Zwischen den N o r d r ä n d e r n d e r b e i d e n größten Festländer der Erde, zwischen der Nordküste N o r d a m e ...
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Zwischen den N o r d r ä n d e r n d e r b e i d e n größten Festländer der Erde, zwischen der Nordküste N o r d a m e r i k a s und Europa-Asiens (Eurasiens) liegt d i e Polarw e l t der Arktis. Die Grenze der Arktis f ä l l t nicht mit dem Nördlichen Polarkreis zusammen, dem hellen inneren Kreis in unserer Karte. Der Polarkreis ist der Bereich der „Mitternachtssonne", in dem also über Sommer auch um Mitternacht d i e Sonne strahlt. Die eigentliche Arktis w i r d d a g e g e n von einer Temperaturlinie begrenzt, d i e in unserer Karte durch eine unterbrochene Linie gekennzeichnet ist. Diese Temperaturlinie v e r b i n d e t a l l e Punkte, an denen im wärmsten M o n a t des Jahres, im J u l i , keine höhere Durchschnittswärme als + 10° Celsius gemessen w i r d . Diese Linie w i r d d i e „ + 10° C-Juli-Isotherme" genannt. Die unmittelbar anschließenden Räume diesseits dieser Isotherme, d i e ungefähr mit der N o r d g r e n z e des W a l d e s zusammenfällt, ist die „ S u h a r k t i s " , ein G e b i e t reichster Naturschätze. Die Subarktis geht dann allmählich in d i e g e m ä ß i g t e n Zonen über. — Die Arktis ist zu z w e i Drittel ein riesiges eisgefesseltes Binnenmeer, das größte „ M i t t e l m e e r " der Erde. Dieses M e e r w i r d das „ N ö r d l i c h e Eismeer", d i e „Arktische S e e " o d e r der „ N ö r d l i c h e O z e a n " genannt. Mitten d a r i n liegt im Ewigen Eis der N o r d p o l .
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PANTENBURG
ARKTIS Abenteurer, Sehatzsucher und Forseher im Eis-Norden
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
M U R N A U • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • ÖLTEN
Großer weißer Norden ' ild und groß in ihrer hockung ist die polare Welt um die Achspunkte des Erdballs. Keine Landschaft auf dem großen Kugelrund der Erde zog so viele kühne Männer geheimnisvoll in ihren Bann. Keine auch forderte so viele Opfer. Den ersten Arktisfahrern, denen unzählige im Kielwasser folgten, bot diese große weiße Welt nur Furcht und Schrecken, bis der bisher größte, erfolgreichste unter ihnen ihr anderes, geradezu sinnverwirrend schönes Gesicht entdeckte: Fridtjof Nansen, der Nordmann. Er zuerst empfand die hartgegensätzliche Natur als ein erregendes Wunder, das zur Anteilnahme und zur Ergründung aus wahrer innerer Leidenschaft locken mußte. Nansen erst gab den Anstoß zum letzten entscheidenden Sieg über die Gewalten der Arktis. Auch in unseren Tiagen sind freilich für den Forscher immer noch viele Fragen offen. Sie in edlem Wettstreit zu klären, könnte eine großartige und verdienstvolle Aufgabe für die an der Arktisforschung teilnehmenden Nationen sein. Um was es in der Arktis ging und geht, das soll dem aufgeschlossenen jungen Menschen der folgende Bericht nahebringen. Aus langen Aufenthalten und eigenen Expeditionen im großen weißen Norden und aus vieljährigem, eingehendem Studium seiner Probleme hat der Verfasser das Wichtigste und Wissenswerteste hier zusammengetragen.
Arktis... W e l t des „Geronnenen M e e r e s " „Dort, wo das Meer dick geronnen ist, dort liegt das Ende der Welt." Das ist die erste Kunde aus hochnordischer Ferne, die uns aus früher Vorzeit überkommen ist. Diese "Kunde stammt von dem Handelsmann Pytheas aus der Mittelmeerstadt Massilia, die wir heute Marseille nennen. Dieser weitgereiste Kaufmann lebte im 4. Jahrhundert vor Christus und wird mit Recht als einer der wagemutigsten Forschungsreisenden der Menschheit gerühmt. Bis „Thule", wo der Polarstern weit höher steht als drunten am Gestade seiner südländischen Heimat, bis dorthinauf war Pytheas vorgedrungen. Hinter „Thule" aber, dem sagenhaften Nordland, beginnt in seiner Vorstellung das geronnene Meer, die Welt des ewigen Eises: die Arktis. Geheimnisse, Schrecken und Gefahren verbinden sich von jeher mit diesem Namen. „Arktos" (ein griechisches Wort) w a r den Hellenen die Sternfigur des Großen Bären, eine der schönsten und auffallendsten des Himmelsraumes. In unabänderlicher Gesetzmäßigkeit umwandert er den strahlenden einsamen Nordstern, der nie seinen Ort verläßt. „Leidar-Stern" — Leit-Stern — hieß er bei den seegewohnten, beutefrohen Wikingern, die den Kurs ihrer Drachenboote nach ihm bestimmten. Doch — wo verlieren Ewiges Eis und Ewige Kälte ihren beherrschenden Einfluß? Was zählt eigentlich zur Arktis? Die Oberfläche unserer Erde, der erst durch die Weltumseglung des Portugiesen Magellan das Geheimnis ihrer Kugelgestalt endgültig entrissen wurde, ist in das klare Gitterwerk der Breiten- und Längengrade eingeteilt. Diese Grade sind natürlich nur mathematisch gedachte, also unsichtbare Linien. Einer dieser Breiten- oder Parallelkreise ist der Nördliche Polarkreis (auch Arktischer Kreis genannt), der bei 66 Grad und 30 Minuten nördlicher Breite verläuft. Er steht in unmittelbarer Beziehung zum astronomischen System, dessen Gesetzen ja auch die Erde unterliegt. Zu diesen Gesetzen gehört die Umdrehung um die eigene Achse mit ihrem Wechsel von Licht und Dunkelheit. 3
