wasserlosen Wüste durchzogen. Die anfänglichen Spuren der geraubten Rinderherde, der er von Goodnights Weiden folgen konnte, verlor sich auf dem granitharten Stein der Felsen. Die Schluchten und Felstäler, die seine Jagdgruppe durchstreift hatten, verliefen fast ausschließlich in Sackgassen. Aber Hickok war klar, das eine tausendköpfige Herde sich nicht in Luft auflösen konnte. Deshalb trieb es ihn immer wieder in die Animas zurück. »Es sei denn«, Wild Bill Hickok zeigte seine starken Zähne, »du redest für ihn, Apachero.« John schüttelte zornig den Kopf. »Ich habe einen Namen, Langhaar. Man nennt mich Haggerty. Ich bin Scout der USArmy im Territorium Arizona. Und er dort, den ihr unwürdig wie einen Viehdieb an einen Ast hängt, ist der Chief der Chiricahuas, Kriegshäuptling aller Apachenstämme. Es sollte Ihnen zu denken geben, Langhaar.« Hickok grinste unbeeindruckt, während er der langen Rede Johns lauschte. Seine Faust erfaßte die Stricke, die Johns Arme und Beine miteinander verbanden, und hob den Mann mit spielerischer Leichtigkeit hoch. »Mich nennt man Wild Bill Hickok, Freund, aber in Wirklichkeit bin ich der Kaiser von Mexiko.« Er öffnete die Faust. Als John stürzte, spürte er den wilden Schmerz, der durch seine Glieder zog. Aber er verbiß seinen Schmerz. »Was wollen Sie von uns?« fragte John beherrscht. »Sie quälen zwei Menschen, als ob so etwas Ihnen Freude macht.« Hickok schwieg. Er studierte das klare Gesicht des Gefangenen, der keine Furcht zeigte und nickte schließlich. »Ich verspreche dir in Las Cruces eine faire Verhandlung, Viehdieb, wenn du mir die Lage eures Verstecks zeigst. Ich will nicht mehr, als Mr. Goodnights geraubte Rinder und euch Kerle, die ihn bestehlen.« »Sie sprechen in Rätseln, Kaiser Maximilian. Ich sagte doch, wir kommen aus Arizona und haben lediglich die Aufgabe, 47
einen abtrünnigen Yaquirenegaten zu suchen.« Hickoks Geduld schien zu Ende. Er richtete sich aus der hockenden Lage auf. Ein drohendes Gewitter lag in seinem Gesicht, als er seine Leute anrief. »Ambom, Brack, helft Claymont, den Kerl hier auch an den Baum zu hängen. Er ist so verstockt wie der Indianer.« John wehrte sich verzweifelt, doch nach fünf Minuten hing er kopfüber neben Cochise, der stumm zu ihm herüberblickte. »Sie hängen wie zwei reife Hickorynüsse.« Duff Brack lachte und setzte Johns Körper in pendelnde Bewegungen. »Sie werden bald reden, Brack. Mehr, als wir hören wollen«, sagte Wild Bill Hickok im Brustton tiefster Überzeugung. »Schlagt das Lager auf und gebt den Gäulen zu saufen. Für den Rest der Nacht bleiben wir.« »Wer sind Sie, Falke?« fragte zur gleichen Zeit Cochise seinen Leidensgenossen. Die Beinfesseln schnitten tief ins Fleisch. Aber Cochises Gedanken lösten sich vom Schmerz. »Sie suchen Viehdiebe und sind deshalb so erbittert«, erwiderte John leise und versuchte das Tun der Fremden zu entschuldigen. »Vielleicht sind es die gleichen Leute, mit denen Natie sich verbunden hat.« »Sie werden nicht mehr lange leben, Falke«, antwortete Cochise. Ein rätselhaftes Lächeln war um seine Lippen. Sein Blick führte ins Dämmerlicht, das von den Felshängen herab in den Talkessel kroch und die Nacht ankündigte. Johns Augen folgten Cochises Blick. Er lauschte angestrengt in den sinkenden Tag, ohne einen verdächtigen Laut aufzunehmen, der Cochises Worte begründen konnte. »Deine Worte sind ein Rätsel.« »Spürst du die Stille?« flüsterte der Jefe. Erst jetzt erkannte John die seltsame Ruhe, die sie umgab. Die Natur schien den Atem anzuhalten. Kein Vogelgeschrei belebte den Tag. Das lustige Zwitschern der Nachtschwalben in den Sagebrushsträuchem war verstummt. Nur der heiße 48
Atem der Arizona-Winde strich träge durch die Blätter. »Natie?« fragte Haggerty zweifelnd. »Er, oder Männer, die uns zum Roten Wolf führen. Es liegt in Manitus Händen.« Eine einsame Bergammer strich aufgescheucht aus der Steilwand, und plötzlich flatterte ein Schwarm Nachtschwalben aus dem Gesträuch, stiegen pfeilschnell in den dunklen Himmel und verteilten sich. Cochises Lächeln erstarrte. * Zweihundert moderne Repetiergewehre, wie sie kaum im Handel zu finden waren. Don Rodriges blickte stolz auf den Stapel Kisten, den er in einer Erdhöhle untergebracht hatte. Zehntausend Schuß Muniton und fast zweihundert Stangen Dynamit, deren Brisanz in der Lage war, eine Stadt wie Mexiko City hinwegzufegen. Pablo Juárez würde zufrieden sein. Don Rodriges verließ die Höhle, wanderte an den abgestellten Planwagen vorbei den Creek hoch zum Dorf zurück. Als er seine Hütte erreichte, sprengte Budd Cameron aus dem nordöstlich gelegenen schmalen Talkessel, der als naturgewachsener Corral die Longhornherde aufgenommen hatte, den Hügel hoch. Verschwitzt und staubbedeckt stieg er die hölzernen Stiegen hoch. »Sie haben mich rufen lassen, General?« Don Rodriges nickte. »Setz dich, Cameron, und nehme dir was zu trinken. Wir wollen über den Transport von Waffen sprechen. General Juárez formiert an der Nordwestgrenze Chihuahuas seine Rebellenarmee. Er will in einer offenen Feldschlacht gegen die Franzosen antreten. Vermutlich sucht er einen entscheidenden Sieg am Rio Casa Grande oder bei der 49
Laguna de Guzman. Du verstehst, was ich meine, Capo?« Cameron nickte. »Juárez braucht für die entscheidende Schlacht gute Waffen.« »Winchester. Ich habe beschlossen, daß du den Transport übernimmst, weil er von unermeßlichem Kriegswert ist, und ich dir vertrauen kann. Du kannst dir Dreißig meiner besten Pistoleros wählen und nimmst den Roten Wolf als Führer. Er ist an der Grenze zu Hause und wird sicher Schleichwege durchs Gebirge kennen, die den Kaisertreuen bisher unbekannt geblieben sind.« Wieder nickte der Bandit. »Wann soll es losgehen, General?« »Wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, übermorgen. In einer Woche könnt ihr das Ziel erreicht haben.« »Und die Herde?« Cameron füllte ein Glas Aquidente und trank gemächlich. »Folgt im Abstand auf dem uns altbekannten Weg. Santillo übernimmt diese Aufgabe. Suche den Yaqui, ich will mit ihm sprechen.« Cameron verabschiedete sich, eilte zum Platz hinunter und bestieg seinen Pinto. Nach einer Stunde kehrte er zurück. »Der Rote Wolf ist nicht zu finden. Er und seine Krieger durchstreifen wohl das Tal oder haben sich in die Schatten der Berge verkrochen. Wer schaut schon in die Seele eines Apachen.« Budd Cameron grinste verlegen. Don Rodriges nahm die Angelegenheit jedoch ernster. Er sah in Apachen Wilde, die den Zwang des Gehorsams nicht kannten und sich selbst in seinem Lager als freie Männer fühlten. Er wandte sich an Cameron. »Ich hoffe, er hat nicht ohne meine Erlaubnis das Tal verlassen. Reite die Bergwachen ab, Cameron. Ich bin stark beunruhigt.« Cameron schwang sich abermals aufs Pferd. Als er am Abend zurückkehrte und Don Rodriges Bericht erstattete, sagte 50
er: »Der Rote Wolf hat das Tal nicht verlassen. Unsere Außenposten sind auf der Hut. Keine Feldmaus käme an ihren Flinten vorbei.« Dennoch blieb der General in Sorge. »Wenn er auftaucht, werde ich den Roten Wolf mit den Gesetzen unserer Gemeinschaft bekannt machen, Cameron, denn nur Gehorsam und Disziplin garantieren den Bestand meiner Truppe. Wenn er nicht begreift, werden wir ihm zeigen, wie es Männern ergeht, die unsere Gesetze mißachten.« * Schwach surrend durchschnitt ein gefiederter Pfeil die Luft und suchte lautlos sein Ziel. Jesse Ambom spürte den lähmenden Schmerz, als die Pfeilspitze seinen Brustkorb durchschlug und ihn am Boden festnagelte. Mit schwacher Bewegung suchte seine Hand den Sechsschüsser, der schußbereit unter der Sattelmulde verborgen lag, als ein dunkler Schatten über ihn fiel. Sein Aufschrei erstickte unter dem scharfen Messerschnitt, der ihn tötete. Nur aus weiter Ferne noch hörte er die belfernden Abschüsse der Revolver seiner Kameraden. Ein letzter Schmerz durchzog seine Kopfhaut, dann wurde es dunkel. Der Schatten sprang in die Nacht zurück. »Überfall«, schrie Hickok, den ein fremdes Geräusch geweckt hatte. Er schleuderte die Decke beiseite, erfaßte instinktiv Karabiner und Revolvergurt und warf sich ins nahe Gesträuch. »Weg vom Feuer, Leute!« Er schoß bereits beidhändig auf die Schatten, die wie Irrwische durch die Finsternis tanzten. Lynn Holm, der immer von sich sagte, daß ihn niemand mit dem Colt bezwingen konnte, traf ein wuchtig geschleuderter Tomahawk und nahm ihm alle kriegerischen Gedanken. 51
Sam Ambom, Jesses Bruder, der das erste Opfer des Massakers war, taumelte dem schwach flackernden Feuer entgegen. In seiner Brust steckte die Kriegslanze einer Rothaut. Funken stoben hoch, als er tot neben die Feuerstelle stürzte. Vier, fünf, sechs Männer sprangen, wild um sich schießend, über die Lichtung und warfen sich an Hickoks Seite ins Gesträuch. Im jenseitigen Gesträuch hatten Power, Alison und ein halbes Dutzend Burschen Position bezogen und feuerten auf alles, was sich bewegte. Doch so, wie der nächtliche Spuk auftauchte, war er auch wieder verschwunden. »Die Pferde«, schrie Wild Bill Hickok und sprang als erster aus der Deckung, »sie wollen unsere Pferde.« Mit Riesenschritten jagte er vorwärts, gefolgt von den Tapfersten seiner Truppe. Noch ehe sie den Strauchcorral erreichten, schlug ihnen eine Flammenwand entgegen, die sie zum Rückzug zwang. Ein Bleihagel durchstrich das flache Gesträuch, das sie als Deckung wählten, und zeigte, daß ihre Gegner nicht nur mit Lanzen, Jagdmessern und Schlagbeilen bewaffnet waren. »Sie haben Winchestergewehre«, heulte Chris Antonio. Eine Kugel hatte ihm das Bein aufgerissen. »Die rothäutigen Bastarde bezwingen uns mit unseren eigenen Waffen.« Wild Bill Hickok hatte ein bewegtes Leben hinter sich, vom Viehdieb bis zum Marshal, vom Armeescout bis hinunter in die Gosse der Falschspieler. Seinen Körper zierten ein Dutzend Narben aus früheren Kämpfen, aber diese wilde Attacke hatte er noch nie erlebt. Während er automatisch die Kammer seines leergeschossenen Karabiners füllte, dachte er unbewußt an seine Gefangenen. Dieser Apachero hatte vorgegeben, bei der Armee in Arizona zu dienen. Er hatte es ihm nicht abgenommen. Der Mann sprach von Yaquis, deren Spur er und seine Begleiter folgten, das war für Hickok eine unverschämte 52
Lüge gewesen. Nur langsam dämmerte es Hickok, daß Haggerty die Wahrheit gesprochen hatte. Diese Horde draußen in der Nacht mußten jene Yaquis sein, von denen der Mann erzählt hatte. »Versucht ihnen in die Flanke zu kommen, Claymont, Power. Wir müssen unsere Pferde schützen. Ihr anderen bestreicht die Büsche. Nicht ziellos. Jede Kugel muß treffen und ein Leben dieser roten Bastarde auslöschen.« Hickok kroch tiefer ins Gesträuch und schlug einen Bogen um den Lagerplatz, um ihn von Norden anzugehen. Sein Ziel waren die Gefangenen an der Redwood. Noch einmal verstärkte sich der Kampfeslärm, ehe er allmählich verebbte und dann ganz verstummte. All das mochte nur wenige Minuten gedauert haben. Als Claymont mit rauchender Waffe ans Feuer trat, sah er Wild Bill vor der Redwood stehen. Von den Ästen herab pendelten zwei durchschnittene Seile. »Der Apachero«, fluchte Claymont, während er sich den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Hickok prüfte die Seilenden, ehe er müde lächelte. »Zerschnitten, Claymont. Die Yaquis haben die Gefangenen befreit. Ihr Angriff auf uns war nur ein Ablenkungsmanöver. Wo sind die anderen?« »Bei den Pferden. Sie bringen den Reitbesatz näher ans Lager.« »Zähle unsere Verluste.« Hickok, der in seinem Leben nur Siege kannte, spürte, wie schmerzhaft die Niederlage war. Einige Männer trieben die Herde im Rudel auf den Lagerplatz. Zwei von ihnen schleppten Chris Antonio heran, der aus einer fürchterlichen Wunde blutete. Während Hickok das Feuer hochschürte, trat Claymont finster an seine Seite. »Drei Tote, Hickok. Jesse Ambom haben sie den Skalp vom Schädel gerissen. Antonio wird es wohl auch nicht überstehen. Bei Gott, ein harter Job für dreihundert Dollar Lohn.« 53
Hickok zählte die Pferde. Er sah, daß fünf Tiere fehlten und ein Dreiergespann aus der Tropa. Er beugte sich über Chris Antonio, der schweigend seinen Schmerz ertrug. »Hol Verbandszeug, Claymont. Antonio hat Glück gehabt. Es ist nur eine tiefe Fleischwunde. Ich schätze, bis zur Goodnightranch wird sein Gaul ihn tragen können, ohne daß er aus dem Sattel fällt. Und dann schaufelt ein Grab für unsere Toten. Sowie es hell wird, brechen wir auf. Die Bastarde haben eine Spur hinterlassen. Ich hoffe nicht, daß sie sich auflöst wie die der verschwundenen Longhornherde.« Hickok schob sein Messer in die Glut des Feuers, um Antonios Wunde auszubrennen. Mit den ersten Morgenschatten war Wild Bill auf den Beinen. Er fand eine breite Spur, die durch den sandigen, von flachen Grasnaben besetzten Hügel, der südwärts zu dem weiten Ausläufer des Gebirgszuges verlief, führte. Seine Leute hatten ihre Pferde gesattelt und folgten ihm im kurzen Abstand. Voller Mißtrauen suchten sie die Steilhänge ab, jederzeit erwartend, in einen neuerlichen Feuerschlag ihres heimtückischen Gegners zu laufen. Aber nichts geschah. Als sie das Kap umgingen, von wo aus glatter Fels in einen Talkessel führte, warnte Hickok: »Irgendwo in diesem Felslabyrinth werden sie auf uns warten. Also haltet die Augen offen.« Rod Claymont ritt auf. Er schlug auf den abgegriffenen Knauf seines Revolvers, den einige Kerben zierten. »Die Männer sind unzufrieden, Hickok. Du hast uns als Scharfschützen angeworben, wir aber kämpfen gegen Geister.« Wild Bill Hickok blickte ihm hart entgegen, als er erwiderte: »Diese Geister haben Blut wie wir in den Adern, Claymont. Du wirst deine schnelle Hand bald gebrauchen, um dich deiner Haut zu wehren. Ich weiß nicht, was ihr dachtet, als ich euch dreihundert für den Job bot. Es ist der fünffache Monatslohn eines Cowboys. Dafür muß man einige Unbequemlichkeiten in 54
