Margot Kruse Beiträge zur französischen Moralistik
Margot Kruse
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Margot Kruse Beiträge zur französischen Moralistik
Margot Kruse
Beiträge zur französischen Moralistik Herausgegeben von Joachim Küpper in Verbindung mit Andreas Kablitz und Bernhard König
Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 3-11-017827-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D - 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Am 2. März 2003 vollendete Margot Kruse das fünfundsiebzigste Lebensjahr. In früheren Zeiten wäre dies ohne Zweifel ein willkommener Anlaß gewesen, ihr eine zweite Festschrift zu widmen.1 Aber in einer Phase der Geschichte unserer Fächer, in denen dieses Genre – wie so manches – inflationär geworden ist, mit allem, was dies impliziert, erschien es den Initiatoren dieses Bandes, daß es eine vielleicht noch angemessenere Würdigung sei, wenn man die Doyenne der Hamburger Romanistik selbst zu Wort kommen läßt. Margot Kruse wurde im Jahr 1955 mit einer Dissertation über Pascal promoviert und hat sich im Jahr 1959 mit einer Arbeit zu La Rochefoucauld habilitiert. Seit jener Zeit ist die Beschäftigung mit der französischen Moralistik zum zentralen Schwerpunkt ihrer Veröffentlichungstätigkeit geworden. Nicht nur im deutschsprachigen Raum, auch in Frankreich, wie die vielen entsprechenden Beiträge in diesem Band dokumentieren, ist sie eine, wenn nicht die führende Spezialistin auf diesem Gebiet. Die wesentlichen Früchte einer Forschungsarbeit, die von den späten fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart reichen, werden dem interessierten Leser hier erstmals in toto präsentiert. Die einzelnen Aufsätze und Essays als Teile eines gedanklichen Ganzen zu sehen und zu lesen, dürfte dann auch den Blick auf die Einzelstudien verändern. Das Band, das Margot Kruses Aufsätze zur Moralistik zu einem homogenen Ganzen macht, ist ein zweifaches, ein ‚archäologisches‘ (wie man heutzutage sagen würde) und ein methodisches. Das archäologische Interesse der Studien besteht darin, herauszuarbeiten, inwiefern und in welchen Hinsichten die französische Moralistik das komplexe Produkt zweier miteinander konkurrierender Verhaltensethiken ist. Deren erstere
1
Die ihr zum 60. Geburtstag dedizierte Festschrift wurde (in Zusammenarbeit mit Rudolf Harneit und Ulrich Schulz-Buschhaus) herausgegeben von Bernhard König und Jutta Lietz; sie trägt den Titel Gestaltung – Umgestaltung. Beiträge zur Geschichte der romanischen Literaturen (Tübingen 1990).
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Vorwort
ist die traditionell-religiöse, christliche, paulinisch-augustinische mit ihrer radikalen Kritik an den Affekten und der einigermaßen erbarmungslosen Analyse der menschlichen Natur als unabänderlich sündhaft und korrupt. Weltverneinung wäre, was auf der Ebene der Ethik aus einer solchen Anthropologie folgen müßte. Aber die in der Renaissance einsetzende Pluralisierung der geistigen Horizonte begründete für das 17. Jahrhundert, die Hoch-Zeit moralistischen Schreibens, eine Situation, in der sich diese traditionelle Verhaltensethik mit einer ganz anderen, neuen, auf weltliche Zwecke hin orientierten konfrontiert sieht, der höfischen, wie sie seit Baldassare Castigliones Il Cortegiano (1528) auch in Textform existiert. Das Besondere und vermutlich historisch Einmalige dieser Konstellation nun ist, daß hier nicht schlicht ‚weltlich‘ und ‚geistlich‘, ‚mundan‘ und ‚metaphysisch‘ nach Art zweier dezidiert verschiedener Ordnungen aufeinandertreffen. Das Spezifische, so erhellt mit aller Prägnanz aus den hier neugedruckten Studien, ist es, daß aus einer weitgehend parallelen Analyse der menschlichen Natur radikal unterschiedliche verhaltensethische Schlüsse gezogen werden. Auch der Hofmann, oder, in späterer Zeit, der honnête homme, ist ein Wesen, dessen innerster Kern die superbia ist, die Selbstliebe, die Ruhmsucht, die unersättliche Anerkennungsbedürftigkeit. Und auch aus der Sicht des höfisch-großbürgerlichen Verhaltensideals gilt es, diese im Grunde vernichtende Wahrheit über den Menschen immer und unter allen Umständen in Rechnung zu stellen, jedoch nicht mit dem Ziel der Heilssorge, sondern des weltlichen Erfolgs. Die enorm differenzierte Kultur der Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle, von der dann Foucault behauptet hat, sie sei Grundlage der okzidentalen Zivilisation, und die auf dem Verdacht basiert, den jeder gläubige Christ permanent gegen sich selbst zu hegen hat, wird im 17. Jahrhundert erstmals zu einem systematischen Instrument entwickelt, in einer korrupten und bösen Welt zurechtzukommen, ja, in ihr Erfolg zu haben. Es ist indes naheliegend, daß in dem vom gedanklichen Ansatz her zunächst ganz ‚weltlichen‘ moralistischen Schrifttum sich jene Annahme universeller Korruptheit fallweise dann auch gegen die Person des Beobachtenden selbst wendet, der erkennt oder erkennen muß, daß die Grundlage seiner oftmals schneidenden Beobachtungen über die anderen nichts anderes ist als das, was er an jenen kritisiert: Ruhm- und Selbstsucht. Es gibt keinen außerhalb liegenden, gewissermaßen Archimedischen Punkt, von dem aus man das Menschengeschlecht analysieren und beschreiben könnte. Noch der scharfsinnigste Beobachter unterliegt denselben Täuschungen, allererst Selbsttäuschungen, wie die Beobachteten.
Vorwort
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Dies wiederum stellt die ‚Erfolgsgarantien‘ der Moralistik, verstanden als diesseitiges Orientierungswissen, unter einen ganz grundsätzlichen Vorbehalt. Wer Teil des Systems ist, das er beschreibt, wird dieses System schwerlich beherrschen können. So eröffnet die Moralistik, auf ihrem höchsten Reflexionsniveau, schließlich zwei Perspektiven. Für die eine dieser Perspektiven steht der Name ‚Pascal‘: die Rücknahme des Projekts der Beherrschung der anderen zugunsten der Heilssorge. Für die andere Perspektive könnte vielleicht am ehesten La Rochefoucauld einstehen (der seine Wirkung auf Schopenhauer und Nietzsche nicht ohne Grund entfaltet haben dürfte): Was als Regel des Denkens, gar des Verhaltens (‚Maximes‘) gedacht ist, entwickelt sich zu einer Technik unabschließbarer Eigen- und Fremdbeobachtung, die ihr Recht schließlich nicht mehr aus dem Ziel des weltlichen Erfolgs, sondern aus der Subtilität der Beschreibungen selbst gewinnt. Das paulinisch-augustinische Menschenbild ist in der rezenten Moderne sicherlich nicht mehr von der Verbindlichkeit, die ihm im 17. Jahrhundert zukam, und unsere heutige Zeit ist gewiß keine höfisch-aristokratisch geprägte Epoche. Um einen Text oder eine Gruppe von Texten zu Klassikern zu machen, bedarf es indes keiner Identität der Bedingungen von jener Zeit und unserer Zeit, wie uns Gadamer gelehrt hat. Aber wenn bestimmte (und nicht alle) vergangene Texte ihre ‚Sagkraft‘ behalten haben, muß es Gründe dafür geben. Daß die Moralistik des 17. Jahrhunderts heute immer noch zustimmend, oftmals sogar identifikatorisch, gelesen wird, scheint zwei Grundlagen zu haben: Der wirkmächtigste anthropologische Diskurs der späten Moderne ist ohne Zweifel der freudianische. Ohne hier Kontinuitäten konstruieren oder gar Einflüsse suggerieren zu wollen: hinter der glatten Oberfläche unseres Selbstbilds ‚Abgründiges‘ zu sehen, dies haben uns in der Geschichte unserer Kultur erstmals die Moralisten gelehrt. Und daß sich im Licht der kühlen Analysis letztlich alle Kategorien zersetzen und die zunächst angenommenen Inhalte sich oftmals ins Gegenteil verkehren, diese fundamental ‚dekonstruktive‘ Erfahrung, richtiger: deren erstmalige Artikulation, dürften wir wohl gleichfalls jenen Meisterdenkern aus dem 17. Jahrhundert verdanken. Zu dem zweiten, was neben den inhaltlichen Gesichtspunkten das hier dokumentierte wissenschaftliche Lebenswerk kennzeichnet, der methodischen Ausrichtung: Margot Kruse ist Philologin in einem sehr wörtlichen Sinne. Dies zeigt sich in paradigmatischer Form an den Titeln der ersten Sektion des Bandes. Es geht dort in der Regel um jeweils einen zentralen
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Vorwort
Begriff, sei es „gloire“, sei es „sagesse“, sei es „vérité“. In einer Minutiosität, die heute selten geworden sein dürfte, rekonstruiert die Verfasserin aus dem Korpus ihrer Texte die genauen synchronen und die diachronen Bedeutungsnuancen dieser Begriffe. Das Vorgehen dabei ist deskriptiv. Margot Kruse zieht es vor, die Autoren für sich selber sprechen zu lassen, anstatt – um nun einmal das mögliche Gegenmodell zu benennen – ein oder zwei markante Zitate mit dem Anspruch zu belasten, eine ganze Theorie von Text und Welt zu beglaubigen. In ihrer Habilitationsschrift über La Rochefoucauld galt Margot Kruses Augenmerk nicht zuletzt der Formulierungskunst des Moralisten, dessen ganz persönliche Urteile über die Triebkräfte menschlichen Verhaltens sich dem Leser dank der Suggestivität des sprachlichen Ausdrucks einprägen wie allgemeine Wahrheiten, die keinen Widerspruch zulassen. Die Geschliffenheit der Form moralistischer Aussagen des französischen 17. und 18. Jahrhunderts ist auch in den vorliegenden Studien immer wieder Objekt philologischer Analysen, und es wird deutlich, wie sehr noch die Wirkung dieser Texte im 19. Jahrhundert (Schopenhauer und Nietzsche sind schon genannt worden) mit ihrer artistischen Gestaltung zusammenhängt. So sind es denn die Exaktheit der philologischen Beschreibung und die Behutsamkeit des deutenden Beiwerks, die diesen Studien ihre jetzt schon über Jahrzehnte währende Aktualität bewahrt haben. Was im folgenden über die erwähnten und einige andere zentrale Konzepte der Moralisten zu lesen steht, stimmt schlicht in einem sehr handfesten Sinne. Es ist nicht dem vorschnellen Erweis einer These dienstbar gemacht. Weil es aber in dem beschriebenen Sinne stimmt, kann jeder Leser es guten Gewissens nutzen, um es in seine je eigenen Thesen über die Verfaßtheit der Welt einzupassen, oder auch diese Thesen zu revidieren. – Hohe Präzision der Beschreibung, diskrete Zurückhaltung in der Deutung, dies scheint es zu sein, was literaturwissenschaftlichen Veröffentlichungen die Resonanz über die Zeit des ersten Drucks hinaus sichert. In einer Phase, in der die philologischen Disziplinen weithin zu einem Forum modischer Schlagworte von minimaler Verfallsdauer geworden sind, hat der vorliegende Druck eines dezidiert philologischen Lebenswerks auch die Dimension, zu neuerlichem Nachdenken über eine Literaturwissenschaft anzuregen, deren Produkte mehr als ‚Verbrauchsmaterialien‘ sein könnten. Wie bereits angedeutet, gliedert sich der Band in zwei Sektionen ungleicher Länge. Der erste, größere Teil beginnt mit einem einführenden Essay und widmet sich sodann der schon beschriebenen archäologischen Rekonstruktion zentraler Konzepte. Innerhalb dieses Schwerpunkts wie-
Vorwort
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derum ist eine Akzentsetzung zugunsten Pascals zu beobachten, nicht ohne Grund, war es doch dieser, der mit dem ihm eigenen mathematischen Scharfsinn die Implikate der moralistischen Anthropologie am konsequentesten zu Ende reflektiert hat. Neben den Vorläufern in der unmittelbar vorausgehenden Zeit (Castiglione, Montaigne) gelangen in den Aufsätzen dieser Sektion aber auch die anderen Großen moralistischen Schreibens zur Diskussion, La Rochefoucauld und La Bruyère, sowie Figuren im Umkreis, wie etwa Mlle de Scudéry, und schließlich Fortsetzer bzw. Ausläufer (Chamfort). Die zweite, kürzere Sektion, lenkt den Blick auf die anderen west- und mitteleuropäischen Literaturen, vorrangig auf Spanien, auf England und auf Deutschland. Hier geht es um parallele Phänomene und schließlich um die Rezeption, d. h., um das diskursive Geflecht, dessen Zentrum die Texte der großen französischen Moralisten bilden. Aus naheliegenden Gründen wurde der Wortlaut der Erstdrucke bewahrt. Dies gilt auch für gelegentliche einleitende Bemerkungen, die auf Symposien, Festschriften oder anderweitige Sammelbände Bezug nehmen, in deren Kontext die originalen Drucke stehen. An erster Stelle aber gilt es für die zitierten Ausgaben der Autoren. Auch wenn die Textphilologie in den letzten Jahrzehnten nicht unwichtige Fortschritte gemacht hat, scheinen die betreffenden Revisionen doch nicht so grundstürzend, daß sie eine Änderung des originalen Wortlauts der hier zu lesenden Studien gerechtfertigt hätten. Die damaligen Widmungen sind getilgt (werden aber im Nachweis der Erstveröffentlichungen erwähnt), und ein Autorenregister soll den hoffentlich zahlreichen Lesern und Benutzern des Bandes die Orientierung erleichtern. Berlin, März 2003
Joachim Küpper
Inhaltsverzeichnis
I Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . .
1
Sagesse et folie dans l’œuvre des moralistes . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes du XVII e siècle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVII e siècle
61
,La gloire du monde‘ und ,la gloire de Dieu‘ im Werk von Mademoiselle de Scudéry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
Zur Bedeutung des Begriffes ,gloire‘ in Pascals Pensées . . . . . . . . . .
102
Die Bedeutung der ,Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
Die Verbindung verschiedener Denkformen in Pascals Pensées
. . . . . .
138
Zum Begriff der ,vérité‘ und der ,vérité opposée‘ in Pascals Pensées . . . .
154
Freiheit als moralisches und moralistisches Postulat in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Réflexion spirituelle et philosophie morale dans les Produits de la civilisation perfectionnée de Chamfort . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195
XII
Inhaltsverzeichnis
II Lob und Tadel des Alters. ,La vejez‘ in moralphilosophischen Dialogen des Siglo de Oro und ,la vieillesse‘ in moralistischen Reflexionen des Siècle de Louis XIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
Un Précurseur de La Bruyère: Joseph Hall et ses Characters of Virtues and Vices en France . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234
La Rochefoucauld en Allemagne. Sa réception par Schopenhauer et Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
Chamfort en Allemagne. La réception des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes dans la presse périodique allemande des années 1795–1796 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
Nachweis der Erstveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts Die französischen Moralisten sind nicht Moralphilosophen oder Schriftsteller, die die Moral ihrer Zeit in normativer Absicht kritisieren, sondern Autoren, die die Sitten der Menschen beobachten, ihr eigenes Verhalten und das ihrer Umwelt analysieren, über das Wesen des Menschen und die Motive seines Handelns nachdenken und ihre Reflexionen in unsystematischer, dem Gegenstand der Beobachtung angemessener Form zur Darstellung bringen. Die Bezeichnung „die französischen Moralisten“ für eine Gruppe von Autoren des späten 16., des 17. und des 18. Jahrhunderts, deren Werke durch auffallende Gemeinsamkeiten in der Themenstellung und in den Ausdrucksformen gekennzeichnet sind, hat sich durchgesetzt, seit Amaury Duval im Jahre 1820 begonnen hat, seine kommentierte Ausgabe der moralistischen Werke von Montaigne, Charron, Pascal, La Rochefoucauld, La Bruyère, Vauvenargues und Duclos in einer Reihe mit dem Titel Collection de Moralistes français zu veröffentlichen. 1834 erschien ein Sammelwerk Moralistes français, in dem die Pensées Pascals, die Maximes La Rochefoucaulds und die Caractères La Bruyères zusammengefaßt wurden, und seither ist es üblich, Anthologien der französischen Moralisten herauszugeben und diese Autoren in der Sekundärliteratur vergleichend zu behandeln. Besonders naheliegend ist ein solcher Vergleich bei den Werken, die sich der Kunstform des Aphorismus bedienen, die in Frankreich seit La Rochefoucauld zu der vorherrschenden Ausdrucksform der moralistischen Literatur geworden ist. Auch die modernen Anthologien der französischen Moralisten beginnen meist mit den Réflexions ou Sentences et Maximes morales von La Rochefoucauld. Das gilt sowohl für die neueste französische Ausgabe ausgewählter Texte Les Moralistes français, die Gérard Bauer 1962 herausgegeben hat, als auch für die deutsche Übersetzung der französischen Moralisten, die Fritz Schalk 1938 in der Sammlung Dieterich veröffentlicht und 1962 in erweiterter Form nochmals ediert hat. In Deutschland ist es Friedrich Nietzsche gewesen, der als erster die Bedeutung der französischen Moralisten voll erkannt hat. Er spricht in
2
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
Titelblatt der von A. Duval kommentierten Ausgabe der «französischen Moralisten» (Paris 1820)
Menschliches, Allzumenschliches über „Larochefoucauld und seine Geistes- und Kunstverwandten“, „die großen Meister der psychologischen Sentenz“, die „die Kunst der Sentenzen-Schleiferei“ beherrschen, und er betont die Treffsicherheit und die Schärfe der Beobachtung, die diese Autoren auszeichnet: „Larochefoucauld und jene anderen französischen Meister der Seelenprüfung gleichen scharf zielenden Schützen, welche immer und immer wieder ins Schwarze treffen, – aber ins Schwarze der menschlichen Natur.“ 1 Im Gegensatz zu der traditionellen Kritik, die 1 Menschliches, Allzumenschliches, in: Friedrich Nietzsche, Werke, hg. von Karl Schlechta, Bd. 1, München 1954, S. 435–1008, hier S. 475 ff.
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
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noch heute in Frankreich vorherrschend ist, wo die Moralisten fast ausschließlich im Rahmen der Nationalliteratur behandelt werden, hat Nietzsche bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei den Werken der französischen Moralisten um „europäische Bücher“ handelt, die aus dem Renaissance-Humanismus hervorgegangen sind und in denen der Geist der Antike fortlebt. Diese noch für die neueste Forschung gültige Einsicht findet sich in „Der Wanderer und sein Schatten“ unter dem Stichwort „Europäische Bücher“: „Man ist beim Lesen von Montaigne, Larochefoucauld, La Bruyère, Fontenelle (namentlich der ‚dialogues des morts‘), Vauvenargues, Chamfort dem Altertum näher als bei irgendwelcher Gruppe von sechs Autoren anderer Völker. Durch jene sechs ist der Geist der letzten Jahrhunderte der alten Zeitrechnung wieder erstanden – sie zusammen bilden ein wichtiges Glied in der großen noch fortlaufenden Kette der Renaissance.“ 2 Damit ist bereits gesagt, daß die französischen Moralisten in europäischem Zusammenhang behandelt werden sollten. Eine komparatistische Betrachtung erscheint sowohl bei einer themengeschichtlichen als auch bei einer formengeschichtlichen Beschäftigung mit der französischen Moralistik notwendig. Den Ausgangspunkt muß im einen Fall die Frage nach der Wiederaufnahme von Gedanken und Problemstellungen aus der antiken Literatur und nach ihrer Umdeutung in der Renaissance und im Barock bilden, im anderen Fall die Frage nach den antiken und humanistischen Einflüssen, die zur Entstehung der aphoristischen Formen bei La Rochefoucauld und seinen Nachfolgern geführt haben. Erst im Anschluß daran kann sinnvoll die Frage behandelt werden, inwieweit bei einer so stark gesellschaftsbezogenen Literatur, wie es die französische Moralistik des 17. Jahrhunderts gewesen ist, die Thematik und die Ausdrucksformen soziologisch, durch die speziellen historischen und gesellschaftlichen Bedingungen im Zeitalter Ludwigs XIV., erklärt werden können. Die Wiederaufnahme moralistischer Themen aus der Antike vollzieht sich im Frankreich des 16. Jahrhunderts vorwiegend in der Form der Adaptation, der Übernahme und Aneignung von antikem Gedankengut durch die „studia humanitatis“ 3. Die Entstehungsgeschichte der Essais von Montaigne zeigt, wie der Weg des ersten bedeutenden französischen
2 Ebd., S. 960. 3 August Buck, „Die ‚studia humanitatis‘ und ihre Methode“, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 21/1959, S. 273–290.
4
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
Moralisten von der Adaptation und Kompilation griechischer und lateinischer Texte, vor allem aus dem philosophischen Schrifttum des späteren Hellenismus, zu einem echten Sichzueigenmachen des antiken Gedankenguts geführt hat, bei dem selbst die Zitate und Exempel so stark in den eigenen Gedankengang einbezogen werden, daß sie von der ganz persönlichen Aussage Montaignes nicht mehr zu trennen sind. Die Aneignung der Überlieferung durchdringt sich derart mit der neuen Form der Menschenbeobachtung und Selbstanalyse, daß es der Eigenart des Werkes widersprechen würde, wollte man Abschnitte aus den späten Essays auf eine bestimmte Richtung des antiken Denkens festlegen. In der moralistischen Literatur des 17. Jahrhunderts, in der das Ich des Autors sehr viel stärker zurücktritt als bei Montaigne, wird auch das antike Gedankengut nicht mehr auf die gleiche Weise aufgenommen. Zwar sind es noch dieselben griechischen und römischen Autoren, die im Vordergrund des Interesses stehen. „Die Stoa, die Schule Epikurs und der Pyrrhonismus“, die für Montaigne „geistige Heimat“ waren 4, haben auch für die Moralisten des 17. Jahrhunderts die größte Bedeutung; aber an die Stelle der humanistischen Adaptation tritt bei Autoren wie Pascal und La Rochefoucauld die geistige Auseinandersetzung. Besonders aufschlußreich ist in unserem Zusammenhang die Wandlung in der Übernahme und Beurteilung des stoischen Gedankenguts. Am Ende des 16. Jahrhunderts übte die stoische Morallehre in Frankreich einen so starken Einfluß aus, daß von einem Neostoizismus gesprochen werden kann. Dieser „néostoïcisme“ entstand in der Zeit der Religionskriege und ging zunächst von einzelnen Anhängern der Reformation aus, die ihre strengen religiösen Auffassungen mit der Morallehre Senecas und Epiktets zu einem christlichen Stoizismus zu verbinden suchten. Die stoische Philosophie fand durch die intensive Beschäftigung mit den Epistulae morales von Seneca sowie mit dem Enchiridion oder Handbüchlein der Moral von Epiktet eine weite Verbreitung. Für die Art der Adaptation ist Du Vairs Philosophie morale des stoïques von 1585 bezeichnend. Der Autor, der sich nicht nur in seiner Übersetzung des Enchiridion, sondern auch hier als ein getreuer Schüler Epiktets erweist, zeigt, wie alles Übel von den Leidenschaften kommt, von denen sich der Mensch kraft der Vernunft befreien muß, wenn er das Gute, das mit der Tugend identisch ist, erreichen will. Alles kommt auf den rechten Gebrauch der „raison“ an, durch den der Mensch frei werden kann sowohl von der „fortune“, der
4 Hugo Friedrich, Montaigne (1949), Bern/München 1967, S. 59.
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
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Abhängigkeit vom Schicksal, als auch von den Affekten, die ihn nicht zu seinem eigentlichen Ziel, der Seelenruhe oder Ataraxie, kommen lassen. Das stoische Gedankengut wirkte auch in der moralistischen Literatur des 17. Jahrhunderts fort, und zwar insbesondere in den Affektenlehren, die in der ersten Jahrhunderthälfte ein heute nur noch schwer vorstellbares Interesse fanden und immer wieder gedruckt wurden 5. Die drei Bücher De la Sagesse von Pierre Charron, in denen, obgleich der Autor Geistlicher war, aus dem christlichen Neostoizismus eine nur noch auf die Vernunft gegründete Morallehre geworden ist, erlebten in den Jahren 1601–1664 fünfunddreißig Editionen. Die Weisheit, von der Charron spricht, ist eine „sagesse humaine“, die sich der Mensch aus eigener Kraft zu eigen machen kann. Der Weg, der dorthin führt, ist in dem Werk selbst vorgezeichnet: Er beginnt mit der Selbsterkenntnis und dem Studium der „condition humaine“, führt von dort zu den allgemeinen Regeln der „sagesse“ im menschlichen Verhalten und schließlich zu den einzelnen Tugenden und den Heilmitteln, die zur Überwindung der verschiedenen Leidenschaften anzuwenden sind. Was Charron darstellt, ist die Weisheit der Alten, die ihm Montaigne nahegebracht hatte. Im Gegensatz zu dem Autor der Essais, den er so viel zitiert, aber wählt Charron die Form einer methodisch geordneten Traktatsammlung, um den Leser zur wahren „sagesse“ anzuleiten. Da der Mensch dieser „Weisheit“ Charrons ohne göttliche Gnade oder übernatürlichen Beistand teilhaftig werden kann, hat die Kirche das Werk verurteilt. Es geht bereits von ähnlichen Voraussetzungen aus wie der umfangreiche Band De la Vertu des païens von La Mothe le Vayer aus dem Jahre 1642. Mit diesem Werk sollte die Sentenz: „Virtutes paganorum splendida vitia“, die aus der augustinischen Tradition stammt, widerlegt werden. Es galt zu beweisen, daß auch die Heiden echter Tugenden fähig sind. Hier wird besonders deutlich, wie es zu der für die Moralistik des 17. Jahrhunderts so bezeichnenden Auseinandersetzung mit dem Stoizismus gekommen ist. Die Gegenthesen sind – bevor sie durch La Rochefoucauld von ihrer religiösen Begründung gelöst und psychologisch motiviert wurden – ganz von christlichen Reformbestrebungen bestimmt. Vertreter der Gegenposition und Wortführer einer antistoischen Tugendlehre sind um die Jahrhundertmitte vor allem die Jansenisten, die „Messieurs de Port-Royal“, die eine an den augustinischen Auffassungen orientierte Gnaden- und Morallehre vertreten. Aus ihrem
5 Anthony Levi, S. J., French Moralists. The Theory of the Passions, 1585 to 1649, Oxford 1964.
6
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
Kreise kam auch die schärfste Reaktion auf die Rechtfertigung der Tugenden der Heiden von La Mothe le Vayer. Antoine Arnauld stellte dagegen seinen Traktat über die Notwendigkeit des Glaubens an Christus: De la Nécessité de la Foi en Jésus-Christ pour être sauvé. In die gleiche Richtung gingen die Bestrebungen der Oratorianer, unter denen vor allem an Jacques Esprit zu denken ist, dessen zweibändiges Werk La Fausseté des vertus humaines von 1678 noch wie eine späte Antwort auf die Thesen La Mothe le Vayers erscheint. Jacques Esprit, der mit La Rochefoucauld in dem Salon der Marquise de Sablé verkehrte, stellt den menschlichen Tugenden, deren Falschheit er durch eine Fülle von Beispielen zu entlarven sucht, am Ende eines jeden Kapitels die entsprechende christliche Tugend, die allein Bestand hat, entgegen. Im gleichen Jahre 1678 gab La Rochefoucauld die fünfte und letzte von ihm selbst besorgte Ausgabe der Réflexions ou Sentences et Maximes morales heraus, in denen die These von der Falschheit der menschlichen Tugenden ohne Berufung auf das christliche Gegenbild auf vielfältige Weise abgewandelt wird. Schon das Motto bringt diesen Grundgedanken in paradoxer Form zum Ausdruck: „Nos vertus ne sont, le plus souvent, que des vices déguisés.“ 6 La Rochefoucaulds Maximensammlung, in der alles menschliche Handeln auf egoistische Motive zurückgeführt wird, kann als eine Auseinandersetzung mit der stoischen Tugend- und Affektenlehre Senecas aufgefaßt werden. Das wird schon aus dem Titelbild zur ersten Edition von 1665 deutlich: Ein geflügelter Knabe, als „Amor der Wahrheit“ gekennzeichnet, hat der Büste Senecas die Maske vom Gesicht gerissen. Wer die Wahrheit liebt, erkennt hinter dem schönen Schein die enttäuschende Wirklichkeit, hinter dem anscheinend tugendhaften Handeln die selbstsüchtigen Motive; er geht der Eigenliebe auf ihren geheimen Pfaden nach und richtet seine Pfeile gegen sie. Wie wichtig La Rochefoucauld die Auseinandersetzung mit der stoischen Tugendlehre gewesen ist, bestätigt die lange Reflexion 504 über die Todesverachtung, die die Maximensammlung beschließt. Bei Seneca fand die Haltung des Weisen in der Todesverachtung ihren überzeugenden Ausdruck; La Rochefoucauld dagegen hält es für billig und recht, nachdem er in seinen Maximen den falschen Schein so vieler Tugenden aufgedeckt hat, auch etwas über die Unwahrheit der Todesverachtung zu
6 La Rochefoucauld, Maximes, hg. von Jacques Truchet, Paris 1967, Édition de 1678, S. 1–124, hier S. 7; dt. Übers. in: Fritz Schalk (Hg.), Die französischen Moralisten, Bd. 1, Bremen 1962, S. 1–75.
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
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Frontispice der ersten Ausgabe der «Maximes» von La Rochefoucauld
sagen. Der Moralist des 17. Jahrhunderts unterscheidet zwischen der Überwindung der Todesfurcht, die auch er anerkennt – sieht man doch häufig genug Menschen standhaft den Tod ertragen –, und der Todesverachtung, von der er sagt, sie sei niemals aufrichtig. Das soll für die viel zitierte Todesverachtung eines Cato oder eines Brutus ebenso gelten wie für die Haltung des Lakaien, der noch auf dem Schafott, auf dem er gerädert werden sollte, tanzte. Der Unterschied besteht nach Auffassung La Rochefoucaulds nur darin, daß die Todesverachtung der Großen auf das Motiv der Ruhmsucht zurückgeführt werden muß, während sich diese Haltung bei den einfachen Leuten aus einem Mangel an Einsicht erklärt, der sie daran hindert, den Tod in seiner Größe und Schrecklichkeit zu erfassen. Die Todesverachtung ist hier nicht ein Zeichen der
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Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
„sagesse“, sondern sie wird in der einundzwanzigsten Maxime sogar mit der Binde verglichen, die man den zum Tode Verurteilten vor die Augen legt, um ihnen den Anblick des Todes zu ersparen. Da aber jede Antithese letztlich an die These gebunden bleibt, muß auch La Rochefoucaulds Rückführung der Tugenden auf verborgene Laster und seine Reflexion über die Todesverachtung auf dem Hintergrund der stoischen Lehren gesehen werden. Überdies zeigt ein Vergleich zwischen den Epistulae morales und den Réflexions morales von La Rochefoucauld, daß der Moralist des 17. Jahrhunderts „einzelne Motive direkt von Seneca übernommen und seinen Stil an dem ‚Sentenzen- und Pointenstil‘ des antiken Autors geschult hat“ 7. Schon einige Jahre vor La Rochefoucauld hatte Pascal zu der stoischen Morallehre Stellung genommen. Für ihn war Epiktet der Repräsentant dieser Schule. In dem erst 1728 aus den Memoiren von Fontaine veröffentlichten Entretien avec M. de Saci sur Epictète et Montaigne entwickelt Pascal seine Gedanken über die beiden philosophischen Schriftsteller, die für ihn die zwei gegensätzlichen Grundrichtungen in der Betrachtung des Menschen vertreten und denen deshalb auch eine große Bedeutung für den moralistischen Teil seiner Pensées sur la Religion zukommt. Epiktet ist für Pascal der Repräsentant all der Philosophen, die von der Macht der menschlichen Vernunft und von der unbedingten Freiheit des Willens ausgehen, Montaigne dagegen der Vertreter der Skeptiker oder „pyrrhoniens“, die Erkenntnis und Handeln gleichermaßen einem absoluten Zweifel unterwerfen. Epiktet, der die Pflichten des Menschen so richtig erkannt hat, verkennt dessen „impuissance“, so daß seine Lehre zu Stolz und Anmaßung führt, während der Zweifel Montaignes jede echte Entscheidung unmöglich macht und folglich das Laster der Trägheit, die „paresse“, nach sich zieht. Wenn man beide Lehren zu verbinden sucht, wird man nach Auffassung Pascals nie ganz fehlgehen, „parce que l’une s’oppose au mal de l’autre“; Epiktet bekämpft das Übel der „paresse“, das mit dem Skeptizismus Montaignes verbunden ist; und der Autor der Essais ist besonders geeignet, den Stolz derer zu brechen, die wie Epiktet dem Menschen die Fähigkeit zuschreiben, Gott vollkommen zu erkennen, sich selbst von allen Lastern zu befreien und aus eigener Kraft alle Tugenden zu erwerben. Hier läßt sich die Übereinstimmung mit La Rochefoucaulds Kritik am Stoizismus verdeutlichen, wenn man zum Vergleich die Maxime 105 der 7
Margot Kruse, Die Maxime in der französischen Literatur. Studien zum Werk La Rochefoucaulds und seiner Nachfolger, Hamburg 1960, S. 55.
Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts
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Sammlung von 1665 heranzieht: „Les philosophes, et Sénèque surtout, n’ont point ôté les crimes par leurs préceptes: ils n’ont fait que les employer au bâtiment de l’orgueil.“ In der Verurteilung des „orgueil“ der Stoiker sind sich beide Moralisten einig; dennoch ist das Ziel Pascals ein ganz anderes als das La Rochefoucaulds. Auch hinter der Kritik an Epiktet steht das religiöse Anliegen des Autors der Pensées. Eine fruchtbare Vereinigung der Lehren der Stoiker und der Skeptiker ist nach seiner Auffassung nur auf dem Fundament des christlichen Glaubens möglich. Wer meint, auf philosophischer Grundlage aus den Lehren Epiktets und Montaignes eine vollkommene Sittenlehre bilden zu können, irrt, „denn da der eine die Gewißheit, der andere den Zweifel, der eine die Größe des Menschen, der andere seine Schwäche behauptet, würden sie ebenso die gegenseitige Wahrheit wie den gegenseitigen Irrtum aufheben“: […] car l’un établissant la certitude, l’autre le doute, l’un la grandeur de l’homme, l’autre sa faiblesse, ils ruinent la vérité aussi bien que les faussetés l’un de l’autre.8
So entwickelt Pascal seine paradoxe Lehre von der „grandeur et misère de l’homme“, um dem Libertin, an den sich seine Apologie richtet, zu beweisen, daß ohne den Glaubenssatz von der Erbsünde das Wesen des Menschen unverständlich bleibt. Er schildert in eindrucksvollen Bildern das Elend des Menschen, um dem Ungläubigen seine Gnadenbedürftigkeit deutlich zu machen, und er betont zugleich seine Größe, um ihm zu zeigen, daß die Bestimmung des Menschen zu seiner jetzigen Lage in einem nur durch den Glauben zu lösenden Widerspruch steht. Diese religiöse Begründung des Menschenbildes, die mit einer apologetischen Zielsetzung verbunden ist, macht die Sonderstellung Pascals unter den Moralisten des 17. Jahrhunderts aus. Sie tritt in dem Entretien avec M. de Saci über Epiktet und Montaigne mit gleicher Deutlichkeit zutage wie in den Pensées sur la Religion. Die Auseinandersetzung mit dem Stoizismus wird auch am Ende des Jahrhunderts in den Caractères von La Bruyère wieder aufgenommen. „Le stoïcisme est un jeu d’esprit et une idée semblable à la République de Platon“, beginnt der dritte Abschnitt des Kapitels „De l’Homme“, den La Bruyère in der vierten Edition von 1689 hinzugefügt hat. Der utopische
8 Entretien avec M. de Saci, in: Blaise Pascal, Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, S. 291–297, hier S. 296; dt. Übers. in: Blaise Pascal, Die Kunst zu überzeugen und die anderen kleineren philosophischen und religiösen Schriften, übers. und hg. von Ewald Wasmuth, Heidelberg 1950, S. 114–138, hier S. 134.
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Charakter der stoischen Tugendlehre wird hier noch einmal mit den gleichen Argumenten angegriffen, die von kirchlicher Seite schon mehrfach vorgebracht worden waren 9. In diesem Fall gilt wirklich das viel zitierte „Tout est dit, et l’on vient trop tard“, das La Bruyère an den Anfang des ersten Kapitels gestellt hat. War unter den antiken Autoren Seneca für La Rochefoucauld und Epiktet für Pascal von der größten Bedeutung, so nimmt im Werk SaintEvremonds Epikur diese zentrale Stellung ein. Im Gegensatz zum Stoizismus, der schon am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Höhepunkt seines Einflusses in Frankreich erreichte, hat der Epikureismus erst durch das Werk Gassendis De vita et moribus Epicuri von 1647 eine weitere Verbreitung gefunden. In dieser Lebensbeschreibung wurde Epikur, der im Altertum von den Stoikern, in frühchristlicher Zeit von den Kirchenvätern und im 17. Jahrhundert von den Vertretern der Gegenreformation und von den Jansenisten gleichermaßen angegriffen worden war, nicht nur in seiner Lebensführung gerechtfertigt, sondern als Vorbild der Mäßigung und Tugend hingestellt. Dieser Epikur, dem es weder an Frömmigkeit noch an Enthaltsamkeit fehlte, schien gar nicht im Gegensatz zur christlichen Lehre zu stehen, und man brauchte sich nicht mehr zu wundern, daß auch La Mothe le Vayer in seinem Werk über die Tugend der Heiden diesen Philosophen für „des Paradieses nicht unwürdig“ erklärt hatte 10. Ganz so weit geht Saint-Evremond nicht. In seinem an Ninon de Lenclos gerichteten Essay Sur la Morale d’Épicure von 1685 bekennt er sich ausdrücklich zu der hedonistischen Lehre dieses Philosophen und wendet sich sowohl gegen die Feinde Epikurs, die diesen für den größten und gefährlichsten aller Gottlosen halten, als auch gegen dessen Parteigänger, die einen Asketen oder einen frommen Verehrer der Götter aus ihm zu machen suchen. Für Saint-Evremond ist Epikur ein wirklich weiser Philosoph, der seinen Begriff von der Lust und dem Glück mit der Zeit und mit den Gelegenheiten ändert, der sich in der Jugend und Gesundheit den sinnlichen Freuden nicht entzieht und der sich im Alter und in der Krankheit eine „volupté spirituelle“ zu erhalten weiß 11.
9 René Jasinski, Deux Accès à La Bruyère, Paris 1971, S. 60. 10 Vgl. Henri Busson, La Pensée religieuse française de Charron à Pascal, Paris 1933, S. 422. 11 Charles de Saint-Evremond, Œuvres, hg. von René de Planhol, Bd. 1, Paris 1927, S. 16–22, hier S. 19.
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Schon in seinem Brief an den Grafen d’Olonne „Sur les Plaisirs“ aus dem Jahre 1656 bekennt sich Saint-Evremond zu der „volupté spirituelle du bon Épicure“. Er versteht darunter nicht einen Zustand ohne Schmerz und ohne Vergnügen, sondern „das erlesene Gefühl einer reinen Freude, die aus der Ruhe des Gewissens und der Ausgeglichenheit des Geistes hervorgeht“. Dennoch warnt Saint-Evremond davor, sich zu stark auf sich selbst und diese Form des inneren Genusses zu verlassen. Der Schüler Epikurs meint: Pour vivre heureux, il faut faire peu de réflexions sur la vie, mais sortir souvent comme hors de soi, & parmi les plaisirs que fournissent les choses étrangères se dérober la connaissance de ses propres maux.12
Damit nimmt Saint-Evremond Argumente wieder auf, die Montaigne in seinem Essay III, 4 „De la diversion“ vorgebracht hatte. Ausgehend von der persönlichen Erfahrung der Linderung körperlicher und seelischer Leiden durch Ablenkung hatte Montaigne die „diversion“ als legitimes und wirksames Mittel zur Bekämpfung des Schmerzes empfohlen. Ablenkung war für ihn ein Verhalten, das der „condition humaine“ angepaßt ist: „Peu de chose nous divertit et destourne, car peu de chose nous tient.“ Saint-Evremond verdeutlicht den Zusammenhang zwischen „diversion“, Ablenkung im physischen und moralischen Bereich, und „divertissement“, Ablenkung im Sinne von Zerstreuung und Vergnügen, und legt beide Begriffe so aus, daß sie der philosophischen Haltung entsprechen, die nach Montaignes Worten Epikur gefordert hatte, nämlich „de transferer la pensée des choses fascheuses aux plaisantes“ 13. Überdies betont Saint-Evremond, daß die Einsamkeit für den Menschen unheilvoll sei, da er durch sie dem Bewußtsein der „condition humaine“ anheimfalle: Il n’appartient qu’à Dieu de se considérer, et trouver en lui-même et sa félicité et son repos. A peine saurions-nous jeter les yeux sur nous sans rencontrer mille défauts, qui nous obligent à chercher ailleurs ce qui nous manque.
Kurze Zeit nach dem Brief „Sur les Plaisirs“ entstanden Pascals berühmte Fragmente über das „Divertissement“, die direkt gegen die epikureische Lehre Saint-Evremonds gerichtet zu sein scheinen. Der Autor der Pensées will den Menschen zum Nachdenken über seine Lage bringen, und er zieht aus der Beobachtung des menschlichen Verhaltens, das durch stän-
12 Ebd., S. 9–15 (Zitate S. 9 und 14). 13 Montaigne, Essais, hg. von Maurice Rat, Bd. 2, Paris 1962, S. 250–261, hier S. 251 und 258.
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dige Unruhe, gewagte Unternehmungen und das dauernde Bedürfnis nach Ablenkung gekennzeichnet ist, den Schluß, „que tout le malheur des hommes vient d’une seule chose, qui est de ne savoir pas demeurer en repos dans une chambre“. Die eigentliche Ursache für dieses Verhalten sieht Pascal in dem Elend der menschlichen Lage: […] dans le malheur naturel de notre condition faible et mortelle et si misérable que rien ne peut nous consoler lorsque nous y pensons de près.14
Wie es dem Denken Pascals in Paradoxa entspricht, erscheint auch das „divertissement“, das allein den Menschen in seinem Elend tröstet, zugleich als das größte Elend, weil es den Menschen davon abhält, über sich nachzudenken und nach einem sichereren Mittel zu suchen, um den „ennui“ zu überwinden. „Sich nicht suchend, sondern sich fliehend, verdirbt der Mensch jede Gelegenheit zur echten Einsicht in sein Dasein.“ 15 So ist Pascals Verurteilung des „divertissement“, die am Beispiel der Vergnügungen des Königs und der Hofgesellschaft durchgeführt wird, mehr als eine Sittenschilderung oder Zeitkritik. Wiederum steht das moralistische Thema im Dienste der apologetischen Zielsetzung der Pensées. Pascal sucht den Libertin von dem Elend des Menschen zu überzeugen, indem er ihm seine paradoxe Lage vor Augen stellt, die darin besteht, daß er dauernd nach Abwechslung strebt und gleichzeitig fühlt, daß das wirkliche Glück nur in der Ruhe zu finden ist. Der Autor der Pensées will mehr als nur die epikureische Morallehre zurückweisen; es geht ihm darum zu zeigen, „wie der Mensch durch die ‚duplicité‘ seines Wesens oder durch die ‚contrariétés‘ seiner Wünsche dazu gebracht wird, das wahre Ziel der Ruhe auf dem Weg über das ‚divertissement‘ erreichen zu wollen: ‚à tendre au repos par l’agitation‘“ 16. Saint-Evremond ist nicht der einzige Moralist des 17. Jahrhunderts gewesen, dessen Schriften durch die Lehre Epikurs beeinflußt sind. W. Sivasriyananda hat in seinem Buch L’Épicurisme de La Rochefoucauld durch eine Interpretation der Begriffe „l’humeur“, „le hasard“, „l’amourpropre“, wie sie in der Maximensammlung verwandt werden, einen epikureischen Grundzug im Denken La Rochefoucaulds aufgezeigt; und
14 Blaise Pascal, Pensées, éd. Lafuma Nr. 136, éd. Brunschvicg Nr. 139, hier zitiert nach Pensées, in: Pascal, Œuvres complètes (wie Anm. 8), S. 493–641, hier S. 516. 15 Hugo Friedrich, „Pascals Paradox. Das Sprachbild einer Denkform“, in: Zeitschrift für Romanische Philologie 56/1936, S. 322–370, hier S. 352. 16 Margot Kruse, „Die Bedeutung der ‚Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 121–137, hier S. 133.
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Christian Schmidt verfolgt im dritten Kapitel seiner Dissertation über Fontenelles „Nouveaux Dialogues des Morts“ als moralistisches Werk zwischen Preziösentum und Aufklärung den Weg dieses Autors von der preziösen „bienséance“ zur epikureischen „voluptas“. Hier wird Fontenelles Glücksbegriff auf den Hedonismus im Sinne Epikurs zurückgeführt. In der Tat lassen sich Parallelen zwischen den Gedanken SaintEvremonds, den Maximen La Rochefoucaulds und den Reflexionen, die Fontenelle seinen illustren Toten in den Mund legt, aufzeigen. Auch in den Nouveaux Dialogues des Morts aus dem Jahre 1683 finden sich sentenziös zugespitzte Formulierungen, die sowohl in der Thematik als auch in der stilistischen Gestaltung auf die damals so beliebte Maximenliteratur verweisen. So sagt Maria Stuart am Ende des Gespräches mit David Riccio (VI, 3): Le bonheur est comme la santé, il faut qu’il soit dans les hommes sans qu’ils l’y mettent; et s’il y a un bonheur que la raison produise, il ressemble à ces santés qui ne se soutiennent qu’à force de remèdes et qui sont toujours très faibles et très incertaines.17
Diese Reflexion, der die Anschauung zugrunde liegt, daß das Glück nicht etwas ist, das von außen auf den Menschen zukommt, sondern das in ihm gelegen ist, so daß auch kein sicheres Glück nur durch kluges Verhalten gewonnen werden kann, erinnert sowohl im Grundgedanken als auch in der Art der Durchführung des Vergleichs an La Rochefoucauld, der an vielen Stellen seiner Maximensammlung über das menschliche Glück spricht und die Phänomene des moralischen Bereichs besonders häufig durch den Vergleich mit Gesundheit, Krankheit, Heilmitteln und dergleichen veranschaulicht. Hier soll als motivische Parallele nur die Maxime 61 angeführt werden: Le bonheur et le malheur des hommes ne dépend pas moins de leur humeur que de la fortune.
Die Übereinstimmungen in der stilistischen Gestaltung kommen am deutlichsten zum Ausdruck, wenn man La Rochefoucaulds Maxime 392 heranzieht: Il faut gouverner la fortune comme la santé: en jouir quand elle est bonne, prendre patience quand elle est mauvaise, et ne faire jamais de grands remèdes sans un extrême besoin. 17 Bernard Le Bovier de Fontenelle, Nouveaux Dialogues des Morts, hg. von Donald Schier, Chapel Hill 1965, S. 173.
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Parallelen zwischen dem mondänen Epikureismus Saint-Evremonds und Fontenelles lassen sich leicht nachweisen, wenn man den Brief „Sur les Plaisirs“ mit den Überlegungen zu diesem Thema vergleicht, die Elisabeth von England in ihrem Totendialog mit dem Herzog von Alençon (III, 3) zusammenfaßt mit den Worten: Les plaisirs ne sont point assez solides pour souffrir qu’on les approfondisse, il ne faut que les effleurer: ils ressemblent à ces terres marécageuses sur lesquelles on est obligé de courir légèrement sans y arrêter jamais le pied.18
Hinter dieser Reflexion steht ebenso wie hinter dem Brief Saint-Evremonds die Einsicht, daß man den Dingen nicht auf den Grund gehen darf, wenn man sich von Schmerz freihalten will. Beide Moralisten bejahen die flüchtigen „plaisirs“, auch wenn sie keine feste Basis haben oder nur in der Vorstellung der Menschen bestehen. So läßt Fontenelle Elisabeth von England fragen: „Si l’on ôtait les chimères aux hommes, quel plaisir leur resterait-il?“ Selbstverständlich kann der Nachweis solcher motivischer Parallelen und ihrer Herkunft aus epikureischem Gedankengut nur ein erster Schritt zum Verständnis eines Grundzuges der französischen Moralistik des 17. Jahrhunderts sein. Geht man in einer geistesgeschichtlichen Untersuchung der Moralistik im Zeitalter Ludwigs XIV. von „zeitmächtigen Gedankenrichtungen“ wie dem Stoizismus oder dem Epikureismus aus, so besteht das Ziel darin, „den Prozeß der inneren Verbindung persönlichen Wesens mit gegebenen Anschauungen zu verfolgen“19. Das kann im einzelnen jedoch nur in monographischen Studien geschehen. Hier müssen wir uns darauf beschränken, an einzelnen Beispielen zu zeigen, welche geistesgeschichtlichen, literarhistorischen und soziologischen Faktoren besonders zu berücksichtigen sind, wenn man die Gemeinsamkeiten in der Themenstellung und in den Ausdrucksformen der französischen Moralisten erklären will. Dabei gilt es zu beachten, daß Themen und Ausdrucksformen einander bedingen und nicht voneinander losgelöst verstanden werden können. Der Gegenstand der Beobachtung und der Darstellung ist der Mensch und sein Verhalten in der Lebenswirklichkeit und nicht in einer vorgegebenen Hierarchie der Wesen und der Werte. Folglich müssen auch die moralistischen Ausdrucksformen frei von jeder Systematik und ausschnitthaft oder fragmentarisch sein. Da aber die Beobach18 Ebd., S. 93. 19 Gerhard Hess, „Wege des Humanismus im Frankreich des 17. Jahrhunderts. 1. SaintEvremond; 2. Chevalier de Méré“ (1939), in: G. H., Gesellschaft. Literatur. Wissenschaft, München 1967, S. 30–83, hier S. 42 f.
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tung zu einem tieferen Verständnis menschlichen Verhaltens führen soll, muß der Gedanke so zum Ausdruck kommen, daß er über den Einzelfall hinausweist, exemplarischen Charakter gewinnt und den Leser zum Weiterdenken herausfordert. So kommt zu den offenen Formen des Briefes, des Dialogs, des Essays und des Porträts oder der Charakterskizze die Kunstform der Maxime oder des Aphorismus, die seit La Rochefoucauld zu der vorherrschenden Ausdrucksform der Moralistik geworden ist. Sucht man die Entstehung dieser Kunstform historisch zu verstehen, so findet Nietzsches These, daß die französischen Moralisten „ein wichtiges Glied in der großen noch fortlaufenden Kette der Renaissance“ seien, wiederum eine Bestätigung, denn Fritz Schalk schreibt mit Recht: „Antike, humanistische Einflüsse waren für die Entstehung einer solchen Gattung bedingend. […] Die Sprache fand durch die Aufnahme der antiken Welt, durch das Eindringen der antiken Ideen in den scholastischen und religiösen Lehrgehalt erst die Möglichkeit, die geistigen Spannungen, die aus der damaligen Situation erwachsen sind, aufzunehmen und künstlerisch zu lösen. Erst dem so emanzipierten Denken, das die antiken Formen aufgenommen, umgebildet und erweitert hat, waren die verschiedenen Möglichkeiten des Aphorismus gegeben.“ 20 Um die antiken und humanistischen Einflüsse zu verdeutlichen, geht man am besten von den Adagia oder den Apophthegmata des Erasmus aus. Diese Spruchsammlungen sind wie die antiken Florilegien und Gnomologien aus griechischen und römischen Autoren ausgewählt: „Ex optimis utriusque Linguae Scriptoribus collectum“, wie es im Untertitel der Apophthegmata heißt. Sie sind aus humanistischen Bestrebungen hervorgegangen und – ebenso wie die Maximensammlungen der französischen Moralisten – nicht systematisch geordnet. Erasmus, der sich immer wieder gegen die scholastische Art der Gelehrsamkeit gewandt hat, hat auch seine theoretischen Schriften über das Sprachproblem (De lingua) und über die Erziehung des christlichen Fürsten (Institutio principis christiani) nicht in strenger Traktatform, sondern in aphoristischer Form abgefaßt. Er begründet sein Vorgehen damit, daß auf diese Weise die Lektüre erleichtert wird („quo minus onerosa sit lectio“): „einzelne Sätze laden zum Verweilen, zum Nachdenken ein, aber es kann ihnen stärker als in der systematischen Darstellung der Charakter geistiger Spontaneität innewohnen, der sich auf jeder Stufe in neuer Weise äußern kann“ 21. 20 Die französischen Moralisten (wie Anm. 6), Bd. 1, S. XXII und XXIV. 21 Fritz Schalk, „Zur Geschichte des Wortes ‚Aphorismus‘ im Romanischen“, in: Romanische Forschungen 73/1961, S. 40–52, hier S. 42.
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Ein Jahrhundert später hat Francis Bacon die aphoristische Darstellung, die er der methodischen entgegenstellt, auch auf den Bereich der Philosophie übertragen. Sein Novum Organum, das an die Stelle des traditionellen Kanons der Schriften des Aristoteles treten sollte, bezeichnet er als „liber digestus in aphorismos“ 22. Noch wichtiger im Hinblick auf die Entstehung der Maximenliteratur aber sind die Vorformen des Aphorismus in der italienischen und spanischen Moralistik, vor allem bei Guicciardini und bei Gracián. Gerhard Hess ist in seinem Aufsatz „Guicciardini und die Anfänge der moralistischen Literatur“ der Frage nachgegangen, wie sich die Ricordi (deren Abfassung in die Jahre 1512–1530 fällt) in ihrer „Denkbewegung“ von den Maximen La Rochefoucaulds unterscheiden. Er zeigt, daß in den Ricordi, in denen Erfahrungssätze, zumeist aus dem politischen Leben, neu begründet werden, in der Regel der ganze Denkprozeß dargestellt ist. Es fehlt hier noch die aphoristische Verkürzung des Gedankenganges, die bei La Rochefoucauld dadurch bedingt ist, daß die Begründung für das menschliche Handeln nicht genannt, sondern nur indirekt zum Ausdruck gebracht wird: „der Leser der Maximes weiß, daß die Eigenliebe der letzte ‚ressort‘ menschlichen Verhaltens ist. Durch einen Aphorismus wird er aufgefordert, eine ganze Reihe von Voraussetzungen durchzudenken, damit der enigmatische Satz sich als treffend erweist“ 23. Am nächsten im Hinblick auf die Kunstform steht den Maximen La Rochefoucaulds und seiner Nachfolger das Oráculo Manual von Gracián (1647), eine Sammlung von dreihundert Aphorismen, die als Handorakel der Weltklugheit in Deutschland durch Schopenhauers Übertragung besonders bekannt geworden ist. Schon vor der französischen Übersetzung von Amelot de la Houssaye, die 1684 unter dem Titel L’Homme de Cour erschien, hat dieses Werk einen starken Einfluß auf die französische Maximenliteratur ausgeübt. Das ist vor allem aus den Maximes der Mme de Sablé zu erkennen, die der Abbé d’Ailly 1678 gleich nach dem Tode der Marquise ediert hat; denn bei diesen einundachtzig Maximen handelt es sich zum großen Teil um „Übersetzungen oder Paraphrasen von Maximen des Oráculo Manual“ 24. Da die literarische Mode der Abfassung und Diskussion von Maximen im Kreise der Marquise de Sablé besonders gepflegt wurde, ist anzunehmen, daß auch der Einfluß Graciáns auf das Werk La Rochefoucaulds durch die Vermittlung Mme de Sablés zu 22 Ebd., S. 45. 23 Hess, Gesellschaft. Literatur. Wissenschaft (wie Anm. 19), hier S. 20. 24 Liane Ansmann, Die „Maximen“ von La Rochefoucauld, München 1972, S. 34.
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erklären ist. In unserem Zusammenhang aber kommt es weniger auf die bereits häufig nachgewiesenen motivischen Übereinstimmungen zwischen einzelnen Reflexionen beider Autoren an, als vielmehr auf einen „Vergleich zwischen dem Stil La Rochefoucaulds und dem seines großen Vorgängers Gracián“, wie ihn Liane Ansmann 1972 vorgelegt hat 25. Erst nach einem solchen Vergleich wird die Beantwortung der Frage möglich, inwieweit die Kunstform der französischen Moralisten in dem Oráculo Manual vorgebildet ist. Wenn Fritz Schalk von dieser Kunstform sagt, daß sie „in ironischer, witziger, manchmal andeutender oder definierender Weise an den Kern einer Sache rühren und zugleich über sie hinausweisen kann“ 26, so scheint uns das auch für die Aphorismen Graciáns Gültigkeit zu haben, nur daß der spanische Vertreter des Konzeptismus in einem verhüllenden, der französische Moralist dagegen in einem enthüllenden Verfahren vorgeht. Nachdem an diesen Beispielen gezeigt worden ist, daß die ausgeprägteste Kunstform der französischen Moralisten, die Maxime, im Zusammenhang der europäischen Aphorismenliteratur verstanden werden muß, könnte man auf die gleiche Art nachweisen, daß auch die seit La Bruyère so beliebte Form der „caractères“ Nietzsches Behandlung der französischen Moralistik unter dem Titel „Europäische Bücher“ rechtfertigt. Diese Form hat nämlich nicht nur ihr großes antikes Vorbild in den Charakterskizzen des Theophrast, die La Bruyère seinen Caractères vorangestellt hat, sondern schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatten die englischen „character-writers“, ausgehend von der lateinischen Theophrast-Übersetzung des Casaubonus, diese Form aufgenommen und abgewandelt. 1608 erschienen die Characters of Virtues and Vices von dem Anglikaner Joseph Hall, die auch in Frankreich durch die Übersetzung von Loiseau de Tourval und vor allem durch die freie Übertragung von Urbain Chevreau (dessen Ecole du Sage in den Jahren 1652–1667 zehn Auflagen erlebte) weite Verbreitung fand. Neben diesem Werk hat La Bruyère mit Sicherheit die Microcosmographie von John Earle aus dem Jahre 1628 kennengelernt, und zwar auf dem Umweg über die freie lateinische Bearbeitung von Louis du Moulin 27. Die Frage, ob und in welcher Weise die Form des „caractère“ bei La Bruyère durch diese englischen Vorbilder beeinflußt ist, hat die Forschung noch nicht beantwortet. Sicher ist nur, daß nicht La Bruyère Theophrast für Frankreich „entdeckt“ hat, 25 Ebd., S. 252–287. 26 „Zur Geschichte des Wortes ‚Aphorismus‘ im Romanischen“ (wie Anm. 21), S. 49. 27 Pierre Richard, La Bruyère et ses „Caractères“, Amiens 1946, S. 49 f.
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sondern daß er an eine Tradition anschloß, die schon lange vor der ersten Edition seines Werkes, die 1688 erschien, in England und Frankreich lebendig war. In den literarischen Porträts, die seit der vierten Edition seiner Caractères immer mehr in den Vordergrund traten und als Schlüsselporträts interpretiert wurden, verband La Bruyère die Theophrast-Tradition mit Elementen aus den idealisierenden Porträts, die um die Mitte des Jahrhunderts in der preziösen Literatur zu einer besonders beliebten Form geworden waren, so daß man sogar von einer literarischen Porträt-Mode sprechen kann. Die Bedeutung dieser Form zeigt sich nicht nur in den heroisch-galanten Romanen der Mademoiselle de Scudéry, sondern auch in der Porträtsammlung, die 1659 Mademoiselle de Montpensier gewidmet wurde. Noch 1971 wird in der Studie von René Jasinski La Bruyère als Vermittler zwischen dem „portrait réaliste“ (der satirischen Charakterskizze in der Nachfolge Theophrasts) und dem „portrait précieux“ bezeichnet, der sich die verschiedensten Ansätze zu eigen gemacht hat: „Bénéficiant des efforts les plus divers, le ‚portrait‘ de La Bruyère s’est constitué par la concentration et la synthèse de tous les ‚portraits‘ antérieurs.“ 28 Aber es wäre verfehlt, wollte man die Entstehung der moralistischen Kunstformen nur im Hinblick auf die literarischen Einflüsse und Vorbilder erklären. Bei einer in so auffälligem Maße gesellschaftsbezogenen Literatur, wie es die Moralistik des 17. Jahrhunderts gewesen ist, kommt der Frage nach dem Einfluß, den die Gesellschaft und insbesondere das literarische Leben in den Salons auf die Maximen- und Porträtliteratur ausgeübt hat, eine große Bedeutung zu. Beide Formen entstanden im Kreise der aristokratischen Gesellschaft, die nach dem Scheitern der Fronde ihre politische Funktion verloren hatte. An die Stelle des alten „gloire“-Begriffes, der sich nicht mehr verwirklichen ließ, trat das Ideal der „honnêteté“, das auf das gesellige Leben ausgerichtet war. Das Bild des Helden wurde ersetzt durch das Ideal des „honnête homme“, das im Laufe des Jahrhunderts Wandlungen unterworfen war, aber in jedem Fall den Maßstab abgab, an dem in der moralistischen Literatur gemessen wurde. Mit Recht hat Paul Bénichou die entscheidende Wandlung in der Moralauffassung des 17. Jahrhunderts in der „démolition du héros“ 29 gesehen, in der Zerstörung des Heldenideals, das aus den Wertbegriffen der feudalistischen Gesellschaft erwachsen war und in der Renaissance aus dem antiken Ruhmesgedanken neue Impulse gewonnen hatte. Welche 28 Deux Accès à La Bruyère (wie Anm. 9), S. 25. 29 Morales du grand siècle (1948), Paris 1967, S. 155–180.
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Bedeutung diesem aristokratischen Heldenideal zu Zeiten Richelieus und Mazarins zukam, läßt sich aus dem Bild des Helden in den Meisterwerken Corneilles ablesen. Seine Helden sollen Bewunderung erwecken; die ritterlichen Tugenden, Ruhm und Ehre, sind in Corneilles Dramen Zentralbegriffe, deren Gültigkeit und absoluter Wert in keiner Weise in Frage gestellt wird. Das ist in der Moralistik der zweiten Jahrhunderthälfte – bei Pascal, La Rochefoucauld, Fontenelle und La Bruyère – anders. In der Kritik an dem für den Corneilleschen Helden entscheidenden Ruhmesbegriff, der aus jansenistischer Sicht als eine Form der „libido dominandi“ erscheint, läßt sich der Einfluß erkennen, den die rigoristische Morallehre Port-Royals auf den Abbau des ritterlichen Tugendbegriffs ausgeübt hat. In der Überwindung des aristokratischen Heldenideals wirkten politische, soziologische und religiöse Faktoren zusammen. Andererseits sind alle diese Faktoren auch an der Ausbildung des neuen Leitbildes des „honnête homme“ beteiligt. Der Herzog von La Rochefoucauld, dessen Selbstporträt aus dem Jahre 1659 bereits an der neuen Zielvorstellung der „honnêteté“ ausgerichtet ist, war selbst an der Fronde beteiligt gewesen. Erst nach dem Sieg des Absolutismus zog er sich von dem politischen Leben zurück, schrieb seine historischen Memoiren und widmete sich dann der Gestaltung und Umgestaltung seiner Maximen, die sich an die „honnêtes gens“ seiner Zeit richten und durch eine neue Form der Menschenbeobachtung und des moralistischen Ausdrucks gekennzeichnet sind. Nicht die Schilderung der „condition humaine“ am Beispiel der Einzelpersönlichkeit steht im Mittelpunkt wie in den Essays von Montaigne, und der Leser soll auch nicht zu einer „sagesse personnelle“ angeleitet werden wie in dem Werk Charrons, sondern La Rochefoucauld analysiert auf kunstvolle Weise das Verhalten des Menschen in der Gesellschaft. Für seine Maximen gilt in besonderem Maße, was Norbert Elias allgemein für die Moralistik des Ancien Régime ausgeführt hat: „Diese höfische Kunst der Menschenbeobachtung ist um so wirklichkeitsnäher, als sie niemals darauf abgestellt ist, den einzelnen Menschen für sich allein zu betrachten, wie ein Wesen, das primär aus seinem Inneren die wesentlichen Gesetze und Züge empfängt. Man betrachtet vielmehr innerhalb der höfischen Welt das Individuum immer in seiner gesellschaftlichen Verflochtenheit, als ‚Menschen in seiner Beziehung zu anderen‘.“ 30 Neben diesen gesellschaftlichen Voraussetzungen, die mit
30 Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Neuwied/Berlin 1969, S. 159.
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der politischen Entwicklung in engstem Zusammenhang stehen, hat Gerhard Hess auch auf die religiösen Einflüsse hingewiesen, die für die Entstehung der Maximen La Rochefoucaulds von Bedeutung gewesen sind: „,Honnêteté‘ als Norm und als Selbstverständnis der Gesellschaft, ernste Besinnung auf das Wesen des Menschen als Impuls, der vornehmlich von den Jansenisten kommt, bilden das geistige Klima, in dem die aphoristische Literatur gedeiht und ihre ‚soziabelste‘ Form, die Maxime, entwickelt.“ 31 Die Gesellschaftsgebundenheit des „honnête homme“-Ideals läßt sich auch an dem Selbstporträt La Rochefoucaulds veranschaulichen. Auf die Schilderung des Äußeren, in der das Schema der Beschreibung der Gestalt und der Gesichtszüge in den idealisierenden Porträts der heroisch-galanten Romane ironisch abgewandelt wird, folgt die moralistische Darstellung des Charakters, bei der die Beurteilung der Eigenschaften und Verhaltensweisen von den Regeln der „honnêteté“ bestimmt ist. La Rochefoucauld leitet diesen Teil seines Porträts ein mit der Bemerkung, er habe sich selbst genug studiert, um sich genau zu kennen, und es fehle ihm weder an Selbstsicherheit, um offen zu sagen, was er an guten Eigenschaften besitze, noch an Aufrichtigkeit, um zu bekennen, was er an Fehlern habe. Diese Aufrichtigkeit gehört zu den Forderungen echter „honnêteté“; das bestätigt die Maxime 202: Les faux honnêtes gens sont ceux qui déguisent leurs défauts aux autres et à eux-mêmes. Les vrais honnêtes gens sont ceux qui les connaissent parfaitement et les confessent.
Die negativen Züge seines Charakterbildes führt La Rochefoucauld auf sein melancholisches Temperament zurück, das einen Mangel an Aufgeschlossenheit in der Gesellschaft zur Folge hat, die positiven Eigenschaften dagegen auf den „esprit“, der Witz, Kombinationsvermögen und ein sicheres Urteil umfaßt und sich im geselligen Leben insbesondere in der geistvollen Konversation bewährt. Das moralistische Thema der Unterhaltung, das im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder behandelt worden ist, gewinnt auch in dem Selbstporträt eine besondere Bedeutung. „La conversation des honnêtes gens est un des plaisirs qui me touchent le plus […]“, beginnt der Abschnitt, in dem La Rochefoucauld seine Vorliebe für die ernsthafte Unterhaltung über Fragen des menschlichen Verhaltens und Handelns hervorhebt, aber sogleich hinzufügt, er wisse auch 31 „Zur Entstehung der Maximen La Rochefoucaulds“ (1957), in: Gerhard Hess, Gesellschaft. Literatur. Wissenschaft (wie Anm. 19), S. 84–99, hier S. 90.
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zu schätzen, was ein heiteres Gespräch oder gut formulierte Scherze wert sind, „ce que valent les bagatelles bien dites“ 32. Dieser Form der Konversation wurde im 17. Jahrhundert durch den Einfluß des Preziösentums ein besonderer Wert beigemessen. Der „honnête homme“ muß sich auf alles verstehen, was in der Gesellschaft Wohlgefallen erregt; alle Werte sind auf das Zusammenleben eines erlesenen Kreises bezogen. Literarhistorisch gesehen geht dieses Ideal auf das Bild des Hofmannes zurück, das Baldassare Castiglione in seinem Cortegiano von 1528 entwickelt hatte. In dem Traktat L’honnête homme ou l’art de plaire à la cour hat Nicolas Faret ein Jahrhundert später ganze Passagen aus diesem Werk übernommen. Aber Faret, der selbst nicht dem Adel angehörte, wandelte das Bild des Hofmannes, das aus der Perspektive der italienischen Fürstenhöfe der Renaissance entworfen war, mit dem Ziel ab, einen „honnête homme“ heranzubilden, der zugleich ein „homme de bien“ genannt werden kann. Es ist dieses die in erster Linie von den bürgerlichen Autoren vertretene Konzeption, in der die moralischen Werte im Vordergrund stehen. Mit der Ausbildung des kultivierten geselligen Lebens am Hofe und in den Salons und mit der immer stärker werdenden Ablehnung des Spezialistentums und der Pedanterie, gegen die sich schon Montaigne gewandt hatte, trat in der zweiten Jahrhunderthälfte ein noch mehr auf die weltmännischen Fähigkeiten ausgerichtetes Bild des „honnête homme“ in den Vordergrund. Als Lehrmeister dieser aristokratischen Auffassung gilt mit Recht der Chevalier de Méré. Für ihn ist die „vraie honnêteté“ die Quintessenz aller Tugenden; sie führt den Menschen zum Glück und steht im Zentrum der Lebensgestaltung. Das Verhalten wird nicht in erster Linie nach moralischen Wertmaßstäben beurteilt, sondern nach der Wirkung auf die Gesellschaft, zu der damals nur „la cour et la ville“ gehörten 33. Das Gute ist gleichbedeutend mit dem, was sich schickt und Wohlgefallen erregt. Es ist das elitäre Ideal einer finanziell unabhängigen Gruppe, die nicht auf Broterwerb angewiesen ist. Jeder Beruf im bürgerlichen Sinne wird als Einschränkung und Spezialisierung empfunden und folglich abgelehnt. Der Chevalier de Méré schreibt in seinem ersten Discours De la vraie Honnêteté: Ce n’est donc pas un métier, que d’être honnête-homme; et si quelqu’un me demandoit en quoi consiste l’honnêteté, je dirois que ce n’est autre chose que 32 „Portrait de M. R. D. fait par lui-même“, in: La Rochefoucauld, Maximes (wie Anm. 6), S. 253–258 (Zitat S. 255). 33 Erich Auerbach, „La cour et la ville“, in: E. A., Vier Untersuchungen zur Geschichte der französischen Bildung, Bern 1951, S. 12–50.
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d’exceller en tout ce qui regarde les agrémens et les bienséances de la vie […] 34.
In dieser hedonistischen Auffassung von der „honnêteté“, auf die sich eine „morale du monde“ gründet, die von den strengen Vertretern der christlichen „morale de la charité“ heftig angegriffen wurde, stimmt auch das Ideal des „honnête homme“ nicht mehr mit dem Begriff des „homme de bien“ überein, zumal dieser Begriff im Laufe des Jahrhunderts einen „sens religieux de plus en plus prononcé“ annimmt 35. Während der Chevalier de Méré zwischen Frömmigkeit und „honnêteté“ keinen Gegensatz sieht, sondern meint: „la dévotion et l’honnêteté vont presque les mêmes voïes“ 36, wenden sich nicht nur Jansenisten wie Pierre Nicole in seinen Essais de morale, sondern auch Jesuiten wie der Kanzelredner Bourdaloue scharf gegen die von der weltlichen „honnêteté“ bestimmte Moral. In Bourdaloues Predigt „Sur le reniement de saint Pierre“ z. B. heißt es: La morale de Jésus-Christ et celle du monde ont des principes tout différents. Par conséquent, s’attacher à l’une, c’est renoncer à l’autre.37
Gegen Ende des Jahrhunderts wird der „honnête homme“-Begriff nicht nur unter religiösen Aspekten kritisiert, sondern auch unter rein moralischen Gesichtspunkten. Der Verfall dieses Ideals kommt besonders klar zum Ausdruck im fünfundfünfzigsten Abschnitt des Kapitels „Des Jugements“, den La Bruyère in der siebten Edition der Caractères 1692 hinzugefügt hat. Hier ist der „honnête homme“ bereits weit davon entfernt, ein „homme de bien“ zu sein. Dafür nähert er sich täglich mehr dem Bild des „habile homme“, der „seine Leidenschaften verbirgt, seinen Vorteil wahrzunehmen versteht, dafür mancherlei opfert, Vermögen zu erwerben oder zu erhalten weiß“: L’habile homme est celui qui cache ses passions, qui entend ses intérêts, qui y sacrifie beaucoup de choses, qui a su acquérir du bien ou en conserver.38
34 Chevalier de Méré, Œuvres posthumes, hg. von Charles-H. Boudhors, Paris 1930, S. 70. 35 André Lévêque, „,L’honnête homme‘ et ‚l’homme de bien‘ au XVII e siècle“, in: Publications of the Modern Language Association 72/ 1957, S. 620–632, hier S. 625. 36 Chevalier de Méré, Œuvres posthumes (wie Anm. 34), S. 101. 37 Zitiert bei Lévêque, „,L’honnête homme‘ et ‚l’homme de bien‘ au XVII e siècle“ (wie Anm. 35), S. 627. 38 Jean de La Bruyère, „Des Jugements“ 55, in: La Bruyère, Les Caractères de Théophraste traduits du grec avec Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle, hg. von Robert Garapon, Paris 1962, S. 367; dt. Übers. in: La Bruyère, Die Charaktere oder Die Sitten des Jahrhunderts, hg. von Gerhard Hess, Leipzig 1940, S. 299.
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Der „honnête homme“, der noch wenige Jahre zuvor als Inbegriff aller anerkannten ethischen und ästhetischen Werte gegolten hatte, ist jetzt Zielpunkt einer scharfen Satire: L’honnête homme est celui qui ne vole pas sur les grands chemins, et qui ne tue personne, dont les vices enfin ne sont pas scandaleux.39
Als La Bruyère dieses Urteil fällte, lebten La Rochefoucauld und der Chevalier de Méré nicht mehr, die Gesellschaftskultur des Zeitalters Ludwigs XIV. hatte ihren Höhepunkt bereits überschritten und die Epoche des Übergangs war angebrochen, die Paul Hazard als „die Krise des europäischen Geistes“ bezeichnet hat 40. In Frankreich fand diese Krise zunächst ihren Ausdruck in der berühmten Auseinandersetzung um die Vorbildlichkeit der Geisteswerke der Antike, in der „Querelle des Anciens et des Modernes“. In diesem Streit hat La Bruyère den Standpunkt der „Alten“ verteidigt. Seinen Caractères, die in den ersten Editionen noch weit mehr eine Synthese des Bestehenden als ein Ausdruck der Krise sind, stellte er die Übersetzung der Charaktere des Theophrast voran, da er meinte, durch die Autorität des antiken Moralisten das Ansehen seines eigenen Werkes steigern zu können. In dieser Hinsicht war La Bruyère ganz traditionsgebunden. Seit der vierten Edition von 1689, in der der Autor den Umfang seines Werkes nahezu verdoppelt hat, aber zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß La Bruyère nicht nur am Abschluß eines Zeitalters steht und die Summe aus der Moralistik des vergangenen Jahrhunderts zieht, sondern daß seine Form der Menschenbeobachtung und Darstellung zugleich vorausweist auf die Gesellschaftskritik der Aufklärung und die Moralistik des 18. Jahrhunderts. Schon in den ersten Editionen der Caractères finden sich die gleichen sechzehn Kapitel wie in der endgültigen Sammlung, aber im Vordergrund stehen nicht, wie man es nach dem Titel und der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Werk Theophrasts erwarten würde, die Porträts und Charakterskizzen, die in ihrer thematischen und formalen Vielfalt den besonderen Reiz der späteren Fassungen ausmachen, sondern die Sammlung besteht fast ausschließlich aus Maximen und Reflexionen, in denen – wie in den Pensées Pascals oder in den Maximes La Rochefoucaulds – über das Wesen und das Verhalten des Menschen im allgemeinen gesprochen wird. Seit der Ausgabe von 1689 dagegen führt nicht nur die Darstellung 39 Ebd. 40 La Crise de la conscience européenne (1680–1715), 3 Bde., Paris 1935 (dt. Übers. Hamburg 1939).
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immer mehr „de la généralité à l’individualité, de la règle morale au portrait“ 41, sondern auch die Gesellschaftskritik wird schärfer und zeitbezogener. Die Verhaltensweisen des Menschen erklären sich nicht mehr allein aus seinen Charaktereigenschaften, den „qualités de l’esprit et du cœur“, die als gegeben hingenommen werden, sondern auch aus den materiellen und sozialen Voraussetzungen, die La Bruyère als erster bewußt in die Schilderung einbezieht. So erscheint in der sechsten Edition (1691) am Ende des Kapitels „Des Biens de fortune“ erstmals das berühmte Doppelporträt von Giton und Phédon, an dem sich der Wandel der Betrachtungsweise besonders deutlich zeigen läßt. Was neu ist an der kunstvollen Gegenüberstellung der gegensätzlichen Verhaltensweisen, ist nicht – wie Serge Doubrovsky meint – in erster Linie die stilistische Gestaltung mit ihrer künstlichen Symmetrie, die es dem Autor erlauben soll, in einer „écriture paradoxale“ die objektiv zerfallene klassische Ordnung „willkürlich“ wiederherzustellen 42, sondern das Neuartige beruht darauf, daß La Bruyère die Wirkung der materiellen Verhältnisse auf den Charakter in überraschender Weise sichtbar macht. Der Schlüssel zum Verständnis des Verhaltens wird jeweils erst am Schluß in einer lakonischen Wendung gegeben; Giton ist reich: „Il est riche“; Phédon ist arm: „Il est pauvre“ 43. Mit Recht schreibt Ulrich Schulz-Buschhaus in seiner Analyse dieses Doppelporträts: „Zwei konträre Charaktertypen – der Selbstbewußte und der Schüchterne –, deren Verschiedenheit einem typischen Moralisten der klassischen Zeit als naturgegebene Verschiedenheit der Temperamente kaum weiter problematisch erschienen wäre, werden von La Bruyère in ihrer Gegensätzlichkeit nicht mehr ungefragt hingenommen, sondern auf außerordentlich pointierte Weise durch ihre konträre wirtschaftliche Lage erklärt.“ 44 Der Beruf und die soziale Stellung spielen im Werk La Bruyères eine wichtige Rolle. Für Pascal war die Position, die ein Mensch in der Gesellschaft einnimmt, unwesentlich, da die paradoxe Verbindung von Größe und Elend des Menschen, auf die es in dem moralistischen Teil der Pensées allein ankommt, für alle Stände gleichermaßen gilt; und für La Rochefoucauld, der ohnehin nur in den Kreisen der „honnêtes gens“ ver-
41 Louis van Delft, La Bruyère moraliste. Quatre études sur les „Caractères“, Genève 1971, S. 26. 42 „Lecture de La Bruyère“, in: Poétique 2/1970, S. 195–201, hier S. 200. 43 La Bruyère, Des Biens de fortune 83, in: Les Caractères (wie Anm. 38), S. 203–205. 44 „Die historische Position des Giton-Phédon-Porträts von La Bruyère“, in: Romanistisches Jahrbuch 21/1970, S. 139–151, hier S. 147.
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kehrte, die keine Berufstätigkeit auszuüben brauchten, wäre es undenkbar gewesen, die verschiedenen Formen menschlichen Handelns und Verhaltens nicht auf psychologische Motive, sondern auf materielle und soziale Gegebenheiten zurückzuführen. La Bruyère aber, der sich vor allem in dem Kapitel „Du Cœur“ als ein getreuer Nachfolger La Rochefoucaulds und in dem Kapitel „Des Esprits forts“ als ein guter Kenner der Pensées erweist, spricht nicht nur allgemein über das Wesen des Menschen und die Motive seines Verhaltens, sondern er richtet sein spezielles Interesse auf die verschiedenen Gesellschaftskreise seiner Zeit; er beobachtet den fragwürdigen Aufstieg der Steuerpächter oder den wachsenden Einfluß der „directeurs“, die das Gewissen der Damen der Gesellschaft leiten, und er schildert die allzu weltlichen Formen der Beredsamkeit der Kanzelredner, deren Predigten zu einem Schauspiel oder zu einer Art „amusement“ geworden sind 45. La Bruyères Sittenschilderung überschreitet sogar den Rahmen dessen, was man im 17. Jahrhundert als „la société“ zu bezeichnen pflegte. In dem Kapitel „De l’Homme“ findet sich seit der vierten Edition der vielzitierte Abschnitt über das Elend der Bauern, die den anderen Menschen die Mühe des Pflügens, des Säens und der Ernte ersparen und es wohl verdienten, daß ihnen das Brot nicht fehle, das sie gesät haben: „de ne pas manquer de ce pain qu’ils ont semé“ 46. Hier wird einmal die soziale Kritik ganz deutlich, aber das bleibt eine Ausnahme und darf nicht überschätzt werden. Wohl konnte die Gesellschaftskritik der Aufklärung unmittelbar an die Sittenschilderung in den Caractères anschließen, aber revolutionäre Ideen sucht man in diesem Werk vergebens. La Bruyère gehörte dem gehobenen Bürgertum an, das seinen Aufstieg dem Schutz des Königs verdankte, war es doch schon seit der vorabsolutistischen Epoche der aufstrebende Bürgerstand, „der den Herrscher gegenüber dem Hochadel stützte und dessen Schutz gegen die Übergriffe der ‚Großen‘ genoß“ 47. Spuren dieser politischen Konstellation, die zu einer Bindung des Bürgertums an den König geführt hatte, sind noch in den Caractères zu erkennen. La Bruyère schreibt zum Lobe Ludwigs XIV. das Kapitel über den Herrscher und ist von einer Kritik am Absolutismus weit entfernt. Die konservative Haltung, die für die französischen Moralisten von Montaigne bis La Bruyère so bezeichnend ist, soll abschließend durch 45 Vgl. La Bruyère, De la Chaire 1, in: Les Caractères (wie Anm. 38), S. 445. 46 La Bruyère, De l’Homme 128, in: Les Caractères (wie Anm. 38), S. 339. 47 Hess, „Einleitung“ zu: La Bruyère, Die Charaktere (wie Anm. 38), S. XII.
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«Le Sermon». Illustration von Lepautre (1618–1682) in den «Caractères» von La Bruyère
einen Rückblick auf die politischen Anschauungen und das Menschenbild des 17. Jahrhunderts erklärt werden. Auch diejenigen, die wie Pascal und vor ihm schon Montaigne die Fragwürdigkeit von Gesetz und Macht klar durchschaut hatten und wußten, daß beide nicht auf Vernunft und Gerechtigkeit, sondern auf Zufall und Gewohnheit beruhen, waren der Überzeugung, daß man sich der Macht unterordnen und dem Gesetz gehorchen müsse, „nicht weil dies Gesetz gerecht sei, sondern weil es gelte, da man nicht hoffen dürfe, ein besseres zu finden, und die Unruhe,
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die mit jedem Wechsel verbunden sei, ein sicheres Übel darstelle; ein Übel, das sich und anderen aufzubürden nicht lohne, da die neue Gewohnheit nicht besser oder sinnvoller sein würde als die alte“ 48. So verschieden die rigoristische religiöse Reformbewegung des Jansenismus und die rein weltliche, gesellschaftsgebundene Lehre der „honnêteté“ waren, in der Ablehnung jedes gewaltsamen Umsturzes und in der Forderung, sich der bestehenden Ordnung zu unterwerfen, stimmen sie überein. Wie die Solitaires von Port-Royal folgerte auch Pascal aus der augustinischen Lehre von der Verderbtheit der Welt und des Menschen, daß der Christ kein Recht habe, sich der Macht dieser Welt zu widersetzen, „da er selbst sich im gleichen Stande der Sünde befindet“; und La Rochefoucauld folgte der „Sittenvorschrift für den ‚honnête homme‘“, die vorschrieb, „sich den bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Mächten zu unterwerfen“ und „im Bestehenden und Gefügten seinen richtigen Platz zu erkennen“ 49. Für La Bruyère war weder die Lehre der Jansenisten noch die Regel der aristokratischen „honnêteté“ verbindlich, aber auch er hielt es für das Vernünftigste und Sicherste, die Regierungsform, in der „man geboren ist, für die beste von allen anzusehen und sich ihr zu unterstellen“: „Ce qu’il y a de plus raisonnable et de plus sûr, c’est d’estimer celle où l’on est né la meilleure de toutes, et de s’y soumettre.“ 50 Der Auffassung, daß man den Menschen ändern und die Gesellschaft verbessern könne, hat erst die Aufklärung zum Durchbruch verholfen.
48 Erich Auerbach, „Über Pascals politische Theorie“ (1957), in: E. A., Gesammelte Aufsätze zur Romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 204–221, hier S. 205. 49 Ebd., S. 207 und 213. 50 La Bruyère, Du Souverain ou de la République 1, in: Les Caractères (wie Anm. 38), S. 275.
Sagesse et folie dans l’œuvre des moralistes «Sagesse et folie»: ce couple antithétique de concepts, paradoxalement solidaires, compte parmi les thèmes auxquels les moralistes français de la fin du XVIe et du XVIIe siècle accordent une importance essentielle, importance que ces concepts ne conserveront pas dans une autre conjoncture spirituelle, au Siècle des Lumières, quoique l’opposition ait été reprise encore assez souvent par les auteurs du XVIIIe siècle. Tout comme les couples antithétiques «l’esprit et le cœur», ou «les vertus et les vices», cette opposition peut illustrer de façon exemplaire la continuité de la thématique et des formes d’expression des moralistes français, de Montaigne à Chamfort. Le thème «sagesse et folie» renfermant la relation paradoxale et le renversement des deux concepts, il est en outre possible de l’utiliser comme point de départ d’une analyse des diverses traditions sur lesquelles repose la réflexion sur la «condition humaine» chez les moralistes français. La difficulté spécifique de ce thème réside en la complexité des deux concepts, qui englobent différentes acceptions, et portent le cachet de différentes traditions philosophiques, religieuses et littéraires. C’est ainsi que le concept de sagesse, pour lequel Montaigne utilise également le synonyme sapience, doit être considéré d’une part dans l’ensemble des doctrines de la sagesse antiques, parmi lesquelles l’idéal de sagesse stoïcien acquiert une signification particulière, d’autre part dans l’ensemble des doctrines de la sagesse bibliques, telles qu’elles sont exprimées dans les «livres sapientiaux» de l’Ancien Testament. Dans le cadre de notre exposé, il nous faudra insister particulièrement sur l’opposition entre la «sagesse divine» et la «sagesse de ce monde». Dans son étude sémantique des concepts de sagesse et sapience, Fritz Schalk a montré l’abondance de significations qu’il est déjà possible de relever pour ces concepts synonymes dans la littérature du Moyen Age et de la Renaissance. En ce qui concerne les Essais de Montaigne et les écrits de philosophie morale de Guillaume du Vair, il constate que les frontières entre les expressions science, sagesse, sapience, prudence sont devenues floues, et il trouve là, précisément, le reflet de la
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situation du XVIe siècle qui poursuit nombre de traditions déjà indiquées 1. On ne peut mettre en doute l’importance essentielle du concept de sagesse chez les moralistes français du XVIIe siècle. Cette importance s’explique surtout par l’influence très forte de la morale stoïcienne, qui aboutit à la fin du XVIe siècle en France au néo-stoïcisme. Cette doctrine, qui apparaît à l’époque des guerres de religion, avec Juste Lipse, Guillaume du Vair et quelques disciples de la Réforme, s’efforce de fondre les stricts principes chrétiens avec la morale de Sénèque et d’Épictète. En 1583, Juste Lipse publie son dialogue De Constantia, tout imprégné de la pensée stoïcienne 2. En 1585 paraît le traité De la philosophie morale des Stoïques de Guillaume du Vair, qui sera réédité souvent dans ses Traités philosophiques, parmi lesquels on trouve également la traduction française de l’Enchiridion d’Épictète. Pendant presque tout le XVIIe siècle, les écrits de philosophie morale de Sénèque et le Manuel d’Épictète, au centre desquels se trouve la «sagesse», ou, plus exactement, la personne du «sage», restèrent en vogue, et on peut dire avec Julien-Eymard: «Qu’il y ait eu en France de 1600 à 1670 un fort courant stoïcien, il suffirait pour le prouver d’énumérer les éditions et les traductions faites alors d’Épictète et de Sénèque.» 3 Dans la philosophie morale stoïcienne, la sagesse est présentée comme un concept uniquement positif. La «sagesse du sage» est le but suprême de toute activité philosophique du stoïcien. Le point de départ de la morale de Sénèque et d’Épictète est l’idée que tout mal dérive des passions dont l’homme doit se libérer par le moyen de la raison, pour atteindre à son but véritable: la tranquillité de l’âme ou l’ataraxie. Ainsi, le sage devient indépendant du destin, de la fortune, car – par le juste usage de la raison – il entre en harmonie avec l’ordre du cosmos et se libère véritablement 4. À côté de cet idéal stoïcien du sage, il faut se représenter surtout le concept biblique de la sapientia dans ses diverses acceptions, afin de con-
1 Cf. Fritz Schalk, «Sapience und Sagesse», in: Romanische Forschungen 65/1954, pp. 241–255, cit. p. 251. 2 Ce dialogue sera réédité dix-huit fois en une décennie. 3 Art. «Stoïcisme», in: Georges Grente et al. (éd.), Dictionnaire des Lettres Françaises. Le dix-septième siècle, Paris 1954, pp. 962–966, cit. p. 962. 4 Cf. Anthony Levi, S. J., French Moralists. The Theory of the Passions, 1585–1649, Oxford 1964, chap. 4: «Sagesse» (pp. 74–111).
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cevoir avec exactitude les différentes définitions de la sagesse et l’opposition sagesse et folie chez les moralistes du XVIIe siècle. Les livres de la Sagesse de l’Ancien Testament entendent d’abord par le concept de sophia ou sapientia la «sagesse divine», partant de la conviction que Dieu seul possède la pleine sagesse, ou que toute sagesse vient de Dieu. Pour l’homme, la vraie sagesse consistera donc en l’exécution de la volonté divine, car «la crainte du Seigneur est le début de la sagesse» 5. Dans les Proverbes de Salomon, il s’agit d’une sagesse que l’on peut enseigner et apprendre: «Le but du livre des Proverbes est d’apprendre la sagesse à ceux qui ne la connaissent pas et de la faire mieux connaître à ceux qui la connaissent déjà.» 6 Ce Livre des Proverbes est particulièrement important pour notre propos, la Sagesse y étant déjà personnifiée et confrontée à la Folie d’une manière très efficace. Dès le premier chapitre, la Sagesse fait entendre sa voix dans les rues et aux portes de la ville pour mettre en garde les insensés: Jusques à quand, sots, aimerez-vous la sottise, Les moqueurs se complairont-ils dans la raillerie, Et les insensés haïront-ils la science? (1, 22)
La Sagesse apparaît comme le but suprême de toute aspiration humaine; elle conduit à la vie, tandis que les insensés ne peuvent attendre que la mort et la ruine: Car l’égarement des sots les tue, Et l’insouciance des insensés les perd. (1, 32)
La Sagesse personnifiée s’attribue elle-même les plus hautes vertus spirituelles et morales: Moi, la Sagesse, j’ai pour amie la Prudence, Je possède une science réfléchie. (8, 12) Je marche dans le chemin de la justice, Au milieu du sentier de l’équité. (8, 20)
Au neuvième chapitre, le «banquet de la Folie» est confronté au «banquet de la Sagesse». Ici également, la folie apparaît personnifiée, comme
5 Livre des Proverbes, 1, 7; 9, 10. Les textes de la Bible sont cités d’après l’Édition de Maredsous: La Sainte Bible, Version nouvelle d’après les textes originaux par les moines de Maredsous, Braine-le-Comte (Belgique) 1962. 6 Notes sur le Livre des Proverbes, 1–2 (ibid., p. 796).
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au XVIe siècle dans l’Éloge de la Folie d’Érasme et dans le Débat de Folie et d’Amour de Louise Labé. Le Livre des Proverbes cependant présente la Folie comme nettement négative: Dame Folie est agitée, Une sotte qui ne sait rien. (9, 13)
Elle s’installe à la porte de sa maison pour inviter les passants: «Que le simple entre ici!» (9, 16). À l’opposé du festin auquel la Sagesse convie «ceux qui manquent de sens», afin qu’ils participent à la sapientia, ce festin auquel Dame Folie convie les insensés a «l’attrait du fruit défendu» 7. À côté de cette conception tout à fait négative de la folie, et de cette exaltation de la sagesse, nous trouvons dans l’Ancien Testament d’autres oppositions entre la sagesse et la folie, notamment dans le Livre de l’Ecclésiaste 8. Une conception négative de la «sagesse de ce monde» trouve à plusieurs reprises sa résonance chez les prophètes Isaïe et Jérémie, qui condamnent les Sages présomptueux: Malheur à ceux qui sont sages à leurs propres yeux, Et avisés à leur propre sens! (Is. 5, 21) Les sages, consternés et pris, Seront couverts de confusion. Ils ont rejeté la parole du Seigneur; Quelle sagesse auraient-ils alors? (Jér. 8, 9)
La bivalence du concept «sagesse-folie», si importante pour la compréhension des deux termes chez les moralistes du XVIIe siècle, apparaît seulement dans le Nouveau Testament, plus spécialement dans la Première épître aux Corinthiens. Saint Paul part du concept de la «folie de la Croix», qui confond la «sagesse du monde». L’opposition essentielle entre la «sagesse divine» et la «sagesse du monde» se trouve au premier chapitre, verset 21: Puisque le monde, avec sa sagesse, n’a point reconnu Dieu dans la sagesse divine, il a plu à Dieu de sauver les croyants par la folie de son message.
En référence à la doctrine de la Croix, «scandale pour les Juifs, folie pour les païens; mais pour les élus […] force de Dieu et sagesse de Dieu», le paradoxe est poussé à l’extrême au verset 25:
7 Livre des Proverbes, 9, 17 et note 9, 17 (ibid.). 8 L’Ecclésiaste, 1, 16–17; 2, 3; 2, 12–16; 7, 5; 7, 25; 9, 17; 10, 1–3; 10, 12–14.
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Car la folie de Dieu est plus sage que les hommes; la faiblesse de Dieu est plus forte que les hommes.9
Ce passage – avec d’autres passages de la Bible à l’éloge de la Folie – est cité par Érasme dans son Morias enkomion seu laus stultitiae, qui parut en 1511, connut un grand succès et fut traduit en français dès 1520 10. Dans cet Éloge de la Folie, plein d’ironie sereine, Stultitia chante sa propre louange. Il s’agit ici d’un encomium satirique, dans lequel Érasme – comme l’a montré Joël Lefebvre 11 – dégage successivement trois acceptions différentes de la folie. La première partie, tout imprégnée de réminiscences de l’Antiquité, est dominée par la «folie créatrice», c’est-à-dire la folie au sens positif, dans sa relation avec le plaisir, la passion ou l’illusion, sans lesquels la vie et le bonheur ne seraient pas possibles. Cet aspect de la folie, en opposition absolue avec la sagesse stoïcienne, acquerra pour Montaigne une signification particulière 12. Dans la deuxième partie, où règnent la critique de l’époque et la satire, il s’agit de l’aspect négatif de la «folie des hommes». Dans la troisième enfin – qui marque le sommet de l’ouvrage –, Stultitia, reprenant les termes de l’Ancien Testament, se tourne contre ceux qui se croient sages. Elle exalte sa propre représentation jusqu’à un éloge de la «folie de l’Évangile et de l’extase mystique»13. Érasme adopte ici l’union et le renversement paradoxal de folie et sagesse, qui se trouve dans la Première épître aux Corinthiens 14. Chez Érasme, la figure de Stultitia acquiert des traits divers. Au trentehuitième chapitre, elle distingue elle-même entre «deux sortes de démence»: une folie funeste et dévastatrice, opposée à une folie créatrice et positive. De plus, à la fin de l’Éloge, la Stultitia positive et chrétienne, au sens de Saint Paul, est liée à la conception antique d’une folie au sens positif
9 Cf. I Corinthiens, 1, 17–28; 2, 12–14; 3, 18–20. Quant à l’exégèse théologique et historique de l’opposition «sagesse et folie» voir Ulrich Wilckens, Weisheit und Torheit. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu I. Kor. 1 und 2, Tübingen 1959. 10 De la declamation de louenges de follie, chez Galliot du Pré 1520. Nous citons d’après la traduction de Pierre de Nolhac: Érasme, Éloge de la Folie, Paris 1953. 11 Cf. Joël Lefebvre, Les Fols et la Folie. Étude sur les genres du comique et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance, Paris 1968, pp. 244–248. 12 Cf. Pierre Villey, Les Sources et l’évolution des Essais de Montaigne (1908), Paris 1933, t. 2, pp. 214 sqq. 13 Lefebvre, Les Fols et la Folie (voir note 11), p. 245. 14 Érasme, Éloge de la Folie (voir note 10), LXV.