Indes haben die nordwärts des Arktischen Kreises gelege- i nen Regionen keinen Anteil an der vertrauten Aufeinander-! folge von Tag und Nacht. Bei Sommersanfang, also am 21. Juni, ', neigt sich die Nordkuppe der Erde am stärksten zur Sonne. Daher hat die Arktis um diese Zeit das meiste Licht. Sie muß , also am 21. Dezember am wenigsten Licht von der Sonne er- 1 halten. Alles, was zwischen dem Pol und dem Polarkreis liegt, ' muß daher im Sommer auch nachts von der Sonne bestrahlt I: werden, die man deshalb die „Mitternachtssonne" genannt hat. Im Winter ist es genau umgekehrt. Dann ist die Sonne | innerhalb des Polarkreises überhaupt nicht sichtbar. Genau am Nordpol steht sie ein halbes Jahr über der Kimm, dem Seh-Horizont, und das nächste halbe J a h r darunter. Demnach gibt es also hier am Pol nur einen einzigen „Tag" von einem halben J a h r Dauer und ebenso nur eine einzige „Nacht", die ebenfalls ein halbes J a h r währt. Genau umgekehrt wie am Nordpol ist es am Südpol, also in der Antarktis (Siehe Bild auf Seite 21). Das Gebiet, das innerhalb des Arktischen Kreises liegt, ist nicht die „Arktis". Die Wissenschaftler haben sich dahin geeinigt, nur jenen Polarbereich Arktis zu nennen, der besonderen klimatischen Gesichtspunkten entspricht. Und zwar legte man als südliche Begrenzung der Arktis die Linie all der Orte fest, auf der im wärmsten Monat des Jahres, im Juli, die gleiche mittlere Durchschnittstemperatur herrscht. Diese Verbindungslinie aller Punkte gleicher mittlerer Monatswärme nennt man Isotherme; die Linie, auf der eine JuliDurchschnittstemperatur von + 10 ° gemessen wird, wird als die „+ 10° C-Juli-Isotherme" bezeichnet. Alles, was sich nördlich dieser Temperaturlinie ausbreitet, wird zur eigentlichen Arktis (Zentral-Arktis) gerechnet. Zwischen der Grenzlinie dieser Isotherme und dem Nordpol liegen 26,44 Millionen Quadratkilometer. Darin könnte man Europa (einschließlich des europäischen Teiles der Sowjetunion) etwa zweieinhalbmal unterbringen. 7,9 Millionen Quadratkilometer sind in der Arktis festes Land; 18,5 Millionen bedecken die nördlichen Meere. Diese Grenze der Arktis fällt fast mit der Nordgrenze des Waldes zusammen. Die äußerste Linie der menschlichen Dauer- j Siedlung verläuft allerdings beträchtlich nördlicher. Hingegen 4
reichen tief nach Süden über die Grenze der Zentral-Arktis noch weite Räume, in denen die Erde gefroren ist. Dieser sogenannte „Eisboden" hat indes keineswegs eine tödliche Wirkung auf das Wachstum der Pflanzen in den obersten, sommerüber auftauenden Schicht, oder gar auf die Lebensmöglichkeit der nordpolaren Landtierwelt. Besonders die Übergarigszonen zwischen der eigentlichen Arktis und den Regionen des gemäßigten Klimas, die „Subarktis", sind von sehr großer, bisher noch kaum recht erkannter Bedeutung für die Ansiedlung von Nordkolonisten wie überhaupt für die wirtschaftlich-industrielle Nutzung der Naturschätze in und über der Erde, vor allem auch des Waldes. Die „+ 10° C-Juli-Isotherme" (siehe letztes Umschlagbild) biegt dank der Wärme des Golfstromes, das Nordkap umrundend, erstaunlich weit nach Norden aus; dann schneidet sie am Kola-Golf das Festland wieder an und bezieht den Nordrand des europäisch-asiatischen (eurasischen) Rußland ein, umfaßt den an den Nördlichen Ozean rainenden Landsaum Nordamerikas, verläuft durch den Nordteil der Halbinsel Labrador, quert den Nordatlantik, wobei Island zum Teil noch im Bereich der Arktis liegt, und geht schließlich auf die norwegische Finnmarkküste zu. Die zwei größten Kontinente der Erde (Europa — Asien, die man kurz auch Eurasien nennt, und Nordamerika) sind zwei ungeheure Landklammern: Getrennt durch die zwei größten Ozeane Atlantik und Pazifik, fassen sie die Zentral-Arktis ein. Das große Nördliche Eismeer bedeckt allein über zwei Drittel der Nordpolarwelt. Es ist damit zugleich das größte und eigentliche „Mittelmeer" der Erde. Genau am Nordpol haben russische Forscher eine Tiefe von 3700 m erlotet. Die bisher größte Tiefe wurde nördlich der Neusibirischen Inseln mit 5625 m festgestellt. Wie leicht ließen sich die Groß-Erdteile Europa — Asien und Nordamerika über die Arktische See verbinden! Doch ist sie zum weitaus größten Teil mit ständig treibenden Eismassen bedeckt, die von jeher der Schiffahrt unüberwindbare Schwierigkeiten bereitet haben; bis in unseren Tagen der technische Fortschritt ideale Mittel zur Überwindung des Eises zur Verfügung stellte: Spezial-Eisbrecher, Luftschiff und Flugzeug.
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Abenteurer, Schatzsucher und Kaufleute im Eis-Norden Als ein einziges frostumschlossenes Geheimnis, von dem erst 1 die Neuzeit den kristallenen Schleier hob, dehnt sich die 1 fernnordische Eiswelt hinter den treibenden weißen Vortrupps <] der Eisberge, die als Riesen-Eisfelder oder zackige Schollen, " zuweilen überragt von seltsam geformten Zauberschlössern, heruntersegeln, um schließlich unter der wärmeren Sonne unserer Meere dahinzuschmelzen. Nur unklare Vorstellungen 1 hatte man einst von der Gestalt des kältestarrenden „Nordrandes" der Erde. Nicht weniger verschwommen zeigte er | sich auf den Karten. Was Wunder, wenn sich im 15. J a h r hundert noch die Geister darüber stritten, ob die Welt eine Scheibe oder eine Kugel sei! Die Unabsehbarkeit der arktischen Meere, übermächtig durch Natur und Gefahr, der mehr als ein halbes Jahr herrschende Winter der hochnordischen Eisregionen: nie können sie so unwiderstehlich locken wie das ewig blaue Meer oder die farbige Welt der Tropen und Subtropen. So war J a h r hunderte hindurch nicht der Wissensdrang Antrieb zu allen Entdeckerreisen in den fernen Norden; es war vielmehr die Sucht nach schnellem Erwerb, nicht zuletzt auch nach Macht, die so viele wagemutige Männer in die Eiszonen trieb. Unter den ersten sind es die Nordmänner, die sich darauf verstehen, das Meer zu befahren und ihm in gefahrvoller Fahrt wertvolle Großwildbeute abzujagen; Wikinger mögen als erste Spitzbergen und Jan Mayen, das Eiland der Orkane und Erdbeben, entdeckt haben. Einer von ihnen, der jähe und starke Rote Erik, gründete als erster Weißer mitten in der Arktis, in Süd-Grönland, eine große Kolonie (Ende des 1. Jahrtausends). Ein anderer, der Häuptling Ottat aus dem nordnorwegischen Haalogaland umsegelt schon um die Wende zum 9. Jahrhundert das Nordkap Europas auf einer Entdeckungsfahrt zur Halbinsel Kola und ins Weiße Meer. Doch nach ihm versinkt der Hohe Norden für gut ein halbes J a h r tausend in das Dunkel völliger Vergessenheit. Der gleiche Drang, der Columbus nach Westen segeln ließ, treibt dann aber wieder die Männer in den Hohen Norden: 6