Kauf nehmen. Hast du die Hose schon voll?« Claymont grinste säuerlich, als er auf den steinigen Boden deutete. »Die Fährte der roten Bastarde wird schon schwächer, Hickok. Du brauchst gute Augen, um überhaupt etwas zu erkennen.« Wild Bill knurrte in sich hinein. Worauf Claymont ihn aufmerksam machte, hatte er längst befürchtet. Eine breite Steinmoräne, irgendwann von der Natur aus dem Fels gesprengt, füllte weite Teile des Felstales, und als sie sie überwunden hatten, spaltete sich der Kessel überraschend in drei enge Felsschluchten, die im spitzen Winkel auseinanderliefen. Wild Bill Hickok nahm das Fernglas aus der Satteltasche und suchte die schroffen Berghänge ab. Einen Augenblick lang wurde er unsicher in seinen Gedanken, als Rod Claymont bohrte: »Ich hoffe nicht, daß wir uns hier in drei Gruppen auflösen, Hickok. Dann hat keiner von uns eine Chance.« Wild Bill Hickok nickte. Das waren die Gedanken, mit denen er sich beschäftigte. »Nur gemeinsam sind wir stark genug, um den Yaquis entgegenzutreten. Wir grasen jede dieser Schluchten ab. Irgendwann müssen wir auf ihre Spur stoßen.« * Ein einzelner Schuß, dessen Echo rollend durch den breiten Talkessel wehte, kündigte Naties Rückkehr an. Er war stolz und erfüllt von dem Gedanken, daß sein heimlicher Ausflug aus dem Lager der Gesetzlosen ihm unvermutetes Jagdglück beschert hatte. Fünf Pferde, drei Murros und ein blutiger Skalp am Gürtel, wogen seine Gefangenen nicht auf, auf die er durch Zufall gestoßen war, als seine Yaquis einer Gruppe Reiter folgte. Ein grausames Lächeln umspielte den Mund des Roten 55
Wolfes, als sein Blick Cochise und den Falken streifte, die, mit dünnen Lederbändern gefesselt, gemeinsam auf einem struppigen Pinto saßen. Seit gestern nacht, als er die beiden wie reife Hickoryfrüchte von den Ästen eines Baumes pflückte, suchten seine Gedanken eine Marterart, die einem Kriegshäuptling würdig war. Es würde ein langes, qualvolles Sterben sein, an dem auch Cochises Freund, der Falke, teilnehmen sollte. Cochise spürte Naties Gedanken, die so offenkundig waren, daß sie im Gesicht des Yaquis zu lesen waren. »Unser Tod wird dein Leben nicht verändern, Roter Wolf. Es werden dann nicht nur Yaquis sein, die dich wie einen rüden Schakalen hetzen, sondern auch die Stämme der Chiricahuas und Mimbrenjos.« Natie warf stolz den Kopf in den Nacken und deutete in die Tiefe, wo über hundert Männer und Frauen, vom rollenden Echo des Schusses angelockt, zum großen Platz vor Rodriges Haus strebten. »Tehueco, Naiche und Victorio mögen kommen, Cochise«, höhnte er lachend, »sie werden sich bei meinen Freunden blutige Köpfe holen.« Er nahm das Lasso und schlug es Cochise quer durch das Gesicht, wohl um seine Macht und Stärke zu demonstrieren. Cochise nahm den Hieb ohne Regung hin. Nur in seinen dunklen Augen flammte wildes Feuer auf. John Haggerty, der mit Cochise durch Lederriemen verbunden war, sagte halblaut, daß es Natie hören konnte: »Er fühlt sich stark, weil deine Hände gefesselt sind, Jefe. Er ist feige wie ein Kojote, der dem Puma begegnet.« Natie verfärbte sich. »Du kannst deinen Mut bald beweisen, Falke, wenn dein Körper bis zum Hals in einer Burg von Termiten steckt.« Sie erreichten das Ende des Saumpfades und schwenkten in die Ebene. Als sie den schmalen Creek durchquerten und sich dem Platz näherten, sah John einen kräftigen Mexikaner auf 56
der oberen Stufe der Treppe stehen, und instinktiv spürte er, daß dieser alternde Mann der Herr dieses versteckten Tales war. Beim Brunnen hielt Natie sein Pferd zurück und glitt behende aus dem Sattel. Er lockerte die Beinfesseln seiner Gefangenen und stieß sie seitlich vom Pferd, so daß Cochise und Haggerty unsanft zu Boden stürzten. Als sie schwerfällig auf die Beine kamen, stand ein rotbärtiger Hüne vor ihnen, der sie knapp musterte, ehe er sich an Natie wandte. »Dein unerlaubtes Entfernen aus unserer Gemeinschaft wird dir Ärger bringen, Roter Wolf. Der General ist zornig.« Natie warf stolz den Kopf in den Nacken. Furchtlos blickte er zu dem Mexikaner hinauf, der mit schleifenden Schritten die hölzernen Stiegen hinunter schritt. »Ich bin ein freier Yaqui und freiwillig in dieser Bergfestung. Ich gehe und komme, wann es mir paßt.« Don Rodriges trat heran. Seine Augen leuchteten kalt, und seine Peitsche schlug heftig auf den Schaft der Stiefel. Scheinbar hatte er Naties letzte Worte vernommen. »Du gehörst unserer Gemeinschaft an und hast ihre Gesetze zu befolgen, Roter Wolf. Ich werde deinen Ungehorsam mit fünfzig Peitschenhieben bestrafen. Wer sind diese Männer, und warum bringst du sie in unsere Burg? Sie sind eine tödliche Bedrohung unserer Gemeinschaft, weil sie nun das Geheimnis dieses Tales kennen.« »Cochise und der Falke werden dieses Tal nie verlassen«, erwiderte Natie heftig. »Sie sind meine Todfeinde und werden darum sterben.« »Warum hast du sie nicht außerhalb unserer Festung getötet?« Unmut lag in Rodriges Stimme. »Weil sie den langsamen Tod erleiden werden.« Natie nahm demonstrativ die Zügel seines Pferdes. Sein Karabiner bedrohte die Gefangenen, und seine Kopfbewegung deutete zum nahen 57
Hügel, auf dem einige Strauchjaquales standen. Don Rodriges verfärbte sich, als Natie sich abwandte und seine Gefangenen zum Hügel führte. Es kam einer Herausforderung gleich. »Der Rote Wolf ist sehr stolz und wird uns manchen Ärger machen«, knurrte der General. »Gib mir deinen Revolver, Cameron, ich werde ihm zeigen, wie man Ungehorsam bestraft.« Der Feuerkopf zögerte. »Wir brauchen den Roten Wolf, um die Fracht sicher über die Grenze zu bringen. Verschieben Sie die Bestrafung, bis wir wieder zurück sind.« Seine Stimme wurde eindringlicher. Ein listiges Lächeln umspielte seinen Mund, als er fortfuhr. »Cochise ist ein mächtiger Mann, General. Sein Einfluß auf die Apachenstämme ist uneingeschränkt. Er ist der Fürst aller Apachen. Zu kostbar, daß ein Yaqui ihn zu Tode quält.« Rodriges wandte sich an die Menschenmenge auf dem Platz. Er sah, daß sie eine Bestrafung Naties erwarteten, denn der Rote Wolf hatte nicht nur die eisernen Gesetze der Gemeinschaft verletzt, er hatte auch ihren Anführer gedemütigt. »Geht nach Hause, Leute«, sagte Rodriges hart. »Der Rote Wolf wird seiner Strafe nicht entgehen.« Er nahm Cameron beiseite und deutete zum Hügel, wo die Yaquis ihre beiden Gefangenen zwischen Baumstämme banden und johlend ihre Freude zeigten. »Was würden die Apachen für seine Freilassung bezahlen, Cameron?« »Wohl allen Wert, den sie besitzen. Die Hälfte ihrer Pferde.« »Auch Gold?« fragte der General lauernd. Cameron zuckte die Achseln. »Indianer kennen nicht den Wert des gelben Metalls. Aber sicher wissen sie, wo es in ihren Bergen zu finden ist.« Don Rodriges überlegte nur kurz. Pferde würden Juárez' Armee dienlich sein. Gold aber würde die Revolution 58
unterstützen. »Rufe mir Adento, ich will ihn als Bote in die Dragoons senden. Und dann bring mir etwas, woran die Apachen Cochise erkennen.« Als Cameron gemein grinste, fuhr Rodriguez heftig fort. »Es muß nicht gerade sein Haarschopf sein.« Als Budd Cameron nach einer Stunde zurückkehrte und die Hütte des Generals betrat, besprach Rodriges gerade mit dem Pistolero sein Vorhaben. Cameron warf grinsend Cochises Medizinbeutel mit dem Skunkschwanz auf den Tisch. »Sein Taime, General. Der Rote Wolf ist mächtig zornig, daß ich es genommen habe. Ich versprach ihm, daß Sie von seiner Bestrafung absehen.« Don Rodriges nickte. »Wenn es ihn beruhigt hat, soll es mir recht sein. Wie weit sind die anderen Vorbereitungen getroffen?« »Wir könnten morgen früh aufbrechen, General, wenn der Rote Wolf keine Schwierigkeiten macht. Die Frachtwagen sind in kürzester Zeit beladen.« Don Rodriges' Lächeln war kalt. »Du hältst mich wohl für schwach, Capo?« Cameron schüttelte den Kopf. »Für klug und verschlagen, General. Sprechen Sie mit dem Roten Wolf, ehe er sein Marterspielchen beginnt. Der Rote Bastard steckt voller Haß auf den Apachenfürsten.« * Am Nachmittag hatte der gedrungene Mexikaner, den sie General nannten, Naties Lager betreten. Es kam zu einem harten Pow-wow, das Natie in seine Schranken wies und ihm klar zu erkennen gab, wer der eigentliche Herr der wilden Berggemeinschaft war. Comanchen-Kid spielte dabei die Vermittlerrolle. Als Rodriges ging, würdigte er die Gefangenen mit keinem Blick. 59
Aber Natie unterließ nun all die grausamen Feinheiten, mit denen er bisher seine Gefangenen bedacht hatte. Er saß schweigend und finster vor sich hin brütend am Feuer. Der Morgen erwachte mit höllischem Lärm. Reiter sprengten zum großen Platz und versammelten sich dort. Aus den Ställen wurden kräftige Murphygespanne getrieben, die in einer schmalen Seitenschlucht verschwanden und schließlich vier kräftige Planwagen auf den Platz zogen. John Haggerty folgte dem Treiben mit großer Aufmerksamkeit. Seine Fesseln schmerzten und die gespreizte Lage, in der Natie sie beide zwischen Bäumen gebunden hatte, wurde unerträglich. Er gab Cochise ein Zeichen und deutete den Hang hinunter. »Die Wagenkolonne des armen Teufels, den wir in der Wüste faden«, sagte er halblaut. »Ich schätze, sie sind mit weit über hundert Gewehren beladen. Winchestern.« Cochise nickte finster. »Wie der Rote Wolf und seine Krieger sie tragen.« John lauschte der gewaltigen Stimme des Mexikaners, der heftig auf seine Männer einsprach und blickte zu Natie hinüber, der seine Krieger um sich sammelte. »Wohin werden sie die Fracht bringen, Jefe?« Cochise bewegte leicht den Kopf. Ihn beschäftigten andere Gedanken. »Sie werden sie den Rothosen in Mexiko verkaufen, die das Land ausbeuten. Oder dem mexikanischen Rebellengeneral zuführen, der sicher einen guten Preis für die Gewehre bezahlt. Ich glaube, Natie wird sie durch die stillen Bergschluchten über die Grenze führen.« Der Wolf löste seine Kriegergruppe auf. Sie sprengten schweigend den Hang hinüber. Natie führte sein Pferd näher. Er deutete auf Kid, dessen Pferd im Corral stand, und lächelte grausam. »Mein Freund, der Comanche, wird euch die Tage verkürzen, Cochise. Leider führt mich eine Aufgabe aus dem Tal. Aber sei gewiß, in all dieser Zeit, die wir einander fern 60
sind, werden meine Gedanken bei dir sein und alle Dinge erleben, die ich für dich nach meiner Rückkehr ausgedacht habe.« Cochise blickte verächtlich auf Naties Begleiter. »Ein Comanche der Freund des Roten Wolfes. Ein Mexikaner, der über den Roten Wolf bestimmt, weißäugige Bandidos, mit denen der Rote Wolf gemeinsame Sache macht. Miastai möge dich begleiten, Yaqui, und in den Nächten polternd deinen Schlaf nehmen.« Cochise spie Natie an, um seine tiefe Verachtung zu zeigen. »Eine Klapperschlange kann mich nicht erschrecken.« Natie spürte den tropfenden Speichel auf der Haut. Seine Augen flammten zornig. Doch er beherrschte sich. »Der Tod wird zeigen, wie mutig Cochise wirklich ist.« Natie zog den Gaul herum und trabte den Hang hinunter, um sich mit der Wagenkolonne zu vereinen. Comanchen-Kid setzte sich in der Nähe nieder, verschränkte die Beine und schwieg. In einer dichten Staubwolke bewegten sich die Wagen durch das Tal den Serpentinen entgegen. Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Geräusche verstummten. Die Sonne brannte nieder. Der Comanche bewegte sich nicht. John spürte, wie die Hitze durch die Haut drang. Seine Kehle war trocken wie der Wüstensand. Aber er war zu stolz, um den Comanchen um einen Schluck Wasser zu bitten. Sein Blick berührte das herabstürzende Wasser am jenseitigen Fels, und seine Gedanken labten sich am kühlen Naß. Es linderte seine Qual. Gegen Mittag tauchte Rodriges auf dem Platz auf. Er rief nach einigen Männern und kam in ihrer Begleitung den Hügel hoch. John erkannte, daß sie Mexikaner waren, wie der General. Tief auf den Hüften trugen sie blitzende Waffen, was John ahnen ließ, daß sie Pistoleros waren. Wohl Rodriges 61
persönlicher Schutz. »Binde sie los, Comanche«, forderte Rodriges, »ich selbst werde mich um sie kümmern.« Comanchen-Kid hatte sich erhoben. Er stützte sich auf den Lauf seines Karabiners. »Sie sind die Gefangenen des Roten Wolfes«, zögerte er. »Der Rote Wolf ist ein toter Mann, wenn er zurückkehrt«, erwiderte der Mexikaner gelassen. »Er hat die Gesetze unserer Gemeinschaft verletzt und mich vor meinen Leuten beleidigt. Willst du noch vor ihm sterben, Comanche?« Goc-ane sah die Pistolenmänner, die sich ihm zuwandten. Er war klug und verschlagen und hatte lange Zeit unter weißen Männern gelebt, die nicht anders waren als diese Mexikaner. Er spürte, wie ernst es dem General war. Wortlos trat er zu Haggerty und löste Hand- und Fußfesseln. Als auch Cochise frei war, nahm er seinen Karabiner auf und trat einige Schritte zurück. »Tötet den Comanchen«, sagte nun Rodriges in einem Ton, als wäre Töten für ihn etwas Alltägliches. John Haggerty sah nun die grausame Justiz, mit der dieser Mexikaner die Ordnung in seinem Reich aufrecht erhielt. Goc-ane zuckte leicht zusammen. Schatten der Angst sprangen aus seinem Blick, als die Hände der Pistoleros zu den Hüften fuhren. Mit einer wilden Bewegung warf er den Körper herum und floh zum Hecken-Corral. Aus den Fäusten der Mexikaner schlugen grelle Flammen. Kids Schritte erlahmten, und er bäumte sich auf, als pralle sein Körper gegen eine unsichtbare Steinmauer. Lautlos brach der Comanche zusammen. Don Rodriges lächelte gelassen. »Diese Dinge sind unumgänglich, Mr. Haggerty«, sagte er ruhig. »Der Rote Wolf und seine Krieger brachten Unruhe in unsere Gemeinschaft. Ich kann es nicht dulden. Kommen Sie, Sie sind für heute meine Gäste.« 62