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qui, selon Platon, distingue les amoureux, les voyants et les poètes 15. Sénèque va plus loin encore lorsqu’il affirme, se référant à Aristote: Nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae. (Il n’est pas de génie qui n’ait eu son grain de folie.) 16
Gracián cite ces paroles de Sénèque dans son Criticón aussi bien que dans son traité Agudeza y arte de ingenio 17. Dès le début du XVIIe siècle, Cervantes exprime l’union de «ingenio» et «locura» par son héros, Don Quichotte, tandis que Lope de Vega reprend ce paradoxe dans les titres de ses comédies: La necedad del discreto et El cuerdo loco 18. Résumons-nous. Les multiples acceptions du concept de sagesse émanent de la liaison entre la tradition antique – plus spécialement de la sapientia des stoïciens – avec le concept de sagesse biblique qui comprenait déjà l’opposition «sagesse divine – sagesse du monde». La complexité du concept de folie dérivait, d’une part, d’un renversement de sens de stultitia qui a sa source dans la «folie de la Croix» du Nouveau Testament, d’autre part, du fait que le concept de folie a pris la place aussi bien de dementia que de furor – au sens de «furor poeticus» ou de «furor amantium» – de sorte que le terme de folie comprend tout ce qui est désigné en grec d’un côté par moria, de l’autre par mania. En outre, dans la littérature de la Renaissance, s’est de plus en plus imposée la notion de «folie universelle», qui, dès la fin du XVe siècle, avait déjà trouvé une expression convaincante chez Sebastian Brant, dans la fiction de la «Nef des Fols», la «Stultifera Navis»19. Dans le premier livre de son Cortegiano, Castiglione attribue à Cesare Gonzaga la conviction que chacun de nous porte en soi la disposition à la folie: Tengo io adunque per certo: che in ciascun di noi sia qualche seme di pazzia, il qual risvegliato, possa multiplicar quasi in infinito.20
Une conception équivalente de la «folie universelle» se trouve dans l’image de la «nef des fous», ainsi que dans la fiction littéraire de «l’hôpi15 16 17 18 19
Platon, Phèdre, 244 a–245 c. Sénèque, De la tranquillité de l’âme, chap. 17. El Criticón, II, 13; Agudeza y arte de ingenio, LXIII. Cf. Harald Weinrich, Das Ingenium Don Quijotes, Münster 1952, pp. 34 sqq. Cf. Barbara Könneker, Wesen und Wandlung der Narrenidee im Zeitalter des Humanismus. Brant – Murner – Erasmus, Wiesbaden 1966, pp. 5–14 et 75–132; Lefebvre, Les Fols et la Folie (voir note 11), pp. 77–169. 20 Baldesar Castiglione, Il libro del Cortegiano, éd. Vittorio Cian, Firenze 41947, p. 28.
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tal des fous», qui doit être comprise comme une «représentation symbolique du monde entier», ainsi que le montrent plusieurs exemples cités par Martine Bigeard dans son étude sur La Folie et les fous littéraires en Espagne. De plus, il ressort du chapitre sur «La folie universelle et ambivalente», que depuis le XVIe siècle, «folie et raison sont entrées dans une relation constamment réversible» 21. Ce renversement de folie en raison, ou de folie en sagesse, est également significatif pour le personnage du Fou sur la scène, si répandu à l’époque de la Renaissance. Nous pensons ici au Fou dans le théâtre de Shakespeare, ou au «fol-sage didactique des moralités qui, tout en conservant les signes extérieurs de la folie, devient le porte-parole de la sagesse» 22. C’est ainsi que l’ambiguïté fondamentale appartient à la nature même de la folie tout comme au type du «fou littéraire». Enfin, nous constatons que le renversement sagesse – folie se trouve également dans les Paradossi d’Ortensio Landi (1543), traduits en français par Charles Estienne à Paris en 1553 sous le titre Paradoxes, ce sont propos contre la commune opinion 23. Ortensio Landi y développe les thèses selon lesquelles il est meilleur d’être ignorant que docte et fou plutôt que sage 24. Il ne s’agit pas seulement d’un exercice de rhétorique. Derrière les affirmations paradoxales se cache la théorie de la «vanité des sciences», de la «folie bienfaisante» et de la «sagesse de ce monde qui est folie devant Dieu», sur laquelle sont souvent basées les positions paradoxales des moralistes français. Il est temps maintenant d’illustrer notre propos par des exemples empruntés aux moralistes français, de Montaigne à Chamfort. Le motif du renversement de la folie en sagesse, et la relation paradoxale entre ces deux concepts se trouvent déjà chez Montaigne et Pierre Charron. Dans l’«Apologie de Raimond Sebond» (Essais, II, 12) Montaigne dit: Dequoy se faict la plus subtile folie, que de la plus subtile sagesse? Comme des grandes amitiez naissent des grandes inimitiez; des santez vigoreuses, les mortelles maladies; ainsi des rares et vifves agitations de nos ames, les plus excel-
21 Martine Bigeard, La Folie et les fous littéraires en Espagne. 1500–1650, Paris 1972, p. 151. 22 Lefebvre, Les Fols et la Folie (voir note 11), p. 21. 23 Rosalie L. Colie, Paradoxia epidemica. The Renaissance Tradition of Paradox, Princeton, NJ 1966, p. 461. 24 «Meglio è d’esser ignorante, che dotto»: «Meglio è d’esser pazzo, che savio». Cf. Ortensio Landi, Paradossi. Cioè, Sententie fuori del comun parere, Vinegia 1544, Paradosso III (car. 13 sqq.), Paradosso V (car. 23 sqq.).
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lentes manies et plus detraquées; il n’y a qu’un demy tour de cheville à passer de l’un à l’autre. […] Qui ne sçait combien est imperceptible le voisinage d’entre la folie avecq les gaillardes elevations d’un esprit libre et les effects d’une vertu supreme et extraordinaire? 25
Dans ce passage, Montaigne part de la relation constamment réversible entre les concepts antithétiques de sagesse et folie. Le renversement dialectique et, par là, l’union des contraires, semblent se réaliser précisément d’un extrême à l’autre. Dans la première édition des Réflexions ou Sentences et Maximes morales de La Rochefoucauld, publiée en 1665, cette question devient maxime: «La plus subtile folie se fait de la plus subtile sagesse.» 26 Dans les éditions ultérieures, cette maxime a été supprimée, probablement parce que son origine était trop évidente. Dès le début du siècle, Pierre Charron avait repris presque littéralement la question de Montaigne dans son ouvrage De la Sagesse (Livre I, chap. 15). Il y avait rattaché la pensée de Sénèque, citée plus haut, qu’«il n’y a point de grand esprit sans quelque meslange de folie». Cette thèse, que Charron attribue à Aristote, comme le fait Sénèque, est complétée par une référence à Platon qui enseigne «qu’en vain un esprit rassis et sain frappe aux portes de la poésie» 27. Plus souvent encore que l’idée de la relation constamment réversible entre la sagesse et la folie, se trouve chez les moralistes du XVIIe siècle l’idée de la «folie universelle». Dans l’Oráculo manual de Gracián, qui date de 1647, et qui influença fortement les moralistes français 28, la folie est encore présentée comme la souveraine du monde: Alçóse con el mundo la necedad, y si ai algo de sabiduría, es estulticia con la del cielo […] 29. La folie s’est emparée du monde; & s’il y a tant soit peu de sagesse, c’est pure folie en comparaison de la Sagesse d’en-haut.30
25 Montaigne, Essais, éd. Maurice Rat, Paris 1962, t. 1, p. 544. 26 No CXXXIV (MS 23). Nous citons d’après l’édition: La Rochefoucauld, Maximes, éd. Jacques Truchet, Paris 1967, Première Édition, pp. 261–366, cit. p. 315. 27 Pierre Charron, De la Sagesse, éd. Amaury Duval, Paris 1820, t. 1, p. 130. 28 Voir Jacques Truchet, «Introduction» à l’édition des Maximes de La Rochefoucauld, p. XLIII, note 3. 29 Aphorisme 201. Baltasar Gracián, Oráculo manual y arte de prudencia, éd. Miguel Romera-Navarro, Madrid 1954, p. 391. 30 Aphorisme 201. Nous citons d’après la traduction d’Amelot de la Houssaye (1684): Baltasar Gracián, L’Homme de Cour, traduit et commenté, Paris 1687, p. 238.
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Le monde est caractérisé par la «folie universelle», le peu de sagesse qui se trouve dans la vie humaine étant une «sagesse du monde», qui, comparée à la «sagesse divine», apparaît comme une «pure folie». Gracián poursuit: […] pero el mayor necio es el que no se lo piensa y a todos los otros define. Mais le plus grand fou est celui, qui ne croit pas l’être, & en acuse tous les autres.
Cet aphorisme pourrait avoir été utilisé par La Rochefoucauld, Mme de Sablé lui ayant fait connaître l’ouvrage de Gracián. Elle-même avait réuni des maximes, comprenant des traductions de l’Oráculo manual. La huitième de ses Maximes, publiées après sa mort, en 1678, est certainement influencée par Gracián 31: La plus grande sagesse de l’homme consiste à connoître sa folie.
Dès la deuxième édition (1666), nous trouvons dans les Réflexions ou Sentences et Maximes morales de La Rochefoucauld la maxime 231: C’est une grande folie de vouloir être sage tout seul.
Cette maxime présuppose également l’idée de la «folie universelle». Si La Rochefoucauld, cependant, insiste sur la folie de l’homme, ce n’est pas parce que cette sagesse serait mesurée selon la «sagesse divine», et apparaîtrait ainsi comme une folie: il s’agit bien plus ici d’une opposition à la conception stoïcienne de la sagesse. L’image du sage selon Sénèque et Épictète ne rend pas justice à la réalité humaine. Elle ne correspond pas à l’être de l’homme, et aux motifs de ses actions, que La Rochefoucauld s’efforce de démasquer. C’est pourquoi la critique de la doctrine stoïcienne de la sagesse imprègne les Réflexions ou Sentences et Maximes morales, depuis le frontispice de la première édition, sur lequel un «Amour de la Vérité», un masque à la main, désigne un buste de Sénèque 32, jusqu’à la dernière réflexion importante sur «la fausseté du mépris de la mort». Dans la première édition, nous trouvons par exemple: Les plus sages le sont dans les choses indifférentes, mais ils ne le sont presque jamais dans leurs plus sérieuses affaires.33
31 Cf. Graydon Hough, «Gracián’s Oráculo manual and the Maximes of Mme de Sablé», in: Hispanic Review 4/1936, pp. 68–72. 32 Cf. dans ce volume p. 7. 33 No CXXXII (MS 22), Maximes (voir note 26), p. 315.
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Dans chacune des cinq éditions publiées par La Rochefoucauld lui-même se trouve la maxime 209: «Qui vit sans folie n’est pas si sage qu’il croit […]», à propos de laquelle Mme de Sévigné écrit à sa fille en 1672: «Épictète n’aurait pas été de son avis.» 34 Depuis la troisième édition (1671) s’y ajoute la maxime 323, qui souligne que notre sagesse n’est pas dépendante de notre volonté: Notre sagesse n’est pas moins à la merci de la fortune que nos biens.
C’est à cette critique de la possibilité de la sagesse, telle qu’elle est exigée par les stoïciens, que remonte la reprise du thème «sagesse et folie» dans les Maximes de La Rochefoucauld. Dans son œuvre, cette opposition correspond au couple antithétique «raison et passions». De même que la cinquième maxime parle des passions: La durée de nos passions ne dépend pas plus de nous que la durée de notre vie.
La maxime 207 dit, à propos de la folie: La folie nous suit dans tous les temps de la vie. Si quelqu’un paraît sage, c’est seulement parce que ses folies sont proportionnées à son âge et à sa fortune.
Dans la confrontation entre «la sagesse et la folie», «la raison et la passion», «l’esprit et le cœur», La Rochefoucauld constate toujours que ce sont immanquablement la folie, la passion et le cœur qui l’emportent. Ceci est évident pour «l’esprit et le cœur» dans la maxime 43: L’homme croit souvent se conduire lorsqu’il est conduit; et pendant que par son esprit il tend à un but, son cœur l’entraîne insensiblement à un autre.
La même pensée se retrouve, différemment formulée, dans la célèbre maxime 102: «L’esprit est toujours la dupe du cœur.» Les maximes qui traitent de la signification de la raison et des passions établissent le même rapport de forces, comme le montrent les maximes 8 et 42 par exemple: Les passions sont les seules orateurs qui persuadent toujours. […] Nous n’avons pas assez de force pour suivre toute notre raison.
Il n’en est pas autrement pour la sagesse et la folie; les maximes 207 et 323, déjà citées, le confirment:
34 Cité par Jacques Truchet (éd.), Maximes (voir note 26), Édition de 1678, No 209, note 1, p. 53.
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La folie nous suit dans tous les temps de la vie. […] Notre sagesse n’est pas moins à la merci de la fortune que nos biens.
Une appréciation positive de la folie, comme nous la trouvons dans l’ironique Éloge d’Érasme, manque chez La Rochefoucauld; par contre, une place prépondérante est consacrée à la folie dans la vie; cette conception est liée chez lui à la critique de l’idéal stoïcien du Sage. Dans quelques maximes, il semble même que La Rochefoucauld, en développant le thème de «sagesse et folie», ait visé à réduire cette opposition à l’antithèse du Paraître et de l’Être, en parallèle avec le thème des vertus et des vices. Un siècle plus tard, le thème de «sagesse et folie» reparaît, sous une forme analogue, dans les Maximes et Pensées de Nicolas Chamfort. À première vue, il semblerait que cette antithèse ait encore chez le moraliste du XVIIIe siècle la même signification que chez La Rochefoucauld. Cela est vrai surtout pour la maxime: Il y a plus de fous que de sages, & dans le sage même, il y a plus de folie que de sagesse.35
Selon Chamfort, les sages eux-mêmes sont guidés par la folie plus que par la sagesse; eux aussi, ils sont le jouet d’illusions qui font qu’ils ne sont pas trop malheureux: La Nature a voulu que les illusions fussent pour les sages comme pour les fous, afin que les premiers ne fussent pas trop malheureux par leur propre sagesse.36
Cette maxime de Chamfort est dirigée contre la doctrine stoïcienne selon laquelle le sage atteint au bonheur en même temps qu’à la sagesse. Dans le conte philosophique Memnon ou la sagesse humaine, Voltaire, lui aussi, fait allusion à cette doctrine, lorsqu’il fait dire à son héros: Pour être très sage, et par conséquent très heureux, il n’y a qu’à être sans passions […]37.
Chez Voltaire, les expériences de Memnon servent à réfuter par l’absurde cette conception de la «sagesse humaine»; Chamfort, quant à lui, prend la défense des passions, opposées à la sagesse, lorsqu’il écrit:
35 Chamfort, Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, éd. Pierre Grosclaude, Paris 1953, t. 1, p. 121. 36 Ibid., t. 1, p. 103. 37 Voltaire, Romans et Contes, Paris 1954, p. 89.
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Les passions font vivre l’homme, la sagesse le fait seulement durer.38
Les ressemblances entre les maximes de Chamfort et celles de La Rochefoucauld ne doivent pas faire négliger les différences dans le traitement du thème «sagesse et folie» chez ces deux auteurs. Si Chamfort reprend l’idée de la «folie universelle», le concept de folie n’a plus pour lui la même signification ni la même importance que pour les moralistes des XVIe et XVIIe siècles, comme le montre clairement la maxime suivante: Les trois-quarts des folies ne sont que des sottises.
Cette pensée reparaît même dans une nouvelle version: La plupart des folies ne viennent que de sottise.39
Étant donné que Chamfort rapproche «les folies» de «la sottise», le couple antithétique de «sagesse et folie» perd le caractère paradoxal qui s’attache à ce thème chez Montaigne et chez les moralistes du XVIIe siècle. Les différences dans la conception de notre sujet chez les moralistes du XVIIe siècle et du XVIIIe apparaissent encore plus clairement si nous partons des concepts de folie et de sagesse dans les Pensées de Pascal, pour les confronter ensuite avec la conception de Voltaire. C’est chez Pascal que l’idée de la «folie universelle et ambivalente» trouve son expression la plus forte, le renversement chrétien de la sagesse et de la folie étant inclus par lui dans l’analyse de la «condition humaine». Les conséquences de la «folie universelle» sont exposées par Pascal dans le fragment La 412, Br 414: Les hommes sont si nécessairement fous, que ce serait être fou par un autre tour de folie de n’être pas fou.
L’auteur des Pensées souligne que «Dieu seul donne la sagesse»40, les hommes donc, depuis la chute d’Adam, seront «nécessairement fous». S’ils ne reconnaissent pas leur «misère», et – comme les «sages» stoïciens – ne voient que la «grandeur» et la «dignité» de l’homme, cette attitude est, pour Pascal, «un autre tour de folie». Dans le fragment La 533, Br 331, Pascal applique sa doctrine de la «folie universelle» à la politique, et dit, à propos des Lois de Platon et des Politika d’Aristote:
38 Chamfort, Maximes et Pensées (voir note 35), t. 1, p. 115. 39 Ibid., t. 1, p. 99 et 104. 40 La 933, Br 460. Nous citons d’après l’édition des Pensées in: Pascal, Œuvres complètes, éd. Louis Lafuma, Paris 1963.
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S’ils ont écrit de politique, c’était comme pour régler un hôpital de fous. Et s’ils ont fait semblant d’en parler comme d’une grande chose c’est qu’ils savaient que les fous à qui ils parlaient pensaient être rois et empereurs. Ils entrent dans leurs principes pour modérer leur folie au moins mal qu’il se peut.
Dans ce fragment reparaît l’image de l’«hôpital des fous», qui est – un peu comme la «nef des fous» – une «représentation symbolique du monde entier». Selon Pascal, le pouvoir des souverains ne repose pas sur une supériorité naturelle et légitime: La puissance des rois est fondée sur la raison et sur la folie du peuple, et bien plus sur la folie. […] Ce qui est fondé sur la saine raison est bien mal fondé, comme l’estime de la sagesse. (La 26, Br 330)
La sagesse dont parle l’auteur dans cette affirmation paradoxale est la «sagesse du monde». La haute conception de cette sagesse, fondée sur «la saine raison», est pour Pascal «bien mal fondée», la «grandeur de la sagesse» appartenant, pour lui, à l’«ordre de la charité». Dans le célèbre fragment La 308, Br 793, il est dit expressément: La grandeur de la sagesse, qui n’est nulle sinon de Dieu, est invisible aux charnels et aux gens d’esprit.
Dans son essai sur la théorie politique de Pascal, Erich Auerbach fait remarquer que, pour l’auteur des Pensées, notre ordre terrestre n’est rien que folie. Cependant, le chrétien doit obéir à ces «folies», qu’il reconnaît comme telles 41. Auerbach se réfère ici au fragment La 14, Br 338: Les vrais chrétiens obéissent aux folies néanmoins, non pas qu’ils respectent les folies, mais l’ordre de Dieu qui pour la punition des hommes les a asservis à ces folies.
L’union paradoxale de la sagesse et de la folie est particulièrement claire dans le fragment La 842, Br 588, dans lequel Pascal fait allusion à la doctrine paulinienne de la «folie de la Croix»: Notre religion est sage et folle, sage parce que c’est la plus savante, et la plus fondée en miracles, prophéties, etc., folle parce que ce n’est point tout cela qui fait qu’on en est. Cela fait bien condamner ceux qui n’en sont pas, mais non pas croire ceux qui en sont. Ce qui les fait croire est la croix – ne evacuata sit crux. (I Cor., 1, 17)
41 «Über Pascals politische Theorie» (1957), in: Erich Auerbach, Gesammelte Aufsätze zur Romanischen Philologie, Bern/München 1967, pp. 204–221, cf. p. 214.
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La réévaluation de la folie suivant la conception de la «folie de la Croix», reparaît également chez Pascal, en relation avec la doctrine du péché originel, qui permet de comprendre la «condition humaine». «Le péché originel est folie devant les hommes […]», dit-il dans le fragment La 695, Br 445: Mais cette folie est plus sage que toute la sagesse des hommes, sapientius est hominibus. (I Cor., 1, 25)
Nous trouvons fréquemment des paradoxes analogues, se référant à la Première épître aux Corinthiens, dans la littérature religieuse du XVIIe siècle, chez Bossuet entre autres 42. Au Siècle des Lumières cependant, ces paradoxes ont perdu leur signification et provoquent la critique des esprits éclairés, et, tout particulièrement, de Voltaire. Au début de l’article sur la Folie dans son Dictionnaire philosophique (1764), Voltaire fait remarquer qu’il ne peut être question «de renouveler le livre d’Érasme, qui ne serait aujourd’hui qu’un lieu commun assez insipide» 43. À l’Âge de la Raison, la folie ne peut plus avoir qu’un sens négatif, et Voltaire utilise exclusivement ce concept dans le sens de maladie mentale: Nous appelons folie cette maladie des organes du cerveau qui empêche un homme nécessairement de penser et d’agir comme les autres.
En 1771, reprenant l’article Folie dans les Questions sur l’Encyclopédie, Voltaire fait précéder son exposé d’un passage dans lequel il limite, en la généralisant, l’acception spécifique du terme: Qu’est-ce que la folie? c’est d’avoir des pensées incohérentes et la conduite de même […] 44.
Il est presque superflu d’ajouter qu’avec cette conception de la folie le couple antithétique «sagesse – folie» a perdu son ambivalence et sa réversibilité. La folie n’est plus mise en relation directe avec la «sagesse divine» ou avec «la sagesse de ce monde», mais opposée essentiellement à la raison. En 1774, Voltaire pouvait donc écrire son Éloge historique de la Raison, qui commence une fois de plus par une confrontation entre la Folie et la Raison:
42 Panégyrique de Saint François d’Assise (1652); Discours sur l’histoire universelle, II, 25; in: Jacques-Bénigne Bossuet, Œuvres, éd. Bernard Velat et Yvonne Champailler, Paris 1961, pp. 235 sqq. et 895 sqq. 43 Voltaire, Dictionnaire philosophique, Paris 1954, p. 205. 44 Ibid., p. 544, note 147.
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Érasme fit, au seizième siècle, l’éloge de la Folie. […] Cette Raison n’est fêtée en effet […] que deux cents ans après son ennemie, souvent beaucoup plus tard […] 45.
Pour conclure, cette citation semble confirmer qu’en dépit de la continuité thématique des moralistes français, l’Âge de la Raison n’accorde plus à notre thème qu’une signification très limitée.
45 Voltaire, Romans et Contes (voir note 37), p. 516.
Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes du XVIIe siècle La dissimulation est un des thèmes auxquels les moralistes du XVIe et du XVIIe siècle, en Italie, en Espagne et en France, ont accordé une importance particulière. Certains condamnent toujours à nouveau le vice qu’est la dissimulation – qui s’oppose à la vertu de sincérité – pour le rapprocher du mensonge et de l’hypocrisie; d’autres cependant justifient avec la même chaleur l’art de la dissimulation, l’estimant comme une vertu et voyant en elle un instrument de la prudence, une nécessité dans les rapports sociaux, ou un stratagème indispensable à celui qui veut parvenir en ce monde. Si l’on s’interroge sur cet aspect positif de la dissimulation au XVIIe siècle, il faut d’abord prendre en considération les traits fondamentaux de l’époque baroque qui ont permis de valoriser ce concept. Nous pensons ici à l’importance que cette époque accordait au paraître, à sa prédilection pour le décor et la pompe, pour l’artifice et le trompe-l’œil, pour le déguisement et le masque. C’est pourquoi cette revalorisation de la dissimulation a été interprétée comme un trait caractéristique du Baroque. Jean Rousset, dans son étude sur La Littérature de l’âge baroque en France, analyse «l’attitude baroque» qui unit «l’ostentation» à la dissimulation 1. Il s’appuie sur l’éloge de la dissimulation par Torquato Accetto qui, dans son traité Della dissimulazione onesta, de 1641, a fait du vice une vertu «honorable et utile» 2. Rousset se réfère également aux écrits du moraliste
1 Cf. Jean Rousset, La Littérature de l’âge baroque en France. Circé et le paon (1954), Paris 1981, pp. 219–228: «Une attitude baroque: l’ostentation». 2 Ibid., p. 221. – Dans ce traité, la «dissimulazione» n’est ni contraire à la vérité ni en opposition avec la sincérité; d’après Accetto c’est «un velo composto di tenebre oneste e di rispetti violenti, da che non si forma il falso, ma si dà qualche riposo al vero, per dimostrarlo a tempo» (Torquato Accetto, Della dissimulazione onesta, con prefazione di Benedetto Croce, Bari 1928, pp. 26 sq.).
44 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes espagnol Gracián qui, dans son traité El Héroe (1637) et, quelques années plus tard, dans son traité El Discreto (1646) et dans son Oráculo manual (1647) a développé une stratégie de vie reposant sur une maîtrise vraiment sublime de la dissimulation 3. Cela ne veut évidemment pas dire que la littérature moraliste du XVIe siècle ne recommanderait pas encore l’art de la dissimulation. Il suffit de rappeler l’influence exercée par la pensée politique de Machiavel qui, dans son traité Il Principe (paru en 1532), recommande expressément au souverain «de bien jouer son rôle, et de savoir à propos feindre et dissimuler»4. Dans la seconde moitié du XVIe siècle, à cette influence s’ajoute celle de Tacite. L’étude approfondie de ses œuvres, surtout des Annales, aboutit à une doctrine nouvelle de la raison d’État, et au «Tacitisme» qui unit les idées de Machiavel à la psychologie de Tacite 5. Jürgen von Stackelberg a montré comment, depuis la fin du XVIe siècle, cette conception politique a influencé toute la littérature moraliste. Il définit la dissimulation comme un thème privilégié de la littérature politique après le Concile de Trente, et comme un «Leitmotiv» des moralistes 6. Le «Tacitisme» est, pour von Stackelberg, un mouvement politique et anthropologique qui atteint l’ensemble de la société courtoise de cette époque 7.
3 Rousset met l’accent sur la liaison étroite entre l’éloge de la dissimulation et l’éloge de l’ostentation, c’est pourquoi il souligne les analogies entre la conception d’Accetto et celle de Gracián. – Dans un article plus récent, Ulrich Schulz-Buschhaus fait ressortir par contre la différence entre le concept défensif de la «dissimulazione» dans le traité italien, et l’agressivité subtile de la «dissimulatio» dans les premiers «Primores» du Héroe de Gracián. Voir son article: «Über die Verstellung und die ersten ‹Primores› des Héroe von Gracián», in: Romanische Forschungen 91/1979, pp. 411–430, spéc. pp. 415– 420. 4 Cf. Il Principe, Cap. XVIII: «In che modo e’ principi abbino a mantenere la fede», où l’auteur dit: «Ma è necessario questa natura saperla bene colorire, ed essere gran simulatore e dissimulatore […]» (Niccolò Machiavelli, Il Principe, Firenze 1970, p. 104). La traduction française est citée d’après l’édition de Raymond Naves: Machiavel, Le Prince, Paris 1968, p. 62. 5 Cf. Jürgen von Stackelberg, Tacitus in der Romania. Studien zur literarischen Rezeption des Tacitus in Italien und Frankreich, Tübingen 1960, pp. 63–92: «Machiavelli und der Tacitismus». 6 Jürgen von Stackelberg, Französische Moralistik im europäischen Kontext, Darmstadt 1982, p. 45. 7 Cf. ibid., p. 50. – Marc Fumaroli a montré que ce mouvement comprend également la rhétorique. Il parle même de «l’Age tacitéen […] qui succède après le Concile à l’Aetas ciceroniana de la première Renaissance» (L’Age de l’éloquence. Rhétorique et «res literaria» de la Renaissance au seuil de l’époque classique, Genève 1980, p. 69).
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Dans un article important pour notre sujet, intitulé Die Kunst der Verstellung im Zeitalter des Barocks (L’art de la dissimulation à l’époque baroque), August Buck, lui aussi, évoque la conception pessimiste de l’homme, développée par Machiavel, et qui fonde la nécessité de la «dissimulazione» chez le prince sur la tendance innée au mal, commune à l’humanité entière 8. Buck estime que cette conception de l’homme, dans l’œuvre de Machiavel, annonce déjà la crise au cours de laquelle, dès le milieu du XVIe siècle, la Renaissance cède la place au Baroque, et où s’établit une nouvelle conscience de la vie, caractérisée par la notion de l’instabilité et de l’inconstance de toutes choses 9. Il s’agit d’une époque tourmentée, marquée par plusieurs guerres successives et par différentes crises politiques, économiques et religieuses qui contribuent à cette conscience de l’instabilité et de l’oppression. L’homme s’accroche à l’illusion, sans espoir de passer du paraître éphémère à l’être véritable. Dans ce contexte, l’art de la dissimulation apparaît comme une réaction à cette conception de la vie, et ainsi comme un phénomène typique de l’âge baroque. Ce qui nous importe essentiellement n’est pourtant pas un tel classement historique. Nous cherchons surtout à déterminer pourquoi le concept de dissimulation est interprété de façon si diverse dans la littérature moraliste en France, depuis les Essais de Montaigne jusqu’aux Conversations de Mlle de Scudéry et aux Caractères de La Bruyère. Pour faire comprendre comment la dissimulation a pu provoquer, à la même époque, des attitudes aussi opposées, nous essayerons d’abord de préciser le sens de ce concept quant aux problèmes posés dans les textes où ce phénomène est étudié, ainsi que par rapport aux buts poursuivis par les auteurs. La coexistence de ces conceptions opposées de la dissimulation est déjà sensible dans les Essais de Montaigne. La critique de toute forme de dissimulation est particulièrement sévère dans les essais 17 et 18 du deuxième livre. L’essai 18, Du démentir, désigne «le banissement de la verité» comme «le premier traict de la corruption des mœurs». Montaigne y reproche tout spécialement ce vice à sa propre nation et à son époque:
8 Buck souligne la réciprocité de la tromperie: Quand le prince trompe ses sujets, ceux-ci cherchent à tromper le prince à leur tour, de sorte que les relations entre le souverain et le peuple sont pour une bonne part déterminées par l’art de la dissimulation. Voir August Buck, «Die Kunst der Verstellung im Zeitalter des Barocks», in: Festschrift der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Wiesbaden 1981, pp. 85–103, spéc. p. 87. 9 Ibid., p. 88.
46 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes Nostre verité de maintenant, ce n’est pas ce qui est, mais ce qui se persuade à autruy: comme nous appellons monnoye non celle qui est loyalle seulement, mais la fauce aussi qui a mise. Nostre nation est de long temps reprochée de ce vice […] 10.
La valorisation de la dissimulation est, pour Montaigne, une conséquence de ce vice. C’est pourquoi il poursuit: «car la dissimulation est des plus notables qualitez de ce siecle». La prise de position de Montaigne est encore plus claire dans le dixseptième essai De la praesumption, où il écrit: […] quant à cette nouvelle vertu de faintise et de dissimulation qui est à cette heure si fort en credit, je la hay capitallement; et, de tous les vices, je n’en trouve aucun qui tesmoigne tant de lácheté et bassesse de cœur. C’est un’humeur couarde et servile de s’aller desguiser et cacher sous un masque, et de n’oser se faire veoir tel qu’on est.11
Comme le montre le texte de 1580, «faintise» et «dissimulation» sont pour Montaigne «une nouvelle vertu». Dans ces deux notions, liées entre elles depuis toujours, il s’agit de différentes formes de déguisement, par lesquelles la vérité est cachée; la «faintise» ou «simulation» consiste à donner l’illusion de fausses réalités, tandis que la «dissimulation» consiste à cacher des pensées, des sentiments ou des intentions. Une ancienne définition italienne souligne très clairement l’opposition à la vérité: Simulazione è fingere vero quello che non è vero; dissimulazione è negare quello che è vero.12
Au premier abord, il peut paraître singulier que ce soit précisément Montaigne qui condamne si sévèrement «cette nouvelle vertu de faintise et de dissimulation». Car aucun des moralistes français n’a éprouvé plus que lui l’instabilité et l’inconstance de toutes choses, aucun n’a exprimé plus ouvertement ni plus éloquemment l’impossibilité de connaître objectivement la vérité 13. Cependant, étant persuadé que le domaine de l’être et de
10 Montaigne, Essais, éd. Maurice Rat, 2 tomes, Paris 1962, t. 2, p. 70. 11 Ibid., t. 2, p. 49. 12 Buti I, 747. Cit. in: Salvatore Battaglia, Grande Dizionario della lingua italiana, t. 4, Torino 1966, p. 773, s. v. dissimulazione. 13 Pour Montaigne, «[…] le monde n’est qu’une branloire perenne. Toutes choses y branlent sans cesse […]», et l’homme, lui aussi, est soumis à un changement continuel, de sorte qu’il n’est pas capable de retenir l’objet de sa connaissance. Cf. le début de l’essai: Du repentir (III, 2), t. 2, p. 222.
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la vérité est inaccessible à l’homme, Montaigne est amené non pas à élaborer une stratégie qui se servirait de l’art de la dissimulation, mais à se réfugier dans la subjectivité: la «véracité» prend la place de la «vérité». Dans le premier chapitre de sa monographie de Montaigne, Hugo Friedrich écrit: Son idée de la vérité s’affranchit des buts d’une connaissance objective et ontologique et devient l’idée de la véracité personnelle.14
La critique de la dissimulation exprimée dans les Essais doit donc être interprétée par rapport à la véracité, à laquelle Montaigne se réfère surtout au livre III. Au début du second essai p. e., le moraliste dit: Tant y a que je me contredits bien à l’adventure, mais la verité, […] je ne la contredy point.15
Cependant, ce serait simplifier à l’excès que de vouloir réduire à ces déclarations le jugement que Montaigne porte sur la dissimulation. Sa position est bien plus complexe; dans un certain sens il adopte même comme sienne la justification de la dissimulation dans la littérature politique de son époque. C’est plus spécialement le cas dans l’essai De l’utile et de l’honneste (III, 1) dans lequel ce couple de concepts, si souvent discuté au XVIe siècle, est également regardé par Montaigne comme une contradiction insurmontable. Là où il s’agit de la pratique politique, Montaigne voit fort bien que son exigence de la véracité est incompatible avec «l’utile». Il écrit: Tout ce mien proceder est un peu bien dissonant à nos formes; ce ne seroit pas pour produire grands effets, ny pour y durer; l’innocence mesme ne sçauroit ny negotier entre nous sans dissimulation, ny marchander sans manterie.
Il est vrai que Montaigne ajoute aussitôt: «Aussi ne sont aucunement de mon gibier les occupations publiques […]»16. Vérité et mensonge, sincérité et dissimulation se présentent autrement à l’auteur des Essais par rapport à ceux qui exercent une fonction dans la société, dans la vie publique, que par rapport à celui qui s’est retiré dans la vie privée, pour jouir d’un mode de vie libre et individuel. On trouve donc chez Montaigne des passages dans lesquels il accepte comme justifiées à l’égard du bien public des attitudes moralement douteuses ou
14 Hugo Friedrich, Montaigne (1949), trad. par Robert Rovini, Paris 1968, p. 32. 15 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, p. 222. 16 Ibid., p. 211.
48 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes même pernicieuses. Dans l’essai De l’utile et de l’honneste, il fait les plus grandes concessions: Le bien public requiert qu’on trahisse et qu’on mente et qu’on massacre […] 17.
Quelques pages plus loin, en relation avec «la tromperie», Montaigne parle même de «vices legitimes»: Je ne veux pas priver la tromperie de son rang, ce seroit mal entendre le monde; je sçay qu’elle a servy souvant profitablement […]. Il y a des vices legitimes, comme plusieurs actions, ou bonnes ou excusables, illegitimes.18
Critique et justification de la dissimulation sont rapprochées également au troisième livre De la Sagesse de Pierre Charron, publié en 1601 (seconde édition corrigée en 1604). Dans cet ouvrage, qui appartient aux écrits les plus lus au XVIIe siècle, Charron a, comme on sait, adopté une bonne part des idées de Montaigne. Ceci est confirmé par les passages sur la dissimulation. Le recours aux termes utilisés par l’auteur des Essais est particulièrement sensible dans le chapitre: De la flatterie, menterie, et dissimulation (III, 10). Charron écrit: II y a une menterie couverte et desguisée, qui est la feintise et dissimulation (qualité notable des courtisans, tenue en credit parmy eux comme vertu) vice d’ame lasche et basse; se desguiser, se cacher soubs un masque, n’oser se monstrer, et se faire voyr tel que l’on est, c’est une humeur couarde et servile.19
Si l’on compare ce texte au passage correspondant de l’essai De la praesumption (II, 17), il saute aux yeux que la «nouvelle vertu de faintise et de dissimulation qui est à cette heure si fort en credit» dans le texte de Montaigne, est devenue, dans De la Sagesse, une «qualité notable des courtisans, tenue en credit parmy eux comme vertu». Charron attire ici l’attention sur l’importance de la dissimulation à la Cour. L’art de la dissimulation joue un grand rôle, non seulement dans la critique de la Cour, mais aussi dans les ouvrages destinés à louer la vie de Cour, ainsi que dans les traités d’éducation pour le courtisan. Il est vrai que Castiglione ne parle pas de cet art dans son Libro del Cortegiano de 1528; le courtisan parfait dans le monde idéal que dépeint cet ouvrage n’a aucun besoin de dissimulation. Par contre, dès le Discours de la Court de Claude Chappuys,
17 Ibid., p. 206. 18 Ibid., p. 212. 19 Pierre Charron, De la Sagesse, t. 3, p. 34. Nous citons d’après la nouvelle édition publiée par Amaury Duval, 3 tomes, Paris 1820–1827.
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imprimé à Paris en 1543, qui célèbre François Ier et sa Cour, l’accomodation et la dissimulation figurent parmi les qualités que le courtisan doit acquérir avant d’être autorisé à pénétrer dans le palais du souverain 20. Dans le Traicté de la Cour d’Eustache Refuge, paru en 1616, le courtisan est formé «à l’école de la dissimulation […], qui consiste non seulement à cacher ses propres sentiments, mais aussi à deviner ceux des autres, pour s’en servir au besoin» 21. Charron rejette par principe la dissimulation aussi bien que la flatterie et le mensonge. Il mentionne cependant deux exceptions, deux groupes pour lesquels la «feintise» (et avec elle la dissimulation) est pardonnable et même, dans certaines conditions, nécessaire, et cela pour le prince et pour les femmes. Les raisons sont pourtant fort différentes; le prince doit utiliser la «feintise» pour «l’utilité publique, pour le bien et repos sien et de l’estat […]; et les femmes pour la bienseance, car la liberté trop franche et hardie leur est messeante et gauchit à l’impudence» 22. C’est au livre III, chapitre 2, qui traite De la prudence politique du souverain, que Charron explique plus longuement pourquoi la dissimulation est une nécessité pour les princes. Quant à l’argumentation, Charron s’en tient pour l’essentiel à Juste Lipse qui, au quatrième livre de Politicorum libri VI (1589), cite la célèbre sentence: «Nescit regnare qui nescit dissimulare.» 23 Charron écrit: Or la dissimulation, qui est vicieuse aux particuliers, est très nécessaire aux princes, lesquels ne sçauroyent autrement regner ne bien commander.24
Cela est valable non seulement en période de guerre, face à l’étranger et à l’ennemi, mais aussi en temps de paix, dans les rapports avec le peuple. De plus, cet art de la dissimulation doit être caché: 20 Dans ce discours en vers, le courtisan apprend à «S’accomoder aux temps et aux personnes,/ Dissimuler par prudence, et se taire,/ Quant est besoing, bien mener son affaire,/ […]». Cf. Pietro Toldo, «Le Courtisan dans la littérature française et ses rapports avec l’œuvre du Castiglione», in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 104/1900, pp. 75–121, cit. p. 82. 21 Ibid., p. 112. Dans le chapitre XXXV de la première partie, Refuge dit: «[…] et bien que la dissimulation soit nécessaire à toutes sortes de personnes, si l’est elle davantage à vn homme de Cour, pour conduire son ambition. Si faut-il prendre garde toutesfois d’vser de la dissimulation, comme si l’on fait des antidotes en la composition des medecines, qui meslées à propos profitent, & hors de saison nuisent.» (Traicté de la Cour ou Instruction des Courtisans, nouvelle édition, Paris 1618, pp. 160 sq.). 22 Charron, De la Sagesse (voir note 19), t. 3, p. 35. 23 Cette sentence est citée par Duval dans la note 51 du livre III (De la Sagesse, t. 2, p. 307). 24 Charron, De la Sagesse, ibid.
50 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes Il faut donc que le prince, pour couvrir son art, fasse profession d’aymer la simplicité […] qu’aux petites choses il procede tout ouvertement, afin que l’on le tienne pour tel.25
L’art de la dissimulation se manifeste ici par l’usage que fait le prince de la simplicité et de la franchise pour tromper les autres. Ce procédé est justifié, étant donné qu’il s’agit d’une règle de «prudence politique». Chez Charron, cependant, cette règle n’est valable que pour les princes, ou «pour les souverains et gouverneurs d’estats» 26. Pour les femmes, la dissimulation fait partie des exigences de la bienséance. Selon Charron, ce n’est pas un art que les femmes devraient acquérir, mais une faculté dont elles disposent, «car l’hypocrisie est comme naturelle en elles»27. Le moraliste espagnol Gracián qui, au cours de la seconde moitié du XVIIe siècle, eut une grande influence en France, a enrichi considérablement la stratégie de la dissimulation. Selon l’Oráculo manual, cet art est indispensable non seulement au prince pour exercer le pouvoir, mais à tous ceux qui veulent subsister et parvenir dans ce monde. «El disimulo», que Gracián désigne par diverses expressions («artificio», «simulación», «segunda intención» etc.) 28 appartient à l’art de la prudence, qui doit être utilisée contre la méchanceté des hommes. Ceci est clairement exprimé au début du 13e aphorisme: Obrar de intención, ya segunda, y ya primera: Milicia es la vida del hombre contra la malicia del hombre: pelea la sagazidad con estratagemas de intención. La vie humaine est un combat contre la malice de l’homme même. L’homme adroit y emploie pour armes les stratagèmes de l’intention.
Cependant, étant donné que chacun compte avec la dissimulation de l’autre, l’essentiel est la «segunda intención»: Augméntase la simulación al ver alcançado su artificio, y pretende engañar con la misma verdad […]. Et puis, quand son artifice est connu, il raffine sa dissimulation, en se servant de la vérité même pour tromper […] 29. 25 Ibid., pp. 307 sq. 26 Cf. ibid., t. 2, pp. 290 sq. (Préface: «De la prudence politique du souverain pour gouverner estats»). 27 Ibid., livre III, chap. 10, t. 3, p. 36. 28 Cf. Hellmut Jansen, Die Grundbegriffe des Baltasar Gracián, Genève/Paris 1958, pp. 119–145. 29 Baltasar Gracián, Oráculo manual y arte de prudencia, éd. Miguel Romera-Navarro, Madrid 1954, pp. 35 sqq. Traduction française par Amelot de la Houssaye: L’Homme de Cour (1684), Paris 1980, pp. 7 sq.
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Cette subtile tactique, qui ne peut être étudiée ici en détail, fut surtout mise en œuvre à la Cour, plus spécialement à la Cour de Louis XIV. Il n’est donc pas étonnant que Amelot de la Houssaye ait publié sous le titre de L’Homme de Cour sa traduction commentée de l’Oráculo manual. L’ouvrage, paru en 1684, eut un tel succès en France que douze autres éditions de cette traduction paraîtront avant la fin du siècle 30. Si «l’homme de Cour» d’Amelot de la Houssaye doit viser à la maîtrise de la parfaite dissimulation, il n’en est pas de même pour l’honnête homme dont le portrait idéal a été peint par Nicolas Faret et le Chevalier de Méré. Jean Rousset a déjà souligné les différences qui existent entre la dissimulation comme vertu cardinale chez Gracián, et la valeur de ce concept chez les maîtres de l’honnêteté en France 31. Il nous semble particulièrement important que «l’art de plaire» ait remplacé, dans la théorie de l’honnêteté, l’«arte de prudencia». L’ouvrage de Nicolas Faret a pour titre: L’honnête homme ou l’art de plaire à la court. Chez le Chevalier de Méré, l’honnêteté est fondée essentiellement sur les agréments et l’art de plaire. Cette évolution est, sans doute, due au fait que, dans la France absolutiste du XVIIe siècle, la noblesse s’est vu retirer petit à petit le pouvoir politique, de sorte que son champ d’action se limite le plus souvent à la vie de société. C’est ainsi que l’idéal de l’honnêteté est de plus en plus centré sur la politesse mondaine, et présuppose, dans la seconde moitié du XVIIe siècle, «la démolition du héros» 32. Le Chevalier de Méré dit expressément, «que le caractère heroïque n’est pas fait pour plaire»33. Pour atteindre à l’idéal, l’honnête homme doit posséder des qualités diverses, en partie contradictoires: souplesse et naturel, ostentation (dans le sens du «faire valoir») et simplicité, dissimulation et sincérité. Toutes les formes de l’affectation sont bannies. Le paraître ne doit en aucun cas contraster avec l’être: «pour le paroître il faut l’être en effet»34. La dissimulation n’est donc justifiée que lorsqu’elle vise à plaire, lorsqu’elle
30 La nouvelle édition de cette traduction a été publiée aux Éditions Champ Libre, Paris 1980. 31 Cf. Rousset, La Littérature de l’âge baroque en France (voir note 1), pp. 223 sq. 32 Cf. Paul Bénichou, Morales du grand siècle (1948), Paris 1970, pp. 155–180. 33 «Des Agrémens», in: Chevalier de Méré, Les Discours (Œuvres, t. 2), éd. Charles-H. Boudhors, Paris 1930, pp. 9–53, cit. p. 15. 34 «Le Commerce du Monde», in: Chevalier de Méré, Œuvres posthumes (ibid., t. 3), pp. 139–156, cit. p. 141. Cf. Rousset, La Littérature de l’âge baroque en France (voir note 1), p. 224.
52 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes répond aux exigences de la bienséance ou de la politesse, et n’exclut pas la sincérité ni la vérité. Cette prise de position vaut également pour Mlle de Scudéry qui a écrit plusieurs conversations sur notre sujet. Dans la nouvelle Mathilde d’Aguilar, écrite en 1667, se trouve une discussion morale, introduite comme suit: Vn jour […] on vint insensiblement à parler de la dissimulation dont on accuse plus les gens de la Cour que le reste du monde.35
Ce dialogue a été repris en 1680 par Mlle de Scudéry, sous le titre De la Dissimulation et de la Sincérité, dans le premier volume de ses Conversations sur divers sujets 36. La discussion est provoquée par Dom Pedro, qui prétend que «la parfaite dissimulation est le chef-d’œuvre de la prudence & du jugement». Son affirmation, qui répond à la conception de l’homme de Cour de Gracián, est aussitôt repoussée par Mathilde, qui réplique: […] pouvez-vous loüer ce qui est directement opposé à la sincerité, qui fait toute la douceur de la vie des honnestes gens, & sans laquelle le commerce du monde ne seroit qu’vne tromperie continuelle.
Lorsque Dom Pedro rappelle «que ceux qui dissimulent le plus habilement, sont ceux qui ont le plus la reputation d’estre sinceres», Lucinde lui oppose la différence entre l’être et le paraître, «entre paroistre sincere, & l’estre effectivement»37. Avec cette opposition, Mlle de Scudéry aborde un thème essentiel de la littérature moraliste du siècle de Louis XIV. Une des interlocutrices, Padille, réclame une définition du concept de sincérité: […] je voudrois bien sçavoir precisément ce que c’est que cette sincerité, dont tout le monde se vante sans exception.38
La conversation de Mlle de Scudéry ne livre pas de réponse précise à cette question, nous en trouvons une pourtant dans les Réflexions ou Sentences et Maximes morales de La Rochefoucauld. Dans la deuxième édition de 1666, paru un an avant Mathilde d’Aguilar, nous relevons la maxime 62:
35 Madeleine de Scudéry, Mathilde (d’Aguilar). Avec une préface de René Godenne, Genève 1979, p. 153. Nous citerons d’après cette réimpression de l’édition de Paris 1667. 36 Madeleine de Scudéry, Conversations sur divers sujets, t. 1, Paris 1680, pp. 359–384. 37 Mathilde (d’Aguilar) (voir note 35), p. 154. 38 Ibid., pp. 154 sq.
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La sincérité est une ouverture de cœur. On la trouve en fort peu de gens; et celle que l’on voit d’ordinaire n’est qu’une fine dissimulation pour attirer la confiance des autres.39
La conversation de Mlle de Scudéry peut être considérée comme un commentaire de cette maxime affilée jusqu’au paradoxe. Lucinde explique pourquoi chacun revendique précisément cette vertu. Elle en arrive ainsi à parler de la dissimulation dans ce contexte: […] ceux qui sont les plus dissimulez se revestent du moins de sincerité: car sans cela leur dissimulation seroit inutile.40
Mathilde distingue nettement la «fausse sincerité» de la «sincerité veritable », qu’elle considère comme «la plus rare chose du monde». «Estre sincere» signifie plus que «estre veritable», car «la sincerité ne s’arreste pas aux paroles», «on peut avoir l’esprit caché, & haïr le mensonge». La vraie sincérité, pour Mathilde, réunit tous les avantages: la sincerité emporte de necessité avec elle toute la beauté de la verité, tous les charmes de la franchise, toute la douceur de la confiance 41.
La Rochefoucauld écrit: «La sincérité est une ouverture de cœur»; Mathilde précise: «Elle produit pour l’ordinaire une certaine ouverture de cœur […]». Plus important encore est, dans notre contexte, la remarque qui suit: elle est ennemie de tout artifice, de toute dissimulation; la prudence excessive n’est pas de son vsage42.
Une adhésion aussi totale à la sincérité peut étonner dans un ouvrage précieux datant de 1667, d’autant plus que Molière, un an auparavant, avait montré, avec le Misanthrope, jusqu’où peut mener, dans la compagnie des honnêtes gens, le refus de toute forme de dissimulation. Le lecteur est tenté d’approuver Dom Pedro, qui dit: Mais si on estoit si excessivement sincere […] ne seroit-on pas quelquefois ou imprudent, ou importun?43
39 La Rochefoucauld, Maximes, éd. Jacques Truchet, Paris 1967, p. 20 (Édition de 1678, No 62). 40 Mathilde (d’Aguilar) (voir note 35), p. 156. 41 Ibid., pp. 157 sq. 42 Ibid., p. 158. 43 Ibid., p. 159.
54 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes Padille fait valoir que, si l’on «portoit la sincerité si loing, […] il faudroit renoncer à la société»44. L’Alceste de Molière avait tiré la même conclusion, à la fin du Misanthrope. Padille allègue la vie à la Cour: personne ne s’y conduit ouvertement envers le Roi, et «les gens de la Cour se cachent les uns des autres»45. Vingt ans plus tard, La Bruyère confirmera cette assertion dans Les Caractères. Au chapitre «De la Cour», il écrit: Un homme qui sait la cour est maître de son geste, de ses yeux et de son visage; il est profond, impénétrable; il dissimule les mauvais offices, sourit à ses ennemis, contraint son humeur, déguise ses passions, dément son cœur, parle, agit contre ses sentiments.
La Bruyère condamne pourtant toutes ces formes de la dissimulation et critique sévèrement la Cour: Tout ce grand raffinement n’est qu’un vice, que l’on apelle fausseté, quelquefois aussi inutile au courtisan pour sa fortune, que la franchise, la sincérité et la vertu.46
Pour Padille, dans la conversation de Mlle de Scudéry, par contre, cette critique de la dissimulation n’est pas valable pour la Cour seulement. Il est dit explicitement: «mais aujourd’hui on ne trouve pas plus de sincerité dans les autres conditions»47. Padille ne s’exclut pas elle-même: […] quand je m’examine moy-mesme, je sens bien que la sincerité me quitte souvent.
En société on dit toujours «plus ou moins qu’on ne pense»: on cache l’amour, la haine, l’ambition, & l’on ne montre que ce qu’on croit qui peut plaire, ou qui peut estre vtile 48.
Ce sont là des arguments que Mathilde ne peut réfuter. Elle voudrait cependant, tout au moins dans le domaine de l’amitié, rester fidèle à son exigence d’une «sincerité parfaite». Ainsi se développe entre elle et Alphonse une discussion visant à décider si c’est l’amitié ou l’amour qui serait «plus propre à la sincerité»49. Cette partie galante de la conversa-
44 Ibid., p. 161. 45 Ibid., p. 164. 46 «De la Cour» 2 (I), in: La Bruyère, Les Caractères de Théophraste traduits du grec avec Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle, éd. Robert Garapon, Paris 1962, p. 221. 47 Mathilde (d’Aguilar) (voir note 35), p. 165. 48 Ibid., p. 163. 49 Cf. ibid., pp. 168 sqq.
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tion, moins importante pour notre propos, conduit à la deuxième question d’amour, «s’il y a d’ordinaire plus de sincerité entre les hommes, entre les femmes, ou d’vn sexe à l’autre»50. Cette discussion ne fait que confirmer combien la «vraie sincerité» est rare. Comme l’avait dit La Rochefoucauld: «On la trouve en fort peu de gens, et celle que l’on voit d’ordinaire n’est qu’une fine dissimulation […]». Si l’on s’interroge sur la prise de position de l’auteur dans cette conversation, on peut dire avec Jean Rousset: «Mlle de Scudéry laisse nettement percer sa sympathie pour Mathilde et son opposition à Dom Pedro» (le défenseur de la dissimulation) 51. Il faut cependant ajouter aussitôt qu’au cours de la discussion c’est «l’artificieuse Padille» qui devient la véritable antagoniste de Mathilde, et c’est elle qui, par la force de ses arguments, l’emportera. L’exigence de la sincérité subsiste, en tant que critère moral, alors que l’importance de la dissimulation, en tant qu’élément de l’art de plaire, est nettement soulignée. Il n’y a pas de justification morale de la dissimulation chez Mlle de Scudéry. Ceci apparaît clairement dans la conversation Du Mensonge, de 1684, où nous lisons: […] la dissimulation est une suite si dangereuse du mensonge, qu’on les peut confondre l’un avec l’autre.52
Dès l’introduction, les «mensonges de l’art» sont jugés positivement. La conversation, qui est présentée à une société choisie, a pour but de guérir Climene de son «inclination pour le mensonge». La lecture cependant a lieu dans une pièce où des glaces de Miroirs estant placées avec art à l’opposite de beaux païsages faisoient un effet merveilleux, car de par tout on voyoit des objets trompeurs & divertissans 53.
Contemplant les parcs ingénieusement aménagés, les effets de miroirs trompeurs, le décor plein d’artifices, Climene peut affirmer à bon droit «que le mensonge servoit à tous les plaisirs». La justification esthétique est très habilement opposée à la condamnation morale du mensonge et de la dissimulation. Herminius prend si éloquemment le parti de la vérité qu’il persuade Plotine de ce «que tout mensonge est un mal» et «que la
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Ibid., p. 170. Rousset, La Littérature de l’âge baroque en France (voir note 1), pp. 225 sq. Conversations nouvelles sur divers sujets, t. 1, Paris 1684, pp. 393–455, cit. p. 420. Ibid., p. 397.
56 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes dissimulation est une lascheté» 54. Climene, elle aussi, promet «de n’aymer plus les mensonges qu’en perspectives & en peinture» 55. Enfin, Mlle de Scudéry a repris notre sujet dans la conversation De l’Hipocrisie, de 1688, dans laquelle une des interlocutrices affirme «que tous ceux qui contrefont les vertueux sont hipocrites, & qu’en effet la dissimulation & l’hipocrisie se ressemblent beaucoup»56. Le sage Méliton rappelle également «que ces deux choses ont une grande liaison», tout en faisant remarquer: Il y a pourtant cette différence, qu’à la guerre & en politique il peut y avoir des dissimulations prudentes, loin d’estre blasmables.57
Cette justification limitée au domaine politique reste l’unique exception admise par Mlle de Scudéry dans ce texte. Il aurait certes été naturel, dans le cadre d’une conversation De l’Hipocrisie, de parler avant tout de la dissimulation dans le domaine religieux. Cet aspect, cependant, n’est pas prépondérant pour Mlle de Scudéry; son intérêt va plutôt aux «hipocrites d’amour», aux «hipocrites d’amitié», aux «hipocrites de générosité», etc.58. Il en est autrement chez La Rochefoucauld qui a fait de l’opposition entre «être» et «paraître» un des thèmes principaux de son œuvre de moraliste. Comme l’ont montré les études les plus récentes sur La Rochefoucauld – particulièrement les travaux de Jean Lafond et de Oskar Roth –, les Maximes répondent à deux tendances différentes: l’idéal de l’honnêteté et l’Augustinisme 59. Par conséquent, La Rochefoucauld traite le thème de la dissimulation d’une part conformément aux exigences de l’honnêteté, d’autre part sous l’influence de l’Augustinisme, c’est-à-dire de l’éthique de saint Augustin, telle qu’elle est interprétée par les Jansénistes. La Rochefoucauld tient à souligner que l’homme trompe non seulement les autres, mais qu’il se trompe aussi lui-même; nous cachons la vérité aux autres, mais aussi à nous-mêmes. Dans la maxime CXXIII de la première édition (1665), le moraliste explique la genèse de cette attitude:
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Ibid., pp. 434 sq. Ibid., p. 403. Nouvelles conversations de morale, t. 1, Paris 1688, pp. 1–32, cit. pp. 18 sq. Ibid., p. 13. Ibid., p. 12. Cf. Jean Lafond, La Rochefoucauld. Augustinisme et littérature, Paris 1977. – Oskar Roth, Die Gesellschaft der Honnêtes Gens. Zur sozialethischen Grundlegung des «honnêteté»-Ideals bei La Rochefoucauld, Heidelberg 1981.
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La coutume que nous avons de nous déguiser aux autres, pour acquérir leur estime, fait qu’enfin nous nous déguisons à nous-mêmes.60
Dans le manuscrit de Liancourt, dans lequel l’influence de la pensée janséniste est plus sensible encore que dans les versions ultérieures, nous trouvons: Il ne faut pas s’offenser que les autres nous cachent la vérité puisque nous nous la cachons si souvent nous-mêmes.61
De même que, chez La Rochefoucauld, les vertus humaines sont centrées sur l’honnêteté, de même, la condition préalable aux vertus chrétiennes est «l’humilité» (qu’il ne faut pas confondre avec «la dévotion»). Dans la maxime 358 de l’édition de 1678, La Rochefoucauld dit: L’humilité est la véritable preuve des vertus chrétiennes: sans elle nous conservons tous nos défauts, et ils sont seulement couverts par l’orgueil qui les cache aux autres, et souvent à nous-mêmes.62
Cette maxime ne met pas «l’humilité» elle-même en question. Elle est à la base des vertus chrétiennes qui, dans ce texte, apparaissent comme de véritables vertus, en opposition aux «vices déguisés» et à «la fausseté des vertus humaines»63. La dissimulation de nos fautes est provoquée par l’orgueil, qui, selon la doctrine chrétienne, est à l’origine du péché. La contrepartie de cette réflexion chrétienne est la maxime 254 dans laquelle La Rochefoucauld montre que l’humilité elle-même peut être une vertu apparente et le résultat de la dissimulation. La version définitive, dans l’édition de 1678, est la suivante: L’humilité n’est souvent qu’une feinte soumission, dont on se sert pour soumettre les autres; c’est un artifice de l’orgueil qui s’abaisse pour s’élever; et bien qu’il se transforme en mille manières, il n’est jamais mieux déguisé et plus capable de tromper que lorsqu’il se cache sous la figure de l’humilité.64
60 La Rochefoucauld, Maximes (voir note 39), p. 313. Cf. le texte définitif dans l’édition de 1678, No 119, p. 33: «Nous sommes si accoutumés à nous déguiser aux autres qu’enfin nous nous déguisons à nous-mêmes.» 61 Manuscrit de Liancourt, No 206, ibid., p. 432. 62 Ce texte a été publié pour la première fois dans la quatrième édition (1675), cf. ibid., pp. 85 sq. et la note de Truchet (p. 86). 63 Cf. l’épigraphe des Réflexions ou Sentences et Maximes morales: «Nos vertus ne sont, le plus souvent, que des vices déguisés […]» et l’œuvre de Jacques Esprit, La Fausseté des vertus humaines (2 tomes, Paris 1677–1678). 64 Maximes, p. 65. Cf. la version plus longue de cette maxime, dans le manuscrit de Liancourt, No 53 (Maximes, p. 410), et dans la première édition (1665), No CCLXXVII (Maximes, p. 346).
58 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes La dissimulation, ici également, est présentée comme une conséquence de l’orgueil, qui dans ce cas, paradoxalement, «s’abaisse pour s’élever». Selon La Rochefoucauld, les stratagèmes ou artifices de l’orgueil sont tout aussi divers que ceux de l’amour-propre. À propos de l’orgueil, la maxime 254 dit: «il se transforme en mille manières», et, dans sa longue réflexion sur l’amour-propre, le moraliste écrit: «[…] ses transformations passent celles des métamorphoses, et ses raffinements ceux de la chimie.»65 Cette mise en parallèle n’est pas fortuite, car, selon la conception chrétienne, l’orgueil et l’amour-propre ont les mêmes causes et les mêmes effets. Les deux concepts ont été maintes fois analysés dans la littérature religieuse du XVIIe siècle, par exemple par Nicole dans les traités De la connoissance de soi-même et De la charité & de l’amour-propre, au troisième volume des Essais de morale (1675). Dans le premier de ces deux traités, Nicole explique pourquoi les hommes recourent à la dissimulation. Il constate «qu’on ne peut rien condamner en nous par un mouvement d’équité & de justice», étant donné que celui qui laisse voir «qu’il ne nous approuve pas en tout», est tenu pour un homme à préjugés: Et comme personne n’aime à se faire regarder ainsi, il se forme parmi les hommes une espece de conspiration à se dissimuler les sentimens qu’ils ont les uns des autres, & il n’y a point d’accord mieux gardé que celui-là, parcequ’il est fondé sur un sentiment d’amour-propre, dont il y a peu de personnes qui soient exemtes.66
Pascal formule plus nettement encore les causes de la dissimulation qui déterminent l’attitude de chacun envers les autres et envers soi-même. Le fragment intitulé Amour-propre commence ainsi: La nature de l’amour-propre et de ce moi humain est de n’aimer que soi et de ne considérer que soi. Mais que fera-t-il? Il ne saurait empêcher que cet objet qu’il aime ne soit plein de défauts et de misère; il veut être grand, il se voit petit; il veut être heureux, et il se voit misérable; il veut être parfait, et il se voit plein d’imperfections; il veut être l’objet de l’amour et de l’estime des hommes, et il voit que ses défauts ne méritent que leur aversion et leur mépris.67
65 Première édition (1665), No I (Maximes, pp. 283 sq., cit. p. 283). 66 «De la connoissance de soi-même», in: Pierre Nicole, Essais de morale, t. 3, Paris 1733, pp. 1–130, cit. pp. 22 sq. 67 Pensées, éd. Lafuma (La) 978; éd. Brunschvicg (Br) 100 (sans titre). Nous citons d’après l’édition des Pensées in: Pascal, Œuvres complètes, éd. Louis Lafuma, Paris 1963, pp. 493–641, cit. p. 636.
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La conséquence de cette antinomie entre l’idéal et la réalité est le refus de la vérité. L’homme «conçoit une haine mortelle contre cette vérité qui le reprend, et qui le convainc de ses défauts». Il voudrait la nier, «et, ne pouvant la détruire en elle-même», il recourt à la dissimulation: […] il la détruit, autant qu’il peut, dans sa connaissance et dans celle des autres; c’est-à-dire qu’il met tout son soin à couvrir ses défauts et aux autres et à soi-même, et qu’il ne peut souffrir qu’on les lui fasse voir ni qu’on les voie.68
Cette analyse des causes et des effets de la dissimulation n’est pas caractéristique seulement de l’œuvre des moralistes influencés par le Jansénisme, mais de la littérature religieuse du XVIIe siècle en général. C’est ainsi que Bossuet évoque la nature et les effets de la haine que les hommes portent à la vérité, dans le Troisième Sermon pour le dimanche de la Passion 69. On pourrait citer encore d’autres textes religieux du XVIIe siècle qui condamnent la dissimulation. Nous nous bornons à l’exemple célèbre dans la tragédie chrétienne de Corneille où le protagoniste Polyeucte rejette toute forme de dissimulation et affirme: Un chrétien ne craint rien, ne dissimule rien; Aux yeux de tout le monde il est toujours chrétien.70
Pour un écrivain religieux comme Pascal, la dissimulation est un élément de «la misère de l’homme», elle est une conséquence du péché originel. C’est pourquoi il dit à la fin du fragment sur l’amour-propre: L’homme n’est donc que déguisement, que mensonge et hypocrisie, et en soimême et à l’égard des autres. Il ne veut donc pas qu’on lui dise la vérité. Il évite de la dire aux autres; et toutes ces dispositions, si éloignées de la justice et de la raison, ont une racine naturelle dans son cœur.71
Pascal explique donc la dissimulation dans la perspective de la doctrine chrétienne; il ne la justifie aucunement. Les moralistes français n’ont justifié ce concept que dans le domaine politique, dans le domaine esthétique, et dans le domaine d’une morale
68 Ibid. 69 Cf. Jacques-Bénigne Bossuet, Œuvres complètes, t. 1, Besançon 1836, pp. 416–425. – Dans ce sermon, la dissimulation n’est qu’un effet de la haine des hommes pour la vérité. Bossuet dit: «[…] nous nous déguisons nos mœurs à nous-mêmes.» Notre amour-propre «nous présente un fard agréable, il donne de fausses couleurs à nos intentions, il dore si bien nos vices que nous les prenons pour des vertus» (p. 420). 70 Corneille, Polyeucte V, 2, v. 1549 sq. 71 Pensées, La 978; Br 100 (voir note 67), p. 637.
60 Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes restreinte à l’art de la prudence. Dans les traités de théologie morale, les auteurs ont souvent posé la question: «An simulare et dissimulare liceat?» 72 Ce sujet joue un rôle essentiel dans la casuistique, sans conduire – me semble-t-il – ni chez un des moralistes français, ni chez un des prédicateurs célèbres, à une approbation de la dissimulation du point de vue de la doctrine chrétienne. Nous ne trouvons pas en France une valorisation comparable à celle qu’énonce Torquato Accetto dans son traité Della dissimulazione onesta se référant au passage de la Bible: «Estote prudentes sicut serpentes, et simplices sicut columbae.»73 Accetto définit la «dissimulazione» comme «decoro di tutte le altre virtú»74. Il estime que ce n’est qu’au jour du jugement dernier que cette vertu ne sera plus nécessaire, «quando Iddio, che oggi est dissimulans peccata hominum, non dissimulera piú», car «nel cielo ogni cosa è chiara»75. Son traité, cependant, semble ne pas avoir eu d’écho en France, et n’a jamais été traduit en français.
72 Cf. Croce, Préface au traité de Torquato Accetto, Della dissimulazione onesta (voir note 2), pp. 10 sq. 73 Mat. 10, 16. – Cf. Della dissimulazione onesta, pp. 19 sq. 74 Ibid., p. 69. 75 Ibid., p. 65 et p. 67.
Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVIIe siècle La gloire est un concept central de la littérature française du XVIIe siècle, non seulement dans la philosophie et la littérature morales du Grand Siècle, mais aussi dans des œuvres dramatiques, comme les tragédies de Corneille, ainsi que dans des romans précieux, comme ceux de Mlle de Scudéry. En ce qui concerne les héros de Corneille, on peut vraiment parler d’une «éthique de la gloire», comme le fait Octave Nadal dans l’étude conjointe à son livre Le Sentiment de l’amour dans l’œuvre de Pierre Corneille 1. On peut aussi se référer aux théories sur lesquelles se base l’idéal du héros à l’époque de Louis XIII, comme le fait Anthony Levi qui, dans son livre French Moralists, parle d’un «Cult of Glory», dérivé de la Theory of the Passions, de la première moitié du XVIIe siècle 2. Si on considère par contre l’analyse des passions humaines, et la discussion concernant la notion de gloire à l’époque de Louis XIV, alors que la gloire de la France avait atteint son apogée, au point de vue politique aussi bien que culturel, on doit constater que, dans la littérature moraliste de l’époque classique, «l’éthique de la gloire» a fait place à «la démolition du héros»3 et, par là, à une «critique de la gloire». C’est donc à partir des définitions et des conceptions très diverses de la gloire, qu’on peut concrétiser les Morales du grand siècle, que Paul Bénichou analyse d’une manière si convaincante. Pour comprendre cependant la discussion qui s’élève à propos de la notion de gloire dans la France du XVIIe siècle, il est nécessaire de se remémorer d’abord les étapes les plus importantes de l’histoire de cette notion. La notion de gloire au XVIIe siècle a deux racines principales: elle découle d’une part de la conception romaine de la gloire, telle qu’elle nous 1 Paris 1948, pp. 281–323: «De quelques mots de la langue cornélienne ou d’une éthique de la gloire». Cf. aussi Octave Nadal, «L’éthique de la gloire au dix-septième siècle», in: Mercure de France 308/1950, pp. 22–34. 2 Oxford 1964, pp. 177–201. 3 Cf. Paul Bénichou, Morales du grand siècle (1948), Paris 1970, pp. 155–180.
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a été transmise par Cicéron surtout, d’autre part de la notion chrétienne de la gloire, telle que – partant de l’exégèse biblique – nous la trouvons chez les Pères de l’Église et dans la littérature religieuse. Il en est donc de la notion de gloire comme de la notion de sagesse, qui doit être considérée d’une part dans l’ensemble des doctrines de la sagesse antique, et d’autre part dans l’ensemble des doctrines de la sagesse biblique 4. À l’opposition bien connue entre la «sagesse divine» et la «sagesse de ce monde» correspond l’opposition entre la «gloire céleste» et la «gloire de ce monde». Ces deux conceptions se retrouvent dans les définitions de la gloire données par les lexiques du XVIIe siècle. Dans le Dictionnaire françois de Pierre Richelet, qui date de 1680, la première acception de la Gloire: «Honneur acquis par de belles actions […]» est suivie des exemples: «La gloire est l’âme de la vertu. Avoir de la gloire.» Il s’agit sans aucun doute ici d’une conception terrestre de la gloire – «la gloire de ce monde» – étroitement liée à la vertu, de même que la notion romaine de la gloire – gloria – est étroitement liée à la virtus, car, comme le dit un proverbe romain: «Gloria umbra virtutis est.» 5 Dans le Dictionnaire universel de Furetière, qui date de 1690, le mot Gloire a tout d’abord la signification: Majesté de Dieu, la veuë de sa puissance, de sa grandeur infinie.
Les exemples sont les suivants: Les yeux mortels ne peuvent voir Dieu dans sa gloire. Dieu a paru dans sa gloire sur le mont de Thabor. les Bienheureux voyent Dieu dans sa gloire & face à face […].
Chez Furetière la gloire est donc d’abord une notion théologique, appliquée à Dieu et à l’Au-Delà: «la gloire éternelle». De ce point de vue, la gloire terrestre n’est qu’un reflet de la gloire céleste, comme il est dit explicitement chez Furetière: Gloire, se dit par emprunt & par participation, de l’honneur mondain, de la loüange qu’on donne au merite, au sçavoir & à la vertu des hommes.
Le premier des exemples qui suivent montre clairement la vanité de la gloire terrestre (par opposition à la gloire céleste):
4 Cf. Margot Kruse, «Sagesse et folie dans l’œuvre des moralistes», réimprimé dans ce volume, pp. 28–42. 5 Seneca, Epist., 79, 13. Cf. August Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer (1890), Hildesheim 1962, p. 155.
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La gloire du monde n’est qu’une fumée.
Furetière, cependant, ajoute plusieurs exemples qui prouvent que, dans cette notion de la gloire, subsiste encore la conception romaine de la gloria: ce Triomphateur est revenu comblé, tout couvert de gloire. cet ouvrage a acquis beaucoup de gloire à son Auteur. ce Prince a tiré beaucoup de gloire de cette action de clemence, de justice.
Nous retrouvons donc ici l’étroite relation entre gloire et vertu, correspondant à la relation entre gloria et virtus des Romains 6. Mais, alors que virtus et vertu désignent des qualités de l’homme, les notions de gloria et de fama, ou de gloire et réputation ne se rapportent pas à la personne même, mais à l’estime qui lui est accordée grâce à ses qualités ou à ses actions; il s’agit de «la loüange qu’on donne au merite, au sçavoir & à la vertu des hommes» ou de «l’honneur acquis par de belles actions». Nous voyons donc déjà que la gloire terrestre ne dépend pas seulement de celui qui accomplit de «belles actions» ou crée des œuvres célèbres, mais aussi de celui ou de ceux qui reconnaissent et louent ces actions ou ces œuvres. Il ne peut pourtant être question de la gloria au sens que lui donnent les Romains que lorsqu’il s’agit d’une estime générale des mérites. Dans ses Epistulae morales, Sénèque remarque que l’opinion d’un seul ne suffit pas pour donner de la gloire: ad gloriam non est satis unius opinio7.
Pour Cicéron, la gloire est représentée par «la louange des actions utiles, et l’estime pour les grands services rendus à l’État, estime qui reçoit sa légitimation du jugement des meilleurs aussi bien que de la multitude»8. Cicéron définit également la gloire comme le fait «d’être cité par beaucoup avec estime»: gloria est frequens de aliquo fama cum laude 9.
6 Cf. Ulrich Knoche, «Der römische Ruhmesgedanke» (1934), in: Hans Oppermann (éd.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1974, pp. 420–445. 7 Seneca, Epist., 102, 13 (cité d’après Knoche, ibid., p. 421). 8 Cicero, In M. Antonium oratio Philippica, 1, 29: «laus recte factorum magnorumque in rem publicam fama meritorum, quae cum optimi cuiusque tum etiam multitudinis testimonio conprobatur» (Knoche, ibid., p. 420). 9 De Inventione 2, 166 (Knoche, ibid.).
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De même Furetière distingue, dans son Dictionnaire, entre loüange et gloire: Il y a cette différence entre loüange, & gloire, que la loüange se donne par les particuliers, & la gloire par le général du monde.
Cependant, si la gloire est dépendante de l’estime «par le général du monde», une telle conception de la notion de gloire est sujette à la critique, car l’opinion générale ne correspond pas nécessairement à la vérité, la louange de la foule ne se rapporte pas nécessairement au véritable mérite et à la vraie vertu. C’est ainsi que la conception romaine de la gloire commence à changer dès la fin de la République: on distingue désormais entre la gloire accordée par la multitude – la gloria multorum ou gloria lata – et la vera gloria, la vraie gloire, qui ne pouvait reposer que sur le jugement de quelques-uns, les bons: gloria bonorum. Toutefois, cette conception de la gloire, elle non plus, ne se rapporte pas en premier lieu au mérite ou à la vertu de celui qui accomplit de hauts faits ou produit des œuvres célèbres, mais à son approbation par d’autres. Ici également, la gloire, tout comme la réputation, est dépendante de «l’approbation d’autrui». C’est là un des points sur lesquels la critique des moralistes s’est toujours dirigée à nouveau. Le meilleur exemple serait celui de Montaigne, dont la critique de la gloire a servi de base à la discussion de la notion de gloire au XVIIe siècle. Dans son essai De la Gloire – il s’agit du seizième essai du livre II – Montaigne place, à diverses reprises, «la gloire» et «l’approbation d’autruy» sur le même rang. Il se réfère aux philosophes de l’Antiquité qui exigeaient le mépris de la gloire, comme par exemple Chrysippe, le Stoïcien, Diogène, le Cynique, ou Épicure dont Montaigne dit: Celuy qui nous ordonne de nous cacher et de n’avoir soing que de nous, et qui ne veut pas que nous soyons connus d’autruy, il veut encore moins que nous en soions honorez et glorifiez.10
L’exemple du mépris de la gloire par Chrysippe et Diogène est repris de Cicéron (De finibus III, 17). Montaigne écrit: Chrysippus et Diogenes ont esté les premiers autheurs et les plus fermes du mespris de la gloire; et, entre toutes les voluptez, ils disoient qu’il n’y en avoit point de plus dangereuse ny plus à fuir que celle qui nous vient de l’approbation d’autruy.11 10 Montaigne, Essais, éd. Maurice Rat, Paris 1962, t. 2, p. 17. 11 Ibid., p. 16.
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Montaigne ajoute que, selon ces philosophes, «toute la gloire du monde ne meritoit pas qu’un homme d’entendement estandit seulement le doigt pour l’acquerir»12. Un deuxième point sur lequel se base la critique de la gloire dans l’essai de Montaigne, est la dépendance de «la gloire» par rapport à «la fortune». Cet argument est également très fréquent dans l’Antiquité. C’est ainsi que nous lisons chez Salluste: Oui, la fortune étend sa domination sur toute chose; elle glorifie les uns et couvre d’ombre les autres, moins selon la réalité que selon son caprice.13
Montaigne, qui cite cette phrase (en latin, bien entendu), poursuit: De faire que les actions soient connuës et veuës, c’est le pur ouvrage de la fortune. C’est le sort qui nous applique la gloire selon sa temerité.14
Ce que Montaigne veut prouver avant tout, c’est que la relation entre gloire et vertu n’est pas aussi étroite que l’éthique romaine de la gloire ne le postule. C’est pourquoi il choisit pour modèles des souverains glorieux, Alexandre et César, que La Rochefoucauld citera au XVIIe siècle comme «exemples» de la valeur et de la gloire 15. Chez Montaigne aussi bien que chez La Rochefoucauld cependant, Alexandre et César ne doivent pas la gloire à leur vertu ou à leur mérite, mais à la fortune. Dans l’essai De la Gloire nous lisons: A qui doivent Cæsar et Alexandre cette grandeur infinie de leur renommée, qu’à la fortune? 16
La Rochefoucauld, dans les Réflexions diverses, illustre par l’exemple d’Alexandre et de César sa maxime 153: La nature fait le mérite, et la fortune le met en œuvre.17
La critique de la gloire par Montaigne, qui fut reprise et poursuivie par les moralistes français du XVIIe siècle, n’est cependant pas dirigée unique-
12 Ibid. 13 Sallustius, De conjuratione Catilinae, VIII: «Profecto fortuna in omni re dominatur: ea res cunctas ex libidine magis quam ex vero celebrat obscuratque.» 14 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, p. 19. 15 Réflexions diverses, VII. Des exemples, in: La Rochefoucauld, Maximes, éd. Jacques Truchet, Paris 1967, p. 198. 16 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, p. 20. 17 Édition de 1678. La Rochefoucauld, Maximes (voir note 15), p. 40.
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ment contre l’ancienne éthique de la gloire des Romains, mais aussi contre la conception de la gloire qui est celle de l’Humanisme et de la Renaissance. Il est nécessaire ici de recourir brièvement à l’histoire du thème de la gloire. L’ancienne éthique de la gloire romaine, basée sur l’unité de virtus et gloria devait plus tard être modifiée sous l’influence de la philosophie grecque. La gloire n’était plus considérée comme inséparable de la vertu elle-même, mais plutôt comme une confirmation du dehors, et sans importance pour le jugement de la personne et de ses actions. Sénèque souligne tout spécialement […] que le fruit de la conduite morale réside dans cette conduite elle-même, et que gloria, fama, honos, n’y ajoutent que leur confirmation, sans aucune nécessité essentielle.18
Du point de vue chrétien «la gloire du monde» sera mise en question, comme le montre clairement la dépréciation de la passion de la gloire, ainsi que l’opposition établie entre la gloire céleste et la gloire de ce monde au livre V de la Cité de Dieu de saint Augustin19. L’Humanisme et la Renaissance enrichissent d’une nouvelle acception le thème de la gloire. Les anciennes discussions sont alors reprises et amplifiées; la conception antique de la gloire et la dépréciation chrétienne de cette vertu s’unissent d’une manière toute nouvelle, dans l’œuvre de Pétrarque surtout. Le thème de la gloire est en outre enrichi par l’apparition d’une conscience littéraire toute neuve chez les Humanistes, ainsi que par la nouvelle conception du «poète» que développe la Renaissance, sous l’influence du Platonisme 20. L’Antiquité romaine n’avait d’abord parlé que de la gloire par rapport aux grands hommes dans le domaine militaire et politique, et ce n’est que depuis le 1er siècle av. J.-Chr. que l’on trouve des documents concernant la gloire des poètes, des philosophes ou des historiographes 21. L’Humanisme et la Renaissance, par contre, placeront les écrivains et les poètes au centre de la discussion sur la gloire. Ceux-ci seront non seulement dignes de gloire – comme le montre le couronnement des poètes – mais eux-mêmes,
18 Hugo Friedrich, Montaigne (1949), trad. par Robert Rovini, Paris 1968, p. 174. 19 Cf. Augustinus, De civitate Dei, V, 11–19. 20 Cf. Robert J. Clements, «Poetic Glory and the Revolt against Glory», in: R. J. C., Critical Theory and Practice of the Pléiade, Cambridge 1942, pp. 42–83. 21 Cf. Knoche, «Der römische Ruhmesgedanke» (voir note 6), p. 440.
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par leurs œuvres, assurent la gloire du héros. La véritable œuvre d’art, créée «aere perennius», confère à celui qui est représenté, tout comme au poète ou à l’artiste, la renommée, et même «l’immortalité terrestre». C’est pourquoi apparaît si souvent dans la littérature de la Renaissance le motif de «l’immortalité par la gloire» 22. Comme exemples de la littérature italienne nous citerons les Trionfi de Pétrarque ainsi que l’Orlando furioso de l’Arioste dans lequel la conception de ce motif est toute différente. Le motif de «l’immortalité par la gloire» acquiert également une grande importance dans la littérature française de la Renaissance, comme le montre l’importante étude sur La Gloire dans la poésie française et néolatine du XVIe siècle, de Françoise Joukovsky. L’auteur souligne «[…] que le poète ou l’artiste apparaît au XVIe siècle comme le grand privilégié dans la course à l’immortalité. Capable de sauver autrui, il est, a fortiori, certain d’échapper lui-même au ‹lac noir oublieux› […]»23. Pour le sceptique Montaigne, par contre, une telle certitude ne peut exister. Dans les Essais, il n’est question ni de l’immortalité de l’âme ni de l’immortalité par la gloire. La critique de Montaigne d’ailleurs ne concerne pas la gloire du poète, mais est dirigée contre la modification que subit pendant la Renaissance l’éthique de la gloire de l’Antiquité. Cette modification, qui s’achève dans les cours italiennes du XVIe siècle, est basée sur l’union de la conception romaine de la gloire avec la notion de l’honneur de la noblesse 24. Le résultat fut une «éthique de la gloire» courtoise, pour laquelle la valeur de l’individu ne dépend pas de ses qualités propres, mais de son appréciation par la société, de sa réputation ou de sa gloire. Dans Il libro del Cortegiano de Castiglione cette «éthique de la gloire» courtoise est si manifeste que la critique de Montaigne semble être, à maints endroits, une réplique directe aux instructions données au courtisan dans le livre II du Cortegiano 25. Nous lisons par exemple au chapitre 8 que le courtisan, dont la profession la plus noble est le métier des armes, doit veiller à ne pas accomplir d’actions particulières et audacieuses au sein de la foule, mais uniquement en présence des chefs mili-
22 Cf. Ulrich Leo, «Petrarca, Ariost und die Unsterblichkeit. Ein Beitrag zur Motivgeschichte», in: Romanische Forschungen 63/ 1951, pp. 241–281. 23 Genève 1969, p. 576. 24 Cf. Friedrich, Montaigne (voir note 18), p. 174. 25 Quant à la conception de la gloire dans ce livre, cf. Erich Loos, Baldassare Castigliones «Libro del Cortegiano». Studien zur Tugendauffassung des Cinquecento, Frankfurt am Main 1955, pp. 131–135.
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taires les plus nobles et les plus estimés, et, si possible, sous les yeux du Souverain ou du Prince qu’il sert: perché invero è ben conveniente valersi delle cose ben fatte26.
Montaigne, par contre, demande: Ceux qui apprennent à la noblesse de ne chercher en la vaillance que l’honneur […] que gaignent ils par là que de les instruire de ne se hazarder jamais si on ne les voit, et de prendre bien garde s’il y a des tesmoins qui puissent rapporter nouvelles de leur valeur, là où il se presente mille occasions de bien faire sans qu’on en puisse estre remarqué? 27
À cette aspiration du Courtisan à l’honneur, qui, pour Castiglione, est identique à la gloire, Montaigne oppose une conception de l’honneur reposant sur les actions elles-mêmes et non sur la reconnaissance de ces actions par d’autres. Montaigne s’appuie ici sur une réflexion critique de Cicéron: Une vraie et sage grandeur d’âme place l’honneur, qui est le principal but de notre nature, dans les actes, non dans la gloire.28
Pour Montaigne, les nobles actions et la gloire ne sont pas nécessairement liées entre elles. C’est pourquoi «l’homme de bien» selon Montaigne ne doit pas régler sa conduite sur l’approbation d’autrui. Dans l’essai De la Gloire nous lisons: Qui n’est homme de bien que par ce qu’on le sçaura, et par ce qu’on l’en estimera mieux après l’avoir sceu; qui ne veut bien faire qu’en condition que sa vertu vienne a la connoissance des hommes, celuy-là n’est pas homme de qui on puisse tirer beaucoup de service.29
L’opposition à «l’éthique de la gloire» courtoise dans le Cortegiano de Castiglione est ici évidente. Si l’on se rappelle combien la notion de l’honneur du siècle de Louis XIV était étroitement liée à l’approbation d’autrui, et quelle influence essentielle l’idéal du Cortegiano eut sur l’idéal de «l’honnête homme» 30,
26 Baldesar Castiglione, Il libro del Cortegiano, éd. Vittorio Cian, Firenze 41947, p. 149. 27 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, p. 20. 28 Cicero, De officiis, I, 19: «Vera et sapiens animi magnitudo honestum illud quod maxime naturam sequitur, in factis positum, non in gloria judicat.» (cité par Montaigne, ibid.). 29 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, p. 21. 30 Cf. p. e. Henning Scheffers, Höfische Konvention und die Aufklärung. Wandlungen des ‹honnête homme›-Ideals im 17. und 18. Jahrhundert, Bonn 1980, pp. 11–17.
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on comprend que la critique de la gloire au XVIIe siècle ait porté sur les mêmes points que la critique de Montaigne. L’interrogation traditionnelle sur le rapport entre gloire et vertu, tout comme le rapport entre gloire et fortune, est posée à nouveau par les moralistes du «Grand Siècle» et résolue en considération des problèmes de leur époque. Comme dans les Essais de Montaigne, l’analyse psychologique s’efforcera de dévoiler l’opposition entre «le paraître» et «l’être». C’est ainsi que l’essai de Montaigne présente le meilleur point d’appui d’une étude des conceptions de la gloire au XVIIe siècle. Le concept de la gloire terrestre analysé jusqu’ici est déjà mis en relation avec le concept de la gloire chrétienne qui joue un rôle essentiel dans la littérature du XVIIe siècle. Cela ne concerne pas seulement la littérature religieuse, mais aussi le discours De la Louange et de la Gloire de Mlle de Scudéry par exemple, qui date de 1671, dont nous parlerons encore. C’est pourquoi nous devrons examiner également cet aspect du thème de la gloire. Chez Montaigne, le recours à «la gloire de Dieu» vise à la preuve de «la misère de l’homme». Dès le début de l’essai De la Gloire, l’auteur souligne que, de par son essence, la gloire n’appartient qu’à Dieu, «qui est en soy toute plenitude et le comble de toute perfection». L’être humain par contre est toujours imparfait: «Nous sommes en disette de beauté, santé, sagesse, vertu, et telles parties essentieles […]». C’est pourquoi Montaigne estime qu’il est au plus haut point déraisonnable que l’homme veuille rechercher pour lui-même la gloire qui revient à Dieu seul: […] c’est à Dieu seul à qui gloire et honneur appartient; et il n’est rien si esloigné de raison que de nous en mettre en queste pour nous: car, estans indigens et necessiteux au dedans, nostre essence estant imparfaicte et ayant continuellement besoing d’amelioration, c’est là à quoy nous nous devons travailler.31
L’homme n’est donc jamais digne de gloire, c’est pourquoi il lui faut refuser la passion de la gloire, qui est une forme de l’ambition. Cependant, Montaigne confronte non seulement la gloire de Dieu et la passion de la gloire chez l’homme, mais il distingue également entre la gloire de Dieu et la gloire reconnue à Dieu par la louange des hommes. Nous abordons ici la deuxième acception de la notion théologique de la gloire, que cite également Furetière: Gloire, se dit aussi de l’honneur qu’on rend à Dieu, des louanges qui luy sont deuës.
31 Montaigne, Essais (voir note 10), t. 2, pp. 15 sq.
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Montaigne clarifie la différence avec la gloire de Dieu en partant de la relation entre les notions de «chose» et de «nom»: Il y a le nom et la chose; […] le nom, ce n’est pas une partie de la chose ny de la substance, c’est une piece estrangere joincte à la chose, et hors d’elle.32
Si l’on pense à l’essence de Dieu («la chose» ou «la substance»), la louange venue des hommes ne peut rien ajouter à la gloire de Dieu, mais la gloire de son nom peut être accrue: Dieu, qui est en soy toute plenitude et le comble de toute perfection, il ne peut s’augmenter et accroistre au dedans; mais son nom se peut augmenter et accroistre par la benediction et louange que nous donnons à ses ouvrages exterieurs.33
Il peut, au premier abord, paraître étonnant de trouver ces déclarations concernant la notion de gloire chrétienne dans les Essais de Montaigne, alors que son œuvre de moraliste consiste dans une analyse immanente du comportement humain, partant du «moi». Hugo Friedrich a déjà fait remarquer, cependant, que Montaigne, dans son exposé de «la misère de l’homme», a souvent recours à des réflexions relevant de la théologie chrétienne34. C’est ainsi que la notion théologique de la gloire lui sert seulement à appuyer sa critique de la gloire humaine. Il est plus difficile d’expliquer la concordance des déclarations de Montaigne sur la notion chrétienne de la gloire avec le thème du discours De la Louange et de la Gloire de Mlle de Scudéry, auquel fut accordé le «Prix d’Eloquence» de l’Académie française en 1671. Le thème du discours, fixé par avance et se terminant obligatoirement par une prière, est le suivant: De la Louange et de la Gloire: Qu’elles appartiennent à Dieu en propriété; & que les Hommes en sont ordinairement usurpateurs. Suivant les paroles du Pseaume 112 [Vulgata 113B]: Non nobis, Domine, non nobis; sed nomini tuo da gloriam.35
On se demande, d’une part, pourquoi ce thème religieux avait été choisi pour le «Prix d’Eloquence» de l’Académie française, d’autre part, comment Mlle de Scudéry qui, dans ses romans héroïques et galants, avait 32 33 34 35
P. 15. Ibid. Cf. Friedrich, Montaigne (voir note 18), pp. 107 sq. Pièces d’Eloquence qui ont remporté le Prix de l’Académie françoise, Depuis 1671 jusqu’en 1748, Paris 1766, t. 1, p. 1.
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défendu une «éthique de la gloire» mondaine, a pu choisir ce thème et remporter le prix. Quant à la première question, Mlle de Scudéry ellemême mentionne dans son discours que le thème avait été choisi par Guez de Balzac. Elle cite les premiers mots du Psaume 113B, et poursuit: Feu Monsieur de Balzac qui les a si judicieusement choisies, & qui a laissé un prix, plus glorieux qu’utile, à celui qui écriroit le mieux sur une si noble matière, connoissoit sans doute la Gloire. Il l’avoit aimée; il la méritoit; il la possédoit, & pouvoit même la donner aux autres, autant que la faiblesse humaine le peut permettre. Cependant, après s’être acquis en l’art d’écrire toute la Gloire qu’on peut acquérir, il a voulu par la Gloire même exciter tout le monde à reconnoître qu’elle n’appartient véritablement, proprement & souverainement, qu’a Dieu; & après lui, imparfaitement & foiblement, à ceux qui savent lui en rendre hommage.36
À première vue cette référence à Guez de Balzac est surprenante, car Balzac était mort en 1654, dix-sept années donc avant que l’Académie française ne distribue le «Prix d’Eloquence» pour la première fois. De plus, Guez de Balzac lui-même avait écrit un discours De la Gloire dans lequel il soutenait une «éthique de la gloire» purement terrestre. Ce discours, auquel nous reviendrons, fu dédié dès 1639 à la marquise de Rambouillet, et, jusque dans ses dernières œuvres, «la religion de Balzac est empreinte de l’éthique aristocratique […]. Elle présente un même respect de la Noblesse, un même idéal d’Héroïsme, un même culte de la Gloire»37. C’est pourquoi il est difficile de concevoir que la dépréciation de la gloire terrestre dans l’énoncé du thème donné par l’Académie française remonte à Guez de Balzac. La référence de Mlle de Scudéry est pourtant confirmée, et précisée, par l’édition de son Discours de la Gloire publiée chez Pierre le Petit en 167138. Il faut donc supposer que Guez de Balzac 36 Ibid., pp. 3 sq. 37 Jean Jehasse, Guez de Balzac et le Génie Romain, Saint-Étienne 1977, p. 370. 38 Dès le titre, l’éditeur renvoie au Sujet donné par feu Monsieur de Balzac (p. 5). À la fin du texte de Mlle de Scudéry il ajoute l’Imprimé par lequel l’Académie française avait publié les conditions de ce concours (cf. pp. 41–46). L’intention de Guez de Balzac est précisée au début de ce texte: «Feu Monsieur de Balzac l’un des Quarante de l’Academie Françoise, ayant laissé un fonds de cent livres par an, pour estre employé de deux ans en deux ans, à donner un prix de la valeur de deux cens livres, à celuy qui au jugement de cette Compagnie se trouveroit avoir fait le meilleur discours sur certaines matières pieuses par luy marquées; & cette disposition n’ayant pû estre executée jusques icy à cause de divers obstacles qui sont survenus; l’Academie Françoise a crû nécessaire d’avertir le public qu’elle distribuëra ce prix pour la première fois en cette presente année 1671 […]» (p. 41).
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avait fixé les conditions du «Prix d’Eloquence» et choisi les «matières pieuses» pendant sa dernière maladie où il «s’était fait transporter aux Capucins d’Angoulême» et pendant laquelle il «afficha la plus grande piété» 39. Si Mlle de Scudéry a participé à ce concours, c’est sans doute que sous la romancière perçait déjà l’auteur des Conversations morales 40. Sa façon de traiter le sujet laisse pourtant deviner encore «l’éthique de la gloire» sur laquelle étaient basés ses romans. Car, à la différence de Montaigne, la notion chrétienne de la gloire n’est pas chez elle le point de départ d’une critique de la gloire humaine. Elle s’efforce, bien plutôt, de montrer que, dans le domaine humain également, il n’existe pas seulement une «fausse gloire», mais aussi une «gloire véritable». La «fausse gloire» est pour Mlle de Scudéry «cette opinion que nous acquérons dans l’esprit d’autrui, sans la mériter». Il ne peut être question de «véritable gloire» que si la renommée est basée sur le «mérite» caractérisant la personnalité tout entière, et non sur une qualité éminente seulement: […] il est de la Gloire comme de la Beauté; un beau trait tout seul ne peut faire une belle personne; c’est un assemblage de grandes qualités qui fait le fondement de la Gloire. La grande naissance, le grand pouvoir, la grande beauté, la grandeur d’esprit & la valeur, y peuvent contribuer […] 41.
La périphrase par laquelle Mlle de Scudéry désigne le mérite «qui fait le fondement de la gloire» correspond à la définition que donne Furetière comme première acception du mot mérite: Assemblage de plusieurs vertus ou bonnes qualitez en quelque personne, qui luy donne de l’estime & de la consideration.