Sie suchen an den Nordrändern Europas und Asiens einen Seeweg zum fernen, sagenhaft reichen Orient, nach China und Indien. Es sind vorerst Niederländer und Briten, denen die damals herrschenden Seemächte Spanien und Portugal den kurz vorher erst gefundenen Indienweg um die Südspitze Afrikas herum versperrt halten. Diese frühen Passagenfahrer, hinter denen die Macht großer Staaten oder der Wagemut einflußreicher Handelsherren stand, drangen immer wieder in die gefährliche Eiswelt vor; natürlich nur im Sommer. Sie büßten selbst in dieser günstigen Jahreszeit genug Männer und Schiffe ein. Wonach sie strebten, fanden sie nicht, nämlich den Reichtum fernöstlicher Märchenländer. Aber sie stießen auf andere Dinge, die in der abendländischen Welt Wert genug hatten. In den hochnordischen Gewässern, vor allem um Spitzbergen, entdeckten sie in unfaßbarer Menge jagdbares arktisches Großwild und Wale. Den Tran dieser riesigen Meersäugetiere brauchte man damals hauptsächlich zu den Lichtern. So setzte dort zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Wal-Großfang ein. Er wurde von den Niederländern, aber auch von fast allen anderen seefahrenden Nationen jener Zeit in mehreren Generationen auf so rücksichtslose Weise betrieben, daß der herrliche Grönlandwal, das größte Tier der Welt überhaupt, alsbald in diesen Breiten so gut wie völlig ausgerottet wurde. In unvorstellbar rauher und gefahrvoller Jagd stellte man den Walen nach, um den schmierigen, stinkenden Tran zu gewinnen, aus dem die Auftraggeber begehrtesten Rohstoff und blankes, schönes Gold erlösten. Über diesem guten Geschäft war die andere Aufgabe, die nordöstliche Verbindung zu den fernen Handelspartnern in China und Indien, schnell in Vergessenheit geraten. Manche in der langen Reihe der Abenteurer und Entdecker meinten, man müsse der arktischen Erde schließlich selber allerlei Schätze entreißen können. Die Jagd ging natürlich vornehmlich nach Gold. Schnell und auf bequeme Weise reich zu werden, war ja von jeher das Bestreben der meisten Menschen, denen nie oder erst zu spät klar wird, daß die wahrhafte Befriedigung in diesem kurzen Leben im Grunde einzig in ernsthaft-zielstrebiger Arbeit zu suchen ist. Auf den öden Nordinseln schaufelten arktische Schatzsucher ganze Ladun7
gen „Gold" in ihre Schiffe. Doch dieses gelbgleißende Erz erwies sich, als daheim der erstbeste Fachmann es kritisch unter die Lupe nahm, als völlig wertloser Schwefelkies. Viel später erst gab die Arktis ihre Schätze her — auch Gold —, als Fachleute, erfahrene Geologen, mit der planmäßigen 1 Durchforschung der nördlichen Regionen begannen. Der erste j wohl, der aus arktischem Land wertvolle Rohstoffe heraus- I holte, war ein Nordamerikaner mit dem deutschklingenden Namen Mentzner, der 1874 auf Baffin-Land im Handumdrehen für 120 000 Dollar Glimmer abbaute und nach den Staaten verfrachtete. Um die Wende zu unserem Jahrhundert entstanden dann in der Zentral-Arktis, auf Spitzbergen, die ersten modernen Kohlengruben. Damit wurde die wirtschaftlich-industrielle Nutzung der Arktis und Subarktis in neue Wege geleitet. Schon vom Ende des 16. Jahrhunderts an bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatten niederländische und britische Kaufleute auf Handelsfahrten über das Karische Meer den Pelzreichtum Sibiriens im Bereich der Arktis und Subarktis im Tausch gegen westeuropäische Erzeugnisse zu nutzen versucht. Die Pelze des Zobels, Hermelins, Bibers, der weißen und blauen Polarfüchse und mancher anderen lockten zur Gründung wahrhaft abenteuerlicher Handelskompanien, deren Vertreter keine Mühe und selbst nicht die Todesgefahren dieser „Geschäftsreisen" scheuten. So drang die heute noch bestehende berühmte „HBC", die Hudsons Bay Company, 1670 durch die deutsch-englischen Prinzen Ruprecht von der Pfalz in London gestiftet, auf ihrer Suche nach herrlichem Pelzwerk in den äußersten Norden Nordamerikas vor. Anfänglich trieb man überaus vorteilhaften Tauschhandel mit den Eingeborenen — mit freilich nicht immer ganz fairen Methoden. Später rückten dann weiße Trapper immer weiter nordwärts in die freie Wildmark vor und übernahmen als die äußersten Vorposten der Zivilisation selber die Geschäfte und die Jagd in die Hand. Heute noch zählen diese einsamen Polarjäger in ihren weltfernen Behausungen zu den nördlichsten Menschen der Welt. Die Polarforschung hat diesen meist unbekannten Männern vielerlei Anregung und Erfahrung zu verdanken. Zu ihnen sind auch die Arktisjäger zu zählen, die 8
mit geradezu winzigen hölzernen Jagdschiffen in das Große Eis fahren und Robben, Walrosse, kleinere Walarten verschiedener Art, Eisbären und mancherlei anderes Wild erlegen. Der Reichtum der arktischen Meere an diesen Tieren ist selbst in unseren Tagen überraschend groß.
Pioniere der modernen Forschung Der nördliche Seeweg nach Fernost, das heißerstrebte Ziel vieler Indiensucher früherer Zeit, war in jenen Jahren über das Eismeer nicht zu erzwingen gewesen. Die Niederlande und England, die an Seemächtigkeit die Spanier und Portugiesen bald einzuholen verstanden, hatten inzwischen auch die bis dahin versperrten Indienwege jener seefahrenden Nationen für ihre Schiffe geöffnet gefunden. Diese Wege aber waren weit ungefährdeter als die Passage durch die Eiswelt der Arktis. Unentwegt wurde jedoch, wenn auch mit langen Unterbrechungen, weiter nach den Nord-Passagen gesucht. Die Geheimnisse des Eis-Nordens lockten nach wie vor zu Entdeckungsfahrten. Seitdem der deutsche Martin Behaim um 1492 den ersten Globus entworfen hatte, war es ja jedem Einsichtigen augenfällig klar, daß die kürzesten Wege zwischen den Nordteilen der Alten und der Neuen Welt eben in der Arktis zu suchen seien. In die Fußstapfen der Abenteurer und Kaufleute traten also im Laufe der Zeit die Männer der klugen Überlegung und der nüchternen Rechnung, die Wissenschaftler und Entdecker aus Leidenschaft. Sie hatten exakte Vorstellungen und genau umrissene Ziele. In der Bezwingung des arktischen Erdteils für die Menschheit — darum ging es jetzt ebenso wie um die Öffnung der Passagen — war ein neuer Abschnitt eingeleitet. Indes mußten auch die neuen Männer ein höchstes Maß an physischer und seelischer Kraft einsetzen, wollten sie vor den Urgewalten der Arktis bestehen. Die Eiswelt fordert ihren Menschen ganz; sie schont keinen, der nicht mit äußerster Sorgsamkeit alles für seine Forscherfahrt vorausbedacht hat, der nicht einen eisernen Willen zur Überwindung aller, besonders auch der unberechenbaren Zwischenfälle mitbringt. Henry Hudson, ein zäher Engländer, kann als der erste in der lan9