Haggertys Blick streifte die Pistolenmänner, die lässig ihre rauchenden Revolver aufluden. »Wer sind Sie, Senor?« fragte er zögernd. »Was treiben Sie in dieser einsamen Bergwüste.« Rodriges lächelte. »Ich werde Ihnen diese Fragen später beantworten. Kommen Sie bitte.« Cochise blickte zu dem Toten hinüber. Er fühlte nichts, wenn ein Comanche starb. Und es berührte ihn nicht, wie er starb. Comanchen waren ihre angeborenen Feinde. Ihre Toten zählte man nicht. Er trat an Haggertys Seite, der dem voranschreitenden Mexikaner folgte. In ihrem Schatten liefen die Pistoleros, die erst zurückblieben, als Rodriges einladend die Tür seiner Hütte öffnete. »Kommen Sie«, sagte er mit grandezzer Höflichkeit und trat ein. Auf einem langen Tisch, an dessen Kopfende Rodriges sich niederließ, standen kostbare Silberschalen, bedeckt mit Früchten des Südens. Dazwischen Karaffen Wein, blutrot wie leuchtende Rubine. In der hinteren Ecke nahe der Tür bewegte sich ein Mann, hager und ausgetrocknet wie altes Büffelleder, und doch beweglich wie eine junge Pappel. Ein breiter, mit Silberpesos beschlagener Gürtel umspannte seine Hüften. Aus weiten Halftertaschen ragten die Beingriffe schwerer Revolver. Auf einen Wink hin trat der Mann näher und warf Cochises Medizinbeutel auf den Tisch. »Ist das sein Zeichen, das ihn als Häuptling aller Apachen ausweist, Mr. Haggerty?« fragte Rodriges höflich. Cochise verzog verächtlich das Gesicht. John erwiderte: »Cochise braucht keine Zeichen, das ihn als Häuptling aller Apachen erkennen läßt. Jeder Apache zwischen den Dragoon- und Chiricahua Mountains kennt sein Gesicht.« »Und das hier?« Rodriges Lederpeitsche stieß gegen den Medizinbeutel. 63
»Das ist ein Taime des befreundeten Häuptlings der Yaquis, Mister …« »Don Rodriges.« Der Mexikaner verbeugte sich. »Wird der Häuptling es wiedererkennen?« »Ohne Zweifel.« »Würden Sie ihm den Weg beschreiben, der zu dem Yaquihäuptling führt, Senor Haggerty?« »Aus welchem Grund, Mr. Rodriges?« »Don Rodriges«, berichtigte der General lächelnd, »oder einfach General. Er und auch Sie werden meine Gäste sein, bis Adento meine Botschaft dem Yaquihäuptling übermittelt hat. Sie glauben, ich bin ein Bandit, Senor?« »Ich wüßte keinen anderen Namen für Sie, Don Rodriges. Wie sind Ihre Geiseln, und Sie erhoffen sich ein Lösegeld für Cochise. Ist das der Sinn unserer Unterhaltung?« »Sie sind bemerkenswert klug, Senor, ich denke an hunderttausend Pesos in Gold. Vielleicht hundert Apachenponys. Wir führen jenseits der Grenze einen Krieg, Senor Haggerty. Ein kostspieliges Unternehmen, das nicht von der Regierung unterstützt wird, weil diese Regierung auf der anderen Seite der Front agiert.« »Apachen sind arm.« »Und dennoch kennen sie die stillen Plätze, wo der gelbe Sand in der Erde vergraben liegt.« Don Rodriges lächelte überlegen. »Wird der Yaquihäuptling meine Botschaft weiterleiten?« John beugte sich zu Cochise, der bisher schweigend der Unterhaltung gefolgt war, und sprach im Athabaskendialekt auf ihn ein. Der Chief nickte mehrmals, ehe John sich Rodriges zuwandte. »Tehueco wird es tun …« Don Rodriges strahlte zufrieden. »Dann betrachten Sie sich bitte als meine Gäste, Senores, bis unser Geschäft abgewickelt ist. Wenn Sie Ihr Wort verpfänden, Senor Haggerty, das Sie jeden Fluchtgedanken zurückweisen, können Sie sich frei im 64
Tal bewegen. Sie sollten es sich überlegen.« Rodriges gab Adento ein Zeichen, worauf dieser den Medizinbeutel vom Tisch nahm. Der General klatschte in die Hände. Aus dem angrenzenden Raum traten Rodriges Bedienstete, junge Vollblutgeschöpfe, die auf kostbaren Schalen Speisen auftrugen und dann wieder lautlos verschwanden. »Bedienen Sie sich, Senores. Es ist das Fleisch eines jungen Maulesels. Sie erkennen daran, daß ich meinen hohen Gast würdige. Es soll Ihnen an nichts fehlen, und wenn Sie es wünschen, werden diese hübschen Mädchen, die mich umgeben, auch ihre geistige Langeweile auflockern. Mein Haus steht Ihnen ganz zur Verfügung.« Adento hatte die Hütte verlassen. Sie waren allein mit Don Rodriges. Aber Haggerty sah die Schatten an den Fenstern, die erkennen ließen, daß der General sich keinesfalls in Gefahr begab. Er lächelte. »Sie trauen uns nicht, Don Rodriges.« »Wer traut schon seinen Feinden, Senor?« Don Rodriges lächelte weise. Nach dem Mahl brannte Rodriges sich eine Zigarre an und forderte seine Gäste höflich auf, das gleiche zu tun. »Werden Sie mir Ihr Wort geben, daß sie an der Flucht hindert, Senor Haggerty?« fragte er beiläufig. »Kämen wir weit, Don Rodriges?« Der General lächelte hinterhältig. »No, Senores. Die Wachen an der Serpentine sind verstärkt worden. Keine Maus käme ohne meinen ausdrücklichen Befehl über den Paß.« Es wurde fast Abend, als Rodriges die Zusammenkunft auflöste und ihnen eine kleine Hütte am Platz als Unterkunft anwies. Zwischenzeitlich hatte John erfahren können, daß Rodriges das Banditennest nur gegründet hatte, um von hier aus Raubzüge nach Texas einzuleiten, deren Beute und Erlös größtenteils der mexikanischen Revolution zufloß. Er wußte nun auch, daß zweihundert moderne Winchestergewehre, eigentlich für Howards Armee bestimmt, nun auf dem Weg 65
nach Mexiko waren. »Wir sollten einen Weg aus diesem Teufelsloch finden, Cochise«, sagte John später, als sie die kleine wohnliche Hütte betraten, die Don Rodriges ihnen zugewiesen hatte. »Die Murphyfuhre ist ein unersetzlicher Verlust für die US-Army.« Cochise sank auf die hölzerne Pritsche, die mit bunten Santillodecken bedeckt war und lächelte weise. »Die Bergwände sind glatt wie das Dach eines Tipis. Der Weg über die Serpentinen wird von vielen Gewehren bewacht. Uns sind die Hände gebunden, Falke. Aber Tehuecos Auge wacht an der Grenze«, sagte er und erinnerte seinen Freund an die Vereinbarung, die sie mit dem Yaquihäuptling getroffen hatten. »Er wird dem Boten des Schlitzauges begegnen und Späher zu Victorio, Ulzana und meinem Sohn Naiche entsenden. Er wird auch dem Roten Wolf begegnen, der die Karawane durch Yaquitäler führt. Manitus Wille wird sie zusammenführen. Wir können warten und den Dingen gelassen entgegen sehen.« * Zwei der schmalen Schluchten endeten vor unüberwindlichen Steinbarrieren. Ehe Hickoks wilde Mannschaft in den dritten Engpaß eindringen konnte, überraschte sie die Nacht. In einer Felshöhle schlugen sie ihr Lager auf, um den Tag abzuwarten. Mit den ersten Morgenschatten war Wild Bill Hickok auf den Beinen und drängte zum Aufbruch. Er steckte voller Ungeduld, da er hoffte, bald die verschwundene Fährte der Rothäute wieder aufnehmen zu können. In der Nacht war ihm noch ein Gedanke gekommen. Vielleicht standen die räuberischen Yaquis mit den Viehdieben in Verbindung, und ihre Fährte führte ihn in ihr Versteck. Die Steilschlucht, der sie nun stundenlang folgten, führte in vielen Windungen durch den Berg, ohne daß der harte Fels eine Spur der Flüchtenden widergab. Am Nachmittag 66
erweiterte sich der Paß zu einer flachen Talsenke, die überraschend in die Ebene hinausführte. Wild Bill Hickok wollte nicht an Geister glauben, von denen Claymont gestern gesprochen hatte. Diese roten Bastarde waren aus Fleisch und Blut wie er. Sie mußten auf der Flucht eine Fährte hinterlassen. »Wir schwärmen in breiter Front aus, Jungs«, sagte Hickok, als sie die Ebene erreichten. Er bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. »Wir durchkämmen das Land bis hoch nach Norden. Ich will die Kerle erwischen, die Ambom und die anderen auf dem Gewissen haben.« Seine Reiter schwenkten nach Norden und ritten nun in Sichtweite auseinander, so daß sie sich noch durch Zeichen verständigen konnte. Gegen Mittag sprengte Rod Claymont auf einen Hügel. Er schwang seinen Stetson und schien sehr erregt. »Hickok«, rief er schon von weitem, »wir haben eine Spur gefunden.« »Na endlich«, entfuhr es Hickok, »führe mich.« Claymont schwenkte seinen Gaul und ritt voraus. In einem flachen Talkessel versammelte sich die Mannschaft. Als Hickok aus dem Sattel stieg, wußte er, daß er nicht der Spur des Gejagten begegnet war. »Das hier ist eine Transportkolonne oder ein Siedlertreck«, rief er enttäuscht, als er die tiefen Radspuren im Wüstenboden entdeckte. »Vier Gespanne und etwa dreißig beschlagene Pferde sind hier vorübergezogen. Die Fährte ist einen halben Tag alt.« »Werden wir ihr folgen?« wollte Claymont wissen. Bill Hickok zuckte unschlüssig die Achseln, als Dick Power, der auf einem Hügel Posten bezogen hatte, heftige Zeichen machte. »Was hat er?« wollte Claymont wissen. Wild Bill schwenkte wortlos sein Pferd und ritt Power auf 67
halbem Weg entgegen. »Was gibt's dort draußen?« »Ein einzelner Reiter, Hickok.« Dick Power grinste. »Er scheint es mächtig eilig zu haben.« Power schüttelte den Kopf. »Der Kleidung nach muß er ein mexikanischer sein.« »Na gut«, sagte ihr Anführer nach kurzer Überlegung, »dann wollen wir uns den Fettkopf näher ansehen. Sage den Jungs, sie sollen sich bei den Beifußsträuchern in einen Hinterhalt legen.« Hickok stieg zum Hügel hoch. Er führte sein Pferd ins Gesträuch und beobachtete durch sein Fernglas den Reiter, der unablässig seinen Gaul antreibend, in südwestliche Richtung sprengte. Direkt auf Hickoks Leute zu, die nun überraschend ihre Pferde aus den Büschen trieben, um dem fremden Reiter den Weg abzuschneiden. Der Mexikaner griff sofort nach seinem Revolver, doch als er die Übermacht erkannte, zog er sein Pferd herum und floh in die Richtung, aus der er gekommen war. Hickok hatte inzwischen seinen Beobachtungsstand verlassen. Er ritt dem Flüchtenden entgegen und jagte drei Warnschüsse in die Luft. Fast gleichzeitig schloß die Flanke der wilden Mannschaft im Norden auf und erfaßte den Reiter in einer Zangenbewegung. Erst nun schien der Mexikaner aufzugeben. Er zügelte sein Pferd und streckte friedlich die Hände über den Kopf. Als Hickok nahe genug heran war, daß sie sich verständigen konnten, rief der Mexikaner zeternd: »Senor, ich bin ein armer Mann und den lohnt es nicht auszurauben. In meinen Taschen stecken zwei amerikanische Dollar. Sie sind die Wegzehrung in meine Heimat.« Hickok war nun heran. Während er seinen Männern zurief, aufzuschließen und einen Kreis um den Mexikaner zu bilden, hatte Hickok Muße, den Burschen zu studieren. »Für einen armen Landarbeiter reitest du einen prächtigen 68
Gaul, Fettkopf.« Sein Blick glitt über die Hüften des Fremden zum silberbeschlagenen Gürtel. »Und du bist zu gut bewaffnet.« Hickok lächelte. Solchen Burschen wie diesem hier war er an der Grenze, in Paso oder Canutillo, des öfteren begegnet. »Warum belügst du mich?« Als der Mexikaner verlegen schwieg, sagte Hickok zu ihm trocken: »Du bist ein mexikanischer Pistolero, muchacho, und deine Eile sagt mir, daß du auf der Flucht bist. Irgendein Sheriff oder ein rachsüchtiger Bursche sitzt dir auf den Fersen und will dir ans Leder.« »Que sabe.« Adento zuckte nichtssagend die Achseln. »Na gut, Fettkopf«, sagte Hickok und gab seinen Leuten ein Zeichen, »wir sind nicht deine Richter und vertreten nicht die Gesetze in diesem Land. Sind dir in der Gegend ein paar Rothäute begegnet?« »No, Senor«, erwiderte Adento nach kurzer Überlegung, »seit der Grenze sitze ich im Sattel. Ich habe keinen Indianer gesehen. Aber dort führt eine Spur durch den Sand.« Adento deutete auf die tiefen Radeinbrüche zwischen den Felsen. »Sie sind für uns nicht von Bedeutung. Laßt ihn ziehen, Jungs«, bestimmte Hickok. Er war enttäuscht. Die Männer öffneten den Kreis. Noch bevor Adento losreiten konnte, tauchte Rod Claymont an der Seite des Mexikaners auf. Als er dem Burschen den Revolver zwischen die Rippen stieß, rief Hickok verärgert. »Juckt dir das Fell, Claymont, daß du dich mit einem Pistolero anlegen willst? Wir haben andere Sorgen. Laß ihn gefälligst ziehen.« Adento saß, leicht vorgebeugt, die Arme in Schulterhöhe erhoben, in Lauerstellung. Er fühlte Claymonts Arme, die über seine Schultern glitten und das Taime erfaßten, das er ins Apachenland bringen sollte. Stark schnitt die Lederschnur in die Haut, als Claymont ihm den Medizinbeutel vom Hals riß und Hickok zuwarf. »Kennst du das Ding, Hickok?« fragte er und sein Revolver 69
stieß Adento tiefer in die Rippen. Warnend knurrte er: »Mach keine Dummheiten. Ich müßte dir sonst eine Lektion erteilen.« Adentos Lächeln fror ein. Er sah die Männer, die tiefhängende Revolver an den Hüften trugen, den Langhaarigen mit dem flachen Plainshut, der den Lederbeutel eingehend untersuchte, und nun sein Pferd näher lenkte. »Woher hast du das Taime?« fragte Wild Bill Hickok mißtrauisch. Er spürte, daß der Zufall ihm hier zu Hilfe kam. Dieser Mexikaner war nicht so harmlos wie er tat. Er wußte irgend etwas, das in Verbindung zu den Yaquis stand. Vorsichtig trieb er sein Pferd in die Flanke des Fremden. Als Hickok nach Adentos Revolvern griff, um ihn zu entwaffnen, blitzten dessen Augen gefährlich. Aber es beeindruckte Hickok wenig. »Sag mir, woher du diesen Medizinbeutel hast, Fettkopf«, sagte Hickok noch einmal, während er die bleiernen Knaufschalen der Revolver betrachtete. Als der Mexikaner stumm den Kopf in den Nacken warf, zuckte Hickoks Hand über den Revolverhammer. Sein Colt explodierte. Die Rundkugel durchschlug die hohe Sombrerohaube. Adento spürte den heißen Atem des Bleis auf der Kopfhaut. »Woher?« fragte Hickok störrisch. »Ich frage kein drittes Mal.« Die Agressivität des Schnauzbärtigen schien Adento stark zu beeindrucken. Er stieg in die Steigbügel und deutete nach Osten in die Schatten hochsteigender Felsen. »Ich habe es am Fuß der Animas gefunden und eingesteckt, Senor. Er lag zwischen Geröll und Dreck am Weg. Hat der Lederbeutel für Sie eine bestimmte Bedeutung?« Hickok lächelte hart. Der fettköpfige Bastard log. Er dachte an diesen Apachenhäuptling, der das Taime bei seiner Gefangennahme am Hals getragen hatte, ehe Yaquis die Gefangenen raubten. Dieser stinkende Glücksbringer war für Hickok ein Hoffnungsschimmer, die Verbindung einer Kette, die von Cochise zu den Yaquis bis zu diesem grinsenden 70