Ce concept se distingue essentiellement du «mérite personnel» au sens de La Bruyère, et aussi de l’usage actuel de la langue, pour lequel le mérite se rapporte uniquement à la qualité du comportement ou des actions de l’homme. Pour Mlle de Scudéry, «le mérite» comprend également les qualités innées comme «la grande naissance», ou physiques comme «la grande beauté». Dans cette acception le mérite est une notion essentielle de l’éthique aristocratique de la gloire. Cela est confirmé par le théâtre de
39 Antoine Adam, Histoire de la littérature française au XVIIe siècle, t. 2, Paris 1951, p. 155 (note). 40 Cf. Choix de Conversations de Mlle de Scudéry, éd. Philip J. Wolfe, Ravenna 1977, Introduction, pp. 7 sq. 41 Pièces d’Eloquence (voir note 35), p. 7.
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Corneille, où «le mérite» occupe une place équivalente 42. Les qualités choisies par Mlle de Scudéry sont également caractéristiques: «La grande naissance, le grand pouvoir, la grande beauté, la grandeur d’esprit & la valeur […]» sont des qualités typiques de l’idéal du héros courtois, mais sont étrangères à la morale chrétienne. Cependant, Mlle de Scudéry réussit à concilier son discours avec la thématique religieuse, en recourant à un stratagème. Elle relève trois «Conditions de la véritable Gloire» auxquelles sont soumises les qualités citées par elle: 1. Il faut que la Gloire soit l’image d’un bien réel & solide qui soit en nous. 2. Il faut par conséquent que ce bien ne soit pas mêlé de beaucoup de mal qui le corrompe & en diminue le mérite. 3. Il faut enfin que ce bien nous soit propre & ne nous vienne pas d’autrui […] 43.
Vue sous cet angle, la gloire humaine se révèle comme nécessairement imparfaite, de sorte que Mlle de Scudéry peut dire: […] elle n’appartient qu’à Dieu en propriété; quoiqu’il nous laisse quelquefois un court et léger usage, ou plutôt une ombre de cette Gloire proprement dite qui n’est que pour lui.44
Cette constatation est prouvée de si adroite façon, en application à chacune de ces «grandes qualités», que Mlle de Scudéry a certainement mérité de remporter le «Prix d’Eloquence» pour ce discours. Son argumentation lui permet de conclure: Dieu seul possède la Gloire avec ces trois conditions essentielles; seul il ne la tire jamais de ce qui n’est point un bien; seul il possède ce bien sans nul mêlange de mal; seul il le tient de lui-même.45
Sans aucune rupture vient alors la «Prière à Jésus-Christ», obligatoire, dans laquelle il n’est plus trace de «l’éthique de la gloire» aristocratique sur laquelle s’appuyait Mlle de Scudéry dans ses romans. Parmi les textes moralistiques déterminés par cette éthique, l’un des plus typiques est certainement le discours déjà cité de Guez de Balzac De
42 43 44 45
Cf. Nadal, «De quelques mots de la langue cornélienne» (voir note 1), pp. 287–290. Pièces d’Eloquence (voir note 35), p. 6. Ibid. Ibid., p. 14.
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la Gloire, ou encore le discours Le Romain du même auteur, dédié également à la marquise de Rambouillet 46. Dans Le Romain, Balzac peint l’image idéale du «héros», sous les traits d’un Consul Romain. Ce qui frappe d’abord dans ce portrait est l’adjonction de traits néo-stoïciens à cet idéal du héros. Nous lisons par exemple à propos du Consul Romain: Il estime plus vn iour employé à la Vertu, qu’vne longue vie delicieuse; vn moment de Gloire qu’vn siecle de Volupté […]. Vn esprit sans corps, & desembarrassé de la matiere n’agiroit pas d’vne autre façon, & ne seroit pas moins incommodé de ses passions.47
Il semblerait ici que le «héros» de Balzac ait tous les traits d’un «sage» stoïque. Ce n’est pas le cas cependant, car il se distingue par une «vertu héroïque» qui fait déjà penser à la «vertu» du héros cornélien. Pour Guez de Balzac la «souveraine vertu» ne consiste pas – comme c’est le cas pour le stoïcien – en l’empire sur soi, en la victoire de la raison sur les passions. Ce sont les grandes passions, aussi bien que les forces spirituelles, qui sont mises au service de la «souveraine vertu», laquelle s’élève audessus de ce qu’on nomme communément vertu et vice. Guez de Balzac écrit: […] la vertu héroïque, qui se sert des excez, & de la grandeur des passions, va autant au delà de la vertu commune que du vice.48
C’est de cette «souveraine vertu» que dispose le Romain. Son influence sur les hommes n’est pas un effet de sa puissance, et il n’use pas de moyens extérieurs pour l’exercer, mais il est doué d’une «Authorité, inhérente à la personne de celuy qui l’a»49. Pour Guez de Balzac cette «Authorité qui vient du Ciel» est étroitement liée à la «vertu héroïque» et à la «gloire», elle est […] vne certaine lumiere de Gloire, & vn certain charactere de Grandeur que la Vertu Heroïque imprime sur le visage des hommes.50
46 Ces deux Discours sont interprétés sous le même point de vue par Lore Spilker dans son travail d’examen d’état: Der Begriff der «gloire» in der französischen Moralistik des 17. Jahrhunderts, Hamburg 1977, pp. 32–38. 47 Guez de Balzac, Les Œuvres diverses, Leide 1658, p. 4. 48 Guez de Balzac, Les Premières Lettres, 1618–1627, éd. H. Bibas et Kathleen T. Butler, Paris 1933, t. 1, p. 153. 49 Guez de Balzac, Les Œuvres diverses (voir note 47), p. 10. 50 Ibid.
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Dans le discours De la Gloire, Balzac décrit la grandeur de Rome à l’époque de la République – où Cicéron écrivit un Traité de la Gloire et Brutus un Traité de la Vertu – et l’oppose à la «bassesse» de son temps, où ces ouvrages sont perdus et où l’on s’intéresse bien plus à un livre «qui descouvriroit le Secret de faire de l’or, ou qui apprendroit à trouuer les Thresors cachés» 51. À la grandeur de Rome est reliée «l’Ambition», à la bassesse de l’époque actuelle «l’Avarice». S’il fut un temps où les Romains aspiraient à «l’Honneur», les hommes ne recherchent plus aujourd’hui que «le Profit». Cela est vrai, même pour la noblesse: De l’ame des Fermiers & des Receueurs il a passé ce malheureux Interest en celle des Gentils-hommes & des Princes.52
Balzac soutient avec éloquence «l’éthique de la gloire», et critique sévèrement les nobles qui, pour des motifs matériels, ont renoncé à leur aspiration à la gloire, et pour lesquels «l’Ambition» a cédé la place à «l’Avarice». Ie ne puis certes comprendre comme des personnes, qui sont appellées à la conduite du Monde, & qui en cette souueraine Administration peuvent avoir de tres-pures & de tres-parfaictes voluptés, […] je ne puis, dis-je, m’imaginer, comme ces personnes-là preferent le Profit à la Gloire, & ayment auec tant de passion vne chose morte […]53.
Une confrontation entre ambition et avarice se trouve dès le début du siècle dans un ouvrage fort répandu de Pierre Charron, De la Sagesse, dans lequel il développe son concept de gloire en relation avec «l’ambition». Quoique Charron, comme Balzac, soit influencé par le néo-stoïcisme, et qu’il ait, de plus, emprunté maintes idées à Montaigne, il donne déjà à l’ambition une valeur positive, ce que montre clairement une comparaison avec l’avarice. Pour Charron, l’ambition est «une faim d’honneur et de gloire», une passion «qui se coule aisement ès esprits plus genereux»54. C’est ainsi que Guez de Balzac justifie l’ambition des «Sages» par l’argument suivant: «les Ames Extraordinaires doiuent connoistre ce qu’elles valent»55. Un sentiment encore plus profond de sa propre valeur caractérise le héros de Corneille, dans les tragédies duquel «l’éthique de la gloire» 51 52 53 54 55
Ibid., p. 153. Ibid., p. 156. Ibid., p. 155. Pierre Charron, De la Sagesse 1/ 21, éd. Amaury Duval, Paris 1820, t. 1, p. 155. Balzac, Les Œuvres diverses (voir note 47), p. 154.
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atteint son apogée. Pour le héros cornélien «la gloire» n’est pas une «approbation d’autrui», n’est pas quelque chose qui lui vient du dehors, mais une part de lui-même, comme «la vertu» ou «le mérite». C’est pourquoi le héros de Corneille parle si souvent de «ma gloire». À l’acte V de la tragédie, Horace dit au roi: Permettez, ô grand roi, que de ce bras vainqueur Je m’immole à ma gloire, et non pas à ma sœur. (V. 1593 sq.)
À l’acte V de Polyeucte, Sévère manifeste tout aussi clairement le sentiment de sa propre valeur: Je suis encor Sévère; et tout ce grand pouvoir Ne peut rien sur ma gloire, et rien sur mon devoir. (V. 1405 sq.)
Ces citations expriment bien la moralité particulière du théâtre de Corneille qu’Octave Nadal illustre par de nombreux exemples 56. À l’opposition de l’éthique chrétienne qui, par le postulat de l’amour du prochain, s’adresse à tous, l’éthique de Corneille est destinée à une élite. La hiérarchie aristocratique des valeurs est nettement exprimée à l’acte II de La Mort de Pompée: Les princes ont cela de leur haute naissance; Leur âme dans leur sang prend des impressions Qui dessous leur vertu rangent leurs passions. Leur générosité soumet tout à leur gloire […] (V. 370–373).
La «haute naissance», tout comme la «beauté» ou la «vaillance», contribue au «mérite» du héros cornélien. Les passions ne sont pas reniées, comme chez les Stoïciens, au contraire, les fortes passions sont approuvées et mises au service de la vertu qui «a pour fin la conquête du Pouvoir et de la Gloire»57. Octave Nadal peut écrire: «La gloire est la valeur la plus haute, le principe.»58 La «générosité», qui, chez Corneille, signifie bien plus que la «libéralité», est une vertu élevée, appartenant à la noblesse, et qui s’aligne sur la gloire: «Leur générosité soumet tout à leur gloire». Dans le théâtre de Corneille, cette éthique ne s’applique pas seulement aux héros masculins, mais aussi aux héroïnes. Elles aussi mettent leurs passions au service de leur gloire. Plus leur rang est élevé, plus elles s’y sentent soumises. C’est ainsi qu’à l’acte II du Cid l’Infante peut dire:
56 Cf. «De quelques mots de la langue cornélienne» (voir note 1), pp. 299–304. 57 Ibid., p. 290. 58 Ibid., p. 299.
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Enfin tout ce qu’on dit des plus fameux guerriers, Je l’attends de Rodrigue après cette victoire, Et fais de son amour un sujet de ma gloire. (V. 544–546)
Chimène, bien que d’un rang moins élevé, et en dépit de son amour pour Rodrigue, s’écrie après la mort de son père: Il y va de ma gloire, il faut que je me venge […] (V. 842).
Corneille soutient cette «éthique de la gloire» non seulement à l’époque de Louis XIII, dans ses drames célèbres du Cid jusqu’à Polyeucte, mais aussi dans ses dernières tragédies, d’Œdipe à Suréna, écrites après la Fronde et au début du règne de Louis XIV. Dans la littérature morale, la «démolition du héros» était déjà très avancée, d’une part sous l’influence du Jansénisme, dont les représentants critiquaient sévèrement l’importance accordée à la «gloire de ce monde», d’autre part par suite de l’évolution politique par laquelle la noblesse d’épée avait perdu beaucoup de sa puissance. Après l’échec de la Fronde des Princes, l’ancienne noblesse n’avait pratiquement plus de fonction dans le domaine politique et militaire. «Le héros» tel que l’avait incarné le Grand Condé, le vainqueur de Rocroi, fait place à «l’honnête homme» tel que l’avait conçu le Chevalier de Méré. L’image de l’homme sur laquelle se basait «l’éthique de la gloire» est donc soumise à une critique rigoureuse, surtout sous l’influence de la conception du monde strictement chrétienne. Comme l’ont montré les recherches récentes, ce n’est pas seulement l’analyse de la «condition humaine» dans les Pensées sur la Religion de Pascal, qui est guidée par «l’Augustinisme», mais aussi la critique des «vertus» dans les Réflexions ou Sentences et Maximes morales du duc de La Rochefoucauld 59. Dans cet ouvrage, imprégné de la morale de l’honnêteté, les valeurs de «l’éthique de la gloire» sont analysées sous forme d’aphorismes, du point de vue de l’opposition entre «l’être» et le «paraître». Dans ses Maximes, La Rochefoucauld définit les vertus sur lesquelles les héros de Corneille avaient modelé leurs actions. Ceci se démontre aisément à l’aide d’un des exemples par lesquels Furetière illustre l’emploi de la notion de Gloire: Ce prince a tiré beaucoup de gloire de cette action de clemence, de justice.
La Rochefoucauld s’interroge sur le motif de cette «clemence» ou de cette «justice» et met ainsi ces vertus en question, surtout dans la maxime 15 de l’édition de 1678:
59 Cf. Jean Lafond, La Rochefoucauld. Augustinisme et littérature, Paris 1977.
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La clémence des princes n’est souvent qu’une politique pour gagner l’affection des peuples.
Et la maxime 78: L’amour de la justice n’est en la plupart des hommes que la crainte de souffrir l’injustice.
La «gloire» elle-même, qui reposait sur «l’action de clémence» ou «l’action de justice», est ici mise en question. La Rochefoucauld dit expressément dans la maxime 157: La gloire des grands hommes se doit toujours mesurer aux moyens dont ils se sont servis pour l’acquérir.
Les autres notions essentielles de «l’éthique de la gloire» sont dévalorisées de façon analogue. Sur le «mérite» La Rochefoucauld dit dans la maxime 166: Le monde récompense plus souvent les apparences du mérite que le mérite même.
Sur la «générosité» qui caractérise le héros cornélien, nous lisons dans la maxime 246: Ce qui paraît générosité n’est souvent qu’une ambition déguisée qui méprise de petits intérêts, pour aller à de plus grands.
Comme Montaigne, La Rochefoucauld et Pascal critiquent également l’idéal du Courtisan, son grand désir d’être vu et de se faire valoir. Ceci apparaît particulièrement dans la maxime CCXXIX de la première édition: La pure valeur (s’il y en avait) serait de faire sans témoins ce qu’on est capable de faire devant le monde.60
Dans le fragment 628 des Pensées, intitulé «Du désir d’être estimé de ceux avec qui on est», Pascal écrit: L’orgueil nous tient d’une possession si naturelle au milieu de nos misères, erreur, etc. Nous perdons encore la vie avec joie pourvu qu’on en parle.61
60 Édition de 1665. La Rochefoucauld, Maximes (voir note 15), p. 334. 61 Pensées, éd. Lafuma (La) 628; éd. Brunschvicg (Br) 153, cité d’après l’édition des Pensées in: Pascal, Œuvres complètes, éd. Louis Lafuma, Paris 1963, pp. 493–641, cit. p. 587.
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Le thème de la gloire dans l’œuvre de Pascal demanderait une étude spéciale. Dans les Pensées, nous trouvons une critique de la gloire de ce monde et une éthique de la gloire chrétienne, mais la critique de la gloire humaine contient déjà une certaine ambiguité. Pour Pascal, «la recherche de la gloire» exprime «la misère de l’homme» et, en même temps, «la grandeur de l’homme», c’est-à-dire le paradoxe de la condition humaine. Nous lisons dans les Pensées: La plus grande bassesse de l’homme est la recherche de la gloire, mais c’est cela même qui est la plus grande marque de son excellence […] 62.
Une explication de ce texte dans l’ensemble des Pensées nous mènerait ici trop loin 63, c’est pourquoi je terminerai par quelques mots sur la critique de la gloire à la fin du XVIIe siècle, dans les Nouveaux Dialogues des Morts de Fontenelle. L’auteur est souvent cité comme un des précurseurs du Siècle des Lumières. Dans cet ouvrage cependant, qui date de 1683, Fontenelle est surtout un moraliste qui achève «la démolition du héros» et modifie les arguments traditionnels de la critique de la gloire64. L’interrogation sur le rapport entre gloire et vertu est reprise par Barbe Plomberge, la mère de Dom Jean d’Autriche, dans son dialogue avec la fameuse Lucrèce qui se poignarda pour avoir été outragée par le fils de Tarquin le Superbe. Lucrèce est généralement glorifiée comme exemple de la vertu; dans le dialogue de Fontenelle cependant, Barbe Plomberge lui reproche: Il y a eu des Gens qui ont esté en quelque sorte blessez de vostre trop d’ardeur pour la gloire […]65.
Elle fait même allusion à une interprétation perfide du comportement de Lucrèce: Ils ont dit que vous vous estiez tuée un peu tard; que votre mort en eust valu mille fois davantage, si vous n’eussiez pas attendu les derniers efforts de Tar-
62 Ibid., La 470, Br 404. 63 Voir: «Zur Bedeutung des Begriffes ‹gloire› in Pascals Pensées», réimprimé dans ce volume, pp. 102–120. 64 Cf. Christian Schmidt, Fontenelles «Nouveaux Dialogues des Morts» als moralistisches Werk zwischen Preziosität und Aufklärung, Hamburg 1971, Chap. 1: «Die Zerstörung des klassischen Ruhmesideals» (pp. 13–47). 65 Bernard Le Bovier de Fontenelle, Nouveaux Dialogues des Morts, éd. crit. Jean Dagen, Paris 1971, p. 347.
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quin; mais qu’apparemment vous n’aviez pas voulu vous tuer à la légere, sans sçavoir pourquoy.66
Lucrèce ne se justifie pas, de sorte que Barbe Plomberge peut poser plusieurs questions dans lesquelles la critique de la gloire est de plus en plus vive: La vertu n’est-elle pas contente du témoignage qu’elle se rend à elle-mesme? N’est-il pas d’une grande ame de mépriser cette chimère de gloire? 67
Dans sa réponse, Lucrèce ne défend pas la gloire, mais elle met en garde contre le mépris de cette chimère sans laquelle «on ne feroit plus d’actions héroïques»68. La critique de la gloire est plus rigoureuse encore dans le dialogue entre Charles Quint et Érasme, où Fontenelle reprend le thème de la gloire et de la fortune. Érasme peut prouver que la gloire de Charles Quint, qui se fondait sur la naissance et les richesses, était le fait du hasard. Charles Quint arrive à retourner ces arguments contre la gloire d’Érasme qui est fondée sur l’esprit, estimé par celui-ci comme un «mérite personnel». Lorsque Érasme remarque: «A vostre compte, estre riche, ou avoir de l’esprit, c’est le mesme mérite […]», Charles Quint répond: «Avoir de l’esprit est un hazard plus heureux, mais au fond c’est toûjours un hazard.»69 D’après Érasme, l’esprit et les sciences «ne sont pas des biens de fortune, comme la noblesse, ou les richesses». Mais la question de Charles V: «Et l’on peut avec raison en tirer de la gloire?» 70 va trouver à la fin de ce dialogue une réponse négative. Le «mérite personnel» qui, dans les Caractères de La Bruyère, l’emportera sur la gloire, est également mis en question par Charles Quint. La nouvelle perspective des habitants de l’empire des morts a permis à Fontenelle de dépouiller les hommes de leurs prétendus mérites, et de démasquer la chimère de la gloire.
66 67 68 69 70
Ibid., p. 348. Ibid., pp. 348 sq. Ibid., p. 350. Ibid., p. 216. Ibid., p. 213.
„La gloire du monde“ und „la gloire de Dieu“ im Werk von Mademoiselle de Scudéry Über die zentrale Bedeutung des „gloire“-Begriffs in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts ist in den letzten Jahrzehnten viel geschrieben worden. Den Ausgangspunkt bildete die neue Deutung der heroischen Ethik der Helden Corneilles bei Octave Nadal und Paul Bénichou. 1948 veröffentlichte Nadal seine Studie „De quelques mots de la langue cornélienne ou d’une éthique de la gloire“ 1, die er zwei Jahre später durch den Aufsatz „L’éthique de la gloire au dix-septième siècle“ ergänzte, in dem „la gloire terrestre“ in den Mittelpunkt der „éthique aristocratique et mondaine sous Henri IV et sous Louis XIII“ gerückt wird 2. Einen ähnlichen Ansatzpunkt wählte Bénichou, der an den Anfang seines ebenfalls 1948 erschienenen Buches Morales du grand siècle die aristokratische Ethik des „héros cornélien“ gestellt hat, die nach seiner Darstellung auf dem „orgueil véritablement héroïque“ und dem „sublime de la liberté“ beruht 3. Auch in dieser Deutung geht der entscheidende Antrieb zum Handeln des Helden von der „gloire“ aus: „La gloire commande, l’intelligence invente pour elle et justifie après elle.“ 4 Die Aufwertung und Umdeutung der „gloire“ in dieser heroischen Ethik besteht darin, daß dieser Begriff nicht mehr – wie in der römischen Auffassung von „gloria“ und „fama“ 5 – vom Urteil der anderen abhängig
1 „Étude conjointe“; in: Octave Nadal, Le Sentiment de l’amour dans l’œuvre de Pierre Corneille, Paris 1948, S. 281–323. 2 In: Mercure de France 308/1950, S. 22–34, Zitat S. 24. 3 Vgl. das Kapitel „Le Héros cornélien“, in: Paul Bénichou, Morales du grand siècle, Paris 1970, S. 15–79, Zitate S. 41 und 35. 4 S. 76. Bénichou fährt fort: „Quand le mouvement de la gloire est suffisamment spontané, suffisamment humain, le secours de l’intelligence l’orne et le soutient. Le jugement est alors comme le suivant et le valet d’armes de la gloire […]“ (S. 77). 5 Nach Cicero „gloria est frequens de aliquo fama cum laude“ (De inventione 2, 166). Vgl. Ulrich Knoche, „Der römische Ruhmesgedanke“ (1934), in: Hans Oppermann (Hg.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1974, S. 420–445.
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ist, sondern daß dem Helden als höchste Wertvorstellung und Erfüllung seines Wesens die ihm eigene „gloire“ zugeordnet wird, auf die alle anderen Werte ausgerichtet sind. Diese Umdeutung wird besonders deutlich in der Darstellung der heroischen Ethik Corneilles, die Erich Köhler in seinen Vorlesungen zur Geschichte der Französischen Literatur gegeben hat 6, wo es heißt: […] gloire als höchster Lebenswert des Adels ist Inbegriff einer individuellen Selbstvollendung oder Selbsterfüllung, die nur erreicht wird, wenn die Verpflichtung als Angehöriger des Adels sich mit der Verpflichtung gegenüber dem Staat oder dem Monarchen verbindet; […] Gloire ist Resultat eines Übersich-selbst-Hinauswachsens, erkauft durch Preisgabe aller menschlichen Bindungen, ja unter deren brutaler Verletzung, wobei zugleich postuliert wird, daß diese Selbstüberwindung identisch ist mit der Realisierung des sublimsten aristokratischen Menschenbildes. (S. 137)
Der Gegensatz zwischen der menschlichen „gloire“ und der „gloire de Dieu“, die im 17. Jahrhundert nicht nur bei den Kanzelrednern 7, sondern auch in der moralistischen Literatur von großer Bedeutung ist, kommt dagegen im Werk Corneilles kaum zum Tragen. Auch im Polyeucte, wo es vom Thema her nahe gelegen hätte, den Konflikt zwischen der weltlichen Tugend der „gloire“ und der christlichen Forderung der Unterwerfung unter den göttlichen Willen in den Mittelpunkt zu stellen, hält Corneille an den Prinzipien seiner heroischen Ethik fest und läßt seinen Protagonisten den Märtyrertod in einer so aktiven Weise anstreben, daß von einem demütigen Verzicht auf die selbstherrliche „gloire“ nicht die Rede sein kann8. Überdies führt es leicht zu Mißverständnissen, wenn man von dem extremen „gloire“-Begriff Corneilles, der eng an seine Tragödienkonzeption gebunden ist, ausgeht, um die neuartige Konzeption der „gloire du monde“ in der französischen Literatur der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu verdeutlichen. Denn es muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß auch im Sprachgebrauch dieser Epoche „la gloire“ schon im
6 Vgl. „Die heroische Ethik Corneilles: ‚gloire‘ und ‚vertu‘ im Horace“, in: Erich Köhler, Vorklassik, hg. von Henning Krauß, Stuttgart 1983, S. 137–140. 7 Vgl. Étienne Vaucheret, „‚L’Honneur du Monde‘. Usurpation de la Gloire de Dieu, dans les Œuvres oratoires de Bossuet“, in: Thérèse Goyet/Jean-Pierre Collinet (Hg.), Journées Bossuet. La Prédication au XVIIe siècle (Actes du Colloque Dijon 1977), Paris 1980, S. 217–243. 8 Vgl. Köhler, „Die heroische Ethik Corneilles“ (wie Anm. 6), S. 165–168: „Gnadenbegriff und ,gloire‘ im Polyeucte“.
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weltlichen Bereich verschiedene Bedeutungen haben kann und daß die „éthique de la gloire“ im Sinne Corneilles nicht nur einen Wandel in der Wertung der Leidenschaften voraussetzt, sondern auch einen Bedeutungswandel des Begriffes „gloire“. Die Kritik des Strebens nach „gloire“, die im moralphilosophischen Schrifttum des späten 16. Jahrhunderts vor allem unter dem Einfluß stoischen Gedankengutes vorherrschend war, setzte den Begriff „gloire“ mit äußeren Ehren oder der Anerkennung durch andere gleich: „la gloire est un renom élogieux“, und wird häufig synonym mit lat. „fama“ („bruit et renommée“) verwendet 9. Montaigne und die Vertreter des „néostoïcisme“ forderten „le mépris de la gloire“, da die Tugend von der „approbation d’autruy“ unabhängig bleiben sollte. So schreibt Montaigne in seinem Essay De la Gloire (II, 16): La vertu est chose bien vaine et frivole, si elle tire sa recommandation de la gloire. […] C’est le sort qui nous applique la gloire selon sa temerité.10
Die Faktoren, die zu dem Bedeutungswandel des Begriffes „gloire“ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geführt haben, sind von Anthony Levi in seinem Buch French Moralists. The Theory of the Passions, 1585 to 1649 (Oxford 1964) überzeugend herausgearbeitet worden. In dem Kapitel „The Cult of Glory“ heißt es: The rehabilitation of glory as a supreme ethical value was due to several main causes. Partly it came about with the relaxation of the neostoic severity towards the passions attested not only by scholastics like Coëffeteau, but also by authors like Cosnac, Balzac, and even Chapelain. Partly it was prepared by some of the neostoic moralists themselves, and partly it was due to the evolution in the meaning of the term ,gloire‘. (S. 179)
Bei seiner Analyse beschränkt sich Levi nicht auf den Nachweis der Umwertung der „gloire“ in den Passiones-Lehren von Charron bis zu Descartes, sondern er zieht auch die moralphilosophischen und politischen Schriften heran, die Frank E. Sutcliffe bereits im Rahmen seiner Studie Guez de Balzac et son temps. Littérature et politique (Paris 1959) im Hin-
9 Vgl. Françoise Joukovsky, La Gloire dans la poésie française et néolatine du XVIe siècle, Genève 1969, S. 11, Anm. 1, wo es heißt: „La gloire est désignée au XVIe siècle par différents termes, gloire, los, renom, renommée, grandeur, louange, auxquels les écrivains ne se soucient guère d’attribuer une signification précise […]“. (Zitate im Text ebd.) – Das Dictionnaire de la langue française du XVIe siècle von Edmond Huguet (Bd. 4, Paris 1950, S. 322 f.) gibt nur Belege für die Verwendung von Gloire im Sinne von „Orgueil, vanité, jactance“ und verengt damit die Bedeutung des Begriffs. 10 Montaigne, Essais, hg. von Maurice Rat, Bd. 2, Paris 1962, S. 19.
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blick auf den „gloire“-Begriff ausgewertet hatte11. Beide Untersuchungen gelten grundsätzlich nur der Entwicklung bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, genauer gesagt bis zu Descartes’ Abhandlung Les Passions de l’âme (1649) bzw. bis zum Tode Guez de Balzacs (1654). Dennoch verweisen beide Autoren auf die Bedeutung, die dem Gespräch De la Gloire von Mlle de Scudéry für die Geschichte des „gloire“-Begriffes zukommt, und stützen sich dabei auf die späte Fassung, die erstmals 1684 in den Conversations nouvelles sur divers sujets erschienen ist. Sutcliffe zählt Äußerungen aus diesem Gespräch und Stellungnahmen aus dem Dialogue de la Gloire von Chapelain zu den „critiques les plus sérieuses et les plus systématiques de l’idéologie noble“ (S. 157). Unter „idéologie noble“ ist hier nicht die aristokratische Wertnorm zu verstehen, die der heroischen Ethik Corneilles zugrundeliegt, sondern die Ideologie des Hofes und des Adels, nach der sich der Wert einer Person oder einer Tat primär auf die Anerkennung durch den König oder den Fürsten und die Adligen gründet. Ähnlich urteilt auch Levi, der in dem Kapitel „The Cult of Glory“ schreibt: Mlle de Scudéry proclaims the union between virtue and glory and goes further even than Balzac, allowing glory as a quality of virtuous but unknown acts. (S. 184)
Dieses Urteil stützt sich auf eine schon von Sutcliffe zitierte Definition der „gloire“, die von einem der Gesprächspartner in der Conversation von Mlle de Scudéry vorgebracht wird, um gegen die Gleichsetzung von „gloire“ und „renommée“ zu opponieren. Danach ist die „gloire“ une chose qui sort aussi nécessairement d’une action de vertu, que la lumière sort du Soleil qui la produit, & elle en sort mesme d’une manière aussi indépendante de toute cause étrangère; car comme une action vertueuse ne laisse pas d’estre telle, quoy qu’elle soit faite sans témoins, il s’ensuit de nécessité que la gloire qui naist avec elle, s’il faut ainsi dire, la suit infailliblement, quoy que cette action ne soit pas publiée12.
Diese Definition wendet sich gegen die höfische Auffassung der „gloire“, die sich auf Il libro del Cortegiano von Baldassare Castiglione (1528) zurückführen läßt, der auch in Frankreich eine starke Wirkung ausgeübt
11 Vgl. das Kapitel „Héroïsme et noblesse“, S. 113–163. 12 Conversations nouvelles sur divers sujets, Bd. 2, Paris (Barbin) 1684. Zitiert wird nach der einbändigen Ausgabe Amsterdam (H. Wetstein & H. Desbordes) 1685, Zitat S. 241 f.
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hat13. Im zweiten Buch, Kapitel VIII, weist Messer Federico darauf hin, daß es für den Hofmann, als dessen edelste Aufgabe das Waffenhandwerk bezeichnet worden war, durchaus schicklich sei, die außergewöhnlichen und kühnen Taten, die er zu verrichten habe, so auszuführen, daß er von denen gesehen werde, von denen sein Ruhm abhänge: […] al conspetto di tutti i piú nobili ed estimati omini che siano nell’esercito, e massimamente alla presenza e, se possibil è, inanzi agli occhi proprii del suo re o di quel signore a cui serve; perché invero è ben conveniente valersi delle cose ben fatte.14
Gegen diese Auffassung hatten sich schon Montaigne und die vom Stoizismus beeinflußten Moralphilosophen des späten 16. Jahrhunderts gewandt. Bei ihnen aber kleidete sich die Ablehnung in die Form einer „critique de la gloire“ 15, während in der Conversation von Mlle de Scudéry an der zitierten Stelle die „gloire“ so unmittelbar aus der „vertu“ hervorgeht und so weitgehend mit der Tugend selbst identifiziert wird, daß sie nicht mehr mit der „approbation d’autruy“, „la renommée“ oder den „louanges“ gleichgesetzt werden kann. Diese Umdeutung der „gloire“ kommt zunächst durch den Vergleich zum Ausdruck: „La gloire est une chose qui sort aussi nécessairement d’une action de vertu, que la lumière sort du Soleil qui la produit […]“. Hier entspricht die „gloire“ der „lumière“ und nicht – wie in der traditionellen Ruhmeskritik – dem Schatten: „Gloria umbra virtutis est […]“ 16 oder dem flüchtigen Rauch: „La gloire du monde n’est qu’une fumée.“ 17 Die enge Bindung an die „vertu“ ist die Voraussetzung für jede „éthique de la gloire“. In dem Dia13 Das gilt vor allem für die „Traités relatifs à la vie à la Cour, à la formation du gentilhomme parfait, de l’honnête homme“. Vgl. Maurice Magendie, La Politesse mondaine et les théories de l’honnêteté, en France au XVIIe siècle, de 1600 à 1660, 2 Bde., Paris 1925 (Reprint Genève 1970), bes. S. 305, 308 und 355 ff. 14 Baldesar Castiglione, Il libro del Cortegiano, hg. von Vittorio Cian, Firenze 41947, S. 149. Vgl. auch Erich Loos, Baldassare Castigliones „Libro del Cortegiano“. Studien zur Tugendauffassung des Cinquecento, Frankfurt a. M. 1955, S. 131 ff.: „Die Rolle des Ruhmes. Fama – Gloria – Laude“. 15 Vgl. Margot Kruse, „Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVIIe siècle“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 61–80. 16 Seneca, Epist. 79, 13. Vgl. August Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer (1890), Hildesheim 1962, S. 155. 17 Antoine Furetière, Dictionnaire universel (1690), art. Gloire. Vgl. auch Pierre Richelet, Dictionnaire françois (1680), art. Fumée, wo sich folgende Belege finden: „Leur gloire n’est qu’une fumée.“ (Gonbaud, Epigrammes, I, 1); „La gloire des mortels n’est qu’ombre & que fumée.“ (Racan, Bergeries).
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logue de la Gloire von Chapelain bezeichnet M. de Montausier, der den Ruhm gegen die Kritik von M. d’Elbène verteidigt, „la Gloire“ als „la légitime fille de la Vertu“ und vertritt den Standpunkt, wer die Tugend liebe, müsse auch die „gloire“ als Wert anerkennen, denn er glaube nicht, „qu’on puisse aimer la plante et rejeter ou haïr le fruit qu’elle produit“18. In der „dissertation politique“ De la Gloire von Guez de Balzac findet sich sogar schon ein ähnliches Bild wie bei Mlle de Scudéry; dort wird von der „gloire“ gesagt: Qu’elle n’est pas tant vne lumière estrangere, qui vient de dehors aux actions Héroïques, qu’vne Reflexion de la propre lumière de ces actions, & vn esclat qui leur est renvoyé par les objets qui l’ont receu d’elles.19
Wenn Anthony Levi schreibt: „Mlle de Scudéry proclaims the union between virtue and glory and goes further even than Balzac […]“, so ist damit sicherlich gemeint, daß die preziöse Autorin sich weiter von dem an der römischen Ruhmesauffassung ausgerichteten „gloire“-Begriff entfernt habe als Guez de Balzac, bei dem dieser Begriff – wenn man von seinem Bekenntnis zur „gloire de Dieu“ zunächst absieht 20 – in engem Zusammenhang steht mit seinem politischen Denken und an die „réputation“ gebunden bleibt, wie vor allem seine Abhandlung Le Prince und seine Dissertations politiques zeigen 21. Mit diesen Hinweisen ist jedoch der „gloire“-Begriff im Werk von Mlle de Scudéry noch in keiner Weise zureichend gekennzeichnet. Zwar steht die zitierte Definition in der Conversation de la Gloire von 1684 an zentraler Stelle, aber sie wird mit anderen Auffassungen kontrastiert, und Mlle de Scudéry spricht nicht im eigenen Namen. Darüber mag zunächst hinwegtäuschen, daß im Gegensatz zu den anderen „gloire“-Auffassungen, die den fiktiven Gesprächspartnern Cerinte, Clarice, Theanor und Theandre in den Mund gelegt werden, die Rede, in der die zitierte „gloire“-Definition vorgetragen und erläutert wird, in die Ich-Form
18 Dieser Dialogue de la Gloire ist abgedruckt in: Joseph-Émile Fidao-Justiniani, L’Esprit classique et la préciosité au XVIIe siècle, Paris 1914, S. 147–190, Zitat S. 156. 19 Jean-Louis Guez de Balzac, Œuvres, Paris 1665 (Reprint Genève 1971), Bd. 2, S. 460. – Die Entstehung von De la Gloire läßt sich nicht genau datieren (vgl. Sutcliffe, Guez de Balzac et son temps [wie Anm. 11], S. 47, Anm. 163); wahrscheinlich wurde diese „dissertation“, wie auch Le Romain, 1639/40 geschrieben. 20 Dieses Bekenntnis kommt nirgends deutlicher zum Ausdruck als in der Formulierung des Themas für das erste Preisausschreiben der Académie française (s. u., S. 88). 21 Vgl. Jean Jehasse, Guez de Balzac et le Génie Romain, Saint-Etienne 1977, bes. S. 324 ff. und S. 406 ff.
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gekleidet ist. Daß dieses Ich aber nicht ohne weiteres mit der Autorin der Conversation gleichgesetzt werden darf, beweist die Tatsache, daß diese Rede – wie der ganze Hauptteil des Gespräches – aus dem Roman Clélie. Histoire romaine (Teil II, Buch I) entnommen ist 22. Dort trägt Herminius, ein Freund des Protagonisten Aronce, die Histoire de Lucius Junius Brutus vor, und in dieser eingeschobenen Erzählung findet sich das Gespräch über die „gloire“, das hier in einem für den heroisch-galanten Roman sehr bezeichnenden Zusammenhang steht. Das „Ich“ der späteren Conversation, in der die Diskussion einen neuen Rahmen erhält und die Personen umbenannt werden, ist also nicht die Autorin, sondern der Erzähler der Histoire de Lucius Junius Brutus. Nur hat es Mlle de Scudéry unterlassen, auch diesen Herminius mit einem neuen fiktiven Namen einzuführen. Die erste Voraussetzung für ein richtiges Verständnis des „gloire“Begriffes in ihrem Werk ist also die Interpretation der Conversation de la Gloire von 1684 im Hinblick auf die erste Fassung im zweiten Teil der Clélie von 1658. Dabei wird sich zeigen, daß nicht die Frage nach dem Verhältnis von „gloire“ und „vertu“ oder „gloire“ und „honneur“ bei Mlle de Scudéry im Mittelpunkt der Diskussion steht, sondern die Frage nach dem Verhältnis von „gloire“ und „amour“. In seiner Studie Les Romans de Mademoiselle de Scudéry (Genève 1983) faßt René Godenne das Thema der „conversation“ sogar in einer „Liebesfrage“ zusammen: „[…] y a-t-il de la gloire à être aimé?“ 23 So verwundert es nicht, daß die Autorin in ihren späten Entretiens de morale (1692) das „gloire“-Thema noch einmal in Form eines Gespräches über eine „question d’amour“ aufgenommen hat. Diskutiert wird die Frage: „Quelles sont les plus grandes, les douceurs de la gloire ou celles de l’amour?“ 24 Schon diese Fragestel-
22 Vgl. Clélie. Histoire romaine, Bd. 3, Paris (Augustin Courbé) 1658, S. 469–494. Zitiert wird nach dem Reprint dieser Ausgabe, Genève 1973. – Für den Hinweis auf diese erste Fassung danke ich Nicole Aronson, die mit ihren Studien wichtige Beiträge zu einer angemessenen Einschätzung des Werkes von Mlle de Scudéry geleistet hat. 23 Vgl. „Appendice 5: Index thématique des sujets de conversation par roman“, S. 353– 359, Zitat S. 356. Aus diesem Index (S. 358 f.) geht hervor, daß in dem nicht abgeschlossenen Roman Almahide (1660–1663), den Godenne jedoch Georges de Scudéry zuschreibt, das „gloire“-Thema sogar in zwei Gesprächen behandelt wird. Im zweiten Teil, Buch I, geht es einmal um die Frage: „[…] faut-il mériter la gloire sans en jouir, ou en jouir sans la mériter?“ (Bd. 4, S. 242–249 und 259–265) und an späterer Stelle um die „question d’amour“: „[…] qu’est-ce qui porte aux grandes actions: le désir de la gloire, ou l’espérance d’être loué par sa maîtresse?“ (Bd. 4, S. 622–629). 24 Entretiens de morale, Bd. 1, Paris 1692, S. 170–215.
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lung zeigt, daß Mlle de Scudéry auch im Alter den Zentralbegriffen ihrer heroisch-galanten Romane, „amour“ und „gloire“, größte Bedeutung beigemessen hat. Um so erstaunlicher ist es, daß die preziöse Autorin mehr als zwei Jahrzehnte zuvor mit einem ganz andersartigen Discours de la Gloire den „Prix de la Prose“ gewonnen hat, den die Académie française 1671 erstmals vergeben hat. Denn hier handelt es sich um eine Abhandlung, in der nicht „la gloire du monde“ im Mittelpunkt stehen dürfte, sondern die schon von der Themastellung her ganz auf „la gloire de Dieu“ ausgerichtet werden mußte, da sich die Académie française strikt an die Aufgabe hielt, die Guez de Balzac bei der Stiftung des Preises 25 gestellt hatte: Sujet donné par feu Monsieur de Balzac, De la Louange & de la Gloire. Qu’elles appartiennent à Dieu en propriété; Et que les hommes en sont ordinairement usurpateurs. Suivant ces paroles du Pseaume 113: NON NOBIS DOMINE, NON NOBIS: SED NOMINI TUO DA GLORIAM.26
Daß es sich bei diesem Discours um eine religiöse Schrift erbaulichen Charakters handeln sollte, wird durch die Bedingungen des Preisausschreibens noch unterstrichen. Denn neben den äußeren Vorschriften wie Termin der anonymen Einreichung und Begrenzung des Umfangs findet sich auch die Anweisung, den Discours „par une courte prière à JesusChrist“ enden zu lassen, sowie die Forderung einer „Approbation signée de deux Docteurs de la Faculté de Theologie de Paris […]“ (S. 43). Im Hinblick auf die Themastellung und diese Bedingungen muß überraschen, daß es gerade Mlle de Scudéry gelungen ist, den Preis zu gewinnen. Dabei ist besonders beachtlich, daß sie diesen Discours schrieb, ohne sich darin in unauflösliche Widersprüche zu der „gloire“-Auffassung zu verstricken, die sie vorher und hinterher in ihren Romanen und in ihren Conversations vertreten hat 27. Dennoch hat dieser Discours in der Forschung kaum Beachtung gefunden. Während die Autorin seinerzeit nach der Preisverleihung nicht nur in Prosa (u. a. vom Père Rapin und von Cor-
25 Zu diesem Preis und den Bedingungen seiner Vergabe vgl. die Edition: Discours de la Gloire, par Mademoiselle de Scudéry, Paris 1671, S. 41–45. 26 Ebd. S. 5. Vgl. auch die Ausgabe in den Pièces d’Eloquence qui ont remporté le Prix de l’Académie Françoise, Depuis 1671 jusqu’en 1748, Paris 1750, Bd. 1, S. 1–14, nach der die Worte „Suivant ces paroles du Pseaume 113“ (die in der Edition von 1671 fehlen) ergänzt sind. 27 Ein Widerspruch besteht nur zwischen dem Schlußgebet des Discours und der weltlichen „gloire“-Auffassung Mlle de Scudérys (s. u., S. 100 f.).
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binelli), sondern auch in panegyrischen Versen beglückwünscht wurde 28, findet man in der wissenschaftlichen Literatur die Behauptung, Mlle de Scudéry habe den Preis nur dem Einfluß von Paul Pellisson zu verdanken oder ihr Discours sei ganz von den Anschauungen Guez de Balzacs abhängig 29. Im Gegensatz zu diesen Urteilen möchten wir versuchen zu zeigen, daß dieser Discours einen lesenswerten Beitrag zu der Diskussion der Frage nach dem Verhältnis von „la gloire du monde“ und „la gloire de Dieu“ leistet und daß Mlle de Scudéry nicht nur der „éthique de la gloire“ eine für das Preziösentum bezeichnende Wendung ins Galante gegeben hat, sondern daß ihrem Discours und ihrer Conversation de la Gloire auch im Rahmen der moralistischen Literatur des 17. Jahrhunderts Beachtung gebührt. Die galante Variation des Themas läßt sich an dem Gespräch aus der Clélie leicht veranschaulichen. Schon der Ausgangspunkt und der Rahmen dieser „conversation“ sind bezeichnend. Herminius berichtet von dem Verhalten und den Empfindungen des Helden der eingeschobenen Histoire de Lucius Junius Brutus, von seiner Liebe zu Lucrece, dem Wechsel der Gefühle, die durch diese Liebe ausgelöst werden, und fährt fort: Le hazard fit encore que la conuersation de ce iour là fut tout à fait dans ses sentimens: car comme tout ce qu’il y auoit de ieunes personnes en cette Compagnie furent assises à vn bout de ce grand Berceau de Iasmin dont je vous ay parlé, vn ieune Aquilien vint à parler de la gloire que Lucrece auoit euë, d’auoir eu plus de Festons de Fleurs que toutes les autres […] (S. 468).
Zu den Voraussetzungen für die galante Wendung des Gesprächs gehören der gesellige Rahmen, d. h. die Jugend der Gesprächspartner, die Schönheit der als Schäferinnen verkleideten Damen, der liebliche Ort, an dem die „conversation“ stattfindet 30, und vor allem die Tatsache, daß das Thema im Hinblick auf die „gloire de Lucrece“ zur Sprache gebracht wird, die sich in diesem Fall nicht auf ihre Tugend, sondern auf die Fülle der „Festons de Fleurs“ gründet, die ihr bei der „Feste des Fontaines“ als 28 Vgl. Alain Niderst, Madeleine de Scudéry, Paul Pellisson et leur monde, Paris 1976, S. 496 f. 29 Vgl. Georges Mongrédien, Madeleine de Scudéry et son salon, Paris 1946, S. 182, sowie Nicole Aronson, Mademoiselle de Scudéry, Boston 1978, S. 120. 30 Dieser Rahmen entspricht dem „scénario“ der meisten „conversations“, die in die Clélie eingefügt sind, so daß Godenne sogar von „une espèce de cérémonial que se doivent d’observer les participants“ spricht (Les Romans de Mademoiselle de Scudéry [wie Anm. 23], S. 277 f.).
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Zeichen besonderer Verehrung zuteil geworden sind 31. Lucrece selbst stellt in Zweifel, daß in diesem Zusammenhang überhaupt von „gloire“ die Rede sein dürfe: […] on s’est tellement accoustumé, adiousta-t-elle, à se seruir de la gloire à tout, qu’on ne sçauroit presque plus parler sans gloire: cependãt ce mot là ne devroit estre employé ce me semble que pour ceux qui auroient fait quelque chose de grand à la guerre, ou pour ceux qui excellent en quelque vertu ou en quelque Art. (S. 469)
Wenn Lucrece hier den Begriff „gloire“ nur als Folge außergewöhnlicher Taten im militärischen sowie im moralischen und künstlerischen Bereich angewandt wissen will, so entspricht diese Eingrenzung dem Sprachgebrauch des 17. Jahrhunderts, soweit es um den eigentlichen Sinn der „gloire du monde“ geht. Das bestätigen die folgenden Beispiele für die Verwendung des Begriffs aus dem Dictionnaire universel von Furetière (1690): ce Triomphateur est revenu comblé, tout couvert de gloire. cet ouvrage a acquis beaucoup de gloire à son Auteur. ce Prince a tiré beaucoup de gloire de cette action de clémence, de justice.
Auch entspricht die Auffassung der Lucrece weitgehend dem Ruhmesgedanken in der römischen Literatur, wo unter „gloria“ nach Cicero primär das „Lob förderlicher Taten und die Anerkennung großer Verdienste um den Staat“ verstanden wurde 32 und wo „sich erst vom zweiten nachchristlichen Jahrhundert ab Belegstellen für die gloria einer Frau“ finden 33. Bei Mlle de Scudéry aber widerspricht der Erzähler Herminius sogleich dieser Auffassung in Form einer Frage, die dann von der Gesellschaft wie eine „question d’amour“ diskutiert wird: Mais pensez vous […] qu’on ne puisse pas dire à vne belle Personne qu’il luy est fort glorieux d’assuietir tous les cœurs, & de s’establir vn Empire sans armes, sans iniustice, & sans violence? (S. 469)
Während Mutius den Standpunkt von Lucrece vertritt und betont, daß, was die „gloire“ betreffe, er überzeugt sei, „qu’elle appartient principale-
31 Vgl. Clélie (wie Anm. 22), Bd. 3, S. 460 ff. 32 In M. Antonium oratio Philippica 1, 29: „laus recte factorum magnorumque in rem publicam fama meritorum […]“ (zitiert nach Knoche, „Der römische Ruhmesgedanke“ [wie Anm. 5], S. 420). 33 Knoche verweist als frühesten Beleg auf das Werk von Apuleius, „wo gloria sich der abgegriffeneren Bedeutung der bürgerlichen Ehre, des guten Rufes schon erheblich nähert“ (ebd. S. 421).
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ment aux actions Militaires“, lenkt Hermilie den Blick auf die Frauen, die unter diesen Umständen keinen Anteil an der „gloire“ haben könnten, „car les femmes ne vont point à la guerre“ (S. 470 f.). Dennoch beharrt Mutius auf seiner Meinung, ordnet „la gloire“ ausdrücklich dem Bereich der „valeur“ zu und setzt diesem den Bereich der Liebe entgegen, der auf „le plaisir“ ausgerichtet sei. Da er zwischen „gloire“ und „renommée“ nicht unterscheidet, kann nach seinen Worten die von den Preziösen besonders hoch geschätzte geheime Liebe – „vne amour que personne ne sçait“ – niemals „glorieuse“ sein (S. 478). Die Gegenposition, auf die es Mlle de Scudéry ankommt, wird wiederum dem Erzähler selbst in den Mund gelegt, der sich der damals besonders beliebten metaphorischen Verwendung des heroischen Vokabulars bedient, um seiner Auffassung Nachdruck zu verleihen. So entgegnet er Mutius: […] pour la gloire ie ne suis pas de vostre aduis. Car premièrement ie pense qu’elle appartient à l’amour, aussi bien qu’à la guerre: & qu’elle luy appartient mesme par quelque conformité de combats, de victoire, & de triomphes. Mais ie tiens outre cela que plus vne amour est secrette, plus elle est glorieuse à l’Amant aimé: & si vous voulez que toute la Compagnie nous iuge […] i’entreprens de soustenir qu’il n’y a rien de si doux, ny de si glorieux, que d’estre aimé d’vne personne de grand merite, & de grande vertu, quoy que le monde ne le sçache pas […] (S. 473 f.).
Mit dieser Entgegnung spielt Herminius auf die geheime Liebe des Brutus zu Lucrece an, was natürlich nur von den Betroffenen bemerkt wird und bei ihnen die entsprechende Genugtuung zur Folge hat. Wenn der Erzähler im weiteren Verlauf der Diskussion „la gloire“ grundsätzlich von „la renommée“ unterscheidet 34 und sich so beredt für „la gloire secrette“ einsetzt 35, so geht es nicht in erster Linie um eine neue „éthique de la gloire“, sondern seine Argumentation ist primär auf die Wirkung ausgerichtet, die er bei dem Protagonisten der Histoire Brutus und bei Lucrece erzielen will. Das wird ganz deutlich, wenn es gegen Ende des Gespräches heißt: C’est mesme principalement le secret qui fait la gloire d’vn Amant; & ie tiens que quand on est assez adroit, & assez heureux pour cacher aux yeux de tout
34 Vgl. S. 491: „Car enfin ce n’est point la Renommée qui fait la véritable gloire, elle ne fait simplement que la publier, & la gloire sans acclamations, ne laisse pas de subsister d’elle mesme, & de pouuoir rendre vn honneste homme heureux.“ 35 Ebd. S. 491 f.: „[…] la véritable gloire de deux personnes qui s’aiment consiste à estre à eux-mesmes les vniques tesmoins de leur tendresse, & de leur vertu, & à s’estimer si parfaitement que leur seule approbation suffise à les rendre heureux.“
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le monde vne affection de cette nature, on sent en soy-mesme vn secret plaisir qui ne vient que de la gloire qui se trouue à aimer sans qu’on le sçache, ce qu’on croit digne de l’adoration de toute la Terre, & que de celle qu’il y a d’estre aimé de la seule Personne qu’on peut aimer. (S. 492)
Die Diskussion zwischen Mutius und Herminius, die in diesen Sätzen ihren Höhepunkt findet, ist – mit nur geringen Varianten 36 – in die Conversation de la Gloire von 1684 übernommen worden. Der Bezug auf die Helden der eingeschobenen Erzählung und damit die galante Pointe der Argumentation des Herminius aber mußte bei der Herauslösung der „conversation“ aus der Histoire de Lucius Junius Brutus entfallen. In der ersten Fassung wird ausdrücklich gesagt: Pendant que ie parlois ainsi, Brutus qui se faisoit l’aplication de tout ce que ie disois, en auoit vne ioye incroyable, car si iamais Amant caché a sceu gouster toute la douceur de cette gloire secrette dont ie deffendois le party, ça esté Brutus sans doute […] (S. 494).
Auch entscheiden sich die Zuhörer in dem Text aus der Clélie eindeutig für die Auffassung des Herminius: […] toute la Compagnie condamna Mutius, qui se repentit sans doute d’auoir soustenu ce party là. (S. 495)
In der Conversation von 1684 wird dagegen kein Urteil gefällt, sondern Cerinte kommt einer Fortsetzung der Diskussion zuvor, indem sie mit einigen Gemeinplätzen darauf verweist, daß in jedem Falle die Tugend das Fundament der wahren „gloire“ sei. Da Clarice berichtet, daß sie gerade eine noch ungedruckte „Histoire Espagnole“ erhalten habe, „où l’honneur & la gloire font faire de belles actions à vn Amant & à sa Maitresse“, beschließt die Gesellschaft, diese Histoire du Comte d’Albe am nächsten Tage gemeinsam zu lesen (S. 250) 37.
36 Die einzige größere Abweichung findet sich in der Rede des Mutius (der in der Conversation Theanor genannt wird), wo es im Text von 1684 (Ed. Amsterdam 1685) heißt: „Ainsi je pense pouvoir dire que quand l’amour pourroit estre une maniere de gloire, il faudroit que ce fût une amour sans mistere, qui par quelques circonstances héroïques la rendist glorieuse.“ (S. 241) In der „Histoire romaine“ Clélie wird dagegen ein historisches Beispiel angeführt: „[…] il faudroit que ce fust vne amour publique comme le fut celle d’vn de nos Rois, qui ayant pris vne Esclaue en faisant la guerre, en deuint si amoureux, qu’il fit qu’vn fils de cette Personne se vit apres en estat d’estre son successeur.“ (S. 478). 37 Entgegen der am Ende der Conversation geäußerten Absicht wird auch nach der Lektüre der Erzählung die Frage des Vortages nicht wieder aufgenommen: „[…] sans s’amuser à decider la question dont il s’estoit agy le jour auparavant, on ne s’entretint que du mérite
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An dieser Stelle wird deutlich, daß der neue Rahmen, den Mlle de Scudéry dem Gespräch De la Gloire in den Conversations nouvelles sur divers sujets gegeben hat, vor allem dazu dienen soll, die Diskussion über „gloire“ und „amour“ mit der Histoire du Comte d’Albe zu verbinden. Da die Autorin in dieser umfangreichen Erzählung zeigen will, „que l’Honneur, la Gloire, & l’Amour meslez ensemble, avoient inspiré de beaux sentimens au Héros & à l’Héroïne de cette avanture“ (S. 420), hat sie im ersten Teil des Rahmens die Frage nach dem Unterschied zwischen „honneur“ und „gloire“ in den Mittelpunkt gestellt. Bei der Abgrenzung beider Begriffe gehen die Gesprächspartner nicht von moralistischen Definitionen oder literarischen Exempeln aus, sondern von dem gegenwärtigen Sprachgebrauch, wie es der Bedeutung der gesprochenen Sprache in den Salons des 17. Jahrhunderts entspricht. So nennt Theanor als ersten Unterschied: lors qu’on dit qu’un homme a beaucoup de gloire, cela ne veut dire autre chose pour l’ordinaire, sinon qu’il a une grande réputation, mais un homme qui a beaucoup d’honneur, emporte de nécessité qu’il a de bonnes qualitez (S. 235).
Nachdem Clarice und Cerinte die verschiedenen Bedeutungen des Adjektivs „glorieux“ erörtert haben 38, nimmt Theanor das alte Argument der Ruhmeskritik auf und betont, „que la gloire est toujours quelque chose qui est hors de nous, & qui n’en dépend pas absolument“. Im Gegensatz zu der „éthique de la gloire“ im Sinne Corneilles und zu der Auffassung, die im Hauptteil der Conversation von dem Gesprächspartner vertreten wird, der die Rolle des Herminius übernimmt, wertet Theanor „l’honneur“ höher als „la gloire“, denn „pour l’honneur il peut estre en nousmesme, & ne peut jamais avoir de mauvaise signification“ (S. 235). Vergleicht man die Conversation von 1684 mit dem Text aus der Clélie, so fällt auf, daß der Rahmen in der überarbeiteten Fassung weniger sorgfältig ausgeführt ist. Auch der Zusammenhang mit dem Hauptteil des & de la vertu de Théodore & du Comte d’Albe, & l’on convint tout d’une voix, que sans l’Honneur & la Gloire l’Amour est une dangereuse foiblesse, & qu’il n’appartient qu’à eux de faire subsister cette passion avec la vertu.“ (S. 420). 38 Dabei geht es um die Verwendung von „glorieux“ im positiven Sinne („plein de gloire, illustre, éclatant“), wenn man davon spricht, „qu’un homme est fort glorieux“, und in negativer Bedeutung („superbe, fier, orgueilleux“), wenn es heißt: „cet homme là est glorieux“. Cerinte erklärt den Bedeutungsunterschied mit dem Hinweis: „il faut que ce mot-là, pour estre pris en bien, soit déterminé par ce qui le devance, ou par ce qui le suit“ (S. 235).
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Gesprächs ist nicht so gut gelungen wie in der Histoire de Lucius Junius Brutus. Man kann vermuten, daß Mlle de Scudéry bei der Zusammenstellung der Conversations nouvelles sur divers sujets nur darauf bedacht war, der Histoire du Comte d’Albe einen Vorspann in Gesprächsform voranzustellen und so die thematisch verwandte „conversation“ aus der Clélie mit einem eilig verfaßten neuen Rahmen ohne die entsprechende Überarbeitung in ihren Sammelband aufgenommen hat. Der begriffsgeschichtlich wichtige Schritt von dem „amour de la gloire“ im Werk Corneilles zu der „gloire d’aimer“ im heroisch-galanten Roman und anderen Formen der galanten Literatur jener Zeit 39 kommt auf jeden Fall nur in der ersten Fassung und in dem späten „entretien“ über die Frage: „Quelles sont les plus grandes, les douceurs de la gloire ou celles de l’amour?“ überzeugend zum Ausdruck. Den Ausgangspunkt dieses Gesprächs bildet ein Madrigal, das Mlle de Scudéry nach der Einnahme von Philippsburg durch den Dauphin im Jahre 1688 an die Dauphine Marie-Anne-Victoire gerichtet hat. Diese Verse mit der Widmung hat die Autorin der Diskussion über die genannte „question d’amour“ im ersten Band der Entretiens de morale von 1692 vorangestellt: A MADAME LA DAUPHINE APRÈS LA PRISE DE PHILISBOURG Il revient vainqueur, belle & sage Princesse, Ses Lauriers sont à vous, & toute sa tendresse, Le ciel en cet heureux retour Accorde toutes vos demandes, Dites-nous seulement quelles sont les plus grandes, Les douceurs de la gloire, ou celles de l’amour?40
Beteiligt an dem Gespräch sind Artelice und Poliandre, die sich für die „douceurs de la gloire“ einsetzen, Cleomire und Merindor, die den „douceurs de l’amour“ den Vorzug geben, sowie Belise, die sich selbst für geeignet hält, die gestellte Frage unvoreingenommen zu entscheiden. In der Einleitung zu dem Entretien wird die Position der Gesprächspartner 39 Vgl. Henry T. Barnwell, „Quelques remarques sur la Gloire dans la littérature du XVII e siècle“ (Abschnitt I der Studie: „La Gloire dans le Théâtre de Racine“), in: Jeunesse de Racine, La Ferté-Milon 1961, S. 22–26, wo an Beispielen aus den dramatischen Werken von Thomas Corneille, Gabriel Gilbert und Philippe Quinault gezeigt wird, wie in den fünfziger Jahren „l’amour de la gloire commence à faire place à la gloire d’aimer“ (S. 25). 40 S. 170. Mlle de Scudéry fügt hinzu: „Ce madrigal fut cause qu’on ordonna à la personne qui l’a fait, de faire un entretien sur ce sujet-là, & elle obéit.“ (ebd.).
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geschickt begründet. Artelice steht dem Hof und der königlichen Familie nahe, sie bewundert Ludwig XIV. und den Dauphin aufs höchste und hat Cleomire in der Einsamkeit eines Landhauses während der schlechten Jahreszeit davor bewahrt, sich ganz dem „ennui“ hinzugeben, indem sie ihr jede Woche zweimal von den Neuigkeiten am Hof und in der Gesellschaft berichtet und ihr insbesondere über den glorreichen Feldzug des Dauphin und die Eroberung von Philippsburg geschrieben hat. Poliandre unterstützt Artelice bei der Argumentation für die „douceurs de la gloire“, denn er ist „tres-brave“ und erfüllt von „sentimens heroïques“. Cleomire dagegen, „qui a perdu un mary qui estoit éperduëment amoureux d’elle & qu’elle aimoit de mesme“, kennt aus eigener Erfahrung nur die „douceurs de l’amour“, sie steht in ihrer Zurückgezogenheit der „gloire“ fern. Merindor teilt ihren Standpunkt „par des raisons que personne n’ignore“, d. h. auch er ist ein Liebender, während Belise von sich sagt: & pour moy qui n’ay ni mari ni amant, qui ay un cœur tout neuf, & qui par consequent n’ay nul interest ni à la gloire ni à l’amour, je seray ce me semble plus propre qu’une autre à juger équitablement de tout ce que les personnes interessées en ces deux sentimens en pourront dire (S. 175).
Diese Auffassung erweist sich in dem Gespräch als falsch, denn beide Parteien gewinnen ihre Argumente aus der persönlichen Erfahrung und wissen wohl, daß die jeweils vertretene These nicht für alle Gültigkeit hat, sondern nur für einen auserwählten Kreis. So behauptet Artelice, „que les douceurs de la gloire sont mieux fondées & plus sensibles, & sont d’un goust plus délicieux pour une ame heroïque“ (S. 176). Zwar werden alle Menschen, so meint Merindor, mit einem „premier penchant à l’amour“ geboren, doch kennen nur wenige die von ihm und Cleomire so hoch geschätzten „douceurs de l’amour“, die einer Liebe zugehören, „qui naist dans le cœur de deux personnes aimables & vertueuses, qui s’aiment parfaitement“ (S. 178). Für die „ames heroïques“ wird auch die „gloire“ zu einer Leidenschaft, und diese „passion de la gloire“ bezeichnet Poliandre als „la plus naturelle & la plus ancienne de toutes les passions“, denn: […] dés qu’on naist, on s’aime, & dés qu’on s’aime, on se desire toutes sortes de biens, d’excellence, & de merite avant que de desirer rien au dehors de soy. (S. 183)
Hier ist ein ursprünglicher „amour-propre“ gemeint, der bei Mlle de Scudéry als positive Kraft anerkannt und grundsätzlich von dem schlechten „amour-propre“ unterschieden wird, den z. B. La Rochefoucauld immer
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wieder als Quelle des Selbstbetrugs entlarvt hat 41. Für Poliandre ist auch „le plaisir qu’on prend à estre loûé“ nichts anderes als „le plaisir d’estre assuré de son propre mérite“, und dieses Streben nach Selbstbestätigung in der „gloire“ wird als „le premier désir du cœur humain“ bezeichnet 42. Hinzu kommt, daß es sich bei der „gloire“ nicht um die Zustimmung eines einzelnen handelt, sondern – wie schon in der römischen Ruhmesauffassung betont wurde – um das Lob der vielen 43, von dem Poliandre sagt: c’est un nombre innombrable de voix qui peuvent nous assurer que nous ne nous trompons pas en la bonne opinion que nous avons de nous-mesmes, & quand on peut obtenir cette acclamation universelle, je soutiens que les douceurs de la gloire l’emportent sur les douceurs de l’amour, qui sont toutes renfermées dans le cœur de deux personnes qui s’aiment (S. 184).
Diesen Argumenten für den „amour de la gloire“ stellt Mlle de Scudéry die „gloire d’aimer“ entgegen, die den Liebenden vorbehalten ist, „qui s’aiment parfaitement“. In der Gegenrede Merindors heißt es: comme la sensibilité de la douleur & de la joye resident uniquement dans le cœur, & que deux personnes de merite qui s’aiment parfaitement se preferent à tout le reste du monde, elles trouvent plus de gloire & plus de douceur à s’aimer & à s’estimer, que toutes ces acclamations tres-souvent injustes, où vous faites consister les douceurs de la gloire, n’en peuvent donner (S. 184 f.).
Man kann in diesen gegensätzlichen Aussagen Poliandres und Merindors den Höhepunkt des Gespräches sehen; auf jeden Fall zeigen sie besonders deutlich, wie stark die Thematik dieses Entretien in der französischen Moralistik wurzelt. Die für Mlle de Scudéry bezeichnende Abwandlung der in der heroischen Ethik häufig gestellten Frage nach dem Verhältnis von „gloire“ und „amour“ besteht darin, daß es sich bei ihr nicht um die 41 Auf den Gegensatz zwischen der Auffassung La Rochefoucaulds und den „deux sortes d’amour-propre“ bei Mlle de Scudéry hat schon Robert Mauzi hingewiesen (L’Idée du bonheur dans la littérature et la pensée françaises au XVIIIe siècle, Paris 1965, S. 636 f.). 42 S. 183. – „Le plaisir qu’on prend à estre loûé“ ist bei Mlle de Scudéry durchaus gerechtfertigt, bei La Rochefoucauld dagegen eine negative Folge des „amour-propre“ (vgl. La Rochefoucauld, Maximes, hg. von Jacques Truchet, Paris 1967, Édition de 1678, bes. Max. 143, 144, 146, 147, 149, 272). 43 Im Hinblick auf den römischen Ruhmesgedanken schreibt Knoche: „Das Anerkennende ist also die Gesamtheit der Mitbürger, der Societät, die einem ihr angehörenden Mitglied die gloria verleihen kann. Diese Bindung des Ruhmesgedankens an eine gleichsam urteilende und wertende Menge ist von Anfang an konstitutiv für die römische Auffassung […]“ („Der römische Ruhmesgedanke“ [wie Anm. 5], S. 420 f.).
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Analyse der Leidenschaften selbst oder der durch sie bewirkten Verhaltensweisen handelt, sondern um die „douceurs“, d. h. die positiven Empfindungen, die mit diesen „passions“ verbunden sind. Um über die „douceurs de la gloire“ und die „douceurs de l’amour“ urteilen zu können und zu entscheiden, „quelles sont les plus grandes“, aber müßte man in gleicher Weise von diesen beiden Leidenschaften erfüllt sein. Das erkennt auch Belise, die die Frage aufwirft, „si on peut avoir également la passion de la gloire & celle de l’amour“ (S. 211 f.). Poliandre verneint diese Frage mit Argumenten, die sich in der moralistischen Literatur jener Zeit häufig finden; er entgegnet: L’égalité […] ne se trouve jamais à rien: il y a toujours une passion dominante dans le cœur humain, mais comme on ne connoist jamais parfaitement soymesme, on s’y pourroit tromper aisément. (S. 212)
Nimmt man die Einsicht hinzu, daß die „ames heroïques“, die die mit der „grande gloire“ verbundenen „douceurs“ aus eigener Erfahrung kennen, ebenso selten zu finden sind wie die „véritables amants“, die die „douceurs“ der vollkommenen Liebe richtig einzuschätzen wissen, so versteht man, weshalb Belise (die selbst behauptete, „ni les unes ni les autres“ zu kennen) als „un juge recusable par tous les deux partis“ angesehen wird und die Gesellschaft sich darauf einigt, die Frage unentschieden zu lassen: „nous ne deciderons rien sur cette belle question“ (S. 214). Da „gloire“ und „amour“ für Mlle de Scudéry auch in diesem späten Entretien die höchsten Werte darstellen, die nicht – wie so häufig im klassischen Drama – in Konflikt geraten, sondern miteinander verbunden werden sollen, endet das Gespräch mit den Versen: Que la gloire & l’amour quand on les joint ensemble, Sont un bien sans égal à qui rien ne ressemble (S. 215).
Mit dieser Lösung der Frage hat sich Mlle de Scudéry von der moralistischen Diskussion der „gloire du monde“ und der „gloire de Dieu“ denkbar weit entfernt und ist gleichsam an den Ausgangspunkt ihrer Beschäftigung mit der „gloire“ im heroisch-galanten Roman zurückgekehrt. Dennoch gibt es einen Punkt, der den späten Entretien mit dem Discours de la Gloire von 1671 verbindet, in dem die „gloire du monde“ der „gloire de Dieu“ untergeordnet wird. Der Repräsentant für den weltlichen Ruhm ist in beiden Fällen Ludwig XIV. In dem Entretien von 1692 führt Artelice seine Person als Beispiel dafür an, daß die „douceurs de la gloire“ dauerhafter sind „que celles de l’amour“ (S. 199). Schon die Conversations nouvelles sur divers sujets (1684) waren dem König
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gewidmet 44, und in dem Discours de la Gloire von 1671, mit dem Mlle de Scudéry den Preis der Académie française gewonnen hat, findet sich ein Abschnitt, in dem Ludwig XIV. als Gegenbeispiel zu der „fausse gloire“ der anderen „Conquerans“ angeführt und sein Handeln, auch im Kriege, uneingeschränkt gelobt wird45. Ein solches Herrscherlob wirkt befremdlich in einer Abhandlung De la Louange & de la Gloire, in der gezeigt werden soll, „Qu’elles appartiennent à Dieu en propriété; Et que les hommes en sont ordinairement usurpateurs“ (S. 5). Mlle de Scudéry aber hält sich an die Einschränkung, die in dem Adverb „ordinairement“ zum Ausdruck kommt, denn sie will die Möglichkeit einer wahren „gloire du monde“ nicht ganz ausschließen. Im Gegensatz zu Montaigne, bei dem der Rückgriff auf die „gloire de Dieu“ zu Beginn des Essai II, 16 zu einer umfassenden „critique de la gloire humaine“ führt 46, sucht die preziöse Autorin zu zeigen, daß unter gewissen Voraussetzungen und in bestimmten Ausnahmefällen auch im menschlichen Bereich von einer „gloire véritable“ gesprochen werden kann. Bei Montaigne dient der Hinweis c’est à Dieu seul à qui la gloire et l’honneur appartient; et il n’est rien si esloigné de raison que de nous en mettre en queste pour nous (Bd. 2, S. 15 f.)
der Erniedrigung des Menschen, dem Nachweis der „misère de l’homme“. Das Menschenbild Mlle de Scudérys bleibt dagegen – ähnlich wie bei Guez de Balzac – an die „éthique héroïque“ so weit gebunden, daß „la gloire de ce monde“ nicht im Gegensatz zu der „gloire de Dieu“ steht 47.
44 Seit 1684 hat Mlle de Scudéry ihre Conversations Ludwig XIV. gewidmet; 1683 hatte sie auf Vorschlag von Mme de Maintenon eine königliche Pension von „deux mille livres“ erhalten, nachdem sie schon seit Jahren „toutes les victoires du roi, et même tous les incidents qui purent traverser sa vie“ in panegyrischen Versen zur Darstellung gebracht hatte (vgl. Mongrédien, Madeleine de Scudéry et son salon [wie Anm. 29], S. 186, und Niderst, Madeleine de Scudéry, Paul Pellisson et leur monde [wie Anm. 28], S. 505). 45 Mlle de Scudéry schreibt: „A la vérité, s’il se trouve un Prince tel que le nostre, capable de la guerre autant que l’ayent jamais paru les plus grands Conquerans […] qui néanmoins ne fasse la guerre que quand elle est juste, pour faire observer les loix; qui sçache se retenir au milieu de ses prosperitez, & pouvant tout emporter, se contente de beaucoup moins qu’il ne luy appartient, pour épargner à ses sujets, à ses voisins, & à toute l’Europe les maux d’une longue & sanglante guerre: la valeur sera sans doute un bien en luy […]“ (S. 24 f.). 46 Vgl. Montaigne, De la Gloire (Essais [wie Anm. 10], Bd. 2, S. 19 f.). Die einleitenden Gedanken über die „gloire de Dieu“ hat Montaigne aus der Theologia naturalis von Raimundus Sebundus übernommen, wie Pierre Villey gezeigt hat (Les Sources et l’évolution des Essais de Montaigne [1908], Paris 1933, Bd. 1, S. 236). 47 Die folgenden Ausführungen zum Discours de la Gloire entsprechen weitgehend der
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Die „fausse gloire“ ist für Mlle de Scudéry „cette opinion que nous acquérons dans l’esprit d’autruy, sans la mériter“ (S. 14). Von der „gloire véritable“ kann nur die Rede sein, wenn sich der Ruhm auf einen die ganze Persönlichkeit charakterisierenden „mérite“ und nicht nur auf eine hervorragende Eigenschaft gründet: […] il est de la Gloire comme de la beauté. Un beau trait tout seul ne peut faire une belle personne: c’est un assemblage de beaux traits qui fait la beauté: c’est un assemblage de grandes qualitez qui fait le fondement de la Gloire. La grande naissance, le grand pouvoir, la grande beauté, la grandeur de l’esprit, & la valeur y peuvent contribuer. (S. 21 f.)
Die Umschreibung, die Mlle de Scudéry für das Verdienst, „qui fait le fondement de la Gloire“ gibt, stimmt überein mit der Definition, die Furetière in seinem Dictionnaire universel als erste Bedeutung des Wortes „mérite“ anführt: Assemblage de plusieurs vertus ou bonnes qualitez en quelque personne, qui luy donne de l’estime & de la considération.
Dabei unterscheidet sich dieser Begriff wesentlich von dem „mérite personnel“ im Sinne La Bruyères und von dem modernen Sprachgebrauch, wo von „le mérite“ nur im Hinblick auf die Qualität des Verhaltens oder des Handelns der Menschen gesprochen wird. Für Mlle de Scudéry gehören dazu auch angeborene Qualitäten wie „la grande naissance“ oder physische Qualitäten wie „la grande beauté“. In dieser umfassenden Bedeutung ist „le mérite“ ein Zentralbegriff der aristokratischen „éthique de la gloire“, dem auch in den Dramen Corneilles der entsprechende Stellenwert zukommt 48. Außerdem ist die Auswahl der „vertus ou bonnes qualitez“ bezeichnend, die Mlle de Scudéry getroffen hat: „La grande naissance, le grand pouvoir, la grande beauté, la grandeur de l’esprit, & la valeur“ sind typische Werte des höfischen Heldenideals, nicht aber der „morale chrétienne“. Dennoch ist es der Autorin gelungen, ihren Discours mit der religiösen Themastellung in Einklang zu bringen. Das geschieht, indem sie drei „conditions de la veritable gloire“ einführt: Il faut que la gloire soit l’image d’un bien reël & solide qui soit en nous: il faut par consequent que ce bien ne soit pas meslé de beaucoup de mal qui le cor-
Interpretation dieses Textes, die wir in dem Artikel „Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVIIe siècle“(wie Anm. 15) gegeben haben, S. 72 f. 48 Vgl. Octave Nadal, „De quelques mots de la langue cornélienne ou d’une éthique de la gloire“ (wie Anm. 1), S. 287 ff.
100 „La gloire du monde“ und „la gloire de Dieu“ bei Mademoiselle de Scudéry rompe, & en diminuë le merite: il faut enfin que ce bien nous soit propre, & ne nous vienne pas d’autruy. (S. 17 f.)
Gemessen an diesen drei Bedingungen erweist sich die „gloire“ im menschlichen Bereich immer als unvollkommen, so daß auch Mlle de Scudéry sagen kann: […] elle n’appartient qu’à Dieu en propriété; quoy qu’il nous laisse quelquefois un court & léger usage, ou plûtost une ombre de cette gloire proprement dite qui n’est que pour luy.49
Den Nachweis, daß die menschliche „gloire“ keiner der drei Bedingungen voll gerecht wird, führt die Autorin auf so geschickte Weise, daß sich am Schluß wie selbstverständlich die „conclusion“ ergibt: Dieu seul possede la gloire avec ces trois conditions essentielles; seul il ne la tire jamais de ce qui n’est point un bien; seul il possede ce bien sans nul mélange de mal; seul il le tient de luy-mesme. (S. 38 f.)
Daran schließt sich die vorgeschriebene „prière à Jesus-Christ“, die allerdings mit der „gloire“-Auffassung in den anderen Werken Mlle de Scudérys schwerlich in Einklang zu bringen ist. In diesem Gebet findet sich nichts mehr von der heroischen „éthique de la gloire“, die die Autorin in ihren Romanen aufgenommen und galant umgeformt hatte. Hier wird die „gloire de Dieu“ als eine den Beschränkungen durch Zeit und Raum enthobene, dem göttlichen Wesen zugehörige „gloire“ grundsätzlich von dem menschlichen Ruhm unterschieden, der immer nur in einer kurzen und unvollkommenen Teilhabe an der göttlichen „gloire“ bestehen kann: Nous confessons, grand Dieu, unique Sauveur du monde, la gloire ne nous appartient pas; vous l’avez possedée de tout temps & par tout […] (S. 39) 50.
Da sich das Gebet an Jesus Christus richtet und schon Paulus im ersten Korintherbrief das Motiv der „gloire de Dieu“ mit der Lehre vom Kreuz
49 S. 17. – Man beachte, daß an dieser Stelle auch bei Mlle de Scudéry die weltliche „gloire“ als „une ombre“ bezeichnet wird. 50 Dieser Auffassung entspricht erstaunlicherweise auch die Begriffsbestimmung im Dictionnaire universel von Furetière (1690), wo unter Gloire als erste Bedeutung angegeben wird: „Majesté de Dieu, la veuë de sa puissance, de sa grandeur infinie.“ Als zweite Bedeutung führt Furetière an: „Gloire, se dit aussi de l’honneur qu’on rend à Dieu, des louanges qui luy sont deuës.“ Erst an dritter Stelle wird der weltliche Ruhm genannt, und auch dann nur im Sinne der Teilhabe: „Gloire, se dit par emprunt & par participation, de l’honneur mondain, de la louange qu’on donne au merite, au sçavoir & à la vertu des hommes.“
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in Verbindung gebracht hatte 51, läßt auch Mlle de Scudéry den Gekreuzigten in der größten Erniedrigung die „gloire de Dieu“ finden: […] vous l’avez mesme trouvée sur la Croix, au milieu de l’opprobre qui nous appartenoit, & que vous avez voulu souffrir pour nous.
In den letzten Sätzen verweist die Autorin sogar ausdrücklich auf den Apostel Paulus, der das erste Kapitel des Korintherbriefes mit einem Zitat aus dem Propheten Jeremias beschließt: „Qui gloriatur, in Domino glorietur […]“ 52. Wenn sich Pascal in den Pensées auf dieses Bibelwort beruft 53, so ist seine Abkehr von der „gloire du monde“ eine überzeugende Konsequenz aus seinem Denken, bei Mlle de Scudéry aber paßt die den Discours abschließende Bitte: Faites, mon Dieu, que nous ne la cherchions plus qu’en vous, & que s’il nous arrive de nous glorifier de quelque chose, ce soit comme saint Paul, de vous seul, & de vous seul crucifié […] 54
weder zu der „gloire“-Auffassung in ihren heroisch-galanten Romanen noch zu den Diskussionen über die „gloire“ in ihren Conversations und Entretiens.
51 Vgl. I. Korinther 1, V. 23–31. 52 Ebd. V. 31. Paulus zitiert aus Jeremias 9, V. 24 f., wo es heißt: „Haec dicit Dominus:/ Non glorietur sapiens in sapientia sua,/ Et non glorietur fortis in fortitudine sua,/ Et non glorietur dives in divitiis suis,/ Sed in hoc glorietur, qui gloriatur,/ Scire et nosse me,/ Quia ego sum Dominus qui facio misericordiam,/ Et iudicium, et iustitiam in terra […]“. 53 Vgl. Fragment La 933, Br 460, das endet: „Le lieu propre à la superbe est la sagesse, car on ne peut accorder à un homme qu’il s’est rendu sage et qu’il a tort d’être glorieux. Car cela est de justice. Aussi Dieu seul donne la sagesse et c’est pourquoi: qui gloriatur in Domino glorietur.“ 54 S. 39 f. – Vgl. auch die Absage an die weltliche „gloire“, die Paulus im Römerbrief 3, V. 27, ausspricht. Auf diese Stelle beruft sich Pascal in den Pensées, Fragment La 703, Br 516.
Zur Bedeutung des Begriffes „gloire“ in Pascals Pensées „La gloire“ ist ein Zentralbegriff der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts, der für das Verständnis des Menschenbildes und des Wandels der Wertvorstellungen und Verhaltensmuster der Gesellschaft des „grand siècle“ besonders aufschlußreich ist. Mit Recht hat Octave Nadal im Hinblick auf das Heldenideal im dramatischen Werk Corneilles von einer „éthique de la gloire“ gesprochen 1, und Anthony Levi hat in dem Kapitel „The Cult of Glory“ in seiner Studie French Moralists „the rehabilitation of ‚gloire‘ as the supreme moral value“ als wesentliches Anliegen der weltlichen Traktatliteratur der ersten Jahrhunderthälfte bezeichnet 2. Den Wandel der Wertvorstellungen, der sich nach der Fronde unter dem Einfluß der religiösen Bestrebungen der Jansenisten vollzog, hat Paul Bénichou in seinem grundlegenden Werk Morales du grand siècle überzeugend zur Darstellung gebracht 3 und dabei auch auf die Entwertung des Ruhmesgedankens hingewiesen, die mit der Zerstörung des aristokratischen Heldenideals verbunden war 4. „Éthique et critique de la gloire“ gehören zum festen Themenbestand der moralphilosophischen und moralistischen Literatur des 17. Jahrhunderts 5, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Problematisierung der aus der alten römischen Ruhmesethik
1 Vgl. Octave Nadal, „Étude conjointe“ zu Le Sentiment de l’amour dans l’œuvre de Pierre Corneille, Paris 1948: „De quelques mots de la langue cornélienne ou d’une éthique de la gloire“, S. 281–323, und ders., „L’éthique de la gloire au dix-septième siècle“, in: Mercure de France 308/1950, S. 22–34. 2 Anthony Levi, S. J., French Moralists. The Theory of the Passions 1585 to 1649, Oxford 1964, S. 177–201, Zitat S. 180. 3 Vgl. das Kapitel „La démolition du héros“ in: Paul Bénichou, Morales du grand siècle, Paris 1948, S. 155–180. 4 Bénichou schreibt: „La réduction de la gloire à une idée fausse et irréelle a joué un rôle capital dans la dissolution de la morale héroïque.“ (ebd. S. 175). 5 Vgl. Margot Kruse, „Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVIIe siècle“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 61–80.
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stammenden Lehre von der Einheit von „virtus“ und „gloria“ und die Kritik am Ruhmesstreben nicht nur auf christlichem Gedankengut beruht und auf den Einfluß religiöser Reformbestrebungen besonders der Jansenisten zurückzuführen ist, sondern daß eine „gründliche Umwertung“ dieser frühen römischen Ruhmesauffassung unter Einwirkung der griechischen Moralphilosophie schon in der klassischen lateinischen Literatur zu finden ist 6. Das gilt z. B. für die Ruhmeskritik bei Cicero, Seneca und Plinius d. J., auf die Hugo Friedrich im Zusammenhang mit den antiken Quellen von Montaignes Essay II, 16 „De la Gloire“ hingewiesen hat 7, einem Essay, der für die Ruhmeskritik in der moralistischen Literatur des 17. Jahrhunderts wegweisend gewesen ist. Der Rückgriff auf diese verschiedenen Auffassungen und Wertungen der „gloire de ce monde“ aber reicht nicht aus, wenn man sich mit dem „gloire“-Begriff in Pascals Pensées beschäftigen will. Bei diesem Werk ist vielmehr von der christlichen Konzeption der „gloire“ auszugehen, die auf der Verwendung des Begriffs in biblischen Texten und in der figuralen Bibelexegese beruht. Die besondere Bedeutung, die diesem christlichen „gloire“-Begriff nicht nur in der religiösen Literatur, sondern auch in der Moralistik zukommt, läßt sich schon an dem „Lexique“ in dem Sammelband Moralistes du XVIIe siècle erkennen, den Jean Lafond 1992 in der Collection „Bouquins“ herausgegeben hat 8. In diesem von Jacques Chupeau zusammengestellten Lexikon werden vier Grundbedeutungen für das Wort „gloire“ angegeben, von denen die erste für das Verständnis des Pascalschen „gloire“-Begriffs von zentraler Bedeutung ist: 1. Lumière, éclat, majesté manifestant la puissance et la grandeur de Dieu.9
Diese Aussage über die „gloire de Dieu“ entspricht der Definition, die Antoine Furetière in seinem Dictionnaire universel von 1690 als erste Bedeutung des Wortes „gloire“ angeführt hat: „Majesté de Dieu, la veuë 6 Vgl. Ulrich Knoche, „Der römische Ruhmesgedanke“ (1934), in: Hans Oppermann (Hg.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1974, S. 420–445, bes. S. 441 ff. 7 Hugo Friedrich, Montaigne (1949), Bern/München 1967, S. 153. 8 Moralistes du XVIIe siècle. Édition établie sous la direction de Jean Lafond, Paris 1992. – Den dritten Teil dieses Sammelbandes bilden Pascals Pensées. Texte établi, présenté et annoté par Philippe Sellier (S. 283–604). 9 Ebd. S. 1292. Die folgenden Bedeutungen, die „la gloire de ce monde“ betreffen („2. Honneur rendu au mérite et à la vertu; réputation éclatante. – 3. Sentiment élevé de l’honneur, de la dignité. – 4. Orgueil, vanité, ambition.“), finden sich ebenfalls in den Pensées; wir werden darauf zurückkommen.
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de sa puissance, de sa grandeur infinie.“ 10 In beiden Fällen handelt es sich um die „gloire de Dieu“, die offenbar wird in seiner Majestät, Macht und Größe, wobei die Metaphern „lumière“ und „éclat“ das Sichtbarwerden der transzendenten Herrlichkeit Gottes im Diesseits veranschaulichen. Beide Definitionen verweisen deutlich auf die biblischen Quellen dieses „gloire“-Begriffes, das alttestamentliche hebräische Wort „kabod“, das in der Septuaginta mit „doxa“ im Sinne von „göttliche Majestät, Glanz, Herrlichkeit“ wiedergegeben wird, wobei „doxa“ „die vor allem lichthafte Manifestation Gottes“ bezeichnet 11. Im Neuen Testament spielt diese erst im Hellenismus durch die Septuaginta entstandene neue Wortbedeutung von „doxa“, die in der Vulgata mit „claritas“ oder „gloria“ und in französischen Bibelübersetzungen stets mit „gloire“ wiedergegeben wird, eine besonders wichtige Rolle. Sie wird immer dort eingesetzt, wo es sich um die „manifestation de la gloire de Dieu dans le Christ“ handelt, „sa ‚glorification‘ en son humanité même“ oder um „la confession et la louange, par la créature, de la gloire essentielle de Dieu“ 12. Wesenhaft gebührt der Ruhm nur Gott und nicht dem Menschen, denn in christlicher Sicht sind die Menschen, wie Paulus im Römerbrief 3, 23 sagt, „allzumal Sünder“: „omnes enim peccaverunt, et egent gloria Dei“ 13 „parce que tous ont péché, et ont besoin de la gloire de Dieu“ 14. Folglich darf sich der Mensch auch nicht seiner Weisheit, seiner Macht oder seines Reichtums rühmen, sondern, wie es im ersten Brief an die Korinther 1, 31 unter Berufung auf Jeremias 9, 23–24 15 heißt: „Qui gloriatur, in Domino glo-
10 Für diese Bedeutung führt Furetière folgende Beispiele an: „Les yeux mortels ne peuvent voir Dieu dans sa gloire. Dieu a paru dans sa gloire sur le mont de Thabor. les Bienheureux voyent Dieu dans sa gloire & face à face, la gloire éternelle. Dieu viendra dans sa gloire juger les vivants & les morts.“ (Antoine Furetière, Dictionnaire universel, Nachdruck der Edition von 1690, Paris 1978, Bd. 2: E–O, Art. „gloire“, o. S.). 11 Vgl. den Artikel „doxa“ (A. Stückelberger) in: Joachim Ritter (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2: D–F, Darmstadt 1972, Sp. 287–289, sowie den Artikel „doxa“ in: Gerhard Kittel, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, Stuttgart 1935, S. 236–256. 12 Vgl. Marcel Viller (Hg.), Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique, Bd. 6, Paris 1967, Art. „gloire de Dieu“ (Placide Deseille), Sp. 421–463, und André-Marie Gérard u. a., Dictionnaire de la Bible, Paris 1989, Art. „gloire“, S. 442 f. 13 Zitiert werden die Bibeltexte nach der Vulgata, da auch Pascal diesen Text in erster Linie benutzt und zitiert hat. Zitate nach der Ausgabe: Biblia Sacra iuxta Vulgatam Clementinam, hg. von Alberto Colunga, O. P. und Laurentio Turrado, Matriti 41965. 14 Bibelzitate in französischer Sprache nach der Ausgabe: La Bible, übers. von Louis-Isaac Lemaître de Sacy, hg. von Philippe Sellier, Paris 1990. 15 „Non glorietur sapiens in sapientia sua,/ Et non glorietur fortis in fortitudine sua,/ Et
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rietur“ („celui qui se glorifie ne se glorifie que dans le Seigneur“). Die menschliche „gloire“ kann im Sinne dieser biblischen Texte nur eine durch Gnade verliehene Gabe Gottes sein oder eine Teilhabe an seiner Herrlichkeit. Diese Auffassung findet sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht nur in theologischen Werken oder im Erbauungsschrifttum, sondern auch ein Autor wie Antoine Furetière spricht in seinem Dictionnaire universel von der weltlichen „gloire“ nicht anders. Nachdem er die „gloire“ als „Majesté de Dieu, la veuë de sa puissance, de sa grandeur infinie“ definiert und von der „gloire“ als dem „honneur qu’on rend à Dieu“ gesprochen hat, fährt er fort: Gloire, se dit par emprunt & par participation, de l’honneur mondain, de la louange qu’on donne au mérite, au sçavoir & à la vertu des hommes. La gloire du monde n’est qu’une fumée.16
Eine ähnliche Abwertung des weltlichen „gloire“-Begriffs liegt auch der Preisaufgabe zugrunde, die die Académie française für den „Prix d’Eloquence“ des Jahres 1671 gewählt hat: De la Louange et de la Gloire: Qu’elles appartiennent à Dieu en propriété; & que les Hommes en sont ordinairement usurpateurs. Suivant les paroles du Pseaume 112 [Vulgata 113B]: Non nobis, Domine, non nobis; sed nomini tuo da gloriam.17
Zu diesen insbesondere durch die biblischen Texte vorgegebenen Bedeutungen, die für das Verständnis des „gloire“-Begriffs in den Pensées richtungweisend sind, kommt noch der theologische Terminus „état de gloire“ hinzu, der Pascal durch die jansenistische Lehre von den vier Stadien der Menschheitsgeschichte vertraut war. Léon Brunschvicg schreibt dazu: La doctrine augustinienne, telle que Jansénius la restitue, consiste essentiellement dans l’histoire de l’humanité, dans la succession de ses quatre états: 1 avant la loi; 2 après la loi; 3 dans la grâce; 4 dans l’état de gloire.18
non glorietur dives in divitiis suis, / Sed in hoc glorietur, qui gloriatur,/ Scire et nosse me,/ Quia ego sum Dominus […]“. 16 Furetière, Dictionnaire universel (wie Anm. 10), Bd. 2: E–O, o. S. 17 Pièces d’Eloquence qui ont remporté le Prix de l’Académie Françoise, Depuis 1671 jusqu’en 1748, Paris 1766, Bd. 1, S. 1. Den Preis erhielt Mlle de Scudéry für ihren Discours De la Louange et de la Gloire. Vgl. Margot Kruse, „,La gloire du monde‘ und ‚la gloire de Dieu‘ im Werk von Mademoiselle de Scudéry“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 81–101. 18 Léon Brunschvicg, in: Blaise Pascal, Pensées et Opuscules, publiés avec une introduction, des notices et des notes par L. B., Paris o. J. (1953), S. 50.
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In der Figuraldeutung, die für die Bibelexegese in den Pensées grundlegend ist 19, verweist das Alte Testament, das durch das Gesetz („la loi“) repräsentiert wird, auf die Erfüllung im Neuen Testament, in dem die Gnade („la grâce“) an die Stelle des Gesetzes tritt; das Neue Testament aber verweist auf die volle Erfüllung im Jenseits, in der Herrlichkeit Gottes, „dans l’état de gloire.“ 20 Folglich bedeutet „la gloire“ im theologischen Sprachgebrauch nicht nur die Herrlichkeit Gottes („la gloire de Dieu“) und den Lobpreis Gottes („rendre gloire à Dieu“), der in der christlichen Liturgie eine so große Rolle spielt 21, sondern auch die Teilhabe der Erwählten oder der Heiligen an der Herrlichkeit Gottes, „la béatitude en Dieu“ 22, die die wahren Christen anstreben. Diese Bedeutungsfülle des Wortes „gloire“ in der Bibel, in der figuralen Bibelauslegung und in der christlichen Überlieferung muß man sich zunächst vergegenwärtigen, wenn man die ganz verschiedenartigen Aussagen Pascals zur „gloire“ in den Pensées interpretieren will. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die Fragmente, die zu den im engeren Sinne apologetischen Teilen des Werkes gehören, sondern auch für seine Beurteilung des menschlichen Strebens nach Ruhm und seine Darstellung der „gloire de ce monde“ in dem moralistischen Teil der Pensées. Denn auch dieser Teil, der das Paradox der „misère et grandeur de l’homme“ zur Darstellung bringt, ist auf die apologetische Zielsetzung des Werkes hingeordnet, die letztlich auch die Darstellung und Wertung der weltlichen „gloire“ in diesem Werk bestimmt. Wenn in der Forschung von dem „gloire“-Begriff Pascals die Rede ist, handelt es sich meistens um seinen Beitrag zur Kritik der aristokratischen „éthique de la gloire“. So hat Paul Bénichou „la démolition du héros“ in seiner Darstellung der Morales du grand siècle zum größten Teil am Beispiel der Pensées von Pascal und der Maximes von La Rochefoucauld ver-
19 Vgl. Margot Kruse, „Die Bedeutung der ‚Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 121–137. 20 Brunschvicg bezeichnet diesen „état de gloire“ als „le couronnement de l’œuvre que la grâce divine a accomplie en l’homme, c’est la félicité dont les élus jouiront après le jugement […]“ (Pascal, Pensées et Opuscules [wie Anm. 18], S. 52). 21 Darauf wird in dem Artikel „gloire“ im Dictionnaire de la Bible (wie Anm. 12) hingewiesen, wo es heißt: „la liturgie chrétienne se fait toujours l’écho de cette liturgie d’éternité dans sa doxologie traditionnelle: ‚Gloire au Père, au Fils et au Saint-Esprit, dans les siècles des siècles …‘“ (S. 443). 22 Brunschvicg schreibt in seinen „notes“ zu den Pensées: „La gloire désigne, comme on sait, dans le langage théologique, la béatitude en Dieu.“ (Pascal, Pensées et Opuscules [wie Anm. 18], S. 544).