gen Reihe dieser neuzeitlichen Polarfahrer gelten. Dreimal drang er zu Beginn des 17. Jahrhunderts weit in das Polar- I meer vor, um die nordöstliche Durchfahrt zu erkämpfen, j Manches Ziel, das er sich gesteckt hatte, erreichte er nicht. Aber auf seiner letzten Fahrt entdeckte er, westwärts steuernd, die später nach ihm benannte meergroße Hudsonbay und Hudsonstraße, und dieser Erfolg sicherte Henry Hudson einen ersten Rang unter den Entdeckern im Erdraum der Arktis. Der Ausgang seines Lebens ist eine Tragödie: Mit seinem Sohn und einigen Getreuen von meuternden Matrosen dem Meere preisgegeben, blieb er für immer verschollen. Die Engländer bleiben auch weiterhin die unentwegtesten Passagesucher. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt die Britische Admiralität den Wissenschaftlern und Forschern neuen Antrieb. Sie wirft große Summen aus; doch wird entscheidender Wert gelegt auf brauchbare Expeditionsergebnisse, auf genaue Vermessungen und zuverlässige Karten der erforschten Gebiete. Man hat eingesehen, daß gerade die wissenschaftlichen Grundlagen unerläßlich sind. Auch jetzt fordert freilich die Arktis ihren Zoll an Menschen und Ausrüstung. John Roß, Parry und der unglückliche Franklin, dessen jahrzehntelang verschollene Expedition die Welt lange in Atem hält, sind die Namen der bekanntesten unter diesen Pionieren der Arktis und der Nordwest-Passage. Ihren Versuchen, den nördlichen Seeweg von Europa nach Fernost zu erzwingen, blieb aber trotz todesmutiger Anstrengungen der Erfolg versagt. Erst ein Schwede, der Freiherr Adolf Erik Nordenskjöld, erkämpft in den Jahren 1878 und 1879 die Nordöstliche Passage. Auf einer zwei Jahre währenden Expedition mit der „Wega" dringt er auf dem Sibirischen Seeweg um die nördlichsten Küsten Europas und Asiens bis zur Beringstraße und in den nördlichen Stillen Ozean vor. Dieser Durchfahrt folgte ein Viertel Jahrhundert später in entgegengesetzter Richtung die Bezwingung der Nordwestlichen Durchfahrt, die durch die arktische Inselwelt Nordamerikas und längs der Eismeerküste dieses Erdteils zur Beringstraße führt und dann ebenfalls in den Stillen Ozean mündet; Roald Amundsen, dem bisher wohl glückhaftesten unter den großen Polarforschern, gelang diese Nordwest-Passage in dreijährigem Ringen (1903—1906). 10
Seit ferner Vorzeit waren gerade die Skandinavier die geschicktesten und erfahrensten Eismeerfahrer. Sie brachten überdies die denkbar besten körperlichen und seelischen Vorbedingungen für das Leben und Arbeiten im hochnördlichen Klima und in der belastenden Einsamkeit der langen Polarwinter mit. Schließlich begannen auch die Russen, kaum daß sie mit Zar Peter zum Rang einer Großmacht aufgerückt waren, anerkennenswerte Pionierarbeiten in ihren Nordzonen zu leisten. Sibiriens riesige Nordteile galten ja um die Wende zum 18. Jahrhundert immer noch als unerforschtes Neuland, obwohl Nowgoroder Flußpiraten schon im 11. Jahrhundert in einem Abenteurerzug bis ans Nördliche Eismeer vorgedrungen waren. Das Jahr 1579 bedeutete den Beginn zur Eroberung Sibiriens, eines Landmassivs, das eineinhalbmal die Größe Europas mißt, wenn man Europa vom Atlantischen Ozean bis zum Ural reichen läßt. Nicht Landhunger oder nüchterne Machtgier ließ die Moskauer Kaufherren in die Unendlichkeit und Ungewißheit dieses Raumes vordringen, sondern der wundervolle, seidenweiche Pelz des damals mehr noch als heute begehrten Zobel, der als Edelpelz der Könige den Wert erlesenster Kostbarkeiten besaß. In einem halben Jahrhundert wird das ungeheuer reiche und große Land jenseits des Urals, das fast die Hälfte ganz Asiens ausmacht und bis zum Stillen Ozean reicht, durch ein paar Tausend Kosaken in den Machtbereich des Moskauer Zaren einbezogen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gibt Peter, der große Zar, den Befehl zur „Großen Nordischen Expedition" unter dem Dänen Vitus Bering. In mehreren Etappen, die sich über etliche Jahrzehnte erstrecken, werden die ersten gediegenen Forschungen im sibirischen Hochnorden betrieben. Einer der Teilnehmer entdeckt dabei Alaska, das als russische Kolonie in Besitz genommen wird. Daß es außer seinen Pelzen, um die einzig es den Russen geht, noch viel, viel mehr zu bieten hat, erkennen diese erst, nachdem die US-Amerikaner es ihnen 1867 um eine lächerlich geringe Summe abgekauft haben und Alaskas natürliche Reichtümer nach modernen Methoden zu verwerten beginnen. In dem Jahr, als das Abendland nach dreißigjährigen Kriegsschrecken den Frieden von Osnabrück besiegelt (1648), 11