Schlitzauge führte. »Nimm seinen Karabiner, Claymont! Diese Typen sind gefährlich, solange sie ein Schießeisen in der Nähe haben.« Adento protestierte mit heftigen Gesten, als Claymont ihm die Winchester aus dem Scabbard zog und ans Sattelhorn hing. »Senor, das ist Straßenraub. Ich werde mich beim Marshal beschweren.« Hickok schnitt ihm das Wort ab. »Führe uns zu der Stelle, wo du den Beutel gefunden hast«, sagte er barsch. »Ich werde dann entscheiden, ob du gelogen oder die Wahrheit gesprochen hast. Im Zweifelsfalle kriegst du deine Kanonen wieder.« Wie Hickok erkennen konnte, daß der Bastard gelogen hatte, war ihm nicht klar. Aber er würde einen Weg finden, um es zu ergründen. Während sie nun ostwärts zu den Bergen zogen, sagte Hickok leise zu Claymont: »Laß die Zügel locker. Wenn der Bursche uns beschwindelt hat, wie ich annehme, wird er die nächste Gelegenheit zur Flucht benutzen. Das wäre ein Beweis, daß er mit dem Yaquigesindel unter einer Decke steckt.« Claymont nickte und ritt künftig nicht mehr so dicht an Adentos Seite. Auch die anderen hielten sich merklich zurück, um den Mexikaner herauszufordern. Adento fühlte sich in arger Bedrängnis, denn ohne seine schnellen Revolver war er nur ein halber Mensch, und er verfluchte seine Unsicherheit, als er sich die Colts einfach nehmen ließ, anstatt den Burschen einfach umzulegen und zu fliehen. Aber nun war es zu spät. Er mußte einen anderen Weg suchen. Die Gringos waren verdammt nachlässig. Sie schienen sich ihrer Sache sicher. Sie ritten in einzelnen Gruppen, und er hörte ihre lachenden Stimmen. Adentos Augen streiften das hohe Distelgesträuch, an dem sie nun vorbeizogen. Er suchte eine Lücke im Dickicht. Als er einen breiten Einschnitt erspähte, der ins verfilzte Gestrüpp führte, trieb er unvermutet dem Gaul die Sporen in 71
die Flanken und preschte los. Fluchende Stimmen des Geleits folgten ihm. Revolver explodierten. Adento spürte das Blei um die Ohren flitzen. Er zog ein Bein aus dem Bügel, hing nun seitlich an seinem Bronco und ging das Ziel an. Dornen und Disteln zerrissen seine Kleidung. Irgend etwas peitschte schmerzhaft durch sein Gesicht, er jedoch drängte vorwärts. Wild Bill Hickok, mit einem Trick in seiner Vermutung bestätigt, brüllte lautstark: »Los, Jungs, kreist den Filz ein. Ich wette, der Greaser hat uns einiges zu erzählen.« Adento war inzwischen vom Pferd geglitten. Er hielt die Zügel fest in der Faust und bahnte sich einen Weg zu den steilen Felsen im Süden. Doch als er sie nach Minuten erreichte, trieben ihn Gewehrschüsse zurück. »Komm raus, Pistolero«, hörte er die Stimme des Schnauzbärtigen mit dem wallenden Haar. »Wir geben dir fünf Minuten zum Überlegen, danach brätst du im Gebüsch wie ein Ochse bei der Fiesta.« Um seinen Worten nachzuhelfen, schlugen in seiner Nähe Geschosse ins Gesträuch. Adento kroch in eine flache Mulde. Von allen Seiten drangen nun Stimmen auf ihn ein, die zeigten, das die Fremden ihn eingeschlossen hatten. »Maldito Embudos«, schrie der Mexikaner wütend, »was wollt ihr verdammten Gauner von mir? Ich bin ein friedlicher Amigo, der den Weg zu seiner Familie sucht.« »Pistolero, du hast noch drei Minuten, um über dein Leben zu entscheiden«, rief Wild Bill Hickok grimmig, »überlege dir gut, für was du dich entscheidest.« Adento knirschte mit den Zähnen. Er wußte, der Langhaarige mit den harten Augen sprach keine leeren Worte, ihm war bewußt, wie aussichtslos seine Lage war. »Buenos«, schrie der Mexikaner, während er auf die Beine sprang. »Steckt eure Gewehre ein, ich komme.« Adento trieb seinen Gaul aus dem filzigen Gebüsch. Die 72
Arme hielt er über dem Kopf verschränkt und blickte ängstlich auf den Reiter, der gemächlich den Hang hinuntertrabte. In der Rechten hielt Hickok den Colt, und am linken Daumen baumelte der Medizinbeutel. In seinen Augen lag ein boshaftes Leuchten, als er sagte: »Ich wette, Pistolero, du wirst mir eine lange Geschichte erzählen.« Es lag so viel Härte und Kälte in diesen Worten, daß die Angst trocken in Adentos Kehle hochzog. * Seine Kundschafter brachten Tehueco die Nachricht von einer Wagenkolonne, die durch das Tal der singenden Winde zog und sich der Grenze Mexikos näherte. Seit Tagen lauerte er mit einer Gruppe von zwanzig Kriegern im zerklüfteten Fels, hoffend, bald auf den Chiricahuahäuptling Cochise zu stoßen, oder eine Botschaft von ihm zu empfangen, die ihn auf die Spur des Roten Wolfes führen konnte. Nun sprach Akaze von einer schweren Wagenkolonne, die sich mühsam durch das breite Tal quälte und von einer stark bewaffneten Eskorte begleitet wurde. Tiefe Freude empfand der Yaqui Kazike, als Akaze verkündete, daß Natie mit diesen Kriegern an der Flanke des Trecks südwärts zog. Er nahm sein schnellstes Pferd und ließ sich von seinem Späher führen. In der Abenddämmerung lauerten sie oberhalb des Felsplateaus, das der Murphytreck zu überwinden hatte, und beobachteten die Fremden, die in einer Senke ihr Lager aufschlugen. Zorn und wildes Verlangen verdunkelten Tehuecos Blick, als er den Roten Wolf inmitten der Meute entdeckte. Aber er erkannte, daß seine Kriegergruppe zu schwach war, das Lager erfolgreich anzugreifen. Wenn Viktorio mit seinen Mimbrenjos, oder Naiche mit Chiricahuakriegern zu ihnen gestoßen wären, würde er bedenkenlos den Angriff wagen. 73
Schon allein, um den abtrünnigen Desperado Natie zu stellen. Aber Viktorio und auch Naiche ließen sich Zeit mit Ihrem Kommen. Sein Blick wanderte südwärts über die schroffen Felsen, deren Kuppen im Widerspiel niedergehenden Lichtes funkelten. Er wußte, am Ende des Canyons der singenden Winde verengte sich der Talkessel zu einer schmalen Schlucht, die von hohen Steilwänden eingeschlossen war. Deckungslos und kahl wie die Wüste, die dahinter lag. Tehueco ritt ins Lager zurück und bestimmte den Aufbruch. Noch in der Nacht, als Mond und Sterne die einsame Bergwildnis erhellten, zogen er und seine Krieger über die Steilpässe des Tals der singenden Winde vorbei. Als der Morgen graute, erreichten sie den schmalen Schluchtweg, der in vielen Windungen den Berg durchschnitt und in die Ebene führte. Ein verborgener Pfad, den nur Yaquis kannten. Tehueco war entschlossen, den Kampf aus dem Hinterhalt zu führen. En verteilte seine Krieger auf eine Strecke von einer Meile und wartete. Schon bald verkündete dumpfes Knirschen von Rädern das Annähern der Murphykolonne. Als sie tief genug in die Schlucht gezogen waren, gab Tehueco das Angriffszeichen. Ein Pfeilhagel schlug nieder und tötete zwei Gelbgesichter und ein Weißauge, sowie drei Pferde. Tehueco sah die Verwirrung dort unten und zog sich zurück, als die ersten Gewehrsalven krachten, deren Kugeln jedoch kein Ziel fanden. Lautlos und behend schwang Tehueco von Fels zu Fels. Er dirigierte seine Krieger durch Zeichen südwärts der Schlucht, wo er einen zweiten Hinterhalt aufbauen wollte, und ließ fortan den Gegner nicht mehr aus den Augen. Die fremden Reiter unten drängten ihre Pferde, nervös durch den plötzlichen Angriff der Roten, in die Schatten der Murphys, ohne daß sie sich um ihre Toten kümmerten. 74
Unablässig feuerten ihre schnellen Gewehre, obwohl keiner von ihnen ein Ziel entdecken konnte. Tehueco sammelte seine Kriegsmannschaft am scharfen Schluchtknick, von wo der Blick nach Norden und Süden offenlag, und bestimmte hier den Zeitpunkt der nächsten Attacke. Noch immer rollte das grollende Echo von Abschüssen durch die Schlucht und verdrängte das feine Singen des Windes, das dem Talkessel seinen Namen gegeben hatte. Die Reiter auf der Schluchtsohle, vom plötzlichen Angriff der Yaquis gewarnt, bewegten sich im Schutz der hohen Planken der Schoner, oder trabten in den tiefen Schatten auf der Westseite des Arrayos und boten kaum ein Ziel. Ohne Verluste erreichte die Eskorte den scharfen Schluchtknick. Doch der Yaquihäuptling war zuversichtlich, denn nach Süden hin lag die Sohle offen wie ein Buch zu ihren Füßen. »Wir müssen die Zugpferde der Gespanne erwischen, Akaze«, bestimmte Tehueco zuversichtlich, »dann kommen sie nicht mehr vorwärts.« Akaze glaubte, Tehuecos Gedanken zu erraten. »Sie führen fette Beute mit, Jefe. Vielleicht sogar Gewehre.« Der Kazike nickte. Sein Blick wanderte nach Norden, von wo er Verstärkung erwartete, und seine Gedanken riefen Megias, den Boten Manitus, der Viktorio und Naiche führen sollte. Erst dann trat er näher an den Abgrund und beugte sich lauernd über die Brustwehr, in der es merklich still geworden war. Das Holpern der Wagenräder war verstummt, nur schwacher Hufschlag schlug ihm entgegen. »Sie verbergen sich im toten Winkel des Felsens, Häuptling.« Akaze kroch an seine Seite und neigte lauschend den Kopf in die Tiefe. »Sie werden die Finsternis der Nacht abwarten und im Schutz ihres schwarzen Mantels weiterziehen.« 75
Tehueco lächelte grausam. »Selbst in der Dunkelheit wird der Tod sie treffen. Nimm drei Krieger und reite südwärts. Suche eine günstige Position, wo wir ihnen begegnen können. Wir anderen werden euch bald folgen.« Akaze eilte davon, während der Rest der Krieger auf Tehuecos Befehle trockenes Strauchwerk suchten und es am Abgrund aufschichteten. Träge zog der Tag dahin. In der Abenddämmerung klangen Geräusche auf, die Tehueco zeigten, daß ihr Gegner Vorbereitungen zum Aufbruch betrieb. Noch ehe es dunkel wurde, preschten unvermutet zwei Reiter auf schnellen Gäulen durch die Schatten der Schlucht und entkamen, noch ehe sie der Pfeilhagel der Yaquis erreichen konnte. Aber Tehueco wußte, daß seine Feinde nicht weit kommen würden. Ohne Übergang kam die Nacht. Während Tehueco seine Krieger bei den hochgeschichteten Sträuchern postierte, klangen in der Ferne Schüsse auf. Nur Minuten dauerte das Gefecht. Als es verstummte, hatte der Häuptling die Gewißheit, daß es zwei Gelbgesichter weniger gab. In der Tiefe war Bewegung. Schwere Räder rollten knirschend über den Fels. Hufgetrampel zeigte, daß die Kolonne in Bewegung geriet. Tehueco ahmte den Ruf der Bergammer nach. Das vereinbarte Zeichen zum Angriff. Wie von Geisterhänden geführt, schlugen Flammen in die Nacht, die knisternd und prasselnd in die Tiefe stürzten. Im lodernden Feuerschein erkannte Tehueco den Wagenzug. Reiter bemühten sich, ihre vom Feuer scheuenden Pferde zu bändigen. Ein Hagel Pfeile schlug auf sie nieder. Dann versank der Spuk wieder im schwarzen Mantel der Nacht. Tehueco eilte zu den Pferden, wo seine Krieger sich versammelten. Stumm bestieg er sein Pony und trabte ihnen 76
voraus über das Hochplateau nach Süden. Nach etwa einer Stunde hörte er den Ruf der Bergammer, dem er folgte. Aus der Dunkelheit tauchte Akaze auf und führte die Gruppe zu den zerklüfteten Felsen. Als Tehueco aus dem Sattel stieg, leuchteten die ersten Sterne am Himmel auf. Akaze hielt dem Häuptling einen langhaarigen Schopf entgegen und sagte stolz: »Er gehörte Little Raven, Wenn du ihn magst, soll er dir gehören.« Tehueco lächelte in die Dunkelheit. »Es ist deine Beute, Akaze. Ich werde mir den Gürtel mit Naties Skalp schmücken. Wo ist Little Ravens Begleiter?« »Der Mexikaner konnte entkommen. Aber ich weiß, daß er die Pfeilspitze Takeoms zwischen den Schultern trägt«, dabei deutete er auf den Schatten am Boden. »Takeom war ein tapferer Krieger.« Tehueco blickte schweigend auf den toten Stammesbruder. Aber seine Gedanken waren bei dem geflohenen Reiter. »Das Gelbgesicht wird Hilfe holen«, sagte er schließlich und lauschte in die Nacht, die ihm die Ankunft der Murphykolonne ankündigte. »Bis dahin wird der Fels vom Blut unserer Feinde rot sein, und wir ziehen mit der Beute ungehindert in unser Bergversteck.« Akaze nickte zuversichtlich. * Zwei Schüsse schreckten die Gemeinschaft der Gesetzlosen auf. Noch während das Echo die Felswände entlang rollte, zog eine Staubwolke den Paßweg hinunter ins Tal. Hickoks wilde Mannschaft formierte sich nun zum Angriff auf Don Rodriges Lager. Im jagenden Galopp hetzten sie durch den Creek, berannten den Hügel und erreichten die ersten Hütten. Gewehrfeuer schlug ihnen entgegen. Männer und Frauen quollen aus Häusern und Zelten, eilten hilfeschreiend zum 77
erhöhten Platz und warfen sich zwischen lockeres Geröll. Flammen züngelten gen Himmel und Rauch verdunkelte das Schlachtfeld. Hütte für Hütte, Zelt für Zelt, wurden zu lodernden Feuersäulen, und wer sich Hickoks wilder Crew entgegenstellte, wurde von den Pferden niedergerissen oder erschossen. Ein erbarmungsloser Kampf tobte, und es schien für Hickocks wilde Mannschaft ein leichter Sieg, als droben von der überhängenden Felsplatte vor dem Platz Don Rodriges gewaltige Stimme aufschallte, und eine Feuerwalze in die Angreifer schlug und sie bis zum Ufer des Creeks zurückdrängte. Gleichzeitig jagten etwa zwanzig Reiter auf schnellen Pintos aus dem Seitencanyon den Creek entlang und bedrohten ihre Flanke. Adento sah den günstigen Augenblick, auf die Gegenseite zu wechseln. Federnd sprang er auf die Beine. Er kam nur wenige Schritte. Claymont, der ihn ständig im Auge behielt, streckte ihn mit einem gezielten Schuß nieder. »Hol mir den Bastard, Claymont«, schrie Hickok zornig, während er sich der wütenden Attacke in der Flanke entgegenstemmte, die nun unter dem konzentrierten Feuerschlag nach Westen auswich. Claymont kroch aus seiner Deckung zu Adento hinüber, der sich vergeblich aufzurappeln versuchte. Er erreichte ihn, zog ihn über die Schulter und lief den Weg zurück. Einmal war es ihm, als zucke Adento zusammen. Als er die Deckung erreichte und Adento vor Hickoks Füße legte, erkannte Claymont, daß der Mexikaner eine Kugel eingefangen hatte. Hickok hob den Mann hoch und schüttelte ihn. »Du Bastard hast uns belogen. Hier warten keine zwanzig, sondern fünfzig und mehr geübte Schützen. Der Teufel soll dich holen.« »El Diablo hat mich schon.« Trotz seiner Schmerzen verzog sich Adentos Gesicht zu einer Grimasse. »Aber du wirst mir bald folgen, Gringo. Du und deine verteufelten Gesellen!« Sein 78