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anschaulicht, und Henry T. Barnwell wählt in seinen „remarques sur la Gloire dans la littérature du XVIIe siècle“ ebenfalls Pascal als Vertreter der „morale chrétienne“ in ihrem unüberwindlichen Gegensatz zur „éthique de la gloire“ der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Il est facile donc de comprendre que les moralistes chrétiens, et Pascal en tête de ligne, n’aient jamais cessé d’attaquer l’éthique de la Gloire, et surtout, peutêtre, l’idée qu’elle pourrait s’accorder avec le christianisme.23
Bénichou und Barnwell weisen beide in diesem Zusammenhang auf einzelne Fragmente aus den Pensées hin, aber die Texte werden nur zur Bestätigung der These von der „démolition du héros“ oder als Beweis für die Kritik an der „éthique de la gloire“ vom Standpunkt einer strengen christlichen Morallehre herangezogen. Es fehlt jedoch eine Studie, in der untersucht würde, worin sich die „critique de la gloire“ Pascals von der Destruktion der Ruhmesethik bei anderen Autoren seiner Zeit unterscheidet, was für eine Relation zwischen der „gloire de ce monde“ und der „gloire de Dieu“ in den Pensées besteht und welche Bedeutung dem „gloire“-Begriff in diesem apologetischen Werk zukommt. Deshalb soll hier versucht werden, durch die Interpretation einschlägiger Texte aus den Pensées 24 einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen zu leisten. Dabei gehen wir von Fragmenten aus, die der Analyse der „condition humaine“ zuzuordnen sind. Diese moralistische Darstellung der „misère et grandeur de l’homme“ wollte Pascal den im engeren Sinne apologetischen Teilen des Werkes voranstellen. Das bestätigt die von ihm selbst verfaßte „Table“ zu den siebenundzwanzig „liasses à titres dans les Copies“ 25, der auch die Anordnung der „Papiers classés“ in den neueren wissenschaftlichen Pensées-Editionen in der Regel folgt 26. Hier sind es die Liasses I–X,
23 Henry T. Barnwell, „La Gloire dans le Théâtre de Racine I: Quelques remarques sur la Gloire dans la littérature du XVIIe siècle“, in: Jeunesse de Racine, La Ferté-Milon 1961, S. 22–26, Zitat S. 23. 24 Zitiert wird nach der Pensées-Edition in: Pascal, Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, S. 493–641. Die Zählung der Fragmente wird im Text nach Lafuma (La) und nach Brunschvicg (Br) angegeben. 25 Vgl. Jean Mesnard, Les Pensées de Pascal (1976), Paris 1993, S. 29. 26 Das gilt sowohl für die von Louis Lafuma besorgten Pensées-Ausgaben in den Éditions du Luxembourg, Paris 1952, und in den Œuvres complètes, Paris 1963, denen die Kopie in der BN ms. f. fr. 9203 zugrundeliegt, als auch für die „Nouvelle Édition […] d’après la copie de référence de Gilberte Pascal“, BN ms. f. fr. 12449, die Philippe Sellier, Paris 1976, herausgegeben hat.
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die sich primär mit dem „Daseinsparadox“ beschäftigen 27, mit dem Widerspruch von Elend und Größe des Menschen, den Pascal unter Titeln wie Vanité, Misère, Ennui, Raisons des effets, Grandeur, Contrariétés und Divertissement zur Darstellung bringt. Erwartungsgemäß taucht der Begriff „gloire“ in den Pensées zuerst in der Liasse II Vanité auf, denn um zu zeigen, daß „la gloire de ce monde“ nicht mehr ist als „la renommée“, ein vom Zufall abhängiges Urteil anderer, das auf dem Schein beruht, dem das Sein nicht zu entsprechen braucht, wird „la recherche de la gloire“ in der moralistischen Literatur häufig in die Nähe der „vanité“ gerückt, wie der viel gebrauchte Ausdruck „vaine gloire“ bestätigt 28. Auch für Pascal ist „la recherche de la gloire“ ein Beweis für die „vanité“ und für die „misère de l’homme“. Dennoch unterscheidet sich die „critique de la gloire“ in den Pensées wesentlich von der traditionellen Ruhmeskritik und von der „démolition du héros“ bei anderen Autoren des „grand siècle“, da bei Pascal auch „la recherche de la gloire“ in die Dialektik von „misère et grandeur de l’homme“ einbezogen wird 29. Das läßt sich in der Liasse II Vanité noch nicht erkennen, da hier gezeigt werden soll, daß die „vanitas“ des Menschen in der falschen Beurteilung und Bewertung der Dinge zum Ausdruck kommt: „[…] l’homme est vain par l’estime qu’il fait des choses qui ne sont point essentielles.“ 30 Zu diesen unwesentlichen Faktoren, die der Mensch viel zu hoch einschätzt, gehört auch „la gloire“. Dennoch wird die Kritik an der „recherche de la gloire“ in dem Fragment La 37 nicht direkt ausgesprochen, sondern erst aus dem Kontext deutlich: La douceur de la gloire est si grande qu’à quelque objet qu’on l’attache, même à la mort, on l’aime. (La 37, Br 158)
27 Zum „Daseinsparadox“ vgl. Hugo Friedrich, „Pascals Paradox. Das Sprachbild einer Denkform“ (1936), in: H. F., Romanische Literaturen, Aufsätze I: Frankreich, Frankfurt a. M. 1972, S. 84–138. 28 Vgl. den Artikel „gloire“ in: Alain Rey (Hg.), Dictionnaire historique de la langue française, Bd. 1, Paris 1992, S. 893. – In dem „Lexique“ des Sammelbandes Moralistes du XVIIe siècle (wie Anm. 8) findet sich diese pejorative Bedeutung des „gloire“-Begriffs an vierter Stelle: „Orgueil, vanité, ambition“ (S. 1292). 29 In der Ausgabe: Les Pensées de Pascal, hg. von Francis Kaplan, Paris 1982, sind folglich auch zwei Abschnitte „La recherche de la gloire“ überschrieben. Vgl. Deuxième partie: „La condition humaine“, Chap. I: „La misère de l’homme“. Troisième section: „La vanité de l’homme“, 1. „La recherche de la gloire“ (S. 203–206) und Chap. II: „La grandeur de l’homme“, 4. „La recherche de la gloire“ (S. 214 f.). 30 La 93, Br 328.
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Aus dem Zusammenhang gelöst könnte diese Aussage ein Bekenntnis zum Wert der „gloire“ sein, von der eine so große Befriedigung ausgeht, daß der Mensch die „gloire“ liebt, selbst wenn sie mit dem Tod bezahlt werden muß. Im Kontext der Liasse Vanité aber wird erkennbar, daß es sich in diesem Fragment um eine ironische Aussage handelt 31, die den Widersinn aufdecken soll, der darin gelegen ist, daß der Mensch die „douceur de la gloire“ bejaht, auch wenn sie nicht aus einer großen Leistung, sondern aus dem Tod erwächst 32. Da die Reflexion La 37, Br 158 „Métiers“ überschrieben ist, erscheint es sinnvoll, an das Ruhmesstreben des Soldaten zu denken und aus den „Papiers non classés“ das Fragment La 627, Br 150 zur Interpretation heranzuziehen, in dem die verschiedensten Metiers vom Soldaten, Koch und Lastenträger bis zum Philosophen als Beweis dafür angeführt werden, daß die „vanité“ so im Innersten des Menschen verankert ist, daß sich alle gleichermaßen selbst rühmen und Bewunderer haben wollen: La vanité est si ancrée dans le cœur de l’homme qu’un soldat, un goujat, un cuisinier, un crocheteur se vante et veut avoir ses admirateurs et les philosophes mêmes en veulent, et ceux qui écrivent contre veulent avoir la gloire d’avoir bien écrit, et ceux qui les lisent veulent avoir la gloire de les avoir lus, et moi qui écris ceci ai peut-être cette envie, et peut-être que ceux qui le liront … (La 627, Br 150)
Bezeichnend für Pascal ist in diesem Zusammenhang die ironische Darstellung der Philosophen, die – auch wenn sie in ihren Schriften den Ruhm abwerten – für ihre „critique de la gloire“ dennoch gerühmt werden wollen, wobei der Autor sein eigenes Verhalten und das seiner Leser mit wirkungsvoller Selbstironie in die moralistische Analyse der eitlen Ruhmbegierde einbezieht. In den gleichen Kontext gehört auch die Reflexion La 628, die ebenfalls zur Deutung des Fragments La 37 beitragen kann, da hier die Ursache dafür angegeben wird, daß der Mensch die „douceur de la gloire“ so sehr liebt, daß er dafür gerne den Tod auf sich nimmt: L’orgueil nous tient d’une possession si naturelle au milieu de nos misères, erreur, etc. Nous perdons encore la vie avec joie pourvu qu’on en parle. (La 628, Br 153)
31 Darauf hat Jean Mesnard bereits hingewiesen, in der oben (Anm. 25) genannten Studie Les Pensées de Pascal, S. 294. 32 Vgl. ebd. S. 191, wo es heißt: „Paradoxe aussi que le prix reconnu par l’homme à la mort. Les uns y voient la source de la gloire (2/37), d’autres la source du bonheur, ne serait-ce par cessation du malheur (2/15) […]. N’est-ce pas attacher l’être à l’anéantissement?“
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Vergleicht man diese Reflexion mit dem Fragment La 627, wird außerdem deutlich, daß „vanité“ und „orgueil“ als Synonyma verwandt sind und gleichermaßen als Ursache für die „recherche de la gloire“ eingesetzt werden. Die Begründung für die Abwertung der „gloire de ce monde“ findet sich in dem umfangreichen Fragment „Imagination“ (La 44, Br 82), das im Zentrum der Liasse Vanité steht. Die „imagination“ ist für den Autor der Pensées eine „faculté trompeuse“, eine „superbe puissance ennemie de la raison“. Pascal sieht in ihr die Ursache für die menschlichen Fehlurteile und die falschen Wertsetzungen, da „cette maîtresse d’erreur et de fausseté“ den Menschen daran hindere, seine „misère“ zu erkennen, indem sie ihm ein illusionäres Glück verschaffe, während die „raison“, die auf die Realität und die Wahrheit ausgerichtet sei, denjenigen, die ihr folgen, nur ihr Elend zum Bewußtsein bringen könne. Deshalb wendet sich der Autor voll Verdruß gegen die Vormachtstellung der „imagination“: Et rien ne nous dépite davantage que de voir qu’elle remplit ses hôtes d’une satisfaction bien autrement pleine et entière que la raison. […] Elle ne peut rendre sages les fous mais elle les rend heureux, à l’envi de la raison qui ne peut rendre ses amis que misérables, l’une les couvrant de gloire, l’autre de honte. (ebd.)
Auch „la gloire de ce monde“ ist folglich von der „imagination“ abhängig: „La raison a beau crier, elle ne peut mettre le prix aux choses.“ (ebd.) Ansehen, Respekt und Verehrung, die Personen, Werken, Gesetzen oder den Großen dieser Welt entgegengebracht werden, beruhen nicht auf realen Verdiensten, Werten, Rechten oder Kompetenzen, sondern verdanken ihre Geltung der „imagination“, dieser „maîtresse d’erreur et de fausseté“. Pascal schreibt: Qui dispense la réputation, qui donne le respect et la vénération aux personnes, aux ouvrages, aux lois, aux grands, sinon cette faculté imaginante. (ebd.)
So erweist sich auch in den Pensées der weltliche Ruhm zunächst als eine „vaine gloire“. Dennoch ist das Ruhmesstreben in diesem Werk nicht nur ein Zeichen für die „bassesse de l’homme“, sondern Pascal ergänzt auch diese „vérité“ durch die „vérité opposée“ 33 und bezieht damit die
33 Zur „vérité opposée“ vgl. Fragment La 576, Br 567: „Les deux raisons contraires“, das mit der Einsicht endet: „Et même à la fin de chaque vérité il faut ajouter qu’on se souvient de la vérité opposée.“
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„recherche de la gloire“ in die Dialektik von „misère et grandeur de l’homme“ ein, wenn es in dem Fragment La 470, Br 404 heißt: La plus grande bassesse de l’homme est la recherche de la gloire, mais c’est cela même qui est la plus grande marque de son excellence; car, quelque possession qu’il ait sur la terre, quelque santé et commodité essentielle qu’il ait, il n’est pas satisfait, s’il n’est dans l’estime des hommes. Il estime si grande la raison de l’homme que, quelque avantage qu’il ait sur la terre, s’il n’est placé avantageusement aussi dans la raison de l’homme, il n’est pas content. […] rien ne le peut détourner de ce désir, et c’est la qualité la plus ineffaçable du cœur de l’homme.
Das Paradox, das Ruhmesstreben als „la plus grande bassesse de l’homme“ und zugleich als „la plus grande marque de son excellence“ zu bezeichnen, ist rational nicht auflösbar. Die Begründung, daß der Mensch auch im Besitz der größten Glücksgüter unbefriedigt bleibt, wenn er nicht von anderen entsprechend hochgeschätzt oder gerühmt wird, könnte – in anderem Kontext – auch als ein Kennzeichen der „misère de l’homme“ ausgelegt werden 34. Um die paradoxe Aussage Pascals verständlich zu machen, ist daran zu erinnern, daß in der Liasse VI Grandeur die Größe und Würde des Menschen zunächst nicht theologisch mit seiner Gottebenbildlichkeit, sondern philosophisch mit seiner Denkfähigkeit begründet wird, die ihn vom Tier unterscheidet: „[…] je ne puis concevoir l’homme sans pensée. Ce serait une pierre ou une brute.“ (La 111, Br 339) Diese Größe aber bleibt bei Pascal an die „misère“ gebunden, wie schon das Fragment La 113, Br 348 mit der kühnen Metapher vom „roseau pensant“ zeigt 35. Die paradoxe Zuspitzung erfolgt in der nächsten Reflexion La 114, Br 397: „La grandeur de l’homme est grande en ce qu’il se 34 So schreibt Schopenhauer in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit, Kap. IV. „Von Dem, was Einer vorstellt“: „Dieses, also unser Daseyn in der Meinung Anderer, wird, in Folge einer besondern Schwäche unserer Natur, durchgängig viel zu hoch angeschlagen; obgleich schon die leichteste Besinnung lehren könnte, daß es, an sich selbst, für unser Glück, unwesentlich ist. Es ist demnach kaum erklärlich, wie sehr jeder Mensch sich innerlich freut, so oft er Zeichen der günstigen Meinung Anderer merkt und seiner Eitelkeit irgendwie geschmeichelt wird.“ (Arthur Schopenhauer, Sämtliche Werke, hg. von Arthur Hübscher, Bd. 5: Parerga und Paralipomena I, Leipzig 1938, S. 375). 35 Vgl. auch La 200, Br 347: „L’homme n’est qu’un roseau, le plus faible de la nature, mais c’est un roseau pensant. Il ne faut pas que l’univers entier s’arme pour l’écraser; une vapeur, une goutte d’eau suffit pour le tuer. Mais quand l’univers l’écraserait, l’homme serait encore plus noble que ce qui le tue, puisqu’il sait qu’il meurt et l’avantage que l’univers a sur lui. L’univers n’en sait rien. Toute notre dignité consiste donc en la pensée.“
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connaît misérable; un arbre ne se connaît pas misérable.“ Noch einen Schritt weiter im Hinblick auf die Deutung der Aussage zur „recherche de la gloire“ im Fragment La 470 führt die Reflexion La 121 aus der Liasse VII Contrariétés: Il est dangereux de trop faire voir à l’homme combien il est égal aux bêtes, sans lui montrer sa grandeur. Et il est encore dangereux de lui trop faire voir sa grandeur sans sa bassesse. Il est encore plus dangereux de lui laisser ignorer l’un et l’autre, mais il est très avantageux de lui représenter l’un et l’autre. (La 121, Br 418)
Da es gefährlich wäre, dem Menschen nur seine „bassesse“, „vanité“ und „misère“ vor Augen zu stellen und ihn sehen zu lassen, wie sehr er den Tieren gleicht, ohne ihm zugleich seine „grandeur“, „dignité“ oder „excellence“ zu zeigen, weist Pascal auch beim Thema der „recherche de la gloire“ darauf hin, daß diese Ruhmbegierde und das Streben nach Hochschätzung durch andere Menschen nicht nur auf „vanité“ zurückzuführen sind und die „misère de l’homme“ beweisen, sondern gleichzeitig auch als ein Kennzeichen seiner „grandeur“ zu werten sind und den Menschen vom Tier unterscheiden. Dieses Unterscheidungsmerkmal bestätigt das Fragment La 685 „Gloire“, das den Tiervergleich aufnimmt: „Les bêtes ne s’admirent point.“ 36 Der Wunsch, „d’être estimé de ceux avec qui on est“, der, wie wir gesehen haben, in der Reflexion La 628 als Folge des „orgueil“ und der „vanité“ gekennzeichnet wird und damit die „misère de l’homme“ bestätigt, erscheint im Fragment La 470 als „marque de son excellence“, als Kennzeichen seiner Größe, da der Mensch als denkendes Wesen „la raison de l’homme“ so hoch einschätzt, daß er nicht zufrieden ist, „s’il n’est placé avantageusement aussi dans la raison de l’homme“ (La 470, Br 404). Dadurch, daß „la recherche de la gloire“ von Pascal in das „Daseinsparadox“ einbezogen wird, unterscheidet sich seine Ruhmeskritik auch grundsätzlich von der „critique de la gloire“ bei Montaigne, dessen Essay I, 41, „De ne communiquer sa gloire“, zweifellos den Ausgangspunkt für das Fragment La 470 gebildet hat 37. Montaigne mißt zu Beginn dieses
36 „Les bêtes ne s’admirent point. Un cheval n’admire point son compagnon. Ce n’est pas qu’il n’y ait entre eux de l’émulation à la course, mais c’est sans conséquence, car étant à l’étable, le plus pesant et plus mal taillé n’en cède pas son avoine à l’autre, comme les hommes veulent qu’on leur fasse. Leur vertu se satisfait d’elle-même.“ (La 685, Br 401) 37 Vgl. Bernard Croquette, Pascal et Montaigne. Étude des réminiscences des „Essais“ dans l’œuvre de Pascal, Genève 1974, S. 47.
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Textes dem „soin de la réputation et de la gloire“ eine ebenso große Bedeutung bei wie Pascal in dem Fragment La 470 und betont, daß der Mensch bereit wäre, auf Güter wie „les richesses, le repos, la vie et la santé“ zu verzichten, um dieser „vaine image“ zu folgen 38. Am deutlichsten wird der Bezug auf den Essay Montaignes an der Stelle, an der Pascal das Argument Ciceros aus dem Essay I, 41 übernimmt. Bei Montaigne heißt es: Car, comme dit Cicero 39, ceux mesmes qui la [i. e. la gloire] combatent, encores veulent-ils que les livres qu’ils en escrivent, portent au front leur nom, et se veulent rendre glorieux de ce qu’ils ont mesprisé la gloire. (S. 286)
In dem Fragment La 470 nimmt Pascal den Widerspruch im Verhalten der Autoren auf, die die Menschen und ihren Ruhm verachten, sie den Tieren gleichstellen und doch für ihre eigenen Schriften der Ruhmesverachtung bewundert und gerühmt werden wollen: Et ceux qui méprisent le plus les hommes, et les égalent aux bêtes, encore veulent-ils en être admirés et crus, et se contredisent à eux-mêmes par leur propre sentiment; leur nature, qui est plus forte que tout, les convainquant de la grandeur de l’homme plus fortement que la raison ne les convainc de leur bassesse. (La 470, Br 404)
Wichtiger als diese Übereinstimmungen aber ist in unserem Zusammenhang die neue Wendung, die Pascal der Reflexion gibt, denn sie enthält – in Verbindung mit dem zitierten Fragment: „Il est dangereux de trop faire voir à l’homme combien il est égal aux bêtes […]“ (La 121, Br 418) – den zentralen Gedanken der Montaigne-Kritik Pascals und führt auf diesem Wege wieder zu der paradoxen Bestimmung der „condition humaine“, auf die es dem Autor primär ankommt. Die Kritik an Montaigne, die Pascal nicht nur in den Pensées, sondern auch im Entretien avec M. de Saci entwickelt hat, wirft dem Autor der Essais vor, nur die „misère de l’homme“ gesehen zu haben; auch Montaigne gehört für Pascal zu denen, „qui méprisent le plus les hommes, et les égalent aux bêtes“ 40. Die „recherche de la gloire“ wird im Fragment La 470 als „la plus grande bassesse de l’homme“ und zugleich als „la plus grande marque de son excellence“
38 Vgl. Montaigne, Essais, hg. von Maurice Rat, Paris 1962, Bd. 1, Kap. XLI, S. 286. Alle Zitate aus dem Essay I, 41 nach dieser Ausgabe. 39 Rat verweist in der Anm. 698 auf Ciceros Pro Archia, XI, und die Tusculanes, I, XV. 40 Zum Tiervergleich in der moralphilosophischen Tradition und insbesondere bei Montaigne vgl. Friedrich, Montaigne (wie Anm. 7), S. 116–118.
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bezeichnet, weil der Mensch, auch wenn ihm alle anderen Güter zur Verfügung stehen, ohne die Anerkennung der anderen, ohne die „(vaine) gloire“, nicht zufrieden ist: „il n’est pas satisfait, […] il n’est pas content“. Gerade diese Unzufriedenheit, die Empfindung eines Mangels ist es, die nach der Argumentation Pascals „la grandeur de l’homme“ ausmacht, denn sie ist ein Zeichen der einstigen Größe, die der Mensch verloren hat. In der Liasse Grandeur heißt es im Fragment La 117, Br 409: La grandeur de l’homme est si visible qu’elle se tire même de sa misère, car ce qui est nature aux animaux nous l’appelons misère en l’homme par où nous reconnaissons que sa nature étant aujourd’hui pareille à celle des animaux il est déchu d’une meilleure nature qui lui était propre autrefois. Car qui se trouve malheureux de n’être pas roi sinon un roi dépossédé.
So führt die Beschäftigung mit der weltlichen „gloire“ im Werk Pascals, genauer gesagt mit seiner Analyse der „recherche de la gloire“, nicht nur ins Zentrum seiner Auffassung von der „condition humaine“, die durch das Daseinsparadox von „misère“ und „grandeur“ des Menschen gekennzeichnet ist, sondern auch zu der theologischen Erklärung für die „étonnantes contrariétés“, die die „condition humaine“ bestimmen, d. h. zu der Lehre von der „première nature“ des Menschen und vom Sündenfall. Im Fragment La 149 wird der Leser aufgefordert, selbst die Ursache der vielfältigen Widersprüche im menschlichen Wesen zu erkennen und auf Grund der „mouvements de grandeur et de gloire“, die das Erdulden so vieler „misères“ nicht auslöschen kann, auf eine verlorengegangene erste Natur zu schließen: Observez maintenant tous les mouvements de grandeur et de gloire que l’épreuve de tant de misères ne peut étouffer et voyez s’il ne faut pas que la cause en soit en une autre nature. (La 149, Br 430)
In diesem umfangreichen Fragment, dem schon durch seine Stellung im Zentrum der „papiers classés“ besondere Bedeutung zukommt 41, finden sich auch Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der „gloire de Dieu“, an der der Mensch ursprünglich teilhatte, und der „gloire de ce monde“ 42. Der Autor der Pensées läßt die „sagesse de Dieu“ selbst zum Leser sprechen: 41 Das Fragment La 149, Br 430, das „A. P. R. commencement, après avoir expliqué l’incompréhensibilité“ überschrieben ist, nimmt die ganze Liasse XL A. P. R. ein und steht am Anfang des im engeren Sinne apologetischen Teils der Pensées. 42 Sprachlich wird im Französischen zwischen der weltlichen und der himmlischen „gloire“ nicht unterschieden; im Deutschen dagegen wird „gloire“, wenn sich der
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[…] vous n’êtes plus maintenant en l’état où je vous ai formés. J’ai créé l’homme saint, innocent, parfait, je l’ai rempli de lumière et d’intelligence, je lui ai communiqué ma gloire et mes merveilles.
Der Mensch aber hat so viel „Herrlichkeit“ nicht zu ertragen vermocht: „Mais il n’a pu soutenir tant de gloire sans tomber dans la présomption.“ (La 149, Br 430) Mit „présomption“ ist hier „l’orgueil de Lucifer, qui est cause de sa cheute“ gemeint 43. Auch der Mensch ist dem Hochmut verfallen und hat sich Gott gleichstellen wollen. Das bestätigen die folgenden Sätze, in denen es von dem sündigen Menschen heißt: „Il s’est soustrait de ma domination et s’égalant à moi par le désir de trouver sa félicité en luimême je l’ai abandonné à lui […]“. Die Folge dieser „présomption“ sieht Pascal wiederum in einer eitlen Ruhmsucht, wie in dem Fragment La 120, Br 148 ausgeführt wird: Nous sommes si présomptueux que nous voudrions être connus de toute la terre et même des gens qui viendront quand nous ne serons plus. Et nous sommes si vains que l’estime de 5 ou 6 personnes qui nous environnent nous amuse et nous contente.
Die Erbsündenlehre, die in Pascals Pensées als Schlüssel zum Verständnis der „condition humaine“ dient, bildet auch die Grundlage seines Verständnisses der Menschheitsgeschichte. Nach dem Fragment La 281, Br 613 aus der Liasse XXI Perpétuité besteht die wahre Religion, die schon immer existiert hat, in dem Glauben, daß der Mensch aus einem „état de gloire“ in einen Zustand der Gottferne abgefallen ist, aber nach diesem Leben durch einen Erlöser wiederhergestellt werden wird: Cette religion qui consiste à croire que l’homme est déchu d’un état de gloire et de communication avec Dieu en un état de tristesse, de pénitence et d’éloignement de Dieu, mais qu’après cette vie nous serons rétablis par un Messie qui devait venir, a toujours été sur la terre.
Hier verwendet Pascal den Begriff „état de gloire“ für den Zustand des Menschen vor dem Sündenfall, zur Bezeichnung der Gottnähe seiner „première nature“. Dieser „état de gloire“ aber steht nicht nur am Anfang, sondern er ist auch das Ziel, auf das die Figuraldeutung der bi-
Begriff auf Gott bezieht, in der Regel mit „Herrlichkeit“ wiedergegeben, um die „Majesté de Dieu, la veuë de sa puissance“ zum Ausdruck zu bringen, oder mit „Ehre“, um das Rühmen der Größe Gottes zu bezeichnen. 43 Vgl. den Artikel „présomption“ in: Furetière, Dictionnaire universel (wie Anm. 10), Bd. 3: P–Z, o. S.
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blischen Texte ausgerichtet ist und das jeder wahre Christ anstrebt. In der Liasse XIX Loi figurative knüpft Pascal an die figurale Bibelexegese an, die bei dem Apostel Paulus und den Kirchenvätern vorgebildet ist, und ersetzt, wie das schon Augustinus getan hatte, die Gegenüberstellung von Gestalten und Ereignissen des Alten und des Neuen Testaments „durch einen dreistufigen Vollzug.“ 44 Wie das Gesetz des Alten Testaments auf die Erfüllung im Neuen Testament ausgerichtet ist, in dem „la grâce“ an die Stelle des Gesetzes tritt, so verweist „la grâce“ auf die Erfüllung im Jenseits, im „état de gloire“: Et même la grâce n’est que la figure de la gloire. Car elle n’est pas la dernière fin. Elle a été figurée par la loi et figure elle-même la [gloire]: mais elle en est la figure, et le principe ou la cause. (La 275, Br 643)
Da die „figure“ selbst eine paradoxe Struktur aufweist („Figure porte absence et présence, plaisir et déplaisir“, heißt es im Fragment La 265, Br 677), kann Pascal die figurale Deutung biblischer Texte und theologischer Lehren auch mit seinem Prinzip der Berücksichtigung der „vérité opposée“ verbinden. Das wird besonders deutlich in seiner Stellungnahme zu den Auseinandersetzungen um die Abendmahlslehre, in der „la gloire“ als letztes Ziel, auf das auch dieses Sakrament ausgerichtet ist, wiederkehrt. In dem Fragment La 733, Br 862, in dem sich Pascal mit verschiedenen Glaubenswahrheiten, „qui semblent se contredire“, auseinandersetzt, heißt es in bezug auf die kontroversen Auslegungen der Gegenwart Christi im Altarsakrament: Sur le sujet du Saint-Sacrement nous croyons que la substance du pain étant changée et transubstanciée en celle du corps de Notre Seigneur, Jésus-Christ y est présent réellement: voilà une des vérités. Une autre est que ce sacrement est aussi une figure de celui de la croix, et de la gloire, et une commémoration des deux. Voilà la foi catholique qui comprend ces deux vérités qui semblent opposées.
Die Transsubstantiationslehre ist eine der beiden Wahrheiten; die Figuraldeutung, nach der das Abendmahl auf den Kreuzestod Christi und auf die
44 Wie Erich Auerbach in seinem bekannten „Figura“-Aufsatz gezeigt hat, bezeichnet die erste Stufe „das Gesetz oder die Geschichte der Juden als prophetische figura für Christi Erscheinen“, die zweite Stufe bildet „die Inkarnation als Erfüllung dieser figura, und zugleich als neue Verheißung von Weltende und Jüngstem Gericht“, die dritte Stufe schließlich meint „das künftige Eintreffen dieser Ereignisse als endgültige Erfüllung“ (Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 55–92, Zitate S. 70).
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Vereinigung des Menschen mit Gott im Jenseits verweist, ist die andere Wahrheit, die nur gegensätzlich zu sein scheint, denn dies Sakrament ist „chose figurée“, Erfüllung dessen, was beim letzten Abendmahl angekündigt wurde: „Eucharistie après la Cène. Vérité après figure […]“ (La 968, Br 654), und es ist zugleich „chose figurante“, Ankündigung künftiger Herrlichkeit: „Et les chrétiens prennent même l’Eucharistie pour figure de la gloire où ils tendent.“ (La 270, Br 670). Was für die Figuraldeutung der Bibel und für die Abendmahlslehre in den Pensées gilt, daß nämlich die Offenbarung erst im Bereich der „gloire“ ihre volle Erfüllung findet, das gilt auch für die Gotteserkenntnis. In dem berühmten Fragment La 418, das dem Argument der Wette gewidmet ist, erklärt Pascal zunächst, weshalb für den Menschen in seiner Begrenztheit ein rationaler Gottesbeweis nicht möglich ist: „[…] nous ne connaissons ni l’existence ni la nature de Dieu, parce qu’il n’a ni étendue, ni bornes.“ Dann aber fügt er hinzu: Mais par la foi nous connaissons son existence, par la gloire, nous connaîtrons sa nature. (La 418, Br 233)
Die angeführten Beispiele lassen die Bedeutsamkeit des „gloire“-Begriffs in den Pensées klar erkennen. Es bleibt jedoch die Frage, wie sich dieser theologische „gloire“-Begriff mit dem weltlichen Ruhmesbegriff in Relation setzen läßt. Besondere Schwierigkeiten bereitet im Hinblick auf dieses Problem das Fragment La 703: Gloire, das im Zusammenhang mit der Rechtfertigung durch den Glauben im Brief des Apostels Paulus an die Römer den menschlichen Anspruch auf Ruhm ganz ausschließt. Pascal beruft sich auf das dritte Kapitel, Vers 27, gibt den Text verkürzt wieder und knüpft daran eine Reflexion über die Gabe des Glaubens: Gloire. Rom. 3. 27. gloire exclue. Par quelle loi? des œuvres? non, mais par la foi. Donc la foi n’est pas en notre puissance comme les œuvres de la loi et elle nous est donnée d’une autre manière. (La 703, Br 516)
Zur Interpretation dieses Fragments ist zunächst der Wortlaut des Verses aus dem Römerbrief in der Vulgata förderlich: „Ubi est ergo gloriatio tua? Exclusa est. Per quam legem? Factorum? Non: sed per legem fidei.“ 45 Die einleitende Frage und die lakonische Antwort faßt Pascal in dem elliptischen Ausdruck „gloire exclue“ zusammen und verkürzt den Gedankengang so stark, daß es notwendig erscheint, auch die vorangehenden 45 Lemaître de Sacy übersetzt: „Où est donc le sujet de votre gloire? Il est exclu. Et par quelle loi? Est-ce par la loi des œuvres? Non, mais par la loi de la foi […]“ (Rom. 3, 27).
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Verse aus dem dritten Kapitel des Römerbriefs zur Verdeutlichung des Gedankengangs heranzuziehen. Die Aussage „gloire exclue“ findet eine Begründung im Vers 23: „[…] omnes enim peccaverunt, et egent gloria Dei.“ 46 Und den Gedanken, daß die Rechtfertigung der Menschen nicht durch Werke des Gesetzes bewirkt wird, die in unserer Macht stünden, sondern durch den Glauben, der uns „d’une autre manière“ gegeben wird, erläutert Paulus in den Versen 24–26 ausgehend von dem zentralen Satz: „Iustificati gratis per gratiam ipsius, per redemptionem, quae est in Christo Iesu […]“ 47. Der Gedanke, daß der Glaube und damit auch die Rechtfertigung dem Menschen „gratuitement par sa grâce“ zuteil wird, kehrt auch in dem Fragment La 931 wieder, in dem Pascal von seinem eigenen inneren Wandel spricht, der „par la force de la grâce“ bewirkt wurde, „à laquelle toute la gloire en est due“ 48. Geht man von diesen Fragmenten aus, so scheint der weltliche Ruhmesbegriff in dem im engeren Sinne apologetischen Teil der Pensées keinen Platz mehr zu haben. Pascal hält sich eng an die Ruhmesauffassung des Apostels Paulus, den er auch am Ende des Fragmentes La 933, Br 460 zitiert: „Aussi Dieu seul donne la sagesse et c’est pourquoi: qui gloriatur in Domino glorietur.“ (I. Cor. 1, 31) 49. Dieser Schlußsatz erinnert an die Formulierung bei dem Propheten Jeremias, auf den sich Paulus beruft: „Non glorietur sapiens in sapientia sua […] Sed in hoc glorietur, qui gloriatur, Scire et nosse me […]“ 50, und bestätigt noch einmal die Verbundenheit Pascals mit der alten Tradition der biblischen Ruhmeskritik. Dennoch bietet gerade dieses Fragment über die „trois ordres de choses“, wenn man es (wie es in der Pascal-Forschung häufig geschieht) im Zusammenhang mit dem berühmten Fragment von den verschiedenen Seinsordnungen La 308, Br 793 betrachtet, einen neuartigen Ansatzpunkt für die Beantwortung der Frage nach der Relation zwischen dem theolo-
46 „Parce que tous ont péché, et ont besoin de la gloire de Dieu.“ (Rom. 3, 23). 47 „Étant justifiés gratuitement par sa grâce, par la rédemption qu’ils ont en Jésus-Christ […]“ (Rom. 3, 24). 48 Am Ende dieses persönlichen Bekenntnisses heißt es: „Voilà quels sont mes sentiments. Et je bénis tous les jours de ma vie mon Rédempteur qui les a mis en moi et qui d’un homme plein de faiblesse, de misère, de concupiscence, d’orgueil et d’ambition a fait un homme exempt de tous ces maux par la force de la grâce, à laquelle toute la gloire en est due, n’ayant de moi que la misère et l’erreur.“ (La 931, Br 550). 49 „[…] celui qui se glorifie ne se glorifie que dans le Seigneur“. Zu diesem Zitat s. o., S. 104 f. 50 Jer. 9, 23–24: „Que le sage ne se glorifie point dans sa sagesse; […] Mais que celui qui se glorifie, dit le Seigneur, mette sa gloire à me connaître […]“.
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gischen „gloire“-Begriff und den verschiedenen Formen der weltlichen „gloire“. Diese Behauptung mag zunächst überraschen, da die Worte „gloire“, „glorifier“ oder „glorieux“ in dem Fragment La 308, das zur Liasse Preuves de Jésus-Christ gehört, gar nicht vorkommen. Trotzdem hat dieser Text für unser Thema große Bedeutung, da die Begriffe „empire“, „éclat“, „grandeur“, „victoire“ und „lustre“, die hier den verschiedenen Seinsordnungen beigemessen werden, gerade in ihrer Zusammengehörigkeit und Reihung als Metaphern für den „gloire“-Begriff aufgefaßt werden können51. In beiden Fragmenten wird auch den diesseitigen Seinsordnungen, „l’ordre de la chair“ oder „des corps“ und „l’ordre de l’esprit“, die auf irdische Güter und auf wissenschaftliche Erkenntnis ausgerichtet sind und durch die Reichen, Könige und Heerführer bzw. durch Wissenschaftler wie Archimedes repräsentiert werden, eine der betreffenden Seinsordnung entsprechende „gloire“ zugesprochen: „Ce n’est pas qu’on ne puisse être glorieux pour le bien ou pour les connaissances […]“, heißt es in La 933, Br 460, und im Fragment La 308, Br 793 schreibt Pascal im Hinblick auf die Vertreter des „ordre de l’esprit“: Les grands génies ont leur empire, leur éclat, leur grandeur, leur victoire et leur lustre, et n’ont nul besoin des grandeurs charnelles où elles n’ont pas de rapport.
Schon im Diesseits sind die Seinsordnungen der „corps“ und der „esprits“ durch einen unendlichen Abstand voneinander getrennt, so daß jede von ihnen die ihr jeweils zugehörige Herrschaft, Pracht und Größe sowie ihren Sieg und Glanz besitzt. Die höhere Seinsordnung bedarf nicht der „grandeurs“ oder der „gloire“ der niederen. Das gilt für die dritte und höchste Seinsordnung, den „ordre de la charité“, der durch die Heiligen und in letzter Instanz durch Christus selbst repräsentiert wird, in gesteigertem Maße: Les saints ont leur empire, leur éclat, leur victoire, leur lustre et n’ont nul besoin des grandeurs charnelles ou spirituelles, où elles n’ont nul rapport […] 52. 51 Als Argument für diese Deutung kann auf die bereits angeführte Definition der „gloire“ in dem „Lexique“ zu dem Sammelband Moralistes du XVIIe siècle hingewiesen werden, die starke Übereinstimmungen mit der Metaphernreihe aufweist: „Lumière, éclat, majesté manifestant la puissance et la grandeur de Dieu“ (s. o., S. 103). 52 So brauchte Christus als Repräsentant des „ordre de la charité“ nicht die „grandeurs“ und die „gloire“ des „ordre des corps“ und des „ordre des esprits“: „J.-C. sans biens, et sans aucune production au dehors de science, est dans son ordre de sainteté. Il n’a point donné d’inventions. Il n’a point régné […]. Il eût été inutile à N.-S. J.-C. pour éclater
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Sind schon die weltlichen Seinsordnungen durch eine „distance infinie“ getrennt, so ist der Abstand zwischen den „esprits“ und der „charité“ sprachlich mit den Mitteln des rationalen Diskurses nicht mehr auszudrücken. Deshalb spricht Pascal von einer „distance infiniment plus infinie des esprits à la charité“. Dennoch besteht zwischen den drei Seinsordnungen – und das ist im Hinblick auf unsere Fragestellung der entscheidende Punkt – eine figurale Beziehung, d. h. eine Analogie, die verbunden ist mit einer Steigerung, denn das Fragment bringt schon in dem einleitenden Satz die Entsprechung zwischen den Seinsordnungen mit dem Verb „figurer“ zum Ausdruck: La distance infinie des corps aux esprits figure la distance infiniment plus infinie des esprits à la charité, car elle est surnaturelle. (La 308, Br 793)
Besteht zwischen dem „ordre des corps“, dem „ordre des esprits“ und dem „ordre de la charité“ eine Relation der Analogie und Steigerung wie in der dreistufigen Figuraldeutung, so gilt diese Relation auch für die „grandeurs“ und die „gloire“, die jeder dieser Seinsordnungen durch die Metaphern „empire“, „éclat“, „victoire“ und „lustre“ zugeschrieben werden. Der weltliche Ruhm wird folglich auch in dem im engeren Sinne apologetischen Teil der Pensées nicht grundsätzlich ausgeschlossen – „gloire exclue“, wie es im Fragment La 703, Br 516 heißt –, sondern die „gloire“ hat, wie man heute sagen würde, im Bereich der politischen und der wirtschaftlichen Macht (dem „ordre des corps“) sowie im Bereich der Wissenschaft und der Kunst (dem „ordre de l’esprit“) Verweischarakter, sie weist auf den „ordre de la charité“ hin, denn: „Dieu doit régner sur tout et tout se rapporter à lui.“ (La 933, Br 460).
dans son ordre de sainteté, de venir en roi, mais il y est bien venu avec l’éclat de son ordre.“ Dieser Abschnitt aus dem Fragment La 308, Br 793 läßt erkennen, weshalb Pascal diesen Text in die Liasse Preuves de Jésus-Christ eingeordnet hat.
Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées In seinen Recherches dialectiques schreibt Lucien Goldmann: „Il est évident qu’une étude sérieuse des grandes œuvres doit tout d’abord s’efforcer de mettre en lumière leur cohérence interne, c’est-à-dire leur structure propre.“ 1 Diese Forderung ist im Hinblick auf die Pensées, die unvollendet geblieben und nur als eine Sammlung von Fragmenten sur la Religion et sur quelques autres sujets überliefert sind, von besonderer Bedeutung. Dennoch liegt bisher keine Interpretation der Pensées vor, in der die innere Kohärenz des Pascalschen Denkens durch eine Analyse der Struktur des ganzen Werkes, soweit sie sich aus den vorliegenden Texten und Dokumenten erschließen läßt, offenbar würde. Auch der Versuch Goldmanns, diese „cohérence interne“ aus der tragischen Weltsicht Pascals zu erklären und diese „vision tragique du monde“ aus dem extremen Jansenismus abzuleiten, kann nicht überzeugen, da bei dieser Deutung die strukturell so wichtigen Teile der Pensées, die sich mit den „preuves positives de la religion chrétienne“ beschäftigen, unberücksichtigt bleiben 2. Deshalb soll hier der Versuch gemacht werden, gerade diese Teile in die Untersuchung einzubeziehen und der inneren Kohärenz des Werkes durch eine Analyse der Bedeutung der „Figures“ näherzukommen. Es geht uns darum zu zeigen, daß der Begriff der „Figures“, den Pascal aus der Bibelexegese der Kirchenväter, aus der Typologie des Apostels Paulus sowie aus der jansenistischen Figuraldeutung übernehmen konnte 3, nicht nur 1 „Le Concept de structure significative en histoire de la culture“ (1958), in: Lucien Goldmann, Recherches dialectiques, Paris 1959, S. 107–117, hier S. 109. 2 Goldmann schreibt selbst: „Nous ne nous arrêterons pas aux nombreux fragments – hautement importants pour la compréhension de l’œuvre pascalienne – bien qu’aujourd’hui en partie dépassés, qui traitent des preuves positives de la religion chrétienne: prophéties, miracles, perpétuité, style des évangiles, etc.“ (Le Dieu caché. Étude sur la vision tragique dans les „Pensées“ de Pascal et dans le théâtre de Racine, Paris 1959, S. 338). 3 Vgl. André-Marie Dubarle, O. P., „Pascal et l’interprétation de l’Écriture“, in: Les Scien-
122 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées eine wichtige Rolle in seiner Bibelauslegung spielt, sondern eine allgemeinere und umfassendere Bedeutung gewinnt, so daß man von einem „figurativen Denken“ in den Pensées sprechen kann. In den modernen Pensées-Interpretationen wird den „Figures“ und den „Figuratifs“ in der Regel nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Man pflegt heute die von Pascal geplante und in nahezu tausend Fragmenten überlieferte Apologie der christlichen Religion von der ihr zugrundeliegenden Anthropologie her zu interpretieren; im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Analyse der „condition humaine“, Pascals Lehre von der „grandeur et misère de l’homme“, die noch nach mehr als drei Jahrhunderten den Leser unmittelbar anspricht. Im Sinne Pascals soll dem Menschen durch diese Analyse seine Gnadenbedürftigkeit fühlbar gemacht werden; der Autor will dem Leser beweisen, daß das Wesen des Menschen unerklärlich bleibt, wenn die Widersprüche und Paradoxa nicht aufgelöst werden durch die auf rationalem Wege ebenso unerklärlichen Wahrheiten des christlichen Glaubens. So bildet in der geplanten Apologie die Analyse des menschlichen Wesens mit seinen „contrariétés“ nur die Vorbereitung für die Teile des Werkes, die die Grundlagen der christlichen Religion zum Gegenstand haben. Die Abschnitte, in denen Pascal von der „condition humaine“ spricht, sind hingeordnet auf die Teile der Pensées, die von den Prophetien, von den Wundern, den „Figures“ und anderen Preuves de Jésus-Christ handeln. In der Pascal-Forschung aber haben die Fragmente, die sich mit der „duplicité“ oder mit der „disproportion de l’homme“ beschäftigen, immer ein starkes Eigengewicht erhalten, ja durch die Suggestionskraft der Bilder und Vergleiche für die Verlorenheit des Menschen „entre ces deux abîmes de l’infini et du néant“ haben gerade diese Fragmente eine besondere Aktualität gewonnen. Der Schlüssel zum Verständnis des Werkes scheint „Pascals Paradox“ zu sein, das nach Hugo Friedrich nicht nur das Sprachbild der Pensées, sondern auch die Denkform des Autors bestimmt, und das für Lucien Goldmann unlöslich mit der tragischen Weltsicht Pascals verbunden ist 4. Vergegenwärtigt man sich die siebenundzwanzig Abschnitte der Section I (Papiers classés) in den Pensées-Editionen von Lafuma, in denen die
ces philosophiques et théologiques 30/1941–42, S. 346–379. – Jean Mesnard, „La théorie des figuratifs dans les Pensées de Pascal“, in: Revue d’histoire de la philosophie et d’histoire générale de la civilisation 11/1943, S. 219–253. 4 Vgl. Hugo Friedrich, „Pascals Paradox. Das Sprachbild einer Denkform“, in: Zeitschrift für romanische Philologie 56/1936, S. 322–370. – Lucien Goldmann, „Le paradoxe et le fragment“, in: Le Dieu caché (wie Anm. 2), S. 216–227.
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von Pascal selbst in siebenundzwanzig „liasses“ zusammengefaßten Fragmente in der Anordnung der kurz nach seinem Tode hergestellten Kopie zum Abdruck gebracht sind5, so konzentrieren sich die modernen PenséesInterpretationen ganz auf die ersten zehn Abschnitte, die Titel tragen wie Vanité, Misère, Grandeur, Contrariétés oder Divertissement 6, sowie auf die Fragmente der fünfzehnten „liasse“: Transition de la connaissance de l’homme à Dieu. Die zentralen Glaubensfragen und Beweise für die Wahrheit der christlichen Religion, die in den späteren Abschnitten behandelt werden, unter Titeln wie Fondements de la religion, Que la loi était figurative, Preuves de Jésus-Christ etc., treten dagegen mehr und mehr in den Hintergrund. So steht im Mittelpunkt der Untersuchung von Hugo Friedrich das „Daseinsparadox“, von dem ausgehend auch das „Glaubensparadox“, das in der Lehre von den „Figures“ seine Krönung findet 7, verstanden und gedeutet wird; und bei Lucien Goldmann bildet das Zentrum der Étude sur la vision tragique dans les „Pensées“ de Pascal nicht der verborgene Gott, sondern der Mensch – L’homme: la signification de sa vie, L’homme et la condition humaine oder La vie sociale: justice, force, richesse 8. Auf diese Einseitigkeit der Deutung Goldmanns hat André Dumas in seinem Aufsatz „L’Apologétique du Dieu caché chez Pascal“ bereits hingewiesen 9. Uns bleibt die Aufgabe, durch eine Analyse der Bedeutung der „Figures“ in den Pensées zu zeigen, wie die von Hugo
5 Blaise Pascal, Pensées sur la Religion et sur quelques autres sujets, hg. von Louis Lafuma (Bd. 1: Textes, Bd. 2: Notes, Bd. 3: Documents), Bd. 1, Paris 1951, S. 25–222 und Pascal, Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, Pensées, S. 493–641, hier S. 501–547. 6 Diese ersten zehn Abschnitte bilden nach Pol Ernst eine „première esquisse“, die im Rahmen der siebzehn „liasses“ der „seconde esquisse“ in dem nicht ausgeführten Abschnitt „La nature est corrompue“ XVbis zusammengefaßt werden sollten. Vgl. Pol Ernst, „Les vingt-sept liasses titrées des Pensées de Pascal“, in: L’Information littéraire 21/1969, S. 103–110 und S. 151–157. 7 Vgl. Friedrich, „Pascals Paradox“ (wie Anm. 4), S. 363–365. 8 Nur das letzte und kürzeste der neun Pascal gewidmeten Kapitel in Le Dieu caché beschäftigt sich mit den im engeren Sinne apologetischen Fragmenten, die La Religion chrétienne zum Gegenstand haben, und auch hier spricht Goldmann nicht über die „Figures“ und die „Figuratifs“. 9 „[…] il me paraît manquer la valeur positive, toujours aux yeux de Pascal, de la notion de Dieu caché comme correspondance parfaite à la réalité de l’énigme humaine. M. Goldmann ne cite nulle part l’origine scripturaire dans le prophète Esaïe de ce nom divin qui paraît ainsi devenir une invention du tragique personnel de Pascal, expression du tragique social de sa classe.“ (in: Revue d’histoire et de philosophie religieuses 42/1962, S. 290–303, hier S. 302)
124 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées Friedrich herausgearbeitete Denkform des Paradoxes durch die Denkform der Figure ergänzt werden kann, ja, wie Pascals Paradox in seinem „figurativen Denken“ bewahrt und zugleich aufgehoben wird. Dazu bedarf es zunächst eines Exkurses über die Geschichte des Begriffes Figure, soweit sie zum Verständnis der Verwendung in den Pensées beizutragen vermag. Da bei Pascal das Wort figure, dessen Bedeutung vom anschaulichen „portrait“ bis zur abstrakten „chiffre“ reicht, auf die verschiedenen Bedeutungen des lateinischen Wortes figura zurückweist, stützen wir uns bei dem historischen Rückblick auf die grundlegende Untersuchung über Figura von Erich Auerbach, in der die Bedeutungsgeschichte des Wortes von der Antike bis zu Dante verfolgt wird 10. Das Wort figura, das den gleichen Stamm aufweist wie das Verb fingere (bilden, formen) sowie die Substantive figulus (der Töpfer), fictor (der Bildhauer) und effigies (das Bildnis), bedeutet nach seiner Herkunft soviel wie „plastisches Gebilde“ 11. Durch die Gräzisierung der römischen Bildung trat der ursprüngliche Wortsinn bald zurück; schon bei Varro wurde figura auf dem Gebiet der Grammatik in rein abstrakter Bedeutung verwendet, es wurde zu einem Synonym für forma. Auerbach schreibt: „Das Griechische, dessen wissenschaftlich-rhetorischer Sprachschatz unvergleichlich reicher war, besaß eine große Anzahl Worte für den Gestaltbegriff: morfä, ei®doß, sch^ ma, tu´poß, plásiß […]“ 12. In den Übersetzungen aus dem Griechischen trat für morfä und ei®doß in der Regel das lateinische Wort forma ein, die Begriffe sch^ma (äußere Gestalt) sowie tu´poß (Abdruck des Siegels oder Abbild) und plásiß (plastisches Gebilde, Statue, Porträt) wurden dagegen im Lateinischen meist durch das Wort figura wiedergegeben. Bei Lukrez, der figura „im griechisch-philosophischen Sinne auf eine höchst eigentümliche, freie und bedeutende Art“ verwendet, findet sich bereits „der wichtige Übergang von der Gestalt zu ihrer Nachahmung, vom Urbild zum Abbild“ 13. In De rerum natura IV spricht Lukrez von der Ähnlichkeit der Kinder mit ihren Eltern, von den Kindern, die beider
10 Vgl. Erich Auerbach, „Figura“, in: Archivum romanicum 22/1939, S. 436–489. Dieser Aufsatz erschien in überarbeiteter Form in: E. A., Neue Dantestudien, Istanbul 1944, S. 11–71. Wir zitieren nach dem Abdruck in: E. A., Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 55–92. 11 Auerbach führt als ersten Beleg Terenz, Eunuchus 317, an (S. 55). Vgl. auch Thesaurus linguae latinae, Bd. 6, 1, Art. „figura I“, Sp. 723 ff. 12 Auerbach, „Figura“ (wie Anm. 10), S. 56. 13 Ebd., S. 58.
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Gestalten sind: „quos utriusque figurae esse vides“ (V. 1212 f.), oder die häufig auch den Vorvätern gleichen: „et referant proavorum saepe figuras“ (V. 1219). Venus ist es, die mit wechselndem Los die Gestalten (oder Abbilder) hervorbringt: „inde Venus varias producit sorte figuras“ (V. 1223). Der Verweischarakter vom Urbild zum Abbild, den der Begriff figura schon hier angenommen hat, ist in unserem Zusammenhang besonders wichtig, denn dieser Verweischarakter prägt später auch den FiguraBegriff der Kirchenväter und den Figure-Begriff Pascals, nur daß in der christlichen Umdeutung an die Stelle von Urbild und Abbild der Verweis von der figura als andeutendem Vorbild (chose figurante) auf die Erfüllung in der präfigurierten Gestalt (chose figurée) tritt. Eine andersartige Bedeutungserweiterung erfuhr das Wort figura im ersten nachchristlichen Jahrhundert im Bereich der Rhetorik. Quintilian entwickelt im achten und neunten Buch der Institutio oratoria seine Lehre von den Tropen und Figuren der Rede, von den Wortfiguren (figurae verborum) und den Gedanken- oder Satzfiguren (figurae sententiarum). Es handelt sich bei dieser Lehre um die figürlichen im Gegensatz zu den einfachen Redeweisen, um „die Kunst der uneigentlichen, umschreibenden, andeutenden, insinuierenden und verbergenden Redeweisen“ 14, eine Lehre, die in der Spätantike bis zum Übermaß weiterentwickelt wurde und die noch bis in die Rhetoriken der Renaissance und des Barock nachgewirkt hat. Im Hinblick auf unser Thema ist festzuhalten, daß schon bei Quintilian im Bereich der Rhetorik zu den figurae vor allem „die versteckte Anspielung“ gehört, mit der ein Sagen und zugleich ein Verbergen verbunden ist 15; denn diese doppelte Funktion des rhetorischen FiguraBegriffs findet ihre Entsprechung im theologischen Bereich in der figürlichen Offenbarung, die auch ein Sagen und ein Verbergen in sich schließt. „Die eigentümlich neue Bedeutung des Wortes in der christlichen Welt findet sich zuerst, und zwar sogleich sehr häufig, bei Tertullian“, also um die Wende vom 2. zum 3. nachchristlichen Jahrhundert 16. Um zu zeigen, was Figura als Realprophetie bei den Kirchenvätern bedeutet, sei zunächst ein Beispiel der figürlichen Exegese des Genesis-Berichtes aus Tertullians Schrift De anima 43 angeführt. Entsprechend dem berühmten
14 Ebd., S. 64. 15 „Man hatte eine raffinierte Technik ausgebildet, etwas auszudrücken oder zu insinuieren, ohne es auszusprechen, und zwar natürlich etwas, was aus politischen oder aus taktischen Gründen oder einfach um der größeren Wirkung willen verborgen oder wenigstens unausgesprochen bleiben sollte.“ (ebd., S. 63 f.) 16 Ebd., S. 65.
126 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées Pauluswort aus dem Römerbrief (5, 14) geht die Deutung davon aus, daß die Gestalt Adams als Gegenbild auf Christus vorausweist. Bei Paulus heißt es: ºAdam oçß e¬stin tu´ poß tou^ me´llontoß, „qui est forma futuri“ 17. Für das griechische Wort tu´ poß, das in der Vulgata an dieser Stelle mit forma wiedergegeben wird, aber setzt Tertullian figura und schreibt: Si enim Adam de Christo figuram dabat, somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem […].
Wenn nämlich Adam eine figura für Christus darstellte, dann war der Schlaf Adams (von dem in Gen. 2, 21 bei dem Bericht von der Erschaffung Evas gesprochen wird) ein vorausweisendes Bild für den Todesschlaf Christi; denn mit der ersten figura – Adam, durch den der Tod in die Welt kam, als Gegenbild zu Christus, durch den alle das Leben haben sollen – wird gleich eine zweite figura verbunden: Eva, die Stammutter der Sterblichen, als Präfiguration der Kirche, der „vera mater viventium“. So wie Eva, als Adam in tiefem Schlaf lag, aus seiner Rippe erschaffen wurde, so ging die Kirche nach der Deutung Tertullians aus dem Todesschlaf Christi hervor; ja die Analogie wird noch weitergeführt: Christus schlief den Schlaf des Todes, „damit aus der Wunde seiner Seite die wahre Mutter der Lebenden, die Kirche, gebildet würde“: ut de iniuria perinde lateris eius vera mater viventium figuraretur ecclesia18.
Blut und Wasser der Seite Christi weisen in dieser Präfiguration auf die kirchlichen Sakramente Abendmahl und Taufe voraus, so daß in dem „ut […] figuraretur ecclesia“ nicht nur die Entstehung der Kirche durch eine Analogie veranschaulicht wird, sondern die figura zugleich auf die Gnadenmittel der Kirche hindeutet 19. Solche Realprophetien, bei denen nicht nur ein im Alten Testament berichteter Vorgang einen vorausweisenden symbolischen oder allegorischen Sinn erhält, sondern in denen alle Vorgänge real aufgefaßt werden und in der Figuraldeutung die konkrete historische Bedeutung und den buchstäblichen Sinn bewahren, finden sich in den Pensées nicht. Pascal
17 Das Zitat hat bezeichnenderweise auch Pascal einem Fragment seiner Pensées vorangestellt: „Adam forma futuri“ (La 590, Br 656). Die Pensées werden nach den in Anm. 5 genannten Editionen von Lafuma (La) zitiert; die entsprechenden Fragmente nach der Zählung von Brunschvicg (Br) werden zusätzlich angegeben. 18 De anima 43, 10, in: Tertulliani Opera, Pars II, Turnhout 1954, S. 847. 19 Vgl. Auerbach, „Figura“ (wie Anm. 10), S. 65 f., bes. Anm. 20.
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warnt vor zwei falschen Wegen der Schriftauslegung. Das Fragment La 252, Br 648 lautet: Deux erreurs. 1. (interpréter) prendre tout littéralement. 2. prendre tout spirituellement.
Der Autor der Pensées wendet sich hier einerseits gegen die Verabsolutierung der wörtlichen Schriftauslegung, vor allem gegen die „exégèse littéraliste des Juifs“ 20, andererseits gegen die rein spirituelle oder allegorische Bibelinterpretation, die in jeder Schriftstelle einen verborgenen oder figuralen Sinn entdecken will, „contre les trop grands figuratifs“ 21. Mit besonderem Nachdruck richtet sich seine Kritik gegen die wörtliche Auslegung des Alten Testamentes bei den Juden, genauer gesagt gegen die wörtliche Auslegung der prophetischen Bücher 22. „Le véritable sens n’est donc pas celui des juifs […]“, heißt es in dem Fragment La 257, Br 684, und an anderer Stelle betont Pascal „que le sens littéral n’est pas le vray parce que les prophètes l’ont dit eux-mêmes“ (La 272, Br 687) 23. Wo der Ursprung der Figuraldeutung Pascals zu suchen ist, zeigt das „Figures“ überschriebene Fragment La 268, Br 683, das beginnt mit den Worten: „La lettre tue – Tout arrivait en figures – […] Voilà le chiffre que saint Paul nous donne.“ Genaugenommen handelt es sich um zwei Paulus-Zitate; „La lettre tue“ geht zurück auf den berühmten Satz: „littera enim occidit, Spiritus autem vivificat“ (II. Cor. 3, 6), und der zweite Teil der Aussage „Tout arrivait en figures“ ist eine freie Übersetzung der Paulus-Stelle (I. Cor. 10, 11): „Haec autem omnia in figura contingebant illis […]“ (tau^ta de` pánta tupikw^ ß sunébainen e¬keínoiß). – Auch an anderen Stellen beruft sich Pascal bei seiner Figuraldeutung auf die Paulinische Typologie, nach der „der Sinn des alttestamentlichen Typos letztlich erst vom neutestamentlichen Antityp her erfaßt werden kann“, so daß „sich der Sinn der Schrift […] erst vom Glauben an Christus her erschließt“ 24. Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das Fragment La 20 Diese Wendung findet sich bei Mesnard, „La théorie des figuratifs dans les Pensées de Pascal“ (wie Anm. 3), S. 226. 21 Vgl. La 254, Br 649: „Parler contre les trop grands figuratifs.“ 22 Zur Apologetik „contre les Juifs“ vgl. Mesnard, „La théorie des figuratifs dans les Pensées de Pascal“ (wie Anm. 3), S. 224 ff. 23 Vgl. weitere Beispiele bei Dubarle, „Pascal et l’interprétation de l’Écriture“ (wie Anm. 3), S. 352 f. 24 Leonhard Goppelt, „Apokalyptik und Typologie bei Paulus“ (1964), abgedruckt als Anhang zu: L. G., Typos. Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen (1939), Darmstadt 1966, S. 257–299, hier S. 273.
128 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées 270, Br 670, in dem wiederum auf das Paulus-Wort I. Cor. 10, 11 angespielt wird: Le monde ayant vieilli dans ces erreurs charnelles, J.-C. est venu dans le temps prédit, mais non pas dans l’éclat attendu, et ainsi ils n’ont pas pensé que ce fût lui. Après sa mort saint Paul est venu apprendre aux hommes que toutes ces choses étaient arrivées en figures, que le royaume de Dieu ne consistait pas en la chair, mais en l’esprit […].
Paulus lehrte „que toutes ces choses étaient arrivées en figures“, um dem Alten Testament seinen normativen Charakter zu nehmen und es auf die geistige Erfüllung im Neuen Testament hinzuordnen, ausgehend von dem Gegensatz Gesetz und Gnade. Das alte Gesetz ist in der Gnade des Neuen Bundes aufgehoben: „Car le Christ est la fin de la Loi, pour la justification de tout croyant.“ 25 Im Hinblick auf die Figuraldeutung Pascals besonders wichtig ist die Form der Typologie bei Paulus, die Leonhard Goppelt treffend kennzeichnet, wenn er schreibt: „Typ und Antityp sind formal durch eine Entsprechung verbunden, die eine Steigerung einschließt.“ 26 In den Pensées weist die Beziehung zwischen den „choses figurantes“ und den „choses figurées“ eine entsprechende Steigerung auf: beide gehören verschiedenen Seinsbereichen an. Das bestätigen die Beispiele, die in dem zitierten Fragment La 270 angeführt werden. Pascal sagt, Paulus sei gekommen, die Menschen zu lehren, daß das Reich Gottes nicht im Fleische bestehe (d. h. nicht der Seinsordnung der Körperwelt angehöre), sondern im Geiste: […] que Dieu ne se plaisait pas aux temples faits de main, mais en un cœur pur et humilié, que la circoncision du corps était inutile, mais qu’il fallait celle du cœur, que Moïse ne leur avait pas donné le pain du ciel, etc.27
Bei dem letzten Beispiel ist an den Manna-Regen gedacht, von dem im zweiten Buch Mose, Kap. 16, berichtet wird und der als figure auf das Abendmahl vorausweist. Auch hier gehört die „chose figurante“ der Körperwelt an, die „chose figurée“ dagegen hat Anteil am geistig-seelischen Bereich. Ist dieser Grundzug der Figuraldeutung Pascals erkannt, so läßt sich auch der Unterschied zu der Auffassung Tertullians noch schärfer fassen. Zum Vergleich geht man am besten von der Verwendung des Figura25 „Finis enim legis, Christus, ad iustitiam omni credenti.“ (Rom. 10, 4) 26 „Apokalyptik und Typologie bei Paulus“ (wie Anm. 24), S. 274. 27 Zu den Paulus-Stellen, auf die sich Pascal bezieht, vgl. die „Notes“ der Pensées-Ausgabe von Lafuma von 1951 (wie Anm. 5), Bd. 2, S. 51 f.
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Begriffes in der Auslegung der Abendmahlslehre bei beiden Autoren aus. Tertullian erklärt in der Schrift Adversus Marcionem (IV, 40) die Worte Christi: „hoc est corpus meum“, indem er sagt: „id est figura corporis mei“. Damit soll aber nicht, wie man ohne den Kontext vermuten könnte, eine spirituellere Auslegung der Abendmahlslehre gegeben werden; für Tertullian bedeutet figura in diesem Zusammenhang nicht Sinnbild, sondern Gestalt, figura gehört zu der Substanz selbst: „Figura autem non fuisset, nisi veritatis esset corpus.“ Um es noch deutlicher zu machen, betont Tertullian anschließend, daß nur körperliche Dinge Gestalt annehmen können: „Ceterum vacua res, quod est phantasma, figuram capere non posset.“ 28 – Bei Pascal dagegen heißt es im Fragment La 968, Br 654: Eucharistie après la Cène. Vérité après figure.
Hier erscheint das Mahl, das Christus am Vorabend seiner Passion mit seinen Jüngern einnahm, als figure für die Eucharistie „qui commémore et perpétue le sacrifice du Christ“ 29. Dabei wird die Eucharistie mit der „vérité“ gleichgesetzt. Auerbach hat darauf hingewiesen, daß schon bei den Kirchenvätern die Erfüllung oft „als veritas“ und „die Figur entsprechend als umbra oder imago bezeichnet“ wird 30. Diese Gegenüberstellung charakterisiert auch die Formulierung Pascals, aber sie reicht zur Interpretation des Gedankens nicht aus, denn in den Pensées weist die figure in gewisser Hinsicht immer eine paradoxe Struktur auf. „Figure porte absence et présence, plaisir et déplaisir“, heißt es im Fragment La 265, Br 677. Es verhält sich mit der figure nicht anders als mit einem Porträt, bei dessen Anblick man die Gegenwart und die Abwesenheit des Dargestellten spürt 31; in der figure ist die höhere Wirklichkeit, auf die verwiesen wird, wohl enthalten, aber die Gegenwart ist nur dem wahrnehmbar, der an dieser höheren Wirklichkeit Anteil hat; den anderen bleibt die Gegenwart verborgen. Beim letzten Abendmahl wurde der Tod Christi „in figura“ vorweggenommen, aber der Opfertod, auf den das Abendmahl verwies, wurde von den Jüngern nicht erkannt, denn „figure porte
28 Adversus Marcionem IV, 40, 3, in: Tertulliani Opera (wie Anm. 18), Pars I, S. 656. Vgl. auch Auerbach, „Figura“ (wie Anm. 10), S. 66. 29 Paul Robert, Dictionnaire alphabétique & analogique de la langue française, Paris 1967, S. 640: „Eucharistie“. 30 Auerbach, „Figura“ (wie Anm. 10), S. 67. 31 Vgl. La 260, Br 678: „Un portrait porte absence et présence, plaisir et déplaisir. La réalité exclut absence et déplaisir.“ Nicht zufällig leitet dieser Satz einen Gedankengang über „Figures“ ein.
130 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées absence et présence“. Die Eucharistie ist für Pascal die Erfüllung dessen, was beim letzten Abendmahl angekündigt wurde, deshalb: „Eucharistie après la Cène. Vérité après figure.“ Aber Pascal geht noch einen entscheidenden Schritt weiter. Am Ende des Fragments La 270, Br 670 heißt es: „Et les chrétiens prennent même l’Eucharistie pour figure de la gloire où ils tendent.“ Hier erscheint die Eucharistie, die in dem Fragment La 968 die Erfüllung bedeutete und als „chose figurée“ mit der „vérité“ gleichgesetzt wurde, als „chose figurante“, die ihrerseits auf die letzte Erfüllung in der nochmals höheren dritten Seinsordnung verweist. Auch das Altarsakrament ist für die Christen nur eine „figure“ für die „gloire“, nach der sie streben, d. h. für die letzte Vereinigung mit Gott im Jenseits, denn der „état de gloire“ ist nach augustinisch-jansenistischer Auffassung die höchste Stufe, durch die der noch dem Diesseits zugehörige „état de grâce“ abgelöst wird, „la félicité dont les élus jouiront après le jugement“ 32. Um die Bedeutung dieser figure richtig einschätzen zu können, muß zunächst gezeigt werden, inwieweit diese dreistufige Figuraldeutung bei den Kirchenvätern vorgebildet ist. Erich Auerbach hat darauf hingewiesen, daß schon bei Augustinus […] die Gegenüberstellung zweier Pole, Figur und Erfüllung, zuweilen ersetzt wird durch einen dreistufigen Vollzug: das Gesetz oder die Geschichte der Juden als prophetische figura für Christi Erscheinen; die Inkarnation als Erfüllung dieser figura, und zugleich als neue Verheißung von Weltende und Jüngstem Gericht; und schließlich das künftige Eintreffen dieser Ereignisse als endgültige Erfüllung.33
„Vetus enim testamentum est promissio figurata. Nouum testamentum est promissio spiritaliter intellecta“, schreibt Augustinus in den Sermones 34; und in De vera religione XXVII wird von dem jüdischen Volk gesprochen „cuius historia uetus testamentum uocatur, quasi terrenum pollicens regnum, quae tota nihil est aliud quam imago noui populi et noui testamenti pollicentis regnum caelorum“ 35. Das Alte Testament mit seiner schein32 Vgl. Blaise Pascal, Pensées et Opuscules, publiés par M. Léon Brunschvicg, Paris o. J. (1953), S. 52 (Kommentar zu den Opuscules – Première Partie). 33 „Figura“ (wie Anm. 10), S. 70. 34 Sermones de vetere testamento IV, 9. (Die Werke Augustins werden zitiert nach der Ausgabe: Aurelii Augustini Opera, Turnhout 1954 ff.). 35 Dieses Zitat wird schon von Mesnard mit Pascals Fragment La 275, Br 643 in Verbindung gebracht („La théorie des figuratifs dans les Pensées de Pascal“ [wie Anm. 3], S. 232, Anm. 73).
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bar zeitlichen, verhüllten Verheißung ist für Augustinus ein Bild oder eine figura für das Neue Testament, das eine zweite überzeitliche, geistige Verheißung enthält und auf das himmlische Reich verweist. In De Civitate Dei XX, Kap. 28, wird weiter ausgeführt, daß die Juden den Sinn des Alten Testamentes verkannten, da sie das Gesetz „fleischlich“ verstanden („Carnaliter quippe accipiendo legem“) und nicht begriffen, daß seine irdischen Versprechungen Sinnbilder himmlischer Dinge sind („et eius promissa terrena rerum caelestium figuras esse nescientes“). Auf diesen Gedanken fußt die Figuraldeutung Pascals 36, aber der „dreistufige Vollzug“ gewinnt in den Pensées eine ganz neue Bedeutung. Das zeigt sich schon in dem Fragment La 275, Br 643, in dem die augustinische Vorstellung von den drei Stufen der Offenbarung mit den Begriffen nature, grâce und gloire wiederaufgenommen wird. Hier erscheint „la nature“ als „une image de la grâce“, die Erfüllung irdischer Versprechungen soll auf die Erfüllung der Verheißungen im Bereich der Gnade vorausweisen, aber auch „la grâce“ ist nicht letztes Ziel: „Et même la grâce n’est que la figure de la gloire. Car elle n’est pas la dernière fin.“ – Der Bezug zwischen dieser „pensée“ und den bereits besprochenen Gedanken über die Eucharistie ist deutlich: So wie das Altarsakrament im Hinblick auf die Ankündigung des Opfertodes beim letzten Abendmahl als Erfüllung („chose figurée“) und im Hinblick auf den „état de gloire“ als Ankündigung („chose figurante“) erschien, so ist auch „la grâce“ für Pascal einerseits die Erfüllung des Gesetzes („Elle a été figurée par la loi […]“) und andererseits Verheißung („la figure de la gloire“). Die genannten drei Stufen der Figuraldeutung, die für das Denken Pascals grundlegend sind, finden sich auch an anderen Stellen der Pensées wieder. So heißt es in dem Fragment La 826, Br 673: Dans les Juifs la vérité n’était que figurée; dans le ciel elle est découverte. Dans l’Église elle est couverte et reconnue par le rapport à la figure. La figure a été faite sur la vérité. Et la vérité a été reconnue sur la figure.
Die erste Stufe, das Gesetz des Alten Bundes, wird gekennzeichnet mit den Worten: „Dans les Juifs la vérité n’était que figurée […]“; der „état de
36 Vgl. die unter dem Titel Loi figurative zusammengefaßten Fragmente in den Pensées („Papiers classés“ XIX) La 245–276. Besonders wichtig ist auch in diesem Zusammenhang das Fragment La 270, Br 670, wo es heißt: „Les Juifs ont tant aimé les choses figurantes et les ont si bien attendues qu’ils ont méconnu la réalité quand elle est venue dans le temps et en la manière prédite.“ Die Grundthese des ganzen Abschnitts bildet den Schlußsatz des Fragmentes La 276, Br 691: „Le vieux testament est un chiffre.“
132 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées grâce“, der die zweite Stufe darstellt, wird repräsentiert durch die Kirche, in der die Wahrheit (der paradoxen Struktur der figure entsprechend) verdeckt ist und doch erkannt wird: „Dans l’Église elle est couverte et reconnue par le rapport à la figure.“ Die dritte Stufe, der „état de gloire“, in dem die Verheißung endgültig erfüllt und die Wahrheit offenbar ist, wird der „vérité figurée“ gegenübergestellt mit den Worten: „dans le ciel elle est découverte“. In der Kirche ist die Wahrheit in der verdeckten Gestalt erkannt worden: „Et la vérité a été reconnue sur la figure.“ Unverhüllt aber ist die Wahrheit im Diesseits nicht erkennbar, denn: Ce n’est point ici le pays de la vérité; elle erre inconnue parmi les hommes. Dieu l’a couverte d’un voile qui la laisse méconnaître à ceux qui n’entendent pas sa voix […] (La 840, Br 843).
Ursprung und Ziel der „figure“ aber bleibt die „vérité“, die in der Figuraldeutung Pascals mit der „charité“ gleichzusetzen ist. Das bestätigt wiederum das Fragment La 270, Br 670, in dem es heißt: Tout ce qui ne va point à la charité est figure. L’unique objet de l’Écriture est la charité. Tout ce qui ne va point à l’unique bien en est la figure.
Der höchste Seinsbereich und das Ziel, auf das die Offenbarung ausgerichtet ist, bleibt für Pascal „la charité“. In Übereinstimmung mit Augustinus, der in De doctrina christiana schreibt: „Non autem praecipit scriptura nisi caritatem […]“ 37, betont der Autor der Pensées: „L’unique objet de l’Écriture est la charité.“ Soweit die Bibel dieses „unique précepte“ nicht direkt zum Ausdruck bringt, müssen ihre Lehren figurativ gedeutet werden: „Tout ce qui ne va point à la charité est figure.“ Nur die Teilhabe an der „charité“ ist ein letztes Ziel, das in seiner Vollkommenheit die Erfüllung aller anderen Gesetze in sich schließt und selbst keinen Verweis auf eine höhere Wirklichkeit oder ein höheres Gebot enthalten kann. Das sagt Pascal ausdrücklich in dem Fragment La 849, Br 665: „La charité n’est pas un précepte figuratif.“ Das Gebot der Liebe, das Christus verkündet hat, ist nicht figurativ, denn „Jésus-Christ […] est venu ôter les figures pour mettre la vérité“; er ist gekommen, damit an die Stelle der „loi figurative“ und der Vielheit der „choses figurantes“ die Wahrheit in Gestalt des „ordre de la charité“ treten kann.
37 De doctrina christiana III, 10, 15. Vgl. auch Mesnard, „La théorie des figuratifs dans les Pensées de Pascal“ (wie Anm. 3), S. 231 ff., wo weitere Parallelen angeführt werden.
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An dieser Stelle läßt sich bereits ein Zusammenhang zwischen der Figuraldeutung und der Anthropologie Pascals aufweisen. Die Vielheit der „Figures“, die auf das „unique bien“ hinweisen, wird nämlich in dem zentralen Fragment La 270, Br 670 aus dem Wesen des Menschen erklärt: Dieu diversifie ainsi cet unique précepte de charité pour satisfaire notre curiosité qui recherche la diversité par cette diversité qui nous mène toujours à notre unique nécessaire.
Eines nur ist notwendig, der Mensch aber sucht die „diversité“ oder das „divertissement“, und so ist die verhüllende Form der Offenbarung des Einen in der Vielheit der „choses figurantes“ eine Folge der „misère de l’homme“ 38. Diese Interpretation wird bestätigt durch das Fragment La 582, Br 669: „Changer de figure, à cause de notre faiblesse.“ Findet in den Pensées der Bezug zwischen der Vielheit der „choses figurantes“ und der Einheit des „unique bien“, zwischen der „diversité“ der „préceptes figuratifs“ und dem „unique nécessaire“, seine Erklärung in der Anthropologie Pascals und seine Entsprechung in der Gegenüberstellung von „divertissement“ und „repos“, so ist damit schon ein Hinweis auf die innere Kohärenz des ganzen Werkes gegeben. Pascal schildert im achten Abschnitt der Pensées, der Divertissement überschrieben ist, wie der Mensch durch die „duplicité“ seines Wesens oder durch die „contrariétés“ seiner Wünsche dazu gebracht wird, das wahre Ziel der Ruhe auf dem Weg über das „divertissement“ erreichen zu wollen: „à tendre au repos par l’agitation“ (La 136, Br 139). Der Autor der Pensées ergänzt diese Analyse des „divertissement“ im neunzehnten Abschnitt, der den Titel Loi figurative trägt, durch die Lehre von den „Figures“, die in ihrer Vielheit der „curiosité“ und „faiblesse de l’homme“ entsprechen und über die „diversité“ zum „unique bien“ führen: „Car une seule chose est nécessaire et nous aimons la diversité, et Dieu satisfait à l’un et à l’autre par ces diversités qui mènent au seul nécessaire.“ (La 270, Br 670) In jedem Fall ist die Einheit das Ziel und die Vielheit eine Folge der „misère de l’homme“. Um zu zeigen, wie fest die Lehre von den „Figures“ im Denken Pascals verankert ist, muß jedoch die Grundkonzeption seiner Figuraldeutung in
38 Den ersten Hinweis auf diesen Zusammenhang verdanken wir Annemarie von der Groeben, die in ihrer Staatsexamensarbeit „Die Bedeutung der ‚loi figurative‘ und der ‚figure‘ in den Pensées von Pascal“ (Hamburg 1967) die „paradoxe Struktur“ der „Figure“ auch an den Begriffen „Einheit und Vielheit“ verdeutlicht und unter diesem Aspekt „Die ,diversité‘ als Existenzform“ behandelt hat (S. 52 ff.).
134 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées drei Stufen im Zusammenhang mit seiner Lehre von den drei Seinsordnungen betrachtet werden. Diese Lehre entwickelt Pascal im Fragment La 308, Br 793. Schon die ersten Sätze lassen den Zusammenhang mit der Lehre von den „Figures“ klar erkennen. Pascal schreibt: La distance infinie des corps aux esprits figure la distance infiniment plus infinie des esprits à la charité, car elle est surnaturelle.
Es gibt nach Pascal drei Seinsordnungen, die sich grundsätzlich und der Art nach unterscheiden („trois ordres différents, de genre“): Erstens den ordre des corps, die Seinsordnung der körperlichen Dinge oder der irdischen Macht, zweitens den ordre des esprits, das Reich des Denkens, und drittens den übernatürlichen Bereich der christlichen Liebe, den ordre de la charité, der zugleich das Reich der „vérité“ und der eigentlichen „sagesse“ ist. Schon die ersten beiden Seinsordnungen sind unendlich weit voneinander entfernt, denn alle Kräfte der Körperwelt reichen nicht aus, um auch nur den einfachsten Gedanken hervorzubringen: De tous les corps ensemble, on ne saurait en faire réussir une petite pensée. Cela est impossible et d’un autre ordre.
Der unendliche Abstand zwischen der Seinsordnung der Körper und des Geistes ist aber nur eine figure für die logisch und begrifflich nicht mehr faßbare Entfernung zwischen den Seinsordnungen des Natürlichen – corps und esprits – und der übernatürlichen Seinsordnung der charité; hier ist die Entfernung „infiniment plus infinie“. Dennoch besteht zwischen allen drei Seinsordnungen eine Entsprechung, die sich gedanklich als Analogie im Sinne der figure fassen läßt: „La distance infinie des corps aux esprits figure la distance infiniment plus infinie des esprits à la charité […]“. Das „figurative Denken“ Pascals, das schon hier deutlich wird, prägt das ganze Fragment und findet sprachlich seinen Ausdruck in den vielen Parallelen, in denen die Analogien zwischen den drei Seinsbereichen aufgedeckt werden. Dabei geht Pascal aus von dem Begriff der grandeur, die jeder Seinsordnung je nach ihrer Eigenart zugehört. Die Größe im ordre des corps wird repräsentiert durch die Könige, die Reichen und die Feldherren, die die irdische Macht besitzen und ausüben. Die Größe im Reich des Geistes aber wird vertreten durch die „grands génies“, die großen Denker und Wissenschaftler, für die Pascal Archimedes als Beispiel wählt. Auch in diesem Bereich gibt es eine der ersten Seinsordnung analoge Herrschaft, die in ihrer Steigerung und Vergeistigung an das Verhältnis von „chose figurante“ und „chose figurée“ in der Figuraldeutung Pascals erinnert:
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Les grands génies ont leur empire, leur éclat, leur grandeur, leur victoire et leur lustre, et n’ont nul besoin des grandeurs charnelles où elles n’ont pas de rapport.
Aber die Analogie geht noch weiter: auch die Vertreter des ordre de la charité, die Heiligen, haben eine Größe, die mit den gleichen Worten bezeichnet wird: Les saints ont leur empire, leur éclat, leur victoire, leur lustre et n’ont nul besoin des grandeurs charnelles ou spirituelles, où elles n’ont nul rapport […].
So wie in der Figuraldeutung Pascals der Sinn der figure nur demjenigen faßbar ist, der an der höheren Seinsordnung der „chose figurée“ Anteil hat, so ist auch in dem Fragment von den Seinsordnungen die grandeur des höheren Bereichs den Vertretern der niedrigeren Seinsordnung nicht erkennbar: La grandeur des gens d’esprit est invisible aux rois, aux riches, aux capitaines, à tous ces grands de chair.
Dasselbe gilt entsprechend für den ordre de la charité: La grandeur de la sagesse, qui n’est nulle sinon de Dieu, est invisible aux charnels et aux gens d’esprit.
Andererseits gilt aber auch, daß derjenige, der die Größe der höheren Seinsordnung besitzt, der grandeur der niederen nicht bedarf. Archimedes, der Repräsentant des ordre des esprit, bedarf nicht des äußeren Glanzes der grands de chair: Archimède sans éclat serait en même vénération. Il n’a pas donné des batailles pour les yeux, mais il a fourni à tous les esprits ses inventions. O qu’il a éclaté aux esprits.
Pascal entwickelt diesen Gedanken wiederum um der Analogie willen. Wie Archimedes der Vertreter des ordre des esprits, so ist Christus selbst der Repräsentant des ordre de la charité. Er kam in die Welt in äußerer Niedrigkeit, er bedurfte weder der „grandeurs charnelles“ noch der „grandeurs spirituelles“: J.-C. sans biens, et sans aucune production au dehors de science, est dans son ordre de sainteté. Il n’a point donné d’inventions. Il n’a point régné, mais il a été humble, patient, saint […], sans aucun péché. O qu’il est venu en grande pompe et en une prodigieuse magnificence aux yeux du cœur et qui voyent la sagesse.
Seine Größe ist nur dem wahrnehmbar, der Anteil hat an dem ordre de la charité. Wie es für Archimedes unnütz gewesen wäre, „de faire le prince
136 Die Bedeutung der „Figures“ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées dans ses livres de géométrie“, so hätte für die Größe Christi ein Königtum in dieser Welt keine Bedeutung gehabt: Il eût été inutile à N.-S. J.-C. pour éclater dans son règne de sainteté, de venir en roi, mais il y est bien venu avec l’éclat de son ordre.
An dieser Stelle wird deutlich, weshalb das Fragment über die Seinsordnungen unter den „Papiers classés“ in dem Kapitel Preuves de JésusChrist zu finden ist, das in der Ausgabe von Lafuma den dreiundzwanzigsten Abschnitt der Pensées bildet. „Cet admirable fragment est destiné à réfuter l’objection tirée contre la divinité de Jésus de l’obscurité de sa condition […]“, schreibt Léon Brunschvicg in seinem Kommentar 39. Pascal verbindet seine Ontologie, die Lehre von den verschiedenen Seinsordnungen, mit seiner Apologie, der Verteidigung des christlichen Glaubens, indem er aus seiner Lehre vom Sein die äußere Niedrigkeit des Erscheinens Christi rechtfertigt. Damit wird die innere Kohärenz der Pensées erneut bestätigt. Die Lehre von den Seinsordnungen, auf der auch die Erkenntnistheorie Pascals beruht, steht zugleich im Mittelpunkt der Preuves de Jésus-Christ. Christus repräsentiert den ordre de la charité, die höchste Seinsordnung, der als Erkenntnisorgan nicht „la raison“, sondern „le cœur“ zugeordnet ist. Überdies erfüllt sich in Christus die höchste Stufe der figuralen Offenbarung. Das kommt in dem Fragment La 388, Br 740 klar zum Ausdruck: J.-C. que les deux Testaments regardent, l’ancien comme son attente le nouveau comme son modèle, tous deux comme leur centre.
Schließlich gewinnt auch die Anthropologie Pascals von diesem Blickpunkt einen noch engeren Zusammenhang mit der Apologie des christlichen Glaubens, die in der dreistufigen Figuraldeutung kulminiert. In dem Fragment La 270, Br 670 hieß es: Tout ce qui ne va point à la charité est figure. L’unique objet de l’Écriture est la charité.
In dem Fragment La 449, Br 556 wird diese Aussage ergänzt, indem Christus als Repräsentant des ordre de la charité das „unique objet de l’Écriture“ und das letzte Ziel verkörpert: Jésus-Christ est l’objet de tout, et le centre où tout tend. Qui le connaît connaît la raison de toutes choses.
Wer ihn kennt, kennt die Ursache aller Dinge, und damit ist im Sinne Pascals nicht nur die Gotteserkenntnis gemeint, sondern zugleich die 39 Pascal, Pensées et Opuscules (wie Anm. 32), S. 697.
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Erkenntnis der „misère de l’homme“. Das wird ganz deutlich, wenn es in dem zitierten Fragment weiter heißt: On peut donc bien connaître Dieu sans sa misère, et sa misère sans Dieu; mais on ne peut connaître Jésus-Christ sans connaître tout ensemble et Dieu et sa misère.
Ausgehend von diesem Gedanken entwickelt Pascal – immer noch in dem Fragment La 449, Br 556 – seine Lehre von dem verborgenen Gott, von dem „dieu caché“, oder genauer gesagt von der „présence d’un Dieu qui se cache“, seine Lehre von der Gegenwart eines Gottes, der sich in den „Figures“ verbirgt, denn: „Figure porte absence et présence, plaisir et déplaisir.“ (La 265, Br 677). Wir brechen an dieser Stelle ab. Selbstverständlich ließen sich eine Fülle weiterer Fragmente in die Untersuchung einbeziehen. Hier aber kam es darauf an, von dem meist vernachlässigten Aspekt der Figuraldeutung ausgehend den Nachweis zu führen, daß die „cohérence interne“ der Pensées nicht sichtbar gemacht werden kann ohne den Rückgriff auf die „preuves positives de la religion chrétienne“, die Goldmann in seiner Deutung ausgeklammert hatte 40. Wenn Pascal als Grundsatz der Textinterpretation fordert: „pour entendre le sens d’un auteur il faut accorder tous les passages contraires“ (La 257, Br 684), so erscheint es geboten, diesen Grundsatz auch auf die Auslegung der Pensées anzuwenden. Pascal selbst hat dieses Prinzip seiner Bibelexegese zugrundegelegt und damit die Notwendigkeit der figuralen Deutung begründet 41. Eine Interpretation der Pensées, die seinen Grundsätzen folgt, führt zu dem Ergebnis, daß die verborgene Einheit dieses Werkes, in der die „contrariétés“ und die „contradictions“, das „Daseins-“ und das „Glaubensparadox“ aufgehoben sind, in Pascals „figurativem Denken“ zu finden ist.
40 Vgl. Le Dieu caché (wie Anm. 2), S. 338. 41 „Ainsi pour entendre l’Écriture il faut avoir un sens dans lequel tous les passages contraires s’accordent; il ne suffit pas d’en avoir un qui convienne à plusieurs passages accordants, mais d’en avoir un qui accorde les passages même contraires.“ Diese Sätze zitiert Goldmann im Zusammenhang mit der zu Beginn angeführten Forderung nach einer strukturalen Analyse, die die „cohérence interne“ sichtbar macht (Recherches dialectiques [wie Anm. 1], S. 109), ohne jedoch auf die Lösung Pascals hinzuweisen, die in dem gleichen Fragment La 257, Br 684 zum Ausdruck kommt, wenn es an späterer Stelle heißt: „Si on prend la loi, les sacrifices et le royaume pour réalités on ne peut accorder tous les passages; il faut donc par nécessité qu’ils ne soient que figures.“
Die Verbindung verschiedener Denkformen in Pascals Pensées Das Ziel dieses Referats, das in dem vorgegebenen Rahmen nicht mehr sein kann als ein „essai“, besteht darin, von einem neuen, nur für Pascal und sein Werk gültigen Ansatzpunkt einen Beitrag zu leisten zur Interpretation der Pensées, die aus vielfältigen Gründen zu den schwierigsten Werken der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts gehören. Dieser neue Ansatzpunkt soll die Verbindung verschiedener Denkformen in den Pensées sein. Dabei ist mit verschiedenen Denkformen nicht die in dem Werk selbst vorgenommene Unterscheidung von verschiedenen Erkenntnisformen gemeint, also nicht die Unterscheidung von „esprit de géométrie“ und „esprit de finesse“, und nicht die Unterscheidung von verstandes- oder vernunftgemäßer Erkenntnis durch „la raison“ und intuitiver oder der religiösen Erfahrung entspringender Erkenntnis durch „le cœur“, sondern der Begriff Denkform wird hier ausgehend von der Definition verwandt, die Hans Leisegang in seinem Buch Denkformen gegeben hat, wo es heißt: „Unter einer Denkform sollen die auf die logische Struktur eines Bereiches gleichartiger Gegenstände und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen zutreffenden Begriffsbildungen und die Verbindungen der Begriffe in Sätzen und Schlüssen verstanden werden, die vom Gegenstandsbereich, an dem sie ausgebildet wurden, auf andere übertragen werden […]“ 1. Leisegang weist darauf hin, daß sich schon bei Hegel, der den Ausdruck „Denkformen“ in der Vorrede zu seiner Wissenschaft der Logik gebraucht hat, Ansätze zu der Einsicht finden, „daß es nicht nur eine Denkform und die ihr entsprechende Logik gibt, sondern daß sich die Formen des Denkens ihren Gegenständen anpassen müssen, wobei die Mannigfaltigkeit der Gegenstände eine Mannigfaltigkeit der Denkformen nach sich zieht“ 2. Denkform in diesem Sinne ist die Gesetzmäßigkeit des Denkens, die an einem bestimmten Gegenstandsbereich 1 Hans Leisegang, Denkformen (1928), Berlin 1951, S. 16. 2 Diese Formulierung findet sich nur in der ersten Auflage, Berlin/Leipzig 1928, S. 14.
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ausgebildet wird, um dann auf andere Gegenstandsbereiche übertragen zu werden 3. In der Regel spricht man bei einem Philosophen oder einem Schriftsteller nicht von seinen Denkformen (im Plural), sondern von seiner Denkform (im Singular), so wie man von seiner Weltanschauung oder von seinem Stil spricht. Das gilt auch für den Autor der Pensées. Als Beispiel kann die Studie von Hugo Friedrich: „Pascals Paradox. Das Sprachbild einer Denkform“ dienen 4 oder die Untersuchung von Lucien Goldmann zu den Pensées, wo die Kohärenz des Pascalschen Werkes auf die „vision tragique“ zurückgeführt wird, die in der Denkform des Paradox und in der literarischen Form des Fragments ihren adäquaten Ausdruck findet 5. Betrachtet man die Pensées in ihrer Gesamtheit und berücksichtigt man den Zusammenhang dieses Werkes einerseits mit den mathematischnaturwissenschaftlichen Schriften Pascals 6 und andererseits mit der augustinisch-jansenistischen Theologie, die das Denken Pascals wesentlich bestimmt hat 7, so erweisen sich diese Interpretationsansätze als ergänzungsbedürftig. Die Gegenstandsbereiche, auf die sich das Denken Pascals richtete, und die Wissenschaften, denen er sich zugewandt hat, sind ganz verschiedenartig. Folglich hat er auch verschiedene Denkformen entwickelt, die sich in den Pensées auf einzigartige Weise miteinander verbinden. Er begann bekanntlich als Mathematiker und Physiker und entwickelte an den Bereichen der Geometrie, der Arithmetik und der Physik eine Erkenntnistheorie, die er in der Schrift De l’esprit géométrique zusammengefaßt hat. Dann widmete er sich als „honnête homme“ und Freund des Chevalier de Méré dem Studium des Menschen und seines Verhaltens, d. h. moralistischen Fragen, zu deren Beurteilung nicht der „esprit de géométrie“, sondern der „esprit de finesse“ notwendig ist. Nach der zweiten und entscheidenden „Bekehrung“ Pascals, die durch das religiöse Erlebnis bewirkt wurde, das in seinem Mémorial vom 23. November 1654 seinen Niederschlag gefunden hat, wandte er sich
3 Vgl. ebd., S. 9 (21951, S. 15 f.). 4 Zuerst veröffentlicht in: Zeitschrift für romanische Philologie 56/1936, S. 322–370; abgedruckt in: Hugo Friedrich, Romanische Literaturen. Aufsätze I: Frankreich, Frankfurt a. M. 1972, S. 84–138. 5 Le Dieu caché. Étude sur la vision tragique dans les „Pensées“ de Pascal et dans le théâtre de Racine, Paris 1959, Kap. 9: „Le paradoxe et le fragment“ (S. 216–227). 6 Diesen Zusammenhang behandelt Manfred Heess, Blaise Pascal. Wissenschaftliches Denken und christlicher Glaube, München 1977. 7 Vgl. Philippe Sellier, Pascal et saint Augustin, Paris 1970.
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primär religiös-theologischen Fragestellungen zu. Zur Verteidigung der jansenistischen Gnaden- und Morallehre schrieb er seine berühmt gewordenen polemischen Lettres provinciales, und in seinen letzten Lebensjahren (1656–1662) verfaßte er die Pensées sur la Religion et sur quelques autres sujets, bei denen es sich um ein unvollendet gebliebenes Werk handelt, das erst posthum veröffentlicht wurde und dessen Editionsgeschichte bereits wesentliche Wandlungen in der Deutung des Werkes erkennen läßt 8. Auch die neueren Forschungsbeiträge zur Frage des authentischen Textes, der Anordnung der Fragmente und zum Problem der Rekonstruktion des Planes, nach dem das Werk aufgebaut werden sollte, sind nicht zu in jeder Hinsicht überzeugenden, endgültigen Ergebnissen gekommen 9. Karlheinz Stierle hat in einem Aufsatz zu „Pascals Reflexionen über den ‚ordre‘ der Pensées“ aus dem Jahre 1971 betont, daß weder die Versuche, die „verlorene Ordnung“ der Fragmente zu rekonstruieren, noch die Versuche, auf Grund der Kopie eine „authentische, weil faktisch überlieferte Ordnung wieder zu entdecken“, einen Schlüssel zum Verständnis des Werkes in seiner Gesamtheit bieten10. Er meint, weitreichender seien die Bemühungen, „das Widersprüchliche der Fragmente aus einem einheitlichen, philosophisch begründeten Prinzip zu begreifen“, wie es Hugo Friedrich in seiner genannten Studie über „Pascals Paradox“ und Lucien Goldmann in seiner Analyse der „vision tragique“ in den Pensées getan hatten 11. Zweifellos ist das Paradox die Denkform, die in den heute bekanntesten Fragmenten der Pensées, nämlich den Abschnitten, die „la condition humaine“ zum Gegenstand haben, vorherrschend ist. Dennoch läßt sich die innere Struktur und die Kohärenz des Werkes nicht aus diesem Prinzip allein ableiten. Die Beschäftigung mit so verschiedenen Aspekten wie dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Denken Pascals, seiner Anthropologie und mit den im engeren Sinne theologischen Fragmenten hat mich vielmehr zu der These geführt, daß den Pensées
8 Zur Editionsgeschichte vgl. Louis Lafuma, Histoire des „Pensées“ de Pascal (1656– 1952), Paris 1954. 9 Unter den nach den Pensées-Editionen von Louis Lafuma erschienenen Beiträgen ist besonders hinzuweisen auf das umfangreiche Werk von Pol Ernst, Approches Pascaliennes, Gembloux 1970, und auf die Pensées-Edition von Philippe Sellier: Blaise Pascal, Pensées. Nouvelle édition établie pour la première fois d’après la copie de référence de Gilberte Pascal par Ph. S., Paris 1976. 10 In: Poetica 4/1971, S. 167–196, Zitate S. 171. 11 Vgl. die Stellungnahme Stierles zu diesen Auslegungen der Pensées ebd., S. 171–177.