macht der Kosak Semen Iwanow Deschnew, während er von der Kolymamündung aus die äußerste Ostspitze Asiens umfährt, die Entdeckung, daß die Alte und die Neue Welt an diesein Punkte durch eine Wasserstraße in zwei getrennte Erdteile geschieden sind. Diese erst viel später bekanntgewordene Entdeckung wird in jener „Großen Nordischen Expedition" des Dänen Vitus Bering bestätigt. Die trennende schmale Meeresenge zwischen Asien und Amerika erhält für alle Zeiten dessen Namen: Beringstraße. Viele russische Expeditionen sind dann nach Bering in den Hohen Norden gegangen. Sehr rege wird die Forschung aber erst um die Wende zu unserem Jahrhundert und erreicht in den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vorstößen des heutigen Rußland ihren Höhepunkt. Doch schier endlos sind die Räume des russischen Eis-Nordens; bis in die neueste Zeit sind viele Teile noch so unbekannt, daß die 36 000 qkm große, der sibirischen Küste dicht vorgelagerte Arktis-Inselgruppe Nordland (Sewernaja Semlja) erst im Jahre 1913 durch eine russische Expedition entdeckt und erst seit 1930 genauer erforscht wird. Groß ist die Zahl der Männer, die im Ringen um die Ergründung der letzten Geheimnisse der Arktis ihren Geist, ihren Willen und ihr Leben eingesetzt und nicht selten auch verloren haben. Ihre Leistungen, die wissenschaftlichen Ergebnisse und das vielfältige Erleben in dieser großartigen Landschaft füllen lange Reihen von Bänden. Zu wenig Raum steht zur Verfügung, ihrer auch nur zu einem bescheidenen Teil Erwähnung zu tun. Eines Mannes aber muß hier namentlich noch einmal gedacht werden: es ist Fridtjof Nansen, den wir schon genannt haben. Er wird mit Recht für den bisher bedeutendsten Polarforscher gehalten, nicht so sehr dank seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Polarforschung überhaupt, sondern weil durch ihn eine ganz neue Einstellung der arktischen Welt gegenüber gewonnen wurde. Sie bedeutet einen Wendepunkt, man möchte sagen, den entscheidenden in der Geschichte der Bezwingung der Arktis. Indem Nansen die schönere Seite des Eis-Nordens entdeckte, schaute er als erster gleichsam dem arktischen Land ins Herz, lauschte er ihm seine ureigensten Melodien ab. In seinem bisher unerreichten Bericht „In Nacht und Eis", dem mehrbändigen Tagebuch seiner dreijährigen Driftreise mit dem starkgebauten Polarschiff „Fram" (1893—1896), hat er diesen 12
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Teil der Erde in all seinem Zauber gemalt. Jeden, der die Arktis einmal auf eigenen Reisen erlebt hat, packen heute nicht weniger als in seinen Jugendjahren, als er Nansens Expeditionswerke verschlang, die Schilderungen dieses dichterisch und doch so wirklichkeitsnah beobachtenden Mannes. Wie großartig ist Nansens Gemälde einer Polarnacht: „Etwas Schöneres als die Polarnacht gibt es nicht", so schreibt er, „sie ist ein Traumbild, gemalt in den feinsten Tönen, ohne Formen; alles ist dämmernde träumende Farbenmusik, eine ferne, unendliche Melodie in gedämpftem Saitenspiel. Wie eine unendliche Kugel wölbt sich der Himmel über dir, oben blau, näher dem Horizont grün, und ganz unten, am Himmelsrande lila, violett. An dem blauen Gewölbe blinken Sterne, friedlich wie immer; Freunde, die nie versagen. Da schüttelt das Nordlicht einen silberglitzernden Schleier über das Gewölbe, bald gelb, bald grün, bald rötlich — dann zerflattert es, sammelt sich wieder mit unruhigem Jagen, und wiegt sich dann in leuchtenden Silberbändern mit reichen Falten. Gleißende Strahlenwellen fahren darüber hinweg, und für einen Augenblick schwindet der Glanz. Da spielt es mit Flammenzungen hoch oben im Zenit. Plötzlich schießt ein kräftiger Strahl vom Himmelsrand heraus, und der ganze Sehleier schmilzt im Mondenglanze. Und dann diese Stille, ergreifend wie die Symphonie der Unendlichkeit . . ." In unserer vom technischen Fortschritt beherrschten Zeit hat die vor einem Menschenalter noch als erzfeindlich angesehene Welt des Eis-Nordens so gut wie alle ihre Schrecken eingebüßt. Ungehemmt stürmen schnelle Flugzeuge über glitzerndes Eis und blaues Meer, über firngleißende Berge und über endlose Tundren dahin. Der moderne Mensch überwindet die Naturgewalt kraft seines Geistes und mit den von ihm entwickelten Machtmitteln. Meterdickes Eis zerteilen spielendleicht riesig starke Eisbrecher. Zermalmende Sprengstoffe brechen jede noch so gefährliche Umklammerung, wenn der Sturm das Eis zu Bergen rings um die Schiffe getürmt hat. Gedankenschnell überwindet der Funk jede noch so große Entfernung, schafft Verbindung zwischen jeder noch so weltenfern arbeitenden Expedition oder Wetterstation und jedem anderen Ort der Erde. Der Polarforscher der Neuen Zeit lebt jedenfalls nicht mehr in der Furcht seiner Vorgänger, daß er schließlich doch der 13
Unterlegene sein könnte im Kampf gegen die polaren Gewalten. Sicherlich haben jene früheren Arktispioniere — körperlich wie seelisch — weit mehr dreingeben müssen als der Polarreisende von heute. Es besteht ein sehr großer Unterschied zwischen dem Heute und dem Damals, vergleicht man die dürftige, oft so armselige Ausrüstung der ersten Arktisfahrer oder jener Tollkühnen, die in der Eiswelt des ganz Hohen Nordens überwinterten — meist wider Willen —, mit dem geradezu idealen wissenschaftlichen und sonstigen Rüstzeug, das heute zur Verfügung steht. Waren noch bis zum letzten Weltkrieg die Russen unerreicht, was Planung und Durchführung, Bereitstellung von Personal und Ausrüstung betrifft — so sind nunmehr die Nordamerikaner dabei, in der Polarforschung die erste Stelle einzunehmen. Gewiß wird die Welt in der kommenden Zeit schon überraschende Ergebnisse aus dem friedlichen Wettbewerb der arktischen Forschung aller Länder erwarten dürfen. Die moderne Polarforschung beschäftigt sich mit Fragen der Geographie, Geologie, der Völkerkunde, der Biologie, der Meeres- und Witterungskunde, um nur die wichtigsten Gebiete herauszugreifen. Besonders erregend ist die Ergründung der meteorologischen Erscheinungen der Arktis, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erforschung des Erdmagnetismus stehen. Auf zahlreichen Stationen im arktischen Raum arbeiten zuverlässige Instrumente mit feinsten Meßgenauigkeiten, und von weitreichenden Sendestationen werden ihre Ergebnisse den zentralen Forschungsstätten zugeleitet. Aber auch kartographisch, in der Festlegung des Landkartenbildes, ist alles viel einfacher geworden: Benötigte man früher viele Jahre zur Vermessung unbekannter arktischer Gebiete, so lassen sich heute durch die moderne Luftbildmessung Räume gleich großer Ausdehnung in wenigen Stunden vom Flugzeug aus aufnehmen; nach den gestochen scharfen photographischen Luftbildreihen werden dann die Landkarten mit hoher Zuverlässigkeit und übersichtlich angefertigt.