Körper verkrampfte sich. Als Hickok ihn losließ, stürzte er tot zu Boden. Hickok gab seinen Leuten ein Zeichen. Sie sprangen die Uferböschung hinunter, standen nun knietief im Wasser und hatten Mühe, ihre erregten Pferde zu bändigen. Finster lauschte er der heftigen Kanonade, die vom Dorfplatz herüberschallte und die Böschung aufwühlte. Er war wütend, da er wie ein Greenhorn den Worten des verdammten Pistoleros vertraut hatte. Adento hatte lange geschwiegen. Als er endlich das Maul aufgemacht hatte, hatte er sie mit Lügen aufs Kreuz gelegt. Die Hölle sollte ihn braten. Das Gewehrfeuer verhallte. In die Stille hinein hörte Hickok das Prasseln und Knistern lodernder Flammen. Dazwischen klangen die harten Befehle des bärtigen Mexikaners auf, den Hickok während der Attacke für einen Augenblick bemerkt hatte. Vorsichtig blickte er über die Uferböschung zum jenseitigen Platz hinüber, auf dem sich dreißig Reiter formierten. Rod Claymont kroch heran und warf sich neben Hickok zu Boden. »Wir sind in ein Hornissennest gestoßen. Ich fürchte, wir verbrennen uns die Finger.« Hickok schwieg. Nördlich des Platzes sah er eine Bewegung. Zwei Männer jagten mit Riesenschritten am Fels entlang und tauchten in Büschen unter. Hickok war es, als habe er den mächtigen rothäutigen Hünen erkannt. In Gedanken suchte er ihre erste Begegnung. Schmerzhaft verzog er das Gesicht. Er hätte den Bastard umlegen sollen. Und seinen weißen Freund dazu. »Noch ist es nicht soweit, Claymont«, donnerte Hickok wütend. »Wir sind fast zwanzig Scharfschützen, die Elite aus Texas. Mögen sie kommen und sich blutige Köpfe holen.« Rod Claymont war bestimmt kein Feigling. Das zeigten die Kerben in seinen Revolverscheiben. Trotzdem schüttelte er bedenklich den Kopf. 79
»Sie sind über fünfzig und werden von einem Fanatiker aufgepeitscht, Noch hätten wir Gelegenheit, den Paß zu erreichen.« »Aufgeben?« rief Hickok verwundert, und sein Blick streifte Claymont. »Wir haben die Quelle des Übels gefunden, Freund, an der Charlie Goodnight zu Grunde geht. Hier und nirgendwo anders werden wir die verschwundene Herde finden.« Claymont lächelte verächtlich. »Außer ein paar Milchkühen habe ich kein Longhorn entdecken können. Deine Phantasie geht durch, Hickok.« Hickok blickte über die Schulter. Er sah, daß seine Crew die Pferde in Vierergruppen zusammengebunden hatte, damit sie bei der nächsten feindlichen Attacke nicht ausbrechen konnten. Er nickte zufrieden. »Sucht euch einen sicheren Platz, Jungs, die Bastarde werden uns bald anrennen.« Claymont stieß ihn in die Seite und deutete zu den Felsbüschen hinüber, wo überraschend zwei Männer auftauchten. »Das ist doch dieser Cochise und sein weißhäutiger Freund.« Hickok nickte. »Ich habe sie schon bemerkt. Ich wußte, daß sie mit dem Gesindel gemeinsame Sache machen.« Hickok schob die Winchester an die Schulter und visierte den Weißhäutigen an, der mit mächtigen Sprüngen die freie Fläche bei den schwelenden Hütten überquerte. Er wollte warten, bis der Apachero nahe genug heran war, daß er sein Gesicht erkennen konnte, wenn er starb. In Haggertys Schatten folgte Cochise mit weiten federnden Schritten. »Sie sind unbewaffnet«, rief Clymont erstaunt. »Was soll das bedeuten?« In diesem Augenblick scholl vom Platz her wütendes Geheul. Ein halbes Dutzend Reiter setzte sich in Bewegung, um den Flüchtenden den Weg abzuschneiden. Sie peitschten 80
ihre Gäule zu einer schnelleren Gangart und hielten langläufige Revolver in den Fäusten. Wild Bill Hickok zögerte. Er wußte nicht, was er von diesem Bild halten sollte. Noch ehe seine wirren Gedanken eine Richtung fanden, spürte er, wie die Erde bebte. Dumpfes Schütteln rüttelte am Berg, der urplötzlich auseinander barst. Begleitet von einer ohrenbetäubenden Detonation schlug ein greller Feuerball in den Zenit, ehe er feuerrot leuchtend in einer schwarzen Rauchwolke versank. Die Druckwelle schleuderte die verkohlten Hütten auseinander, fegte Roß und Reiter einfach weg, als wäre ein Tornado durch das Tal gezogen. Der nun folgende Krach war wie ein mächtiger Peitschenschlag, der Hickok für Sekunden taub machte. Er sah die Pferde, die sich ängstlich hochrappelten und in Panik davongaloppierten, Männer in zerfetzter Kleidung, die wankend auf den Beinen standen und entsetzt zu dem Rauchpilz sahen, der sich langsam und stetig ausweitete, und den Himmel verdunkelte. »Was war das?« Claymont dröhnte die Explosion noch in den Ohren. Hickok hörte ihn nicht. Er suchte die Rothaut und den Weißen, die kurz vor dem Inferno im Gras untergetaucht waren und nun verschwunden blieben. In Intervallen rauschte das Echo durch das weite Bergtal. Als es verklang, folgte tödliche Stille, die lähmend auf die Männer wirkte. Nur langsam begriff Hickok, was geschehen war. Er starrte auf die düstere Pulverwolke, die der aufkommende Wind auseinandertrieb, und sagte heiser: »Die Rothaut und sein Begleiter haben die Pulvervorräte der Bande in die Luft gejagt.« Claymont wischte den Staub aus dem Gesicht. »Begreifst du das, Hickok? Sie gehören doch zu Ihnen?« Hickok schwieg. Er spürte unbewußt, daß er den 81
Apachenhäuptling und den Falken falsch eingeschätzt hatte. Sie gehörten nicht zu diesem Gesindel von Rinderdieben, hinter dem er her war. In seine Gedanken hinein tauchten an der rechten Flanke unvermutet ein halbes Dutzend schlitzäugiger Pistolenmänner auf. Hagere, flinke Burschen, die kompromißlos ihre Colts abfeuerten. Sam Bass, Emery Hunt und Henry Dickens waren tot, noch ehe sie den überraschend angreifenden Gegner entdeckt hatten. Hickok spürte den harten Schlag, als eine Kugel seine Leggins durchschlug, und Claymont schrie wie ein wildes Tier, als heißes Blei über seine Rippen fuhr. Behend sprangen die Schützen von der Uferböschung in den Creek. Unablässig dröhnten ihre Colts. Blei wühlte die Erde auf. Hickok ließ die Winchester fahren, griff blitzschnell zur Hüfte. Drei-, viermal fuhren Flammenblitze aus seinen Coltläufen. Zwei der Angreifer fielen stumm ins flache Wasser des Creeks. Nun dröhnten auch Claymonts, Powers und Alisons Revolver und bestimmten das Ende der tödlichen Auseinandersetzung. Als ihre Waffen leergeschossen waren, trieben sechs Tote auf den sanften Wellen des Creeks nach Süden. Noch während sie ihre Revolver aufluden, schlug trommelnder Hufschlag an ihr Ohr. Claymont verbiß seinen Schmerz und richtete sich auf. »Sie greifen in zwei Wellen an, Hickok. Von Westen und Norden«, sagte er wütend. Blut sickerte über sein buntes Hemd. Hickoks Blick streifte die Gefallenen der eigenen Reihe, ehe er sich neben Claymont niederwarf. Er legte die Colts ins Gras und nahm den Karabiner. Ein grimmiger Ausdruck bedeckte sein Gesicht, als er die anstürmenden Horden entdeckte. »Es sind wenigstens dreißig oder vierzig. Wir lassen die 82
Gruppe im Westen bis an die niedergebrannten Hütten herankommen und eröffnen dann das Feuer«, sagte er hart. Er wußte, sie standen vor einer tödlichen Entscheidung. Aber Hickok zeigte keine Furcht, sondern preßte kaltblütig den Karabiner an die Schulter. Claymonts deutete nach Süden, wo die zweite Gruppe ihre Pferde im ständigen Laufwechsel vorwärts trieben und fürchterliches Geschrei ausstießen. Hickock, der Claymonts Blick folgte, schürzte verächtlich die Lippen. »Comanchen«, sagte er trocken, »sie rennen uns genau in den Revolver. Los, Jungs, feuert, und denkt daran, je Kugel ein räuberischer Bastard.« Sie waren noch genügend Gunfighter. Jeder von ihnen ein As, der sich mit der Waffe in der Faust Ruhm und Ehre, aber auch Ärger mit dem Gesetz, eingehandelt hatte. Im ersten Feuerschlag brachen gleich ein halbes Dutzend anstürmender Pferde zusammen und begruben ihre Reiter. Die nachfolgenden Gruppen stießen in dieses Hindernis, und manch einer kam zu Fall. Wer von den Reitern auf die Beine kam und floh, erwischte eine Kugel der Scharfschützen. Es entbrannte ein Kampf ohne Gnade, der den Gegner ein Dutzend Tote und Verwundete kostete. Im pausenlosen Hämmern ihrer Karabiner brach der Ansturm zusammen. Die Reiter warfen entsetzt ihre Pferde herum und stoben über die freie Fläche zum Hügel hinauf. Inzwischen war Hickok die Gruppe aus der Nordflanke aufgefallen, die auf dreißig Yards heran war. Er sah ihre nackten glänzenden Körper, die flach auf den Rücken ihrer Pferde hingen. Flammenblitze schossen aus ihren Flanken. Tim Hipper erwischte eine Kugel, er war tot. Während er stumm umkippte, spürte Rod Claymont das heiße Blei, das ein Loch in seinen Schenkel riß. Grimmig verbiß er seinen Schmerz, ließ die leergeschossene Winchester fahren und hielt den Colt in der Faust. 83
Seine Kameraden krochen heran. Wie eine Mauer stemmten sie sich dem Feind entgegen, den nichts mehr aufzuhalten schien. Ihr infernales Geschrei füllte den Talkessel. Die Comanchen saßen nun aufrecht auf den Rücken ihrer flinken Pintos, Keulen und Kriegsäxte ersetzten ihre leergeschossenen Karabiner, die sie wirbelnd über den Köpfen schwangen. Sechzehn Revolver hämmerten wie ein Feuerschlag. Als der Pulverrauch zerflatterte, waren vierzehn Pferderücken leer. Noch immer war ihr Angriff nicht gestoppt. Im vollen Lauf sprangen die Comanchen von ihren Pferden. Wie Schatten wirbelten sie heran. Aus kürzester Distanz fuhr ihnen ein Bleiregen entgegen, brachte sie zu Fall. Blut färbte das Wasser des Creeks. Die geballte Feuerkraft löschte den fanatischen Willen zu töten. Mit wütendem Geheul flohen sie über die Grasfläche. Wie ein Spuk war plötzlich alles vorüber. In die tödliche Stille, die nun folgte, sank Claymont in die Knie und sagte: »Weiß Gott, Hickok, es ist ein teurer Lohn, den du uns geboten hast. Ich blute aus wie ein geschlachtetes Schwein.« Die rechte Seite seines Hemdes war ein einziger roter Fleck. Von dem Lederchip tropfte Blut ins Gras. Wortlos beugte Hickok sich nieder, löste den Lederbeschlag und trennte mit dem Messer das Hosenbein auf. Hickok grinste. »Es ist ein glatter Durchschuß, Claymont, der bringt dich nicht zu deinen Freunden in die Hölle.« Dabei zog er das Tuch vom Hals und band den Oberschenkel oberhalb der Wunde ab. Während er Claymonts stark blutende Streifschußwunde am Brustkorb verband, hörten sie in der Ferne Don Rodriges zornig kläffende Stimme aufschallen. Dick Power kroch heran. Schweißbedeckt, mit staubigem Gesicht. Er grinste. »Der Mexikaner versucht seine Mannschaft neu zu formieren. Einen neuerlichen Ansturm werden wir kaum aufhalten können«, dabei deutete er auf seinen leeren Patronengurt. »Mehr Kugeln als in der Trommel stecken, habe 84
ich nicht, Hickok. Und den anderen ergeht es ebenso.« Hickok nickte ernst. Er richtete sich auf und blickte zum ferneren Platz hinter den verbrannten Hütten. Don Rodriges zornige Stimme war noch immer zu hören. Donnernd, befehlsgewohnt. Tatsächlich sammelten sich die Reiter vor der steilen hölzernen Treppe. »Das wäre unser Ende, Jungs. Charlie Goodnight wird uns wohl ein Denkmal setzen.« »Wenn er uns je finden sollte«, erwiderte Power bissig und deutete zu dem Toten, dessen Körper halb vom Wasser umspült wurde. »Brack hat es auch erwischt.« »Fünf Tote«, sagte Wild Bill Hickok grimmig. »Dort draußen liegen wenigstens vierzig. Weiß Gott, ein prächtiges Geleit für den Weg in die Hölle. Zieht Brack aus dem Wasser.« »Was hat er wohl davon«, knurrte Alison. »Er ist schon tot. Er kann nicht noch ersaufen.« Power blickte unentwegt zum Lagerplatz hinüber. »Der Kerl schafft es tatsächlich, seine Mannschaft zu formieren. Sogar Weiber klettern auf die Pferde. Verdammt, ich habe noch nie gegen sie gekämpft.« Wütend spie Power in den Sand. Plötzlich schwieg er. Auch die anderen neigten lauschend den Kopf. Sie sahen zur offenen Nordflanke und sie spürten, wie dumpfes Dröhnen aus der Erde kam. Zwischen den Felsen stieg eine mächtige Staubwolke auf, die in rasender Schnelligkeit quer durch das Tal direkt auf sie zufegte. »Longhorns«, schrie Power verblüfft. Wie ein Blitz schlug es bei Hickok ein. »Charlie Goodnights Herde.« »Sie ist in Panik, Hickok. Sie überrennt uns einfach. Wir müssen zu den Pferden.« Dumpfe Peitschenschläge übertönten Powers Stimme. Sie kamen von der Ostflanke des Herdenverbandes, der nun in panischer Angst westwärts direkt auf Don Rodriges Lager drängte. Ungestüm, wild, nicht mehr aufzuhalten. 85
Eine Stampede. Aus der Flanke schälte sich ein einzelner Reiter. Er war eine Viertelmeile entfernt, aber Hickok sah deutlich die kräftige bronzefarbene Gestalt auf dem Pferderücken, die wie ein Pfeil das Grasland durchschnitt. »Der Gehörnte soll mich holen, wenn das nicht dieser verdammte Apache ist«, fluchte Wild Bill wütend. »Was treibt er für ein Spiel?« Ein breiter Staubgürtel bedeckte den Reiter. Hickok wischte sich über die Augen. »Ein Gaukelspiel der Hölle.« Sie schwiegen und lauschten den dröhnenden Schlägen vieler tausend Rinderhufe, unter deren Anprall die Erde zitterte, ohne zu begreifen, was hier vor sich ging, bis Dick Power triumphierend rief: »Die Longhorns überrennen den Lagerplatz. Schau, wie die Bastarde laufen.« Er lachte hysterisch, bis Tränen in seinen Augen standen. Mit heißen Gesichtern beobachteten Hickok und seine Mannschaft, wie die Rinderherde an den niedergebrannten Hütten vorbei den großen Platz anging, wo Rodriges Kampfmannschaft die Pferde herumriß und vor der tödlichen Gefahr ins Tal floh. In diesen Augenblicken machte Hickok Abstriche in seinem Leben, denn ihm wurde klar, daß er in der Schuld des Apachenhäuptlings stand, dem sie wohl alle ihr Leben verdankten. Zugleich wurde ihm bewußt, daß die Gefahr noch lange nicht gebannt war. »Power, Marwik, Alison. Was glotzt ihr so blöde? Wir brauchen Munition. Sie ist draußen bei dem toten Pack zu finden. Torney, Lorne, bindet die Pferde auseinander, wir schnappen uns den bärtigen Mexikaner, denn ohne Kopf ist die Bande ein wirrer Hühnerhaufen ohne Verstand.« Wild Bill Hickok war wieder der alte Kämpfer, den klaren Verstand und Energie auszeichnete. Während Power, Marwik und Alison über die Brustwehr sprangen und Torney zu den 86