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mindestens drei eng miteinander verbundene Denkformen zugrunde liegen: 1) eine Denkform aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, die Pascal in seinen Réflexions sur la géométrie en général entwickelt hat, einer Schrift, deren Bedeutung für die Pensées in dem Kommentar von Jean-Pierre Schobinger klar herausgearbeitet worden ist 12. Pascal hat diese aus dem deduktiven Beweisverfahren der Mathematik abgeleitete Denkform, die sich verkürzend als „Rückgriff auf die beiden Unendlichkeiten“ bezeichnen läßt, in den Pensées zunächst auf den anthropologischen Bereich übertragen, um dann auch die theologischen Konsequenzen aus diesem Denkansatz zu ziehen. 2) die Denkform des Paradox, die aus der moralistischen Fragestellung „dignitas et miseria hominis“ oder „grandeur et misère de l’homme“ hervorgeht, aber nicht nur als „Daseinsparadox“ die Analyse der „condition humaine“ beherrscht, sondern als „Glaubensparadox“, wie schon Hugo Friedrich gezeigt hat13, in den im traditionellen Sinne apologetischen Teil des Werkes übergreift. 3) eine aus dem figurativen oder typologischen Denken stammende Denkform der Analogie und Steigerung, die in der Bibelexegese ihren Ursprung hat, aber nicht nur für die Bibelauslegung in den Pensées von entscheidender Bedeutung ist, sondern von Pascal konsequent zu einer Ontologie entwickelt und von dem theologischen Bereich der Offenbarung auf andere Bereiche übertragen wird 14. Das Welt- und Menschenbild Pascals, die besondere Form seiner Auseinandersetzung mit religiösen Fragen und seine neuartige Konzeption einer Apologie des christlichen Glaubens lassen sich, wie mir scheint, in ihrer Folgerichtigkeit nur verstehen, wenn man alle drei Denkformen und die Art, wie sie miteinander verbunden sind, in Betracht zieht. Deshalb soll der Versuch gemacht werden, am Beispiel von ausgewählten Texten die drei Denkformen und ihre Verbindung näher zu charakterisieren. Den Ausgangspunkt für die Darstellung der ersten der genannten Denkformen, die als „Rückgriff auf die beiden Unendlichkeiten“ bezeichnet wurde, bilden Pascals methodische Überlegungen zum Vorgehen im
12 Jean-Pierre Schobinger, Blaise Pascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen: „De l’esprit géométrique“ und „De l’art de persuader“, mit deutscher Übersetzung und Kommentar, Basel/Stuttgart 1974. 13 „Pascals Paradox“ (wie Anm. 4), S. 124 ff. 14 Vgl. zu dieser Denkform Margot Kruse, „Die Bedeutung der ‚Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 121–137.
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Bereich der Mathematik, seine Réflexions sur la géométrie en général. In der Abhandlung De l’esprit géométrique fragt er nach dem Beweisverfahren von höchstmöglicher Gültigkeit und betont, daß im Idealfall sämtliche Begriffe definiert werden müßten, bevor das deduktive Beweisverfahren beginnt. Die mathematischen Wissenschaften, die Pascal unter dem Begriff „géométrie“ zusammenfaßt, arbeiten mit Grundbegriffen, die nicht definierbar, aber evident sind: Zahl, Raum, Bewegung, hinzu kommt als vierter Grundbegriff die Zeit. Die Diskussion darüber, worauf die Undefinierbarkeit und Evidenz dieser Grundbegriffe beruht, muß hier außer Betracht bleiben. Worauf es in unserem Zusammenhang ankommt, ist die Tatsache, daß die Grundbegriffe „mouvement“, „nombre“ und „espace“ nach Pascals Worten „in einer wechselseitigen und notwendigen Verknüpfung“ stehen: Ces trois choses, qui comprennent tout l’univers, selon ces paroles, Deus fecit omnia in pondere, in numero et mensura, ont une liaison réciproque et nécessaire. (R 278–280) 15
Zwischen den Grundprinzipien der „géométrie en général“ bestehen Beziehungen oder Analogien, deren Kenntnis für Pascal eine neue Form von Weltverständnis ermöglicht. Die wichtigste unter den „propriétés communes“, die die Grundbegriffe „mouvement“, „nombre“, „espace“ und „temps“ miteinander verbindet, ist der Bezug auf die beiden Unendlichkeiten: La principale est les deux infinités qui se rencontrent dans toutes: l’une de grandeur et l’autre de petitesse. (R 289–290)
Bewegung, Zahl, Raum und Zeit sind unendlich multiplizierbar und unendlich teilbar. Es gibt eine unendliche Bewegung: Car quelque prompt que soit un mouvement, on peut en concevoir un qui le soit davantage, et hâter encore ce dernier, et ainsi toujours à l’infini […] (R 291–293).
„Und umgekehrt, wie langsam auch eine Bewegung sei, man kann sie noch mehr verlangsamen und noch diese letzte, und so ins Unendliche“, ohne je den Grenzbegriff, die Ruhe, zu erreichen, „sans tomber dans le repos“ (R 294–297).
15 Zitiert werden die Réflexions sur la géométrie en général (R) nach der Ausgabe und Übersetzung von Jean-Pierre Schobinger (wie Anm. 12), S. 38–75 (mit der dort angegebenen Zeilenzählung).
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Das gleiche gilt für die Zahl, die einerseits unendlich vermehrt, andererseits unendlich vermindert werden kann, ohne daß man das Extrem im Großen, das nicht vermehrt werden kann, oder das Extrem im Kleinen, das nicht vermindert werden kann, nämlich die Null oder das Nichts, erreicht, „sans arriver au zéro ou néant“ (R 303). Entsprechend wird der Gedankengang auch im Hinblick auf den Raum und die Zeit entwickelt und damit die Grundthese erhärtet, daß es sich bei den beiden Unendlichkeiten, ohne die das Universum nicht gedacht werden kann, um Fundamente der „géométrie en général“ handelt. Pascal geht in seinen Aussagen über die beiden Unendlichkeiten, die hier als „mathematische Eigenschaften“ erscheinen 16, noch einen Schritt weiter. Nicht nur die Grundbegriffe der mathematischen Wissenschaften: Bewegung, Zahl, Raum und Zeit verhalten sich im Hinblick auf die beiden Unendlichkeiten analog, sondern es gibt auch einen „rapport“ zwischen den beiden „infinis“, die die Grenzbegriffe des Unendlichen und des Nichts bezeichnen: […] ces deux infinis, quoique infiniment différents, sont néansmoins relatifs l’un à l’autre, de telle sorte que la connaissance de l’un mène nécessairement à la connaissance de l’autre. (R 531–534)
Dieser Bezug auf die beiden Unendlichkeiten, der den Erörterungen De la méthode des démonstrations géométriques zugrunde liegt, gewinnt dadurch besondere Bedeutung, daß er aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich auf andere Bereiche übertragen und damit zu einer allgemeingültigen Denkform Pascals wird. Die Übertragung von dem Gegenstandsbereich der Mathematik und Physik auf den Bereich der Anthropologie erfolgt bereits am Ende der Abhandlung De l’esprit géométrique, wo es heißt: Mais ceux qui verront clairement ces vérités pourront admirer la grandeur de la puissance de la nature dans cette double infinité qui nous environne de toutes parts, et apprendre par cette considération merveilleuse à se connaître euxmêmes, en se regardant placés entre une infinité et un néant d’étendue, entre une infinité et un néant de nombre, entre une infinité et un néant de mouvement, entre une infinité et un néant de temps. Sur quoi on peut apprendre à s’estimer son juste prix, et former des réflexions qui valent mieux que tout le reste de la géométrie. (R 564–572)
16 Vgl. den Kommentar von Schobinger, ebd., S. 286 und 320 f. (K 318–345).
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Hier gewinnen die mathematischen Unendlichkeiten im Großen wie im Kleinen, „l’infinité“ und „le néant“, eine anthropologische Tragweite. Wie die Grundbegriffe in der Mathematik und Physik, dem Bereich der „res extensa“, bezogen werden auf die „deux infinis“, die sie nie erreichen, so erfährt sich auch der Mensch, die „res cogitans“, „als ein endliches Wesen der Mitte“ – wie Jean-Pierre Schobinger sagt –, „das ortlos eingespannt ist zwischen den beiden unendlichen Schranken, dem Nichts und dem Unendlichen“ 17. Auf der Analyse der „condition humaine“ im ständigen Hinblick auf die Unendlichkeit und das Nichts, die dem Menschen gleichermaßen unzugänglich bleiben, beruht das Vorgehen des Moralisten Pascal in den Pensées 18. Aus diesem Bezug auf die beiden „infinis“ folgt die „Disproportion de l’homme“, die in einem der berühmtesten Fragmente ausführlich charakterisiert wird. An einer zentralen Stelle dieses Fragments (La 199, Br 72) heißt es: Car enfin qu’est-ce que l’homme dans la nature? Un néant à l’égard de l’infini, un tout à l’égard du néant, un milieu entre rien et tout, infiniment éloigné de comprendre les extrêmes; la fin des choses et leurs principes sont pour lui invinciblement cachés dans un secret impénétrable. Également – incapable de voir le néant d’où il est tiré et l’infini où il est englouti.
Das menschliche Erkenntnisvermögen versagt vor dem Unendlichen im Großen wie im Kleinen, und zwar sowohl die sinnliche Wahrnehmung als auch die rationale Erkenntnis: Nos sens n’aperçoivent rien d’extrême, trop de bruit nous assourdit, trop de lumière éblouit, trop de distance et trop de proximité empêche la vue.
Das menschliche Denkvermögen nimmt im Bereich des Geistes die gleiche Stellung ein wie unser Körper in der räumlichen Ausdehnung der Natur oder des Universums: Notre intelligence tient dans l’ordre des choses intelligibles le même rang que notre corps dans l’étendue de la nature. Bornés en tout genre, cet état qui tient le milieu entre deux extrêmes se trouve en toutes nos puissances.
17 „Vorbemerkungen“, ebd., S. 12. 18 Die Pensées werden zitiert nach der Ausgabe in: Pascal, Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, S. 493–641. Die Zählung der Fragmente wird nach Lafuma (La) und Brunschvicg (Br) angegeben.
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Wir können weder das Unendliche noch das Nichts erkennen, weder den Ursprung der Dinge noch ihr Ziel, folglich gibt es für Pascal auch keinen rationalen Gottesbeweis 19. Die aus den Réflexions sur la géométrie en général entwickelte Denkform, die durch den Bezug auf die beiden Unendlichkeiten gekennzeichnet ist, wird in den Pensées auch auf den Bereich der religiösen Erkenntnis angewandt, und zwar in dem Fragment, das „Infini rien“ überschrieben ist (La 418, Br 233) und das berühmte Argument der Wette enthält. Hier geht Pascal von der mathematischen Erkenntnis aus, daß das Unendliche durch ein Endliches weder vermehrt noch vermindert werden kann: L’unité jointe à l’infini ne l’augmente de rien, non plus que un pied à une mesure infinie; le fini s’anéantit en présence de l’infini et devient un pur néant. Ainsi notre esprit devant Dieu, ainsi notre justice devant la justice divine.
Der menschliche Geist kann nur das Endliche in seiner Existenz und in seinem Wesen erkennen, weil er an die Bedingungen des Endlichen gebunden ist, er kann auf die Existenz des Unendlichen schließen, seine Natur (sein Wesen, seine Essenz) jedoch nicht erkennen, aber er kann weder die Existenz noch die Natur Gottes erkennen: Nous connaissons donc l’existence et la nature du fini parce que nous sommes finis et étendus comme lui. Nous connaissons l’existence de l’infini et ignorons sa nature, parce qu’il a étendue comme nous, mais non pas des bornes comme nous. Mais nous ne connaissons ni l’existence ni la nature de Dieu, parce qu’il n’a ni étendue, ni bornes.
Wenn Pascal fortfährt: „Mais par la foi nous connaissons son existence, par la gloire, nous connaîtrons sa nature […]“ 20, so läßt sich dieser Satz erst im Zusammenhang mit der dritten Denkform, dem figurativen oder typologischen Denken Pascals, in seiner eigentlichen Bedeutung verstehen. So wie sich in der Figuraldeutung die Offenbarung Gottes in drei
19 Vgl. La 809, Br 230: „Incompréhensible que Dieu soit et incompréhensible qu’il ne soit pas […]“ und La 190, Br 543: „Les preuves de Dieu métaphysiques sont si éloignées du raisonnement des hommes et si impliquées, qu’elles frappent peu […]“. 20 Der Begriff „gloire“ bezeichnet hier – wie in der augustinisch-jansenistischen Lehre von den „quatre états“ in der Geschichte der Menschheit – den „état de gloire“, die letzte Stufe, die der Mensch erst im Jenseits erreichen kann: „c’est la félicité dont les élus jouiront après le jugement“ (Léon Brunschvicg in: Blaise Pascal, Pensées et Opuscules, publiés avec une introduction, des notices et des notes par L. Br. [1953], Paris 1968, S. 52).
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Stufen vollzieht (Altes Testament, Neues Testament und die vollkommene Offenbarung im Jenseits), so hier der Weg zur Gotteserkenntnis. Durch das Denkvermögen kann der Mensch die Existenz des Unendlichen, aber nicht die Existenz Gottes erkennen, durch den Glauben, der die zweite Stufe darstellt, ist dem Menschen die Erkenntnis der Existenz Gottes möglich („par la foi nous connaissons son existence“), während die Natur oder das Wesen Gottes dem Menschen erst auf der höchsten Stufe, im Jenseits, erkennbar wird („par la gloire, nous connaîtrons sa nature“). Bevor näher auf die dreistufige Figuraldeutung eingegangen werden kann, muß jedoch der Zusammenhang zwischen der ersten und der zweiten Denkform verdeutlicht werden, d. h. der Zusammenhang zwischen den „deux infinis“ und dem Paradox. Zu diesem Zweck greifen wir noch einmal auf das Fragment „Disproportion de l’homme“ (La 199, Br 72) zurück, aus dem bereits die Sätze zitiert wurden: Car enfin qu’est-ce que l’homme dans la nature? Un néant à l’égard de l’infini, un tout à l’égard du néant, un milieu entre rien et tout […].
Der Vergleich mit den beiden Unendlichkeiten hat zur Folge, daß der Mensch zugleich als ein „Nichts“ und als ein „Alles“ erscheint, als eine Mitte, die aber nie eine Ruhelage meint, sondern höchste Spannung zwischen den sich ausschließenden Gegensätzen, eine ortlose Mitte, die jeden festen Halt vermissen läßt und dem Menschen seine Gnadenbedürftigkeit voll zum Bewußtsein bringen soll. In der gleichen paradoxen Lage befindet sich der Mensch im Hinblick auf seine Erkenntnismöglichkeiten: Enfin les choses extrêmes sont pour nous comme si elles n’étaient point et nous ne sommes point à leur égard; elles nous échappent ou nous à elles. Voilà notre état véritable. C’est ce qui nous rend incapables de savoir certainement et d’ignorer absolument.
Die menschliche Lage ist durch ein gleichzeitiges Wissen und Nichtwissen charakterisiert, der Mensch ist – wie es in dem Fragment La 131, Br 434 aus dem Abschnitt „Contrariétés“ heißt – „dépositaire du vrai“ und zugleich „cloaque d’incertitude et d’erreur“, er ist „gloire et rebut de l’univers“. Nur in diesem Fragment bezeichnet Pascal selbst den Menschen als Paradox, indem er sich an den Leser wendet mit den Worten: „Connaissez donc, superbe, quel paradoxe vous êtes à vous-même.“ 21
21 Auf diesen Satz aus dem Fragment La 131, Br 434 weist auch Friedrich hin, vgl. „Pascals Paradox“ (wie Anm. 4), S. 119.
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Besonders deutlich wird das Paradox als Denkform in der Umformung, die Pascal mit der traditionellen Antithese von „dignitas“ und „miseria hominis“ vorgenommen hat. Bezeichnend ist schon die Tatsache, daß er diese Antithese durch „grandeur et misère de l’homme“ ersetzt, denn der Begriff „grandeur“ läßt sich auf alle Seinsordnungen anwenden 22, er gilt für die körperliche Größe ebenso wie für die geistige Größe, während der Begriff „dignitas“ stets mit der Rangstellung des Menschen im geistigen „ordo“ verbunden gewesen ist. Die „grandeur“ des Menschen beruht nach Pascal auf dem Denken, die „misère de l’homme“ auf seiner Nichtigkeit im Vergleich mit den beiden Unendlichkeiten. Dieses Elend des Menschen veranschaulicht der Autor durch die biblische Metapher vom Schilfrohr, das von jedem Wind bewegt wird: der Mensch ist ein „Roseau pensant“, ein denkendes Schilfrohr, womit wiederum ein Paradox ausgesprochen ist, das Pascal in dem Fragment La 113, Br 348 folgendermaßen erläutert: Ce n’est point de l’espace que je dois chercher ma dignité, mais c’est du règlement de ma pensée. […] Par l’espace l’univers me comprend et m’engloutit comme un point: par la pensée je le comprends.
Dabei ist die „condition humaine“ nicht nur durch die Gleichzeitigkeit der sich ausschließenden Gegensätze „grandeur“ und „misère“ gekennzeichnet, sondern das Paradox der menschlichen Lage wird noch dadurch verschärft, daß das Elend als eine Konsequenz aus der Größe, die Größe aber als eine Folge aus dem Elend gedeutet wird: „La misère se concluant de la grandeur et la grandeur de la misère […]“ (La 122, Br 416). Rational lassen sich diese Paradoxa nicht auflösen. In der Lehre vom Menschen gibt es für Pascal keine evidenten Prinzipien wie in den mathematischen Wissenschaften, sondern der Versuch, das menschliche Wesen zu definieren und zu erklären, führt immer erneut auf ein Unbegreifliches, nämlich die Erbsünde, von der es in dem Fragment La 695, Br 445 heißt: Le péché originel est folie devant les hommes […] Mais cette folie est plus sage que toute la sagesse des hommes, sapientius est hominibus. Car, sans cela, que dira-t-on qu’est l’homme? Tout son état dépend de ce point imperceptible.
Um zu verstehen, wie das Pascalsche Paradox von der Analyse der „condition humaine“ auf andere Bereiche übertragen werden konnte, tut man gut daran, sich die Voraussetzung dieses Denkens in Gegensätzen zu ver22 Pascal spricht über die drei Seinsordnungen und die ihnen jeweils entsprechende „grandeur“ in dem Fragment La 308, Br 793, das im Zusammenhang mit der dritten Denkform der Analogie und Steigerung von besonderer Bedeutung ist.
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gegenwärtigen. Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das Fragment „Les deux raisons contraires“ (La 576, Br 567), das endet mit den Worten: „[…] à la fin de chaque vérité il faut ajouter qu’on se souvient de la vérité opposée.“ Der Gegensatz zur Wahrheit ist hier nicht der Irrtum, sondern die entgegengesetzte Wahrheit, aber die Gegensätze werden nicht in einer Synthese aufgehoben, sondern im Paradox als „contrariétés“ bewahrt. Über die entgegengesetzte Wahrheit im Bereich der Philosophie spricht Pascal im Fragment La 619, Br 394: Tous leurs principes sont vrais, des pyrrhoniens, des stoïques, des athées, etc… mais leurs conclusions sont fausses, parce que les principes opposés sont vrais aussi.
Die Wahrheit, die Pascal sucht, liegt also nicht in der Mitte zwischen den extrem gegensätzlichen Positionen, sondern in dem spannungsreichen „sowohl als auch“. Das wird ganz deutlich bei der Übertragung des Begriffs der „vérité opposée“ auf den Bereich der Ethik. Im Gegensatz zur Lehre des Aristoteles, bei dem die Tugend als die Mitte zwischen zwei Extremen erscheint, stellt Pascal auch der „vertu“ die „vertu opposée“ gegenüber und fordert im Fragment La 681, Br 353 die gleichzeitige Verwirklichung beider Tugenden: Je n’admire point l’excès d’une vertu comme de la valeur si je ne vois en même temps l’excès de la vertu opposée: comme en Epaminondas qui avait l’extrême valeur et l’extrême bénignité […].
Hier wird das Extrem nicht abgelehnt, sondern in beiden Richtungen zugleich gefordert: On ne montre pas sa grandeur pour être à une extrémité, mais bien en touchant les deux à la fois et remplissant tout l’entre-deux.
An dieser Stelle zeigt sich noch einmal die Verbindung der Denkform des Paradox mit dem Denkansatz aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, denn der Bezug auf die beiden Unendlichkeiten wird hier ersetzt durch die beiden Extreme, an deren gleichzeitiger Verwirklichung die Größe menschlichen Handelns gemessen wird. Noch wichtiger im Hinblick auf den im engeren Sinne apologetischen Teil der Pensées, der die sogenannten „preuves positives de la religion chrétienne“ enthält, ist die Verbindung der Denkform des Paradox mit dem figurativen Denken, das Pascal aus der traditionellen Bibelexegese entwickelt hat. Die Bedeutung, die der Autor der Pensées den „Figures“ beimißt, läßt sich am besten an dem umfangreichen Abschnitt „Que la loi était figurative“ ablesen, der in der Anordnung der „Papiers classés“ in
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siebenundzwanzig „liasses“ unmittelbar auf den Abschnitt „Fondements de la Religion & Réponse aux objections“ folgt 23. Der Begriff „figure“, dessen Bedeutungsgeschichte von Terenz bis Quintilian und bei den Kirchenvätern Erich Auerbach in seinem grundlegenden „Figura“-Aufsatz von 1939 dargestellt hat 24, weist bei Pascal eine paradoxe Grundstruktur auf. Bedeutungsgeschichtlich besonders aufschlußreich ist die Tatsache, daß schon bei Quintilian zu den „figurae“ im Bereich der Rhetorik vor allem „die versteckte Anspielung“ gehört 25, mit der ein Sagen und zugleich ein Verbergen verbunden ist, denn diese doppelte Funktion des rhetorischen „Figura“-Begriffs findet ihre Entsprechung im theologischen Bereich in der figürlichen Offenbarung, die auch ein Sagen und ein Verbergen ist und damit ein Paradox in sich schließt. Auf die Quellen der Figuraldeutung Pascals, insbesondere bei Paulus, bei Augustinus und im jansenistischen Schrifttum seiner Zeit, kann hier nicht eingegangen werden 26. Wir müssen uns vielmehr auf das beschränken, was für die Denkform, die der Figuraldeutung in den Pensées zugrundeliegt, von besonderer Bedeutung ist. Sucht man die der figurativen oder typologischen Bibelauslegung zugrundeliegende Denkform begrifflich zu fassen, so muß man von der Entsprechung oder Analogie ausgehen, die zwischen dem andeutenden Vorbild und der Erfüllung, der „chose figurante“ und der „chose figurée“, besteht. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei dieser Entsprechung nicht um ein Verhältnis von Vorbild und Abbild handelt, sondern um eine Analogie, die eine Steigerung in sich schließt.
23 Vgl. La 245–276 (Edition Philippe Sellier [wie Anm. 9], 278–307). 24 „Figura“, zuerst erschienen in: Archivum romanicum 22/1939, S. 436–489. Zitiert wird nach dem Neudruck in: Erich Auerbach, Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 55–92. 25 Vgl. ebd., S. 63 f. 26 Historisch betrachtet ist die Figuraldeutung zunächst eine Form der Bibelexegese, die auf die typologische Deutung des Alten Testaments bei Paulus zurückgeht, in der Patristik im Zusammenhang mit der Lehre vom vierfachen Schriftsinn zu einem System der Schriftauslegung entwickelt wurde und im Mittelalter nicht auf die Bibelexegese beschränkt blieb, sondern auch auf Personen und Ereignisse der antiken Sage und Geschichte angewandt wurde. Diese Figuraldeutung, die einen Hauptbestandteil der Ikonographie der christlichen Kunst bildet, besteht darin, daß Gestalten oder Geschehnisse des Alten Testaments oder der antiken Mythologie und Geschichte als ein ankündigendes Vorbild, als „figura“ oder „Typos“ von Gestalten oder Geschehnissen des Neuen Testaments gedeutet werden. Vgl. Erich Auerbach, Typologische Motive in der mittelalterlichen Literatur, Krefeld 1953.
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Das Vorbild erhält einen tieferen Sinn als Andeutung eines Künftigen, als Vorausdeutung oder Verweis auf eine Erfüllung. Die „chose figurante“ ist auf die „chose figurée“ hingeordnet. Diese für die Pascalsche Figuraldeutung entscheidende Verbindung von Entsprechung und Steigerung findet sich schon bei Paulus. Leonhard Goppelt schreibt in seiner Abhandlung „Apokalyptik und Typologie bei Paulus“ ausgehend vom Römerbrief 5, 14, wo Adam als „túpoß toû méllontoß“ bezeichnet wird: „Typ und Antityp sind formal durch eine Entsprechung verbunden, die eine Steigerung einschließt.“ 27 Bezeichnenderweise hat Pascal das Zitat aus dem Römerbrief einem Fragment seiner Pensées vorangestellt: „Adam forma futuri“ (La 590, Br 656). Die Entsprechung ist in allen Punkten eine gegenbildliche: Adam, durch den Sünde und Tod in die Welt kamen, weist voraus auf Christus, den zweiten Adam, durch den dem Menschen Erlösung von der Sünde, Auferstehung und ewiges Leben zuteil werden. Hier kann von einer im doppelten Sinne paradoxen Grundstruktur der „figure“ gesprochen werden, denn wenn Gott sich in vorausdeutenden Bildern offenbart, so handelt es sich in jedem Fall um eine verhüllende Offenbarung: „Figure porte absence et présence, plaisir et déplaisir.“ (La 265, Br 677) Es verhält sich mit der „figure“ wie mit einem Porträt, von dem Pascal ganz entsprechend sagt: Un portrait porte absence et présence, plaisir et déplaisir. La réalité exclut absence et déplaisir. (La 260, Br 678)
Zu dieser Paradoxie von der gleichzeitigen Gegenwart und Abwesenheit des Dargestellten in der „figure“ kommt in dem Beispiel „Adam forma futuri“ noch eine zweite hinzu, weil an die Stelle der üblichen Entsprechung und Steigerung 28 die gegenbildliche Entsprechung und Steigerung tritt. Um die Denkform in der Figuraldeutung Pascals zu verdeutlichen, muß neben dem paradoxen Charakter der „figure“ und dem Prinzip der Entsprechung und Steigerung noch auf die Dreistufigkeit hingewiesen werden, die sich schon bei Augustinus nachweisen läßt, bei dem Autor der Pensées aber eine über die Bibelauslegung hinausgehende Bedeutung gewinnt. In der traditionellen Figuraldeutung bezeichnet die erste Stufe „das Gesetz oder die Geschichte der Juden als prophetische figura für 27 Anhang zu: Leonhard Goppelt, Typos. Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen (1939), Darmstadt 1969, S. 257–299, hier S. 274. 28 Wenn z. B. Isaak, Joseph oder Moses als Präfiguration Christi gedeutet werden.
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Christi Erscheinen“, die zweite Stufe „die Inkarnation als Erfüllung dieser figura, und zugleich als neue Verheißung von Weltende und Jüngstem Gericht“, und schließlich die dritte Stufe „das künftige Eintreffen dieser Ereignisse als endgültige Erfüllung“ 29. Diese Form der Dreistufigkeit findet sich in verschiedenen Abwandlungen auch in den Pensées. Als Beispiel sei hingewiesen auf das Fragment La 826, Br 673, in dem die augustinische Unterscheidung der drei Stufen der Offenbarung wiederkehrt bezogen auf die Wahrheit: Dans les Juifs la vérité n’était que figurée; dans le ciel elle est découverte. Dans l’Église elle est couverte et reconnue par le rapport à la figure.
Auf der ersten Stufe, dem „état de la loi“, vertreten durch die Juden, ist die Wahrheit nur in Form der „figure“ verhüllt gegenwärtig, auf der zweiten Stufe, dem „état de la grâce“, der durch die Kirche repräsentiert wird, ist die Wahrheit verdeckt und wird doch erkannt, diese Stufe ist zugleich Erfüllung und Verheißung, „chose figurée“ und „chose figurante“, während auf der dritten Stufe, dem „état de la gloire“, der mit „dans le ciel“ umschrieben wird, die Verheißung endgültig erfüllt und die Wahrheit offenbar ist. Die theologischen Folgerungen, die Pascal aus dieser Dreistufigkeit der Offenbarung zieht, sind weitreichend. Als Beispiel kann die Übertragung auf die Abendmahlslehre dienen. Nach dem Fragment La 968, Br 654 ist die Eucharistie Erfüllung der Verheißung; das Mahl, das Christus am Vorabend seiner Passion mit seinen Jüngern einnahm, weist hin auf die Eucharistie, die hier als die auf das andeutende Vorbild folgende Wahrheit bezeichnet wird: „Eucharistie après la Cène. Vérité après figure.“ Das ist aber nur die eine Wahrheit: „voilà une des vérités“ 30. Auch hier kann man von einer „vérité opposée“ sprechen, denn die Eucharistie ist nicht nur „chose figurée“, sondern zugleich „chose figurante“, die ihrerseits in verhüllter Form auf die vollkommene Vereinigung mit Gott im Jenseits verweist. So heißt es am Ende des Fragments La 270, Br 670: „Et les chrétiens prennent même l’Eucharistie pour figure de la gloire où ils tendent.“ So hat die Dreistufigkeit der Figuraldeutung zur Folge, daß sich für Pascal die Paradoxie der „figure“ notwendig in der Offenbarung des Neuen Testamentes fortsetzt 31. 29 Auerbach, „Figura“ (wie Anm. 24), S. 70. 30 Vgl. La 733, Br 862 („2. Exemple. Sur le sujet du Saint-Sacrement […]“). 31 Das übersieht Karlheinz Stierle, wenn er (in „Pascals Reflexionen über den ‚ordre‘ der Pensées“ [wie Anm. 10], S. 172) gegen Friedrichs Interpretation einwendet, daß sich in
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Das kann hier jedoch nicht näher ausgeführt werden, denn in unserem Zusammenhang kommt es darauf an, abschließend zu zeigen, daß sich das figurative Denken Pascals nicht auf den theologischen Bereich beschränkt, sondern daß die zugrundeliegende Denkform ihren Ausdruck auch in anderen Bereichen findet, insbesondere in der Lehre von den drei Seinsordnungen und der ihnen entsprechenden „grandeur“. Pascal entwickelt diese Lehre in dem Fragment La 308, Br 793, das wir bereits an anderer Stelle im Zusammenhang mit dem figurativen Denken in den Pensées interpretiert haben32. Deshalb soll dieses berühmte Fragment nur in aller Kürze herangezogen werden. Schon die ersten Sätze lassen den Bezug zur Figuraldeutung in drei Stufen klar erkennen: La distance infinie des corps aux esprits figure la distance infiniment plus infinie des esprits à la charité, car elle est surnaturelle.
Der unendliche Abstand zwischen dem „ordre des corps“ und dem „ordre des esprits“ ist nur eine „figure“ für die logisch nicht mehr faßbare Entfernung zwischen den Seinsordnungen des Natürlichen – „corps“ und „esprits“ – und der übernatürlichen Seinsordnung der „charité“; hier ist die Entfernung „infiniment plus infinie“. Dennoch besteht zwischen allen drei Seinsordnungen eine Entsprechung, die sich als Analogie und Steigerung im Sinne der „figure“ fassen läßt. Diese Denkform prägt das ganze Fragment und findet stilistisch ihren Ausdruck in den vielen parallel gebauten Sätzen, in denen die Analogien zwischen den drei Seinsordnungen aufgedeckt werden. Dabei geht Pascal von der „grandeur“ aus, die jeder Stufe ihrer Eigenart entsprechend zugehört. So wie im Bereich der Offenbarung der Sinn der „figure“ nur demjenigen zugänglich ist, der an der höheren Stufe, dem Bereich der „chose figurée“, Anteil hat, so ist auch in dem Fragment von den Seinsordnungen die „grandeur“ des höheren Bereichs den Vertretern der niederen Seinsordnung nicht erkennbar: La grandeur des gens d’esprit est invisible aux rois, aux riches, aux capitaines, à tous ces grands de chair. La grandeur de la sagesse, qui n’est nulle sinon de Dieu, est invisible aux charnels et aux gens d’esprit. Ce sont trois ordres différents, de genre.
Andererseits gilt aber auch, daß derjenige, der die Größe der höheren Seinsordnung besitzt, der „grandeur“ der niederen nicht bedarf, so daß
dessen Deutung „auch noch in der offenliegenden Wahrheit des Neuen Testaments die Paradoxie des Figuralsinns fortzusetzen scheint“. 32 Vgl. den in Anm. 14 zitierten Aufsatz, S. 134–136.
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im Sinne Pascals die Lehre von den Seinsordnungen beweist, warum Christus als der Vertreter des „ordre de la charité“ der weltlichen Größe nicht bedurfte: Il eût été inutile à N.-S. J.-C. pour éclater dans sons règne de sainteté, de venir en roi, mais il y est bien venu avec l’éclat de son ordre.
Von dieser Stelle (die erklärt, weshalb dieses Fragment in den „Papiers classés“ dem Abschnitt Preuves de Jésus-Christ zugeordnet ist) soll schließlich noch eine Brücke zurück zum mathematischen Denken Pascals geschlagen werden, denn die Lehre von den Seinsordnungen, nach der die Größe der niederen der höheren nichts hinzuzufügen vermag, findet ihr Analogon im mathematischen Bereich, wie ihn Pascal in seiner Schrift Potestatum Numericarum Summa charakterisiert hat. Es heißt dort am Schluß des Traktats, „qu’on n’augmente pas une grandeur continue lorsqu’on lui ajoute, en tel nombre que l’on voudra, des grandeurs d’un ordre d’infinitude inférieur“: Sic puncta lineis, lineae superficiebus, superficies solidis nihil adjiciunt: seu, ut numericis, in numerico tractatu, verbis utar, radices quadratis, quadrata cubis, cubi quadrato-quadratis, etc., nihil apponunt. Quare, inferiores gradus, nullius valoris existentes, non considerandi sunt.33
Die „ordres“ im Bereich der Geometrie und der Arithmetik weisen folglich eine Analogie zu den Seinsordnungen in den Pensées auf, so daß sich der Kreis schließt und sich herausstellt, daß nicht nur die in den Réflexions sur la géométrie en général entwickelte Denkform, die von dem Bezug auf die beiden Unendlichkeiten ausging, mit der Denkform des Paradox verbunden ist, und dieses Denken in Paradoxa wiederum mit dem figurativen Denken Pascals, sondern daß auch die aus der Bibelexegese entwickelte Denkform der Analogie und Steigerung, die in den Pensées auf die Seinsordnungen übertragen wird, mit dem mathematischen Denken Pascals in Beziehung steht.
33 Pascal, Œuvres complètes (wie Anm. 18), S. 94.
Zum Begriff der „vérité“ und der „vérité opposée“ in Pascals Pensées An der zentralen Bedeutung des Begriffs „vérité“ im Werk Pascals kann kein Zweifel bestehen. So bezeichnet der bedeutende Pascal-Forscher Jean Mesnard, dem wir auch für unser Thema wesentliche Einsichten verdanken, „la vérité“ als „la norme de l’univers pascalien“ 1. Unter ‚Norm‘ ist hier die Richtschnur und damit das Erkenntnisziel zu verstehen, auf das das Streben Pascals in allen seinen Schriften ausgerichtet ist. Die „recherche de la vérité“ war schon die Triebkraft des Mathematikers und Naturwissenschaftlers Pascal, der seine Réflexions sur la géométrie en général als eine „étude de la vérité“ bezeichnet, in der es ihm um den „esprit de la géométrie ou la véritable méthode“ geht, um den Weg, auf dem die Wahrheit der „more geometrico“ gewonnenen Erkenntnisse unwiderlegbar nachgewiesen werden kann, „de sorte que la preuve en soit invincible“ 2. In diesem Zusammenhang bedeutet „prouver la vérité“ den Wahrheitsnachweis methodisch korrekt durchführen, indem die Begriffe, soweit sie nicht evident sind, definiert werden, jede Behauptung durch Deduktion bewiesen und die Wahrheit oder Gültigkeit jeder Aussage oder Erkenntnis durch Abgrenzung vom Falschen bestätigt wird 3. Ein anderer Aspekt des Begriffs „vérité“ nimmt eine zentrale Stellung in den Lettres provinciales ein, in denen Pascal die Kasuistik der Jesuiten scharf angreift, um die „vérité“ der von den Jansenisten vertretenen Gnaden- und Morallehre zu verteidigen. In diesen polemischen Briefen geht es primär um die Wahrheit im Sinne von Wahrhaftigkeit, um das „parler avec vérité“, das der Autor im elften Brief auf dem Höhepunkt der Aus1 Jean Mesnard, „Baroque, science et religion chez Pascal“ (1974), in: J. M., La Culture du XVIIe siècle. Enquêtes et synthèses, Paris 1992, S. 327–345, hier S. 345. 2 Blaise Pascal, Œuvres complètes, Bd. 3: Œuvres diverses (1654–1657), hg. von Jean Mesnard, Paris 1991, S. 390. 3 Vgl. Jean-Pierre Schobinger, Blaise Pascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen: ,De l’esprit géométrique‘ und ,De l’art de persuader‘, mit deutscher Übersetzung und Kommentar, Basel/Stuttgart 1974, S. 130–133.
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einandersetzung nicht nur für sich in Anspruch nimmt 4, sondern unter Berufung auf die Kirchenväter als die erste Regel bei der Abfassung von theologischen Streitschriften anführt: „La première de ces règles est que l’esprit de piété porte toujours à parler avec vérité et sincérité.“ 5 In den erst posthum veröffentlichten Pensées, die aus nahezu tausend Fragmenten zu einer von Pascal geplanten ganz neuartigen Apologie der christlichen Religion bestehen, wird die theologische Frage nach der Glaubenswahrheit so eng verbunden mit der philosophischen Frage nach der Wahrheit menschlicher Erkenntnis und der moralistischen Frage nach der Wahrheit in bezug auf die „condition humaine“, die „grandeur et misère de l’homme“, daß der Begriff „vérité“ in seinen verschiedenen Bedeutungen immer erneut ins Zentrum rückt und zur Interpretation herausfordert. Da es sich um einen Schlüsselbegriff der Pensées handelt, der einen unmittelbaren Zugang zu den verschiedenen Denkformen Pascals 6 und zur Eigenart seines Werkes ermöglicht, soll hier, obgleich sich die Pascal-Forschung bereits viel mit diesem Themenkreis beschäftigt hat, nochmals ein Beitrag zum Begriff der „vérité“ und zu dem für das Pascalsche Denken wichtigen Begriff der „vérité opposée“ vorgelegt werden. Den Ausgangspunkt soll ein Vergleich mit dem Wahrheitsbegriff von Marin Mersenne in La Vérité des sciences. Contre les Sceptiques ou Pyrrhoniens aus dem Jahre 1625 bilden 7, einem Werk, das Robert Lenoble als „une œuvre d’apologétique en faveur de la religion et de la science“ bezeichnet 8. Es handelt sich um ein in Dialogform geschriebenes wissenschaftliches Werk in französischer Sprache, das sich in Verteidigung des christlichen Glaubens polemisch gegen die Skeptiker oder Pyrrhoniens wendet und zur Vulgarisierung der „science“ vor allem im Bereich der Arithmetik, der Geometrie und der Algebra dienen soll. Aus dem gleichen apologetischen Bestreben hatte Mersenne schon 1624 ein umfangreiches Werk L’Impiété des Déistes, Athées, et Libertins de ce temps 9 veröffent4 In der Onzième Lettre heißt es: „Aussi, mes Pères, je puis dire devant Dieu qu’il n’y a rien que je déteste davantage que de blesser tant soit peu la vérité […]“ (Pascal, Les Provinciales, hg. von Louis Cognet, Paris 1983, S. 204). 5 Ebd., S. 203. Vgl. Jürgen Grimm, „Parler avec vérité, parler avec discrétion“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 79/1969, S. 121–153, hier S. 148 f. 6 Vgl. Margot Kruse, „Die Verbindung verschiedener Denkformen in Pascals Pensées“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 138–153. 7 Zitiert wird nach dem Faksimile-Neudruck der Ausgabe Paris 1625, Stuttgart-Bad Cannstatt, Friedrich Frommann Verlag, 1969. In den Zitaten aus den Werken Mersennes wird die Orthographie der Originalausgaben übernommen. 8 Robert Lenoble, Mersenne ou La naissance du mécanisme, Paris 1943, S. 583. 9 Der vollständige Titel lautet: L’Impiété des Déistes, Athées, et Libertins de ce temps,
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licht, das ebenso wie das mehr als ein halbes Jahrhundert später geschriebene apologetische Werk von Michel Mauduit Traitté de Religion contre les Athées, les Déistes et les nouveaux Pyrrhoniens (1677) 10 gegen die Gruppen gerichtet ist, an die sich Pascal in den Pensées als Adressaten seiner Apologie der christlichen Religion wendet11. Da Mersenne in La Vérité des sciences und in L’Impiété des Déistes „la vérité“ an zentralen Stellen thematisiert, aber das Motiv in ganz anderer Weise verwendet als Pascal in den Pensées, bietet ein solcher Vergleich die Möglichkeit, Grundzüge des Pascalschen Denkens und seiner Konzeption der Stellung des Menschen zur „vérité“ durch die Gegenüberstellung mit Textstellen aus den genannten Schriften Mersennes zu verdeutlichen. In La Vérité des sciences geht Mersenne davon aus, daß die Wahrheit im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich unangefochten herrscht. In der „Preface“ heißt es: II n’y a rien au monde qui ait tant de puissance sur nos esprits que la verité, ni qui leur soit plus contraire que le mensonge; aussi a-elle vn tel ascendant sur l’ame qu’elle contraint l’esprit de ceder à tout ce qui est veritable, l’entendement n’ayant point de liberté pour reietter la verité, lors qu’elle est éuidente. Cette vertu est si aimable, & si pretieuse que la plus part de ce qu’on pense n’est pour autre fin que pour treuuer, pour deffendre, & pour conseruer la verité, car c’est en sa faueur que se font les disputes dans les écholes de Theologie, & de Philosophie, que nous écriuons des liures, & que nous mettons nos demonstrations en auant afin qu’il n’y ayt aucun sur la terre qui soit priué de la lumiere de la verité.12
Während Mersenne in diesen Zeilen die Erkenntnisfähigkeit des Menschen in keiner Weise einschränkt, sondern die „verité“ als eine positive Kraft darstellt, die als „vertu“ so stark auf die menschliche Seele einwirkt, daß für die Lüge kein Raum bleibt und der Verstand gar nicht die Freiheit hat, die evidente Wahrheit zurückzuweisen, betont Pascal immer wieder die Schranken, die der Wahrheitserkenntnis des Menschen in dieser Welt
combatuë, & renversée de point en point par raisons tirées de la Philosophie, & de la Théologie. Der Faksimile-Neudruck der Ausgabe Paris 1624, nach der zitiert wird, erschien ebenfalls im Friedrich Frommann Verlag, Stuttgart-Bad Cannstatt 1975. 10 Die überarbeitete und erweiterte zweite Fassung dieses Traitté de Religion erschien in Paris 1698 (vgl. die Édition critique présentée et commentée par Mi-ae Hyun, ClermontFerrand 1996). 11 Vgl. Manfred Heess, Blaise Pascal. Wissenschaftliches Denken und christlicher Glaube, München 1977, S. 63–65: „Der ‚Adressat‘ der Apologie“. 12 Ausgabe von 1625 (wie Anm. 7), Préface o. S.
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gesetzt sind. Für den Autor der Pensées gibt es grundsätzlich keine Sicherheit in der Erkenntnis der Wahrheit außer im Glauben und durch die Offenbarung: „[…] nous n’avons aucune certitude de la vérité de ces principes hors la foi, et la révélation.“ 13 Schon in der Abhandlung De l’esprit géométrique erläutert Pascal die Grundbegriffe der mathematischen Wissenschaften: die Zahl, den Raum, die Zeit und die Bewegung, die als Grundbegriffe der Arithmetik, der Geometrie und der Mechanik evident sind, zielstrebig im Hinblick auf die beiden Unendlichkeiten, die der Mensch nicht mehr „zu begreifen, geschweige denn zu begründen vermag“ 14. Die Folgerung, die Pascal aus diesem Rückgriff auf die „deux merveilleuses infinités“ zieht, läßt erkennen, daß es ihm auch in dieser Abhandlung aus dem Gebiet der „sciences“ letztlich darauf ankommt, daß der Leser die „condition humaine“ im Hinblick auf die Erkenntnis der „vérité“ richtig einschätzt. Der Bezug auf „cette double infinité“, auf die Unendlichkeit im Großen wie im Kleinen, soll die Menschen zur Selbsterkenntnis bringen: […] à se connaître eux-mêmes, en se regardant placés entre une infinité et un néant d’étendue, entre une infinité et un néant de nombre, entre une infinité et un néant de mouvement, entre une infinité et un néant de temps. Sur quoi on peut apprendre à s’estimer son juste prix, et former des réflexions qui valent mieux que tout le reste de la géométrie.15
In den Pensées wird dieser Grundgedanke in dem berühmten Fragment „Disproportion de l’homme“ fortgeführt und im Hinblick auf die engen Grenzen, die der menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit gesetzt sind, vielfältig variiert 16. In bezug auf die Sinneswahrnehmungen heißt es dort: Bornés en tout genre, cet état qui tient le milieu entre deux extrêmes se trouve en toutes nos puissances. Nos sens n’aperçoivent rien d’extrême, trop de bruit nous assourdit, trop de lumière éblouit, trop de distance et trop de proximité empêche la vue.
13 La 131, S 164, Br 434. Zitiert wird nach der Edition der Pensées von Louis Lafuma (La), in: Pascal, Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, S. 493–641. Hinzugefügt werden die Zählungen von Sellier (S) und Brunschvicg (Br). 14 Schobinger, Blaise Pascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen (wie Anm. 3), S. 311. 15 Pascal, De l’esprit géométrique (wie Anm. 2), S. 411. 16 La 199, S 230, Br 72. – Vgl. dazu: Jean Mesnard, „Pascal et la vérité“, in: Chroniques de Port-Royal 17–18/1969, S. 21–40, hier S. 28 f.
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Diese Begrenztheit des Menschen wird auch im Bereich der rationalen Erkenntnis veranschaulicht. Hier zeigt Pascal, wie sich das Unendliche im Kleinen dem Begreifen ebenso entzieht wie das Unendliche im Großen: „[…] les choses extrêmes sont pour nous comme si elles n’étaient point et nous ne sommes point à leur égard; elles nous échappent ou nous à elles.“ Auf dieser „disproportion de l’homme“, dem Mißverhältnis zwischen dem an das Endliche gebundenen Menschen und den „deux infinis“, beruht, wie in dem Fragment La 199 weiter ausgeführt wird, die Unmöglichkeit echter Wahrheitserkenntnis. Auch die Einzelerkenntnisse im Bereich der „sciences“ können nur sehr bedingt als „vérités“ bezeichnet werden, da sie immer partiell bleiben und die Zusammenhänge zwischen den Teilen, die nur vom Ganzen her sichtbar werden, nicht umgreifen: „Mais les parties du monde ont toutes un tel rapport et un tel enchaînement l’une avec l’autre que je crois impossible de connaître l’une sans l’autre et sans le tout.“ In dem Fragment La 905 „Pyrrhonisme“ geht Pascal noch einen Schritt weiter und zeigt, daß es auf dieser Welt keine „vérité essentielle“ gibt, daß sich das Wahre ebenso wie das Gute immer mit dem Falschen und dem Schlechten vermischt: Chaque chose est ici vraie en partie, fausse en partie. La vérité essentielle n’est point ainsi, elle est toute pure et toute vraie. Ce mélange la détruit et l’anéantit. […] Nous n’avons ni vrai ni bien qu’en partie, et mêlé de mal et de faux.17
Pascal hat dieses Fragment „Pyrrhonisme“ überschrieben, weil die Argumentation, was die Wahrheitserkenntnis anbelangt, mit den Prinzipien der Pyrrhoniens übereinstimmt, auf die er sich auch im Fragment La 131 beruft, wo es (in einem später gestrichenen Abschnitt) ausdrücklich heißt: Qu’on accorde donc aux pyrrhoniens ce qu’ils ont tant crié, que la vérité n’est pas de notre portée, ni de notre gibier, qu’elle ne demeure pas en terre, qu’elle est domestique du ciel, qu’elle loge dans le sein de Dieu, et que l’on ne la peut connaître qu’à mesure qu’il lui plaît de la révéler.18
In diesen Zeilen wird der Unterschied zwischen Pascal und Marin Mersenne in der Einstellung zu den Pyrrhoniens ganz deutlich. In der „Preface“ zu La Vérité des sciences wendet sich Mersenne nicht nur polemisch „contre les Sceptiques ou Pyrrhoniens“, sondern er verunglimpft sie auch moralisch als Libertins, die sich gegen die Verbreitung der „lumiere de la verité“ zusammenrotten: 17 La 905, S 450, Br 385. 18 La 131, S 164, Br 434.
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Contre laquelle neantmoins se bandent vn tas de libertins lesquels n’osans faire paroistre leur impieté de peur qu’ils ont d’estre chastiez, s’efforcent de persuader aux ignorans qu’il n’y a rien de certain au monde à raison du flus, & du reflus continuel de tout ce qui est icy bas: ce qu’ils taschent de faire glisser dans lesprit de certains ieunes hommes qu’ils cognoissent estre portez au libertinage, & à toute sorte de voluptez, & de curiositez, afin qu’ayant fait perdre le credit à la verité en ce qui est des sciences, & des choses naturelles qui nous seruent d’échelons pour monter à Dieu, ils fassent le mesme en ce qui est de la religion.19
Eine solch pauschale Ablehnung der Prinzipien der Skeptiker steht in scharfem Gegensatz zu dem Vorgehen Pascals in seinem apologetischen Werk, in dem es immer wieder um ein Suchen nach der Wahrheit geht, ohne daß die „vérité“ jemals zu einem festen Besitz werden kann, da die „condition humaine“ dadurch gekennzeichnet ist, daß die Menschen unfähig sind „de savoir certainement et d’ignorer absolument“. Im Fragment La 199 wird durch eindrucksvolle Bilder die Sinnlosigkeit der Suche nach einer „dernière base constante“ veranschaulicht: „Ne cherchons donc point d’assurance et de fermeté; notre raison est toujours déçue par l’inconstance des apparences: rien ne peut fixer le fini entre les deux infinis qui l’enferment et le fuient.“ 20 So billigt Pascal in Fragment La 619 den Pyrrhoniens ebenso wie den Stoikern und sogar den Atheisten eine partielle Wahrheit ihrer Prinzipien zu: „Tous leurs principes sont vrais, des pyrrhoniens, des stoïques, des athées, etc… mais leurs conclusions sont fausses, parce que les principes opposés sont vrais aussi.“ 21 Wenn hier die einander ausschließenden Prinzipien der gegensätzlichen philosophischen Schulen alle als „vrais“ bezeichnet werden, so ist das ein Paradox, das auf den Begriff der „vérités opposées“ in dem Fragment La 733 vorausweist, in dem Pascal auch im Bereich des Glaubens und der Moral von verschiedenen Wahrheiten spricht, die einander zu widersprechen scheinen, die miteinander in Konflikt stehen und dennoch in einer höheren Ordnung alle Bestand haben: „II y a donc un grand nombre de vérités, et de foi et de morale qui semblent répugnantes et qui subsistent toutes dans un ordre admirable.“ 22
19 20 21 22
Mersenne, La Vérité des sciences (wie Anm. 7), o. S. La 199, S 230, Br 72. La 619, S 512, Br 394. La 733, S 614, Br 862. – Philippe Sellier merkt an, daß répugnantes hier „en conflit“ bedeutet (Pensées, Nouvelle Édition, établie […] d’après la copie de référence de Gilberte Pascal, Paris 1976, S. 308).
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Zum Begriff der „vérité“ und der „vérité opposée“ in Pascals Pensées
Auf die Konsequenzen dieses Wahrheitsbegriffs im theologischen und im moralischen Bereich werden wir zurückkommen. Bevor der Begriff der „vérité opposée“ und seine Bedeutung in den Pensées näher erläutert werden, soll jedoch noch auf die ganz andersartige Verwendung des Begriffs der „vérité“ in dem apologetischen Werk von Marin Mersenne L’Impiété des Déistes, Athées, et Libertins de ce temps hingewiesen werden, da durch den Vergleich die Neuartigkeit in der Argumentation Pascals besonders deutlich wird. Auch dieses apologetische Werk Mersennes, in dem die Lehren der Deisten, der Atheisten und der Libertins mit philosophischen und theologischen Begründungen zurückgewiesen werden, ist in Dialogform geschrieben. Ein Theologe, der ganz anders vorgeht als der Autor der Pensées, erläutert einem Deisten „l’excellence de l’homme“, ohne auf die „miseria hominis“ einzugehen; er betont die Befähigung des Menschen zu moralischem Handeln, ohne die Gnadenbedürftigkeit des Menschen hervorzuheben, und er entwickelt, um dem Atheismus ein Ende zu bereiten, in den Kapiteln V und VI rationale Gottesbeweise in Form von elf „raisons“ für die Existenz Gottes. Unter diesen „raisons“ ist die siebente Begründung „prise de la vérité“. Es handelt sich um eine formallogische Argumentation, in der Mersenne nachzuweisen sucht, „qu’il y a vne verité eternelle, laquelle ne depend d’ailleurs, & est Dieu mesme“ 23. Pascal dagegen lehnt jeden rationalen oder metaphysischen Gottesbeweis ab 24, vermeidet jede formallogische Argumentation und wendet sich auch gegen eine Gleichsetzung des Begriffs der Wahrheit mit Gott selbst, wenn diese Gleichsetzung nicht in der Christologie ihre Wurzel hat und in der Johanneischen Tradition erfolgt, die sich auf das Christuswort Joh. 14, 6 berufen kann: „Je suis la voie, la vérité et la vie: personne ne vient au Père que par moi.“ 25 In dem Fragment La 926 ist sogar eine indirekte Kritik an der Argumentation Mersennes enthalten, wenn es heißt: „On se fait une idole de la vérité même, car la vérité hors de la charité n’est pas Dieu, et est son image et une idole qu’il ne faut point aimer ni adorer […]“ 26. Die Zusammengehörigkeit von „vérité“ und „charité“ wird von Pascal mehrmals betont. Im zweiten Teil der Réflexions sur la géométrie en général: De l’art de persuader weist der Autor darauf hin, 23 Mersenne, L’Impiété des Déistes, Athées, et Libertins de ce temps (wie Anm. 9), S. 112 f., hier S. 113. 24 Vgl. La 190, S 223, Br 543 und La 781, S 644, Br 242. 25 Zitiert nach der Übersetzung von Louis-Isaac Lemaître de Sacy, in: La Bible, hg. von Philippe Sellier, Paris 1990. 26 La 926, S 755, Br 582.
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[…] qu’au lieu qu’en parlant des choses humaines on dit qu’il faut les connaître avant que de les aimer, […] les saints au contraire disent en parlant des choses divines qu’il faut les aimer pour les connaître, et qu’on n’entre dans la vérité que par la charité, dont ils ont fait une de leurs plus utiles sentences.27
Diese „Sentenz“ geht, wie Jean-Pierre Schobinger in seinem Kommentar feststellt 28, auf einen Ausspruch des hl. Augustinus zurück: „non intratur in veritatem nisi per charitatem“ (Contra Faustum 32, 18), der von Jansenius im zweiten Band seines Hauptwerkes Augustinus zitiert wird und den auch Nicole im Vorwort zu seinem Traité de la prière wiederaufgenommen hat. In den Pensées findet sich die Verbindung von „vérité“ und „charité“ noch einmal im Fragment La 176: „Ceux qui n’aiment pas la vérité prennent le prétexte de la contestation et de la multitude de ceux qui la nient, et ainsi leur erreur ne vient que de ce qu’ils n’aiment pas la vérité ou la charité.“ 29 Der Wahrheitsbegriff, der hier in die Nähe der „charité“ gerückt wird, bezieht sich, wie in De l’art de persuader deutlich gesagt wird, auf die „choses divines“. Wenn es um Gott, die Offenbarung und die göttlichen Dinge geht, ist in der Pascalschen Apologie alles auf die „charité“ ausgerichtet. Sie ist das Zentrum: „On ne s’éloigne qu’en s’éloignant de la charité.“ 30 So ist auch die „reine“ Wahrheit, die „vérité essentielle“ oder „substantielle“, der Seinsordnung der „charité“ zuzuordnen, die Pascal im Fragment La 308 beschrieben und grundsätzlich von den Seinsordnungen der „corps“ und der „esprits“ unterschieden hat 31. In diesem „ordre surnaturel“, in dem es keine „contrariétés“ gibt, werden „vérité“, „charité“ und „Dieu“ zu einer Einheit, während in den Seinsordnungen der Körperwelt und des menschlichen Geistes die Vielheit und die Gegensätzlichkeit konstitutiv sind. Dieser dem „ordre de la charité“ zuzuordnende Wahrheitsbegriff ist gemeint, wenn Thomas More Harrington in Pascal philosophe schreibt: „Pascal croit à la vérité une, éternelle, infinie, ‚essentielle‘ (Fr. 905) ou toute pure, et ‚substantielle‘ (Fr. 418), c’est-à-dire indé-
27 Pascal, Œuvres diverses (wie Anm. 2), S. 413 f. 28 Schobinger, Blaise Pascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen (wie Anm. 3), S. 413. 29 La 176, S 207, Br 261. 30 La 948, S 769, Br 668. 31 Vgl. La 308, S 339, Br 793.
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pendante de l’homme et de ses moyens de connaissance.“ 32 Aus den „pensées“, auf die Harrington verweist, wird ganz deutlich, daß es diese „vérité substantielle“ oder „essentielle“ im Diesseits nicht gibt, daß sie dem Menschen unzugänglich bleiben muß und daß sie von ihm in ihrem Wesen auch nicht erkannt werden kann. In dem Fragment La 418, das das berühmte Argument der Wette enthält, wird gefragt: „N’y a-t-il point de vérité substantielle, voyant tant de choses vraies qui ne sont point la vérité même?“33 Und in dem Fragment La 905, auf das bereits im Zusammenhang mit der Stellung Pascals zu den Pyrrhoniens hingewiesen worden ist, heißt es ausdrücklich: Chaque chose est ici vraie en partie, fausse en partie. La vérité essentielle n’est point ainsi, elle est toute pure et toute vraie. Ce mélange la détruit et l’anéantit. Rien n’est purement vrai et ainsi rien n’est vray en l’entendant du pur vrai. […] Nous n’avons ni vrai, ni bien qu’en partie, et mêlé de mal et de faux.34
Diesen Gedanken, daß es im Bereich der „choses humaines“ und der menschlichen Erkenntnis nur eine partielle Wahrheit gibt, die im Hinblick auf das Ganze ergänzungsbedürftig ist oder Falsches in sich enthält, hat Pascal an verschiedenen Stellen seines Werkes näher ausgeführt. Hingewiesen wurde bereits auf das Fragment La 199 „Disproportion de l’homme“, in dem der Autor den Menschen mit der „nature entière dans sa haute et pleine majesté“ konfrontiert, ihm seine Stellung im Hinblick auf das Unendliche und auf das Nichts vergegenwärtigt und ihm die engen Grenzen seiner Erkenntnisfähigkeit bewußt macht: Car enfin qu’est-ce que l’homme dans la nature? Un néant à l’égard de l’infini, un tout à l’égard du néant, un milieu entre rien et tout, infiniment éloigné de comprendre les extrêmes; la fin des choses et leurs principes sont pour lui invinciblement cachés dans un secret impénétrable.35
Die Wahrheit, die der Mensch erkennen oder erreichen kann, ist nur eine partielle Wahrheit, da ihm der Ursprung der Dinge ebenso verschlossen ist wie ihr Ende oder ihre Bestimmung. Hinzu kommt, daß – wie in dem Fragment La 44 „Imagination“ gezeigt wird – die Wahrheit und die Gerechtigkeit so subtile Zielpunkte menschlichen Strebens sind, daß unsere Erkenntnismittel nicht ausreichen, um sie genau zu erfassen: 32 Thomas More Harrington, Pascal philosophe. Une étude unitaire de la Pensée de Pascal, Paris 1982, S. 79. 33 La 418, S 680, Br 233. 34 La 905, S 450, Br 385. 35 La 199, S 230, Br 72.
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La justice et la vérité sont deux pointes si subtiles que nos instruments sont trop mousses pour y toucher exactement. S’ils y arrivent ils en écachent la pointe et appuient tout autour plus sur le faux que sur le vrai.36
Wenn für Pascal jede Wahrheit im menschlichen Bereich nur eine „vérité partielle“ ist, muß es verschiedene Wahrheiten geben, die nebeneinander Bestand haben und sogar im Widerspruch zueinander stehen können. So finden sich die „contrariétés“, denen eine so große Bedeutung in den Pensées zukommt 37, auch in diesen gegensätzlichen „vérités“ wieder. Den Ausdruck „vérité opposée“ verwendet Pascal im ersten Teil der Pensées 38, der sich mit der anthropologischen und moralistischen Grundlegung der Apologie der christlichen Religion beschäftigt, noch nicht, obgleich der Autor in diesem Teil das „Daseinsparadox“ von der „grandeur et misère de l’homme“ entwickelt 39, das bereits den Gedanken der „vérité opposée“ in sich enthält. Die sich ausschließenden Gegensätze von „dignitas et miseria hominis“, die Pascal an einer Fülle eindrucksvoller Bilder veranschaulicht, bestimmen die „conditio humana“ gleichermaßen, so daß alle Aussagen über den Menschen zu paradoxen Aussagen werden, in denen Pascal die eine „vérité“, die Ausdruck der „grandeur“ des Menschen ist, unmittelbar neben die „vérité opposée“ stellt, die in der „misère de l’homme“ begründet ist. In der Liasse VII Contrariétés finden sich zahlreiche Beispiele. So fragt Pascal im Fragment La 131: „Quelle chimère est-ce donc que l’homme? […] quel sujet de contradictions, quel prodige?“ und veranschaulicht die Widersprüche im Menschen, indem er in asyndetischer Reihung die Gegensätze nebeneinanderstellt: „Juge de toutes choses, imbécile ver de terre, dépositaire du vrai, cloaque d’incertitude et d’erreur, gloire et rebut de l’univers.“ Dem „Daseinsparadox“ entspricht das „Erkenntnisparadox“. Auch hier ist die „condition humaine“ durch ein gleichzeitiges „savoir“ und „ignorer“ gekennzeichnet. Es gibt keine
36 La 44, S 78, Br 82. 37 Das gilt nicht nur für die Liasse VII Contrariétés, sondern ist ein Grundzug des Pascalschen Werkes, wie in der Sekundärliteratur mehrfach betont worden ist. Vgl. z. B. Jean Pucelle, „La dialectique du renversement du pour au contre et l’antithétique pascalienne“, in: Méthodes chez Pascal, Actes du Colloque tenu à Clermont-Ferrand, 10–13 juin 1976, Paris 1979, S. 445–461. 38 Gemeint sind die Liasses I–X der „Papiers classés“ und die thematisch dazugehörigen Fragmente der „Papiers non classés“. 39 Vgl. Hugo Friedrich, „Pascals Paradox. Das Sprachbild einer Denkform“ (1936), in: H. F., Romanische Literaturen. Aufsätze I: Frankreich, Frankfurt a. M. 1972, S. 84–138, hier S. 107 f.
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sichere Erkenntnis und keine Flucht in ein völliges Nichtwissen: „Voilà notre état véritable. C’est ce qui nous rend incapables de savoir certainement et d’ignorer absolument.“ 40 Nach Lucien Goldmann ist dieses Menschenbild Pascals, das in der Denk- und Sprachform des Paradoxes und in der literarischen Form des Fragmentes seinen adäquaten Ausdruck findet, eine „vision tragique“. Er schreibt: Dans le monde – tel que le voit Pascal – aucune affirmation n’est vraie si on ne lui ajoute, pour la compléter, l’affirmation contraire; aucune action n’est bonne sans une action contraire qui la complète et la corrige. C’est précisément pourquoi ce monde est insuffisant, un monde sans Dieu, un monde qui écrase l’homme et que l’homme doit nécessairement dépasser pour rester homme.41
Dieses Urteil verweist in seinem ersten Teil ebenfalls auf die Verbindung von „vérité“ und „vérité opposée“ sowie mit dem Beispiel der „action bonne“ und der „action contraire“ auf die Zusammengehörigkeit von „vertu“ und „vertu opposée“ in den Pensées 42. Die Folgerung, die Goldmann aus diesen paradoxen „contrariétés“ zieht, wird jedoch dem Weltbild Pascals nicht gerecht, denn der Autor der Pensées schildert dem Libertin, den er zum christlichen Glauben führen will, nicht „un monde sans Dieu“, sondern eine Welt, in der Gott sich verbirgt und offenbart 43, so daß dem „Daseins- und Erkenntnisparadox“ das „Glaubensparadox“ entspricht. Und die Welt in den Pensées ist nicht nur „un monde qui écrase l’homme“, sondern auch eine Welt, in der dem Menschen Gnade zuteil werden kann: „La grâce sera toujours dans le monde […]“ 44. Eine Begründung für die paradoxe Lage des Menschen vermag die Philosophie nach der Überzeugung Pascals nicht zu geben 45, sondern nur die christliche Lehre vom Sündenfall und der Erbsünde, die schon im Werk des hl. Augustinus eine zentrale Stellung einnimmt und auch in den Pensées den Schlüssel zum Verständnis der „condition humaine“ bil-
40 La 199, S 230, Br 72. 41 Lucien Goldmann, „Le paradoxe et le fragment“, in: L. G., Le Dieu caché. Étude sur la vision tragique dans les „Pensées“ de Pascal et dans le théâtre de Racine, Paris 1959, S. 216–227, hier S. 218. 42 Zu „vertu“ und „vertu opposée“ vgl. La 681, S 560, Br 353. 43 Vgl. Fragment La 444, S 690, Br 557 und La 446, S 690, Br 586. 44 La 662, S 544, Br 521. 45 Vgl. Henri Gouhier, „L’échec de la philosophie dans la nouvelle apologétique“, in: H. G., Blaise Pascal. Conversion et apologétique, Paris 1986, S. 132–135.
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det 46. Die Philosophen sehen, wie Pascal im Entretien avec Monsieur de Sacy ausführt, entweder nur „la grandeur de l’homme“ wie Epiktet, der, „connaissant le devoir de l’homme et ignorant son impuissance, se perd dans la présomption“, oder sie betonen „la vanité“, „la faiblesse“ und „la misère de l’homme“ wie Montaigne, der, „connaissant l’impuissance et non le devoir […] s’abat dans la lâcheté“ 47. So enthält nach Pascal sowohl die auf der „grandeur de l’homme“ beruhende stoische Morallehre Epiktets eine partielle Wahrheit, die mit Falschem verbunden ist, als auch die skeptische, durch die „misère de l’homme“ gekennzeichnete Moralistik Montaignes eine gegensätzliche partielle Wahrheit, so daß man auch hier von einer „vérité opposée mêlée de faux“ sprechen könnte. Den Gedanken, daß man die beiden partiellen Wahrheiten der gegensätzlichen Positionen Epiktets und Montaignes so miteinander verbinden könne, „que l’on formerait en les alliant une morale parfaite“, weist Pascal in dem Entretien avec Monsieur de Sacy strikt zurück: […] il ne réussirait de leur assemblage qu’une guerre et qu’une destruction générale: car l’un établissant la certitude et l’autre le doute, l’un la grandeur de l’homme et l’autre sa faiblesse, ils ruinent la vérité aussi bien que la fausseté l’un de l’autre. De sorte qu’ils ne peuvent subsister seuls à cause de leurs défauts, ni s’unir à cause de leurs oppositions, et qu’ainsi ils se brisent et s’anéantissent pour faire place à la vérité de l’Évangile.48
Die Ursache dafür, daß eine Vereinigung der Wahrheit der Lehre Epiktets mit der „vérité opposée“ des Moralisten Montaigne in der philosophischen Anthropologie nicht möglich ist, besteht nach Pascal darin, „que ces sages du monde placent les contraires dans un même sujet“. Die gegensätzlichen „vérités“ werden von dem Stoiker und dem Skeptiker gleichermaßen auf die Natur zurückgeführt:
46 So heißt es im Fragment La 427, S 681, Br 194: „Car la foi chrétienne ne va presque qu’à établir ces deux choses: la corruption de la nature, et la rédemption de Jésus-Christ.“ Vgl. Jean Mesnard, Les Pensées de Pascal (1976), Paris 1993, Kap. 3, S. 147–156 („La Chute et la concupiscence“) und Philippe Sellier, Pascal et saint Augustin (1970), Paris 1995, S. 248–255 („La chute“). 47 Entretien avec Monsieur de Sacy sur Épictète et Montaigne, in: Pascal, Œuvres complètes, Bd. 3 (wie Anm. 2), S. 76–157, hier S. 153. Vgl. die entsprechende Gegenüberstellung in den Pensées, wo es heißt: „,Haussez la tête, hommes libres‘, dit Épictète. Et les autres lui disent: ,Baissez vos yeux vers la terre, chétif ver que vous êtes, et regardez les bêtes dont vous êtes le compagnon‘.“ (La 430, S 683, Br 431). 48 Ebd., S. 153 f. Ein ganz ähnlicher Gedankengang findet sich in den Pensées im Fragment La 208, S 240, Br 435.
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[…] l’un attribuait la grandeur à la nature et l’autre la faiblesse à cette même nature, ce qui ne pouvait subsister; au lieu que la foi nous apprend à les mettre en des sujets différents; tout ce qu’il y a d’infirme appartenant à la nature, tout ce qu’il y a de puissant appartenant à la grâce.
Nur der Glaube an den Sündenfall und die Erlösung des Menschen durch Christus vermag die „contrariétés“ zu erklären, indem das Elend seine Ursache in der sündigen Natur des Menschen hat, während die Größe des Menschen auf der göttlichen Gnade beruht. Diese „union étonnante et nouvelle“ von „nature“ und „grâce“ aber ist für Pascal nur im Hinblick auf das Glaubensparadox der Verbindung von Gott und Mensch in der Person Jesu Christi zu erklären; sie ist nichts anderes „qu’une image et qu’un effet de l’union ineffable de deux natures dans la seule personne d’un Homme-Dieu“ 49. So führt die philosophische Reflexion Pascal auch hier, wo es um die Wahrheit in bezug auf die „condition humaine“ geht, unwillkürlich in den Bereich der Theologie. In dem Entretien entschuldigt sich Pascal ausdrücklich bei M. de Sacy für dieses Vorgehen mit einer Begründung, die unmittelbar zu seinem Wahrheitsbegriff zurückführt: Je vous demande pardon, Monsieur, […] de m’emporter ainsi devant vous dans la théologie, au lieu de demeurer dans la philosophie, qui était seule mon sujet; mais il m’y a conduit insensiblement; et il est difficile de n’y pas entrer, quelque vérité qu’on traite, parce qu’elle est le centre de toutes les vérités […] 50.
Die Begründung: „parce qu’elle est le centre de toutes les vérités“ bezieht sich im vorliegenden Kontext nicht auf die Theologie als Wissenschaft, sondern auf die im christozentrischen Denken Pascals fundamentale Glaubenswahrheit der „union ineffable de deux natures dans la seule personne d’un Homme-Dieu“. Diese paradoxe „union ineffable“ steht auch in den Pensées im Mittelpunkt der Apologie des christlichen Glaubens, da sich in ihr „la charité“ verkörpert 51. In dem Fragment La 733, dem für unsere Fragestellung besondere Bedeutung zukommt, heißt es: „La foi embrasse plusieurs vérités qui semblent se contredire […]. La source en est l’union des deux natures en Jésus-Christ.“ 52 49 Ebd., S. 154. Zu den Parallelen zwischen dem Entretien avec Monsieur de Sacy und den Pensées vgl. Pierre Courcelle, „L’Entretien“ de Pascal et Sacy. Ses sources et ses énigmes, Paris 1960, S. 127–139, hier S. 131–133. 50 Entretien avec Monsieur de Sacy (wie Anm. 47), S. 154. 51 Folglich wählt Pascal in dem berühmten Fragment von den drei Seinsordnungen (La 308, S 339, Br 793) Jesus Christus zum Repräsentanten des „ordre de la charité“. 52 La 733, S 614, Br 862.
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Obgleich in der Seinsordnung der „charité“ die Einheit an die Stelle der „contrariétés“ tritt und die „vérité essentielle“ keine Vielheit zuläßt, geht Pascal davon aus, daß der Glaube, in dessen Zentrum Christus steht, „plusieurs vérités“ umfaßt, die einander zu widersprechen scheinen. Er verwendet den Ausdruck „vérités opposées“, der sich in den Pensées nur in dem Fragment La 733 findet 53, speziell im Hinblick auf die verschiedenen religiösen Irrlehren, die er als „erreurs contraires“ bezeichnet 54, aber denen er dennoch zubilligt, daß sie partielle, gegensätzliche Wahrheiten enthalten. Wie in den Reflexionen über die „condition humaine“ und den daraus folgenden gegensätzlichen philosophischen Morallehren gilt für Pascal auch bei den Gegensätzen im Bereich des Glaubens die Forderung, von den beiden konträren Begründungen für die entgegengesetzten Positionen und der darin jeweils enthaltenen Wahrheit auszugehen. Das wird ganz deutlich in dem Fragment La 576: „Les deux raisons contraires. Il faut commencer par là sans cela on n’entend rien, et tout est hérétique. Et même à la fin de chaque vérité il faut ajouter qu’on se souvient de la vérité opposée.“ 55 Damit sind die Voraussetzungen gegeben, um die Folgerungen zu verstehen, die Pascal im Fragment La 733 aus seiner Forderung der Berücksichtigung der „vérité opposée“ zieht. Im Hinblick auf die religiösen Irrlehren, deren Bekämpfung nach der Gegenreformation im Frankreich des 17. Jahrhunderts eine große Rolle spielte und zu heftigen Auseinandersetzungen in theologischen Streitschriften führte, heißt es: La source de toutes les hérésies est l’exclusion de quelques-unes de ces vérités. Et la source de toutes les objections que nous font les hérétiques est l’ignorance de quelques-unes de nos vérités. Et d’ordinaire il arrive que ne pouvant concevoir le rapport de deux vérités opposées, et croyant que l’aveu de l’une enferme l’exclusion de l’autre, ils s’attachent à l’une, ils excluent l’autre et pensent que nous, au contraire. Or l’exclusion est la cause de leur hérésie; et l’ignorance que nous tenons l’autre, cause leurs objections.
53 Der Ausdruck „vérité opposée“ im Singular findet sich in den Pensées an zwei Stellen: in dem genannten Fragment La 733 und in dem Fragment La 576. – Vgl. Hugh M. Davidson/Pierre H. Dubé (Hg.), A Concordance to Pascals „Pensées“, Ithaca/London 1975. Für das Wort „vérité“ führt die Konkordanz 204 Belege an, hinzu kommen 30 Belege für den Plural „vérités“. 54 Das Fragment La 733, S 614, Br 862 beginnt mit dem Satz: „L’Eglise a toujours été combattue par des erreurs contraires.“ 55 La 576, S 479, Br 567.
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Pascal, der der religiösen Erneuerungsbewegung von Port-Royal nahestand und die augustinische Gnaden- und Morallehre vertrat, hatte einerseits die Lehre der Jesuiten und Molinisten schon in seinen Lettres provinciales wirkungsvoll bekämpft und war andererseits auch ein scharfer Gegner der reformatorischen Lehren der Calvinisten. In den Pensées aber wendet er, wenn er über die verschiedenartigen Irrlehren seiner Zeit spricht, eine ganz neuartige Strategie an. Er sucht nicht zu zeigen, daß die Argumente der Häretiker falsch oder daß sie selbst unglaubwürdig sind, sondern er stellt heraus, daß auch ihre Lehre eine Wahrheit enthält. Wenn er sie dennoch als Häresien bezeichnet, so liegt die Ursache darin, daß sie die konträre Wahrheit ausschließen: „l’exclusion [de la vérité opposée] est la cause de leur hérésie“. Dementsprechend sieht Pascal auch den Grund für die Einwände, die die Häretiker gegen die von ihm vertretene Lehre der Kirche erheben, in der „ignorance de quelques-unes de nos vérités“. Zur Veranschaulichung wird zunächst ein bedeutsames historisches Beispiel für eine solche Häresie angeführt: die Leugnung der Wesensgleichheit Christi mit Gott dem Vater durch die Arianer im 4. Jahrhundert, die auf dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr. als Irrlehre verurteilt wurde: 1. Exemple. Jésus-Christ est Dieu et homme. Les Ariens ne pouvant allier ces choses qu’ils croient incompatibles, disent qu’il est homme, en cela ils sont catholiques; mais ils nient qu’il soit Dieu, en cela ils sont hérétiques. Ils prétendent que nous nions son humanité, en cela ils sont ignorants.
Das zweite Beispiel ist im Hinblick auf die Folgerungen, die sich aus dem Pascalschen Begriff der „vérité opposée“ auf theologischem Gebiet ziehen lassen, besonders wichtig. Es handelt von den im 17. Jahrhundert viel diskutierten Streitfragen in der Abendmahlslehre, die noch heute in der theologischen Diskussion Aktualität besitzen. Den Ausgangspunkt bilden wiederum die „deux raisons contraires“, nämlich auf der einen Seite die Transsubstantiationslehre, nach der, da die Substanz des Brotes in den Leib Christi gewandelt wird, Christus in der Eucharistie real gegenwärtig ist, und auf der anderen Seite die gegensätzliche Lehre, nach der das Abendmahl ein Sakrament ist, das als Figura auf das Kreuz Christi und auf seine „gloire“ im Jenseits verweist und zugleich eine Gedächtnisfeier an dieses Heilsgeschehen ist. Auch hier spricht Pascal von den zwei Wahrheiten „qui semblent opposées“ und die dennoch der katholische Glaube umfaßt: 2. Exemple. Sur le sujet du Saint-Sacrement nous croyons que la substance du pain étant changée et transsubstanciée en celle du corps de Notre Seigneur, Jésus-Christ y est présent réellement: voilà une des vérités. Une autre est que
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ce sacrement est aussi une figure de celui de la croix, et de la gloire, et une commémoration des deux. Voilà la foi catholique qui comprend ces deux vérités qui semblent opposées. L’hérésie d’aujourd’hui ne concevant pas que ce sacrement contient tout ensemble et la présence de Jésus-Christ, et sa figure, et qu’il soit sacrifice, et commémoration de sacrifice, croit qu’on ne peut admettre l’une de ces vérités sans exclure l’autre, pour cette raison. Ils s’attachent à ce point seul que ce sacrement est figuratif, et en cela ils ne sont pas hérétiques. Ils pensent que nous excluons cette vérité. Et de là vient qu’ils nous font tant d’objections sur les passages des Pères qui le disent. Enfin ils nient la présence et en cela ils sont hérétiques.56
Wenn Pascal von der gegenwärtigen Irrlehre (der „hérésie d’aujourd’hui“) spricht, so ist damit an dieser Stelle zweifellos die Abendmahlslehre der Reformierten gemeint, von denen er sagt, sie glaubten nicht, daß dieses Sakrament zugleich die Gegenwart Christi enthält und als Figura auf ihn verweist, daß sich im Abendmahl das Opfer Christi erneuert und daß es zugleich Gedächtnisfeier an dieses Opfer ist, sondern sie seien davon überzeugt, daß man nicht an eine dieser Wahrheiten glauben kann, ohne die andere auszuschließen. Ihre Häresie bestehe nicht darin, daß dieses Sakrament für sie eine „Figura“ Christi ist, d. h. ein Sinnbild, das auf Christi Kreuz und seine Herrlichkeit im Jenseits verweist, sondern darin, daß sie die „vérité opposée“, die reale Gegenwart Christi im Abendmahl, ausschließen. Der katholische Glaube umfasse dagegen „ces deux vérités qui semblent opposées“, also auch die Lehre „que ce sacrement est figuratif“. Um diesen Gedanken nachvollziehen zu können, ist es notwendig, sich an die Bedeutung der „Figures“ in Pascals Pensées zu erinnern und weitere Fragmente über die Eucharistie heranzuziehen, die auch im Hinblick auf den Begriff der „vérité“ und der „vérité opposée“ von Interesse sind. Ausgehend von der „Typologie“ bei dem Apostel Paulus und der von den Kirchenvätern begründeten „Figuraldeutung“ der Bibel entwikkelt Pascal die „figure“ zu einer Denkform, die es ihm ermöglicht, zwischen „vérité“ und „vérité opposée“ zu vermitteln, da die „figure“ selbst eine paradoxe Struktur aufweist 57, wie das Fragment La 265 bestätigt: „Figure porte absence et présence, plaisir et déplaisir.“ 58 So wie bei Pau-
56 La 733, S 614, Br 862. 57 Margot Kruse, „Die Bedeutung der ,Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“, wiedergedruckt in diesem Band, S. 121–137, hier S. 129; vgl. zum folgenden S. 128–132. 58 La 265, S 296, Br 677. Vgl. auch das Fragment La 260, S 291, Br 678, dem Pascal eine
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lus „Typ und Antityp […] formal durch eine Entsprechung verbunden [sind], die eine Steigerung einschließt […]“ 59, weist auch in den Pensées „die Beziehung zwischen den ,choses figurantes‘ und den ,choses figurées‘ eine entsprechende Steigerung auf“ 60. Wenn das Abendmahl als „figure“ bezeichnet wird, kann dieses Sakrament einerseits als „chose figurante“ verstanden werden, die auf eine höhere Wirklichkeit hinweist – wie im Fragment La 733: „une figure de celui de la croix, et de la gloire“ –, und andererseits kann dieses Sakrament als „chose figurée“ eingesetzt werden, als Erfüllung einer Ankündigung, wie in dem Fragment La 968, wo es heißt: „Eucharistie après la Cène. Vérité après figure.“ 61 Hier ist das letzte Abendmahl, das Christus vor seinem Tod mit seinen Jüngern feierte, die „chose figurante“, die auf seinen Opfertod vorausweist, und die Eucharistie die Erfüllung, „qui commémore et perpétue le sacrifice du Christ“ 62. Schließlich überträgt Pascal auch die von den Kirchenvätern entwikkelte „dreistufige Figuraldeutung“ 63 auf die Abendmahlslehre und zieht die Konsequenz aus der paradoxen Struktur der „figure“, indem er die Eucharistie, die als „chose figurée“ im Fragment La 968 mit der Wahrheit gleichgesetzt wird, im Fragment La 270 zur „chose figurante“ macht, die auf das Jenseits verweist: „Et les chrétiens prennent même l’Eucharistie pour figure de la gloire où ils tendent.“ 64
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ganz ähnliche Aussage voranstellt, die wiederum eine Reflexion zum Thema „Figures“ einleitet: „Un portrait porte absence et présence, plaisir et déplaisir. La réalité exclut absence et déplaisir.“ Leonhard Goppelt, „Apokalyptik und Typologie bei Paulus“ (1964), abgedruckt als Anhang zu: L. G., Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen (1939), Darmstadt 1990, S. 257–299, hier S. 274. Kruse, „Die Bedeutung der ,Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“ (wie Anm. 57), S. 128. La 968, S 802, Br 654. Paul Robert, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française, Paris 1967, S. 640, Eucharistie. Schon Erich Auerbach hat in seinem „Figura“-Aufsatz von 1939 darauf hingewiesen, daß bereits „bei einigen Früheren“ und „noch ausgeprägter bei Augustin […] die Gegenüberstellung zweier Pole, Figur und Erfüllung, zuweilen ersetzt wird durch einen dreistufigen Vollzug: das Gesetz oder die Geschichte der Juden als prophetische figura für Christi Erscheinen; die Inkarnation als Erfüllung dieser figura, und zugleich als neue Verheißung von Weltende und Jüngstem Gericht; und schließlich das künftige Eintreffen dieser Ereignisse als endgültige Erfüllung“ (wiedergedruckt in: E. A., Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 55–92, hier S. 70). La 270, S 301, Br 670.
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Bezieht man diesen wenig beachteten Gedanken in die Interpretation der Abendmahlslehre in den Pensées ein, läßt sich auch die schon mehrmals zitierte Formulierung: „ce sacrement est une figure de celui de la croix, et de la gloire“ (La 733) als Ausdruck der dreistufigen Figuraldeutung verstehen. An die Stelle der drei Stufen der Offenbarung in der traditionellen Bibelexegese, nach der das Alte Testament („la loi“) auf die Erfüllung im Neuen Testament („la grâce“) verweist, und das Neue Testament wiederum auf die Erfüllung der Verheißungen im Jenseits („la gloire“), tritt als erste Stufe „la Cène“ als Ankündigung des Kreuzestodes und als vorausdeutendes Sinnbild dieses Sakraments; die zweite Stufe bildet „l’Eucharistie“, als Erfüllung dieser „figure“ und zugleich als Verweis auf die dritte Stufe: „la gloire“, d. h. auf die endgültige Erfüllung der Vereinigung mit Christus im Jenseits. Im Fragment La 826 wird der Gedanke der dreistufigen Offenbarung noch einmal variiert und dabei der Begriff der „vérité“ in den Mittelpunkt gestellt. Gemeint ist die „vérité du Messie“, die im Alten Testament noch verborgen war und nur in „figures“ angekündigt wurde; die auf der zweiten Stufe, repräsentiert durch die Kirche, einerseits immer noch verhüllt ist und andererseits durch die Übereinstimmung mit der figuralen Ankündigung erkannt wird, während sie auf der dritten Stufe, im Jenseits, unverhüllt in Erscheinung tritt. Dans les Juifs la vérité n’était que figurée; dans le ciel elle est découverte. Dans l’Église elle est couverte et reconnue par le rapport à la figure. La figure a été faite sur la vérité. Et la vérité a été reconnue sur la figure.65
In den beiden letzten Sätzen charakterisiert Pascal das Verhältnis von „vérité“ und „figure“ in zwei parallel gebauten Aussagen: „Das Vorbild ist nach der Wahrheit gestaltet worden./ Und die Wahrheit ist am Vorbild erkannt worden.“ 66 Zieht man zur Interpretation dieser Aussagen die ersten Sätze des Fragments La 826 heran: „La religion des Juifs a donc été formée sur la ressemblance de la vérité du Messie et la vérité du Messie a été reconnue par la religion des Juifs qui en était la figure […]“, so wird deutlich, daß Pascal in den letzten Sätzen „la vérité“ mit Jesus Christus
65 La 826, S 667, Br 673. 66 Übersetzung von Ulrich Kunzmann, in: Blaise Pascal, Gedanken über die Religion und einige andere Themen, hg. von Jean-Robert Armogathe, Stuttgart 1987, La 826. Dies ist die einzige deutsche Übersetzung der Pensées, die der Anordnung der Fragmente von Lafuma folgt und die neuere Forschung berücksichtigt.
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gleichsetzt, auf den das Alte Testament durch die „figures“ hinweist 67. Der Messias ist von denen, die nicht die irdischen Dinge liebten, sondern die „choses figurées“, in den verhüllenden Bildern des Alten Testaments erkannt worden, diejenigen aber, die in den „pensées terrestres“ befangen waren, haben ihn nicht erkannt: „Les Juifs ont tant aimé les choses figurantes et les ont si bien attendues qu’ils ont méconnu la réalité quand elle est venue dans le temps et en la manière prédite.“ 68 Entsprechendes gilt für die Wahrheit, die diejenigen nicht erkennen, die die Stimme Gottes in den verhüllenden Bildern nicht verstehen: Ce n’est point ici le pays de la vérité; elle erre inconnue parmi les hommes. Dieu l’a couverte d’un voile qui la laisse méconnaître à ceux qui n’entendent pas sa voix […] 69.
Damit schließt sich der Kreis, denn in Pascals Pensées ist die „vérité“, wenn es sich um Gott und den übernatürlichen Bereich handelt, mit der „charité“ gleichzusetzen, die das letzte Ziel bleibt, auf das alles ausgerichtet ist: „Tout ce qui ne va point à la charité est figure./ L’unique objet de l’Écriture est la charité.“ 70 In diesem Bereich der „vérités suprêmes“ ist auch die Wahrheitserkenntnis für Pascal auf das engste mit der „charité“ verbunden: „on n’entre dans la vérité que par la charité“ 71. Einen Besitz der Wahrheit gibt es für den Autor der Pensées nicht: „La vérité n’est jamais de l’ordre d’une possession mais toujours d’une pratique.“ 72 Folglich ist die Wahrheit im Sinne Pascals ein stets neu anzustrebendes Ziel, nicht ein Wissen, das verfügbar oder lehrbar wäre: „La vérité ainsi est un acte, un travail, une tension permanente. On ne peut pas dire la vérité mais on peut dire vrai.“ 73 Damit ist bereits gesagt, daß die Wahrheitserkenntnis nicht nur eine Sache der Vernunft ist: „Nous connaissons la vérité non seulement par la
67 Das bestätigt der Schlußsatz des Fragments La 276, S 307, Br 691: „Le vieux testament est un chiffre“. 68 La 270, S 301, Br 670. 69 La 840, S 425, Br 843. 70 La 270, S 301, Br 670. – Die „charité“ schließt alle Gesetze des Alten Bundes ein und verweist nicht mehr auf ein noch höheres Gebot: „La charité n’est pas un précepte figuratif.“ (La 849, S 430, Br 665). 71 Pascal, De l’art de persuader, in: Œuvres diverses (wie Anm. 2), S. 414, vgl. Mesnard, „Pascal et la vérité“ (wie Anm. 16), S. 38 f. 72 Laurent Thirouin, „Pascal et ,L’art de conférer‘“, in: Cahiers de l’Association Internationale des Études Françaises 40/1988, S. 199–218, hier S. 214. 73 Ebd., S. 215.
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raison mais encore par le cœur.“ 74 Die Wahrheitserkenntnis durch „das Herz“ bezieht sich in den Pensées primär auf die „göttlichen Wahrheiten“. Da es sich um Fragmente zu einer Apologie des christlichen Glaubens ohne rationalen Gottesbeweis handelt, kommt der Erkenntnisfunktion des „cœur“ besondere Bedeutung zu: „C’est le cœur qui sent Dieu et non la raison. Voilà ce que c’est que la foi. Dieu sensible au cœur, non à la raison.“ 75 Die „vérités divines“ sind der Vernunft des Menschen seit dem Sündenfall verschlossen. Schon in der Abhandlung De l’art de persuader schreibt Pascal: […] Dieu seul peut les mettre dans l’âme, et par la manière qu’il lui plaît. Je sais qu’il a voulu qu’elles entrent du cœur dans l’esprit, et non pas de l’esprit dans le cœur, pour humilier cette superbe puissance du raisonnement, qui prétend devoir être juge des choses que la volonté choisit, et pour guérir cette volonté infirme, qui s’est toute corrompue par ses sales attachements.76
Auch wenn die Glaubenswahrheiten, soweit sie dem Menschen durch Gnade zuteil werden, nur dem Herzen zugänglich sind, erhalten die Verstandeskräfte in den Pensées doch eine den Zugang zu den „vérités divines“ vorbereitende Funktion. Wie das „Infini rien“ überschriebene Fragment (La 418) mit dem Argument der Wette in aller Deutlichkeit zeigt, sucht Pascal durch rationale Argumente, im Ungläubigen die Bereitschaft zum Glauben zu wecken 77. Der Weg, den er dem Libertin aufweist, ist in der „liasse“ XIII unter dem Titel: „Soumission et usage de la raison“ zusammengefaßt. Dort heißt es im Fragment La 170: „Il faut savoir douter où il faut, assurer où il faut, en se soumettant où il faut. Qui ne fait ainsi n’entend pas la force de la raison.“ 78 Im weltlichen Bereich bezieht sich die Wahrheitserkenntnis durch das Herz zunächst auf die „premiers principes“: Raum, Zeit, Bewegung und Zahl: Car les connaissances des premiers principes: espace, temps, mouvement, nombres, sont aussi fermes qu’aucune de celles que nos raisonnements nous 74 La 110, S 142, Br 282. – Zum „cœur“-Begriff Pascals und seinen Quellen in der Bibel und im Werk des hl. Augustinus vgl. Sellier, Pascal et saint Augustin (wie Anm. 46), S. 117–139. 75 La 424, S 680, Br 278. 76 Pascal, De l’esprit géométrique [2] (wie Anm. 2), S. 413. 77 Darauf hat Schobinger in seinem Kommentar zu Blaise Pascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen (wie Anm. 3), S. 407, hingewiesen. Zum „cœur“-Begriff in De l’art de persuader vgl. ebd. S. 399–404. 78 La 170, S 201, Br 268.
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donnent et c’est sur ces connaissances du cœur et de l’instinct qu’il faut que la raison s’appuie et qu’elle y fonde tout son discours.79
In den Pensées aber wendet Pascal den Begriff „cœur“ nicht nur in positivem Sinne an als Vermögen der Seele, göttliche Wahrheiten zu vernehmen, sondern er spricht auch von dem Herzen, das den Menschen veranlaßt, die Wahrheit vor den anderen und vor sich selbst zu verbergen. In dem berühmten Fragment über den „amour-propre“ La 978 heißt es: L’homme n’est donc que déguisement, que mensonge et hypocrisie, et en soimême et à l’égard des autres. Il ne veut donc pas qu’on lui dise la vérité. Il évite de la dire aux autres; et toutes ces dispositions, si éloignées de la justice et de la raison, ont une racine naturelle dans son cœur.80
Was die Auswirkungen des „amour-propre“ auf die Wahrheitserkenntnis des Menschen anbelangt, stimmt Pascal mit La Rochefoucauld überein, der in seinen Réflexions morales schreibt: „Nous sommes si accoutumés à nous déguiser aux autres qu’enfin nous nous déguisons à nous-mêmes“ 81, und in den Maximes posthumes: „Il ne faut pas s’offenser que les autres nous cachent la vérité puisque nous nous la cachons si souvent nous-mêmes.“ 82 Pascal spricht in seiner Analyse der „nature de l’amourpropre et de ce moi humain“ sogar von einer „haine mortelle contre cette vérité qui le reprend, et qui le convainc de ses défauts“ 83. Die Selbstliebe, die darin besteht, daß das menschliche Ich sich selbst zum Zentrum macht 84, führt zum Verbergen und zum Haß der Wahrheit. Die Reflexionen, in denen „la dissimulation“, „le déguisement“ und „la haine de la vérité“ im Verhalten des Menschen oder des menschlichen Ichs „en soi-même et à l’égard des autres“ thematisiert werden, lassen den engen Zusammenhang zwischen dem die „condition humaine“ betreffenden Teil der Pensées Pascals und den Maximes La Rochefoucaulds klar erkennen. Im Bereich des „amour-propre“ oder der „concupiscence“ 79 La 110, S 142, Br 282. 80 La 978, S 743, Br 100. Vgl. auch Fragment La 655, S 539, Br 377, das den gleichen Gedanken zum Ausdruck bringt: „Nous ne sommes que mensonge, duplicité, contrariété et nous cachons et nous déguisons à nous-mêmes.“ 81 Édition de 1678, Maxime 119, in: La Rochefoucauld, Maximes, hg. von Jacques Truchet, Paris 1967, S. 33. 82 Nr. 11, ebd., S. 163. 83 La 978, S 743, Br 100. 84 Vgl. La 597, S 494, Br 455: „Le moi est haïssable. […] il est injuste en soi, en ce qu’il se fait centre de tout.“
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unterscheiden sich die Aussagen beider Moralisten nicht grundsätzlich 85. In den Pensées aber sind „die moralischen Paradoxien“, die das Interesse von Ulrich Schulz-Buschhaus für die verschiedenartigen moralistischen Texte in der Romania immer wieder geweckt haben86, stets ausgerichtet auf die Überwindung der „contrariétés“ im Bereich der „charité“. Diese „charité“, in der alle Widersprüche aufgehoben sind und in der sich die Wahrheit verkörpert, findet in den Pensées ihren vollkommenen Ausdruck in Jesus Christus 87. Im Fragment La 449 heißt es: „[…] Jésus-Christ est l’objet de tout, et le centre où tout tend. Qui le connaît connaît la raison de toutes choses.“ 88 In dem Gottmenschen sind „vérité“ und „vérité opposée“ vereinigt. Folglich bildet für Pascal Jesus Christus auch den Schlüssel zur Gotteserkenntnis und zur Selbsterkenntnis: Ceux qui s’égarent ne s’égarent que manque de voir une de ces deux choses. On peut donc bien connaître Dieu sans sa misère, et sa misère sans Dieu; mais on ne peut connaître Jésus-Christ sans connaître tout ensemble et Dieu et sa misère. […] Si le monde subsistait pour instruire l’homme de Dieu, sa divinité y reluirait de toutes parts d’une manière incontestable; mais comme il ne subsiste que par Jésus-Christ, et pour Jésus-Christ et pour instruire les hommes et de leur corruption et de leur rédemption, tout y éclate des preuves de ces deux vérités. Ce qui y paraît ne marque ni une exclusion totale, ni une présence manifeste de divinité, mais la présence d’un Dieu qui se cache. Tout porte ce caractère.89
Das Paradox von der Gegenwart und Verborgenheit Gottes in „la présence d’un Dieu qui se cache“ zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, wie die Vereinigung von „vérité“ und „vérité opposée“ in den Pensées die Paradoxien der anderen moralistischen Texte des 16. und 17. Jahrhunderts transzendiert. Wenn Ulrich Schulz-Buschhaus im Hinblick auf die Maximen La Rochefoucaulds, in denen „unsere Tugenden“ sich stets aufs neue
85 Das Menschenbild beider Autoren ist stark vom „Augustinisme“ bestimmt. Vgl. Jean Lafond, La Rochefoucauld, Augustinisme et littérature, Paris 1977, und Sellier, Pascal et saint Augustin (wie Anm. 46). 86 Vgl. das Nachwort: „Zur Geschichte von Moralistik und Poetik“ in: Ulrich SchulzBuschhaus, Moralistik und Poetik, Hamburg 1997, S. 247–253, hier S. 249–251. 87 Dazu schreibt Thirouin: „Pour un Chrétien, la vérité, au sens métaphysique du terme, n’existe qu’incarnée. La vérité n’est pas l’enseignement d’une philosophie, c’est une personne, le Christ, qui n’annonce pas des vérités, mais dit: ‚ Je suis […] la Vérité‘ (Jean XIV, 6).“ („Pascal et ,L’art de conférer‘“ [wie Anm. 72], S. 216). 88 La 449, S 690, Br 556. 89 Ebd.