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Rohstoffkammern in Fern-Nord Bot ursprünglich das wertvolle Pelzgetier den eigentlichen Anreiz zur Auswertung der hochnordischen Zonen, so sind die Pelze längst nicht mehr die zugkräftigste Lockware zur Erschließung der Arktis. Es gibt noch ganz andere Schätze aus den Regionen des Ewigen Eises zu bergen. Hätte man nicht schon an vielen Orten des Polargebietes wertvolle Rohstoffvorkommen ermittelt, so könnte man allein schon aus der erdgeschichtlichen Entwicklung dieser Zonen auf Überraschungen schließen. „Schwarze Diamanten" zum Beispiel gibt es fast überall in der Nordpolarwelt. Man findet die Kohle auf dem kanadischen Baffln-Land, am Mackenzie-River in Nord-Kanada, in Alaska ebenso wie in Sibirien und auf Spitzbergen, in Grönland und auf der Bären-Insel; sogar in dem polnahen Ellesmere-Land — seine Nordküste ist nicht einmal 800 km vom Pol entfernt! Das Ellesmere-Kohlenflöz soll offen zutage liegen. Wo aber Steinkohle zu finden ist, dort gibt es, meist nicht weit entfernt, auch die weniger gehaltvollen Braunkohlen und andere brennbare Stoffe. An vielen Stellen hat man bereits Erdöl ausfindig gemacht, in Kanada, in Alaska und in der eurasischen Arktis. Hier und dort entströmt der Erde Naturgas, das der Verwertung harrt. Heiße Quellen, die gerade in dieser eisigen Welt nicht selten zutage treten, sind für die Beheizung arktischer Siedlungen an Ort und Stelle verwendbar und werden seit alters schon praktisch ausgenutzt. Am Scoresby-Sund in Ost-Grönland kennt man Quellen, deren Wasser bis zu 62 ° C warm ist. Die Arktis aber wartet mit noch begehrenswerteren Dingen auf, nach denen die Industriestaaten der Welt mit großem Eifer fahnden: mit Gold, Silber, Nickel, Kobalt, Kupfer, Zink, Blei, Eisen, Glimmer, Asbest, Graphit, Kryolith und Apatit (aus denen man Aluminium und Phosphate gewinnt), nicht zu vergessen die größten Uranvorkommen der Welt im arktischen Kanada. Ohne Zweifel wird sich, die Arktis noch einmal zu einem Minenzentrum ersten Ranges entwickeln. Aus den immer noch ungenügend durchforschten Urwäldern der nordamerikanischen und eurasischen Subarktis wird man wertvolle Nutzhölzer herausholen können. Entscheidend ist 15
einzig die Frage der Gewinnung, der Veredelung an Ort und Stelle und des Abtransportes, denn an Käufern mangelt es heute und in Zukunft nicht. Die Sowjetunion scheut jedenfalls keine Mittel, sich ihre nordsibirischen Wälder in diesem Sinne nutzbar zu machen. Groß ist der Reichtum der hochnördlichen Meere an tierischem Leben, an Fischen, Pelz und Trantieren. Es ist erwiesen, daß es in der Tiefe der Polarsee unerschöpfliche Vorräte an Stickstoff und Phosphor gibt. Sie sind die Grundelemente für das. Plankton, kleinste pflanzliche und tierische Lebewesen, die von Wind und Strömung zu den
K a r t e d e r P o l a r w e l t mit den Grenzlinien des britischen, US-amerikanischen und sowjetrussischen Sektors, ü b e r den Pol hinweg führen d i e g e p l a n t e n tronsarktischen Fluglinien. Strich-Strich-Linie f o l g t dem Verlauf de Juli-Isotherme", der südlichen Begrenzung
Polarmeeren geschwemmt werden. Ohne dieses Plankton aber ist kein lebendes Wesen in der See existenzfähig. Man kennt in der Arktis Fanggründe, die fast unerschöpflich sind. Im letzten Jahrzehnt begann der Großfischfang sich unter dem Einfluß der Erwärmungsperiode in der Nordpolwelt in zunehmendem Umfang nach Norden zu verlagern. Der festgestellte Temperaturanstieg im Wasser und in der Luft hat eine Anzahl für die menschliche Ernährung besonders wichtiger Fischarten polwärts wandern lassen. Modernste Fischdampfer ziehen ihre schweren Grundschleppnetze durch die eisigen
Eingezeichnet sind d i e nördlichste Ansiedlung der Erde, Etah auf Grönland, die nördlichste Funkstation auf Franz-Joseph-Land, d i e verschiedenen Pole, d i e Nord-West-Passage (durch kleine Vierecke bezeichnet) und d i e Nord-Ost-Passage, der „Sibirische S e e w e g " (durch kleine Kreise angedeutet).
Gewässer der Barents-See nördlich der europäischen Eismeerküste. Hauptsächlich sind es hier die Fanggründe im Raum um die Bären-Insel. Hier werden vornehmlich Kabeljau, Schellfisch und die dem Schellfisch nahverwandten Köhler gefangen. Aus den Vormeeren der Zentral-Arktis ist noch ungeheuer viel an Fett und Tran, an lebenswichtigen Nahrungsmitteln herauszuholen. Es sind die fast unerschöpflichen Reserven der Zukunft. Die arktischen Räume, vor allem die subarktischen Saumlande, die bis vor kurzem als nutzlos und unbesiedelbar galten, müssen heute zu den wichtigsten und ergiebigsten Rohstoffkammern der Erde gezählt werden. Am geläufigsten sind die Beispiele Alaskas, Nord-Kanadas, Nord-Sibiriens und des äußersten Nord-Europa. Der tote Raum dieser Landgebiete erhält jedoch erst durch den Menschen, durch seine wohlbedachte und gründliche Arbeit Bedeutung und Wert. Die Suche nach den natürlichen Reichtümern wird, anders als in der frühen Pionierzeit, mit kluger Überlegung und gestützt auf die vielfältigen technischen Hilfsmittel vor sich gehen.
N e u l a n d in arktisdien Zonen Die weiße Menschheit rückt also immer noch nach Norden vor. Sie hat im Laufe ihrer langen Geschichte die Grenze des für bewohnbar gehaltenen Raumes dem Nordpol schon um viele Breitengrade näher gebracht. Für den römischen Geschichtsschreiber Tacitus waren die Länder nördlich der Alpen noch rauh und unwirtlich und gerade für die „Barbaren" gut genug. Mitteleuropa galt den südländischen Römern als „Hoher Norden". Wir aber sind gewohnt, bei dem Begriff „Hoher Norden" mindestens an die Polareskimos zu denken. War den Römern Italien mit dem Mittelmeerraum Mittelpunkt der Kultur, so hat sich der Kulturraum längst in weit nördlichere Räume ausgedehnt, die damals noch regelrechte Wildnis waren. Ebenso ist es denkbar, daß in einem ähnlichen Vordringen einmal große Teile der hochnordischen Zonen nördlich des Arktischen Kreises einer dichteren Besiedlung erschlossen werden. Schon macht man sich daran, 18