Pferden eilte, beugte Hickok sich über den verletzten Claymont. »Wir holen dich, Claymont, sowie wir den mexikanischen Bastard erwischt haben.« Claymont nickte schweigend. Er spürte die Schwäche, die tief aus seinem Körper kam. Torney und Lorne trieben die Pferde durch den Creek. Die Männer stiegen in die Sättel und drängten die Tiere die Uferböschung hoch. Power, Marwik und Alison standen mitten zwischen den Toten und schwenkten breite Waffengurte in den Fäusten. Der Tanz konnte weitergehen. * Lautlos wie Schatten glitten Cochise und der Falke über das flache Dach der Hütte, erreichten die hintere Fassade und schwangen sich von dort aus durch das offenstehende Fenster in Rodriges Wohnstube. Im Rahmen der Tür, ihnen den Rücken zeigend, stand Don Rodriges und folgte hilflos dem ausbrechenden Inferno. Er hörte nicht einmal das Geräusch in seinem Rücken, als die beiden Männer nähertraten. Deshalb zuckte er heftig zusammen, als Haggerty ihm die Revolvermündung zwischen die Schulterblätter drückte. »Das Spiel ist aus, General«, sagte Haggerty hart. »Lassen Sie Ihre Waffe fallen und schnallen Sie den Gurt vom Leib. Ihr Freund, der mexikanische Rebell, wird sich nach einem anderen Partner umsehen müssen.« Don Rodriges stand reglos wie eine Säule und lauschte den Worten des Mannes. Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete. »Sie sind ein Narr, Senor Haggerty, wenn Sie glauben, lebend aus diesem Tal zu kommen. Noch sind meine Leute in der Überzahl. Sie werden den Paß besetzen und jeden niederschießen, der gewaltsam durchbrechen will. Lassen Sie 87
uns vernünftig miteinander verhandeln und für beide Seiten eine befriedigende Lösung suchen.« Rodriges senkte den Arm mit der Waffe und wandte sich vorsichtig um. Ein Lächeln streifte Haggerty, das erkennen ließ, wie wenig er den Armeescout fürchtete. »Sie können nicht gegen vierzig waffenerfahrene Pistoleros kämpfen.« Haggerty erwiderte Rodriges Lächeln. Mit einer Kopfbewegung deutete er nach draußen, wo aus der fliehenden Staubwolke heraus eine kleine Reiterarmada auftauchte, die in breiter Front auf dem Platz Aufstellung nahmen. »Sie vergessen die wilde Mannschaft dort unten, die Ihnen seit Stunden Ärger bereitet, und Ihren kampferfahrenen Pistolenmännern arge Verluste beibrachte, General. Sie sind aus hartem Holz, wie sie wohl erkannt haben. Geben Sie mir ihre Waffen, Senor, bevor es zu weiterem Blutvergießen kommt.« Don Rodriges erkannte die neue Gefahr. Er sah die wilden Burschen dort drunten, die von ihren Pferden stiegen. Harte Typen, die zu kämpfen verstanden und ihm in der letzten Auseinandersetzung einen Teil der Mannschaft raubten. Undefinierbar lächelnd reichte Don Rodriges Haggerty den Colt und band den breiten Gurt von den Hüften. Polternde Schritte eilten die Treppe hoch. Wild Bill Hickok, flankiert von Power und Alison, baute sich drohend auf der breiten Holzterrasse auf. Ihre Revolver deuteten auf Don Rodriges. John sah das wilde Feuer in ihren Augen, und er spürte ihre Gedanken. Schützend trat er vor den Mexikaner und deckte ihn mit seinem Körper. »Wenn Sie Don Rodriges töten, Hickok«, sagte Haggerty eisig, »wird niemand von uns lebend das Tal verlassen. Es gibt nur einen Weg, der hier herausführt.« Sein Blick deutete zur Serpentine im Südosten. »Fünf Männer würden genügen, um den Paß zu schließen. Sie kämen trotz 88
allen Mutes ihrer Leute nicht einmal bis zur zweiten Wegbiegung.« Wild Bill zögerte. Er sah die entschlossene Haltung des Sprechers, dessen Körper bewußt das Leben des Mexikaners schützte. »Wer sind Sie wirklich, Haggerty, und welche Rolle spielt der Apache?« Hickoks Revolvermündung deutete auf Cochise, der stumm und schweigend, mit stolz erhobenem Kopf den Scharfschützen ansah. »Ich bin ein Mann wie Sie, Hickok, der für Recht und Ordnung sorgt. Diese Bestrebungen hat auch Cochise. Die Jagd nach einem Abtrünnigen der Yaquis hat uns in dieses Tal gerührt. Sie haben dabei, wenn auch unbewußt, nachgeholfen.« Hickok senkte zögernd den Colt, ohne Cochise aus den Augen zu lassen. Er sah den glimmenden Funken in den Augen der Rothaut, der zeigte, daß Cochise die Schmach noch nicht überwunden hatte. »Wie kann ich Ihnen vertrauen, Haggerty?« fragte Hickok zögernd. »Ihr Apachenfreund haßt mich und hat unsere letzte Begegnung nicht vergessen.« John lächelte. »Der Häuptling trägt die Schmach in seinem Herzen. Sie selbst bedeuten ihm nichts, Hickok. Seine Gedanken sind beim Roten Wolf, den er zur Strecke bringen muß, weil er Tehueco, dem Häuptling aller Yaquis, sein Wort verpfändet hat.« John blickte an Hickok vorbei. Im Osten sammelten sich Rodriges' Desperados, die nun an der auslaufenden Rinderherde vorbei quer durch das Tal sprengten. John lächelte hart. »Sie sollten sich entscheiden, Hickok. Zwischen Vernunft und Maßlosigkeit. Es wird bald zum Kampf kommen. Nur Rodrigez' Wort kann ein weiteres Gemetzel verhindern. Also, wie ist Ihre Antwort?« Wild Bill Hickok dachte an seine Männer, die ihm verblieben waren. Dort drüben kam eine aufgepeitschte Horde mexikanischer und indianischer Pistoleros, und ihr wildes 89
Kriegsgeschrei zeigte ihre äußerste Entschlossenheit. »Ich will ihn«, erwiderte Hickok, auf Don Rodrigez deutend, »und Charlie Goodnights Herde. Damit wären meine Verpflichtungen gegenüber dem Texasrancher erfüllt. Der Mexikaner soll hängen, wie es die Gesetze Texas für Viehdiebe festhalten.« »Er wird hängen«, erwiderte John ruhig. »Aber ein Militärgericht wird ihn aburteilen. Seine Verbrechen sind größer als sie ahnen, Hickok. Also, geben Sie mir eine klare Antwort.« Ihre Lage wurde bedrohlich. Hickok winkte ab. Er schob entschlossen den Colt ins Halfter und nickte. »Na gut, Haggerty. Es ist gleich, ob der Bastard in Texas oder New Mexiko hängt. Das Übel ist dann beseitigt. Ich bin mit der Herde zufrieden.« John wandte sich Don Rodriges zu. »Wollen Sie weiteres Blutvergießen, General? Ihr Schicksal und das vieler Männer liegt allein in Ihrer Hand.« Don Rodriges, in dessen dunklen Augen noch immer dieses Lächeln stand, zeigte sich kompromißbereit. Er trat an John und Hickoks Mannschaft vorbei. »Er ist ein mächtiger Mann, Hickok«, flüsterte John Haggerty zu. »Nur solange, bis ein Strick seinen Hals umspannt, Haggerty.« Wild Bill lachte bissig. »Dann wird man ihn mit seiner ganzen Macht in einem schwarzen Loch vergraben.« Noch während er sprach, richtete er mißtrauisch den Colt auf Don Rodriges Rücken, der nahe an die Treppe getreten war und den heransprengenden Reitern Handzeichen signalisierte. Das wilde Geschrei der Horde verstummte. Sie schwenkten auf den Platz nahe des Aufganges und verharrten schweigend auf den Rücken ihrer Pferde. Don Rodriges sprach mit gewaltiger Donnerstimme auf sie ein. John und Cochise, der mexikanischen Sprache mächtig, 90
lauschten aufmerksam seinen Worten. Bill Hickok suchte in ihren Gesichtern eine Antwort. Die Reiter wandten nun ihre Pferde und strebten an den niedergebrannten Hütten vorbei zum nördlichen Taleinschnitt, aus dem am Nachmittag überraschend die Longhornherde gekommen war. Noch ehe John Hickoks stumme Frage beantworten konnte, wandte Don Rodriges sich um. Stolz, fast überheblich, blickte er den Fremden entgegen. »Sie sehen, Haggerty, ich folge Ihren Wünschen. Meine Männer ziehen sich in den Wolfs Canyon zurück und werden dort warten, bis die Texaner die Herde aus dem Tal getrieben haben.« »Und Sie?« Don Rodriges plötzliches Nachgeben stimmte John nachdenklich. Irgend etwas verfolgte der Mexikaner. Don Rodriges zuckte lächelnd die Achseln. »Ich werde Sie begleiten, Senor Haggerty. Ihre Gesellschaft ist mir sicherer als die dieser wilden Texaner.« »Im Klartext, General: Sie sehen in unserer Nähe die größere Chance zu entwischen.« »Sie sagen es Senor«, erwiderte Rodriges in frappierender Offenheit. »Wann werden wir aufbrechen.« John deutete auf Hickok, der zwei Männer aussandte, um den verletzten Claymont zu holen. »Es liegt an ihm und der Geschicklichkeit seiner Truppe. Die Herde steht weit verstreut im Tal.« »Ihre Arbeit wird niemand behindern.« Don Rodriges trat gelassen in seine Hütte. John gab Cochise ein Zeichen und folgte ihm. Unten sammelte Hickok seine Mannschaft. Power und Alison kehrten zurück. Rod Claymont lag quer über dem Sattel. Er war tot. »Rod ist verblutet, während wir untätig hier herumsaßen«, fluchte Power. Ein finsterer Blick streifte den Apachenhäuptling, der einsam auf der obersten Treppenstufe 91
stand und die Nordostecke des Tales im Auge behielt, wohin Rodriges' Bande verschwunden war. »Acht Tote, Hickok. Ein teurer Preis für das Unternehmen.« Hickok blickte auf Claymont, den Power vorsichtig aus dem Sättel zog und in den Schatten der Felswand legte. »Jedes Ding hat seinen Preis, Power. Wir alle kannten das Risiko. Steigt in den Sattel, wir wollen die Herde zusammentreiben. Wer weiß, wie lange die Bastarde Ruhe geben.« »Und Claymont?« fragte Power düster. »Begraben wir am Abend mit den anderen.« Bis in die Dunkelheit waren sie damit beschäftigt, die Tiere zu einer Herde zu formieren. Dann kehrte Hickok und drei seiner Leute zurück, um ihre Toten zu bestatten. Als sie ihre Arbeit beendet hatten, ging Hickok die steile Treppe hoch. Cochise stand noch immer reglos auf seinem Posten. Don Rodriges saß am Ende seines feinpolierten Tisches. Schweigend, in Gedanken versunken. Am anderen Ende des Tisches lehnte Haggerty in einem weichen Sessel. Als Hickok eintrat, hob er den Kopf. »Fertig?« »Die Herde lagert in der Senke vor der Serpentine. Mit den ersten Morgenschatten werden wir mit dem Abtrieb beginnen.« Er wandte sich an Don Rodriges. »Wir werden wiederkommen, Fettkopf. Mit der gesamten Mannschaft der Goodnight Ranch. Ich verspreche Ihnen, daß Sie für den Tod meiner Leute teuer bezahlen werden.« Don Rodriges hob den Kopf. Seine dunklen Augen streiften den Sprecher von Kopf bis Fuß, als wolle er dessen Stärke einschätzen. »Sie werden das Tal verlassen finden, Senor Hickok, denn es bietet unserer Gemeinschaft keinen Schutz mehr. Wenn Sie dennoch meine Soldaten suchen. Sie finden sie in Mexiko, in der Nähe General Juárez, für den sie kämpfen werden. Geben Sie sich also mit dem zufrieden, was ich Ihnen zugesichert habe, Senor, sonst kommt ihr Hochmut zu Fall.« 92
»Er ist sehr selbstsicher, Haggerty. Ein kluger, verschlagener Fuchs, der Sie aufs Kreuz legen wird.« John lächelte. »Das wird unser Risiko sein, Hickok. Beschränken Sie sich auf Ihre Aufgabe. Vor Ihnen liegt ein langer, unsicherer Weg.« Wild Bill Hickok beherrschte sich und gab keine Antwort. Er ging nach draußen und bestieg sein Pferd. Schweigend ritt er in die Nacht zum Paß hinüber, wo die Herde, von seinen Männern bewacht, am Fuß des breiten Passes lagerte. Noch immer traute er dem Frieden nicht. Aber die Nacht verlief ruhig. Am Morgen standen Haggerty, Cochise und der General auf der breiten Terrasse. Hickoks Reiter trieben die Herde bereits in die Serpentine. »Sie haben viel Macht über ihre Leute«, sagte John nachdenklich. »Ich bin ihr General und sie sind meine Soldaten.« Stolz warf Rodriges den Kopf in den Nacken. »Sie gehorchen meinen Befehlen.« »Und die Frauen dort unten?« John deutete zum überhängenden Felsen, wo sich die übrigen Bewohner der seltsamen Gemeinschaft versammelt hatten. »Sie verstreuen sich in alle Winde oder folgen meinen Soldaten nach Mexiko. Sie kennen kein anderes Leben.« »Dann wollen wir aufbrechen, General«, sagte John Haggerty. Er spürte, daß eine schwere Last von ihm abfiel. »Sie kennen unseren Weg.« Don Rodriges nickte. Breites Lächeln floß durch sein Gesicht. »Sie wollen die Armeekarabiner und den Roten Wolf. Den Yaqui werden sie vielleicht erwischen. Die Waffen aber dürften längst über die Grenze in den Händen der Revolution gelandet sein.« »Um sich selbst machen Sie sich keine Sorgen, General?« Rodriges Lächeln wurde überheblich. »Meine Leute werden 93
uns folgen. Sie sind stets in unserer Nähe. Ich weiß nicht, wie Sie ihre Aufgabe bewältigen wollen. Sie und Ihr roter Freund sind kühne Männer, Senor Haggerty. Irgendwann werden Sie als solche in den einsamen Bergen Mexikos sterben.« John gab dem Häuptling ein Zeichen, worauf Cochise die Treppe hinunterging und drei Pferde einfing. Als sie in den Sattel stiegen und in forschem Galopp durch das Tal sprengten, stand hoch über den Felsen eine dichte Staubwolke, die Hickoks Weg zeichnete. Aus der Nordschlucht drängte eine Armada Reiter, die ohne Eile den Talkessel durchschritten. »Sie sehen, Senor Haggerty«, Don Rodriges deutete lächelnd nach Norden, »wir haben eine sichere Eskorte. Stimmt es Sie nicht nachdenklich?« John schwieg. Er führte Rodriges' Pferd und dachte an die kommenden Tage. Irgendwann würde er einen Weg finden, um dieses Gesindel abzuhängen. * Tehueco vermied die offene Auseinandersetzung mit den stark bewaffneten Reitern. Aber er blieb unsichtbar in ihrer Flanke, und nur die tödlichen Pfeilgarben, die seine Krieger in die Tiefe schleuderten, erinnerten Cameron und den Roten Wolf, daß die Yaquis ihre Jagd noch nicht aufgegeben hatten. Sieben Männer hatte Budd Cameron in wenigen Tagen durch Tod und Verletzungen verloren. Natie beklagte zwei Krieger. Aber ihr Tod war es nicht, was den Feuerkopf beunruhigte, sondern die Tatsache, daß Alfonso Fomey, dem der Durchbruch durch die unsichtbare Sperrmauer der Yaquis gelungen war, keinen Ersatz heranführte. Rebellen aus Juárez Armee, mit deren Hilfe sie das rothäutige Gesindel vertreiben konnte. Wo blieb der Mexikaner? 94