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als „verkleidete Laster“ erweisen 90, von einer Paradoxie spricht, „die man quasi ,dekonstruktiv‘ nennen könnte“ 91, so möchte dieser Beitrag zu seinen Ehren zeigen, daß man in den Pensées Pascals den Versuch sehen kann, durch eine Verschärfung der moralistischen Paradoxa und die paradoxe Vereinigung von „vérité“ und „vérité opposée“ in der Seinsordnung der „charité“ den Libertin für den christlichen Glauben zu gewinnen und konstruktiv an der Reform des christlichen Menschenbildes mitzuwirken.
90 Die Formulierung bezieht sich auf das Motto, das La Rochefoucauld seinen Maximes vorangestellt hat: „Nos vertus ne sont, le plus souvent, que des vices déguisés“ (wie Anm. 81, S. 7). 91 Schulz-Buschhaus, „Zur Geschichte von Moralistik und Poetik“ (wie Anm. 86), S. 250.
Freiheit als moralisches und moralistisches Postulat in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts Je intensiver man sich mit der Idee der Freiheit in der Literatur der romanischen Völker beschäftigt, um so mehr wird man geneigt sein, Montesquieu zuzustimmen, der im zweiten Kapitel des vierzigsten Buches seines Esprit des lois die Meinung vertritt, kein Wort habe verschiedenartigere Bedeutungen erlangt und keines die Geister auf mannigfaltigere Weise erregt als das Wort Freiheit: Il n’y a point de mot qui ait reçu plus de différentes significations, et qui ait frappé les esprits de tant de manières, que celui de liberté.1
Dabei denkt Montesquieu im Zusammenhang seines Esprit des lois, der als „ein hohes Lied auf die Freiheit“ bezeichnet worden ist 2, primär an die Bedeutungen, die dem Begriff der Freiheit im politischen Bereich im Zusammenhang mit den verschiedenen Staatsformen zugeschrieben worden sind, handelt doch das ganze elfte Buch „Des lois qui forment la liberté politique dans son rapport avec la constitution“. Nach Montesquieu wird die Freiheit durch die Gesetze nicht eingeengt, sondern allererst ermöglicht: „La liberté est le droit de faire tout ce que les lois permettent […]“ 3. Diese „liberté civile“, die sich auf die Gesetze gründet, bildet für Montesquieu das Fundament der „liberté politique“. Das Postulat der politischen Freiheit, ohne das heute die Idee der Freiheit kaum mehr gedacht werden kann, aber ist in der französischen Literatur erst im 18. Jahrhundert zu einem Thema von zentraler Bedeutung geworden.
1 Montesquieu, Œuvres complètes, hg. von Roger Caillois, Paris 1951, Bd. 2, S. 394. 2 Kurt v. Raumer, „Absoluter Staat, korporative Libertät, persönliche Freiheit“, in: Hans Freyer u. a., Das Problem der Freiheit im europäischen Denken von der Antike bis zur Gegenwart, München 1958, S. 55–96, hier S. 55. 3 Montesquieu, Œuvres complètes (wie Anm. 1), S. 395.
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Im 17. Jahrhundert war ein solches Postulat zu Zeiten Richelieus, Mazarins oder in den ersten Jahrzehnten der Regierung Ludwigs XIV. von vornherein nicht zu erwarten. Die Herausbildung und Durchsetzung des monarchischen Absolutismus mit seiner starken Zentralisierung der Verwaltung und der wachsenden Einflußnahme der Regierenden auf das gesamte geistige Leben hatten zur Folge, daß zumindest in der offiziell anerkannten Literatur die Idee der Freiheit in diesem Sinne gar nicht zum Tragen kommen konnte. Im 16. Jahrhundert, das in so vieler Hinsicht die Aufklärung vorbereitet, findet sich eine durchaus vergleichbare Hochschätzung der Idee der Freiheit, aber die Vorstellungen, die mit dem Begriff der Freiheit im Humanismus und in der Renaissance verbunden werden, unterscheiden sich zum Teil wesentlich von den Bedeutungen der „liberté“, die in der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts im Vordergrund stehen. Was an der Idee der Freiheit für die französischen Humanisten und für die Repräsentanten der Renaissance als das Neuartige und Faszinierende erschien, war die Freiheit des Individuums, die Möglichkeit der Selbstverwirklichung des Einzelnen, eine Freiheit, die (im Gegensatz zu der durch die Gesetze garantierten „liberté civile“ oder „liberté politique“ des 18. Jahrhunderts) niemals für alle die gleiche sein kann. Die Vorstellungen, die mit dem Begriff der „liberté“ in der Renaissance und im Humanismus verbunden sind, werden folglich mehr vom Individuum als von der Gesellschaft ausgehend bestimmt, mehr von den Bestrebungen des Einzelnen als von den Erfordernissen des Gemeinwesens. Was die Geister erregt, ist das Postulat der persönlichen Freiheit des Einzelnen, dessen Denken und Handeln durch keine Autoritäten eingeengt werden soll. Dieses Postulat der persönlichen Freiheit kommt – wenn man einmal von der Form der Utopie in Rabelais’ Abbaye de Thélème mit der Devise „Fay ce que vouldras“ und der dazugehörigen Begründung absieht – nirgends deutlicher zum Ausdruck als im dritten Buch der Essais von Montaigne. Der Unterschied gegenüber der Auffassung der „liberté“ bei Montesquieu läßt sich am besten verdeutlichen an der berühmten Stelle aus dem Essai III, 13, „De l’expérience“, wo sich der Autor zu den Gesetzen sehr skeptisch äußert und von dem „fondement mystique de leur authorité“ spricht 4. In diesem Zusammenhang bringt Montaigne sein ganz persönliches Postulat der individuellen Freiheit in einer noch heute aktuell wirkenden Form zum Ausdruck mit den Worten: 4 Michel de Montaigne, Essais, hg. von Albert Thibaudet, Paris 1939, S. 1042. Die folgenden Zitate ebd., S. 1041 f.
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Je suis si affady apres la liberté, que qui me deffenderoit l’accez de quelque coin des Indes, j’en vivroys aucunement plus mal à mon aise. Et tant que je trouveray terre ou air ouvert ailleurs, je ne croupiray en lieu où il me faille cacher.
Montaigne sagt, wenn die Gesetze, denen er sich unterwerfe – „non par ce qu’elles sont justes, mais par ce qu’elles sont loix“ –, ihn auch nur im geringsten bedrohten, ginge er sogleich von dannen, um unter anderen zu leben, wo immer es wäre: Si celles que je sers me menassoient seulement le bout du doigt, je m’en irois incontinent en trouver d’autres, où que ce fut. Toute ma petite prudence en ces guerres civiles où nous sommes, s’employe à ce qu’elles n’interrompent ma liberté d’aller et venir.
Einen so starken Ausdruck des Postulats der persönlichen Freiheit wird man in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts kaum finden. Und doch bietet das Werk Montaignes einen wichtigen Ansatzpunkt für unser eigentliches Thema, denn auch die Bedeutungen des Wortes „liberté“, die in der Moralistik des 17. Jahrhunderts im Vordergrund stehen und hier unter dem Stichwort „die Freiheit als moralisches Postulat“ zusammengefaßt werden, finden sich in der einen oder anderen Form schon in den Essais. Nicht zufällig hat das Werk Montaignes, in das bekanntlich viel stoisches, epikureisches und pyrrhonistisches Gedankengut eingegangen ist 5, besonders stark auf die Schriftsteller gewirkt, bei denen das Thema der „liberté morale“ eine zentrale Stellung einnimmt und ausführlich erörtert wird 6. Das gilt zunächst für Pierre Charron, den Autor der 1601 erschienenen drei Bücher De la Sagesse, die viel Aufsehen erregten, 1604 in überarbeiteter Form neu gedruckt wurden und bis zum Jahre 1672 fünfunddreißig weitere Editionen erlebten, also zu den meistgelesenen Werken der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts gehören. Für Pierre Charron, der als „l’herbier de Montaigne“ bezeichnet worden ist und sich über weite Strecken von De la Sagesse in der Tat als ein „imitateur“ und zuweilen sogar als ein „copiste de Montaigne“ erweist 7, bildet die Freiheit 5 Vgl. Hugo Friedrich, Montaigne, Bern 1949, S. 80 ff. 6 Zur Nachwirkung der Essais vgl. Alan M. Boase, The Fortunes of Montaigne. A History of the Essays in France, 1580–1669, New York 1970. 7 Amaury Duval, „Vie de Charron“, in: Pierre Charron, De la Sagesse. Trois livres, hg. von A. D., Paris 1820–1827, Bd. 1, S. XIX. – Zu der Bezeichnung „l’herbier de Montaigne“ vgl. Jean B. Sabrié, De l’Humanisme au Rationalisme, Pierre Charron (1541– 1603), Paris 1913, S. I.
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im moralischen Sinn, zu der für ihn die „liberté de jugement“ ebenso gehört wie die „liberté de volonté“, die Grundvoraussetzung für die „sagesse“. Im ersten Buch, das der „cognoissance de soy, et de l’humaine condition“ gewidmet ist, behandelt Charron das Thema der Freiheit nur kurz im sechzigsten Kapitel unter dem Titel „De la liberté et du servage“. Dasselbe Gegensatzpaar wird etwa vier Jahrzehnte später ausführlich erörtert in dem Traktat De la Liberté et de la Servitude von La Mothe le Vayer, der als ein von Montaigne beeinflußter Skeptiker und ein mit Gassendi befreundeter Libertin in unserem Zusammenhang noch von besonderer Bedeutung sein wird. Hätte Charron nur das erste Buch De la Sagesse geschrieben, so wäre er hier nur beiläufig erwähnt worden, denn in dem Kapitel „De la liberté et du servage“ bleibt die Gegenüberstellung von Freiheit und Knechtschaft noch ganz im Rahmen der stoischen Weisheitslehren 8, die damals insbesondere durch die Traittez philosophiques von Guillaume Du Vair – zu denen auch die berühmten Epiktet-Übersetzungen gehören – und durch die Übertragungen der Epistulae morales von Seneca große Verbreitung gefunden hatten, so daß mit Recht von einem „néo-stoïcisme“ gesprochen wird, der das moralphilosophische Schrifttum am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts weitgehend bestimmt 9. Die Freiheit des Geistes, die Charron als eine grundlegende „disposition à la sagesse“ ansieht, wird näher definiert und erläutert in dem umfangreichen zweiten Kapitel des zweiten Buches, in dem der Autor von der „Universelle et pleine liberté de l’esprit, tant en jugement qu’en volonté“ handelt, die über die Freiheit von den Leidenschaften und von den
8 Charron, De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 418 f. – Der stoizistische Einfluß wird besonders deutlich, wenn Charron die wahre geistige Freiheit mit dem „servage de l’esprit“ konfrontiert und mit der „liberté corporelle“ vergleicht. Er schreibt: „Il y a double liberté, la vraye de l’esprit est en la main d’un chascun, et ne peust estre ravie ny endommagée par autruy, ny par la fortune mesme: au rebours le servage de l’esprit est le plus misérable de tous: servir à ses cupidités, se laisser gourmander à ses passions, mener aux opinions, ô la piteuse captivité! La liberté corporelle est un bien fort à estimer, mais subject à la fortune: et n’est juste ny raisonnable (s’il n’y est joincte quelqu’autre circonstance), de la préférer à la vie, comme les anciens, qui choisissoient et se donnoient plustost la mort que de la perdre […]“ (ebd.). 9 Vgl. Léontine Zanta, La Renaissance du stoïcisme au XVIe siècle, Paris 1914; Anthony Levi, S. J., French Moralists, The Theory of the Passions, 1585 to 1649, Oxford 1964; zu Du Vair S. 74 ff.
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„erreurs et vices du monde“ bei weitem hinausgeht 10. Da diese Geistesfreiheit im Sinne Charrons eine der wichtigsten Voraussetzungen der Weisheit darstellt, tut man gut daran, die Charakterisierung der Freiheit im zweiten Buch im Rahmen der Gesamtkonzeption von De la Sagesse zu betrachten. Diese Gesamtkonzeption wird von Charron selbst erläutert in der „Préface“ zur zweiten Edition von 1604. Dort unterscheidet der Autor „trois sortes et degrés de sagesse, divine, humaine, mondaine“: die göttliche Weisheit, von der die Theologen sprechen, die menschliche Weisheit, um die die Philosophen sich bemühen, und die niedrigste Form, die weltliche „sagesse“, die im Sinne der Theologen und Philosophen gar keine Weisheit ist, aber die einzige Form der „sagesse“ darstellt, zu der „le monde“ oder „le commun“ Zugang hat 11. Der Theologe Charron, der ein Jahrzehnt zuvor in seiner Schrift Les trois Veritez als Apologet des christlichen Glaubens und der römischen Kirche hervorgetreten war, schließt jetzt nicht nur die „sagesse mondaine“ aus, sondern betont, daß er auch nicht über die göttliche Weisheit sprechen wolle, denn „nostre livre instruit à la vie civile, et forme un homme pour le monde, c’est à dire à la sagesse humaine et non divine“ 12. Die „sagesse humaine“ nimmt also bei Charron etwa die Stellung ein, die wenige Jahrzehnte später dem Ideal der „honnêteté“ bei den französischen Moralisten zukommt. Dieser Idee der „sagesse“ steht als Gegensatz nicht nur die Torheit gegenüber – entsprechend der häufig behandelten Antithese von „sagesse“ und „folie“ –, sondern auch „la bassesse et simplicité commune et populaire“ 13. Charron geht also von einer nur für eine Elite bestimmten „sagesse“ aus, von einer Weisheit, die nur wenigen zugänglich ist, so daß es sich auch bei der „pleine, entiere, genereuse, et seigneuriale liberté d’esprit“, von der im zweiten Buch die Rede ist 14, um eine geistige Freiheit handelt, die der Autor den wenigen vorbehält, die dieser eigentlichen „sagesse“ fähig sind. Diese Tatsache ist für Charron und den im Späthumanismus wurzelnden „libertinisme érudit“ des 17. Jahrhunderts bezeichnend. Das Postulat der „liberté de jugement“ bezieht sich schon hier
10 Vgl. Kap. II, 1: „Exemption et affranchissement des erreurs et vices du monde, et des passions“, in: De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 2, S. 8–22, und das zweite Kapitel ebd., S. 23–72. 11 Vgl. Bd. 1, S. XXXVI. 12 Ebd., S. XLII. 13 Ebd., S. XXXV. 14 Vgl. Bd. 2, S. 26.
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auf alle Bereiche, aber es ist „le plus propre droict et vray privilège du sage et habile homme“, ein Recht, von dem die Allgemeinheit bewußt ausgeschlossen wird: „que tous ne sont pas capables d’entendre, d’advouer, et encores moins de bien practiquer: c’est pour quoy il nous le faut icy establir contre les incapables de sagesse“ 15. „Eben hierin liegt“, wie Gerhard Schneider in seiner geistes- und sozialgeschichtlichen Studie über den Libertin im 16. und 17. Jahrhundert gezeigt hat, „die spezifische Differenz des gelehrten Libertinismus des 17. Jahrhunderts zur Aufklärung des 18., in ihrer Verbindung mit der Öffentlichkeit“ 16. Die Aufklärung forderte die Freiheit des Urteils prinzipiell für alle in gleicher Weise, daher die Bemühungen der Aufklärer um die Vulgarisierung der Wissenschaften und ihre Kritik an allen Autoritäten. Bei Charron aber bleibt die „liberté d’esprit“ nicht nur auf die wenigen beschränkt, sondern das Postulat der Freiheit wird auch für den „sage“ verbunden mit der Forderung, sich im praktischen Leben der Allgemeinheit und den geltenden Vorstellungen anzupassen, auch wenn sie nicht mit den eigenen Erkenntnissen übereinstimmen: car je veux qu’en actions externes et communes de la vie, et en tout ce qui est de l’usage ordinaire, l’on s’accorde et accomode avec le commun17.
Diese strenge Trennung von innerer Freiheit und äußerer Anpassung führt zu einem Zwiespalt zwischen Erkennen und Handeln, den Charron ausdrücklich hervorhebt: „nostre reigle ne touche point le dehors et le faire, mais le dedans, le penser, et juger secret et interne“. Praktisch wird dieser Gegensatz von Tun und Denken damit begründet, daß der Weise sonst die Umwelt zu sehr verletzen und Anstoß erregen würde: „il heurteroit par trop le monde“ 18. Theoretisch erklärt sich dieser Verzicht darauf, praktische Folgerungen aus der Freiheit des Urteils zu ziehen, durch den Skeptizismus, den Charron mit Montaigne teilt und der im Grunde jedes Engagement ausschließt. So besteht die „liberté de jugement“ bei Charron nicht nur darin, alles vorurteilslos zu prüfen und zu untersuchen, sondern auch darin, sich in keiner Weise zu verpflichten und sich an keine Sache oder Lehre zu binden:
15 Ebd., S. 28 f. 16 Gerhard Schneider, Der Libertin. Zur Geistes- und Sozialgeschichte des Bürgertums im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1970, S. 160. 17 Charron, De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 2, S. 33. Das folgende Zitat ebd. 18 Ebd., S. 38.
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car qui juge bien et sans passion de toutes choses, trouve partout de l’apparence et de la raison, qui l’empesche de se resouldre, craignant de s’eschauder en son jugement, dont il demeure indéterminé, indifferent et universel 19.
Die hier entwickelte Forderung, leidenschaftslos und unparteiisch alle Dinge zu beurteilen, beide Seiten der Medaille zu sehen, sich nicht zu entscheiden, sondern offen nach allen Seiten zu bleiben, erinnert nicht zufällig an Gedanken Montaignes in dem Essai III, 10 „De mesnager sa volonté“, den Charron an mehreren Stellen dieses zentralen Kapitels über die Freiheit als Quelle benutzt hat. Das wird ganz deutlich, wenn der Autor im Hinblick auf die „liberté de volonté“ schreibt: […] l’homme sage, pour se maintenir en repos et liberté, doit mesnager sa volonté et ses affections, en ne se donnant et affectionnant qu’à bien peu de choses, et icelles justes (aussi les justes sont en petit nombre, si l’on juge bien) et encores sans violence et aspreté.20
Bei Montaigne heißt es ganz entsprechend gleich auf der zweiten Seite des Essai III, 10: il faut mesnager la liberté de nostre ame et ne l’hypothéquer qu’aux occasions justes; lesquelles sont en bien petit nombre, si nous jugeons sainement 21.
Auch die Gegenüberstellung von öffentlichem Amt, das dem Menschen äußere Verpflichtungen auferlegt, und der eigenen Persönlichkeit, die frei zu verwirklichen als das Wesentliche empfunden wird, hat Charron von Montaigne übernommen. Am Ende des Kapitels über die „liberté de l’esprit“ heißt es: Au reste il faut bien sçavoir distinguer et separer nous-mesmes d’avec nos charges publiques; un chascun de nous joue deux roolles et deux personnages, l’un estranger et apparent, l’autre propre et essentiel. Il faut discerner la peau de la chemise.22
In diesem Abschnitt nimmt Charron zum Teil wörtlich eine berühmte Stelle aus dem Essai III, 10 auf, die Hugo Friedrich als „Kernsätze Montaignischer Lebensführung“ bezeichnet 23: Il faut jouer deuement nostre rolle, mais comme rolle d’un personnage emprunté. Du masque et de l’apparence il n’en faut pas faire une essence réelle,
19 20 21 22 23
Ebd., S. 33. Ebd., S. 65. Montaigne, Essais (wie Anm. 4), S. 974. Charron, De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 2, S. 72. Friedrich, Montaigne (wie Anm. 5), S. 311.
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ny de l’estranger le propre. Nous ne sçavons pas distinguer la peau de la chemise.24
Weiterer Belege für den Zusammenhang zwischen dem Postulat der Freiheit bei Charron und bei den Humanisten des späten 16. Jahrhunderts bedarf es nicht. Es kommt vielmehr darauf an, auf der anderen Seite auch die Züge zu verdeutlichen, die Bestrebungen der Aufklärung vorwegnehmen und verständlich machen, wie es dazu kommen konnte, daß De la Sagesse von kirchlicher Seite scharf angegriffen und auf den Index gesetzt wurde, ja daß der Père Garasse in seiner Doctrine curieuse von 1623 in erster Linie Charron für den Libertinismus seiner Zeit verantwortlich gemacht hat 25. Dabei geht man am besten wieder von dem Vorwort zu der Edition von 1604 aus, wo der Theologe Charron nicht nur die drei Arten der „sagesse“ unterscheidet und begründet, weshalb er sich auf die „sagesse humaine“ beschränken wolle, sondern ausdrücklich die Philosophie der Theologie voranstellt und ihr alle positiven Attribute zuschreibt, während der Theologie jeweils die negativen Gegenbegriffe zugeordnet werden. Das Vorgehen der Philosophie wird mit dem der Poesie verglichen – „[elle] semble suader gratieusement et vouloir plaire en profitant“ –, während die Theologie zu befehlen und ihre Weisheit gebieterisch einzuschärfen scheint: La théologie […] semble commander et enjoindre imperieusement et magistralement: et de fait la vertu et probité des theologiens est toute chagrine, austere, subjette, triste, craintive et populaire: la philosophique, telle que ce livre enseigne, est toute gaye, libre, joyeuse, relevée, et s’il faut dire, enjouée, mais cependant bien forte, noble, genereuse et rare.26
Nicht weniger aufschlußreich als diese Gegenüberstellung von Philosophie und Theologie ist die Art, wie Charron der „sagesse humaine“ die Freiheit und das Recht zuspricht, über alles zu urteilen, und wie er diesen Anspruch der Urteilskompetenz durch ein Bibelzitat rechtfertigt, das im Kontext eine ganz andere Bedeutung hat. Charron schreibt: la sagesse qui n’est commune ny populaire, a proprement cette liberté et authorité, jure suo singulari, de juger de tout (c’est le privilege du sage et spirituel, spiritualis omnia dijudicat, et à nemine judicatur) 27.
24 25 26 27
Montaigne, Essais (wie Anm. 4), S. 982. Vgl. Antoine Adam, Les Libertins au XVIIe siècle, Paris 1964, S. 37 ff. Charron, De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 1, S. XL f. Ebd., S. LVI. Die französische Übersetzung des lateinischen Zitats ebd., Fußnote 19.
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Es handelt sich bei diesem Zitat um ein Wort des Apostels Paulus aus dem ersten Korintherbrief (II, 15): „L’homme spirituel juge de tout, et n’est jugé de personne“. Bei Paulus wird dieser „homme spirituel“ dem „homme naturel“ gegenübergestellt, von dem es unmittelbar vorher heißt: Or, l’homme naturel n’accueille point les choses qui sont de l’esprit de Dieu; car elles sont pour lui une folie, et il ne peut les comprendre, parce que c’est spirituellement qu’on en juge.28
Der „sage“ im Sinne Charrons darf also nicht mit dem „homme spirituel“ gleichgesetzt werden, dem Paulus das Recht zuspricht, „de juger de tout“; ja der Apostel unterscheidet in diesem Zusammenhang ausdrücklich seine Lehre von den „discours qu’enseigne la sagesse humaine“ (II, 13). Überdies ist die „liberté de l’esprit“ im Sinne Charrons weit entfernt von der paulinischen Auffassung der Freiheit, die von der Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade ausgeht 29. Diese paulinische Auffassung der Freiheit tritt – vor allem in der augustinischen Auslegung – in der religiösen Literatur des 17. Jahrhunderts in den Vordergrund und wird insbesondere von den durch den Jansenismus beeinflußten Autoren aufgenommen. Dennoch beruft sich auch Charron nochmals auf den Apostel Paulus, um seine Forderung der Toleranz und der Freiheit im Bereich des Denkens und Urteilens zu rechtfertigen. In diesem Fall nimmt er Bezug auf den Römerbrief (XIV, 5) mit den Worten: Le sage divin S. Paul nous met tous en liberté par ces mots: Que chacun abonde en son sens, et que personne ne juge ou condamne celuy qui fait autrement, et est d’advis contraire […] 30.
Aber auch an dieser Stelle geht es Paulus nicht um eine autonome Freiheit des Geistes, sondern – wie der Kontext zeigt – um die Duldung der Mei28 Le Nouveau Testament, Version synodale, Paris 1911, S. 294. – Der Kontext lautet in der Vulgata (I. Cor. II, 12–16): „Nos autem non spiritum huius mundi accepimus, sed Spiritum, qui ex Deo est, ut sciamus quae a Deo donata sunt nobis: quae et loquimur non in doctis humanae sapientiae verbis, sed in doctrina Spiritus, spiritualibus spiritualia comparantes. Animalis autem homo non percipit ea, quae sunt Spiritus Dei: stultitia enim est illi, et non potest intelligere: quia spiritualiter examinatur. Spiritualis autem iudicat omnia: et ipse a nemine iudicatur. Quis enim cognovit sensum Domini, qui instruat eum? Nos autem sensum Christi habemus.“ (Novum Testamentum graece et latine, hg. von Heinrich Joseph Vogels, Freiburg 1950, Bd. 2, S. 524 f.). 29 Vgl. Hans Jonas, Augustin und das paulinische Freiheitsproblem. Eine philosophische Studie zum pelagianischen Streit, Göttingen 1965. 30 Charron, De la Sagesse (wie Anm. 7), Bd. 1, S. LVIII.
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nungen und Gewohnheiten der Schwachen, wobei sich die Toleranz nur auf die religiösen Bräuche bezieht. Mit diesen Beispielen ist bereits deutlich geworden, daß sowohl Charrons Begriff der „sagesse“ als auch sein Postulat der „liberté de jugement“ Forderungen in sich schließen, die auf die Aufklärung vorausweisen. Die Skepsis Charrons bezieht sich zweifellos nicht auf das Erkenntnisvermögen des „sage“; sie sichert vielmehr seine „liberté de jugement“, so daß auf Charrons Werk in besonderem Maße das Wort Ernst Cassirers zutrifft: Die Skepsis ist es, die das Individuum davor bewahrt, sich den sittlichen Maßstab von außen aufdrängen zu lassen, die es, allen willkürlichen moralischen Konventionen gegenüber, der gedanklichen Freiheit seines Urteils versichert.31
Etwas anders stellt sich die Idee der Freiheit bei dem Skeptiker La Mothe le Vayer dar, der mit Gassendi, Gabriel Naudé und Guy Patin befreundet war, dem Kreis der Brüder Dupuy, der Académie putéane, angehörte und hier als Beispiel für die „libertins érudits“ des 17. Jahrhunderts gelten soll. Den stärksten Ausdruck findet der konsequente Pyrrhonismus La Mothe le Vayers in den Dialogues faits à l’imitation des anciens par Orasius Tubero, die er zu Beginn der dreißiger Jahre anonym veröffentlicht hat. Gegen Ende des Dialogue sur l’opiniâtreté läßt La Mothe le Vayer einen der Dialogpartner die skeptische Schlußfolgerung aus der Lektüre der verschiedenen Philosophen mit ihren gegensätzlichen und widerspruchsvollen Lehren ziehen mit den Worten: Doutons de tout, puisque c’est le propre de notre humanité, et afin de ne rien déterminer trop légèrement, ne donnons pas même une assurance entière de nos doutes sceptiques.32
In dem bekanntesten der Dialoge Sur la Divinité, der auch den Titel De la diversité des Religions trägt, wird deutlich, daß im Bereich der Religionen die Lehren und Bräuche nicht weniger verschiedenartig und widersprüchlich sind als die Anschauungen auf dem Gebiet der Philosophie. Hier läßt La Mothe le Vayer einen Dialogpartner die Meinung vertreten, daß die „Philosophie Sceptique“ nicht nur mit dem Christentum vereinbar sei,
31 Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der Neuzeit, 2Berlin 1911, Bd. 1, S. 181 (zitiert bei Schneider, Der Libertin [wie Anm. 16], S. 168). 32 François de La Mothe le Vayer (Orasius Tubero), Deux Dialogues faits à l’imitation des anciens. Sur la Divinité, et Sur l’opiniâtreté, hg. von Ernest Tisserand, Paris 1922, S. 209.
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sondern daß die christliche Religion die philosophische Haltung des Skeptikers geradezu voraussetze. Dennoch gewinnt der Leser den Eindruck, daß die Schlußfolgerung „Doutons de tout“ auch auf alle religiösen Lehren zu beziehen ist und daß die Dialoge als eine Kritik an jedem Dogmatismus verstanden werden müssen. Das bedeutet im Hinblick auf unser Thema, daß das Postulat der Freiheit hier vor allem indirekt zum Ausdruck kommt in der „libre critique des idées communément reçues“, die Antoine Adam als das gemeinsame Anliegen der Mitglieder der Académie putéane bezeichnet 33. Im übrigen gilt die Forderung der inneren Freiheit im Sinne des Montaignischen „mesnager sa volonté“ für den „sceptique“ bei La Mothe le Vayer ebenso wie für den „sage“ bei Charron, heißt es doch am Schluß des Dialogue sur l’opiniâtreté: Le sceptique porte sa considération et donne atteinte à tout, mais c’est sans pervertir son goût et sans s’opiniâtrer à rien, demeurant juge indifférent de tant de mets et de tant de sauces diverses, comme la plus notable personne du convive, au milieu d’une table qu’elle trouve également bien servie partout.34
Direkt nimmt La Mothe le Vayer zu der Frage nach der menschlichen Freiheit Stellung in dem weniger bekannten Traktat De la Liberté et de la Servitude, den er einige Jahre später noch zur Regierungszeit Ludwigs XIII. geschrieben und nach dem Tode Richelieus Mazarin gewidmet hat. Auch hier geht es dem Autor nicht darum, dem Postulat der Freiheit des Denkens oder der Moral Ausdruck zu verleihen, sondern er erörtert die Frage, „s’il y a quelqu’un qui se puisse vanter d’être véritablement libre“ 35. Dabei wählt La Mothe le Vayer – ebenso wie Charron in dem Kapitel „De la liberté et du servage“ – als Ausgangspunkt die Unterscheidung zwischen der „liberté du corps“ und der „liberté de l’esprit“, wobei beide Begriffe wiederum im Sinne der stoischen Moralphilosophie aufgefaßt werden, nur daß La Mothe le Vayer der Möglichkeit der Verwirklichung der Idee der Freiheit skeptisch gegenübersteht, denn: […] si la liberté humaine est un composé de celles du corps & de l’esprit, il n’y aura point d’homme qui se doive estimer libre, ne possedant pas l’une & l’autre également. C’est ainsi qu’on justifie par beaucoup de considérations
33 Adam, Les Libertins au XVIIe siècle (wie Anm. 25), S. 12. 34 La Mothe le Vayer, Deux Dialogues (wie Anm. 32), S. 211. 35 François de La Mothe le Vayer, Œuvres, Nouvelle édition revue et augmentée, Dresden 1756, Bd. 3/I, S. 197 (Nachdruck Genève 1970, Bd. 1, S. 495).
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qu’il ne se trouve vraisemblablement personne qui se puisse dire véritablement libre.36
Wenn dieser Satz Ausnahmen zulasse, so unter denen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hätten, die „liberté philosophique“ zu verwirklichen. Auch Epikur, „le plus libertin de tous les Philosophes“, habe erkannt, daß sich der Mensch den Geboten der Philosophie unterwerfen müsse, um zu sich selbst zu kommen und wirklich frei zu werden 37. In dem Abschnitt „La Liberté Philosophique“ veranschaulicht La Mothe le Vayer diese Freiheit vor allem am Beispiel der stoischen Weisheitslehre. Als Repräsentanten wählt er Epiktet, nicht nur, weil seit Du Vairs Epiktet-Übersetzung der Verfasser des Enchiridion als Verkörperung der stoischen Morallehre galt, sondern weil die Gestalt des phrygischen Sklaven Epiktet besonders geeignet war, „pour nous représenter la figure d’une ame d’autant plus libre, & plus élevée, que la mauvaise fortune tâchoit ce semble à la déprimer“ 38. Wenig später wird auch Pascal in seinem Gespräch mit M. de Sacy Epiktet zum Repräsentanten der menschlichen Freiheit machen. Die Morallehre Epiktets faßt Pascal in dem Entretien dahingehend zusammen, daß dieser Philosoph uns gelehrt habe zu erkennen, „ce qu’il y a en nous de libre“. Der Mensch solle nicht nach Gütern streben, die nicht in seiner Macht liegen, sondern sich bewußt machen, daß weder der Geist gezwungen werden kann, etwas zu glauben, von dem er weiß, daß es falsch ist, noch der Wille, etwas zu lieben, von dem er weiß, daß es ihn unglücklich machen würde, so daß diese beiden Kräfte (nämlich „esprit“ und „volonté“) frei sind: que ces deux puissances donc sont libres, et que c’est par elles que nous pouvons nous rendre parfaits 39.
Die Einwände Pascals gegen diese Morallehre, die zum „orgueil“ und zur „présomption“ führe, gehen bekanntlich von der Grundthese aus, daß Epiktet als Vertreter der „grandeur de l’homme“ die für den Menschen nach dem Sündenfall bezeichnende „misère de l’homme“ verkannt habe. Diese Grundthese braucht hier nicht näher erläutert zu werden, hat doch Pascal in den Pensées eine Fülle von Argumenten dafür angeführt, daß 36 37 38 39
Ebd., S. 203 (Nachdruck Bd. 1, S. 496). Vgl. ebd., S. 208 (Nachdruck Bd. 1, S. 498). Ebd., S. 215 (Nachdruck Bd. 1, S. 499). Pierre Courcelle, „L’Entretien“ de Pascal et Sacy. Ses sources et ses énigmes, Paris 1960, S. 17.
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nach seiner Auffassung die „condition humaine“ nur ausgehend von dem Paradox von „grandeur“ und „misère“ richtig verstanden werden kann. In unserem Zusammenhang kommt es allein darauf an, am Beispiel des Entretien avec M. de Sacy zu zeigen, weshalb schon vom moralistischen Ansatz her das Postulat der „liberté philosophique“ keinen Eingang in die Pensées finden konnte. An seine Stelle tritt bei Pascal der theologisch begründete Freiheitsbegriff, der aus der Gnadenlehre abgeleitet wird, dergestalt, daß Gnade und Freiheit, Erwählung und Entscheidung als aufeinander bezogene Gegensätze erscheinen, die in der christlichen Lehre aufgehoben sind 40. Aber kehren wir zurück zu dem Abschnitt über die „Liberté Philosophique“ bei La Mothe le Vayer, der als Skeptiker in der Nachfolge Montaignes als ein Vertreter der „misère de l’homme“ gelten muß und – trotz seiner Bewunderung für Epiktet – auch in diesem Abschnitt seine Zweifel an der stoischen Weisheitslehre und der Möglichkeit ihrer Verwirklichung zum Ausdruck bringt mit den Worten: […] il semble que cet homme libre qu’elle nous représente sous le nom du Sage, soit plutôt une idée de ce qui peut être le but de nos souhaits, qu’une chose réelle.41
Was La Mothe le Vayer in diesem Zusammenhang über die Leidenschaften schreibt, weist voraus auf Gedanken von La Rochefoucauld, in dessen Réflexions ou Sentences et Maximes morales sich keine Maxime mehr findet, in der die Idee der Freiheit in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht würde. Wenn La Mothe le Vayer schreibt: Mais nous pouvons être libres d’un côté, & captifs de l’autre. Tel se trouve affranchi d’Ambition, qui succombe à l’Amour, ou à l’Avarice […],
so führt La Rochefoucauld diesen Gedanken weiter in der Maxime 10: Il y a dans le cœur humain une génération perpétuelle de passions, en sorte que la ruine de l’une est presque toujours l’établissement d’une autre.42
Und wenn La Mothe le Vayer skeptisch die Frage aufwirft, ob der Mensch überhaupt fähig sei, auf dem Wege über die Philosophie einer so absolu-
40 Vgl. Arthur Rich, Pascals Bild vom Menschen. Eine Studie über die Dialektik von Natur und Gnade in den „Pensées“, Zürich 1953, S. 166 f. (bes. Anm. 103) und S. 186 f. 41 La Mothe le Vayer, Œuvres (wie Anm. 35), S. 212 (Nachdruck Bd. 1, S. 499). Die folgenden Zitate aus dem Werk La Mothe le Vayers ebd. 42 La Rochefoucauld, Maximes, hg. von Jacques Truchet, Paris 1967, Édition de 1678, S. 9.
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ten Freiheit teilhaftig zu werden – „de jouïr par le moien de la Philosophie, d’une liberté aussi détachée, & aussi indépendante“ –, dann lassen sich eine ganze Reihe von Maximen La Rochefoucaulds anführen, die diese Frage ebenso verneinen wie das Titelbild zur ersten Ausgabe der Maximes von 1665 mit der Seneca-Büste, der die Gestalt des „Amour de la Vérité“ die Maske vom Gesicht gerissen hat 43. Die Freiheit als moralisches und moralistisches Postulat, das La Mothe le Vayer im Hinblick auf seine Realisierbarkeit skeptisch in Frage stellt, hat also für La Rochefoucauld – ebenso wie für Pascal – keine Gültigkeit mehr. Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und ganz allgemein sagen, daß in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, vom Scheitern der Fronde zu Beginn der fünfziger Jahre bis zu der „crise de la conscience européenne“ ab Anfang der achtziger Jahre 44, die Idee der Freiheit in der französischen Literatur mehr und mehr in den Hintergrund tritt. Dieses Zurücktreten der Idee der Freiheit läßt sich im Hinblick auf die politische und geistesgeschichtliche Entwicklung sowie im Hinblick auf die religiösen und moralischen Auseinandersetzungen im Zeitalter Richelieus, Mazarins und in den ersten Jahrzehnten der Regierung Ludwigs XIV. mannigfach begründen. Gerhard Schneider hat in seiner Studie Der Libertin. Zur Geistes- und Sozialgeschichte des Bürgertums im 16. und 17. Jahrhundert auf den „Kampf der Orthodoxie gegen Skeptizismus und Libertinismus in der Konsolidierung der absoluten Monarchie“ hingewiesen 45; und Paul Bénichou ist in seinem Buch Morales du grand siècle dem Kampf gegen das Postulat der Freiheit im Menschenbild Corneilles und Descartes’ nachgegangen, einem Kampf, der in erster Linie von Seiten der Jansenisten geführt wurde und mit der „démolition du héros“, der Zerstörung des Corneilleschen Heldenideals, endete 46. In der Tat wird die Freiheit als moralisches Postulat in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts – wenn man von den bereits genannten Moralisten und den Libertins, wie z. B. Théophile de Viau, absieht 47 –
43 Abdruck des Titelbildes der ersten Edition (1665) ebd., S. LXXXVIII (in diesem Band S. 7). 44 Zu den aufklärerischen Bestrebungen in der französischen Literatur der letzten beiden Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts vgl. Paul Hazard, La Crise de la conscience européenne, 1680–1715 (1935), Paris 1961. 45 Vgl. Schneider, Der Libertin (wie Anm. 16), S. 176–192. 46 Vgl. Morales du grand siècle (1948), Paris 1970, bes. S. 155–180. 47 Zur Idee der Freiheit im Werk von Théophile de Viau vgl. Antoine Adam, Théophile de Viau et la libre pensée française en 1620, Paris 1935.
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in erster Linie von Corneille und von Descartes vertreten, bei denen an die Stelle der „sagesse“ die Idee der „générosité“ tritt, die im Zusammenhang mit dem Begriff der Freiheit noch kurz erläutert werden muß. Während es sich bei dem Freiheitsbegriff der Libertins und der Skeptiker primär um die „liberté de jugement“, um „la libre pensée“ oder um „le libertinage critique“ handelt, steht bei Descartes und Corneille die „liberté de volonté“ im Vordergrund. Bei Descartes werden die Begriffe „liberté“ und „volonté“, bezogen auf den Menschen, der den Willen und die Freiheit an sich selbst erfährt, sogar gleichgesetzt. Descartes schreibt: […] il n’y a néansmoins personne qui, se regardant seulement soi-même, ne ressente et n’expérimente que la volonté et la liberté ne sont qu’une même chose, ou plutôt qu’il n’y a point de différence entre ce qui est volontaire et ce qui est libre.48
Die „générosité“ aber bedeutet sowohl bei Descartes als auch bei Corneille etwas anderes als den Sieg des freien Willens über die Leidenschaften; sie ist bei beiden Autoren mehr als die „sagesse“ bei den Vertretern des Neostoizismus, denn, wie Bénichou im Hinblick auf die Definition der „générosité“ in dem Traité des Passions gezeigt hat 49, bedeutet „la volonté“ bei Descartes nicht das Vermögen der Selbstüberwindung – „le pouvoir de se réprimer, de faire taire ses désirs“ –, sondern eine Kraft des „homme généreux“, die mit dem „désir“ übereinstimmt und ihn zur Tat oder zur Entscheidung treibt: […] la faculté de donner suite dans l’action à un désir plutôt qu’à un autre, la „libre disposition des volontés“, le libre arbitre.50
Was die „générosité“ kennzeichnet, ist folglich die „harmonie du désir et de la liberté“, die auch die Helden Corneilles auszeichnet. Dabei richtet sich „le désir“ oder „l’amour“ bei diesen „âmes généreuses“ stets auf Gegenstände oder Personen, die ihrer Liebe würdig sind. Die Leidenschaften werden nicht grundsätzlich verurteilt, sondern die „générosité“, die den Inbegriff der Tugend darstellt, zählt bei Descartes ebenso zu den „passions“ wie „gloire“, „admiration“ und „estime“, die auch zu den Zentralbegriffen des Corneilleschen Dramas gehören. So handelt es sich
48 René Descartes, Œuvres et Lettres, hg. von André Bridoux, Paris 1953, S. 416 (Troisièmes Réponses); vgl. auch Roger Lefèvre, La Pensée de Descartes, Paris 1965, Kap. IV: „La liberté et l’engagement“, S. 89 ff., wo auf diese Réponse hingewiesen wird. 49 Vgl. Bénichou, Morales du grand siècle (wie Anm. 46), S. 35–38. 50 Ebd., S. 36.
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bei beiden Autoren – wie Bénichou in dem Kapitel „Le héros cornélien“ dargelegt hat – um einen „humanisme aristocratique“, der auf die Freiheit ausgerichtet ist: [qui] emploie les plus hautes facultés de l’homme à la conquête d’une liberté dont le désir précède et ennoblit tout 51.
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, das Gesagte durch Beispiele aus den Dramen Corneilles zu verdeutlichen oder näher auf die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen dem „héros cornélien“ und dem „généreux“ im Sinne Descartes’ einzugehen 52. Hier kam es nur darauf an zu zeigen, welche Bedeutung der Idee der Freiheit bei beiden Autoren zukommt und gegen welches Menschenbild oder Heldenideal sich die bereits erwähnte „démolition du héros“ richtet, die insbesondere auf den Einfluß der Jansenisten zurückzuführen ist und zur Folge gehabt hat, daß von einem Postulat der Freiheit z. B. in den Tragödien Racines nicht mehr die Rede sein kann. Die Idee der Freiheit, wie sie von Descartes und Corneille vertreten wurde, hat zweifellos in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nur noch wenige Anhänger gefunden. Zu ihnen gehörte Saint-Évremond, der noch in den siebziger Jahren Corneille den Vorzug vor Racine gab und sich gerade von der Konzeption des „héros cornélien“ angezogen fühlte 53. Das betont auch Antoine Adam, der im Hinblick auf die Würdigung Corneilles durch Saint-Évremond schreibt: Il le félicitait d’inspirer par ses tragédies l’amour de la vertu héroïque, d’exalter l’énergie, d’affirmer la liberté.54
In den moralistischen Schriften Saint-Évremonds aber tritt das Postulat der Freiheit zurück gegenüber den epikureischen Tendenzen, die ins-
51 Ebd., S. 38. 52 Die Gemeinsamkeiten betont Gustave Lanson in seinem Aufsatz: „Le Héros cornélien et le ,généreux‘ selon Descartes“ (1894), in: G. L., Essais de méthode, de critique et d’histoire littéraire, Paris 1965, S. 243–257; die Unterschiede werden deutlich bei Octave Nadal in seiner „Étude conjointe“ zu Le Sentiment de l’amour dans l’œuvre de Pierre Corneille, Paris 1948: „De quelques mots de la langue cornélienne ou d’une éthique de la gloire“, S. 281–323. 53 Vgl. die Schriften Saint-Évremonds über das Theater in: Œuvres de Saint-Évremond, hg. von René de Planhol, Paris 1927, Bd. 1, S. 173–220, bes. S. 192 ff.: „Sur les auteurs tragiques“. 54 Antoine Adam, Histoire de la littérature française au XVIIe siècle, Bd. 5, Paris 1968, S. 211.
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besondere durch den Einfluß Gassendis bei den Libertins der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vorherrschend wurden. Auch bei dem Chevalier de Méré, den Bénichou als einen späten Vertreter des „humanisme aristocratique“ nennt 55, gilt als höchster Wert und oberstes Ziel menschlichen Verhaltens nicht mehr die „générosité“, sondern die „honnêteté“, die als ein auf die Gesellschaft bezogenes Leitbild der „perfection mondaine“ der Freiheit wenig Raum läßt. Das wird ganz deutlich, wenn man bedenkt, daß das Ideal des „honnête homme“ in seinen Grundzügen auf das Bild des „Cortegiano“ zurückgeht. Denn an der Gestalt des Hofmannes exemplifiziert La Mothe le Vayer gerade den Mangel an Freiheit, indem er in dem bereits genannten Traktat De la Liberté et de la Servitude der „Liberté Philosophique“ die „Servitude de la Cour“ gegenüberstellt 56. La Bruyère, bei dem Freiheit als moralisches Postulat nur in dem Kapitel „Des esprits forts“ auftaucht, sieht klar die mit dem Begriff „liberté“ verbundene Problematik, denn Freiheit bedeutet Wahl zwischen Gut und Böse: or liberté, c’est choix, autrement une détermination volontaire au bien ou au mal, et ainsi une action bonne ou mauvaise, et ce qu’on appelle vertu ou crime 57.
Den Libertins, die er auch als „esprits forts“ bezeichnet, steht La Bruyère ablehnend gegenüber. Er unterscheidet nicht grundsätzlich zwischen den Freigeistern im Bereich der Religion und den Vertretern des „libertinage“ im Bereich der Moral, wie es Pierre Bayle schon in seinen Pensées diverses sur la comète von 1683 durch die Scheidung von „irréligieux“ und „immoral“ getan hat 58. So kann von einer Wiederaufnahme des Postulats der Freiheit im Sinne Charrons und La Mothe le Vayers bei den französischen Moralisten auch am Ende des 17. Jahrhunderts nicht die Rede sein. Die Brücke zwischen dem „libertinage critique“ der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der
55 Bénichou, Morales du grand siècle (wie Anm. 46), S. 38. 56 Vgl. La Mothe le Vayer, Œuvres (wie Anm. 35), Kap. V: „De la Servitude de la Cour“, S. 221–237 (Nachdruck Bd. 1, S. 501–505). 57 „Des esprits forts“ 47 (Éd. VII), La Bruyère, Les Caractères de Théophraste traduits du grec avec Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle, hg. von Robert Garapon, Paris 1962, S. 485. 58 Vgl. Schneider, Der Libertin (wie Anm. 16), S. 210–215: „Die Scheidung von ‚irréligieux‘ und ‚immoral‘ bei Pierre Bayle“.
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Aufklärung wird vielmehr durch Pierre Bayle geschlagen, der in den genannten Pensées diverses sur la comète durch die „libre critique“ des Aberglaubens und der Vorurteile an Bestrebungen La Mothe le Vayers anknüpft 59 und in dem Charron-Artikel des Dictionnaire historique et critique den Autor der drei Bücher De la Sagesse gegen die Angriffe von Seiten der Orthodoxie verteidigt 60.
59 Das betont auch Adam in der Histoire de la littérature française au XVIIe siècle, Bd. 5 (wie Anm. 54), S. 232. 60 Vgl. Pierre Bayle, Dictionnaire historique et critique, Cinquième édition, Basle 1738, Bd. 2, S. 142 ff., bes. Anm. G bis L.
Réflexion spirituelle et philosophie morale dans les Produits de la civilisation perfectionnée de Chamfort Ce thème a été choisi dans l’idée que, dans l’année du bicentenaire de la mort de Chamfort, un colloque sur «La Morale des Moralistes» devrait également comporter une communication sur la conception philosophique et la morale sous-jacente à l’œuvre posthume du dernier grand moraliste du dix-huitième siècle. Dans quelle mesure l’œuvre de Chamfort, qui porte aussi nettement l’empreinte de sa genèse à l’époque du déclin de l’Ancien Régime et de la Révolution, fait-elle encore partie de la tradition morale-philosophique? À quel point l’adaptation des thèmes traditionnels dans ses Maximes et Pensées se différencie-t-elle de la pensée et des procédés stylistiques des moralistes du XVIIe siècle? À quel degré Chamfort suit-il ses prédécesseurs dans sa critique et son exposition satirique et polémique de la société? En quoi consiste enfin l’originalité de la forme toute personnelle de son assimilation et de sa transposition littéraire des thèmes et motifs traditionnels? Le choix d’un sujet aussi complexe paraît sans doute téméraire, puisqu’il est en fait, dans le cadre de cette communication, impossible de fournir une réponse satisfaisante à des questions d’une telle ampleur. Il ne peut donc s’agir ici que d’une tentative de formuler plus précisément le problème, d’animer la discussion et de démontrer en quoi consistent les difficultés dont l’interprète des Produits de la civilisation perfectionnée doit tenir compte lorsqu’il tente de discerner une philosophie morale dans les Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes que Chamfort n’a ni classés lui-même ni destinés dans leur totalité à la publication. Signalons tout d’abord les difficultés que présente le texte de ce recueil posthume de plus d’un millier de fragments. Dans son étude Problèmes chamfortiens parue en 1992, Didier Conejo démontre très nettement «que la mort subite de Chamfort ainsi que le vol d’une partie de ses manuscrits […] ont rendu (peut-être définitivement) problématiques le statut et la destination des carrés de papier sur lesquels [Chamfort] notait ce qui
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aujourd’hui nous apparaît comme des ‹pensées détachées› ou des ‹fragments›» 1. Ce problème est à nouveau d’actualité depuis une trentaine d’années, puisqu’une partie des papiers disparus a été retrouvée à Moscou, puis achetée par la Bibliothèque Lénine en 1958. Il s’agit de 372 fragments autographes rassemblés en un album, dont la découverte, comme le signale M. V. Tolmatchov dans un article de 1968, est doublement importante. D’une part, parce qu’il contient 46 fragments inédits, d’autre part, parce qu’on y trouve des variantes, et parfois même une version plus ancienne que celle des textes imprimés, de sorte que cet album nous offre, d’après Tolmatchov, un aperçu instructif du «laboratoire» de Chamfort 2. Depuis lors, Claude Arnaud a rendu accessibles, en 1988, dans l’annexe de sa biographie de Chamfort, «soixante-dix maximes, anecdotes, mots et dialogues inédits, ou jamais réédités» provenant de ces Papiers russes ainsi que des Papiers Mirabeau 3. Après ces publications de nouveaux textes chamfortiens, Didier Conejo estime d’une telle dimension les problèmes auxquels se trouve désormais confronté tout éditeur des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, qu’il plaide pour une «édition sur écran», qui, grâce à l’informatique, permettrait au lecteur de pouvoir étudier la totalité des fragments manuscrits et imprimés en un texte «entièrement variable selon la demande» 4. Dans notre contexte, il n’est évidemment pas possible d’examiner de plus près cette suggestion, qui intéressera plus particulièrement le textologue. Il s’agit seulement de montrer ici qu’à un certain point de vue, les problèmes d’édition des Maximes et Pensées de Chamfort sont encore plus ardus que ceux des Pensées de Pascal, cités à titre de comparaison par Conejo. Il n’existe aucune copie ancienne des papiers de Chamfort, et non seulement une grande partie des papiers volés semble a jamais perdue, mais encore nous ne disposons de presque aucune indication de l’auteur pour l’ordonnance des fragments et le plan de son œuvre. Ginguené, qui nous relate, dans l’Avertissement de son édition de 1795, que «Chamfort était, depuis long-tems, en usage d’écrire chaque jour sur de petits carrés
1 Problèmes chamfortiens (biographie, réception, texte), Firenze 1992, p. 12. 2 Cf. ibid., pp. 103 sq. et note 6. – L’article de M. V. Tolma[t]chov est résumé et discuté dans la Bibliographie critique de John Renwick, Chamfort devant la postérité, 1794–1984, Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 247, Oxford 1986, pp. 174 sq., No 155. 3 Chamfort. Biographie, suivie de soixante-dix maximes, anecdotes, mots et dialogues inédits, ou jamais réédités, Paris 1988, pp. 320–330. 4 Cf. Conejo, Problèmes chamfortiens (voir note 1), pp. 116–120, cit. p. 119.
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de papier, les résultats de ses réflexions» et qu’il jetait ces papiers «pêlemêle dans des cartons», ajoute: «Il ne s’était ouvert à personne sur ce qu’il avait dessein d’en faire.» Ginguené dit qu’il ne serait «peut-être jamais parvenu à y établir quelque ordre», s’il n’avait pas trouvé, «parmi cette masse de petits papiers», l’indication: «PRODUITS de la Civilisation perfectionnée. 1ère Partie: Maximes et Pensées. 2e Partie: Caractères. 3e Partie: Anecdotes» 5. Cette classification n’est cependant pas sans problème. En effet, les maximes et pensées de Chamfort se présentent sous forme ouverte, contenant parfois des citations ou éléments narratifs, de sorte qu’elles ne se laissent pas strictement différencier des caractères et anecdotes, assemblés dès la première édition en une seconde partie. Le titre Produits de la civilisation perfectionnée, que Ginguené considère comme authentique, n’a pas été repris par la majorité des éditeurs ultérieurs. Ajoutons qu’il ne s’agit pas seulement d’un titre d’une ironie volontairement mordante, mais également d’une formulation ambiguë. Ginguené indique bien que les Produits de la civilisation perfectionnée visent «l’excessive corruption des mœurs, les vices hideux ou ridicules, et les travers de toute espèce» que Chamfort, dans sa critique de la société, «prenait un plaisir malin à caractériser et à peindre»6. Mais on peut également rapprocher ce titre des réflexions spirituelles de Chamfort, et faire remarquer que les Maximes et Pensées, dans leur critique souvent cynique et sarcastique, leur désillusionnement impitoyable et dans la résignation et le pessimisme qui s’en dégagent, peuvent elles-mêmes être considérées comme des «produits de la civilisation perfectionnée». Dans les papiers de Chamfort, on ne trouve aucune autre indication sur son projet ou sur le destinataire de son ouvrage. À la question qui lui est souvent posée dans les années 80: «Pourquoi ne donnez-vous plus rien au public?» 7, l’auteur fournit une vingtaine de réponses différentes. Il y mentionne bien «un ouvrage philosophique, qui doit être imprimé à l’Imprimerie Royale», mais à aucun endroit de son œuvre le lecteur n’en apprend plus. Une autre difficulté des Produits de la civilisation perfectionnée réside dans le fait que cette œuvre ne comporte pas seulement – comme les Caractères de La Bruyère – plusieurs formes brèves et différents modes 5 «Avertissement de l’Éditeur» par Ginguené, in: Nicolas Chamfort, Produits de la civilisation perfectionnée. Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, éd. Pierre Grosclaude, Paris 1953, t. 2, pp. 229 sq. 6 Ibid., p. 230. 7 Ibid., t. 1, pp. 75–77.
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d’expression moraliste, mais également des remarques dans lesquelles la personne de l’auteur fait ouvertement son apparition en s’exprimant à la première personne, des réflexions personnelles mises dans la bouche d’autrui, et enfin des anecdotes dont les formes vont de l’esquisse à la narration. Face à cette diversité, Renate List-Marzolff – dans son étude sur le moraliste du XVIIIe siècle – pose très justement la question: «Où se trouve donc, dans cette multiplicité formelle, la position exacte de Chamfort?» 8 Les opinions subjectives exprimées à la première personne du singulier n’existent pas dans les recueils des moralistes du XVIIe siècle. L’œuvre de Chamfort, par contre, fait preuve d’un «caractère fortement subjectif, parfois même autobiographique» 9, sur lequel l’édition des Maximes et Pensées de M. de Lescure (1879) a déjà attiré l’attention. Une série de remarques y figure sous le titre «Confession de Chamfort» en raison du «caractère autobiographique prononcé» de cet ouvrage 10. Enfin, en 1974, Ralph-Rainer Wuthenow a consacré à Chamfort tout un passage de son étude sur l’autobiographie européenne et l’autoportrait au XVIIIe siècle. Dans ce chapitre, Wuthenow a tenté de démontrer «dans quelle mesure l’expression généralisatrice des moralistes français se voit subjectivée» dans les Produits de la civilisation perfectionnée 11. Parmi les textes dans lesquels Chamfort exprime son opinion personnelle, prenons deux exemples comportant à la fois des éléments de la tradition moraliste et quelques particularités du style spécifique à Chamfort. Citons tout d’abord la pensée 116 de l’édition de Jean Dagen 12: Je ne conçois pas de sagesse sans défiance. L’Écriture a dit que le commencement de la Sagesse était la crainte de Dieu; moi, je crois que c’est la crainte des hommes.
Dans ce passage sceptique, «la sagesse», traditionnellement considérée, dans la philosophie morale, comme but du comportement humain, se voit
8 Sébastien-Roch Nicolas Chamfort. Ein Moralist im 18. Jahrhundert, München 1966, p. 32. 9 Ibid. 10 Nicolas Chamfort, Œuvres choisies, publiées avec préface, notes et tables par M. de Lescure, Paris 1879, t. 1, pp. 28–31. 11 Das erinnerte Ich. Europäische Autobiographie und Selbstdarstellung im 18. Jahrhundert, München 1974, pp. 186–193, cf. p. 187. 12 Nicolas Chamfort, Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, éd. Jean Dagen, Paris 1968. Toutes les citations des Produits de la civilisation perfectionnée d’après cette édition.
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indissolublement liée à la «défiance», de valeur toujours négative. En partant de la parole célèbre du Livre des Proverbes (I, 7): «La crainte du Seigneur est le début de la sagesse […]», Chamfort, convaincu de l’idée antique, reprise par Hobbes: «Homo homini lupus», met «la crainte des hommes» à la place de «la crainte de Dieu». Dans cette réflexion spirituelle et sarcastique, Chamfort exprime aussi bien son scepticisme par le rejet de la conception biblique de «la sagesse» que son pessimisme par l’image négative qu’il se fait de la nature humaine. De la même façon qu’il utilise ici une citation biblique pour formuler son opinion personnelle en une antithèse, Chamfort emploie, dans sa pensée 93 sur «l’espérance», une citation empruntée à l’Inferno de Dante (III, 9). Chez les moralistes du XVIIe siècle, l’espérance n’est pas considérée comme une vertu théologale, mais le plus souvent comme une passion qui correspond, dans ses effets, à son antonyme, «la crainte». Pour Chamfort, cette passion est également négative: L’espérance n’est qu’un charlatan qui nous trompe sans cesse; et, pour moi, le bonheur n’a commencé que lorsque je l’ai eu perdue. Je mettrais volontiers sur la porte du paradis le vers que le Dante a mis sur celle de l’Enfer: Lasciate ogni Speranza, voi ch’entrate.
Au contraire de La Rochefoucauld, dont les Maximes ne contiennent ni citation littéraire ni allusion mythologique, Chamfort va ici jusqu’à utiliser ce vers célèbre de la Divine Comédie pour rejeter de manière spirituelle la conception traditionnelle de l’espérance. L’idée de mettre l’inscription de la porte infernale, qui exprime le destin irrémédiable des damnés, sur la porte du paradis, équivaut à un blasphème, et nous montre combien Chamfort diffère de La Rochefoucauld, qui, dans la maxime 168, approuve l’espérance, malgré sa nature fallacieuse: «L’espérance, toute trompeuse qu’elle est, sert au moins à nous mener à la fin de la vie par un chemin agréable.» 13 Prenons encore en troisième exemple la pensée 325 de Chamfort, également formulée à la première personne du singulier. Ce passage peut être considéré comme un modèle de brièveté. Chamfort écrit: J’ai détruit mes passions, à peu près comme un homme violent tue son cheval, ne pouvant le gouverner.
Dans cet aveu, d’autant plus convaincant si l’on considère le destin de Chamfort, il ne s’agit pas, comme chez les stoïciens, d’une maîtrise des 13 La Rochefoucauld, Maximes, éd. Jacques Truchet, Paris 1967, Édition de 1678, p. 43.
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passions, mais de leur destruction ou de leur anéantissement. C’est pourquoi ce «J’ai détruit mes passions» est comparé à un meurtre. La Rochefoucauld, par contre, en tant qu’homme du XVIIe siècle, est bien loin d’une telle véhémence contraire à la bienséance. Dans ses Maximes, il déclare, en critiquant la morale stoïcienne: «La durée de nos passions ne dépend pas plus de nous que la durée de notre vie.» 14 À côté des pensées de Chamfort formulées à la première personne du singulier, il est nécessaire de prendre également en considération les déclarations personnelles de l’auteur exprimées par autrui. Comme l’observe très justement Wuthenow, Chamfort aime à «citer un Monsieur M., dont les remarques […] se révèlent au fur et à mesure être des autocitations satiriques» 15. Prenons par exemple le numéro 963 des Caractères et Anecdotes: «Je vous prie de croire, disait M… à un homme très riche, que je n’ai pas besoin de ce qui me manque.»
ou la remarque 1095, dans laquelle il ne s’agit plus d’une réflexion spirituelle et satirique, mais d’un jugement philosophique fondé sur d’amères expériences personnelles: «Le bonheur, disait M…, n’est pas chose aisée. Il est très difficile de le trouver en nous, et impossible de le trouver ailleurs.»
Schopenhauer, qui prendra cette parole pour épigraphe à son ouvrage Aphorismes sur la sagesse dans la vie, l’attribue sans hésiter à Chamfort. Le thème du «bonheur», souvent discuté au XVIIIe siècle 16, se retrouve dans la pensée 332 à caractère autobiographique: En renonçant au monde et à la fortune, j’ai trouvé le bonheur, le calme, la santé, même la richesse; et en dépit du proverbe, je m’aperçois que qui quitte la partie la gagne.
Cette pensée se rapporte au printemps 1783, durant lequel Chamfort s’était retiré avec Mme Buffon au manoir de Vaudouleurs, près d’Étampes, pour y vivre une courte période de bonheur qu’il qualifiera lui-même de «presque le seul temps de ma vie qui compte pour quelque chose» 17. Il 14 Ibid., No 5, p. 8. 15 Wuthenow, Das erinnerte Ich (voir note 11), p. 188. 16 Cf. Robert Mauzi, L’Idée du bonheur dans la littérature et la pensée françaises au XVIIIe siècle (1960), Paris 1969; Corrado Rosso, Moralisti del «bonheur» (1954), Pisa 1977. 17 Cf. Arnaud, Chamfort (voir note 3), pp. 106 sq.; List-Marzolff, Sébastien-Roch Nicolas Chamfort (voir note 8), p. 15.
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ne s’agit cependant pas d’une remarque rappelant une note de journal intime, mais d’une pensée morale avec pointe finale. Chamfort se sert du proverbe dans lequel «quitter la partie» signifie abandonner sa place et reconnaître sa défaite 18, pour en prendre exactement le contre-pied: «je m’aperçois que qui quitte la partie la gagne». Ces deux dernières réflexions de Chamfort, l’une exprimée à la première personne du singulier, l’autre par le biais d’un porte-parole, sont indubitablement à ranger dans la catégorie du thème de «la retraite», qui fait pendant, dans les Produits de la civilisation perfectionnée, à la critique mordante de la société. Si cet aspect avait été le seul objet de notre communication, celle-ci aurait pu – en analogie au sujet d’Oskar Roth 19 – porter le titre: «La morale de la retraite: le cas Chamfort». Nous aurions ainsi touché à un point central, car chez l’auteur des Produits de la civilisation perfectionnée, la morale de la retraite prend un sens plus profond et connaît une expression plus véhémente que chez La Rochefoucauld. En effet, malgré sa mélancolie et l’augustinisme qui marque ses Maximes 20, La Rochefoucauld est toujours resté redevable à l’idéal de l’honnêteté. Il appartenait à la société des honnêtes gens, et approuvait le commerce du monde et la conversation dans les Salons 21. Il n’est donc pas étonnant que, pour lui, la retraite au sens propre ne se retrouve qu’en relation avec le comportement de l’homme durant sa vieillesse, comme le montre le chapitre «De la retraite» dans ses Réflexions diverses. Chamfort, par contre, malgré ses succès en tant qu’homme de lettres, malgré ses amis et protecteurs dans le monde aristocratique, se confine à l’âge de quarante ans dans une position de refus par rapport à la société de son époque. Dans la pensée 323, l’auteur justifie ce refus et explique sa retraite. Après avoir évoqué son jeune âge, empreint de «besoins des passions, et attiré par elles dans le monde», Chamfort poursuit: Arrivé à quarante ans, ayant perdu les passions qui rendent la société supportable, n’en voyant plus que la misère et la futilité, n’ayant plus besoin du monde pour échapper à des peines qui n’existaient plus, le goût de la retraite
18 Dans son Dictionnaire de la langue française, Émile Littré cite le proverbe: «Qui quitte la partie la perd» et l’explique par la paraphrase: «on perd la partie quand on cesse le jeu avant qu’elle soit finie […]» (Paris 1877, art. «quitter», p. 1432). 19 «La morale de la retraite: Le cas La Rochefoucauld», in: La Morale des moralistes. Textes recueillis par Jean Dagen, Paris 1999, pp. 61–72. 20 Cf. Jean Lafond, La Rochefoucauld, Augustinisme et littérature (1977), Paris 1986. 21 Cf. Oskar Roth, Die Gesellschaft der Honnêtes Gens. Zur sozialethischen Grundlegung des «honnêteté»-Ideals bei La Rochefoucauld, Heidelberg 1981.
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et du travail est devenu très vif chez moi, et a remplacé tout le reste. J’ai cessé d’aller dans le monde.
La philosophie morale sur laquelle s’appuient les Produits de la civilisation perfectionnée est donc une «morale de la retraite», que Chamfort ne développe pas à partir de principes métaphysiques ou de normes traditionnelles d’éthique 22, mais qu’il fonde sur sa critique de la société, avec ses lois, usages, préjugés et erreurs. L’opinion personnelle de Chamfort en tant que moraliste se précise dans la maxime 53, lorsqu’il répond à la question: «Qu’est-ce qu’un philosophe? C’est un homme qui oppose la nature à la loi, la raison à l’usage, sa conscience à l’opinion, et son jugement à l’erreur.» Mais comme c’est à partir de la critique de la société que l’auteur développe sa morale de la retraite, examinons ici de plus près cette critique, qui connaît, dans ses réflexions spirituelles, une expression particulièrement forte. Le mépris moraliste «de la société, des grands, des riches, des gens du monde» 23 est déjà clairement exprimé dans les métaphores utilisées par Chamfort à leur endroit. C’est ainsi que, dans la pensée 179, cette société se voit comparée à «une foire», «un tripot», «un mauvais lieu», et à «des petites maisons». Dans la maxime 198, le moraliste va encore plus loin: En voyant quelquefois les friponneries des petits et les brigandages des hommes en place, on est tenté de regarder la société comme un bois rempli de voleurs, dont les plus dangereux sont les archers, préposés pour arrêter les autres.
La métaphore «un bois rempli de voleurs» est si typique de l’œuvre de Chamfort, que Nietzsche appelait «ce plus malicieux de tous les moralistes» 24, que la nouvelle édition allemande des Produits de la civilisation perfectionnée porte le titre: Ein Wald voller Diebe (Un bois rempli de voleurs) 25. Une critique de la société dans la tradition des moralistes français, qui décrivent et peignent les mœurs, sans se borner à en dénoncer les failles,
22 Cf. List-Marzolff, Sébastien-Roch Nicolas Chamfort (voir note 8), pp. 34 sqq.: «Fortfall der ethischen Norm und Denken in Relationen». 23 Cf. Chamfort, Maximes et Pensées (voir note 12), chap. III (n° 177–267). 24 Friedrich Nietzsche, Le Gai Savoir, «la gaya scienza», trad. de l’allemand par Pierre Klossowski, Paris 1956, § 95, p. 120. 25 Ein Wald voller Diebe. Maximen, Charaktere, Anekdoten, trad. par Fritz Schalk, éd. Hans Magnus Enzensberger, Nördlingen 1987.
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nécessite à la fois proximité et distance par rapport à cette même société. Si Chamfort avait uniquement eu l’intention de la condamner et d’exprimer sa déception et son amertume, les Produits de la civilisation perfectionnée n’auraient jamais présenté une image aussi impressionnante de la société, que les réflexions spirituelles et malicieuses nous décrivent de manière plus vivante et attrayante que les mémoires de l’époque. Même loin du monde, Chamfort a conscience qu’il ne peut, en tant que moraliste, se détourner totalement de la société, mais qu’il doit plutôt la considérer sous un autre aspect. Dans le paragraphe 670, c’est à son porteparole Monsieur M. qu’il prête la description de sa propre méthode: M… disait qu’un esprit sage, pénétrant et qui verrait la société telle qu’elle est, ne trouverait partout que de l’amertume. Il faut absolument diriger sa vue vers le côté plaisant, et s’accoutumer à ne regarder l’homme que comme un pantin et la société comme la planche sur laquelle il saute. Dès lors, tout change: l’esprit des différents états, la vanité particulière à chacun d’eux, ses différentes nuances dans les individus, les friponneries, etc., tout devient divertissant […].
La métaphore traditionnelle du théâtre du monde se voit ici transformée d’une façon typique à Chamfort. L’homme n’y est plus un acteur auquel Dieu a donné son rôle à jouer, mais un simple pantin, un être ridicule, malgré le prestige de sa fonction et de son rang. Il n’évolue plus sur la scène d’un grand spectacle, mais saute sur une simple planche. Le moraliste nous présente ainsi une foire, sur laquelle chacun exhibe sa vanité particulière, de sorte que «tout devient divertissant». La critique de Chamfort ne concerne cependant pas exclusivement la société de son époque; elle est universelle. Dans les Produits de la civilisation perfectionnée 26, la «société» n’est pas une valeur, comme dans la tradition moraliste, mais un mal nécessaire. Chamfort écrit, dans sa pensée 67: Les fléaux physiques et les calamités de la nature ont rendu la société nécessaire. La société a ajouté aux malheurs de la nature. Les inconvénients de la 26 D’après le Dictionnaire historique de la langue française, éd. Alain Rey, Paris 1992, civilisation est définie «comme le processus historique de progrès (on dira plus tard évolution) matériel, social et culturel (1760, Mirabeau), ainsi que le résultat de ce processus, soit un état social considéré comme avancé. Par métonymie, le mot désigne aussi une société caractérisée par son degré d’avancement (1767, Mirabeau), emploi avec lequel le pluriel tend à l’emporter à partir du XIXe siècle» (t. 1, p. 428). – Dans le titre: Produits de la civilisation perfectionnée, Chamfort suit son ami Mirabeau dans l’emploi métonymique du mot civilisation qu’il qualifie, plein de sarcasme, de perfectionnée.
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société ont amené la nécessité du gouvernement, et le gouvernement ajoute aux malheurs de la société. Voilà l’histoire de la nature humaine.
D’après l’auteur, c’est uniquement par la retraite que l’homme est en mesure d’échapper à ce cercle vicieux 27. Nulle part cette idée ne trouve une expression plus marquée que dans la pensée 159: Préjugé, vanité, calcul, voilà ce qui gouverne le monde. Celui qui ne connaît pour règle de sa conduite que raison, vérité, sentiment, n’a presque rien de commun avec la société. C’est en lui-même qu’il doit chercher et trouver presque tout son bonheur.
27 Citons en outre la pensée 98, dans laquelle Chamfort ramène ce cercle vicieux à la misère de la condition humaine: «Telle est la misérable condition des hommes, qu’il leur faut chercher, dans la société, des consolations aux maux de la nature, et, dans la nature, des consolations aux maux de la société.»
Lob und Tadel des Alters „La vejez“ in moralphilosophischen Dialogen des Siglo de Oro und „la vieillesse“ in moralistischen Reflexionen des Siècle de Louis XIV Da das Alter in der Lebenswirklichkeit des Menschen eine so große Rolle spielt, ist es nicht verwunderlich, daß dem Altersmotiv auch in der moralphilosophischen und in der moralistischen Literatur, die sich mit der „condition humaine“ und dem Verhalten des Menschen in den verschiedenen Lebenssituationen beschäftigt, wesentliche Bedeutung zukommt. Die Lebensalter, ihre Charakteristika, die mit ihnen verbundenen Vorzüge, Fähigkeiten, Gefahren, Mängel und Übel werden in moralphilosophischen Traktaten und Dialogen dargelegt und erörtert, oder das Verhalten des Menschen im Alter wird in moralistischen „réflexions“, „maximes“ und „caractères“ auf Grund psychologischer Beobachtung analysiert und wirkungsvoll zur Darstellung gebracht. Dabei erweist sich dieses Motiv in seiner Ambivalenz, die in Lob und Tadel des Alters ihren Ausdruck findet, als besonders geeignet, um die Unterschiede zwischen einer moralphilosophischen und einer moralistischen Betrachtungsweise und Schreibart zu verdeutlichen. Der Themenstellung des Bandes Spanische Literatur – Literatur Europas entsprechend werden Texte der spanischen Literatur des 16. Jahrhunderts den Ausgangspunkt bilden. Wir haben zwei moralphilosophische Schriften in Dialogform gewählt, die für die Behandlung des Motivs der „vejez“ im Siglo de Oro repräsentativ sind, um an diesen Texten Grundzüge der Gestaltung und Funktion des Altersmotivs in der humanistischen Dialogliteratur herauszuarbeiten. Diesen Darstellungen, die beide in der Nachfolge von Ciceros Cato maior de senectute stehen, sollen – dem komparatistischen Grundzug dieses Bandes gemäß – Reflexionen über „la vieillesse“ und ihren Einfluß auf das Verhalten der „vieillards“ und der „vieilles femmes“ aus dem Werk La Rochefoucaulds und aus den Caractères von La Bruyère gegenübergestellt werden, an denen sich Grundzüge der Behandlung des Altersmotivs im Zeitalter Ludwigs XIV. zeigen lassen.
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Lob und Tadel des Alters im Siglo de Oro und im Siècle de Louis XIV
Durch diese Gegenüberstellung werden zugleich die Unterschiede in der Konzeption und Verwendung dieses Motivs in moralphilosophischen und moralistischen Texten deutlich werden. Die erste Schrift, die im Hinblick auf die Gestaltung und Funktion des Altersmotivs behandelt werden soll, ist der Diálogo de la dignidad del hombre von Fernán Pérez de Oliva 1, der nach dem Tod des Autors (1531) von Francisco Cervantes de Salazar fortgesetzt und 1546 in kommentierter Form ediert worden ist 2. Die These von der „dignitas hominis“, der in der italienischen Renaissance eine so große Bedeutung für das Menschenbild und die Rangstellung des Menschen in der Schöpfung zukommt 3, gehört auch im spanischen Renaissance-Humanismus zu den zentralen Themen der moralphilosophischen Literatur 4. Die Dialogform hat Pérez de Oliva – wie so viele Schriftsteller seiner Zeit – nach antikem Vorbild gewählt, wobei neben dem platonischen Einfluß in erster Linie an Cicero zu denken ist, der seinen Cato maior de senectute auch in Dialogform abgefaßt hat 5. Diese Form ermöglicht es Pérez de Oliva und Cervantes de Salazar, „dignitas et miseria hominis“, die schon in der Patristik einander gegenübergestellt worden sind und die im Hochmittelalter die beiden Pole bildeten, von denen ausgehend berühmte Autoren wie Bernhard von Clairvaux und Lothario de Segni (der spätere Papst Innozenz III.) die „conditio humana“ zu bestimmen suchten 6, wirkungsvoll miteinander zu konfrontieren. 1 Dieser abrupt endende Dialog von Pérez de Oliva ist abgedruckt im 98. Band der Biblioteca de Autores Españoles, Obras escogidas de filósofos, Madrid 1873, S. 385–396. 2 Der vollständige Text liegt uns vor in der Ausgabe: Obras qve Francisco Cervantes de Salazar ha hecho, glossado i tradvcido. Diálogo de la dignidad del hombre por M. Oliva i por Cervantes. […], Madrid 1772, S. 1–171. Alle Zitate nach dieser Edition (Seitenangaben im Text). 3 Vgl. Alfons Auer, „Giannozzo Manetti und Pico della Mirandola, De hominis dignitate“, in: Vitae et veritati (Festgabe für Karl Adam), Düsseldorf 1956, S. 83–102; August Buck, „Die Rangstellung des Menschen in der Renaissance: dignitas et miseria hominis“, in: Archiv für Kulturgeschichte 42/1960, S. 61–75, sowie Oliver Glaap, Untersuchungen zu Giannozzo Manetti, „De dignitate et excellentia hominis“. Ein Renaissance-Humanist und sein Menschenbild, Stuttgart/Leipzig 1994. 4 Vgl. José Luis Abellán, „La idea de la dignidad del hombre“, in: J. L. A., Historia crítica del pensamiento español, Bd. 2: La Edad de Oro, Madrid 1979, S. 148–161; Christoph Strosetzki, „Zwischen dignitas und miseria hominis“, in: C. S., Literatur als Beruf. Zum Selbstverständnis gelehrter und schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro, Düsseldorf 1987, S. 16–18. 5 Zur Dialogform bei Cicero vgl. John G. F. Powell in der Einführung zu der kommentierten Edition des Cato maior de senectute, Cambridge 1988, S. 5–9. 6 Auer hat in seinem Aufsatz „Giannozzo Manetti und Pico della Mirandola“ (wie
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Es handelt sich um einen Dialog, der der Gattungstradition entsprechend außerhalb der Stadt an einem lieblichen Ort stattfindet. Drei Gesprächspartner sind beteiligt: Aurelio, der die menschliche Natur anklagt und die These von der „miseria hominis“ vertritt, Antonio, der Verteidiger der „dignitas hominis“, und Dinarco, „un viejo muy sabio“, den beide zum Schiedsrichter ihres gelehrten Streitgesprächs wählen 7. In der Fortsetzung von Cervantes de Salazar wird dieser „sehr weise Alte“ sogar zum eigentlichen Wortführer, der zunächst Aurelio recht zu geben scheint und erneut Beweise für die „miserias del hombre“ vorbringt, um dann mit viel Beredsamkeit, unter Verwendung von traditionellen antiken und biblischen Argumenten, die These von der „dignidad del hombre“ aufzunehmen, die schon im ersten Teil mit eindrucksvoller Begründung von Antonio vertreten worden war, so daß die Frage zugunsten der Würde des Menschen entschieden wird und die Schrift zu Recht den Titel „Diálogo de la dignidad del hombre“ trägt. Traditionell gehört das Lob des Alters nicht zu den Motiven, die zur Verteidigung der „dignitas hominis“ herangezogen werden. Das Altersmotiv taucht nur dort auf, wo Schmähungen des Alters in Traktaten über die „miseria hominis“ zurückgewiesen werden sollen. Das gilt z. B. für den Abschnitt 56 im IV. Buch von Giannozzo Manettis Traktat De dignitate et excellentia hominis (1452), wo der Autor auf den Vorwurf der Beschwerlichkeit des Alters eingeht und die „senectutis incommoda“ als Argument für die „miseria hominis“ zurückweist 8. Aber auch für Manetti bleibt das Alter letztlich ein der Krankheit vergleichbares Übel. Das läßt sich schon daran erkennen, daß die Würde und Erhabenheit des Menschen am Ende des Traktats ihren höchsten Ausdruck in der christlichen Lehre von der „novissima corporum resurrectio“ findet, bei der zu
Anm. 3) darauf hingewiesen, daß Bernhard von Clairvaux, der seine Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis mit einem Kapitel „De dignitate hominis“ beginnt, im zweiten Kapitel, „De miseria hominis“, bereits „alle wichtigen Motive“ anschlägt, „die wir kurz hernach in der Schrift ‚De miseria humanae conditionis‘ finden, die Innozenz III. drei Jahre vor seiner Wahl zum Papst geschrieben hat“ (S. 83). 7 Da das Altersmotiv in dem Dialog eine große Rolle spielt, ist es wichtig, daß die entscheidende Stellungnahme in der Frage nach der „dignitas et miseria hominis“ einem Mann mit Altersweisheit in den Mund gelegt wird. Die Bezeichnung „un viejo muy sabio“ findet sich im „Argumento“; und im ersten Teil des Dialogs sagt Antonio: „Dinarco sea nuestro juez, al cual yo doi la ventaja de todos nuestros tiempos, ansi en virtud, como en letras.“ (S. 4). 8 Vgl. Giannozzo Manetti, De dignitate et excellentia hominis, hg. von Elisabeth R. Leonard, Padua 1975, S. 134.
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den „conditiones corporum glorificatorum“ nicht nur „perpetua sanitas“, sondern auch „iuventus sine senectute“ gehört 9. Dagegen werden bei der Begründung der „miseria hominis“ die Mängel der verschiedenen Lebensalter und speziell die Beschwerden und Übel des Greisenalters immer wieder hervorgehoben. So zählt der Kardinal Lothario in seiner weit verbreiteten Abhandlung De miseria humane conditionis (1195) Buch I, Kap. X: „De incommodo senectutis“ nicht nur eine Fülle körperlicher Verfallserscheinungen auf, die mit dem Alter verbunden sind, sondern er führt auch für den „senex“ typische negative Eigenschaften an – wie Leichtgläubigkeit, Geschwätzigkeit, Starrsinn, Geiz usw. –, bevor er zur Bestätigung der Aufzählung all dieser Miseren des Alters Horaz zitiert, der in seiner Ars poetica im Zusammenhang mit dem Charakter der verschiedenen Lebensalter, die der Dichter bei der Konzeption der dramatischen Gestalten beachten muß, schreibt: „Multa senem circumveniunt incommoda […]“ (V. 169), und in den folgenden Versen Beispiele für das Verhalten der Menschen im Alter gibt, die mit der Charakteristik des „senex“ bei Lothario in vielen Punkten übereinstimmen 10. Kaum positiver beurteilt Poggio Bracciolini das Alter. In seinem Spätwerk De miseria conditionis humanae (entstanden um 1450) verfolgt er das Elend der menschlichen Existenz durch alle Lebensalter und Stände und beruft sich dabei ebenfalls auf das genannte Horaz-Zitat. Auch Poggio weist eindringlich auf die Krankheiten und die Schwäche des Greisenalters hin und zitiert als Fazit seiner Darstellung den antiken Dichter Terenz, der das Alter selbst als Krankheit bezeichnet hatte: „Recte Terentius noster scripsit, ipsam senectutem morbum esse.“ 11 Wenn Pérez de Oliva und Cervantes de Salazar in ihrem Diálogo de la dignidad del hombre nicht nur Aurelio und Dinarco die traditionellen Argumente vortragen lassen, die im Rahmen der „miseria hominis“-Lite-
9 Im Abschnitt 59 heißt es: „Quarum prima est perpetua et eterna absque aliqua infirmitate sanitas […]. Secunda, iuventus sine senectute. Non enim tantum homini hec sua et perpetua corporis incolumitas prodesset, nisi quedam continue iuventutis beatitudo concomitaretur, nec etiam plurimum proficeret si ille qui semper sanus esset, multorum tamen annorum gravitate depressus, aliquo sustentationis baculo indigeret.“ (S. 135 f.). 10 Vgl. Quintus Horatius Flaccus, De arte poetica liber, V. 169–174, und Lotharii Cardinalis (Innocentii III) De miseria humane conditionis, hg. von Michele Maccarrone, Lugano 1955, S. 16. 11 Poggius Bracciolini, Opera omnia. Con una premessa di Riccardo Fubini, Bd. 1, Torino 1964, S. 104.
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ratur zum Tadel des Alters gehören, sondern wenn sie bei der Verteidigung der „dignitas hominis“ auch dem Lob des Alters einen wichtigen Platz einräumen, so ist das zweifellos darauf zurückzuführen, daß in diesem humanistischen Dialog, in dem die Kompilation und Adaptation antiker und christlicher Texte eine so große Rolle spielen, Gemeinplätze aus der moralphilosophischen und theologischen „dignitas et miseria hominis“-Literatur mit Motiven und Argumenten aus Ciceros Cato maior de senectute verbunden werden. Diese Verbindung läßt sich jedoch in dem ersten, von Pérez de Oliva geschriebenen Teil des Dialogs noch nicht erkennen. Zu Beginn der ausführlichen Rede Aurelios über die „miserias del hombre“ wird das Motiv der „vejez“ eingeführt, um „la misera composición del cuerpo“ und „las miserias del entendimiento“ zu veranschaulichen. Mit der Vernunft und Einsicht des Menschen ist es nach Meinung Aurelios in der Jugend und im Alter gleichermaßen schlecht bestellt: […] pues nuestro entendimiento nace con nosotros torpe i obscuro: i antes que convalezca, son passadas las mayores necessidades de la vida, por la flaqueza de la niñez i los impetus de juventud, que son los que mas han menester ser con la razón templados. Entonces ya puede algo el entendimiento, quando el hombre es viejo i vecino de la sepultura, que la vida lo ha menos menester. I aun entonces padece mil defectos en los engaños que le hacen los sentidos: i también porque él de suyo no es muy cierto en el razonar i en el entender […] (S. 11 f.).
Wie Poggio in seinem Traktat die traditionellen Motive der „miseria hominis“-Literatur aufgreift, so läßt auch Pérez de Oliva die bekannten Argumente von Aurelio erneut vorbringen. Auf die Erörterung der Mühen und Leiden, die mit den verschiedenen Berufsständen und den ihnen obliegenden Arbeiten verbunden sind, folgt die Klage über die Kürze des Lebens und die Mängel der verschiedenen Lebensalter. In bezug auf die Kindheit und Jugend faßt sich Aurelio kurz, das Mannesalter erwähnt er gar nicht, „la vejez“ aber wird, gerade im Hinblick auf die körperlichen Beschwerden, anschaulich geschildert: Luego viene la vejez, do en el hombre comienzan a hacerse los aparejos de la muerte. Entonces el calor se resfria, las fuerzas lo desamparan, los dientes se le caen, como poco necessarios, la carne se le enjuga, i las otras cosas se van parando tales, quales han de estar en la sepultura […] (S. 17) 12.
12 Diese Schilderung, die zunächst kraß und detailliert erscheinen mag, bietet nur eine Auswahl aus der Fülle der Altersbeschwerden, die Innozenz III. in seinem Traktat De mise-
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Im Hinblick auf die Leiden, die mit dem Nahen des Todes folgen, werden diese Mängel des Alters jedoch als „dulces miserias“ bezeichnet. Das Oxymoron „süße Leiden“ soll darauf hinweisen, daß sich der Mensch angesichts des Todes nach dem, was er im Alter beklagt hatte, zurücksehnt. So erreicht die Rede Aurelios in der Schilderung der „miserias del hombre quando muere“ ihren Höhepunkt, was wiederum dem traditionellen Aufbau der „miseria hominis“-Traktate entspricht 13. Es folgt nur noch ein kurzer Abschnitt über die „Vanidad de la fama“, in dem Aurelio den schon von Petrarca in seinen Trionfi dargestellten Gedanken, daß der Ruhm den Tod überdauert und als ein „remedio de la muerte“ angesehen werden kann, zurückweist (S. 18 f.). Obgleich Antonio seine Rechtfertigung der „dignidad del hombre“ primär auf religiöse Argumente stützt, läßt seine Gegenrede die für den Renaissance-Humanismus bezeichnende „exaltación de la individualidad y de la libertad“ klar erkennen 14. Die Klagen über die „miserias de la vejez“ aber werden in dieser Gegenrede nicht widerlegt, sondern Antonio beschränkt sich darauf zu zeigen, weshalb „no es tan cruel nuestra muerte“, und weshalb der Tod für die Guten kein Übel ist: „No es la muerte mala, sino para quien es mala la vida: que los que bien viven, en la muerte hallan el galardón: pues por ella passan a la otra vida mas excelente […]“ (S. 43). Das Altersmotiv wird erst in der Fortsetzung des Dialogs von Francisco Cervantes de Salazar wieder aufgenommen, und zwar sowohl in dem Teil, in dem Dinarco Aurelio recht zu geben scheint und weitere Argumente für die These der „miseria hominis“ anführt, als auch in der
ria humane conditionis (wie Anm. 10) angeführt hatte. In dem genannten X. Kapitel des I. Buches schreibt der Kardinal Lothario: „Si quis autem ad senectutem processerit, statim cor eius affligitur, et caput concutitur, languet Spiritus et fetet anhelitus, facies rugatur et statura curvatur, caligant oculi et vacillant articuli, nares effluunt et crines defluunt, tremit tactus et deperit actus, dentes putrescunt et aures sordescunt.“ (S. 16). 13 Schon der Kardinal Lothario hatte im dritten und letzten Buch „la damnable fin de la condition humaine“ behandelt (vgl. Robert Bultot, „Mépris du monde, misère et dignité de l’homme dans la pensée d’Innocent III“, in: Cahiers de la Civilisation médiévale 4/ 1961, S. 441–456, hier S. 445). Im Vergleich mit diesem dritten Buch, das den Titel trägt „De dampnabili humane conditionis egressu“ (wie Anm. 10, S. 73–98), ist die Schilderung der „crudas agonias“, der „dolores crueles“, der „turbaciones“ und „sospiros“ sowie des „timor del infierno“, die Pérez de Oliva Aurelio in den Mund legt, noch maßvoll und zurückhaltend (vgl. S. 17 f.). 14 Das hat Abellán in seiner Historia crítica del pensamiento español nachgewiesen (in dem in Anm. 4 angeführten Kapitel S. 152 ff.).
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großen Rede, in der der „viejo muy sabio“ Beweise für die „dignidad del hombre“ beibringt und das Gespräch zugunsten der Position von Antonio entscheidet. Neu ist in beiden Stellungnahmen Dinarcos die Verbindung des Motivs der „vejez“ aus der „miseria hominis“-Literatur mit dem Altersmotiv aus Ciceros Cato maior de senectute. In der ersten Rede nimmt Dinarco das Motiv der verschiedenen Lebensalter und der ihnen zugehörigen „miserias“ noch einmal wieder auf und beruft sich, was „la vejez“ anbelangt, ausdrücklich auf den Dialog Ciceros: Porque la vejez, como escrive Ciceron, por quatro causas es misera. La una porque aparta i priva al hombre de entender en las cosas de republica; i la segunda porque hace el cuerpo enfermo; la tercera porque le priva de todos los deleites i passa-tiempos, sin los quales la vida no es vida; la quarta porque está mui cercana a la muerte. (S. 86 f.)
Schlägt man die entsprechende Stelle im fünften Kapitel des Cato maior nach, so heißt es dort: Etenim, cum complector animo, quattuor reperio causas, cur senectus misera videatur: unam quod avocet a rebus gerendis, alteram quod corpus faciat infirmius, tertiam quod privet omnibus fere voluptatibus, quartam quod haud procul absit a morte.15
Wenn Dinarco sagt, daß das Alter nach Meinung Ciceros aus vier Gründen ein elender Zustand „ist“, verfälscht er den Text, denn im Cato maior wird nur von den „quattuor […] causas“ gesprochen, „cur senectus misera videatur“. Es kommt Cicero gerade darauf an, diese vier Gründe, aus denen das Alter ein mißlicher Zustand zu sein scheint, von Cato widerlegen zu lassen und einen Dialog zum Lob des Alters zu schreiben. Dennoch läßt Cervantes de Salazar den alten Dinarco unter Berufung auf den Cato maior zunächst antike Exempla für die Klagen über das Alter anführen 16 und dann die vier genannten Gründe für den Tadel des Alters nacheinander im Sinne der „miseria hominis“-These erläutern 17.
15 „Bei umfassender Betrachtung des Problems komme ich nämlich auf vier Gründe, aus denen man das Alter für ein Unglück hält: Erstens, weil es uns in zunehmendem Maße verwehre, Großes zu leisten; zweitens, weil es den Körper entkräfte; drittens, weil es uns fast jede Sinnenfreude nehme, und viertens, weil es dem Tod nahe sei.“ (M. Tulli Ciceronis Cato maior de senectute. Cato der Ältere, Über das Alter. Lateinisch-deutsch hg. von Max Faltner, München 1963, V, 15, S. 22/23) 16 Dinarco nennt Gaius Salinator und Spurius Albinus, die bei Cicero im dritten Kapitel von Cato als Gegenbeispiele zu seiner eigenen Auffassung vom Alter angeführt werden. 17 S. 87–90. – Abellán bezeichnet diese erste Rede Dinarcos als „mucho más floja que la
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Erst in seiner zweiten Rede, in der Dinarco für die „dignitas hominis“ eintritt und die Streitfrage zugunsten der Stellungnahme Antonios entscheidet, findet sich das Lob des Alters und die der Absicht Ciceros entsprechende Widerlegung der „quatro causas de la miseria de la vejez“. Für diesen Teil des Dialogs ist der Cato maior de senectute zweifellos die wichtigste Vorlage, aus der Cervantes de Salazar viel übernommen und mit christlichen Vorstellungen und Grundsätzen verbunden hat 18. Gegen den ersten Einwand macht Dinarco geltend, daß das Alter den Menschen keinesfalls an der Teilnahme an den Staatsgeschäften hindere, da es in den Angelegenheiten „de la paz i de la guerra“ mehr auf die geistigen Fähigkeiten, „las fuerzas del ingenio“, als auf die körperlichen Kräfte ankomme, so daß es klar sei, „que por la experiencia de la edad passada las governará mui mejor el viejo que el mozo“ (S. 131). Als Beispiele wählt Dinarco Gestalten der römischen Geschichte wie den Cunctator Fabius Maximus und den erblindeten Greis Appius Claudius, die schon Cato in Ciceros Dialog als Exempla für Männer angeführt hatte, die sich noch im Alter durch erfolgreiches politisches Handeln auszeichneten. Was den Rat der „viejos“ in den Regierungsgeschäften so wertvoll mache, sei die Klugheit, die aus der Erfahrung erwachse und eine besondere Vorsicht zur Folge habe: „[…] porque del viejo es ser prudente, i del mozo temerario, i ansi dice Aristóteles, que el viejo es temeroso por la experiencia de los peligros, i el mozo atrevido, por no saber lo que hace, ni lo que de alli le puede venir.“ (S. 131) Vergleicht man die „Respuesta de la primera causa“ bei Cervantes de Salazar mit dem entsprechenden Abschnitt in dem Dialog Ciceros, so fällt auf, daß die Argumentation Dinarcos weniger überzeugend wirkt als die Widerlegung des ersten Vorwurfs durch Cato, dessen Plädoyer für die Aktivität im Alter sich nicht auf das politische Wirken beschränkt, sondern verschiedene Formen geistiger Tätigkeit, sowie Beschäftigung in der Landwirtschaft und die Ausübung eines erzieherischen Einflusses auf die Jugend einschließt. Die historischen Exempel, die Cato anführt, wirken lebendiger, da es nach der Fiktion des Dialogs Persönlichkeiten jener Zeit sind, die er selbst gekannt hat; und auch die idealisierte Gestalt des Cato maior, der seine eigenen Erfahrungen und Überzeugungen geltend macht, beeindruckt den Leser stärker als der „viejo muy sabio“ Dinarco, dessen otra“ und sieht darin einen Beweis dafür, daß Cervantes de Salazar von der „dignitas hominis“ überzeugt war („La idea de la dignidad del hombre“ [wie Anm. 4], S. 158). 18 Darauf wird schon in der kommentierten Edition der Obras qve Francisco Cervantes de Salazar ha hecho (wie Anm. 2), S. 131, Anm. 1, hingewiesen.