die letzten noch vorhandenen Leerräume zu kultivieren. Heute wird die Bevölkerung der Erde, die um das Jahr 1800 etwa eine Milliarde Menschen zählte, auf mehr als das Doppelte geschätzt. Neue Möglichkeiten für die Ernährung dieser Menschenmassen müssen gefunden werden. Die Frage wird laut, ob die Räume des fernen Nordens dafür herangezogen werden können. Viele Vorurteile all derer, die das Nordpolargebiet nicht aus eigener Anschauung kennen, sind freilich noch auszuräumen. Mit Vorteil läßt sich die Zucht von Rentieren und arktischen Wildrindern in den riesigen Grasländern, den Tundren des Hohen Nordens, Eurasiens und Nordamerikas, entwickeln. Vielleicht werden diese Gebiete dadurch einmal zu Fleischkammern der Menschheit. Es sind natürliche Weidegründe, diese Gras-Lande, keine üppigen freilich, aber doch sehr ausgedehnte. Das hört sich recht phantasievoll an; und man fragt sich, weshalb man sie bisher so gut wie überhaupt nicht genutzt hat. Nun — man hat es einfach nicht gewußt. Wer weiß zum Beispiel, daß aus den in den Jahren 1892 bis 1902 durch die nordamerikanische Regierung aus Sibirien versuchsweise nach Alaska eingeführten 1280 Zucht-Rentieren inzwischen mehr als eine Million geworden ist! Kaum bekannt ist in Europa, daß das köstlich fette Fleisch vieler Tausender geschlachteter Rene auf dem amerikanischen Markt reißenden Absatz findet. In Nordeuropa aber wurde Renfleisch schon immer mit Vorliebe gegessen; ja, man betrachtet es dortzulande als Delikatesse und bezahlt gern mehr dafür' als für das beste Rindfleisch. So darf man es für möglich halten, daß in nicht einmal allzuferner Zukunft Alaska IV4 Millionen, Kanada aber das Zehnfache jährlich an Schlacht-Renen liefern können. Zur Unterhaltung solcher Millionenherden gibt es in den hochnordischen Gebieten dieser Länder, die bisher überhaupt nicht ausgewertet sind, Raum und Futter mehr als genug. Die Rene, diese zähen und unglaublich genügsamen Polartiere, verlangen weder Ställe noch anderes Futter als das der natürlichen Wildweiden — das gilt auch für den Winter —, noch auch eine irgendwie umständliche Wartung. Gelänge die Zähmung und Züchtung des arktischen Wildrindes — es ist ein typisches Polar-Landtier und wird irre19
führend „Moschusochse" genannt —, die in Alaska mit Erfolg eingeleitet wurde, so wäre die Menschheit um eine weitere vorzügliche Fleischsorte reicher. Auf seinen Expeditionen hat der Verfasser, der dieses Arktisheft schrieb, oft Gelegenheit gehabt, das Fleisch des Arktisrindes und das des Rens zu kosten; nach diesen Proben bestätigt er gern, daß beides ausgezeichnet schmeckt. Ren wie Wildrind bedürfen keiner organisierten Fütterung und keiner Ställe. Beiden Tieren geben die Pflanzen der Tundren Nahrung genug. Wenn die Besiedlung weiter nach Norden ausgedehnt werden sollte, dann können Zucht und Haltung von Ren- und Polarrinderherden kaum hoch genug eingeschätzt werden. Wenn von den „kalten" Zonen die Rede ist, ist wenigen bekannt, daß im Polarsommer unter dem Einfluß der durch viele Wochen nicht unterbrochenen Bestrahlung — es gibt sommers ja keine Nacht! — die von der Sonne eingestrahlte Wärmemenge über dem Arktischen Kreis je Flächeneinheit größer ist als am Äquator. Zu dieser Zeit mißt man in hochnordischen Breiten, wie etwa im Yukontal in Alaska, Temperaturen von mehr als 30 ° C im Schatten. Im Sommer 1937 erlebte der Verfasser auf einer Expedition im nordostgrönländischen Küstengebiet auf 74° nördlicher Breite Temperaturen von 34° C in der Sonne. Freilich kann es im Winter auch Kältegrade von 50 ° C und mehr geben. Übrigens ist die Polarkälte — bei geeigneter Bekleidung — recht gut zu ertragen. Nur wenn der Wind geht, wird eine solche Kälte ungemütlich. Im übrigen konserviert die Kälte vorzüglich. Sie hält gesund; das arktische Klima bekommt dem Menschen weit besser als das feuchtheiße Klima der Tropen. Daher gedeihen im Hohen Norden noch mancherlei Erdfrüchte recht gut, besonders die in jüngster Zeit eigens gezüchteten „arktisharten" Nutzpflanzensorten. Im nördlichsten Europa z. B., weit hinter dem Arktischen Kreis, reifen Gerste, Hafer, Kartoffeln und Gemüse. Allerdings muß man frostbeständige Arten anbauen, da auch im Sommer zuweilen starke Nachtfröste auftreten. Dank dem Golfstrom finden sich gerade im nordnorwegischen Eismeerland die nördlichsten Punkte der Getreideanbaugrenze. Ganz gewiß lassen sich im Hohen Norden noch große Gebiete landwirtschaftlich viel besser ausnutzen als das bisher geschah, wenn sich der Mensch 20
J
den Das die und
besonderen klimatischen Bedingungen nur richtig anpaßt. gilt vor allem für die subarktischen Randräume, in denen Tundren, die Gras-Lande, allmählich in die Waldzonen in die dichter bewachsene Steppenlandschaft übergehen.
Auf den Polarstreifen A B treffen v i e l w e n i g e r Sonnenstrahlen als auf d i e gleiche Fläche AI B 2 am Ä q u a t o r . Da a b e r die Sonneneinstrahlung am Pol v i e l e Wochen lang Tag und Nacht nicht unterbrochen w i r d , ist es auch in den Polargebieten oft recht w a r m . A u f der Zeichnung ist es in der Arktis Tag und in der Antarktis Nacht. Kein Sonnenstrahl erreicht, w i e man deutlich erkennt, in der Zeit, in der es in der Arktis Tag ist, das - G e b i e t um den S ü d p o l .
Die größte Schwierigkeit für das Vorgehen in die menschenleeren polaren Räume ist wohl der Mangel an entschlossenen Pionieren, an Menschen, die Kraft und Wagemut aufbringen, dieses koloniale Neuland zu gewinnen. Auf manche liebgewordene Annehmlichkeiten der Zivilisation muß natürlich 21
verzichtet werden; ein gewiß härteres, doch darum nicht weniger glückliches Leben in einer weiträumigen und urwüchsigen Landschaft wird dagegen eingetauscht. Im Fernen Norden gibt es noch jene Ellbogenfreiheit, wie sie kaum sonst auf der Erde zu finden ist. Könnten die Großmächte der Arktis ihre Vorurteile gegen Einwanderer beiseite lassen und für eine solche Besiedlung genügend Mittel bereitstellen, so würden sich wahrscheinlich viele Kolonisationspioniere finden. Für eine planvolle Besiedlung des subarktischen Nordens wird freilich durch Forschung und Experiment noch mancherlei wohlbedachte Vorarbeit geleistet werden müssen. Doch —• dieser Einsatz lohnt gewiß.
Transarktis-Luftlinien der Zukunft Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts begann man zu erkennen, wie außerordentlich groß der Einfluß der Arktis auf das Klima des gesamten nördlichen Teiles der Erde ist. Der Eis-Norden hat sich als eine große „Wetterküche" erwiesen. Ohne ein dichtmaschiges Netz nordpolarer Wetterstationen und deren regelmäßig gesendeten Berichte ist eine ausreichende Wettervorhersage für unsere Zonen heute nicht mehr denkbar. Vor dem ersten Weltkriege noch konnte man die Zahl der beständig unterhaltenen arktischen Funkwetterwarten ungefähr an den Fingern zweier Hände aufzählen. Heute sind es mehrere hundert, doch immer noch nicht genug, und gewiß zu wenig für einen gesicherten Luftverkehr über der Zentral-Arktis. Seit dem ersten geglückten Transarktisflug mit dem Luftschiff „Norge", in dem Amundsen, Nobile und Ellsworth im Mai 1926 in 46 Stunden die 2400 km lange Strecke von Spitzbergen bis Alaska durchflogen, hat die Erde dieser Zonen ein neues Gesicht erhalten. Diese Fahrt erwies zum ersten Male, daß die Arktis eine Durchfahrtstraße der Menschheit sein könnte; sie hat die beiden Großkontinente Eurasien und Nordamerika sozusagen zu Nachbarn des Pols gemacht. Wollte der Europäer bisher nach Asien reisen, so war es selbstver22