An diesem Tag, als Cameron sich Sorgen um den Murphytreck und um sich selbst machte, trabte Roter Wolf in den Schatten des Schooners. An seinem Gesicht sah Cameron, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen sein mußte. »Was gibt es; Roter Wolf?« fragte Cameron verärgert. »Du hast die Aufgabe, die vordere Flanke zu sichern, die Steilhänge im Auge zu behalten und einfach drauflos zu schießen, wenn dir ein Yaqui begegnet. Du und deine Leute sind mit Waffen bestens ausgerüstet. Aber ihr wagt es nicht, diese verdammte Brut aus ihren Verstecken zu locken.« Natie blickte dem Sprecher finster entgegen, während er zu den Steilhängen deutete. »Tehueco hat Verbündete gefunden. Viktorio, der Mimbrenjowolf, ist mit seinen Kriegern zu den Yaquis gestoßen und En-akai will Naiche, den Sohn Cochises, in den Felsschründen erkannt haben. Sie werden bald ihr hinterhältiges Versteckspiel aufgeben und offen angreifen, Feuerkopf.«. Budd Cameron schwang unwillig seine Winchester. »Das ist der Augenblick, auf den wir seit vier Tagen warten. Gegen ihre heimtückischen Angriffe aus dem Nichts sind wir machtlos. Im offenen Kampf jedoch überlegen. Sie mögen kommen.« Natie schwieg. Er musterte Camerons wilden Haufen, der sich nahe der hohen Planken der Schooner hielt. Verächtlich verzog er den Mund, als er sein Pony schwenkte und in den Schatten der Felsen ritt. Der Feuerkopf wußte nicht, wie Yaquis, Chiricahuas oder Mimbrenjos kämpften. Trotz seiner Kaltblütigkeit beherrschte eine innere Unruhe Cameron. In wenigen Tagen hatte er sieben seiner besten Pistoleros verloren, ohne daß er nur einen ihrer Mörder hatte entdecken können. Sie waren wie Schatten, die lautlos ihrem Weg folgten. Und nun sprach Natie von weiteren Kriegergruppen, die sich mit dem Yaqui Kazike vereint hatten. Am Abend suchte er 95
einen Lagerplatz am Berghang, den ein weites Felsplateau wie ein Dach überspannte. Er rief seine Männer zusammen und mahnte zur äußersten Wachsamkeit. Trotz Übermüdungserscheinungen berief er den Mann auf seinen Posten und riegelte beide Schluchtenseiten ab. Er bemerkte nicht, daß Natie seine Krieger auf der Südseite des Arrayos versammelte. Als in der Nacht dröhnendes Echo von Schüssen durch die Felsschlucht wehte und mit wildem Geheul eine Reitergruppe den Weg hochsprengte, wußte Cameron, daß der Rote Wolf ihn verraten hatte und geflohen war. »Der rote Bastard spürt, daß es hart auf hart geht. Er läßt uns im Stich.« Cameron fluchte wütend und deutete auf die dunklen Schatten, die ihre Lager anstürmten. »Schießt, Jungs, was eure Karabiner hergeben.« Aber noch ehe seine Männer die Gewehre auf die gegnerische Armada richten konnten, wandten die Angreifer ihre schnellen Pferde und verschwanden in der Dunkelheit der Schlucht. Zurück blieb lähmende Stille und Furcht, die in ihre Herzen kroch. »Sie kommen wieder«, prophezeite der Feuerkopf, und ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die Südseite der Schlucht. Unbemerkt von ihnen schwangen indes ein halbes Dutzend Krieger an Seilen von dem überhängenden Felsplateau in die Tiefe, erreichten den flachen Hang und krochen, jede Deckung nutzend, in die Flanke der Gegner. Mario Santiego und Ramon Quero, die am Seilcorral bei den Pferden Wache hielten, spürten nicht den Tod, der unvermutet in ihrem Rücken auftauchte. Sie hörten nicht einmal die leisen Geräusche, als zwei Apachenkrieger sie ansprangen und deren Messer ihre Kehlen durchbohrten. Stumm sackten die Männer zu Boden. »Die Pferde«, flüsterte Victorio, der Mimbrenjo Chief, von 96
dem der Gedanke dieses heimtückischen Angriffs ausging. Noch während sein blutbeschmiertes Messer die starken Stricke durchtrennte, zog er sich auf den Rücken eines sattellosen Pferdes. Urplötzlich hallte wildes Geheul von den Steilwänden nieder. Die Pferderemuda drängte an den Murphys vorbei und jagte in wilder Hast die Schluchtsohle entlang. »Unsere Gäule«, schrie Budd Cameron, »schießt doch, ihr Idioten.« »Auf wen?« fragte Horn. Er sah den langgestreckten Schatten der Herde, ohne einen Reiter zu entdecken. Dennoch riß er den Bügel durch und erwischte eines der fliehenden Pferde. Noch während das donnernde Echo der Explosion verhallte, war der Spuk verschwunden. Cameron eilte zum niedergerissenen Seilcorral. Als er zurückkehrte, murrte er dumpf: »Die Apachen haben uns die Pferde genommen, um eine weitere Flucht unmöglich zu machen. Drüben liegen Santiego und Quero mit durchschnittenen Kehlen. Verdammt!« Er war ratlos und dachte zähneknirschend an die Zukunft. »Sie haben uns nur die Zugpferde gelassen.« Tom Horn kroch heran. »Wir sollten den Treck aufgeben, Budd«, sagte Horn. »Wir nehmen die Zugpferde und versuchen durchzubrechen.« Cameron dachte an die schweren, plumpen Gäule, die als Gespann geeignet, doch als Fluchtpferde unbrauchbar waren. Heftig schüttelte er den Kopf. »Wir führen ein Vermögen mit, Tom. Wir können es nicht aufgeben.« »Willst du hier sterben?« fragte Horn. »Ich bin kein Patriot. Juárez' Revolution kann mir gestohlen bleiben. Ich habe keine Lust, für seine Idee zu sterben.« »Wir warten«, erwiderte Cameron. »Worauf willst du warten?« höhnte Horn. »Daß sie uns am Tage einzeln abknallen? Oder in der kommenden Nacht das 97
Fell vom Schädel schneiden?« Tom Horn sprang behend auf die Beine. »Ich nehme mir einen Gaul und versuche im Schutz der Dunkelheit durch ihre Linien zu brechen.« Noch während er sprach, kletterte er auf einen der Wagen und riß die Plane zurück. Er nahm aus der offenen Kiste einige Dynamitpatronen. »Damit werde ich mir den Weg freimachen.« Cameron stand plötzlich vor ihm. In seiner Rechten lag der schwere Colt, und trotz der Dunkelheit war zu erkennen, daß er es ernst meinte. »Du bleibst wie wir alle, Tom«, sagte er hart, »oder ich schieße dich nieder. Forney muß längst eine Rebelleneinheit erreicht haben. Vielleicht stoßen sie noch in der Nacht zu uns.« Horn hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch dumpfe rollende Geräusche, von der Höhe herabklingend, erweckten seine Aufmerksamkeit. Im selben Moment zerplatzten Felsbrocken auf der Halde und ein Splitterregen fuhr in die Flanken der Murphys. Mit einem Satz war Horn vom Wagen, dessen Speichenräder unter der Wucht des Anpralls wie Binsenhalme zerbrachen, und rannte los, als säße der Teufel in seinem Nacken. Nach zehn Schritten übertönte eine peitschende Detonation das Inferno. Tom Horn warf beide Arme in die Luft und brach tödlich getroffen zusammen. »Idiot«, fluchte Cameron, der sich hinter dem umgestürzten Wagen in Deckung geworfen hatte. Sein Blick glitt über das flache Felsdach, das sich scharf vom nächtlichen Himmel abhob, ohne daß er ein Ziel entdecken konnte. Cameron knirschte mit den Zähnen, wenn er daran dachte, daß er viele Männer verloren hatte, ohne auch nur eine Nasenspitze einer Rothaut gesehen zu haben. Langsam verebbte der höllische Lärm. Statt dessen kam von der Höhe herab eine helle Männerstimme. »Mexikanos«, schrie der unsichtbare Sprecher, »bevor der 98
Tag und eine Nacht vergehen, wird euer Blut den kahlen Felsen des Arrayos tränken.« »Dann holt uns doch, ihr roten Bastarde«, schrie Cameron aufgebracht zurück, »zeigt uns eure dreckigen Visagen und verkriecht euch nicht wie Klapperschlangen in den Felsspalten.« Als die Antwort ausblieb, kroch Cameron zu den drei heilgebliebenen Schoonern, hinter denen seine Mannschaft in Deckung lag. Ihre stumme Begegnung zeigte Budd Cameron, daß sie am Ende ihrer Kraft waren. »Wie wird es weitergehen, Budd?« fragte schließlich eine belegte Stimme. Budd Cameron zuckte die Achseln. »Wir wollen warten und hoffen, daß Forney rechtzeitig Verstärkung heranführt. Bewaffnet euch mit Dynamit. Vielleicht ist das die Sprache, die sie zur Vernunft bringt.« * Die Dunkelheit der schmalen Felsspalte, die John entdeckt hatte, nahm sie auf. Noch während John den Gefangenen aus dem Sattel drängte, stieß er ihm die Revolvermündung in die Seite. »Ein dummer Gedanke nur, General«, sagte er sarkastisch, »und Sie werden ihren Ahnen begegnen.« John spürte Don Rodriges Widerstand. »Mir ist es bitter ernst, General. Wenn ihre Guerillas uns entdecken, sind Sie der erste, der in die Hölle fährt.« Cochise kroch zum Ausgang, verwischte verräterische Spuren und kauerte nun abwartend im dichten Gestrüpp, das den Felseinschnitt verbarg. Er hörte fernes Hufgeklapper, das sich rasch näherte. Seit dem Augenblick, wo sie das Bergversteck verlassen hatten, folgte ihnen das Gesindel durch die Wildnis. Einmal 99
kamen sie auf Schußnähe heran, ohne daß sie den Vorteil aufnahmen. Ohne Zweifel wollten sie das Leben des Generals nicht gefährden und lauerten auf eine sichere Gelegenheit, ihn zu befreien. Nach einer Weile sah Cochise die Reiter im Abendschatten. Eine schwerbewaffnete Armee von über vierzig Reitern, die nun ihre Pferde zügelten und ausschwärmten. Ohne Zweifel suchten sie nach Spuren der Flüchtigen. Einige von ihnen ritten so nahe an den Büschen vorbei, daß Cochises Jagdmesser sie im Wurf hätte erreichen können. Schließlich sammelten sie sich um ihren Anführer und sprengten an ihrem Versteck vorbei in den sinkenden Tag. Als der Hufschlag verstummte, schob John Haggerty den Colt ins Halfter. »Ich wußte, daß Sie ein kluger Mann sind, General«, sagte John sarkastisch, »dem das Leben näher als der Tod steht.« Don Rodriges blieb ungerührt. »Sie werden meinen Leuten nicht entkommen. Wenn sie die Spur verloren haben, werden sie umkehren.« John nickte. »Daran denke ich auch, General. Aber Cochise wird von nun an vorausreiten und wie ein Schatten in ihrer Nähe weilen, um uns rechtzeitig zu warnen. Steigen Sie aufs Pferd. Unsere Reise geht weiter.« Er führte die Gäule aus dem Versteck und ließ Don Rodriges aufsitzen. Als er die Zügel des anderen Pferdes aufnahm, ritt Cochise bereits zwischen den Hügeln und folgte der schwachen Fährte, die durch das Felsland führte. Nach einiger Zeit war er aus Johns Blickfeld verschwunden. Erst im Dämmerlicht tauchte der Chief wieder auf und trabte zum Lagerplatz, den John Haggerty zwischen Husache- und Zapotesträuchern gewählt hatte. »Ihr Weg führt in den Canyon der singenden Winde«, berichtete der Jefe, während er sein Pferd mit einigen Büscheln Haarschotengras trockenrieb. »Ihre Zielstrebigkeit läßt darauf 100
schließen, daß sie uns dort vermuten. Wir müssen künftig vorsichtig sein, um nicht in einen Hinterhalt zu reiten.« Sein Blick streifte Don Rodriges, der auf einem faulenden Zedrachstamm saß und lächelnd seinem Bericht folgte. »Mir sind die schwachen Abdrücke von großen Wagen begegnet«, berichtete Cochise weiter. »Ein Zeichen, daß das Gelbgesicht uns auf der richtigen Fährte führt. Aber …«, in Cochises dunklen Augen glomm ein Funke, »… er führt etwas im Schilde.« John überhörte die Warnung. »Wie alt sind die Spuren, Cochise?« »Vielleicht drei Tage oder weniger.« Cochise zuckte bedauernd die Achseln, weil er keine genauere Zeitangabe machen konnte. »Morgen werden wir mehr wissen, Falke.« Er nahm seine Decke und suchte einen Platz für die Nacht. John Haggerty band Don Rodriges an den kräftigen Stamm eines Skelettbaumes, prüfte dessen Fesseln und breitete in der Nähe die Decke aus. Die verflossenen Tage waren recht anstrengend gewesen. Obwohl John gegen den Schlaf ankämpfte, fielen ihm bald die Augen zu. John erwachte, als eine Hand ihn streifte. Tiefe Dunkelheit lag zwischen den Büschen. Er erkannte Cochises Stimme. »Der Gefangene ist verschwunden«, flüsterte der Jefe, »wir haben seine Flucht verschlafen.« John fuhr hoch. Er eilte zu den Pferden. Don Rodriges kräftiger Wallach war verschwunden. Am Skelettbaum, wo John ihn angebunden hatte, fand er die durchschnittenen Lederriemen, die ihn ahnen ließen, das Rodriges am Körper ein Messer verborgen gehalten und sich selbst befreit hatte. »Komm«, sagte der Häuptling ruhig. Er nahm seine Decke und warf sie über den Rücken seines Pintos. Als er das hanfene Zaumzeug anlegte, sattelte John sein Pferd. Schweigend ritten sie aus dem Buschlager. 101
Der Himmel strahlte im dunklen nächtlichen Blau. Funkelnde Sterne füllten den Zenit und erhellten die einsame Bergwelt, so daß Cochise bald die erste Spur von dem flüchtigen General finden konnte. »Er reitet ins Tal der Winde, Falke. Dorthin, wo seine Männer hingezogen sind.« John nickte und war zornig auf sich selbst. Nur einen Augenblick hatte er seine Aufgabe vernachlässigt, und schon veränderte sich die Situation zu ihren Ungunsten. Aber noch war nicht alles verloren. Im Morgengrauen erreichten sie den breiten Talkessel. Von den Bergen herab fuhr singend der Wind und füllte das Tal. Hier, im tieferen Grasboden, vermischte sich Don Rodriges Fährte mit der Spur seiner Guerillas. Die Armada selbst blieb verschwunden. Wachsam die Umgebung im Auge behaltend, strebten sie vorwärts. Gegen Mittag war es ihnen, als hörten sie fernes Donnergrollen, dessen Echo durch die Wildnis rollte. Es konnte der Berg selbst sein, der sprödes Geröll absprengte. Aber auch Schüsse, die irgendwo im Süden des Talkessels fielen. Sie wechselten nur einen kurzen Blick und trieben ihre Gäule zu einer schnelleren Gangart an. Wie der Wind flogen sie dahin. Nach einigen Stunden waren deutlich Schüsse zu vernehmen, in die sich harte Detonationen mischten, und John wußte nun, daß sich zwischen den Felsen ein erbarmungsloser Kampf abspielte. »Wer mag es sein?« fragte er während des Galopps. Scharfer Wind wehte durch sein erhitztes Gesicht. Cochise gab ihm die Antwort. Er dachte an Tehueco, der irgendwo an der Grenze auf seine Nachricht wartete. »Yaquis«, rief er über die Schulter, »sie sind auf die Wagenkolonne gestoßen.« John schüttelte unbewußt den Kopf. Er errechnete den 102