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Rede humanistische Gelehrsamkeit erkennen läßt, aber kaum eigenes Erleben oder persönliche Stellungnahme zum Ausdruck bringt. Ähnlich verhält es sich bei der Zurückweisung des zweiten Grundes für den Tadel des Alters, „quod corpus faciat infirmius“ 19, ein Tadel, der bei Cervantes de Salazar wiedergegeben wird mit den Worten: „La segunda causa […] era que hacia el cuerpo enfermo“ (S. 134). Unter „infirmus“ wird bei Cicero jede Form von körperlicher Schwäche oder von Mangel an physischen Kräften verstanden; und Cato weist diesen Vorwurf in differenzierter Form zurück, indem er an bekannten Beispielen und Gegenbeispielen, nicht nur aus seiner Zeit, sondern auch aus der Dichtung zeigt, wie alles darauf ankommt, die Kräfte, über die der Mensch im Alter noch verfügt, richtig einzusetzen oder körperliche Schwäche durch geistige Fähigkeiten, die viel höher einzuschätzen seien, auszugleichen. Cervantes de Salazar dagegen engt die Fragestellung auf die Verbindung von Alter und Krankheit ein und läßt Dinarco in extremer Form die Gegenthese vertreten, daß nämlich „todas las otras edades hacen mui mas enfermo el cuerpo.“ Denn in den früheren Lebensaltern sei der Mensch unvorsichtig und lasse es an dem rechten Maß im Essen und Trinken, im Schlafen und in der Bekleidung fehlen, „menospreciando el orden de la vida“; im Alter aber verhalte er sich vernünftig und maßvoll, „con la prudencia que en aquella edad tiene“, so daß es „muchos viejos“ gegeben habe, „cuyos ingenios, memorias i fuerzas de cuerpo han sido tan grandes, que son afrenta de los mozos“ (S. 134 f.). Dinarco geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt die höchst anfechtbare Behauptung auf, „que si alguna enfermedad ai en la vejez, es por aver sido desordenada la mocedad: los que tal la tuvieron, i no otros, viven enfermos quando viejos“ (S. 135). Der „tercera causa de la miseria de la vejez“ kommt unter literarhistorischem Blickpunkt besondere Bedeutung zu, da dieser Einwand das Altersmotiv in der schönen Literatur weitgehend bestimmt. Klagt man das Alter an, „quod privet omnibus fere voluptatibus“ 20, so läßt sich daraus ableiten, „daß Liebe im Alter etwas Unschickliches sei“, und dieses „mentalitätsgeschichtliche Stereotyp“ hat in der Literatur „seit jeher Ausdruck gefunden“ 21. In der Rede Dinarcos aber geht es – ebenso wie im
19 Cicero, Cato maior (wie Anm. 15), V, 15; vgl. auch ebd. IX, 27 ff., S. 36 ff. 20 „[…] weil es uns fast jede Sinnenfreude nehme“ (ebd.); vgl. auch XII, 39 ff. (ebd.), S. 50 ff.). 21 Wido Hempel, „Liebe im Alter als literarisches Thema von Petrarca bis Michelangelo“, in: Bernhard König/Jutta Lietz (Hg.), Gestaltung – Umgestaltung. Beiträge zur Geschichte der romanischen Literaturen, Tübingen 1990, S. 79–97, hier S. 79.
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Cato maior – nicht um eine Rechtfertigung oder Verurteilung der Liebe oder anderer sinnlicher Freuden im Alter, sondern Cervantes de Salazar weist diesen Vorwurf grundsätzlich zurück, da der Entzug der „placeres i deleites de la vida“ nicht ein Mangel, sondern ein großes Glück sei: „Esto no solamente no se puede llamar miseria, mas es gran felicidad, que Dios al hombre dió en esta edad.“ (S. 135) In dem Dialog von Cicero hatte schon Cato aus diesem Tadel ein Lob des Alters gemacht: „quia non modo vituperatio nulla, sed etiam summa laus senectutis est, quod ea voluptates nullas magno opere desiderat“ (XIII, 44). Eine solche Umwertung, die eine scharfe Kritik der epikureischen Ethik enthält, bestimmt auch die Argumentation Dinarcos, der die Sinnenfreude ganz negativ wertet und sie in die Nähe des Lasters rückt, wenn er sagt: El deleite impide todo consejo, i como enemigo de razon, cierra los ojos del entendimiento, para que a ciegas sigan lo malo: i finalmente ninguna amistad tiene con la virtud, de la qual por consiguiente es amiga la vejez […] (S. 135 f.).
Auch der Gegensatz von „deleite“ und „virtud“ findet sich schon im Cato maior, wo von dem Tarentiner Archytas berichtet wird, der die Meinung vertreten habe: „nec enim libidine dominante temperantiae locum esse neque omnino in voluptatis regno virtutem posse consistere“ 22. Dennoch gibt es in dem Dialog von Francisco Cervantes de Salazar neben diesem „dañoso deleite“ auch noch einen anderen, der als „honesto i provechoso“ bezeichnet wird, „ansi para el cuerpo, como para el entendimiento“ (S. 136). Diese auch dem Alter zugänglichen Vergnügen bestehen einerseits im Landbau, in den „voluptates agricolarum“, von denen schon Cicero im gleichen Zusammenhang spricht 23, und andererseits in wissenschaftlicher oder literarischer Betätigung, dem „exercicio de las letras“, den Dinarco als „sabroso deleite“ bezeichnet (S. 137). Diesem „exercicio de las letras“ entsprechen im Cato maior die „studia doctrinae“, von denen gesagt wird, daß die mit ihnen verbundenen Freuden „prudentibus et bene institutis pariter cum aetate crescunt“ (XIV, 50). Die Widerlegung des vierten Grundes für die „miseria de la vejez“, das Leiden unter der Nähe des Todes, „quod haud procul absit a morte“ (V, 15), bildet sowohl in dem Dialog Ciceros als auch in der Wiederaufnahme des Gedankenganges bei Cervantes de Salazar einen Höhepunkt
22 „[…] denn wo die Leidenschaft herrsche, sei Maßhalten nicht mehr möglich, und überhaupt könne im Reiche der Sinnenlust die Tugend keinen Platz mehr finden“ (Cato maior XII, 41 [wie Anm. 15], S. 53). 23 Vgl. XV, 51 (ebd., S. 64 ff.)
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des Gespräches. Im Cato maior liegt dieser Höhepunkt im einundzwanzigsten Kapitel, in dem der alte Cato seine persönliche Ansicht über den Tod und die Unsterblichkeit unter Rückgriff auf die Seelenlehre der Pythagoreer, die Unsterblichkeitslehre des Sokrates und die Anamnesislehre Platons darlegt. Cervantes de Salazar verkürzt den Gedankengang, verzichtet auf eine Erläuterung der „immortalidad“ (da er bei seinen Lesern den christlichen Unsterblichkeitsglauben voraussetzen konnte) und läßt Dinarco sogleich den Tadel des Alters in ein Lob verwandeln, denn „tener la muerte mui cercana“ bedeute „tener cerca la immortalidad, cosa tan deseada de los hombres, la qual por la vejez, mas cierto que por otra edad, se alcanza“ (S. 138). Hinzu kommt das Argument, daß das Sterben für einen alten Menschen leichter sei als für einen Jüngling, „porque al viejo el cansancio i hartura de la vida passada le ponen en deseo de la por venir“ (S. 140). Diese These veranschaulicht Dinarco mit einem Vergleich: I como con dificultad se arranca la fruta del arbol, quando no está madura, i se cae sin tocalla, quando es su tiempo: ansi al mozo, como a no aparejado para morir, i embevecido en el sabor de la vida, quando viene la muerte, le es aspera i enojosa: lo qual no es al viejo, pues de hoi a mañana la espera, madurado para ella con los trabajos de la vida, i privado de los apetitos. (S. 140)
Die literarische Quelle für diesen Vergleich findet sich wiederum in der Rede Catos, in der der gleiche Gedanke durch zwei Bilder erläutert wird: itaque adulescentes mihi mori sic videntur, ut cum aquae multitudine flammae vis opprimitur, senes autem sic, ut cum sua sponte nulla adhibita vi consumptus ignis extinguitur; et quasi poma ex arboribus, cruda si sunt, vix evelluntur, si matura et cocta, decidunt, sic vitam adulescentibus vis aufert, senibus maturitas (XIX, 71).24
Dieser Vergleich gewinnt bei Cicero eine besondere Bedeutung, da Cato ihn mit seinem persönlichen Erleben verbindet und das Motiv der Reife des Alters mit dem Motiv des Lebens als Seefahrt zu einem neuen wirkungsvollen Bild zusammenfaßt, indem er betont, auf diese „maturitas“ freue er sich so sehr, daß er, je näher er dem Tode komme, um so mehr 24 „Daher kommt mir der Tod junger Leute vor wie das Ersticken eines gewaltigen Feuers mit einer Flut von Wasser; sterben aber alte Leute, so kommt gleichsam ein Feuer, das sich aufgezehrt hat, von selbst, ohne Gewalt, zum Erlöschen; und wie das Obst nur mit Mühe von den Bäumen abgepflückt werden kann, solange es noch grün ist, dagegen aber abfällt, sobald es zeitig und ausgereift ist, so nimmt jungen Leuten nur Gewalt, alten Menschen dagegen ihre Reife das Leben fort.“ (Cato maior [wie Anm. 15], S. 89)
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glaube, „quasi terram videre […] aliquandoque in portum ex longa navigatione esse venturus“ 25. Solche poetischen Bilder, die den literarischen Reiz des Dialogs von Cicero erhöhen, finden sich bei Cervantes de Salazar kaum. Die Persönlichkeit des „viejo muy sabio“ Dinarco, der seine Verteidigung der „dignidad del hombre“ an keiner Stelle durch persönliche Erfahrungen oder Überzeugungen veranschaulicht, wird nicht so lebendig wie die Gestalt Catos des Älteren; und die Exempel aus der römischen Geschichte, die in dem Dialog Ciceros für Cato erlebte Wirklichkeit sind, erscheinen in der Rede Dinarcos als humanistisches Bildungsgut, das den didaktischen Charakter des Textes stärker hervortreten läßt. Alle diese Züge tragen dazu bei, daß der Leser bei einem Vergleich des Cato maior mit der Adaptation in dem Diálogo de la dignidad del hombre den Eindruck gewinnt, Cervantes de Salazar habe Ciceros Umsetzung des moralphilosophischen Traktatthemas „de senectute“ in einen literarisch kunstvoll gestalteten Dialog teilweise wieder rückgängig gemacht, denn in der Rede Dinarcos wird das Motiv der „vejez“ in der Schreibart eines Traktats abgehandelt. Bei dem Vergleich beider Dialoge ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Altersmotiv bei Pérez de Oliva und Cervantes de Salazar nicht im Mittelpunkt steht wie im Cato maior, sondern der Frage nach der „miseria“ und der „dignidad del hombre“ untergeordnet bleibt. Nachdem „la vejez“ in der Tradition der „miseria hominis“-Traktate von Innozenz III. bis zu Poggio Bracciolini als Argument für die These vom Elend des Menschen eingesetzt worden war, erhält das Altersmotiv in dem humanistischen Diálogo eine neue Funktion, indem neben die Klage über das Alter auch ein Lob des Alters tritt, das Cervantes de Salazar aus dem Dialog Ciceros übernimmt und als Bestätigung der „dignitas hominis“ verwendet. Die zweite Schrift, in der sich ein ähnliches Beispiel für das Altersmotiv in einem moralphilosophischen Dialog der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts findet, ist El Scholástico von Cristóbal de Villalón. Es handelt sich um ein wenig bekanntes, literarhistorisch aber bedeutsames Werk, das zu den authentischen Schriften des Autors zählt, zu seinen Lebzeiten jedoch nicht im Druck erschienen ist. Der vollständige Text wurde erst 1967 von Richard J. A. Kerr in einer kritischen Edition veröffentlicht 26. 25 „[…] gleichsam ‚Land in Sicht‘ zu haben und endlich nach langer Seefahrt in einen Hafen zu gelangen.“ (ebd.) 26 Cristóbal de Villalón, El Scholástico, edición crítica y estudio por Richard J. A. Kerr, Bd. 1, Madrid 1967. Alle Zitate nach dieser Edition (Seitenangaben im Text). Der von dem Herausgeber angekündigte zweite Band, der eine Studie zu Leben und Werk Villalóns
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Eine informative Einführung in die Schriften von Cristóbal de Villalón enthält die Monographie von Joseph J. Kincaid, in der der Scholástico als „Villalón’s most ambitious work“ und als sein „masterpiece“ bezeichnet wird 27. Die Grundkonzeption des Werkes, das der Autor Philipp II. gewidmet hat, wird schon in dem Prolog deutlich, in dem es heißt: „Es nuestra intençion pintar aqui vna scolastica vniuersidad/ o academica republica/ o escuela de lettras, en imitaçion de la republica çeuil que debujo Platon.“ (S. 5) Diese Angabe bedarf jedoch einer wesentlichen Ergänzung, denn wichtiger als das Vorbild der Politeia Platons ist zweifellos das Vorbild von Castigliones Libro del Cortegiano, das, wie schon die Übersetzung von Boscán aus dem Jahre 1534 zeigt, zur Zeit der Entstehung des Scholástico in Spanien eine starke Wirkung ausgeübt hat. So wie Castiglione im Cortegiano eine edle Gesellschaft von humanistischer Gesinnung am Hof von Urbino darstellt, die in Dialogform das Bild eines vollkommenen Hofmanns entwirft, so schildert Cristóbal de Villalón eine nicht weniger erlesene Gesellschaft von durch ihr Wissen und durch ihren sozialen Stand hervorragenden Professoren der berühmten Universität von Salamanca 28, die außerhalb der Stadt auf einem Landsitz des Herzogs von Alba zusammenkommen, um das Bild eines idealen Studenten und eines ebenso vollkommenen akademischen Lehrers zu entwickeln, die beide den hohen Ansprüchen der verschiedenen Wissenschaften in humanistischem Geist entsprechen sollen 29. In Castigliones Cortegiano, Buch I, Abschnitt XII, schlägt Federico Fregoso als Spiel zur abendlichen Unterhaltung der Gesellschaft vor, „di formar con parole un perfetto Corte-
enthalten soll, ist noch nicht erschienen. – Die 1911 in Madrid von Marcelino Menéndez y Pelayo in der „Sociedad de Bibliófilos Madrileños“ herausgegebene Edition des Scholástico ist unvollständig. 27 Joseph J. Kincaid, Cristóbal de Villalón, New York 1973, S. 20 und S. 113. 28 Villalón sagt, daß er selbst im Jahre 1525 „en esta bienauenturada vniuersidad“ tätig gewesen sei, „trabajando en my estudio: por cojer della aquel fruto que suele distribuir“ (Buch I, Kap. II, S. 11). 29 Die „generosa compañia“, die an den Gesprächen aktiv teilnimmt, besteht aus neun ehrwürdigen Persönlichkeiten der Universität von Salamanca, unter denen dem „maestrescuela“ Francisco de Bobadilla, dem „muy magnifico señor“ Francisco de Navarra, der 1528 zum „Rector“ gewählt wurde, und dem „venerable maestro“ Fernán Pérez de Oliva (dem Rektor des Jahres 1529) besondere Bedeutung zukommt. Cristóbal de Villalón selbst ist nur passiver Gesprächsteilnehmer, der in die Situation einführt und als Beobachter und Chronist des Geschehens mitwirkt (vgl. Kincaid, Cristóbal de Villalón [wie Anm. 27], S. 114).
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giano“ 30, und in Villalóns Scholástico, Buch II, Kapitel III, „el Rector propone a todos aquellos señores que deuen formar vn perfecto varon scholastico / con las condiçiones que se deue tener para seguir las lettras: y vn conforme maestro que se las enseñe“ (S. 66). Gestaltung und Funktion des Altersmotivs aber sind in beiden Werken verschieden. Zu Beginn des zweiten Buches des Cortegiano kommt Castiglione auf die „vecchiezza“ zu sprechen, ausgehend von der Frage, wie es zu erklären sei, daß fast alle alten Menschen die vergangenen Zeiten loben und die gegenwärtigen tadeln, „vituperando le azioni e i modi nostri e tutto quello che essi nella lor gioventú non facevano“ (S. 136). Der Autor wendet sich gegen dieses widervernünftige Urteil der Alten und gibt eine rationale, psychologische Begründung, die er durch einen überzeugenden Vergleich veranschaulicht: Però parmi che i vecchi siano alla condizion di quelli, che partendosi dal porto tengono gli occhi in terra, e par loro che la nave stia ferma e la riva si parta, e pur è il contrario; ché il porto, e medesimamente il tempo ed i piaceri, restano nel suo stato, e noi con la nave della mortalità fuggendo n’andiamo l’un dopo l’altro per quel procelloso mare che ogni cosa assorbe e devora, né mai piú ripigliar terra ci è concesso, anzi, sempre da contrarii venti combattuti, al fine in qualche scoglio la nave rompemo. (S. 138)
Die Seefahrtsmetaphorik wird hier wirksam eingesetzt, um das Fehlurteil der Alten über die schlechte Gegenwart und die gute alte Zeit zu erklären und zugleich die Tragik des Alters und die Unausweichlichkeit des Todes in einem eindrucksvollen Bild zu verdeutlichen. Im Alter gleicht die Lage des Menschen einer Ausfahrt aus dem Hafen, bei der der Blick des Scheidenden so auf das Land, das er verläßt, fixiert ist, daß er meint, es sei das Ufer, das sich entfernt, während er es doch selbst ist, der auf dem Schiff der Sterblichkeit auf das stürmische Meer hinausfährt, das alles verschlingt. Die Tragik, die das Bild zum Ausdruck bringt, besteht darin, daß es den alten Menschen grundsätzlich unmöglich ist, wieder ans Ufer zu gelangen, so daß sie, immer von widrigen Winden bedrängt, schließlich an irgendeiner Klippe Schiffbruch erleiden. Mit dieser Betrachtung zur „conditio humana“ geht Castiglione über die Erklärung für das Verhalten der Alten, die der Vergangenheit übermäßiges Lob spenden und die Gegenwart beständig tadeln, wesentlich hinaus. Es handelt sich um eine moralistische Reflexion, die im Kontext 30 Baldesar Castiglione, Il libro del Cortegiano, hg. von Vittorio Cian, Firenze 41947, S. 35 f. (Alle Zitate nach dieser Ausgabe, Seitenangaben im Text)
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nicht erforderlich war, denn wenn sich der Autor so entschieden gegen das Fehlurteil der „vecchi“ wendet, so geschieht es, weil es ihm darauf ankommt, die höfische Kultur seiner Zeit zu loben, insbesondere den Hof von Urbino 31. Das Altersmotiv wird wieder aufgenommen in Buch II, Abschnitt XIII– XV, im Zusammenhang mit der Frage nach der Rolle, die die Musik im Leben des Hofmanns spielen soll. Zu den Forderungen, die in diesem Zusammenhang an den Cortegiano gestellt werden, gehört es, daß er sich auch beim Musizieren seinem Alter entsprechend verhalten und alles vermeiden soll, was Mißfallen erregen oder lächerlich erscheinen könnte: [Il Cortegiano] conoscerà l’età sua: ché in vero non si conviene e dispare assai vedere un omo di qualche grado, vecchio, canuto e senza denti, pien di rughe, con una viola in braccio sonando, cantare in mezzo d’una compagnia di donne, avenga ancor che mediocremente lo facesse: e questo, perché il piú delle volte cantando si dicon parole amorose, e ne’ vecchi l’amor è cosa ridicula […] (S. 158).
An dieser Stelle wird bereits erkennbar, daß im Libro del Cortegiano das Motiv der „vecchiezza“ in erster Linie im Hinblick auf die Frage nach dem Verhältnis des alten Hofmanns zur Liebe interessiert. Das wird ganz deutlich im vierten Buch, Abschnitt XLIX, in dem Gaspar Pallavicino zu der Frage: „Se il Cortegiano debba essere innamorato“ (S. 406) in bezug auf den Hofmann in vorgerücktem Alter Stellung nimmt mit den Worten: non so come, essendo di età provetto, se gli convenga l’essere inamorato; atteso che, come questa sera s’è detto, l’amor ne’ vecchi non riesce, e quelle cose che ne’ giovani sono delizie, cortesie ed attilature tanto grate alle donne, in essi sono pazzie ed inezie ridicule, ed a chi le usa partoriscono odio dalle donne, e beffe dagli altri (S. 469 f.).
Als Gegenposition zu dieser Auffassung beginnt Pietro Bembo (im Abschnitt LI) seine große Rede über die Liebe, die Schönheit und die dem Alter gemäße Form des Liebens mit der Behauptung: Signori, per dimostrar che i vecchi possano non solamente amar senza biasimo, ma talor piú felicemente che i giovani, sarammi necessario far un poco di discorso, per dichiarir che cosa è amore, ed in che consiste la felicità che possono aver gl’inamorati […] (S. 471 f.).
31 Castiglione betont den „progresso di virtù e di costumi nelle corti dei suoi tempi, sovrattutto in quella d’Urbino“ (S. 135).
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Diese Gegenposition, die sich dadurch auszeichnet, daß Castiglione Bembo das Problem der Altersliebe des Hofmanns durch die Lehre vom „amore platonico“ lösen läßt, braucht hier nicht näher erläutert zu werden, da Wido Hempel, dem wir aufschlußreiche Studien über das literarische Thema der Altersliebe in seinen ernsten Ausgestaltungen verdanken 32, diesem Thema auch im Libro del Cortegiano nachgegangen ist und bereits gezeigt hat, wie Castiglione sich, „durch den Mund Bembos, geradezu an einer philosophischen Fundamentierung der Liebe im Alter“ versucht hat 33. In El Scholástico von Cristóbal de Villalón stellen sich Lob und Tadel des Alters ganz anders dar. Das Motiv der „vejez“ wird nicht im Zusammenhang mit dem erst im zweiten Buch vorgeschlagenen Hauptthema des Dialogs („formar vn perfecto varon scholastico […] y vn conforme maestro“) behandelt, sondern am Ende des ersten Buches, in dem bereits eine Reihe von moralphilosophischen und moralistischen Themen diskutiert werden 34. Im Kapitel XII schildert Villalón die Ankunft der „generosa compañia“ auf dem adligen Landsitz, wo die hochangesehenen Professoren von dem Verwalter Bonifacio, einem „viejo sabio y de buena conuersaçion“ so freundlich aufgenommen werden, daß sie ihn an ihren Tisch bitten und in ihr Gespräch einbeziehen. Da der alte Bonifacio sein ganzes Leben im Dienste der Herzöge von Alba gestanden und unter der Unfreiheit gelitten hat, endet das Kapitel mit einem Gespräch „de la vida y trabajos del palacio reprobando la seruidumbre y loando la libertad“ (S. 43 ff.). Von Francisco de Bobadilla, dem „maestrescuela“, nach seinem Urteil über das Alter befragt, beginnt der siebzigjährige Bonifacio im dreizehnten Kapitel eine bittere Klage über die Leiden des Alters, zählt die Fülle der Familienangehörigen auf, die er schon habe begraben müssen, und spricht von den vielen guten Freunden, die er durch den Tod verloren habe. Als Alonso Osorio entgegnet, daß nach allem, was Bonifacio durchgemacht habe, man doch sagen könne, daß er über das Schicksal den Sieg 32 Vgl. Wido Hempel, „Der alte Mann und die Liebe. Bemerkungen zu einem Motiv in der Lyrik des Ancien Régime“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 93/ 1983, S. 25–43; Teil II in: Französische Literatur im Zeitalter der Aufklärung – Gedächtnisschrift für Fritz Schalk, Frankfurt a. M. 1983, S. 108–135; W. H., „Liebe im Alter als literarisches Thema von Petrarca bis Michelangelo“ (wie Anm. 21), S. 79–97. 33 „Liebe im Alter als literarisches Thema“ (wie Anm. 21), S. 91. 34 Es handelt sich um „la buena amistad“, die durch Beispielgeschichten veranschaulicht wird (Kap. III–VI); um „el deleite“, das epikureische Lustprinzip, das Alonso Osorio rechtfertigt und das Pérez de Oliva scharf verurteilt (Kap. VII–X), sowie die Unterscheidung zwischen dem „verdadero philosopho“ und dem „philosopho fingido“ (Kap. XI).
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davongetragen habe – „pues podemos agora dezir que trihunfais de fortuna pues estais en algun tiempo en el qual no teneis en que os pueda dañar“ –, setzt Bonifacio seine Klage fort und spricht von den „inumerables fatigas anejas“, die das Alter mit sich bringe, von denen er nur die vier wichtigsten nennen wolle: „Y quiero entre todas contaros quatro prinçipales que mas nos fatigan y destruyen y causan aborrescimiento de nuestra vida.“ (S. 46) Damit ist der Punkt erreicht, an dem die Adaptation der Reflexion über das Alter aus Ciceros Cato maior de senectute einsetzt, denn die „quatro fatigas“, die Bonifacio anführt, entsprechen genau den vier Gründen, „cur senectus misera videatur“, von denen Cato bei seiner Zurückweisung der Vorwürfe und seinem Lob des Alters ausgeht 35 und die auch Dinarco im zweiten Teil des Diálogo de la dignidad del hombre von Cervantes de Salazar in ähnlicher Formulierung wiedergegeben hat 36: Lo primero que haze misera la vejez es/ que nos imposibilita y nos estorua al exerçiçio de nuestras haziendas y obras. Lo segundo es que haze nuestro cuerpo enfermo. Lo terçero es que nos priba de gozar los deleites deste mundo. Lo quarto es/ que estamos los viejos muy çercanos a la muerte. (S. 46)
Auf die Aufzählung dieser zum Alter gehörigen Leiden, in denen Bonifacio eine „justa causa de aborreçer y maldezir la vejez“ sieht, antwortet der Maestrescuela mit einer Lobrede auf das Alter. Er als Dreißigjähriger wolle um keinen Preis „voluer a la hedad de los siete ni aun de los diez“, denn es sträubten sich ihm die Haare, wenn er an all die Plagen denke, die er erduldet habe, um das zu erlernen, was er wisse; und es gebe nichts, was er mehr begehre, als alt zu sein, und nichts, was ihm besser zu sein scheine, als „la cabeza cana“, denn „no ay mayor gloria ni honrra del hombre que su vejez“ (S. 47). Zur Bestätigung beruft sich Francisco de Bobadilla auf das Lob des Alters bei Salomon 37, bei dem Philosophen 35 Vgl. Cicero, Cato maior (wie Anm. 15), V, 15. – Bei Kincaid, Cristóbal de Villalón (wie Anm. 27) werden die vier Gründe für die Ablehnung des Alters referiert, der intertextuelle Bezug zu Ciceros Dialog aber wird nicht erwähnt (vgl. S. 119). 36 Vgl. Diálogo de la dignidad del hombre (wie Anm. 2), S. 87. 37 „Dezia aquel gran sabio Salomon que las canas eran el saber de los hombres: queria en esto el dezir, que los hombres no se podian dezir sabios hasta que venian a la vejez: porque entonçes tenian el coraçon lleno de esperiençia.“ (S. 47) Eine genaue Entsprechung findet sich in den biblischen Lehrbüchern nicht; zum Lob des Alters heißt es in den Sprüchen Salomos: „Corona dignitatis senectus,/ Quae in viis iustitiae reperietur.“ (Proverbia 16, 31). Die Metonymie „canities“, die „las canas“ entspricht, wird auch in den Sprüchen Salomos verwandt: „Exsultatio iuvenum fortitudo eorum,/ Et dignitas senum canities.“ (Proverbia 20, 29).
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Bias, der zu den sieben Weisen zählt 38, und auf die Hochschätzung des Alters im alten Griechenland und bei den Römern, die die Alten als „padres de la republica“ ansahen und ihre Regierung als Senat („senado“) bezeichneten, „porque los primeros que se gouernaron por viejos fueron ellos“ (S. 47). Am Ende des dreizehnten Kapitels bezieht sich der Maestrescuela sogar ausdrücklich auf Tullio (Marcus Tullius Cicero), der so zufrieden mit dem Alter gewesen sei, daß er Cato habe sagen lassen: […] si algun dios me diesse a mi que desta hedad de viejo en que agora estoy me voluiesse a enniñezer/ y a tratarme en los brazos pañales y mantillas y fajeros/ manteniendome de papas y leche […] yo no lo querria mas que si estando en vna muy deseada libertad me voluiesen a las carçeles y prision. Porque loco es el caminante que enojado del trabajo del dia quiere voluer de comienço la jornada/ para tornar otra vez aquel lugar. No ay cosa mas dulçe ni graçiosa al muy cansado que el meson: asi que aunque la moçedad sea alegre/ la vejez es postrera morada donde en honrra vienen los hombres a descansar si saben aprouecharse della. (S. 48)
Mit diesen Sätzen knüpft Cristóbal de Villalón an eine Stelle aus dem dreiundzwanzigsten Kapitel des Cato maior an, wo es heißt: et si qui deus mihi largiatur, ut ex hac aetate repuerascam et in cunis vagiam, valde recusem, nec vero velim quasi decurso spatio ad carceres a calce revocari. (83) 39
Dieses Beispiel ist bezeichnend für die Art, wie Cristóbal de Villalón seine literarische Quelle benutzt. An manchen Stellen hat der Autor den Text Ciceros fast wörtlich übersetzt; die Argumente und Exempla werden häufig übernommen und mit Hilfe anderer Quellen oder frei ausgestaltet; die Bilder und Vergleiche sind an vielen Stellen abgewandelt oder durch andere ersetzt. Das gilt insbesondere für die Kapitel XIV–XVII, in denen die vier Gründe für die Klage Bonifacios über die „fatigas principales“ des Alters von dem Maestrescuela nacheinander widerlegt werden 40. Da es 38 Bias wird der Ausspruch zugeschrieben, „que nunca el hombre se podia dezir hombre hasta que venia a la vejez: porque toda se pasa en liuiandades la moçedad“ (S. 47). 39 „Und wollte mir ein Gott die Gnade schenken, aus diesem meinem Alter heraus wieder Kind zu werden und in der Wiege zu wimmern, so würde ich mich wohl gar sehr weigern und keineswegs willens sein, nach vollendetem Rennen mich vom Ziel wieder an den Start zurückweisen zu lassen.“ (Cato maior [wie Anm. 15], S. 103) 40 Kincaid resümiert die Argumentation in aller Kürze wie folgt: „Old age does not prevent our working productively. On the contrary, history is full of examples of men who have brought much honor to themselves and profit to society precisely during this latter period of their lives. As for infirmities, a man of advanced years must learn to temper
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sich im wesentlichen um eine geschickte Kompilation handelt, die gedanklich wenig Neues bringt, können diese vier Kapitel hier weitgehend unberücksichtigt bleiben. Auffällig ist, daß in diesem Fall Francisco de Bobadilla, der als Dreißigjähriger erst am Anfang des Mannesalters steht, den siebzigjährigen Bonifacio über die Vorzüge des Alters belehrt, während bei Cicero der alte und weise Cato oder bei Cervantes de Salazar der „viejo muy sabio“ Dinarco die Vorwürfe zurückweisen und das Alter loben. Da der Maestrescuela die Beschwerden des Alters gar nicht aus eigener Erfahrung kennt, erscheint seine stringent durchgeführte Widerlegung der „quatro fatigas“ als rhetorisch geschulte akademische Lehre, der jedoch die persönliche Betroffenheit fehlt, die z. B. der Reflexion über das Alter in Montaignes Essais ihre besondere Wirkung und ihre unverwechselbare Eigenart verleiht 41. Die didaktische Absicht, die Vermittlung einer „doctrina“, von der der Maestrescuela selbst spricht 42, ist für die moralphilosophische Dialogliteratur des Siglo de Oro charakteristisch. Wenn Montaigne zu Beginn des Essai III, 2 „Du repentir“ schreibt: „Les autres forment l’homme; je le recite et en represente un particulier bien mal formé […]“ 43, so kennzeichnet er damit den Gegensatz zwischen seinem eigenen moralistischen Vorgehen, das von der Selbstbeobachtung ausgeht, das eigene Ich aber ironisch abwertet und keinesfalls den Anspruch erhebt, den Leser der Essais nach seinem Bilde „zu formen“, und anderen Autoren, die glauben, den Leser über „den Menschen“ belehren und ihm allgemeingültige his life, carefully watching his diet and activities. If he does this, he will be able to overcome any normal debilitation that may afflict him and continue to live a rich and productive life. Regarding pleasure, old age brings release from the passions and strivings of youth, making one’s eternal salvation more secure. Finally, death is not to be feared by the elderly. Rather, a man should be filled with joy at the realization that his life is nearing its end, for he is no longer afflicted by cares and responsibilities, and he may look forward to the eternal reward that will soon be his.“ (Cristóbal de Villalón [wie Anm. 27], S. 119 f.). 41 Zum Altersmotiv in den Essais vgl. Hugo Friedrich, Montaigne (1949), Bern/München 1967, S. 220–226. 42 Nach Abschluß seiner Rede, zu Beginn des XVIII. Kapitels, antwortet der maestrescuela auf das Lob Bonifacios, der mit großer Höflichkeit, aber nicht ohne Ironie – „como vurlando“ – auf die Belehrung reagiert hatte, mit den Worten: „[…] señor Bonifaçio todo ha sido para nuestra doctrina/ y tenemos gran voluntad de os seruir.“ (S. 56). 43 Zitiert wird nach der Edition: Montaigne, Essais, hg. von Maurice Rat, Paris 1962, Bd. 2, S. 222. Zur Interpretation dieses Textes vgl. Erich Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern 1946, Kap. XII: „L’humaine condition“, S. 271–297.
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Zielvorstellungen vermitteln zu können. Während bei Francisco Cervantes de Salazar und bei Villalón das Lob des Alters in der Nachfolge Ciceros auf der Vorstellung beruht, daß der Mensch auch im hohen Alter nur körperliche Fähigkeiten verliert, seine geistigen Kräfte aber voll bewahren kann und durch seine Erfahrung sogar eine besondere Form von Altersweisheit gewinnt, kommen Montaigne und in seiner Nachfolge die französischen Moralisten des Siècle de Louis XIV, die von der Selbstbeobachtung und einer schonungslosen Analyse des Verhaltens der „vieillards“ und der „vieilles femmes“ in der Gesellschaft ausgehen, zu ganz andersartigen Ergebnissen. So schreibt Montaigne am Ende des Essai „Du repentir“: Mais il me semble qu’en la vieillesse nos ames sont subjectes à des maladies et imperfections plus importunes qu’en la jeunesse. […] Elle nous attache plus de rides en l’esprit qu’au visage; et ne se void point d’ames, ou fort rares, qui en vieillissant ne sentent à l’aigre et au moisi. L’homme marche entier vers son croist et vers son décroist.44
Und in den Maximes von La Rochefoucauld heißt es: Il n’y a guère de personnes qui dans le premier penchant de l’âge ne fassent connaître par où leur corps et leur esprit doivent défaillir. 45
Noch deutlicher wird die Übereinstimmung mit Montaignes Reflexion in der Maxime: Les défauts de l’esprit augmentent en vieillissant comme ceux du visage (Édition de 1678, Max. 112).
In moralphilosophischen Traktaten und Dialogen werden zum Lob des Alters immer wieder Exempel angeführt, die als Beweis für die Argumentation und als Vorbilder für die Leser dienen sollen. Zu ihnen gehören der beredsame Greis Nestor, der als kluger Berater der Achaier vor Troja im zweiten Gesang der Ilias von Agamemnon aufs höchste gelobt wird und den unter Berufung auf Homer sowohl Cicero als auch Villalón als Beispiel für hochgeachtete politische Tätigkeit im Greisenalter nennen 46, oder aus der römischen Geschichte der erblindete Greis Appius Claudius Caecus, von dem es in El Scholástico heißt:
44 Montaigne, Essais, Bd. 2, S. 236 f. 45 Édition de 1678, Max. 222. Zitiert wird im folgenden nach der Edition: La Rochefoucauld, Maximes, hg. von Jacques Truchet, Paris 1967. 46 Vgl. Cato maior, X, 31 (wie Anm. 15, S. 40 f.) und El Scholástico (wie Anm. 26, S. 49 f.).
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Todos los que escriuen de buena vejez traen por exemplo aquel gran Apio viejo y çiego: el qual con las fuerzas del animo basto conseruar su gran casa y familia. (S. 51) 47
Exempel dieser Art spielen in der Altersreflexion Montaignes und der Moralisten des Siècle de Louis XIV kaum eine Rolle. Hier geht es nicht um Lob oder Tadel des Alters, sondern um die Erfahrung der „vieillesse“, die Unterscheidung von Sein und Schein im Verhalten der „vieilles gens“, die vorurteilsfreie Prüfung der Folgen des Alters bei sich selbst und bei anderen. Vorzüge und Mängel des Alters werden gleichermaßen konstatiert, wobei die Mängel sehr viel stärker hervortreten, da sie auch intensiver empfunden werden. Das gilt insbesondere für die Moralisten des 17. Jahrhunderts, die wie La Rochefoucauld auf das Gesellschaftsideal der „honnêteté“ ausgerichtet sind und die Werte des geselligen Lebens, die dem alten Menschen häufig verschlossen sind, besonders hoch einschätzen. Das soll an einigen Beispielen aus den Maximes und den Réflexions diverses von La Rochefoucauld sowie aus den Caractères von La Bruyère gezeigt werden. Bei beiden Autoren wird das Alter nicht als ein zentrales Thema behandelt, sondern es taucht an verschiedenen Stellen als ein Nebenmotiv auf, von dem jeweils nur einzelne Aspekte – häufig in Verbindung mit anderen Themen – schlaglichtartig beleuchtet werden. Da die unsystematische, ausschnitthafte Darstellung, die dem Leser den Nachvollzug des Gedankenganges überläßt, zum Wesen der moralistischen Literatur gehört, lassen sich dennoch an diesem Nebenmotiv Grundzüge der Altersreflexion La Rochefoucaulds und La Bruyères aufzeigen. Um den Bezug zur höfischen Kultur und zum „honnêteté“-Ideal des 17. Jahrhunderts zu verdeutlichen, beginnen wir mit dem achtzehnten Abschnitt der Réflexions diverses: „De la Retraite“, der als ein Gegenstück zu dem Abschnitt II: „De la Société“ aufgefaßt werden kann. Wenn es dort im Hinblick auf die Bedeutung des „commerce du monde“ für die Gesellschaft der „honnêtes gens“ heißt: „Il serait inutile de dire combien la société est nécessaire aux hommes: tous la désirent et tous la cherchent […]“ 48, so wird verständlich, daß „la retraite“ für den „honnête homme“ etwas Negatives ist. Sie hat jedoch im Alter ihre naturgegebenen Gründe.
47 Zur Gestalt des Appius Claudius Caecus als Exempel vgl. Cicero, Cato maior, VI, 16 und XI, 37 sowie Francisco Cervantes de Salazar, Diálogo de la dignidad del hombre (wie Anm. 2), S. 133. 48 Zitiert werden die Réflexions diverses nach der in Anm. 45 genannten Edition, hier S. 185.
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So geht La Rochefoucauld in seiner Reflexion „De la Retraite“ von den „raisons naturelles“ aus, „qui portent les vieilles gens à se retirer du commerce du monde“, und fährt fort: […] le changement de leur humeur, de leur figure et l’affaiblissement des organes les conduisent insensiblement, comme la plupart des animaux, à s’éloigner de la fréquentation de leurs semblables. (S. 223 f.)
In diesem einleitenden Satz geht der Autor als ein „observateur“ an sein Thema „la retraite des vieilles gens“ heran und betrachtet das Verhalten der alternden Menschen wie ein Naturforscher das Verhalten „des autres animaux“, so daß man seine Haltung mit Louis van Delft als die eines „moraliste comme naturaliste“ bezeichnen könnte 49. Aber auch bei diesem Thema geht es La Rochefoucauld um mehr als um eine Beschreibung des Phänomens; worauf es ihm ankommt, sind die verdeckten Motive für diesen Rückzug aus der Gesellschaft, und so erweist er sich auch in dieser Reflexion als ein „démasqueur“ 50, wenn er hinzufügt: L’orgueil, qui est inséparable de l’amour-propre, leur tient alors lieu de raison: il ne peut plus être flatté de plusieurs choses qui flattent les autres, l’expérience leur a fait connaître le prix de ce que tous les hommes désirent dans la jeunesse et l’impossibilité d’en jouir plus longtemps; les diverses voies qui paraissent ouvertes aux jeunes gens pour parvenir aux grandeurs, aux plaisirs, à la réputation et à tout ce qui élève les hommes leur sont fermées, ou par la fortune, ou par leur conduite, ou par l’envie et l’injustice des autres; le chemin pour y rentrer est trop long et trop pénible quand on s’est une fois égaré; les difficultés leur paraissent insurmontables, et l’âge ne leur permet plus d’y prétendre. (S. 224)
Die „retraite“ erscheint hier nicht als ein positiver Wert, der erst im Alter richtig erkannt wird, sondern als eine Folge aus der Erfahrung, daß es unmöglich ist, im Alter das zu bewahren, was man in der Jugend an Ruhm und Ansehen gewonnen51 oder an „plaisirs“ erlebt hat 52. Da es für die „vieilles gens“ nichts mehr gibt, was den Reiz der Neuheit hätte 53, 49 Le Moraliste classique. Essai de définition et de typologie, Genève 1982, Kap. VIII, 2: „De l’observateur“, a) „Décrire: le moraliste comme naturaliste“, S. 315–320. 50 Ebd., b) „Dévoiler: le moraliste comme démasqueur“, S. 320–323. 51 Von den alten Menschen wird gesagt: „[…] ils n’ont même presque plus de part à la gloire: celle qu’ils ont acquise est déjà flétrie par le temps, et souvent les hommes en perdent plus en vieillissant qu’ils n’en acquièrent.“ (S. 224). 52 In den Maximes heißt es: „La vieillesse est un tyran qui défend sur peine de la vie tous les plaisirs de la jeunesse.“ (Édition de 1678, Max. 461). 53 „[…] ils ne voient plus devant eux que des chagrins, des maladies et de l’abaissement:
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und da sie in der Gesellschaft nur geduldet, wenn nicht gar verachtet werden, „le seul bon parti qu’il leur reste, c’est de cacher au monde ce qu’ils ne lui ont peut-être que trop montré“ (S. 224 f.). Während Montaigne in seinem Essai I, 39 „De la solitude“ die „retraite“ im Alter eindeutig positiv wertet, wenn er schreibt: „C’est assez vescu pour autruy, vivons pour nous au moins ce bout de vie. […] Il est temps de nous desnoüer de la société, puisque nous n’y pouvons rien apporter. Et qui ne peut prester, qu’il se defende d’emprunter. Noz forces nous faillent; retirons les et resserrons en nous […]“ 54, läßt die Analyse La Rochefoucaulds die „retraite“ als einen Ausweg erscheinen, der die „misère“ des Alters aus der Sicht der höfischen Gesellschaft auf das deutlichste zum Ausdruck bringt. Dennoch bleiben auch in dieser Reflexion die positiven Seiten des Alters nicht ganz unerwähnt. So wie in Ciceros Dialog Cato der Ältere Laelius und Scipio auf verschiedene neue Betätigungsfelder in der Landwirtschaft, im Studium, im Bereich der Kunst und der Philosophie hinweist, auf denen der Mensch auch im Alter produktiv tätig sein kann, so beobachtet La Rochefoucauld eine Hinwendung der „vieilles gens“ zu Beschäftigungen ähnlicher Art, bei denen sie von der Gesellschaft und dem Urteil der anderen unabhängig sind: Leur goût, détrompé des désirs inutiles, se tourne alors vers des objets muets et insensibles; les bâtiments, l’agriculture, l’économie, l’étude, toutes ces choses sont soumises à leurs volontés; […] ils sont maîtres de leurs desseins et de leurs occupations; tout ce qu’ils désirent est en leur pouvoir et, s’étant affranchis de la dépendance du monde, ils font tout dépendre d’eux. (S. 225)
Im letzten Teil der Reflexion aber kehrt La Rochefoucauld zur Haltung des „démasqueur“ zurück und zeigt auf, wie auch die Eitelkeit der alten Menschen einen Trost in der „retraite“ findet und wie sie die Last eines sich nur noch fade und schleppend hinziehenden Lebens ertragen, zuweilen aus Frömmigkeit, zuweilen aus Vernunft oder in der Mehrzahl der Fälle nur aus Gewohnheit: […] leur vanité même est consolée par leur retraite, et avec beaucoup d’ennuis, d’incertitudes et de faiblesses, tantôt par piété, tantôt par raison, et le plus souvent par accoutumance, ils soutiennent le poids d’une vie insipide et languissante. (S. 225) tout est vu, et rien ne peut avoir pour eux la grâce de la nouveauté“ (S. 224). Die Bedeutung der „grâce de la nouveauté“ im Bereich der Liebe und Freundschaft hat La Rochefoucauld mehrmals hervorgehoben (vgl. Max. 274 und 426 der Édition de 1678 sowie Réflexions diverses IX: „De l’Amour et de la Vie“, S. 200). 54 Montaigne, Essais (wie Anm. 43), Bd. 1, S. 272 f.
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Die Altersreflexion in den Caractères von La Bruyère ist durchaus vergleichbar. Die Charakterskizzen, in denen der Moralist des späten 17. Jahrhunderts 55 über das Verhalten der „vieillards“ spricht, finden sich vor allem in dem Kapitel „De l’homme“. Im Werk Theophrasts, das La Bruyère seinen Caractères vorangestellt hat, gibt es keine Darstellung von „vieillards“, wohl aber bei Aristoteles in der Rhetorik (Buch II, Kap. XIII), „wo das für die rednerische Schulung notwendige Wissen von den Lebensaltern seinen sachgemäßen Platz hatte.“ Aristoteles „beschreibt das Greisentum an dieser Stelle negativ: es ist die Epoche […] der mürrischen, kleinsinnigen, egoistischen, geizigen und schwächlichen Gesinnung“ 56. Auch La Bruyère schildert mehr die negativen Züge des „vieillard“ als seine Vorzüge oder Verdienste, auch er ist nicht nur ein „observateur“ und ein „peintre“ der Sitten seiner Zeit, sondern in vielen Fällen auch ein „démasqueur“. Das zeigt sich z. B. in dem Abschnitt 112 des Kapitels „De l’homme“, in dem das Verhalten der Alten, die auf die „plaisirs“ verzichtet haben und nichts Eiligeres zu tun wissen, als diese Vergnügungen bei den anderen zu verdammen, auf seine Motive zurückgeführt wird. Der Text stammt aus der ersten Edition von 1688 57: Peu de gens se souviennent d’avoir été jeunes, et combien il leur était difficile d’être chastes et tempérants. La première chose qui arrive aux hommes après avoir renoncé aux plaisirs, ou par bienséance, ou par lassitude, ou par régime, c’est de les condamner dans les autres. Il entre dans cette conduite une sorte d’attachement pour les choses mêmes que l’on vient de quitter; l’on aimerait qu’un bien qui n’est plus pour nous ne fût plus aussi pour le reste du monde: c’est un sentiment de jalousie. (S. 332 f.)
Sowohl die Beobachtung als auch die Art der Analyse entspricht der Maxime 93 von La Rochefoucauld: Les vieillards aiment à donner de bons préceptes, pour se consoler de n’être plus en état de donner de mauvais exemples.
55 Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle erschienen von 1688–1696 in neun von La Bruyère jeweils neu bearbeiteten und erweiterten Editionen. 56 Friedrich, Montaigne (wie Anm. 41), S. 224. – Vgl. den Text von Aristoteles in: Aristote, Art rhétorique et Art poétique. Traduction nouvelle avec texte, introductions et notes par Jean Voilquin et Jean Capelle, Paris 1944, S. 222 ff. 57 Zitiert wird nach der Edition: La Bruyère, Les Caractères de Théophraste traduits du grec avec Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle, hg. von Robert Garapon, Paris 1962. Diese Ausgabe gibt den Text der neunten Edition (1696) wieder, die kurz nach dem Tod La Bruyères erschienen ist.
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Nur hat La Bruyère den Gedanken nicht aphoristisch verkürzt und witzig zugespitzt, sondern die Reflexion voll ausgeführt und dabei den Nachdruck einerseits auf die Begründung des Verzichts gelegt, der „ou par bienséance, ou par lassitude, ou par régime“ erfolgte, andererseits auf das egoistische Motiv für die Verurteilung der Vergnügungen der anderen, das sich als Mißgunst oder Eifersucht erweist. Das Laster, das La Bruyère dem Alter zuordnet – wie die Vergnügungssucht der Jugend oder den Ehrgeiz dem Mannesalter –, ist der Geiz. Im Abschnitt CXIII des Kapitels „De l’homme“ zeigt der Moralist, daß es keine rationale Begründung für dieses Laster gibt, das auch bei sehr begüterten „vieillards“ anzutreffen ist, die keinerlei Ursache haben, einen Mangel an Geld zu befürchten, und bei solchen, die nicht einmal einen Erben haben, dem sie ihren Reichtum vermachen könnten. Daraus folgert La Bruyère: Ce vice est plutôt l’effet de l’âge et de la complexion des vieillards, qui s’y abandonnent aussi naturellement qu’ils suivaient leurs plaisirs dans leur jeunesse, ou leur ambition dans l’âge viril; il ne faut ni vigueur, ni jeunesse, ni santé, pour être avare […]: il faut laisser seulement son bien dans ses coffres, et se priver de tout; cela est commode aux vieillards, à qui il faut une passion, parce qu’ils sont hommes. (S. 333)
Die Schlußpointe läßt wiederum an die Maximes von La Rochefoucauld denken, für den die Leidenschaften ebenso zu allen Lebensaltern gehören. La Rochefoucauld hat nicht nur die stoische Forderung der Überwindung der Leidenschaften für unerfüllbar gehalten, wie die Maxime 5 der Edition von 1678 zeigt: „La durée de nos passions ne dépend pas plus de nous que la durée de notre vie […]“, sondern er hat auch bereits darauf hingewiesen, daß der Untergang einer Leidenschaft – man denke an den Ehrgeiz des Mannesalters in der Reflexion La Bruyères – fast immer zur Folge hat, daß eine andere – hier der Geiz im Alter – deren Stelle einnimmt: Il y a dans le cœur humain une génération perpétuelle de passions, en sorte que la ruine de l’une est presque toujours l’établissement d’une autre. (Édition de 1678, Max. 10)
Die Leidenschaft, die dem Alter nicht mehr zusteht, aber ist die Liebe. Diese in der Literatur so häufig vertretene Anschauung scheinen auch La Rochefoucauld und La Bruyère zu teilen, denn sowohl in den Maximes und in den Réflexions diverses als auch in den Caractères findet sich die althergebrachte Auffassung, „daß Liebe im Alter etwas Unschickliches
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sei“ und ein verliebter „vieillard“ eine „komische Figur“ 58. Das gilt zum Beispiel für die Reflexion XV: „Des Coquettes et des Vieillards“ 59 oder für die Maxime: Les jeunes femmes qui ne veulent point paraître coquettes, et les hommes d’un âge avancé qui ne veulent pas être ridicules, ne doivent jamais parler de l’amour comme d’une chose où ils puissent avoir part. (Édition de 1678, Max. 418)
Noch schärfer formuliert diese Anschauung La Bruyère in „De l’homme“ 111: „C’est une grande difformité dans la nature qu’un vieillard amoureux.“ (S. 332) Origineller und in unserem Zusammenhang noch aufschlußreicher als die Wiederaufnahme dieses Stereotyps bei den Moralisten des 17. Jahrhunderts 60 ist jedoch La Rochefoucaulds Gestaltung von „Liebe und Alter“ als ernstes Thema in den Réflexions diverses VI: „De l’Amour et de la Mer“, einer Reflexion, die noch nicht unter diesem Aspekt betrachtet worden ist. Bei einer Deutung im Zusammenhang mit der Reflexion IX: „De l’Amour et de la Vie“ läßt sich nämlich zeigen, daß die metaphorische Darstellung nicht nur auf „la vieillesse de l’amour“, sondern auch auf das Thema „Liebe im Alter“ verweist. Wie das Feuer gehört auch das Meer zu den Metaphern, die zu allen Zeiten gewählt wurden, um die Liebe und ihre Wirkungen zu veranschaulichen. So geht La Rochefoucauld in der Reflexion VI davon aus, daß die Liebe auf so vielfältige Weise mit dem Meer verglichen worden ist, daß es schwierig sei, diesem Vergleich noch einen neuen Aspekt hinzuzufügen:
58 Hempel, „Liebe im Alter als literarisches Thema von Petrarca bis Michelangelo“ (wie Anm. 21), S. 79 f. 59 Sehr bezeichnend für die demaskierende Schreibart La Rochefoucaulds ist der letzte Teil dieser Reflexion, wo der Moralist von dem Selbstbetrug der alten Menschen spricht: „Quel vieillard ne se rassure pas par des raisons si convaincantes, qui l’ont souvent trompé quand il était jeune et aimable? Mais, pour son malheur, il oublie trop aisément qu’il n’est plus ni l’un ni l’autre, et cette faiblesse est, de toutes, la plus ordinaire aux vieilles gens qui ont été aimés. Je ne sais même si cette tromperie ne leur vaut pas mieux encore que de connaître la vérité: on les souffre du moins, on les amuse, ils sont détournés de la vue de leurs propres misères, et le ridicule où ils tombent est souvent un moindre mal pour eux que les ennuis et l’anéantissement d’une vie pénible et languissante.“ (S. 217). 60 Auf diese Wiederaufnahme hat Hempel in der Einleitung zu seinem Aufsatz „Der alte Mann und die Liebe“ (wie Anm. 32) bereits hingewiesen (S. 26 f.).
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Ceux qui ont voulu nous représenter l’amour et ses caprices […] nous ont fait voir que l’un et l’autre ont une inconstance et une infidélité égales, que leurs biens et leurs maux sont sans nombre, que les navigations les plus heureuses sont exposées à mille dangers, que les tempêtes et les écueils sont toujours à craindre, et que souvent même on fait naufrage dans le port. (S. 197)
Stilistisch sehr geschickt werden hier die Übereinstimmungen zwischen der Liebe und dem Meer in einer Aufzählung zusammengefaßt, in der das Tertium comparationis zunächst aus dem Bereich menschlicher Verhaltensweisen und Wertsetzungen stammt, die der Liebe zuzuordnen sind („une inconstance et une infidélité égales“; „leurs biens et leurs maux sont sans nombre“), und dann aus dem Bereich, der zur Seefahrt gehört und nur metaphorisch auf die Liebe und ihre Wirkungen bezogen werden kann („les navigations les plus heureuses“; „les tempêtes et les écueils“; „on fait naufrage dans le port“). Der neuartige Aspekt, unter dem La Rochefoucauld im Hauptteil der Reflexion die Liebe mit dem Meer vergleicht, ist die Entsprechung zwischen einer verbrauchten, sich nur noch mühsam hinschleppenden Liebe und jenen eintönigen Perioden der Windstille, die man auf dem Meer am Äquator antrifft. So spricht der Moralist von dem rapport qu’il y a d’un amour usé, languissant et sur sa fin, à ces longues bonaces, à ces calmes ennuyeux, que l’on rencontre sous la ligne: on est fatigué d’un grand voyage, on souhaite de l’achever; on voit la terre, mais on manque de vent pour y arriver; on se voit exposé aux injures des saisons; les maladies et les langueurs empêchent d’agir; […] on est toujours avec ses mêmes pensées, et on est toujours ennuyé; on vit encore, et on a regret à vivre; on attend des désirs pour sortir d’un état pénible et languissant, mais on n’en forme que de faibles et d’inutiles (S. 197 f.).
Das eigentliche Thema der Reflexion ist also „la vieillesse de l’amour“, die hier als ein „état d’âme“ geschildert wird, dessen bedrückende Gleichförmigkeit durch den parataktischen Satzbau, die Aufzählung mit ihren monotonen Wiederholungen sowie die Metaphorik der Seereise, die kein Ende finden will 61, wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht wird. Diese Schilderung der „vieillesse de l’amour“ aber erhält noch eine zusätzliche
61 Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich die Reflexion „De l’Amour et de la Mer“ mit Baudelaires Prosagedicht „Déjà!“ vergleichen, das mit der metaphorisch bedeutsamen Darstellung einer nicht enden wollenden Seereise einsetzt und die „souffrance“ der Passagiere schildert (Charles Baudelaire, Le Spleen de Paris XXXIV, in: Ch. B., Œuvres complètes, hg. von Claude Pichois, Bd. 1, Paris 1975, S. 337 f.).
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Bedeutung, wenn man bedenkt, daß La Rochefoucauld sie in der Reflexion IX: „De l’Amour et de la Vie“ ausdrücklich mit der „vieillesse“ als Lebensalter in Parallele setzt, wenn er schreibt: Cet état de l’amour représente le penchant de l’âge, où on commence à voir par où on doit finir; mais on n’a pas la force de finir volontairement, et dans le déclin de l’amour comme dans le déclin de la vie personne ne se peut résoudre de prévenir les dégoûts qui restent à éprouver; on vit encore pour les maux, mais on ne vit plus pour les plaisirs. (S. 201) 62
Die Reflexion endet mit einer Analyse der Leiden des Alters und der entsprechenden negativen Affekte, die mit der „vieillesse de l’amour“ verbunden sind: La Jalousie, la méfiance, la crainte de lasser, la crainte d’être quitté, sont des peines attachées à la vieillesse de l’amour, comme les maladies sont attachées à la trop longue durée de la vie: on ne sent plus qu’on est vivant que parce qu’on sent qu’on est malade, et on ne sent aussi qu’on est amoureux que par sentir toutes les peines de l’amour. On ne sort de l’assoupissement des trop longs attachements que par le dépit et le chagrin de se voir toujours attaché; enfin, de toutes les décrépitudes, celle de l’amour est la plus insupportable. (S. 201)
Negativer könnte die Wertung der „vieillesse“ und der „vieillesse de l’amour“ kaum ausfallen: das Alter ist für La Rochefoucauld ein „état pénible et languissant“ 63, dem der Mensch wehrlos ausgeliefert ist; und der Moralist, der die Leiden zur Darstellung bringt, die mit dieser Lebensphase und mit dem letzten Stadium der Liebe verbunden sind, ist fern von jeder Satire oder didaktischen Absicht. Bei La Bruyère, dessen Altersreflexion so viele Gemeinsamkeiten mit der demaskierenden Schreibart La Rochefoucaulds in den Maximes und in der Reflexion XVIII: „De la Retraite“ aufwies, gibt es keine vergleichbaren Schilderungen des „état pénible et languissant“. Der Autor der Caractères schildert nicht wie La Rochefoucauld in „De l’Amour et de la Vie“ mit persönlicher Betroffenheit den Zustand des Alters, sondern als
62 Der gleiche Gedanke findet sich in ähnlicher Formulierung in den Maximes: „Dans la vieillesse de l’amour comme dans celle de l’âge on vit encore pour les maux, mais on ne vit plus pour les plaisirs.“ (Édition de 1678, Max. 430). 63 „De l’Amour et de la Mer“, S. 198. Der Ausdruck kehrt mit kleinen Varianten in den Réflexions diverses mehrmals wieder. Vgl. „Des Coquettes et des Vieillards“, S. 217: „une vie pénible et languissante“; „De la Retraite“, S. 225: „une vie insipide et languissante“.
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ein „observateur“, „démasqueur“ und „peintre“ das Verhalten der „vieillards“. Seine Darstellung ist meist satirisch, insbesondere in den Porträts 64. Doch findet sich auch in den Caractères eine Ausnahme, die hier zum Abschluß zitiert werden soll, um zu zeigen, daß es auch in der moralistischen Literatur des Siècle de Louis XIV ein Lob des Alters gibt, das aus der Beobachtung des Hoflebens hervorgeht. Es gilt in diesem Fall dem alten und erfahrenen Hofmann, der viel erlebt und in seinem Gedächtnis bewahrt hat, der die Sitten kennt, sich auf die Regeln des Umgangs versteht und folglich als Lehrmeister erscheint: Un vieillard qui a vécu à la cour, qui a un grand sens, et une mémoire fidèle, est un trésor inestimable; il est plein de faits et de maximes; l’on y trouve l’histoire du siècle revêtue de circonstances très curieuses, et qui ne se lisent nulle part; l’on y apprend des règles pour la conduite et pour les mœurs qui sont toujours sûres, parce qu’elles sont fondées sur l’expérience.65
64 Vgl. die Charakterskizzen von Phidippe, Gnathon, Cliton, Ruffin und N** in dem Kapitel „De l’homme“ 120–124 (S. 335–338). 65 „De l’homme“ 118, in: La Bruyère, Les Caractères (wie Anm. 57), S. 334 f.
Un Précurseur de La Bruyère Joseph Hall et ses Characters of Virtues and Vices en France Joseph Hall, l’auteur des Characters of Virtues and Vices, qui furent publiés pour la première fois en 1608 à Londres, fait partie du petit nombre d’écrivains anglais dont les œuvres, traduites en français, font l’objet d’une large diffusion dans la France du XVIIe siècle. En 1930, Georges Ascoli remarque, dans sa thèse, La Grande-Bretagne devant l’opinion française au XVIIe siècle, que les Characters of Virtues and Vices comptent parmi les premières œuvres de la littérature anglaise traduites en français 1. La première traduction de cet ouvrage, due à Loiseau de Tourval, paraît à Paris en 1610, sous le titre: Caracteres de Vertus et de Vices. Tirez de l’Anglois de M. Josef Hall. Ascoli relève encore quatre autres éditions de cette première traduction 2, et même dix éditions de la traduction plus libre d’Urbain Chevreau, qui constitue le premier livre de son Escole du Sage, ou le Caractère des Vertus et des Vices 3. Cette version des Characters de Hall, très répandue au milieu du XVIIe siècle, s’appuie en fait sur la traduction de Loiseau de Tourval. Chevreau a simplement remanié et paraphrasé ce texte pour l’adapter au goût du jour 4. On pourrait citer encore d’autres exemples pour montrer la large diffusion qu’ont connue les Characters of Virtues and Vices sur le continent
1 Travaux et Mémoires de l’Université de Lille, Droit-Lettres, Nouvelle série, Fascicule 13, Paris 1930, t. 2, p. 94. 2 Bibliographie N° 1426, ibid., t. 2, p. 327. 3 La première édition de L’Escole du Sage date de 1645; la dernière édition, citée par Georges Ascoli dans sa bibliographie, est publiée à Rouen en 1667. Voir le N° 1434, p. 328. 4 Loiseau de Tourval, qui était très lié avec le lexicographe Robert Cotgrave, maîtrisait parfaitement l’anglais. Ce n’était pas le cas d’Urbain Chevreau, comme en témoigne sa lettre du 18 novembre 1698 adressée à Mme de Goulde (cf. Chevraeana II, Paris 1700, p. 347).
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jusqu’à la fin du XVIIe siècle 5. Cependant, La Bruyère ne nomme Joseph Hall dans aucun passage de son œuvre, pas plus qu’il ne cite d’autres «character-writers» traduits en français à cette époque, tels que Thomas Overbury ou John Earle. Bien que La Bruyère – de même que Joseph Hall – ne se soit explicitement référé qu’aux Ethikoi Charakteres de Théophraste, Ascoli relève plusieurs parallèles marquants dans les œuvres de ces deux auteurs. Il en déduit que La Bruyère doit avoir eu connaissance de l’œuvre de Hall par la traduction de Loiseau de Tourval 6. En 1942, René Jasinski reprend les résultats obtenus par Ascoli. Outre les traductions de Loiseau de Tourval et d’Urbain Chevreau, il mentionne, dans son étude «Influences sur La Bruyère», «une autre traduction» des Characters of Virtues and Vices, figurant «dans le Tableau des affections humaines (1620) de Coëffeteau» 7. Cette référence contient plusieurs erreurs. Ledit Tableau des affections humaines, qui date de 1626, n’est pas une œuvre de Coëffeteau, mais un ouvrage anonyme, édité à Paris par Antoine Estoc. En 1620, le dominicain Nicolas Coëffeteau avait publié, chez Sébastien Cramoisy, le traité intitulé: Tableau des passions humaines, de leurs causes et de leurs effets. Ce livre, qui ne comporte aucun caractère de Joseph Hall, a connu un grand succès à l’époque, comme en témoignent plusieurs rééditions. C’est pour profiter du renom de Coëffeteau que l’éditeur Antoine Estoc a donné à l’ouvrage anonyme ce titre prometteur: Tableau des affections humaines. Auquel est traicté de leurs causes & de leurs effects. Diuisé en quatre liures, suiuant les Passions Humaines, de Monsieur Coëffeteau, Euesque de Marseille.8 Dans les livres III et IV de cet ouvrage, devenu aujourd’hui très rare, Antoine Estoc a reproduit la première traduction de la Préface et des vingt-quatre caractères de Hall, sans faire explicitement état de sa dette envers l’auteur et le traducteur 9. Le texte présenté par Jasinski comme 5 La popularité des Characters de Joseph Hall au XVIIe siècle est confirmée par quatre traductions allemandes entre 1628 et 1696, deux versions italiennes en 1628 et 1664, et une version danoise de 1689 (voir Richard A. McCabe, Joseph Hall. A Study in Satire and Meditation, Oxford 1982, p. 372, note 1). 6 Ascoli, La Grande-Bretagne devant l’opinion française au XVIIe siècle (voir note 1), t. 2, pp. 98–101. 7 René Jasinski, «Influences sur La Bruyère», in: Revue d’Histoire de la Philosophie et d’Histoire générale de la Civilisation 10/1942, pp. 195 sq. 8 Cf. Abbé Charles Urbain, Nicolas Coëffeteau. Un des Fondateurs de la Prose française (1574–1623), Thèse, Paris 1893, p. 229. 9 Voir l’exemplaire de la Bibliothèque Inguimbertine, Carpentras, pp. 401–542.
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«une autre traduction» n’est donc, en fait, qu’une édition subreptice de la traduction de Loiseau de Tourval. Quant aux influences exercées par les «character-writers» sur les auteurs français, Jasinski fait remarquer que certains des «caractères des vices» de Joseph Hall ont pu servir de modèles à Molière pour son Tartuffe et son Avare, à La Bruyère pour son Onuphre et son Arrias 10. Depuis l’étude de Jasinski, reproduite également dans son livre Deux accès à La Bruyère 11, on a, à plusieurs reprises, attiré l’attention sur la diffusion des œuvres de Joseph Hall en France, ainsi que sur l’influence des «théophrastiens anglais» sur les Caractères de La Bruyère 12. On pourrait donc supposer que le célèbre «Tout est dit, et l’on vient trop tard» est également applicable au thème «Joseph Hall, précurseur de La Bruyère». C’est sans doute exact, si l’on ne traite ce thème que dans le cadre d’une recherche portant sur les sources littéraires de La Bruyère, d’autant plus que, même aujourd’hui, la question d’une possible influence de Hall sur l’auteur des Caractères ne peut être totalement élucidée. Il ne reste également que peu de choses à dire des différentes traductions ou adaptations françaises des «Character-Books» anglais. Dans sa thèse: Übersetzung, Paraphrase und Plagiat, qui traite de la réception des «Character-Books» en France, Erich Brauch a examiné les deux versions des Caractères de Hall et mené une comparaison de textes très détaillée avec l’original. Cette thèse ayant déjà fait, en France et en Allemagne, l’objet de plusieurs comptes-rendus, il n’y a pas lieu de revenir sur ce travail 13. Nous espérons cependant pouvoir apporter une nouvelle contribution à notre sujet en élargissant le champ de recherche. La question de savoir dans quelle mesure Joseph Hall peut être considéré comme un précurseur de La Bruyère est en effet plus compliquée, mais aussi d’une portée plus grande que ne le laissent supposer les études spécialisées dans la réception des ouvrages des «character-writers» anglais en France.
10 11 12 13
Jasinski, «Influences sur La Bruyère» (voir note 7), p. 197. Paris 1971, pp. 15–100. Voir, p. ex., Pierre Richard, La Bruyère et ses «Caractères», Paris 1965, pp. 49 sq. Erich Brauch, Übersetzung, Paraphrase und Plagiat. Untersuchungen zum Schicksal englischer «Character-Books» in Frankreich im 17. Jahrhundert, Tübingen 1978. Comptesrendus in: Studi Francesi 13/1979, p. 158 (J.-P. Collinet); XVIIe siècle 32/1980, pp. 448 sq. (Louis van Delft); Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 219/ 1982, pp. 465 sq. (Margot Kruse).
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C’est dans ce but que nous nous sommes fixé les objectifs suivants: 1. tenir compte des résultats de la recherche sur Théophraste, dans la mesure où cette recherche concerne la réception des Ethikoi Charakteres aux XVIe et XVIIe siècles; 2. prendre en considération le rôle que les caractères ont joué dans l’ars oratoria traditionnelle, et plus particulièrement dans la rhétorique de la Renaissance et du Baroque, sous l’influence de la doctrine «ut pictura poesis»; 3. mettre en évidence le fait que les Characters of Virtues and Vices doivent être examinés en relation avec les textes religieux de Joseph Hall, rédigés à peu près à la même époque, ces derniers comportant des esquisses de caractères formés sur des modèles bibliques. En ce qui concerne l’œuvre de Théophraste, remarquons tout d’abord que Hall et La Bruyère ont lu les Ethikoi Charakteres publiés par le célèbre helléniste Isaac Casaubon. Une première édition du texte grec, avec traduction latine et commentaire savant, avait paru à Lyon en 1592, puis une seconde publication, intitulée Theophrasti Notationes Morum, en 1599 14. C’est cette dernière édition augmentée, qui sera d’ailleurs rééditée à plusieurs reprises au cours du XVIIe siècle, que Hall et La Bruyère ont utilisée 15. Nous insistons sur ce détail, parce que les philologues modernes remettent depuis longtemps en question l’interprétation des Charakteres de Théophraste présentée dans cette édition. Casaubon n’est pas parti du texte même, c’est-à-dire des vingt-huit caractères décrits par Théophraste, qui se rapportent tous à des types incarnant une faiblesse ou un défaut humain; il s’est plutôt principalement fondé sur le Prooemium, que nous savons aujourd’hui avoir été rédigé et ajouté au texte de Théophraste beaucoup plus tard, probablement durant l’époque byzantine 16. Ce Prooemium fait des caractères descriptifs de Théophraste une œuvre éducative et moralisatrice. L’auteur inconnu suppose que le texte des 14 L’édition de 1592 comporte les caractères I–XXIII; la seconde édition, Lyon 1599, est augmentée des caractères XXIV–XXVIII provenant d’un manuscrit de la Bibliothèque palatine de Heidelberg. Voir Wendell Clausen, «The Beginnings of English Character-Writing in the Early Seventeenth Century», in: Philological Quarterly 25/1946, pp. 32–42. 15 Voir les rééditions de 1612, 1617, 1638, 1659, 1670 et 1688 dans le Catalogue général des livres imprimés de la Bibliothèque Nationale, t. 185, Paris 1959, col. 791 sq. 16 Voir Théophraste, Caractères. Texte établi et traduit par Octave Navarre, Paris 21952, pp. 38 sq.; Peter Steinmetz (éd.), Theophrast, Charaktere, t. 2: Kommentar und Übersetzung, München 1962, pp. 24–32.
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Charakteres dont il dispose est incomplet et que Théophraste a aussi bien décrit des «caractères vertueux», à titre d’exemples, que des «caractères vicieux», pour en faire apparaître la laideur et la honte. C’est, en substance, le propos que le Pseudo-Théophraste du Prooemium prête à cet auteur: […] après une attentive comparaison des hommes vertueux et des hommes vicieux (quum […] et probos simul et improbos homines considerassem), j’ai cru devoir décrire la conduite respective que tiennent dans la vie les uns et les autres (quae sit vitae degendae utrorumque ratio).17
Dans les Prolegomena de son commentaire, Casaubon a encore renforcé l’intention didactique des caractères. D’après lui, Théophraste n’est pas un moraliste qui se propose de décrire les mœurs des hommes, mais un moralisateur qui veut inciter le lecteur à mener une vie honnête: […] de moribus enim hominum hic agitur, et ad bene honesteque vitam degendam nobis hoc scripto praeire Theophrastus voluit.18
En reprenant et soulignant l’intention moralisatrice exprimée dans le Prooemium, Casaubon s’est clairement distancé du texte de Théophraste. Pour l’élève d’Aristote, les caractères représentaient une forme littéraire utilisée à des fins descriptives, et non pour faire la morale. Aristote avait déjà incorporé quelques esquisses de caractères dans son Ethique à Nicomaque et dans sa Rhétorique 19. De même, Théophraste considère l’éthique et la rhétorique comme étroitement liées. Il utilise le caractère pour décrire une particularité humaine qu’il définit dès la première ligne et détaille ensuite. Pour ce faire, il présente un personnage dont le comportement se réduit à ce trait dominant. Comme il s’agit de caractères négatifs, le style est satirique, parfois ironique, mais il reste toujours descriptif, sans tendance éducative 20. Ainsi, lors de la conception des Characters of Virtues and Vices, Joseph Hall s’est beaucoup plus attaché au Prooemium et au commen17 JEOFRASTOU h¬qikoí Carakth^reß, Theophrasti Notationes Morum. Isaacus Casaubonus recensuit, in Latinum sermonem vertit, et Libro Commentario illustravit, Lyon 1599, p. 2. Traduction française par Navarre, p. 38. 18 Ibid., p. 86. – Cf. également p. 88: «Mores igitur hominum ita hic olim erant descripti, ut liceret tanquam in speculo hinc virtutis splendorem et pulcherrimam intueri faciem: illinc vero vitiorum turpitudinem et dedecus animadvertere […]». 19 Aristote, Éthique, IV, 1–3; Rhétorique, II, 12–17. 20 Les clausules moralisantes des caractères I, II, III, VI, VIII et XXVIII, que Casaubon considérait – de même que le Prooemium – comme d’origine, sont des additions apocryphes. Voir Navarre (note 16), Introduction, p. 24.
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taire de Casaubon qu’au texte de Théophraste. C’est avec justesse que Richard A. McCabe remarque dans son livre Joseph Hall. A Study in Satire and Meditation, ouvrage important en soi et pour notre sujet: Casaubon’s work had the effect of transforming the Greek Characters into a moral tract, and to a large extent Hall simply followed in his wake 21.
De même que Hall, La Bruyère, dans son Discours sur Théophraste, se réfère expressément au Prooemium: Le projet de ce philosophe, comme vous le remarquerez dans sa préface, était de traiter de toutes les vertus et de tous les vices […] 22.
Pour ses remarques érudites sur Théophraste et sur les manuscrits des Ethikoi Charakteres, ce moraliste se fonde également sur le commentaire de Casaubon 23. Quand La Bruyère, dans la Préface de ses propres Caractères, considère la correction des mœurs et l’instruction du lecteur comme son seul but – «On ne doit parler, on ne doit écrire que pour l’instruction […]» 24 –, on pourrait être tenté d’attribuer également l’accent mis sur ses intentions éducatives à l’influence exercée par la conception que se fait Isaac Casaubon du genre des caractères. Ajoutons cependant que cette revendication théorique ne correspond guère aux seize chapitres des Caractères de La Bruyère, dans lesquels l’auteur adapte son style au goût des «honnêtes gens», évite le ton didactique, et paraît viser plutôt à plaire qu’à instruire. C’est dans le but de divertir le lecteur par la variété de ses caractères qu’il emploie divers procédés descriptifs, narratifs et dramatiques, qu’il use de l’art du trait final et d’autres stratagèmes stylistiques dont traite Léon Paquot-Pierret dans son Art du Portrait chez La Bruyère 25. Dans l’œuvre de Joseph Hall, par contre, les déclarations exprimées dans l’Avertissement et dans les Préfaces des deux livres correspondent au style didactique des Characterisms of Virtues et des Characterisms of Vices. Dès le début de son premier livre, Joseph Hall met – comme Casaubon – l’accent sur le but moralisateur poursuivi. Dans son Avertissement sur le titre et usage des Characteres, il définit les caractères comme des
21 McCabe, Joseph Hall (voir note 5), p. 112. 22 Jean de La Bruyère, Les Caractères de Théophraste traduits du grec avec Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle, éd. Robert Garapon, Paris 1962, p. 5. 23 Ibid., p. 6, note 3. 24 Ibid., p. 61. 25 Bruxelles 21948.
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«peintures parlantes», par lesquelles «la multitude ignorante pouvoit […] apprendre à conoitre, et ce qui est à suivre, et ce qui est à détester» 26. Pour Hall, les modèles antiques sont l’expression de la «sagesse des Payens». Il souligne qu’il n’y a aucune honte à vouloir profiter de cette tradition antique et déclare en avoir suivi lui-même les traces: «I have trod in their paths; but with an higher and wider step […]» 27. L’ajout: «mais d’un pas plus haut et plus large» est significatif. Hall laisse ainsi entrevoir qu’il n’a pas l’intention de se cantonner dans une simple imitation des caractères antiques. Il n’existe aucun parallèle thématique entre les Characters of Virtues de Hall et les Charakteres de Théophraste. Joseph Hall se fonde ici, comme dans ses œuvres de méditation et de dévotion, sur une tradition biblique sur laquelle nous reviendrons ultérieurement. Si ce théologien et futur évêque d’Exeter se propose d’exercer, au moyen de ses caractères, une influence sur le comportement des hommes, il n’aspire cependant pas à communiquer uniquement des notions des vertus chrétiennes au lecteur. En effet, dans les neuf caractères de son premier livre, les vertus chrétiennes se trouvent intimement mêlées à des éléments empruntés à la philosophie morale stoïcienne. Hall, influencé par Sénèque, dont il utilise principalement les Lettres morales, est d’ailleurs surnommé par son contemporain Thomas Fuller: «our English Seneca» 28. On remarque le néo-stoïcisme chrétien de Hall dès le début de son premier livre, qui commence par le caractère: «The wise Man» («Le Sage») 29. En ce qui concerne les quinze Characters of Vices qui font l’objet du second livre, il en va tout autrement. Environ la moitié de ces caractères blâmables ont leurs correspondants thématiques dans les Ethikoi Charakteres. Et pourtant, comme les Characters of Virtues, les Characters of Vices laissent clairement transparaître la morale chrétienne. Ce n’est pas par hasard que Joseph Hall a placé l’hypocrisie en tête des vices. Certes, L’Hypocrite, qui est le caractère le plus connu de ce recueil, correspond en partie à l’homme dissimulé, décrit au début des Ethikoi Charakteres. Mais Hall choisit le thème de l’hypocrisie pour illustrer l’opposition de
26 Caractères de Vertus et de Vices, trad. Loiseau de Tourval, Paris 1610. 27 The Works of Joseph Hall, éd. Josiah Pratt, London 1808, t. 7, p. 84. 28 Philip A. Smith, «Bishop Hall, ‹Our English Seneca›», in: Publications of the Modern Language Association 63/1948, pp. 1191–1204. 29 The Works of Joseph Hall (voir note 27), t. 7, pp. 85 sq.; Caractères de Vertus et de Vices (voir note 26), pp. 4 sq.; Urbain Chevreau, L’Escole du Sage, Paris 1659, pp. 1 sq.
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l’être et du paraître dans le domaine de la religion. La fausse dévotion, qui se trouve considérée par La Bruyère comme un trait spécifique de son époque, figure donc déjà dans le recueil de Hall; présenté par l’auteur comme le «pire des vices», ce caractère surchargé fait plutôt penser à Tartuffe qu’à Onuphre 30. Les parallèles thématiques entre les Characters of Vices de Hall et les Ethikoi Charakteres de Théophraste ont été étudiés en détail par Benjamin Boyce dans son ouvrage: The Theophrastan Character in England to 1642. D’autre part, Boyce y a également examiné le rôle joué par le caractère dans la rhétorique, de l’Antiquité à la Renaissance 31. En ce qui concerne l’œuvre de Joseph Hall, ce point paraît être particulièrement important, puisque Hall – étudiant, puis professeur de rhétorique durant deux ans à l’Emmanuel College de Cambridge – avait une parfaite connaissance de l’ars oratoria. À cette époque, la rédaction de caractères faisait partie des cours d’éloquence, tout comme dans l’Antiquité romaine. Dans le livre IV de la Rhétorique à Hérennius, par exemple, dans les chapitres concernant l’elocutio, on trouve un passage sur le portrait (effictio) et plusieurs pages sur le caractère (notatio) 32. Pour illustrer la notatio, l’auteur de la rhétorique Ad Herennium avait choisi le caractère d’un vaniteux «qui, sans être riche réellement, veut faire figure d’un homme fortuné» 33. Le trait dominant de ce vaniteux est mis en évidence par une description très détaillée de son comportement dans des situations diverses. Il ne fait pas de doute que Joseph Hall a eu connaissance de cet Ostentatoris pecuniosi character, puisque Casaubon a repris cet exemple pour compléter les Ethikoi Charakteres dans son édition de 1599 34. Notons également, dans cette même édition, le Garulli hominis character (le caractère d’un loquace insupportable) provenant des Satires d’Horace 35. L’écriture satirique était familière à Hall, depuis la 30 Louis van Delft dit de L’Hypocrite, dans la version de Chevreau, qu’il «présente précisément les ‹défauts› de la charge dans Tartuffe, que La Bruyère relèvera dans le portrait d’Onuphre» (Le Moraliste classique. Essai de définition et de typologie, Genève 1982, p. 140). 31 The Theophrastan Character in England to 1642, Cambridge, Mass. 1947, pp. 16–52. 32 Conformément à cette tradition rhétorique, Casaubon, pour son édition de 1599, a traduit le titre Ethikoi Charakteres par Theophrasti Notationes Morum. 33 Rhétorique à Hérennius. Ouvrage longtemps attribué à Cicéron, éd. Henri Bornecque, Paris, s. d., pp. 258 sq. 34 Theophrasti Notationes Morum, pp. 75 sq.: Ex libro quarto Rhetoricorum ad Herennium. 35 Ibid., pp. 79 sq.: Ex Q. Horatii Flacci Satyr., lib. I., Sat. IX.
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rédaction de son premier ouvrage littéraire, les six livres Virgidemiarum (1597/98). C’est avec ce recueil de satires en vers que Hall a introduit le genre de la satire romaine en Angleterre, comme il y a introduit, dix ans plus tard, le genre du caractère théophrastien. Bien que le genre littéraire du caractère soit étroitement lié à la rhétorique, le développement de ce genre au XVIIe siècle – de Joseph Hall à La Bruyère – ne peut être uniquement expliqué à partir de l’œuvre de Théophraste et de la tradition rhétorique. Comme l’a démontré Kuno Schuhmann dans son article «Charakterdarstellung und Rhetorik» 36, la conception du caractère s’est modifiée sous l’influence de la doctrine «ut pictura poesis», qui joue un rôle important dans l’art poétique de la Renaissance. Conformément à cette formule, Joseph Hall a défini les «characters» comme des «speaking pictures, or living images» 37, et un autre «character-writer» anglais a publié en 1631 un recueil intitulé: Picturae Loquentes 38. L’influence exercée par l’«ut pictura poesis» sur le développement du caractère en France n’est pas de moindre importance. En 1640, le Père Le Moyne choisit, pour son ouvrage moraliste, le titre: Peintures morales. Où les passions sont représentées par tableaux, par caractères, et par questions nouvelles et curieuses. Vers 1650, se développe, par analogie avec le portrait pictural, la mode du portrait littéraire. Et vers la fin du siècle, on ne peut plus que difficilement distinguer, dans l’œuvre de La Bruyère, les genres respectifs du portrait et du caractère. Les facteurs nommés jusqu’ici n’expliquent cependant pas encore suffisamment la spécificité des Characters of Virtues de Joseph Hall. On ne trouve de modèles pour ces caractères positifs, ni chez Théophraste et ses successeurs, dans le domaine de la comédie ou de la satire, ni dans la rhétorique, qui repose sur la tradition gréco-romaine. C’est ici bien plutôt à des modèles bibliques – et plus spécialement au Livre des Proverbes et à L’Ecclésiaste – qu’il faut se reporter, comme l’a fait Joseph Hall lui-même dans son écrit théologique Solomon’s Divine Arts 39. Cet ouvrage, paru en 1609, comporte en effet plusieurs caractères de vertus et de vices, com-
36 Festschrift Theodor Spira, éd. Helmut Viebrock et Willi Erzgräber, Heidelberg 1961, pp. 184–196. 37 «A Premonition of the Title and the Use of Characters», in: The Works of Joseph Hall (voir note 27), t. 7, p. 83. 38 Wye Saltonstall, Picturae Loquentes. Or Pictures Drawne forth in Characters (1631). Cf. Boyce, The Theophrastan Character in England to 1642 (voir note 31), pp. 276–282. 39 The Works of Joseph Hall (voir note 27), t. 10, pp. 5–61.
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posés à partir de divers passages de la Bible, ou des esquisses se fondant sur certaines parties des Livres sapientiaux 40. Au point de vue de la forme littéraire, ces caractères ressemblent sensiblement aux Characters of Virtues and Vices, conçus à peu près à la même époque, ce qui conduit McCabe à dire que Hall a voulu faire de Salomon un «Théophraste biblique» 41. En France, les Solomon’s Divine Arts n’ont pas connu un succès comparable à celui des Characters of Virtues and Vices. Il semble n’en exister qu’une traduction, réalisée par le protestant suisse Théodore Jaquemot, et parue à Genève en 1632, sous le titre: Les Arts divins de Salomon. Ou Ethiques, Politiques et Œconomiques, tirées méthodiquement de ses Proverbes et de l’Ecclesiaste […] 42. Hall n’a pas seulement puisé, dans les Livres sapientiaux, de nombreux éléments pour élaborer ses propres caractères; c’est un caractère complet qu’il a pris pour modèle dans le dernier chapitre des Proverbes. Il s’agit de la «femme forte», au sens biblique du terme, qui incarne toutes les vertus de la femme mariée; elle est caractérisée par une énumération d’actions exemplaires 43. C’est sur ce caractère que Hall se fonde dans la dernière partie des Arts divins de Salomon, lorsqu’il expose, à propos du «Gouvernement de la Famille», les vertus que doit posséder la femme mariée ou la «bonne mesnagere» 44. Dans la Bible, les caractères ne sont pas le résultat d’une observation, comme dans l’œuvre de Théophraste, mais l’expression d’un jugement moral. D’après Ronald J. Corthell, préceptes et descriptions des Proverbes bibliques et des Divine Arts de Hall sont interchangeables, «because both types of statement are morally charged, both exist in a context of moral consequence» 45.
40 Les sources bibliques sont indiquées à la fin de chaque caractère. 41 «Hall is going out of his way to attribute the composition of Characters to the great philosopher of the Old Testament, to make of Solomon the biblical Theophrastus.» (McCabe, Joseph Hall [voir note 5], p. 115). 42 Un exemplaire de cette traduction, parue chez Pierre Aubert, se trouve à la Bibliothèque Nationale sous la cote D2 4436. Le titre cité par Ascoli dans la Bibliographie de sa thèse La Grande-Bretagne devant l’opinion française au XVIIe siècle (voir note 1), n° 1431, t. 2, p. 328, n’est pas exact. 43 Proverbes, 31, 10–31. 44 The Wife, in: Solomon’s Divine Arts – Œconomies, in: The Works of Joseph Hall (voir note 27), t. 10, pp. 57–59. 45 «Joseph Halls Characters of Virtues and Vices: A ‹Novum Repertum›», in: Studies in Philology 76/1979, pp. 28–35, cit. p. 31.
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Dans Solomon’s Divine Arts, Hall a, d’une part, composé des «characters of virtues» – tels «the prudent man» ou «a virtuous wife» – à partir de textes bibliques, pour illustrer les ‹Ethics›, or ‹Morals›, et, d’autre part, des «characters of vices» – tels «the prodigal» ou «the slothful» 46. Nombreux sont les parallèles existant entre cet ouvrage et les Characters of Virtues and Vices. Que les modèles bibliques des Livres sapientiaux aient joué un rôle important dans la composition des Characters de Hall ne semble faire aucun doute. Et le ton didactique de cette œuvre, que nous avons surtout attribué jusqu’ici à l’influence de l’interprétation de Théophraste par Isaac Casaubon, semble avoir également ses racines dans les caractères bibliques. Le fait que les premiers caractères de Joseph Hall se trouvent dans ses Meditations and Vowes de 1605/06 confirme cette hypothèse 47. Bien que ces caractères ne soient encore que des ébauches, ils laissent cependant apparaître – comme le remarque McCabe – que l’intérêt de Hall pour le genre du caractère est né, à plusieurs égards, de son intérêt pour la méditation 48. Si l’on considère le rôle dominant joué par la méditation et la Bible dans l’œuvre du théologien Joseph Hall49, on comprend facilement le rapport qui lie ses Characters of Virtues and Vices au Livre des Proverbes et à L’Ecclésiaste. Mais en ce qui concerne le développement que le caractère a connu en France par la suite, on serait tout d’abord tenté de n’y voir guère de rapports avec les textes bibliques. Et pourtant, il ne paraît pas impossible que Joseph Hall se révèle également précurseur de La Bruyère dans ce domaine. Mentionnons, pour conclure, que tout récemment, Louis van Delft a essayé de démontrer que «la forme même de maint caractère, chez La Bruyère […], est celle de la parabole biblique […]».
46 On voit qu’il s’agit de caractères dès les premiers mots; p. ex.: «The prodigal is the man that […]» (The Works of Joseph Hall [voir note 27], t. 10, p. 33), ou: «The slothful, is he, that […]» (ibid., p. 34). 47 Meditations and Vowes, in: The Works of Joseph Hall (voir note 27), t. 6, pp. 1–78. Cette œuvre, traduite en français par Loiseau de Tourval, a paru à Paris en 1614 sous le titre: Le Sénèque ressuscité chrétien, […] (Ascoli, La Grande-Bretagne devant l’opinion française au XVIIe siècle [voir note 1], Bibliographie n° 1427, t. 2, p. 327). Voir II, 75: «L’Homme de bien»; III, 42: «L’Avaricieux». 48 «Hall’s interest in the Character genre was in many respects born of his interest in meditation […]» (McCabe, Joseph Hall [voir note 5], p. 206). 49 Voir également d’autres œuvres religieuses de Hall traduites en français par Jaquemot, spécialement: The Arts of Divine Meditation (1606) et Occasional Meditations (1630– 1633).
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Dans son article «Les Caractères: Du monde clos à l’œuvre ouverte», M. van Delft affirme «que beaucoup de caractères de La Bruyère sont des paraboles en style mondain […]»; et il ajoute: «La création de caractères, chez lui, revient pour une large part, à la laïcisation, la sécularisation du modèle offert par les Ecritures».50
50 Louis van Delft, in: Littératures Classiques, Supplément au numéro 13, janvier 1991, pp. 63–86, cf. pp. 74 sq.
La Rochefoucauld en Allemagne Sa réception par Schopenhauer et Nietzsche L’histoire de l’influence exercée par La Rochefoucauld en Allemagne, particulièrement importante pour l’œuvre de Nietzsche, appartient pour une large part aux zones encore inexplorées de l’histoire littéraire. Nous ne savons rien sur la «réception» des Mémoires de La Rochefoucauld en Allemagne; et son Portrait fait par lui-même semble n’avoir guère été connu dans l’Allemagne du XVIIe siècle et du XVIIIe siècle. Enfin, nous ignorons également si les Maximes ont été lues et commentées en Allemagne du vivant de leur auteur. Le premier témoignage de la diffusion de son œuvre qui nous ait été transmis est la traduction des Réflexions ou Sentences et Maximes morales par August Bohse, parue à Leipzig, en 1699, sous le pseudonyme de Talander. Ce volume comprend également les Maximes de la marquise de Sablé, ainsi que les Pensées de l’abbé d’Ailly, souvent publiées à cette époque à la suite des Maximes de La Rochefoucauld. Le titre de cette traduction par August Bohse est significatif: Gemüths-Spiegel, durch die köstlichsten moralischen Betrachtungen, Lehrsprüche und Maximen die Erkäntniß seiner selbst und anderer Leute zeigend […] 1. Miroir de l’Ame, montrant, par les réflexions, sentences et maximes morales les plus délicates, la connaissance de soi-même et des autres personnes […] 2.
Le traducteur veut engager le lecteur à étudier les maximes, alors que l’énoncé même du titre montre combien il est, en réalité, éloigné de l’objectif et du style de La Rochefoucauld. Il faut d’ailleurs se garder d’exagérer l’influence des traductions sur le procès de la transmission de l’œuvre de La Rochefoucauld en Allemagne, 1 Cette première traduction peut être consultée à la bibliothèque de Wolfenbüttel (cote Lm. 2091). 2 La traduction des citations des œuvres allemandes non encore traduites en français a été faite par Mme E. Comhaire (Hambourg) à laquelle je suis reconnaissante de sa précieuse collaboration.
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surtout en ce qui concerne la littérature du XVIIIe siècle. Il est vrai qu’une deuxième traduction allemande parut à Zurich en 1749, et d’autres encore, en 1785, à Vienne et à Leipzig 3. Cependant Friedrich Schulz, le premier traducteur des Maximes dont la version connaîtra bientôt plusieurs rééditions, pouvait encore écrire, en 1789, dans l’introduction à l’édition bilingue établie par lui: Seul le texte original nous est connu, et cela dans les cercles les plus élevés seulement, et parmi les psychologues, philosophes et moralistes.4
Cette remarque vaut, en général, pour tout le XVIIIe siècle, mais ne dit pas encore grand chose quant à l’effet de l’œuvre de La Rochefoucauld sur la littérature allemande du Siècle des Lumières. À une époque où la littérature allemande est fortement influencée par la France, on attendrait un certain effet des Maximes de La Rochefoucauld, ou une discussion de celles-ci, chez les auteurs qui étaient des connaisseurs particulièrement avertis. Mais les écrivains les plus importants de cette époque – Lessing, Wieland, Goethe et Schiller – ne mentionnent pas La Rochefoucauld, ou ne le font que très incidemment. Les brèves indications que nous trouvons chez Lessing ne permettent aucune conclusion concernant la «réception» de l’auteur des Maximes, et Wieland se contente de reprocher à La Rochefoucauld d’avoir été incapable «de croire qu’un homme soit désintéressé et agisse par amour de l’idéal moral» 5. Il est plus étonnant encore de ne trouver aucune allusion à La Rochefoucauld chez Goethe, qui a lui-même laissé un volume de Maximes et Réflexions, dont le titre semblerait se référer au recueil de La Rochefoucauld. Dans son étude sur Goethe et la France, Hippolyte Loiseau avait déjà signalé que l’intérêt de Goethe pour la littérature française classique était concentré sur peu d’auteurs: «Rien sur la marquise de Sévigné, ni Mme de La Fayette, ni sur La Bruyère, La Rochefoucauld, Bossuet […]» 6.
3 Cf. Anatole de Granges de Surgères, Traductions en langues étrangères des «Réflexions ou Sentences et Maximes morales» de La Rochefoucauld. Essai bibliographique, Paris 1883, pp. 25 sq. 4 De La Rochefoucauld’s «Sätze aus der höhern Welt- und Menschenkunde» […], Gratz, in Commission bei Eduard Ludewig [1789], p. 4: «Unter uns ist bloß das Original, und auch dieses nur in höhern Ständen und unter Menschenforschern, Philosophen und Moralisten bekannt.» 5 Albert Fuchs, Les apports français dans l’œuvre de Wieland de 1772 à 1789, Paris 1934, p. 311. 6 Goethe et la France, ce qu’il en a connu, pensé et dit, Paris/Neuchâtel 1930, p. 124.