Zeitpunkt, wo der Murphytreck das Bergversteck verlassen hatte. »Der Wagentreck müßte längst über die mexikanische Grenze sein«, antwortete er und trieb sein Pferd an Cochises Seite. Ein kühnes Lächeln sprang aus dem Antlitz des Jefes. »Vielleicht ist es Tehueco, der sie daran hinderte. Wir werden es bald wissen.« Und wieder füllte heftiges Gewehrfeuer das breite Tal, begleitet von dumpfen Detonationen, die ihnen den Weg zum Schlachtfeld wiesen. * Seit dem Morgen war ein heftiger Kampf entbrannt. Tehueco, durch Victorio und Naiches Krieger erheblich verstärkt, beschloß die direkte Konfrontation mit den Eingeschlossenen. In zwei Wellen, Victorios Mimbrenjos im Norden, Tehueco von Süden, stießen sie durch den zerklüfteten Canyon und gingen den Feind mit äußerster Verbissenheit an. Naiche mit fünfzehn Chiricahuas wollte den Abstieg über das Felsplateau wagen, um in die Flanke ihrer Gegner zu kommen. Zastee … Ihr wildes Geheul hallte hohl von den Felswänden wider. Tiefgeduckt auf den Rücken ihrer Ponys liegend, feuerten sie ihre veralteten Gewehre ab, schwangen nun, auf fünfzig Yards an die Wagenburg herangekommen, Lanzen und Keulen, um eine Bresche zu schlagen. Wütendes Gewehrfeuer schlug Tehueco entgegen, tötete zwei seiner Krieger und vier Pintos, ohne daß die mörderischen Salven sie aufhalten konnten. Von Norden schwenkte Victorio auf das Schlachtfeld und teilte die Verteidigergruppe, die sich nun ihrem neuen Gegner entgegenwandte. Todesverachtend, den Feind vor Augen, übertönte ihr fanatisches Geschrei den Kampfeslärm. Wie ein tödlicher Blitz überrollten Mimbrenjos den Gegner, der nun, zum Nahkampf gezwungen, den Colt 103
gebrauchte. Keulen schmetterten nieder, Tomahawks töteten. Blutgetränkte Lanzen glänzten in der sinkenden Sonne. Ein mächtiger Blitz ließ den Canyon dröhnen. Eine Feuersäule zerriß Clay Waiter, der, auf zertrümmerten Planken des Wagens stehend, eine Dynamitladung zwischen die Reiter hatte schleudern wollen, als ihn Victorios Kriegslanze durchbohrte. Die Druckwelle erschütterte den mächtigen Murphy und riß einige Mimbrenjos aus dem Sattel, die für einen Augenblick betäubt auf dem Felsen lagen, nun aber hochsprangen und den Gegner aufs Neue angingen. Von der Höhe herab kamen Chiricahuas an Seilen, um den entscheidenden Schlag zu führen. Alles sah nach einem großartigen Sieg aus. Von Camerons Männern waren noch acht am Leben, der Rest verblutete auf dem kahlen Fels. Sie drängten sich im toten Winkel zweier Murphys und luden in aller Eile ihre leergeschossenen Waffen. In diesem Augenblick, als Mimbrenjos, Chiricahuas und Yaquis den tödlichen Streich führen wollten, sprengten von Norden, aus der Schlucht kommend, eine Reiterarmada von fast fünfzig Reitern heran, die im vollen Lauf ihrer Pferde ihre Karabiner abfeuerten und in die angreifenden Apachen eine tödliche Bresche rissen. Naiche, der die fremden Reiter als erster entdeckte, erkannte die Gefahr und gab seinen Kriegern das Zeichen zum Rückzug. Blitzschnell, wie sie vom Berg heruntergeglitten waren, hangelten sie sich an den Seilen zum schützenden Felsplateau hoch. Victorio, der Apachenwolf, vom Rausch des Tötens erfaßt, wollte sich dem neuen Gegner entgegenwerfen, doch Tehueco spürte bereits die Niederlage. »Es sind zu viele, Victorio, um erfolgreich gegen sie kämpfen zu können«, schrie er wütend, als der Mimbrenjo sein Pferd herumzog, um den Gegner anzugehen. »Wir ziehen uns in die Berge zurück.« Victorio zählte fast fünfzig Reiter, die feuernd aus der 104
Staubwolke heraussprengten. Wie Hornissen fuhren Geschosse um seine Ohren. Rechts und links von ihm sanken zwei junge Krieger tödlich getroffen vom Pferd, und ein Blick über die Schulter zu Tehueco, dessen Yaquis südlich durch die Schlucht flohen, ließ ihn erkennen, daß der Mut nur mit dem Tod zu bezahlen war. Er schwang seine blutige Keule, riß sein Pferd herum, und im Vorbeireiten zertrümmerte seine Keule einen von Camerons Begleitern. Die Staubwolke der fliehenden Yaquis nahm ihn auf. Zwei Meilen südwärts, dort, wo eine Felsspalte zu einer Serpentine auslief, die hinauf zu den schützenden Höhen führte, vereinten sich ihre Gruppen. Victorio war zornig auf den Yaqui Kazike. Er drängte grollend sein Pferd an die Seite Tehuecos und deutete den Schluchtweg entlang. »Die Yaquis fliehen feige wie Präriehasen. Und auch Naiche hat uns im Stich gelassen.« Tehueco blickte ihm drohend entgegen. Er mochte Victorios schmähliche Worte nicht unbeantwortet lassen. »Mir fehlt die Unbesonnenheit, die dir eigen ist, Victorio, und auch Naiche hat die Weisheit seines Vaters geerbt. Wir haben erkannt, das alles ein sinnloses Sterben geworden wäre. Unsere Flucht hat mit Feigheit nichts zu tun. Wir werden einen anderen Weg suchen, um unsere Feinde zu bezwingen.« Stolz wandte Tehueco sein Pferd und gab das Zeichen. Dicht hintereinander erklommen seine Krieger den schmalen Saumpfad, der an schwindelerregenden Abgründen zum Hochplateau führte. Victorio blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Naiche lag auf einer Felsplatte, von wo aus er einen ungehinderten Blick in die Schlucht hatte. Er winkte Tehueco und Victorio heran, die ihre abgetriebenen Gäule in den Schatten des Felsens führten. Die beiden krochen heran und blickten in die Tiefe. Etwa 105
hundert Reiter hatten sich in der Abenddämmerung gesammelt. Sie umstanden einen schweren Schooner, auf dem ein kräftiger Mexikaner, mit den Armen fuchtelnd, eine Rede hielt, ehe er behend herunterschwang und sein Pferd bestieg. Tehueco warf dem Mimbrenjo einen funkelnden Blick zu. Victorios kühnes Gesicht zuckte unruhig. »Es waren nur fünfzig«, sagte er ratlos. »Wo kommen die anderen Krieger her?« Naiche deutete nach Süden. »Von dort, Victorio«, erwiderte er ruhig. »Sie kamen vor einer halben Stunde. Es sind Gelbgesichter aus Mexiko und Verbündete der anderen Gruppe.« Victorio schwieg. In seinem Herzen brannte der Haß. Aber Tehueco antwortete Naiche. »Wir werden die Beute aufgeben und dem Roten Wolf folgen. Er ist über die Grenze geflohen und wird irgendwann ins Yaquiland zurückkehren. Kann ich mit der Hilfe Naiches und Victorios rechnen?« Naiche zögerte. »Cochise mag dies entscheiden.« »Vom großen Häuptling haben wir seit zwei Wochen nichts mehr gehört, Naiche«, gab Tehueco zu bedenken. Doch Naiche schüttelte lächelnd den Kopf. »Cochise ist in der Nähe. Ich spüre es.« Ihre Aufmerksamkeit richtete sich in die Tiefe. Männer schirrten in aller Eile die Zugpferde vor die Wagen. Ihre Anführer formierten ihre Krieger vor und hinter den Gespannen und zogen in die grauen Schatten, die die Nacht niedersenkte. »Sie haben es sehr eilig«, sagte Victorio nachdenklich. Naiche lächelte. »Ihre Eile zeigt mir, daß Cochise und der Falke bald kommen werden. Wir wollen warten.« »Und sie ziehen lassen?« fragte Victorio und spie seine Verachtung in den Sand. Naiche schwieg über Victorios unbeherrschte Geste. Tehueco sagte, »Du hast gehört, was Naiche vorgeschlagen 106
hat. Wir wollen auf Cochise warten.« Die Nacht verwischte die Konturen der Felsen und hüllte die Schlucht in tiefe Finsternis. Die Geräusche der ziehenden Wagen und das Trampeln der Pferde war längst verklungen. Victorio hatte sich grollend zu seinen Mimbrenjos zurückgezogen und beschäftigte sich mit dem Gedanken, den Mexikanern allein zu folgen. Naiche und Tehueco lagen reglos auf dem Fels und lauschten in die Tiefe. Einmal war ihnen, als klängen metallische Laute zu ihnen nach oben, doch dann wurde es wieder still. Weit nach Mitternacht klang der Ruf eines Bergkauzes auf. Dieser Ruf wiederholte sich dreimal. »Dein Vater«, flüsterte Tehueco heiser. Er sammelte trockenes Reisig in der Dunkelheit, das er am Abgrund entzündete. Naiche nickte stolz. Sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen. »Ich werde in die Tiefe steigen, Kazike, und ihm berichten.« Wie ein Schatten verschwand Naiche in der Dunkelheit. Freude über ein Widersehen beflügelte seine Schritte. Er nahm die verknüpften Leinen und schwang behend über den Abgrund. * Charlie Goodnight sah am Morgen die braune Staubwolke, die von Westen kommend in das weite Tal floß. Schweigend stand er auf der Terrasse und zählte die Reiter, die sich aus der Wolke schälten und im Galopp der Ranch entgegen sprengten. Sie näherten sich der äußeren Einfriedung und waren so nahe, daß Goodnight ihre finsteren und verbissenen Gesichter erkennen konnte. Sie schwenkten in den Hof. Hickok sprang aus dem Sattel und kam die Terrasse hoch. »Ihre Herde steht auf der Weide, Goodnight. Es fehlt kein einziges Horn.« Er nahm dankbar die Flasche entgegen, die Goodnight ihm reichte und nahm einen tiefen Schluck. 107
»Es war ein teurer Preis für tausend Longhorns, Goodnight. Es hat mich fast die halbe Mannschaft gekostet. Junges, texanisches Blut. Die Besten dieses Landes.« Der Rancher nickte verbissen. Er dachte, es waren harte Männer. Weiß Gott, es war die Herde nicht wert. »Alle tot?« Hickok nickte düster. »Und die Diebe? Habt ihr sie erwischt?« »Well, Goodnight. Wir haben ihr Bergnest ausgeräuchert. Es hat sie dreißig Desperados gekostet und ihr mexikanischer Anführer wird in Animas vor einem Kriegsgericht stehen. Ich möchte den Tag erleben, wo man den Bastard hängt. Zahlen Sie uns den vereinbarten Lohn aus, Goodnight. Wir wollen weiter.« »Nach Animas etwa?« Hickok nickte. »Dorthin und dann weiter nach Süden. Es werden noch einige der Viehdiebe auf der Strecke bleiben. So haben wir es beschlossen, denn wir sind es unseren toten Kameraden schuldig. Wir brauchen frische Pferde, Goodnight. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn die Männer ihre Gäule in den Koppeln wechseln.« Der Rancher hob überrascht den Kopf. »Ihr wollt gleich weiter?« »So haben wir es bestimmt.« Hickok nahm die zweite Flasche und stampfte mit großen Schritten die Treppe hinunter. Charlie Goodnight eilte ins Haus. Als er zurückkehrte, führten die Texaner ihre lahmen Gäule zum Gatter und suchten frische Pferde aus der Koppel. Goodnight sprach eine Weile auf Wild Bill Hickok ein. Er versuchte ihn zum Bleiben zu bewegen, denn eine bessere Mannschaft, um seine Herden zu schützen, konnte er nicht finden. Aber Hickok winkte lächelnd ab. »Eine solche teure Mannschaft könnten Sie sich auf die Dauer nicht leisten, 108
Goodnight. Außerdem sind die Jungs nicht zum Cowpoke geboren. Wir sehen uns bald wieder.« Hickok nahm den Lohn entgegen und stampfte zur Koppel. Kurze Zeit später saß er bereits wieder im Sattel, hob den Arm und ritt durch das breite Tor aus dem Hof. Charlie Goodnight stand noch lange auf dem Hof und blickte hinter der Staubwolke her, die durch das Tal den Bergen entgegen zog. Er hoffte, daß es nun mit seiner Ranch wieder aufwärts ging. Aber es war ein teuer erkaufter Friede. * Etwa zur gleichen Zeit standen John Haggerty und Cochise im Kreis der Apachenkrieger. John lauschte Tehuecos ausschweifenden Worten, die vom verlorenen Kampf gegen Bleich- und Gelbgesichter berichteten, und zählte die jungen Apachenkrieger. Yaquis, Mimbrenjos und Chiricahuas waren insgesamt vierzig Krieger und nach Tehuecos Bericht mußte die Kampfstärke ihrer Gegner bei über hundert Kämpfern liegen. Er wußte nun auch, daß Don Rodriges sich mit seiner Armee vereint hatte und mit dem Waffentransport auf dem Weg nach Mexiko war. Unerreichbar, wie es schien, denn Tehueco war entschlossen, sein eigentliches Ziel, die Bestrafung des Roten Wolfes, anzugehen, auf dessen Fährte sich sein Späher bewegte. Haggerty suchte verzweifelt einen Weg, Tehueco umzustimmen, denn selbst hundert bewaffnete Reiter konnten ihn nicht vom Versuch abhalten, die kampfstarken Waffen, die Don Rodriges der Rebellenarmee Juárez zuführte, dem Banditen wieder abzujagen. Überraschend kam ihm der Mimbrenjowolf zu Hilfe, denn Victorio hatte längst die kostbare Fracht erkannt, die die Rebellen mitführten. Er witterte fette Beute. 109
»Tehueco spricht im Zorn wie eine dumme Krähe. Roter Wolf wird seinem Schicksal niemals entgehen. Er ist ein streunender Wolf und hat keine Zukunft. Irgendwann wird er von einem Apachenpfeil zu Fall gebracht. Den Tag bestimmen die Götter. Wir haben aber die Möglichkeit, unsere primitiven Streitkräfte und Lanzen gegen schnellfeuernde Gewehre einzutauschen. Willst du diese Gelegenheit auslassen, Kazike?« rief Victorio verärgert. Tehueco schwieg verbissen, denn er dachte daran, wie gefährlich und stark ihre Gegner waren. Victorios Augen blitzten. Seine Stimme schwoll an wie Donnerhall, als er fortfuhr: »Denke an die vielen Skalps, die wir erbeuten werden, und die Möglichkeit, die uns die schnellen Gewehre bieten. Yaquis, Mimbrenjos und Chiricahuas werden zu starken Stämmen, die keinen Gegner zu fürchten brauchen. Oder ist es die Angst, die dich zurückhält, Tehueco?« Tehueco hob stolz den Kopf in den Nacken. »Kein Apache fürchtet den Tod, Mimbrenjo. Du weißt es, wie ich es weiß. Was sollen deine beleidigenden Worte?« »Dann steige auf den Hügel und suche Rat bei den Göttern, Tehueco. Wenn sie dir die Antwort geben, magst du dich entscheiden«, riet Victorio. Tehueco erhob sich. Er blickte zu den hohen Felsen, die den südlichen Ausgang des Tales verschlossen. Er dachte, daß der Rote Wolf und sein Rudel nach Süden geflohen waren. Vielleicht würde er ihn in der Nähe der Mexikanos finden. Und auch ein bißchen Neid kam bei dem Gedanken, daß Victorio eines der schnellen Donnergewehre besitzen sollte, während er noch Streitaxt und Lanze trug. »Ich werde deinen Rat befolgen.« Tehueco schwang sich auf sein Pferd und ritt allein in die Berge. John Haggerty, den Victorios Gedanken erschreckten, wandte sich an Cochise, der der Auseinandersetzung mit 110
wachsamer Schweigsamkeit gefolgt war. »Victorio verrennt sich in einen dummen Gedanken, Jefe. Die Winchestergewehre sind für die US-Army bestimmt. Kein Apache darf sie bekommen. Du hast einen Vertrag mit dem einarmigen General, Cochise, in dem du dich verpflichtet hast, Armee und ihr Eigentum unangetastet zu lassen. Du hast es mit deinem Zeichen besiegelt.« Cochise lächelte weise, als sein Blick Tehueco folgte, der im schnellen Galopp die Schlucht entlang sprengte, um sich Rat bei den Göttern zu holen. »Die Zeit wird für dich sprechen, Falke. Noch sind wir nicht am Ziel.« Johns Blick streifte Victorio, der zu seinen Kriegern getreten war. Victorio war ein wilder Wolf, der stets auf der Jagd nach Beute und Skalps war. Ein nicht zu unterschätzender Gegner. Von ihm waren Schwierigkeiten zu erwarten. Er nickte. »Du hast Recht, Häuptling. Noch sind wir nicht am Ziel.«
ENDE
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