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Si l’on relève parmi les philosophes les plus célèbres de l’époque les principaux représentants de la philosophie idéaliste allemande, il apparaît que le nom de La Rochefoucauld n’est pas mentionné une seule fois chez Kant, Fichte, Schelling ou Hegel (un coup d’œil sur l’index des éditions critiques de ces philosophes le confirmera). Ceci n’est d’ailleurs pas aussi étrange qu’il pourrait le paraître au premier abord. Le point de vue des philosophes idéalistes allemands était non seulement autre que celui des moralistes français, mais ils aspiraient aussi à établir un système qui a trouvé son expression la plus parfaite dans l’œuvre de Hegel. Il s’agissait donc d’un courant de pensée qui, par son essence même, devait demeurer éloigné de la pensée et de la forme aphoristique de La Rochefoucauld. Il nous semble que l’influence de La Rochefoucauld en Allemagne ne devint vraiment sensible qu’à l’époque où cette forme aphoristique eut conquis sa place dans l’histoire de la littérature et de la philosophie allemandes. Avant d’étudier plus à fond la réception de La Rochefoucauld parallèlement au développement de l’aphorisme en Allemagne, il nous faut mentionner encore un contemporain de Goethe chez lequel nous trouvons un jugement très caractéristique de cette époque. Nous pensons ici à Herder dont une des dernières œuvres, Adrastea (1801 ss.), comprend un passage intitulé Pensées, Maximes, et dans lequel La Rochefoucauld est confronté à Pascal 7. La comparaison montre que l’image laïcisée de l’homme que nous donne La Rochefoucauld, est encore plus éloignée de la pensée de Herder que celle de Pascal, qui ne mesure l’homme qu’à l’Infini, bien que, selon Herder, «sa mesure, sa raison, son destin soient suffisamment contenus dans le Fini». À propos des Maximes de La Rochefoucauld, Herder écrit: De même que l’esprit de Pascal s’élève souvent trop haut, et disparaît devant nous dans les nuages, de même les idées de La Rochefoucauld, bien que très ingénieuses, fines et subtiles, se courbent sous le joug des convenances du monde de la Cour qu’il fréquentait, et qui était son monde. Il se peut que, dans ce monde, tout soit pensé, énoncé, feint et exécuté par un égoïsme latent, l’égoïsme serait-il pour cela le seul principe de toute activité humaine? 8 7 Cf. Johann Gottfried von Herder, «Gedanken (pensées), Maximen», in: Herder, Sämmtliche Werke, éd. Bernhard Suphan, t. 23, Berlin 1885, pp. 233–241, cf. pp. 233–235. 8 «Wie Pascals Geist oft zu hoch fliegt und vor uns in den Wolken verschwindet, so krümmen sich Rochefoucaults Gedanken, obwohl sehr sinnreich, fein und zierlich, in die Enge der von ihm gekannten Hofwelt, die seine Welt war. In ihr mag alles aus verkappter Eigenliebe gedacht, gesagt, geheuchelt und gethan werden; wäre deshalb Eigenliebe das einzige Princip aller menschlichen Handlungsweise?» (ibid., p. 235).
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Dans cette critique de La Rochefoucauld nous retrouvons le reproche que l’auteur des Maximes «fonde tout sur un égoïsme plus ou moins grossier, et réduit tout à cet égoïsme». Cette doctrine est pour Herder «la plus froide sous le soleil, et que réfute la marche progressive de la nature». Herder résume son jugement en concluant que les «remarquables idées» de Pascal réclameraient souvent «un lecteur prudemment critique, ou bien un commentaire restrictif», tandis que les Maximes de La Rochefoucauld nécessiteraient, selon lui, un contre-exposé auquel il convie ainsi le lecteur: Une édition de La Rochefoucauld dans laquelle ses pensées ne seraient pas contrastées de pédante façon, mais opposées selon sa judicieuse manière, serait un bienfait pour l’esprit et le cœur de l’humanité.9
Ce jugement confirme que Herder, au début du XIXe siècle, manque encore de compréhension pour la pensée, la mentalité et la forme d’expression du moraliste français. Cependant, dès la fin du XVIIIe siècle, les conditions préalables à une meilleure compréhension de La Rochefoucauld – tout au moins en ce qui concernait la forme d’expression – étaient déjà posées, grâce aux Aphorismes de Lichtenberg et aux Fragments de Friedrich Schlegel. Si même l’aphorisme de Lichtenberg n’est pas identique à la maxime des moralistes français, il est certain que les efforts accomplis pour s’exprimer sous une forme aphoristique ont incontestablement amené les Allemands à s’occuper plus intensivement de l’œuvre de La Rochefoucauld. Lichtenberg n’a pas seulement lu les Réflexions ou Sentences et Maximes morales, il les a aussi étudiées attentivement, stimulé sans doute par l’édition de l’abbé Brotier, à laquelle il fait allusion. Ceci ressort d’une remarque qui se trouve dans les Aphorismes de 1790: Pour exposer nettement une idée, il est nécessaire de l’épurer et d’édulcorer bien des choses, comme pour présenter un corps net de toute souillure. Pour s’en convaincre, il suffit que l’on compare les premières éditions des Réflexions de La Rochefoucauld avec les éditions ultérieures […] et l’on trouvera ce que j’ai dit.10
9 «Eine Ausgabe von Rochefoucaults Gedanken, worinn diese, nicht pedantisch, sondern in seiner sinnreichen Manier contrastirt würden, wäre für den Verstand und das Herz der Menschheit, eine Wolhlthat.» (ibid.) 10 «Um einen Gedancken recht rein darzustellen, dazu gehört sehr vieles abwaschen und absüßen, so wie einen Körper rein darzustellen. Um sich hiervon zu überzeugen vergleiche man nur die ersten Ausgaben der Reflexions des La Rochefoucault mit den
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Paul Requadt écrit fort justement dans son étude sur Lichtenberg: de nombreuses allusions montrent que, depuis 1774, les Maximes de La Rochefoucauld font partie de son patrimoine intellectuel11.
Il faut pourtant ajouter que l’écho qu’a trouvé chez Lichtenberg son étude de l’œuvre de La Rochefoucauld ne suffit pas pour porter un jugement plus précis concernant l’influence des Maximes sur son œuvre. Dans le domaine de la philosophie, la forme de l’aphorisme gagna de plus en plus en signification grâce à l’œuvre de Schopenhauer. Celui-ci avait étudié non seulement l’Oráculo manual de Gracián, traduit par lui en allemand, mais aussi l’œuvre des moralistes français qu’il avait bien entendu lus et cités dans leur langue. Les nombreuses annotations et remarques dans l’exemplaire des Réflexions ou Sentences et Maximes morales, Lausanne 1750, qui se trouvait dans sa bibliothèque, prouvent qu’il connaissait à fond l’œuvre de La Rochefoucauld12. Une remarque de Schopenhauer sur la page de garde de cet exemplaire dénote déjà une profonde compréhension des Maximes: On percevra encore un attrait tout particulier de ce livre incomparable, si l’on réfléchit à ce que les pensées qu’il expose, par leur nature même, ne pouvaient être trouvées que dans la presse et les alarmes de la vie du Monde et de la Cour, et que l’on admire alors la circonspection qui permit, au milieu de cette agitation, de faire des réflexions aussi impassibles et objectives sur les lois qui régissent les forces déterminant cette agitation.13
Dès le premier volume de son chef-d’œuvre Le Monde comme volonté et comme représentation, paru en 1819, Schopenhauer fait une brève référence à La Rochefoucauld, évoquant «cette vanité et cette présomption si incomparablement décrites, expliquées in abstracto par La Rochefou-
späteren (Man sehe die Ausgabe des Abbé Brotier à Paris 1789 8 v°), so wird man finden, was ich gesagt habe.» Georg Christoph Lichtenberg, Aphorismen, éd. Albert Leitzmann. Viertes Heft: 1789–1793, Berlin 1908, pp. 53 sq. 11 Lichtenberg. Zum Problem der deutschen Aphoristik, Hameln 1948, p. 112. 12 Cf. Arthur Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß, éd. Arthur Hübscher, Frankfurt a. M., t. 5 (1968), pp. 445 sq. 13 «An diesem unübertrefflichen Buche wird man noch einen besonderen Reiz bemerken, wenn man bedenkt, daß die Gedanken, welche es ausspricht, ihrer Natur nach, nicht anders als im Gedränge u. in der Beängstigung des großen Welt- und Hoflebens gefunden werden konnten, u. nun die Besonnenheit des Geistes bewundert, welche mitten in jenem Gedränge noch so kalt u. objektiv Reflexionen anstellen ließ über die Gesetze der jenes Gedränge bewegenden Kräfte.» (ibid., p. 445)
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cauld» 14. Les allusions aux Maximes deviennent plus nombreuses dans les recueils de manuscrits datant de 1828–1829. Schopenhauer y parle surtout de la réflexion sur «la fausseté du mépris de la mort» 15. Le philosophe n’a d’ailleurs pas l’intention d’interpréter la pensée de La Rochefoucauld, mais il tient à élucider sa propre théorie de la volonté, telle qu’il l’a développée dans les livres II et IV du Monde comme volonté et comme représentation. Dans ses manuscrits, Schopenhauer explique «le grand attachement à la vie, commun aux animaux et aux hommes», par le fait que «le Sujet lui-même doit être tout simplement la volonté de vivre», et il poursuit: C’est par cet attachement, tout à fait a priori, à la vie que s’explique l’horror mortis qui est propre à tout être vivant, et que La Rochefoucauld a exprimé de manière si franche et si naïve.16
Cette pensée est développée par Schopenhauer dans le volume II du Monde comme volonté et comme représentation, de 1844 17. L’idée fondamentale du célèbre chapitre 41 «De la mort et de ses rapports avec l’indestructibilité de notre être en soi» se trouve également dans les manuscrits de 1828. Au § 20 des Adversaria, Schopenhauer parle de la contradiction entre la doctrine des philosophes selon laquelle la mort n’est pas un mal, ce qu’a si bien prouvé Épicure, et la crainte de la mort qui reste commune à tous les êtres vivants et ne peut jamais s’éteindre, comme La Rochefoucauld l’a montré de façon probante dans la réflexion qui termine les Maximes. Pour Schopenhauer, cette contradiction ne peut se résoudre que par sa doctrine de la volonté. Selon cette doctrine, la «fuga mortis» procède «seulement de la volonté», qui «en tant que
14 Schopenhauer, Le Monde comme volonté et comme représentation, trad. par Auguste Burdeau, éd. Richard Roos, Paris 101978, p. 419 (Livre IV, 61). Cf. Die Welt als Wille und Vorstellung I, 4, § 61, in: A. S., Sämtliche Werke, éd. Arthur Hübscher, Leipzig 1938, t. 2, p. 393. 15 Édition de 1678, Max. 504. Nous citerons les Maximes de La Rochefoucauld d’après l’édition de Jacques Truchet, Paris 1967. 16 «Nur aus dieser völlig apriorischen Anhänglichkeit an das Leben erklärt sich der horror mortis, der allem Lebenden eigen ist und den Rochefoucauld so freimüthig und naiv ausgesprochen hat.» (Foliant II, 1828, § 274) Der handschriftliche Nachlaß (voir note 12), t. 3 (1970), p. 388. 17 Cf. chap. 19: «Du primat de la volonté dans la conscience de nous-mêmes» (XL), Le Monde comme volonté et comme représentation (voir note 14), p. 945. Cf. Die Welt als Wille und Vorstellung II, 19: «Vom Primat des Willens im Selbstbewußtseyn», in: A. S., Sämtliche Werke (voir note 14), t. 3, p. 271.
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Chose en Soi et noyau de toute vie se trouve en dehors du temps», de sorte que «ce qui peut craindre la mort, et la craint, n’est pas atteint par elle»18. Dans les manuscrits de 1829, Schopenhauer étudie la dernière maxime de La Rochefoucauld sous un autre aspect. Il dit au § 204: La vie entière est une mortification continuelle de la volonté, la mort cependant est la plus grande, celle qui les englobe toutes, qui, d’un seul coup, réduit à néant tout ce que nous voulons. C’est pourquoi la conception de la mort que nous présente La Rochefoucauld (une chose terrible) est de son point de vue parfaitement juste: bien que lui-même laisse incontestablement percer ici une certaine ironie.19
Deux choses nous frappent dans cette réflexion. D’une part, Schopenhauer tente ici, pour la première fois, de considérer «la conception de la mort» sous le point de vue de La Rochefoucauld, d’autre part, il décèle dans la fameuse maxime 504 «une certaine ironie», ce qui présuppose une lecture très attentive, et permet une interprétation nouvelle pour l’époque. Généralement, cependant, Schopenhauer utilise les Maximes de La Rochefoucauld pour appuyer ses propres idées. C’est ainsi qu’il cite, au chapitre 19 du deuxième volume du Monde comme volonté et comme représentation, la maxime 4: «L’amour-propre est plus habile que le plus habile homme du monde […]», confirmant ainsi que «souvent même nous nous trompons entièrement sur le motif véritable de notre action ou de notre abstention» 20. La découverte des motifs égoïstes de nos actes, thème central chez La Rochefoucauld, est liée ici par Schopenhauer à sa théorie «du primat de la volonté dans la conscience de nous-mêmes». La première version de cette pensée, dans les manuscrits de Schopenhauer, dit déjà: Ici donc paraît à nouveau la volonté dans son primat sur l’intellect: elle doit, certes, recevoir chaque fois ses motifs de celui-ci; cependant, selon sa décision secrète sur ce qui le détermine vraiment, l’homme ne suit pourtant pas toujours celui-là; parfois même il se trompe sciemment, attribuant l’action exé-
18 Der handschriftliche Nachlaß, t. 3 (voir note 16), p. 410. 19 «Das ganze Leben ist eine fortlaufende Mortifikation des Willens; der Tod aber die größte, die summarische, die alles was wir wollen mit einem Schlage vereitelt: daher ist auch Rochefoucaulds Ansicht des Todes (une chose terrible) auf seinem Standpunkt ganz richtig: obwohl sogar er eine gewisse Ironie dabei unverkennbar durchschimmern lässt.» (ibid., p. 591) 20 Le Monde comme volonté et comme représentation (voir note 14), p. 908. Cf. Die Welt als Wille und Vorstellung II, 19 (voir note 14), t. 3, p. 235.
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cutée à un autre motif, plus flatteur pour lui-même, afin que son intellect lui présente une image de soi-même plus satisfaisante. – C’est pourquoi La Rochefoucauld dit: l’amour propre est plus habile que le plus habile homme du monde.21
Nous trouvons d’autres exemples de cet emploi des Maximes de La Rochefoucauld chez Schopenhauer dans les Aphorismes sur la sagesse dans la vie, au premier volume des Parerga et Paralipomena (1851). Au début du chapitre 5, intitulé «Parénèses et Maximes», Schopenhauer souligne le caractère inachevé de ses exposés et le manque de système, appropriés au sujet. Il se réfère à La Rochefoucauld en tant que son précurseur: Ici moins que partout j’ai la prétention d’être complet; sans quoi j’aurais à répéter les nombreuses, et en partie excellentes, règles de la vie données par les penseurs de tous les temps, depuis Théognis et le pseudo-Salomon jusqu’à La Rochefoucauld […] 22.
Au § 25 de ce chapitre, Schopenhauer part de la maxime 296 de La Rochefoucauld: Il est difficile d’aimer ceux que nous n’estimons point; mais il ne l’est pas moins d’aimer ceux que nous estimons beaucoup plus que nous.
Le texte n’est pas cité fidèlement. Schopenhauer écrit: La Rochefoucauld a très justement observé qu’il est difficile de beaucoup estimer un homme et de l’aimer beaucoup à la fois.
D’où il conclut: «Nous aurions donc le choix entre briguer l’amour ou l’estime des gens.» 23 Schopenhauer poursuit par une confrontation, très caractéristique pour lui, de l’amour avec l’estime. 21 «Hier also zeigt sich abermals der Wille in seinem Primat über den Intellekt: er muß zwar stets aus der Hand dieses seine Motive empfangen: allein in seinem geheimen Rathschluß über das ihn eigentlich bestimmende, läßt er deshalb jenen doch nicht immer; sondern betrügt ihn bisweilen sogar absichtlich darüber, indem er die erfolgende Handlung einem andern ihm selbst schmeichelhafteren Motiv zuschreibt, damit sein Intellekt ihm ein befriedigenderes Bild seines Selbst vorhalte. – Deshalb sagt auch Rochefoucauld: l’amour propre est plus habile que le plus habile homme du monde.» Pandectae II, 1834, § 91, in: Der handschriftliche Nachlaß (voir note 12), t. 4/1 (1974), pp. 182 sq. 22 Schopenhauer, Aphorismes sur la sagesse dans la vie, trad. par J.-A. Cantacuzène, revue et corrigée par Richard Roos, Paris 151964, p. 87. Cf. Aphorismen zur Lebensweisheit, chap. 5: «Paränesen und Maximen», in: Parerga und Paralipomena I, in: A. S., Sämtliche Werke (voir note 14), t. 5, p. 431. 23 Ibid., p. 128. Cf. «Paränesen und Maximen» 25: «La Rochefoucauld hat treffend bemerkt, daß es schwer ist, Jemanden zugleich hoch zu verehren und sehr zu lieben. Dem-
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L’influence des Réflexions ou Sentences et Maximes morales sur les «Parénèses et Maximes» est particulièrement claire au § 33, dans lequel Schopenhauer se livre à des considérations sur l’amitié. Le philosophe se demande ici si la véritable amitié est possible, et cela avec le même scepticisme que La Rochefoucauld lorsqu’il s’interroge sur le véritable amour. Schopenhauer affirme: L’égoïsme de la nature humaine est tellement opposé à ce sentiment que la véritable amitié fait partie des choses dont on ignore, comme des gigantesques serpents de mer, si elles appartiennent à la fable ou si elles existent en quelque lieu.24
Cette affirmation correspond à la définition de l’amour véritable dans la maxime 76 de La Rochefoucauld: Il est du véritable amour comme de l’apparition des esprits: tout le monde en parle, mais peu de gens en ont vu.
La transposition de l’amour à l’amitié avait déjà été faite par le moraliste français dans la maxime 473: Quelque rare que soit le véritable amour, il l’est encore moins que la véritable amitié.
De plus, Schopenhauer cite dans ce paragraphe la «maxime supprimée» 18 de La Rochefoucauld, à laquelle Lichtenberg avait également donné son assentiment 25: Dans l’adversité de nos meilleurs amis, nous trouvons toujours quelque chose qui ne nous déplaît pas.
Si l’on fait abstraction de Chamfort, dont il faudrait étudier séparément l’influence sur Schopenhauer, aucun des moralistes français n’est plus souvent cité par lui que La Rochefoucauld. Presque toujours d’ailleurs, c’est d’une façon positive que Schopenhauer se réfère à l’auteur des Réflexions ou Sentences et Maximes morales. La critique même du titre, au volume II des Parerga et Paralipomena, est plutôt une louange qu’un
nach hätten wir die Wahl, ob wir uns um die Liebe, oder um die Verehrung der Menschen bewerben wollen.» (ibid., p. 478). 24 «Dem steht der Egoismus der menschlichen Natur so sehr entgegen, daß wahre Freundschaft zu den Dingen gehört, von denen man, wie von den kolossalen Seeschlangen, nicht weiß, ob sie fabelhaft sind, oder irgendwo existieren.» «Paränesen und Maximen» 33 (ibid., p. 489). 25 Cf. Aphorismen (voir note 10), Drittes Heft: 1775–1779, Berlin 1906, pp. 348 sq.
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blâme: partant d’une comparaison avec Machiavel, il parle de «l’immortel petit livre de La Rochefoucauld, dont le thème cependant est la vie privée, non la vie publique; et qui donne des conseils, et non pas des réflexions». La critique se borne à une phrase: Ce que l’on pourrait blâmer dans cet excellent petit livre, serait tout au plus le titre: le plus souvent il ne s’agit pas de maximes ni de réflexions, mais d’aperçus, c’est donc ainsi qu’il devrait s’appeler.26
Sur quoi reposent l’admiration et l’influence de La Rochefoucauld chez Schopenhauer? Le pessimisme si souvent souligné des deux auteurs n’est certes pas une explication suffisante. Si Alexandre Baillot, l’auteur d’un Essai sur les sources françaises de Schopenhauer, écrit: «C’est La Rochefoucauld qui devient son professeur de ‹misanthropisme› […]» 27, ceci n’est que partiellement juste. Plus importantes me paraissent la subtile analyse psychologique et l’observation d’un point de vue élevé, qu’admire Schopenhauer dans les écrits de La Rochefoucauld et d’autres «esprits privilégiés» 28. Pourtant cette perspicacité ne peut expliquer qu’en partie l’influence du moraliste français. Il est incontestable que, même pour le philosophe qu’est Schopenhauer, il s’agit d’une influence littéraire, émanant non seulement des idées de La Rochefoucauld, mais aussi de la forme et du style des Maximes. Il ne faut pas oublier que l’évolution de l’œuvre de Schopenhauer, partant de la construction «fermée» du premier volume du Monde comme volonté et comme représentation, évolue vers la forme plus ouverte de l’aphorisme dans les Parerga et Paralipomena. De plus, chez La Rochefoucauld, «l’observation subtile et la conception ingénieuse» allaient de pair avec l’expression nette, épurée et concise, que Schopenhauer et Nietzsche admiraient également dans ses Maximes. La considération de Nietzsche pour La Rochefoucauld est basée, elle aussi, sur les facteurs que nous venons de nommer: la justesse de l’observation psychologique et la rigueur de l’expression brève et concise. L’admiration de Nietzsche pour les moralistes français en général et pour La Rochefoucauld en particulier est sensible surtout au début du deuxième chapitre de la première partie de Humain, trop humain, intitulé
26 «An dem herrlichen Büchlein könnte man allenfalls den Titel tadeln: meistentheils nämlich sind es nicht maximes, noch réflexions, sondern aperçus: so sollte es daher heißen.» Parerga und Paralipomena II, § 126, Leipzig 1939, p. 266. 27 Influence de la Philosophie de Schopenhauer en France (1860–1900). Étude suivie d’un Essai sur les sources françaises de Schopenhauer, Paris 1927, Appendice, p. 10. 28 Cf. Parerga und Paralipomena II (voir note 26), § 21, pp. 20 sq.
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«Pour servir à l’histoire des sentiments moraux» 29. Au début de ce chapitre, Nietzsche parle des Avantages de l’observation psychologique, telle qu’on la comprenait dans les siècles précédents. Pour représentants de cet art de l’analyse, il choisit «les grands maîtres de la maxime psychologique». Il déplore la pauvreté d’observation psychologique de son époque, et estime que la compréhension envers les moralistes français a disparu elle aussi: Pourquoi ne lit-on même plus les grands maîtres de la maxime psychologique? – car, ceci dit sans la moindre exagération: il se trouve rarement en Europe d’homme cultivé qui ait lu La Rochefoucauld et les auteurs de la même famille d’esprit et d’art; et plus rarement encore quelqu’un qui les connaisse et ne les dédaigne pas.30
Il n’est pas possible de vérifier ici ce jugement. L’important pour nous est la raison par laquelle Nietzsche explique ce manque de compréhension: Mais même ce lecteur exceptionnel y prendra probablement moins de plaisir que ne devrait lui en donner la forme de ces artistes; car même l’esprit le plus fin n’est pas capable d’apprécier à sa juste valeur l’art d’aiguiser les maximes s’il n’y a pas été dressé, ne s’y est pas efforcé lui-même.31
Cette remarque est intéressante pour nous car elle explique pourquoi la «réception» de La Rochefoucauld en Allemagne n’est devenue vraiment fructueuse qu’à l’époque où l’on s’y est également essayé à la forme de l’aphorisme. De même que les ouvrages aphoristiques de Nietzsche représentent le sommet de l’histoire de l’aphorisme allemand, c’est dans les œuvres qui vont de Humain, trop humain (1878) jusqu’au Gai Savoir (1882) que l’effet des Maximes de La Rochefoucauld se montre le plus nettement.
29 Humain, trop humain I, trad. par Robert Rovini, in: Œuvres philosophiques complètes, éd. Giorgio Colli et Mazzino Montinari, Paris 1968, pp. 50 sq. Cf. Menschliches, Allzumenschliches I, Zweites Hauptstück: «Zur Geschichte der moralischen Empfindungen», in: Nietzsche, Werke. Kritische Gesamtausgabe, éd. Giorgio Colli et Mazzino Montinari, t. IV/2, Berlin 1967, pp. 5–357, cf. pp. 55 sq. – Les notes suivantes se réfèrent également à ces deux éditions. 30 «Warum liest man nicht einmal die großen Meister der psychologischen Sentenz mehr? – denn, ohne jede Uebertreibung gesprochen: der Gebildete in Europa, der La Rochefoucauld und seine Geistes- und Kunstverwandten gelesen hat, ist selten zu finden; und noch viel seltener Der, welcher sie kennt und sie nicht schmäht.» (pp. 55 sq.) 31 «Wahrscheinlich wird aber auch dieser ungewöhnliche Leser viel weniger Freude an ihnen haben, als die Form jener Künstler ihm geben sollte; denn selbst der feinste Kopf ist nicht vermögend, die Kunst der Sentenzen-Schleiferei gebührend zu würdigen, wenn er nicht selber zu ihr erzogen ist, in ihr gewetteifert hat.» (p. 56)
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À l’époque où il était sous l’impression de l’œuvre de Schopenhauer, Nietzsche ne parle pas encore de La Rochefoucauld. Sa connaissance des moralistes français ne trouve pas d’écho dans les Considérations intempestives, quoique La Rochefoucauld ait déjà compté parmi ses auteurs de prédilection au début des années soixante-dix, si l’on peut en croire les Mémoires de Ida Overbeck, femme du théologien protestant Franz Overbeck, alors ami intime de Nietzsche. Évoquant leurs relations à Bâle, elle parle d’une des «soirées françaises» au cours de laquelle son mari, «traduisant à l’improviste», fit la lecture de quelques articles de Sainte-Beuve. Elle ajoute: Nietzsche vint alors à parler de ses Français. La Bruyère, par sa médiocre position sociale et par un certain abattement en résultant, ne lui était pas agréable. La Rochefoucauld qu’il aimait pour la rigueur de sa pensée, ses principes sévères; l’homme de la passion et de la noblesse, auquel rien dans le monde n’était inconnu. Vauvenargues lui était antipathique. Ce qu’il avait appris sur sa maladie précoce et sur sa mort prématurée, l’irritait, son aimable stoïcisme le rebutait. […] Il aimait le siècle de Louis XIV, et il détestait la Révolution. Il reprochait à Chamfort de s’être compromis en fréquentant des Révolutionnaires, et il ne voulait pas que son propre nom fût prononcé avec celui de Chamfort.32
Si nous avons cité ce passage si longuement, c’est qu’il permet de discerner la différence essentielle entre la position de Nietzsche et celle de Schopenhauer envers les moralistes français. Le tableau que nous donne Ida Overbeck montre que Nietzsche se considérait déjà comme un de «ces moralistes aristocrates», qui devaient plus tard le confirmer dans sa «morale des maîtres». Schopenhauer par contre, partant d’une conception de la morale toute différente, choisit d’autres aspects de l’œuvre des moralistes français, s’accordant mieux avec sa «morale de la pitié» et sa doctrine de la «négation de la volonté». 32 «[…] da kam Nietzsche auf seine Franzosen zu sprechen. La Bruyère, der ihm als Mann der untergeordneten gesellschaftlichen Stellung und einer daraus entspringenden Gedrücktheit nicht angenehm war. La Rochefoucauld, den er um seiner Geschlossenheit, seines strengen Prinzips willen liebte, der Mann der Leidenschaft und Vornehmheit, dem die Welt nichts schuldig blieb. Vauvenargues war ihm unsympathisch. Es griff ihn an, was er über dessen frühes Siechtum und frühen Tod hörte, sein liebenswürdiger Stoizismus stieß ihn ab. […] Er liebte das Zeitalter Ludwigs XIV. und haßte die Revolution. Er nahm es Chamfort übel, sich in den Umgang mit Revolutionsmännern gebracht zu haben, und wollte nicht, daß sein eigener Name mit dem Chamforts zusammen je genannt werde.» «Erinnerungen von Frau Ida Overbeck», in: Carl Albrecht Bernoulli, Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche, t. 1, Jena 1908, p. 237.
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Les premiers documents sur la réception de La Rochefoucauld dans l’œuvre de Nietzsche datent des années 1876/1877. Nietzsche passait l’hiver à Sorrente, avec Wagner, Malwida v. Meysenbug et Paul Rée. Au cours du voyage nocturne de Genève vers l’Italie, Nietzsche avait déjà lu les Maximes de La Rochefoucauld, comme nous l’apprend le récit très évocateur de sa compagne de voyage, Isabelle v. Ungern-Sternberg 33. À Sorrente, Nietzsche s’est lié d’amitié avec le Dr Paul Rée qui avait publié, un an auparavant, ses Observations psychologiques. Il s’agit d’un recueil de réflexions qui, quant au contenu et quant à la forme, se reportent au modèle des Maximes. Ceci est particulièrement sensible dans le chapitre «Des actions humaines et de leurs motifs»34. Paul Rée, qui préparait à Sorrente son second ouvrage De l’origine des sentiments moraux, a certainement encouragé Nietzsche à s’inspirer de l’œuvre de La Rochefoucauld. Au chapitre II de Humain, trop humain, qui fut écrit à Sorrente, Nietzsche met Paul Rée au même rang que les moralistes français. Nous trouvons au § 36: La Rochefoucauld et les autres maîtres français de l’étude psychologique (auxquels s’est joint aussi ces temps derniers un Allemand, l’auteur des Observations psychologiques) ressemblent à des tireurs qui visent juste et mettent régulièrement dans le noir – mais dans le noir de la nature humaine.35
Ces phrases formulées avec tant de force sont extraites d’une réflexion intitulée «Objection», dans laquelle Nietzsche «décompte» avec les «avantages de l’observation psychologique», mettant en question l’effet moral de la destruction de la foi en la bonté humaine, en remarquant: […] la croyance au bien, aux hommes et aux actes vertueux, à une bienveillance impersonnelle abondamment diffuse dans le monde, a peut-être rendu les hommes meilleurs en ce qu’elle les a rendus moins méfiants.36
33 Cf. Isabelle Freifrau v. Ungern-Sternberg, Nietzsche im Spiegelbilde seiner Schrift, Leipzig [1902], p. 27. 34 Cf. Anonym [Paul Rée], Psychologische Beobachtungen, Berlin 1875, pp. 19–66. 35 «La Rochefoucauld und jene anderen französischen Meister der Seelenprüfung (denen sich neuerdings auch ein Deutscher, der Verfasser der Psychologischen Beobachtungen zugesellt hat) gleichen scharf zielenden Schützen, welche immer und immer wieder ins Schwarze treffen, – aber in’s Schwarze der menschlichen Natur.» Menschliches, Allzumenschliches (voir note 29), I, 2, § 36, p. 57. 36 «[…] vielleicht hat der Glaube an das Gute, an tugendhafte Menschen und Handlungen, an eine Fülle des unpersönlichen Wohlwollens in der Welt die Menschen besser gemacht, insofern er dieselben weniger misstrauisch machte.» (ibid., pp. 56 sq.)
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Cette «Objection» est formulée plus rigoureusement encore dans les «Fragments posthumes» de Humain, trop humain: La croyance au bien a rendu les hommes meilleurs: tout comme une conviction contraire les rend plus infirmes, plus défiants, etc. Cela, c’est l’effet produit par La Rochefoucauld et par l’auteur des Observations psychologiques: ces tireurs d’élite mettent toujours dans le mille, mais on souhaiterait, dans l’intérêt de la bonne marche de l’humanité, qu’ils n’eussent pas cet esprit de dépréciation et de dénigrement.37
Nietzsche n’a pas intégré cette critique de La Rochefoucauld et de Paul Rée à son œuvre, mais il a opposé à cette «Objection» un «Nonobstant» qui constitue le § 37. Dans Humain, trop humain, il opte pour «la connaissance de la vérité», même si elle n’est pas toujours utile à «la bonne marche de la société humaine». Car ce n’est que par cette voie, sur laquelle La Rochefoucauld et les autres «maîtres de l’observation psychologique» l’ont précédé, qu’un progrès dans «l’histoire des sentiments moraux» peut être réalisé. De plus, dans Humain, trop humain Nietzsche visait à mettre en question la valeur de la morale même, plus spécialement la valeur des instincts altruistes, de la pitié et de l’abnégation, qui occupent une place centrale dans la morale de Schopenhauer. Dans la préface de La Généalogie de la morale, Nietzsche écrit rétrospectivement: Il s’agissait pour moi de la valeur de la morale – et là-dessus je ne devais m’expliquer qu’avec mon grand maître Schopenhauer […]38.
Sur un point, Nietzsche pouvait ici s’en référer à La Rochefoucauld: la critique de la pitié, de laquelle l’auteur des Maximes disait déjà dans le Portrait fait par lui-même, de 1659: C’est une passion qui n’est bonne à rien au-dedans d’une âme bien faite, qui ne sert qu’à affaiblir le cœur et qu’on doit laisser au peuple […] 39.
37 «Fragments posthumes 1876–1877»: «Der Glaube an das Gute hat die Menschen besser gemacht: wie eine Überzeugung vom Gegentheil die Menschen schwächer mißtrauischer usw. macht. Dies ist die Wirkung von La Rochefoucauld und vom Verfasser der psychologischen Beobachtungen: diese scharfzielenden Schützen treffen immer ins Schwarze, aber im Interesse der menschlichen Wohlfahrt möchte man wünschen, daß sie nicht diesen Sinn der Verkleinerung und Verdächtigung hätten.» «Nachgelassene Fragmente 1876–1877» 23 [41], in: Werke (voir note 29), t. IV/2 (1967), pp. 381–582, cit. p. 514. 38 «Es handelte sich für mich um den Werth der Moral, – und darüber hatte ich mich fast allein mit meinem grossen Lehrer Schopenhauer auseinanderzusetzen […]», Zur Genealogie der Moral, in: Werke, t. VI/2, pp. 257–430, cit. pp. 263 sq. 39 La Rochefoucauld, Maximes (voir note 15), p. 257.
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Ce jugement n’a pas échappé à Nietzsche qui écrit au § 50 de Humain, trop humain: Dans le passage le plus remarquable de son portrait par lui-même […], La Rochefoucauld touche certainement juste quand il met toutes les personnes douées de raison en garde contre la pitié, qu’il conseille de la laisser aux gens du peuple […]. Il faut sans doute, dit-il, témoigner de la pitié, mais bien se garder d’en avoir: car les malheureux sont enfin si bêtes qu’il n’est pour eux plus grand bien au monde que ces témoignages de pitié.40
On pourrait facilement citer d’autres textes dans lesquels Nietzsche se réfère expressément à La Rochefoucauld, ou bien dans lesquels il se rallie, par les idées ou par la forme, aux Réflexions ou Sentences et Maximes morales. Nous pouvons en faire abstraction ici, les recherches sur Nietzsche les ayant déjà mis en évidence. Nous renvoyons aux études de William D. Williams, Nietzsche and the French 41 et de Brendan P. Donnellan, Nietzsche and the French Moralists 42. Après avoir montré l’ampleur de l’influence de La Rochefoucauld sur l’œuvre de Nietzsche, il importe ici, pour terminer, de dégager également les limites de cette influence, et de montrer pourquoi l’auteur des Maximes ne peut en aucune façon être considéré comme le précurseur d’une morale «par delà le bien et le mal». Cette constatation est basée tout d’abord sur un texte de Nietzsche lui-même qui écrit, dans les œuvres posthumes: La Rochefoucauld s’est arrêté à mi-chemin: il a nié les «bonnes» qualités des hommes – il aurait dû nier aussi les «mauvaises».43
Dès la deuxième période de son activité – de Humain, trop humain jusqu’au Gai Savoir –, Nietzsche va beaucoup plus loin que La Rochefou40 «La Rochefoucauld trifft in der bemerkenswerthesten Stelle seines Selbst-Portraits […] gewiss das Rechte, wenn er alle Die, welche Vernunft haben, vor dem Mitleiden warnt, wenn er räth, dasselbe den Leuten aus dem Volke zu überlassen […]. Freilich solle man Mitleiden bezeugen, aber sich hüten, es zu haben: denn die Unglücklichen seien nun einmal so dumm, dass bei ihnen das Bezeugen von Mitleid das grösste Gut von der Welt ausmache.» Menschliches, Allzumenschliches (voir note 29), I, 2 § 50, p. 68. 41 A Study of the Influence of Nietzsche’s French Reading on his Thought and Writing, Oxford 1952. 42 Thèse, State University of New York at Buffalo, 1976. 43 «Fragments posthumes 1882», 3 [1] 120, cf. «La Rochefoucauld blieb auf halbem Wege stehen: er leugnete die ‹guten› Eigenschaften des Menschen – er hätte auch die ‹bösen› leugnen sollen.» «Nachgelassene Fragmente 1882» in: Werke (voir note 29), t. VII/ 1, Berlin/New York 1977, p. 67.
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cauld dans sa critique, mettant en question non seulement la conduite vertueuse et les jugements moraux des hommes, mais aussi la valeur de la morale elle-même. Dans les œuvres de la troisième période – de Ainsi parlait Zarathoustra jusqu’aux fragments publiés après sa mort sous le titre La Volonté de puissance 44 –, nous trouvons certains passages dans lesquels Nietzsche semble se rattacher à La Rochefoucauld, mais le chemin qui mène au «renversement de toutes les valeurs» n’est en aucune façon tracé dans les Maximes. La Rochefoucauld défend une conception aristocratique de la morale, dans laquelle la «faiblesse» est condamnée aussi bien que la «sottise». Cependant, il nous semblerait faux de parler d’une «nouvelle anthropologie» à propos des Maximes, et d’affirmer avec Will G. Moore que les jugements de La Rochefoucauld «l’amènent à discerner une nouvelle échelle de valeurs, une sorte de Umwertung aller Werte»45. La thèse de Jean Starobinski, selon laquelle «le pessimisme moral» de La Rochefoucauld se transformerait en «activisme amoral» par lequel serait établie «une nouvelle échelle des valeurs» 46, est difficilement défendable, elle aussi, comme l’a déjà montré Jean Lafond 47. Ce dernier fait remarquer que Nietzsche lui-même, dans La Volonté de puissance, parle de «la tristesse chrétienne chez La Rochefoucauld» et le cite avec Pascal comme exemple de «perspicacité mélancolique de ceux qui se rabaissent euxmêmes en Europe» 48. Ce qui distingue essentiellement la morale de La Rochefoucauld d’une «éthique de la force», au sens de Nietzsche, apparaît nettement dans le fragment sur «La chevalerie, position conquise par la puissance», de 1884, où nous lisons: La Rochefoucauld discerne quels sont les véritables ressorts de la noblesse du caractère, et il porte sur eux un jugement tout assombri par son christianisme.49
44 En ce qui concerne le caractère contestable de l’édition de cet ouvrage, qui n’est qu’une compilation due à Peter Gast et Elisabeth Förster-Nietzsche, voir l’avertissement des éditeurs Colli et Montinari en tête du volume: «Fragments posthumes 1885–1887», (Werke, t. VIII/ 1, Berlin/ New York 1974, pp. V–XII). Dans cette édition critique, tous les fragments posthumes sont classés par ordre chronologique. 45 Moore, «La Rochefoucauld: une nouvelle anthropologie», in: Revue des Sciences humaines 72/1953, pp. 301–310, cf. p. 304. 46 «La Rochefoucauld et les morales substitutives», in: La Nouvelle Revue française 14/ 1966, pp. 16–34, cit. pp. 26 sq. 47 La Rochefoucauld. Augustinisme et littérature, Paris 1977, p. 200. 48 «Fragments posthumes 1885–1887» (voir note 44), cf. «Fragments posthumes 1886– 1887», 7 [65] 4 et 7 [6] (in: Werke, t. VIII/ 1 [voir note 44], pp. 327 et 288). 49 «Fragments posthumes 1884», 25 [178], cf. «Die Ritterlichkeit als die errungene Posi-
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Cette constatation, qui pourrait être complétée par d’autres prises de position similaires 50, permet de vérifier, une fois de plus, la perspicacité critique de Nietzsche chez lequel la réception de La Rochefoucauld en Allemagne atteint son apogée, tout en délimitant très nettement ce qui le séparait de l’auteur des Maximes.
tion der Macht […]»: «Bei La Rochefoucauld ist Bewußtsein über die eigentlichen Triebfedern der noblesse des Gemüths da – und christlich verdüsterte Beurtheilung dieser Triebfedern.» «Nachgelassene Fragmente 1884», in: Werke, t. VII/ 2, Berlin/New York, 1974, p. 57. 50 Voir p. ex. «Fragments posthumes 1880», 6 [382], cf. Werke, t. V/ 1, Berlin/New York, 1971, pp. 625 sq. – 1881. 11 [4]. Cf. Werke, t. V/ 2, Berlin/New York 1973, pp. 339 sq. – 1883. 7 [40]. Cf. Werke, t. VII/ 1, Berlin/New York 1977, p. 263.
Chamfort en Allemagne La réception des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes dans la presse périodique allemande des années 1795–1796 Parmi les moralistes français du XVIIe et du XVIIIe siècles, Chamfort est sans aucun doute celui dont la pensée connaît l’actualité la plus grande. Dans la biographie qui vient de paraître aux Éditions Robert Laffont, Claude Arnaud cite Jean Cocteau qui, au sujet des Pensées de Chamfort, disait: «Tout a l’air écrit la veille.» 1 Et le compte rendu de cette biographie, dans Le Monde du 6 février, est intitulé: Chamfort 1988. Claude Arnaud fait revivre ce moraliste du XVIIIe siècle qui semble avoir écrit la semaine dernière 2. Cette actualité du moraliste et philosophe se fonde sur son œuvre posthume: Produits de la civilisation perfectionnée. Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, publiée pour la première fois en 1795, par son ami Pierre-Louis Ginguené 3. La plus grande partie de cette œuvre inachevée fut écrite entre 1780 et 1788, de sorte qu’on pourrait dire qu’après deux siècles les Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes n’ont rien perdu de leur intérêt ni de leur efficacité. Leur actualité se manifeste en France, mais aussi en Allemagne où, dès la première édition, l’œuvre de Chamfort avait connu un écho étonnant, au début plus fort et plus positif même qu’en France. Dans les Années d’apprentissage philosophiques (Fragments philosophiques, seconde époque, 1798–1801), Friedrich Schlegel attire l’attention sur le fait que Chamfort compte parmi les auteurs qui n’ont trouvé leur public qu’en Allemagne et qui ont influencé l’évolution de la littérature et la formation
1 Claude Arnaud, Chamfort. Biographie, suivie de soixante-dix maximes, anecdotes, mots et dialogues inédits, ou jamais réédités, Paris 1988, p. 14. 2 Cf. Le Monde, 6 février 1988, p. 11 et p. 16 (compte rendu par François Bott). 3 Œuvres de Chamfort recueillies et publiées par un de ses amis. À Paris chez le Directeur de l’Imprimerie des Sciences et des Arts, rue Thérèse. L’an 3 de la République, t. IV, VIII et 344 pp.
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de l’école romantique en Allemagne plus fortement que dans leur patrie 4. Quatre-vingts ans plus tard, Nietzsche, dans Le Gai Savoir (§ 95), s’étonne également que «ce plus spirituel de tous les moralistes soit demeuré étranger aux Français» 5. Et, pour mentionner un Français, spécialiste dans ce domaine de la littérature comparée, citons encore Victor Bouillier, qui, en 1923, publie un article documentaire, «La fortune de Chamfort en Allemagne», dans lequel, tout en considérant l’assertion de Nietzsche comme «une de ses exagérations habituelles», il admet pourtant «que Chamfort est au nombre des rares écrivains français […] qui ont obtenu en Allemagne une fortune supérieure à celle dont ils jouissaient chez nous», c’est-à-dire en France 6. Selon Bouillier, «ce n’est point par une grande diffusion de son œuvre que cette faveur s’est manifestée, mais surtout par la séduction, et même par l’influence – restreinte ou légère, très visible pourtant – qu’il a exercée sur des personnalités aussi importantes que les Schlegel, Schopenhauer, Nietzsche » 7. L’étendue de cette influence a été discutée de façon détaillée dans plusieurs études comparatistes qui traitent de Friedrich Schlegel et Chamfort 8, Schopenhauer et Chamfort 9, et surtout Nietzsche et Chamfort 10. Le sujet du destin posthume des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes a été repris par Renate List-Marzolff dans sa thèse SébastienRoch Nicolas Chamfort. Ein Moralist im 18. Jahrhundert (Munich 1966), dont le dernier chapitre donne quelques informations sur l’influence de cet auteur11. Plus détaillée et plus précise est l’étude de John Renwick, Chamfort devant la postérité, 1794–1984, qui résume, dans une biblio-
4 Cf. Friedrich Schlegel, Philosophische Lehrjahre (1796–1806), éd. Ernst Behler (Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, t. XVIII), Paderborn 1962, p. 359 (Fragment 465). 5 «Seltsam, daß dieser witzigste aller Moralisten den Franzosen fremd geblieben ist […]» (Die fröhliche Wissenschaft II, 95, in: Friedrich Nietzsche, Werke, Kritische Gesamtausgabe, éd. Giorgio Colli et Mazzino Montinari, t. V, 2, Berlin/New York 1973, p. 126). 6 In: Revue de littérature comparée 3/1923, pp. 36–59, cit. p. 36. 7 Ibid. 8 Alice Rühle-Gerstel, «Friedrich Schlegel und Chamfort», in: Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte 24/1922, pp. 809–860. 9 Friedrich Wilhelm Anspach, Schopenhauer und Chamfort. Ein Beitrag zur Geschichte des Pessimismus, Thèse, Göttingen 1914. 10 Brendan P. Donnellan, «Nietzsche and Chamfort», in: Nietzsche and the French Moralists, Thèse, State University of New York at Buffalo, 1976, pp. 441–465 (notes pp. 688 sq.); Arnaud, Chamfort (voir note 1), chap. 25: «Nietzsche – Chamfort», pp. 305–311. 11 Cf. «Zur Nachwirkung Chamforts», pp. 195–201.
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graphie critique, 156 écrits sur Chamfort, sa carrière, ses œuvres, et son influence 12. Après tous ces travaux, nous sommes loin pourtant d’avoir une connaissance intégrale de la réception de Chamfort en Allemagne. Les raisons en sont multiples. Emmanuel Berl remarque que les Maximes et Pensées sont rarement citées, mais très souvent exploitées: «Auteur non révéré, Chamfort est un auteur pillé. Il faudrait faire de lui une édition critique à l’envers: au lieu de chercher les sources, on marquerait les plagiats. On serait vite découragé, ils sont innombrables.» 13 List-Marzolff approuve ce jugement en observant qu’il n’y a guère de mémoire sur le XVIIIe siècle qui ne mette à profit, sans toujours les citer, les maximes et les anecdotes de Chamfort, même si l’on ne compte pas les fréquentes imitations de son style, difficiles à prouver 14. Tous ces arguments sont probablement pertinents, mais ils ne tiennent pas compte de la difficulté fondamentale: jusqu’ici la fortune de Chamfort a été étudiée presque exclusivement en relation avec des personnalités aussi célèbres que les Frères Schlegel, Lichtenberg, Schopenhauer ou Nietzsche. C’est pourquoi nous tâcherons de montrer que, dans l’histoire de la réception d’une œuvre littéraire comme les Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes, un auteur de second rayon, un traducteur inconnu ou l’éditeur d’un journal aujourd’hui oublié peuvent jouer un rôle qu’on ne saurait négliger. Les véritables débuts de Chamfort en Allemagne vérifient cette affirmation. Victor Bouillier explique la renommée du moraliste à l’étranger par «l’heureuse rencontre d’un critique en renom ou d’un traducteur habile qui s’éprend de l’œuvre et la met en lumière» 15. Il voit, par conséquent, le véritable début de la fortune de Chamfort en Allemagne dans les «trois grands articles» que le «critique en renom» August Wilhelm Schlegel a consacré à cet auteur, dans la Jenaische Allgemeine Zeitung, les 27, 28 et 29 octobre 1796 16. Quant aux autres contributions à la diffusion de la renommée du moraliste français, l’article de Bouillier n’offre qu’une
12 Cette étude approfondie a été publiée dans les Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 247, Oxford 1986. 13 «Chamfort», in: Tableau de la littérature française de Corneille à Chénier (1939), Paris 1967, pp. 373–376, cf. p. 376. 14 Cf. List-Marzolff, «Zur Nachwirkung Chamforts» (voir note 11), p. 195. 15 Bouillier, «La fortune de Chamfort en Allemagne» (voir note 6), p. 36. 16 Ibid., p. 38. – Cf. Jenaische Allgemeine Zeitung, N os 338–340; August Wilhelm Schlegel, Kritische Schriften, éd. Emil Staiger, Zürich 1962, pp. 308–325.
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note très vague, ajoutée par l’éditeur de la Revue de littérature comparée, Fernand Baldensperger: La présence en Allemagne, dans les rangs de l’Emigration française, de plusieurs anciens amis et appréciateurs de Chamfort, tels que Sénac de Meilhan et surtout Tilly, peut avoir contribué à la diffusion de sa renommée. Le poète et traducteur alsacien Pfeffel donne, d’autre part, dans la Flora de Cotta, en 1795 (t. IV, p. 79 et 89), des Pensées détachées traduites de Chamfort. (F. B.) 17
En réalité, la question des débuts de Chamfort moraliste dans la presse allemande des années 1795–1796 est beaucoup plus complexe. Trois revues mensuelles, au moins, publient des articles qui portent à la connaissance du public Chamfort et ses Maximes et Pensées. La première est la revue mensuelle «des amateurs et des amies du beau sexe», Flora 18, éditée par Ludwig Ferdinand Huber 19. Dans la troisième année de cette revue, devenue presque introuvable 20, est inséré, au dixième cahier du tome IV, daté du mois d’octobre 1795, un choix de «pensées mêlées, recueillies des papiers de Chamfort»: Vermischte Gedanken aus den Papieren des Champfort gesammelt (pp. 79–85). Cette traduction anonyme est tirée du Mercure français, tome XVI, N° 60, paru le 18 juillet 1795. Dans la rubrique Variété sont publiées vingt-neuf pensées sous le titre: Maximes détachées extraites des manuscrits de Champfort, dont vingt-huit se retrouvent dans Flora. En vérité, il ne s’agit pas de maximes «extraites des manuscrits», mais d’une copie par le Mercure français des Maximes détachées de Chamfort, parues, une dizaine de jours plus tôt, dans La Décade philosophique, N° 44 21. La suite des «pensées mêlées», publiée sous le titre: Fortsetzung der vermischten Gedanken aus dem ungedruckten Nachlasse des Champfort gesammelt, a paru dans Flora, au mois de novembre 1795, et contient une vingtaine de maximes nouvelles (pp. 89–93). Cette seconde partie, signée «Ff.» 22, est également une traduction du Mercure français qui avait publié
17 Bouillier, «La fortune de Chamfort en Allemagne» (voir note 6), p. 37, note 2. 18 Flora. Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Monatsschrift von Freunden und Freundinnen des schönen Geschlechts. Dritter Jahrgang. Viertes Bändchen, Tübingen 1795. 19 À partir du mois de juillet 1796, Huber sera également l’éditeur de la revue mensuelle Klio, à laquelle il donnera le titre de Neue Klio. 20 Seule, en Allemagne, la Bibliothèque de l’Université de Mayence possède un exemplaire des années II à IV de cette revue (cote ZA 2384). 21 Le N° 44 (t. VI) est daté du 20 Messidor (3e année républicaine, 4e trimestre). 22 Il ne s’agit probablement pas d’un sigle choisi par «le poète et traducteur alsacien Pfeffel», comme l’indique Baldensperger, éditeur de la Revue de littérature comparée, dans
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(tome XVII, N° 67) la Suite des Maximes détachées de Chamfort, extraites de ses œuvres, actuellement sous presse 23. Les éditeurs du Mercure français ne prétendent plus avoir extrait les maximes détachées des manuscrits de Chamfort, mais ils indiquent leur source: Ces maximes, ainsi que celles qui ont été rapportées dans un de nos précédents numéros, sont extraites de la Décade philosophique.24
La pré-publication d’une partie des Maximes et Pensées dans le Mercure français et dans la Décade philosophique s’explique facilement. Pendant la Révolution, Chamfort et Ginguené comptaient parmi les rédacteurs de la partie littéraire du Mercure de France, et lorsque la Décade philosophique fut fondée en 1794, Ginguené était l’associé du fondateur Jean-Baptiste Say. La réception immédiate dans la revue Flora, par contre, reste un fait rare dans l’histoire de la réception des moralistes français en Allemagne. Elle s’explique peut-être par les activités de l’éditeur Ludwig Ferdinand Huber. Il faut ajouter, cependant, que la véritable source de la traduction n’est pas citée dans Flora, et que le traducteur garde également le silence sur l’origine du texte préliminaire qui, lui aussi, est en grande partie traduit du Mercure français. Dans la Décade philosophique, l’avantpropos des maximes et des pensées détachées se borne à l’annonce de l’édition des œuvres de Chamfort, recueillies par Ginguené 25; le Mercure français remplace cet avertissement par le texte suivant: Champfort a peu écrit; mais ce peu est marqué au coin de l’esprit, de la grâce, de la finesse et du goût. On sait qu’il avait l’habitude de jetter sur de petites feuilles volantes le premier trait de sa pensée, avant de la remanier. Les amateurs recherchent ces premiers jets comme ils recherchent les croquis d’un la note ajoutée à l’article de Bouillier. Pfeffel, qui était un collaborateur régulier de la revue Flora, appose en général sa signature en toutes lettres. C’est ainsi qu’il a signé une petite poésie qui suit directement l’article sur Chamfort, ce qui explique peut-être l’attribution douteuse. 23 Le N° 67 du Mercure français parut le 22 août 1795. 24 Ibid. Mélanges, p. 192. Dans la Décade philosophique, N° 47 (20 Thermidor), qui avait publié la suite des Maximes détachées de Chamfort, extraites de ses œuvres, actuellement sous presse, l’éditeur s’était plaint des contrefaçons: «Plusieurs journaux ont copié nos Maximes de Chamfort, sans dire qu’ils les devaient à nous: nous aurions été plus honnêtes à leur égard.» (p. 290). 25 Cf. Décade philosophique, t. V, N° 42, p. 541: «Les Œuvres de Chamfort, recueillies par un de ses amis, sont près de paraître en 4 volumes. Parmi les choses nouvelles que contiendra cette édition, rien ne fera plus d’honneur à sa mémoire qu’une partie du quatrième volume, composée de Maximes et de Pensées détachées, qu’il destinait à un grand ouvrage.»
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grand maître. C’est à ce titre que nous insérons ces maximes dans un journal qui a compté longtemps Champfort au nombre de ses co-opérateurs.26
À l’exception de la dernière phrase, le texte préliminaire dans Flora suit fidèlement cet avant-propos: Champfort hat wenig geschrieben; allein dieses wenige trägt das Gepräge des Witzes, der Grazie, der Feinheit und des guten Geschmackes. Er war gewohnt, seine Einfälle auf das nächste beste Blatt zu schreiben, und sie dann erst mit Gelegenheit zu verarbeiten. Die Liebhaber suchten diese Bruchstücke, wie sie die Skizzen eines grossen Meisters aufsuchen. So sind die folgenden Maximen entstanden, darunter mehr als eine seinen Scharfsinn bezeichnet, und einen reichen Stoff zum Nachdenken enthält.27
L’ordre des «pensées mêlées», dans Flora, est conforme à celui des Maximes détachées dans la Décade philosophique et dans le Mercure français; il correspond en général au groupement dans les éditions modernes qui se règlent sur l’édition publiée par Ginguené 28. Le choix des pensées dans les pré-publications témoigne d’une certaine prudence; les maximes qui contiennent la critique la plus rigoureuse et la plus cynique de la société et des grands, ou des femmes et de l’amour, ne se trouvent pas parmi les Maximes détachées ou dans les deux séries publiées dans Flora 29. Le traducteur allemand a supprimé quatre autres 26 Mercure français, t. XVI, N° 60, p. 350. 27 Flora, t. IV (voir note 18), p. 79. 28 La meilleure édition moderne est établie et annotée par Pierre Grosclaude dans la Collection Nationale des Classiques Français, Imprimerie Nationale, «Éditions Richelieu», 2 tomes, Paris 1953. Dans cette édition, les Maximes et Pensées ne sont pas numérotées, c’est pourquoi nous avons consulté également l’édition établie par Jean Dagen, Coll. Garnier-Flammarion, Paris 1968. 29 Pour donner au lecteur la possibilité de vérifier cette assertion, nous avons dressé une table de concordance. Le second chiffre (en italique) est celui de l’édition Dagen (voir note 28): Flora 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
50 51 52 53 56 62 64 67 80 86
Flora 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
88 90 93 109 116 122 128 135 141 142
Flora 21 22 23 24 25 26 27 28
146 149 155 157 158 163 170 172
Flora (2e partie) 28 177 29 180 30 195 31 208 32 244 33 257 34 261 35 265 36 280 37 285
Flora 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
302 312 336 356 363 372 376 378 379 408
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maximes du Mercure français pour adapter le choix au goût des lecteurs de sa revue 30. Une critique approfondie de la traduction dépasserait le cadre de cet essai; c’est pourquoi nous nous bornerons à quelques remarques générales. Dans la plupart des cas, le traducteur réussit à rendre la pensée de Chamfort d’une manière claire et précise. Mais il évite les constructions elliptiques 31, et son texte est parfois une interprétation plutôt qu’une traduction 32. Il arrive que le traducteur remplace une comparaison par une autre moins frappante 33, ou une maxime succincte par une métaphore commentée 34. Comme le choix des pensées, la traduction est adaptée au goût «des amateurs et des amies du beau sexe». La lecture des deux articles dans Flora n’explique donc ni l’actualité de Chamfort à l’époque de la Révolution ni son actualité d’aujourd’hui. La seconde revue par laquelle le public allemand découvre Chamfort et ses Maximes et Pensées est Klio, Eine Monatsschrift für französische Zeitgeschichte (Revue mensuelle d’histoire contemporaine de la France), dont les premiers volumes ont été publiés par Paul Usteri, en 1795 et 1796 35. Paul Usteri, un Zurichois, fervent défenseur de la liberté de la presse, avait fondé, à Leipzig, une maison d’édition, sous le nom de Peter Philipp Wolf. Cette maison éditait également d’autres revues, telles que les Beiträge zur Geschichte der französischen Revolution (Contributions à l’histoire de la Révolution française) 36. Les collaborateurs principaux de
30 Maximes supprimées: cf. éd. Dagen, Nos 167, 343, 495 et 519. 31 Flora, N° 18: «Celebrität ist der Vortheil, denen bekannt zu seyn, die uns nicht kennen.» (p. 83) Cf. éd. Dagen, N° 135: «Célébrité: l’avantage d’être connu de ceux qui ne vous connaissent pas.» – Flora, N° 25: «Liebe ist eine angenehme Thorheit; Ehrgeiz eine ernsthafte Narrheit.» (p. 84) Cf. éd. Dagen, N° 158: «Amour, folie aimable; ambition, sottise sérieuse.» 32 Flora, N° 44: «Es giebt Wiederholungen für das Ohr und den Verstand, aber keine für das Herz; jedes Gefühl hat seine Neuheit.» (p. 93) Cf. éd. Dagen, N° 376: «Il y a des redites pour l’oreille et pour l’esprit; il n’y en a point pour le cœur.» 33 Flora, N° 27: «Er gleicht einem Stutzer, der sein Kleid so fleißig ausbürstet, daß die nakten Faden endlich zerreißen.» (p. 84) Cf. éd. Dagen, N° 170: «C’est un homme qui, à force de faire carder son matelas, le voit diminuer, et finit par coucher sur la dure.» 34 Flora, N° 39: «Armuth ohne Tugend ist eine Krämerbude, darinn man das Laster in absteigendem Preise kaufen kann.» (p. 92) Cf. éd. Dagen, N° 312: «La pauvreté met le crime au rabais.» 35 La revue Klio et la Neue Klio ont été réimprimées par Kraus Reprint, Nendeln 1972. 36 Réimpression par Kraus Reprint, Nendeln 1972.
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Paul Usteri étaient ses amis républicains Albert Rengger, Hans Konrad Escher, Heinrich Zschokke, et surtout Konrad Engelbert Oelsner. Ce dernier, attiré par l’idéal de la Révolution, vivait depuis des années à Paris et avait publié, en 1794, sans nom d’auteur et sans lieu d’impression, ses Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen und unparteiischen Beobachters der französischen Revolution (Fragments des papiers d’un témoin oculaire et observateur impartial de la Révolution française) 37. On suppose que Oelsner, qui a écrit, pour Klio, deux articles sur Sieyès 38, est également l’auteur des deux articles sur Chamfort, publiés dans le quatrième volume, comprenant les cahiers 1–4 de l’année 1796 39. Ces deux articles, Chamfort und die Sammlung seiner Schriften betreffend, se réfèrent, aussi bien que le compte rendu par August Wilhelm Schlegel, à l’édition posthume des Œuvres de Chamfort, publiées par Ginguené, mais ils ont paru plusieurs mois avant les trois grands articles dans la Jenaische Allgemeine Zeitung 40. Victor Bouillier estime que ces derniers «méritent d’être consultés, aujourd’hui encore, autrement que par curiosité rétrospective» 41. Ce jugement est plus valable encore pour les articles dans Klio. Ralph-Rainer Wuthenow, un des meilleurs connaisseurs de Chamfort, les préfère aux articles plus célèbres de Schlegel; la peinture du caractère de Chamfort dans la Jenaische Allgemeine Zeitung lui paraît plutôt sèche en comparaison avec les remarques plus vivantes attribuées à Oelsner 42. Hans Magnus Enzensberger, l’éditeur de la dernière édition allemande des Maximes et Pensées, Caractères et anecdotes, reconnaît également l’actualité de ces articles dans Klio; c’est pourquoi il en a réimprimé une version abrégée dans le dossier qui sert de postface à son édition, parue en 1987 sous le titre: Ein Wald voller Diebe («un bois rempli de voleurs») 43.
37 Aux pages 260, 266 et 302, Oelsner fait mention de Chamfort, qu’il a connu personnellement. 38 Cf. Klio, vol. IV, 1796, cahier I, pp. 1–9; cahier II, pp. 127–166. 39 Ibid., cahier I, pp. 88–117; cahier III, pp. 255–269. Cf. également cahier IV, pp. 514–516 (Erinnerungen an Chamfort). 40 Les articles de Schlegel ont paru les 27, 28 et 29 octobre 1796 (cf. note 16). 41 Bouillier, «La fortune de Chamfort en Allemagne» (voir note 6), p. 38. 42 Cf. Ralph-Rainer Wuthenow, «Notiz über Nicolas Chamfort», in: Nicolas Chamfort, Früchte der vollendeten Zivilisation. Maximen, Gedanken, Charakterzüge. Französisch/ Deutsch, Stuttgart 1977, pp. 144–159. 43 Cf. Nicolas Chamfort, Ein Wald voller Diebe. Maximen, Charaktere, Anekdoten, trad. par Fritz Schalk, éd. Hans Magnus Enzensberger, Nördlingen 1987, pp. 393–397. Le titre fait allusion à une pensée du troisième chapitre, dans laquelle Chamfort compare la société à «un bois rempli de voleurs» (éd. Dagen, N° 198).
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Les deux articles dans Klio comportent un essai sur Chamfort et une traduction complète du chapitre III des Maximes et Pensées qui se distingue par une critique caustique De la Société, des Grands, des Riches, des Gens du Monde. L’essai, partagé en deux parties qui servent d’avant-propos à la traduction des «maximes et pensées», est écrit avec verve et une grande sympathie pour le moraliste engagé qui avait payé de sa vie son amour de la liberté et de l’indépendance. Pour bien comprendre l’intention de l’auteur des deux articles dans Klio, il faut se rappeler que cette revue avait été fondée pour tenir les lecteurs au courant de l’histoire contemporaine de la France, par la publication de matériaux relatifs à la politique et à l’administration, à la civilisation et aux mœurs, ainsi que par des articles sur l’histoire de la Révolution. L’essai sur Chamfort et l’extrait de ses Maximes et Pensées devaient donc servir à l’histoire de la Révolution et compter parmi les «Beyträge zur früheren Revolutionsgeschichte» 44. L’auteur fait l’éloge de Chamfort, «le moraliste de la Révolution» 45, qui était bien placé pour observer la société de l’Ancien Régime, et dont les Maximes et Pensées exerçaient une influence considérable sur l’opinion publique. À la fin de la première partie de cet essai, l’auteur remarque: Den Freunden der Revolution bleibt Chamfort interessant, durch seinen Patriotism sowohl als durch den Einfluß, den er auf dieselbe dadurch erhielt, daß er eine Menge nützlicher Wahrheiten in Maximen und in Ausdrücke kleidete, welche die Einbildungskraft plötzlich fesseln, von Mund zu Mund eilen, und durch eine Art von Zauber sich unvergeßlich machen. Wer da weiß, daß sich ein großer Theil der öffentlichen Vernunft nur auf diese Art bildet, der wird die Wichtigkeit Chamforts einsehn.46 Chamfort reste intéressant pour les amis de la Révolution, par son patriotisme aussi bien que par l’influence qu’il gagna sur elle en présentant un grand nombre de vérités utiles sous forme de maximes et de sentences qui captivent l’imagination, courent de bouche en bouche, et, par la séduction qu’elles exercent, deviennent inoubliables. Celui qui sait qu’une grande partie de l’enten-
44 Les «Beyträge zur früheren Revolutionsgeschichte» comptent parmi les matières de la revue, citées au début de chaque cahier de Klio. 45 Nous empruntons cette qualification à Ralph-Rainer Wuthenow qui a intitulé «Der Moralist der Französischen Revolution: Nicolas Chamfort» un chapitre de son livre: Das Bild und der Spiegel. Europäische Literatur im 18. Jahrhundert, München/Wien 1984, pp. 180–189. 46 Klio, vol. IV, 1796, p. 97.
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dement public ne se forme que de cette manière, celui-là comprendra l’importance de Chamfort.
L’article prouve que l’auteur lui-même compte parmi «les amis de la Révolution», qu’il partage les idées politiques de Chamfort et approuve sa conduite. Cette prise de position s’accorde avec l’hypothèse selon laquelle l’essai est écrit par Konrad Engelbert Oelsner, observateur spirituel et perspicace de la Révolution 47, qui partageait les principes républicains de Chamfort. Tous deux avaient été membres du Club des Jacobins, ils combattirent le fanatisme sous Marat et Robespierre, et connurent la prison pendant la Terreur. Nous n’avons pas pu prouver formellement que Oelsner est l’auteur des deux articles dans Klio 48, mais cette hypothèse paraît bien fondée, surtout lorsqu’on prend en considération que Oelsner, après sa fuite en 1794, retourna à Paris en 1795, pour reprendre ses activités comme écrivain et traducteur, et aussi pour faire connaître en Allemagne ses observations et ses recherches sur l’histoire de la Révolution 49. La sympathie de l’auteur pour Chamfort s’exprime surtout par les passages dans lesquels Oelsner cherche à esquisser le caractère de Chamfort et à définir ses dons et ses talents. Au début de l’essai, il range Chamfort parmi les rares esprits qui ne peuvent naître que de la civilisation la plus élevée. Il poursuit: Was Wissenschaft, heller Verstand, Witz, edler Stolz, Dreistigkeit, gefühlvolles Herz, mit jeder Leichtigkeit und Grazie vertraut, aus einem jungen Manne von der angenehmsten Bildung machen können, das fand sich in Chamfort.50 Ce qu’une connaissance approfondie, un entendement lumineux, un esprit brillant, un noble orgueil, une grande hardiesse, un cœur sensible, assorti de toute délicatesse et de toute grâce, peuvent faire d’un jeune homme des plus cultivés, se trouvait dans Chamfort.
La seconde partie de l’essai commence par l’éloge de Chamfort, génie de la conversation. D’après l’auteur, Chamfort parlait comme les meilleurs 47 D’après Paul Usteri, l’éditeur de Klio, Oelsner était «einer der geistvollsten und scharfsinnigsten Beobachter der Revolution» (cf. Edgar Richter, Konrad Engelbert Oelsner und die französische Revolution, Leipzig 1911, p. 37). 48 Dans l’étude de Richter (voir note 47) et les autres ouvrages de référence, les articles sur Chamfort ne sont pas cités. 49 Sur Oelsner à Paris, cf. Hermann Tiemann, «Hanseaten im revolutionären Paris (1789– 1803)», in: H. T., Essays, Vorträge und Aufsätze aus vier Jahrzehnten, Hamburg 1974, pp. 165–199, cf. pp. 180 sq. 50 Klio, vol. IV, p. 89.
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auteurs n’ont guère écrit 51. Les œuvres du moraliste, toutes vraies, justes et spirituelles qu’elles sont, ne peuvent être comparées à ses entretiens pétillants d’esprit. Dans la conversation, les observations sont plus piquantes, car l’esprit, véhicule de la vérité, s’exprime dans la saillie en réservant la surprise, le naturel et la grâce. La définition suivante, qui caractérise l’auteur des Maximes et Pensées, nous paraît encore valable aujourd’hui: Chamforts Talent bestand in der äußersten Fertigkeit, wahre und tiefsinnige Verhältnisse aus dem schärfsten und anziehendsten Profile zu zeichnen; es bestand in dem höchsten Grade improvisorischer Denkkraft und Darstellungskunst, welche letztre vorzüglich darauf beruht, nur den reichhaltigsten Moment jedes Gedankens zu wählen, um dem Parterr die Langeweile einer schleppenden Kette von Begriffen zu ersparen.52 Le talent de Chamfort consistait en la plus grande aptitude à dessiner des rapports vrais et subtils, sous l’angle le plus marquant et le plus attrayant; il consistait en la plus haute faculté d’improvisation, et en l’art le plus délicat de la représentation, qui se fonde avant tout sur le choix du plus riche moment de chaque pensée, pour épargner au parterre l’ennui d’une languissante chaîne d’idées.
Dans sa critique d’August Wilhelm Schlegel, Victor Bouillier remarque: «[…] ne voyant la personne de Chamfort qu’à travers les lunettes bienveillantes et discrètes de Ginguené, il ne discerne pas suffisamment que son caractère envieux, ses ambitions inassouvies, sa santé minée par une triste maladie doivent entrer en compte dans une juste analyse de ses réflexions amères et chagrines.» 53 L’auteur des articles dans Klio se borne également à l’éloge de Chamfort. Lui aussi voit la personnalité du moraliste «à travers les lunettes bienveillantes et discrètes» de l’ami 54, mais il ne parle pas de la Vie de Chamfort par Ginguené, publiée dans l’édition posthume de ses Œuvres, en 1795. C’est par le troisième périodique, intitulé Frankreich im Jahre 1795, que le public allemand a connu cette biographie. Le journal, édité à Altona par Peter Poel et Johann F. Reichardt, a pour sous-titre: Aus den
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«Er redete, wie die besten Verfasser kaum geschrieben haben» (ibid., p. 258). Ibid. S. 256. „La fortune de Chamfort en Allemagne“ (voir note 6), p. 38. Vers la fin de l’essai, l’auteur souligne qu’il ne faut pas croire que l’enthousiasme de l’amitié idéalise ici l’objet de la mémoire (cf. Klio, p. 258).
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Briefen Deutscher Männer in Paris 55. Dans le second volume, Frankreich im Jahre 1796, les éditeurs publient trois articles biographiques, traduits de la Vie de Chamfort par Ginguené: «Nachrichten von dem Leben Champforts von Ginguené, (mit Zusätzen von Selis)» 56. Il s’agit d’une traduction très libre qu’on pourrait passer sous silence, si elle n’était pas un nouveau témoignage de l’écho immédiat provoqué dans la presse allemande des années 1795–1796 par l’édition des Œuvres de Chamfort. Dans le troisième volume de la revue Frankreich, publié également en 1796, nous trouvons encore la recension de cette édition: «Ueber Champforts Werke» 57. Citons, pour conclure, un passage de l’introduction, dans laquelle l’auteur, après avoir parlé du plaisir qu’offrent ces œuvres en tant qu’héritage littéraire d’un des plus amènes parmi les écrivains français contemporains, cherche à expliquer l’intérêt particulier des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes. Les observations de Chamfort sur les mœurs dans la capitale française captivent l’intérêt du lecteur par leur originalité: Durch die Art, wie Champfort diese Sitten beurtheilt, wie weit er sie tadelt und wie weit er selbst davon angesteckt ist, macht er zugleich das getreueste Gemählde von sich selbst; so wie sein eigener Charakter durch die Reflexe von den ihn umgebenden Dingen sein eigenthümliches Helldunkel erhält.58 Par le jugement qu’il porte sur les mœurs de son temps – les blâmant et en subissant lui-même la contagion –, Chamfort nous présente le portrait le plus fidèle de lui-même. Le clair-obscur qui caractérise sa propre personnalité est comme le reflet des choses qui l’entourent.
Malgré cette remarque, dont la vérité est confirmée par une étude moderne sur l’autoportrait dans la littérature du XVIIIe siècle59, cet article occupe peu de place dans l’histoire de la réception de Chamfort en Allemagne. Dans l’article «de Chamfort ou Champfort», l’ouvrage de réfé-
55 Une réimpression de ce journal a paru également dans les Kraus Reprint, Nendeln 1972. 56 Cf. Frankreich im Jahre 1796, Nos 5–7, vol. II, pp. 3–8, pp. 99–107 et pp. 245–258. Le traducteur a tiré les textes de Nicolas Joseph Sélis de la Décade philosophique, 4e année républicaine (Cf. les articles sur l’édition des Œuvres de Chamfort, ibid., Nos 60, 61, 64, 69, 84). 57 Frankreich im Jahre 1796, N° 10, pp. 155–163. 58 Ibid., p. 155. 59 Cf. Ralph-Rainer Wuthenow, Das erinnerte Ich. Europäische Autobiographie und Selbstdarstellung im 18. Jahrhundert, München 1974, pp. 186–193.
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rence: La France littéraire, contenant les auteurs français de 1771 à 1796, par Johann-Samuel Ersch 60, publié à Hambourg en 1797, cite les «Notices de sa vie par Ginguené et Selis trad. dans le Journal: Frankreich 1796. 5–7», mais ne mentionne pas la recension «Ueber Champforts Werke»*.
60 Cf. Das gelehrte Frankreich oder Lexikon der französischen Schriftsteller von 1771– 1796, t. 1, pp. 268 sq. * Mes remerciements vont à M. Rudolf Harneit et à M. Joachim Lüthje qui ont eu l’obligeance de copier, à Paris, à Wolfenbüttel et à Mayence, les textes inaccessibles à Hambourg. La traduction des citations a été faite par Mme E. Comhaire à laquelle je suis reconnaissante de sa précieuse collaboration.
Nachweis der Erstveröffentlichungen „Die französischen Moralisten des 17. Jahrhunderts“, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, hg. von Klaus v. See, Bd. 10, hg. von August Buck, Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Frankfurt am Main 1972, S. 280–300. „Sagesse et folie dans l’œuvre des moralistes“, in: Cahiers de l’Association Internationale des Études Françaises 30/1978, S. 121–137. „Justification et critique du concept de la dissimulation dans l’œuvre des moralistes du XVII e siècle“, in: Manfred Tietz/ Volker Kapp (Hg.), La Pensée religieuse dans la littérature et la civilisation du XVII e siècle en France (Biblio 17), Tübingen 1984, S. 147–168. „Éthique et critique de la gloire dans la littérature française du XVII e siècle“, in: Spicilegio moderno, Letteratura – Lingue – Idee 14/1980, S. 31–49. Texte d’une conférence tenue à l’Institut des Langues et Littératures étrangères de l’Université de Bologne, le 14 mai 1981. „,La gloire du monde‘ und ‚la gloire de Dieu‘ im Werk von Mademoiselle de Scudéry“, in: Romanistisches Jahrbuch 34/1983, S. 101–117. Erich Köhler in dankbarem Gedenken. „Zur Bedeutung des Begriffes ‚gloire‘ in Pascals Pensées“, in: Sinn und Sinnverständnis. Festschrift für Ludwig Schrader zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Hölz, Siegfried Jüttner, Rainer Stillers und Christoph Strosetzki, Erich Schmidt Verlag, Berlin 1997, S. 157–171. „Die Bedeutung der ‚Figures‘ und des figurativen Denkens in Pascals Pensées“, in: Romanistisches Jahrbuch 20/1969, S. 60–74. Hermann Tiemann zum 70. Geburtstag. „Die Verbindung verschiedener Denkformen in Pascals Pensées“, in: Karl-Hermann Körner/Hans Mattauch (Hg.), Die religiöse Literatur des 17. Jahrhunderts in der Romania (Wolfenbütteler Forschungen 13), Kraus International Publications, München 1981, S. 99–114.
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Nachweis der Erstveröffentlichungen
„Zum Begriff der ‚vérité‘ und der ‚vérité opposée‘ in Pascals Pensées“, in: Poetologische Umbrüche. Romanistische Studien zu Ehren von Ulrich Schulz-Buschhaus, hg. von Werner Helmich, Helmut Meter und Astrid Poier-Bernhard, Wilhelm Fink Verlag, München 2002, S. 55–73. „Freiheit als moralisches und moralistisches Postulat in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts“, in: Wido Hempel (Hg.), Die Idee der Freiheit in der Literatur der romanischen Völker (Tübinger Universitätsschriften), Attempto Verlag, Tübingen 1980, S. 49–64. „Réflexion spirituelle et philosophie morale dans les Produits de la civilisation perfectionnée de Chamfort“, in: La Morale des Moralistes. Textes recueillis par Jean Dagen, Honoré Champion Éditeur, Paris 1999, S. 197–206. En hommage à Corrado Rosso, 22 août 1995. „Lob und Tadel des Alters. ‚La vejez‘ in moralphilosophischen Dialogen des Siglo de Oro und ‚la vieillesse‘ in moralistischen Reflexionen des Siècle de Louis XIV“, in: Spanische Literatur – Literatur Europas. Wido Hempel zum 65. Geburtstag, hg. von Frank Baasner, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1996, S. 151–176. „Un Précurseur de La Bruyère: Joseph Hall et ses Characters of Virtues and Vices en France“, in: Cahiers de l’Association Internationale des Études Françaises 44/1992, S. 245–260. „La Rochefoucauld en Allemagne. Sa réception par Schopenhauer et Nietzsche“, in: Images de La Rochefoucauld. Actes du Tricentenaire 1680–1980, Presses Universitaires de France, Paris 1984, S. 109–122. „Chamfort en Allemagne. La réception des Maximes et Pensées, Caractères et Anecdotes dans la presse périodique allemande des années 1795–1796“, in: Mélanges de littérature comparée et de littérature française offerts à Simon Jeune, Société des Bibliophiles de Guyenne, Bordeaux 1990, S. 35–47.
Autorenregister Abellán, José Luis 206, 210, 211 f. Accetto, Torquato 43, 44, 60 Adam, Antoine 72, 184, 187, 190, 192, 194 Ailly, Nicolas abbé d’ 16, 246 Ansmann, Liane 16, 17 Anspach, Friedrich Wilhelm 264 Apuleius 90 Ariosto, Ludovico 67 Aristoteles 16, 33, 35, 39, 148, 212, 228, 238 Armogathe, Jean-Robert 171 Arnaud, Claude 196, 200, 263, 264 Arnauld, Antoine 6 Aronson, Nicole 87, 89 Ascoli, Georges 234, 235, 243, 244 Auer, Alfons 206 f. Auerbach, Erich 21, 27, 40, 116, 124, 126, 129, 130, 149, 151, 170, 223 Augustinus, Aurelius 56, 66, 77, 116, 130, 131, 132, 149, 150, 161, 164, 170, 173, 175 Bacon, Francis 16 Baillot, Alexandre 255 Baldensperger, Fernand 266 f. Balzac, Jean-Louis Guez de 71 f., 73–75, 83, 84, 86, 88, 89, 98 Barnwell, Henry T. 94, 107 Battaglia, Salvatore 46 Baudelaire, Charles 231 Bauer, Gérard 1 Bayle, Pierre 193, 194 Behler, Ernst 264 Bembo, Pietro 219, 220 Bénichou, Paul 18, 51, 61, 81, 102, 106, 107, 190, 191, 192, 193 Berl, Emmanuel 265
Bernhard von Clairvaux 206, 207 Bernoulli, Carl Albrecht 257 Bibas, H. 74 Bigeard, Martine 34 Boase, Alan M. 179 Bobadilla, Francisco de 217, 220, 221, 223 Bohse, August 246 Boscán, Juan 217 Bossuet, Jacques-Bénigne 41, 59, 247 Bott, François 263 Boudhors, Charles-H. 22, 51 Bouillier, Victor 264, 265, 266, 267, 270, 273 Bourdaloue, Louis 22 Boyce, Benjamin 241, 242 Brant, Sebastian 33 Brauch, Erich 236 Bridoux, André 191 Brotier, abbé 249, 250 Brunschvicg, Léon 105, 106, 130, 136, 145 Buck, August 3, 45, 206 Bultot, Robert 210 Burdeau, Auguste 251 Busson, Henri 10 Butler, Kathleen T. 74 Caillois, Roger 177 Cantacuzène, J.-A. 253 Capelle, Jean 228 Casaubonus, Isaac 17, 237–239, 241, 244 Cassirer, Ernst 186 Castiglione, Baldassare VI, IX, 21, 33, 48, 67, 68, 84, 85, 217–220 Cervantes, Miguel de 33 Cervantes de Salazar, Francisco 206, 207, 208 f., 210–216, 221, 223, 224, 225 Chamfort, Nicolas IX, 3, 28, 34, 38 f., 195–204, 257, 263–275
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Autorenregister
Champailler, Yvonne 41 Chapelain, Jean 83, 84, 86 Chappuys, Claude 48 f. Charron, Pierre 1, 5, 19, 34, 35, 48, 49, 50, 75, 83, 179–186, 187, 193, 194 Chevreau, Urbain 17, 234, 235, 240, 241 Chupeau, Jacques 103 Cian, Vittorio 33, 68, 85, 218 Cicero, M. Tullius 62, 63, 64, 68, 75, 81, 90, 103, 113, 205, 206, 209, 211–216, 221-225, 227, 241 Clausen, Wendell 237 Clements, Robert J. 66 Cocteau, Jean 263 Coëffeteau, Nicolas 83, 235 Cognet, Louis 155 Colie, Rosalie L. 34 Colli, Giorgio 256, 261, 264 Colunga, Alberto, O. P. 104 Conejo, Didier 195, 196 Corneille, Pierre 19, 59, 61, 73, 75–77, 81, 82, 83, 84, 93, 94, 99, 102, 190, 191, 192 Corneille, Thomas 94 Corthell, Ronald J. 243 Courcelle, Pierre 166, 188 Croce, Benedetto 43, 60 Croquette, Bernard 112 Dagen, Jean 79, 198, 201, 268, 269, 270 Dante Alighieri 124, 199 Davidson, Hugh M. 167 Delft, Louis van 24, 226, 236, 241, 244, 245 Descartes, René 83, 84, 190, 191, 192 Deseille, Placide 104 Donnellan, Brendan P. 260, 264 Doubrovsky, Serge 24 Du Moulin, Louis 17 Du Vair, Guillaume 4, 28, 29, 180, 188 Dubarle, André-Marie, O. P. 121, 127 Dubé, Pierre H. 167 Duclos, Charles Pinot 1 Dumas, André 123 Duval, Amaury 1, 2, 35, 48, 49, 75, 179 Earle, John 17, 235
Elias, Norbert 19 Enzensberger, Hans Magnus 202, 270 Epiktet 4, 8, 9, 10, 29, 36, 37, 165, 180, 188, 189 Epikur 4, 10, 11, 12, 13, 14, 64, 188, 251 Erasmus von Rotterdam, Desiderius 15, 31, 32, 38, 41, 42 Ernst, Pol 123, 140 Ersch, Johann-Samuel 275 Escher, Hans Konrad 270 Esprit, Jacques 6, 57 Estienne, Charles 34 Estoc, Antoine 235 Faltner, Max 211 Faret, Nicolas 21, 51 Fichte, Johann Gottlieb 2 48 Fidao-Justiniani, Joseph-Émile 86 Förster-Nietzsche, Elisabeth 261 Fontenelle, Bernard Le Bovier de 3, 13, 14, 19, 79, 80 Foucault, Michel VI Freyer, Hans 177 Friedrich, Hugo 4, 12, 47, 66, 67, 70, 103, 108, 113, 122, 123, 124, 139, 140, 141, 146, 151, 163, 179, 183, 223, 228 Fubini, Riccardo 208 Fuchs, Albert 247 Fumaroli, Marc 44 Furetière, Antoine 62, 63, 64, 69, 72, 77, 85, 90, 99, 100, 103, 104, 105, 115 Gadamer, Hans Georg VII Garapon, Robert 22, 54, 193, 228 Garasse, François 184 Gassendi, Pierre 10, 180, 186, 193 Gast, Peter 261 Gérard, André-Marie 104 Gilbert, Gabriel 94 Ginguené, Pierre-Louis 196, 197, 263, 267, 268, 270, 273, 274 Glaap, Oliver 206 Godenne, René 52, 87, 89 Goethe, Johann Wolfgang von 247, 248 Goldmann, Lucien 121, 122, 123, 137, 139, 140, 164 Goppelt, Leonhard 127, 128, 150, 170
Autorenregister
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Gouhier, Henri 164 Gracián, Baltasar 16, 17, 33, 35, 36, 44, 50, 51, 52, 250 Granges de Surgère, Anatole de 247 Grente, Georges 29 Grimm, Jürgen 155 Groeben, Annemarie von der 133 Grosclaude, Pierre 38, 197, 268 Guicciardini, Francesco 16
Klossowski, Pierre 202 Knoche, Ulrich 63, 66, 81, 90, 96, 103 Köhler, Erich 82 König, Bernhard V, 213 Könneker, Barbara 33 Krauß, Henning 82 Kruse, Margot V, VII, VIII, 8, 12, 62, 85, 102, 105, 141, 155, 169, 170, 236 Kunzmann, Ulrich 171
Hall, Joseph 17, 234–245 Harrington, Thomas More 161, 162 Hazard, Paul 23, 190 Heess, Manfred 139, 156 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 138, 248 Hempel, Wido 213, 220, 230 Herder, Johann Gottfried von 248, 249 Hess, Gerhard 14, 16, 20, 22, 25 Hobbes, Thomas 199 Homer 224 Horaz (Horatius Flaccus Quintus) 208, 241 Hough, Graydon 36 Houssaye, Amelot de la 16, 35, 51 Huber, Ludwig Ferdinand 266, 267 Hübscher, Arthur 111, 250, 251 Huguet, Edmond 83 Hyun, Mi-ae 156
La Bruyère, Jean de IX, 1, 3, 9, 10, 17, 18, 19, 22–27, 45, 54, 72, 80, 99, 193, 197, 205, 225, 228, 229, 230, 232, 233, 235, 236, 237, 239, 241, 242, 244, 245, 247, 257 La Fayette, Mme de 247 La Mothe le Vayer, François de 5, 6, 10, 180, 186–190, 193, 194 La Rochefoucauld, François de V, VII, VIII, IX, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 25, 27, 35–39, 52, 53, 55–58, 65, 77, 78, 95, 96, 106 f., 174, 175, 176, 189, 190, 199, 200, 201, 205, 224-231, 232 f., 246– 262 Labé, Louise 31 Laffont, Robert 263 Lafond, Jean 56, 77, 103, 175, 201, 261 Lafuma, Louis 9, 39, 58, 78, 107, 122, 123, 128, 136, 140, 144, 157, 171 Landi, Ortensio 34 Lanson, Gustave 192 Le Moyne, Pierre 242 Lefebvre, Joël 32, 33, 34 Lefèvre, Roger 191 Leisegang, Hans 138 Lemaître de Sacy, Louis-Isaac 104, 117, 160 Lenclos, Ninon de 10 Lenoble, Robert 155 Leo, Ulrich 67 Leonhard, Elisabeth R. 207 Lescure, M. de 198 Lessing, Gotthold Ephraim 247 Lévêque, André 22 Levi, Anthony, S. J. 5, 29, 61, 83, 84, 86, 102, 180
Jansen, Hellmut 50 Jansenius, Cornelius 161 Jaquemot, Théodore 243, 244 Jasinski, René 10, 18, 235, 236 Jehasse, Jean 71, 86 Jeremias (Prophet) 31, 101, 104 f., 118 Jesaja (Prophet) 31 Johannes (Evangelist) 160 Jonas, Hans 185 Joukovsky, Françoise 67, 83 Julien-Eymard 29 Kant, Immanuel 248 Kaplan, Francis 108 Kerr, Richard J. A. 216 Kincaid, Joseph J. 217, 221, 222 f. Kittel, Gerhard 104
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Autorenregister
Lichtenberg, Georg Christoph 249, 250, 254, 265 Lietz, Jutta V, 213 Lietzmann, Albert 250 Lipse, Juste 29, 49 List-Marzolff, Renate 198, 200, 202, 264, 265 Littré, Émile 201 Loiseau, Hippolyte 247 Loos, Erich 67, 85 Lope de Vega Carpio, Félix 33 Lotharius Cardinalis (Innozenz III.) 206, 207, 208, 209, 210, 216 Lukrez 124 f. Maccarrone, Michele 208 Machiavelli, Niccolò 44, 45, 255 Magendie, Maurice 85 Manetti, Giannozzo 207 Matthäus (Evangelist) 60 Mauduit, Michel 156 Mauzi, Robert 96, 200 McCabe, Richard A. 235, 239, 243, 244 Menéndez y Pelayo, Marcelino 217 Méré, Antoine Gombaud, chevalier de 21, 22, 23, 51, 77, 139, 193 Mersenne, Marin 155, 156, 159, 160 Mesnard, Jean 107, 109, 122, 127, 130, 132, 154, 157, 165, 172 Meysenburg, Malwida von 258 Molière 53, 54, 236 Mongrédien, Georges 89, 98 Montaigne, Michel Eyquem de IX, 1, 3, 4, 5, 8, 9, 11, 19, 21, 26, 28, 32, 34, 35, 39, 45–48, 64, 65 f., 67–70, 72, 75, 78, 83, 85, 98, 103, 112, 113, 165, 178, 179, 180, 182, 183, 184, 187, 189, 223, 224, 225, 227 Montesquieu, Charles de Secondat, baron de la Brède et de 177, 178 Montinari, Mazzino 256, 261, 264 Moore, Will G. 261 Nadal, Octave 61, 73, 76, 81, 99, 102, 192 Naudé, Gabriel 186 Naves, Raymond 44 Nicole, Pierre 22, 58, 161
Niderst, Alain 89, 98 Nietzsche, Friedrich VII, VIII, 1, 2, 3, 15, 17, 202, 246, 255–262, 264, 265 Nolhac, Pierre de 32 Oelsner, Konrad Engelbert 270, 272 Oppermann, Hans 63, 81, 103 Otto, August 62, 85 Overbeck, Franz 257 Overbeck, Ida 257 Paquot-Pierret, Léon 239 Pascal, Blaise V, VII, IX, 1, 4, 8–10, 11, 12, 19, 23, 24, 26, 27, 39–41, 58, 59, 77–79, 101, 102–120, 121–137, 138–153, 154– 176, 188, 189, 190, 196, 248, 249, 261 Patin, Guy 186 Paulus (Apostel) 31, 32 f., 100, 101, 104, 116, 117, 118, 121 f., 126, 127, 128, 149, 150, 169 f., 185 f. Pellisson, Paul 89 Pérez de Oliva, Fernán 206, 208, 209, 210, 216, 217, 220 Petrarca, Francesco 66, 67, 210 Pichois, Claude 231 Planhol, René de 10, 192 Platon 9, 33, 35, 39, 66, 215, 217 Poggio Bracciolini 208, 209, 216 Powell, John G. F. 206 Pucelle, Jean 163 Quinault, Philippe 94 Quintilian, Marcus Fabius 125, 149 Rabelais, François 178 Racine, Jean 192 Rat, Maurice 11, 35, 46, 64, 83, 113, 223 Raumer, Kurt von 177 Rée, Paul 258, 259 Refuge, Eustache 49 Rengger, Albert 270 Renwick, John 196, 264 f. Requadt, Paul 250 Rey, Alain 108, 203 Rich, Arthur 189 Richard, Pierre 17, 236 Richelet, Pierre 62, 85
Autorenregister Richter, Edgar 272 Ritter, Joachim 104 Robert, Paul 129, 170 Romera-Navarro, Miguel 35, 50 Roos, Richard 251, 253 Rosso, Corrado 200 Roth, Oskar 56, 201 Rousset, Jean 43, 44, 51, 55 Rovini, Robert 47, 66, 256 Rühle-Gerstel, Alice 264 Sablé, Mme de 6, 16 f., 36, 246 Sabrié, Jean B. 179 Saint-Évremond, Charles de 10–14, 192 f. Sainte-Beuve, Charles Augustin 257 Sallust (Gaius Sallustius Crispus) 65 Saltonstall, Wye 242 Schalk, Fritz 1, 6, 15, 17, 28, 29, 202, 270 Scheffers, Henning 68 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 248 Schier, Donald 13 Schiller, Friedrich 247 Schlechta, Karl 2 Schlegel, August Wilhelm 265, 270, 273 Schlegel, Friedrich 249, 263, 264, 265 Schmidt, Christian 13, 79 Schneider, Gerhard 182, 186, 190, 193 Schobinger, Jean-Pierre 141, 142, 143, 144, 154, 157, 161, 173 Schopenhauer, Arthur VII, VIII, 16, 111, 200, 250–255, 257, 258, 259 Schuhmann, Kuno 242 Schulz, Friedrich 247 Schulz-Buschhaus, Ulrich V, 24, 44, 175, 176 Scudéry, Georges de 87 Scudéry, Madeleine de IX, 18, 45, 52–56, 61, 69, 70, 71, 72, 73, 81–101, 105 Sebundus, Raimundus 34, 98 Sélis, Nicolas Joseph 274 Sellier, Philippe 103, 104, 107, 139, 140, 149, 159, 160, 165, 173, 175 Seneca, Lucius Annaeus 4, 6, 9, 10, 29, 33, 35, 36, 62, 63, 66, 85, 103, 180, 190, 240 Sévigné, Mme de 37, 247
283
Shakespeare, William 34 Sieyès, Emmanuel Joseph, abbé 270 Sivasriyananda, W. 12 Smith, Philip A. 240 Spilker, Lore 74 Stackelberg, Jürgen von 44 Starobinski, Jean 261 Steinmetz, Peter 237 Stierle, Karlheinz 140, 151 Strosetzki, Christoph 206 Stückelberger, A. 104 Suphan, Bernhard 248 Sutcliffe, Frank E. 83, 84, 86 Tacitus 44 Terenz (Publius Terentius Afer) 124, 149, 208 Tertullian 125, 126, 128, 129 Theophrast 17, 18, 23, 228, 235, 237–243, 244 Thibaudet, Albert 178 Thirouin, Laurent 172, 175 Tiemann, Hermann 272 Tisserand, Ernest 186 Toldo, Pietro 49 Tolma[t]chov, M. V. 196 Tourval, Loiseau de 17, 234, 235, 236, 240, 244 Truchet, Jacques 6, 35, 37, 53, 57, 65, 96, 174, 189, 199, 224, 251 Turrado, Laurentio 104 Ungern-Sternberg, Isabelle Freifrau von 258 Urbain, Charles 235 Usteri, Paul 269, 270, 272 Vaucheret, Étienne 82 Vauvenargues, Luc de Clapiers, marquis de 1, 3, 257 Velat, Bernard 41 Viau, Théophile de 190 Villalón, Cristóbal de 216–218, 220, 222, 224 Viller, Marcel 104 Villey, Pierre 32, 98 Vogels, Heinrich Joseph 185
284
Autorenregister
Voilquin, Jean 228 Voltaire (François Marie Arouet) 38, 39, 41, 42 Wagner, Richard 258 Wasmuth, Ewald 9 Weinrich, Harald 33 Wieland, Martin Christoph 247
Wilckens, Ulrich 32 Williams, William D. 260 Wolfe, Philip J. 72 Wuthenow, Ralph-Rainer 198, 200, 270, 271, 274 Zanta, Léontine 180 Zschokke, Heinrich 270