ständlich, daß er entweder westwärts oder ostwärts fuhr. Daß man Asien von Europa aus auch auf Nordkurs erreichen kann, war für die meisten eine Überraschung. Die Verwirklichung dieses Reisekurses in jüngster Zeit setzt einen Gedanken in die Tat um, den schon die Indiensucher zu Beginn der Neuzeit erwogen hatten. Unablässig hatte man um die nördlichen Seewege zwischen den nördlichen Erdteilen gerungen, bis die Beherrschung des Luftraumes durch Flugzeug und Luftschiff diese neuen Wege vor zwei Jahrzehnten erschloß. Die Gestalt der Erdoberfläche vermag dem Verkehr nunmehr kaum noch eine Grenze zu setzen. Riesige Ozeane, himmelanstrebende Gebirge, endlose Eis- und Schneeflächen und die weiten Ödzonen der Tundren und Steppen im höchsten Norden werden spielend überwunden. Schon strebt der Mensch in seinem rastlosen Fortschrittsdrang nach neuen, noch kürzeren Wegen, nach noch schnelleren Verkehrsmitteln, um die Abstände zwischen den Zentren der Macht, des Handels und der Wirtschaft immer mehr zu verringern. Will man heute zwei Orte auf der Erde auf dem kürzesten Weg verbinden, so wählt man den Luftweg. Will man die Reisewege noch weiter verkürzen, so kann das durch die Erhöhung der Fluggeschwindigkeit geschehen. Doch eröffnet sich noch eine weitere Möglichkeit, wie ein aufmerksamer Vergleich von Globus und Weltkarte ergibt. Die gewöhnliche Weltkarte ist nichts anderes als ein abgerollter Zylinder, auf dem die Längen- und Breitengrade ein Netzwerk von genau gleichen Rechtecken bilden. Auf dem Globus laufen dagegen die Längengrade vom Äquator an in einem Winkel aufeinander zu, bis sie sich in den Polen treffen. Die Breitenkreise werden immer kleiner; der letzte ist nur noch ein Punkt: der Nordpol selbst! Um nach einer Weltkarte von Mitteleuropa nach Alaska zu reisen, müßte man sich in polwärts leicht ansteigender, nordwestlicher oder nordöstlicher Richtung halten. Richten wir uns dagegen nach dem Globus, so finden wir, daß der nächste Weg von Zentraleuropa nach Nordwestamerika fast genau den Nordpol anschneiden müßte. Wer die kürzeste Verbindungslinie von London zur australischen Hauptstadt Canberra sucht, findet sie auf der Weltkarte viel stärker südöstlich geneigt als auf dem Globus. Auch die schnellste Verbindung 23
zwischen Rußland und Nordamerika wäre über dem Arktischen Ozean zu suchen. Die Weltfluglinien der Zukunft werden nicht mehr auf Karten, sondern auf dem Globus eingezeichnet. Einzig auf dieser Miniaturweltkugel kann man die wirkliche Lage der Erdteile und bestimmter Orte zueinander in den richtigen Maßen erkennen. Man muß also die kürzesten Kurse ausfindig machen, um die Reisezeiten auf ein möglichst geringes Maß zu verringern. Diese nächsten und schnellsten Kurse aber liegen auf den „Linien der größten Kreise", die sich über den Globus spannen. Betrachten wir einmal zwei Punkte, die auf dem gleichen Breitengrad liegen: Je weiter sie voneinander, entfernt sind, um so näher rückt der kürzeste Verbindungsweg zwischen ihnen an den Pol heran. So muß der kürzeste Weg zwischen Boston und Peking auf einem Kreisbogen entlangführen, der fast genau über den Pol hinweggeht. Natürlich werden nicht alle nächsten Wege zwischen den großen Nervenzentren der Weltmächte unmittelbar über den Pol führen; auch viele Luftwege, die circumpolar, d.h. am Rande des Zentralarktischen Meeres entlanggehen, sind oft erheblich kürzer als manche der Verkehrslinien, die bisher zu Land, über See und in der Luft eingehalten wurden. Deshalb will man eine beabsichtigte Linie Kanada—Nordostasien von Edmonton in Kanada über Fairbanks in Alaska weiter über die Inselkette der Aleuten und Kurilen führen. Zwischen Europa und Amerika aber stellt die „Arktische Linie": Faröer —Island—Grönland—Neufundland die natürliche Landbrücke mit vielen Brückenpfeilern dar. Dieser Kurs wird seit undenklichen Zeiten aus einem natürlichen Instinkt heraus von den Zugvögeln bei der Überquerung des Atlantiks gewählt. Diesen Flugweg erforschte und erprobte auch der deutsche Wolfgang von Gronau in den Jahren 1930 und 1932 auf seinen Pionierflügen. Schon vor dem 2. Weltkrieg wurde zwischen Europa und Nordamerika die kürzeste Linie über Irland— Neufundland — der sogenannte „Wikinger-Kurs" — regelmäßig beflogen. Die Luftlinien über die zentrale Arktis und über die große Landklammer an ihren Säumen hinweg verringern also die Entfernungen zwischen einer Reihe der wichtigsten Machtmittelpunkte und Wirtschaftsgebiete der Welt, die ja zum allergrößten Teil auf der nördlichen Welthälfte liegen, um 24
ansehnliche Zeiten. Eine transarktische Linie Moskau—San Franzisko ist gegenüber der transatlantischen um fast 2000 km kürzer (9980 gegen 11 970 km). Der Flugweg Tokio—New York über Hawaii und San Franzisko, anscheinend die kürzeste Verbindung zwischen den beiden größten Städten der Erde, würde — da sie fast genau einem Längengrad folgt — in der transarktischen Verbindung über Jakutsk—Grant Land—Kap Chidley noch um 2000 km kürzer sein. Auf dem Gebiet des polaren Verkehrswesens stehen die Russen zur Zeit offenbar an der Spitze. Als größten Anliegern des Nordpolargebietes liegt die zeitliche und räumliche Verkürzung des Verkehrs in der Arktis in ihrem besonderen Interesse. Die Pionierflüge Tschkalows, der 1937 in 63V2 Stunden über das Polargebiet hinweg von Moskau nach Oakland in den USA flog und Gromovs Ohnehaltflug über rund 10 000 km, von Moskau nach San Jacinto in Kalifornien, sind noch in Erinnerung. Aber auch die US-Amerikaner sind dabei, sich in stärkstem Maße für die Arktis zu interessieren. In einer friedlichen Entwicklung aller an der Arktis interessierten Nationen wäre hier viel zu erwarten. Die größten Schwierigkeiten sind bereits beseitigt. Die transarktischen Luftverkehrslinien werden heute schon mit einem ausreichenden Sicherheitsgrad beflogen. Nach den neuesten Erfahrungen bereiten die Flugbedingungen in den Zonen des Ewigen Eises nicht mehr so große Hindernisse, wie man noch vor ein paar Jahren annahm. Eis und Kälte sind an sich noch keine unmittelbare Gefahr für ein Flugzeug. Die gefährliche Temperatur liegt in der Nähe des Gefrierpunktes; die Feuchtigkeit der Luft schlägt sich dann als Eis auf Tragflächen und Luftschrauben nieder und gefährdet so die Flugsicherheit. Indes pflegen diese kritischen Temperaturen in den fernnordischen Zonen nur während verhältnismäßig kurzer Zeit aufzutreten. Auf der anderen Seite verringern die sehr niedrigen Temperaturen die Nebelgefahr und begünstigen die Sicht. Im Polarsommer ist die ununterbrochene Tageshelle dem Luftverkehr förderlich, während der Polarwinter 'wieder ungünstigere Bedingungen mit sich bringt. Wie sehr überlegen die Luftverkehrsmittel gegenüber den bisher in der Arktis gebräuchlichen Transportmitteln — Eisbrechern, Fangschiffen, Motor- und Hundeschlitten — sind, ergibt sich allein daraus, daß heute Strecken in Stundenfrist 25
bewältigt werden, zu denen der Polarreisende früher mindestens ebensoviel Monate, wenn nicht noch mehr benötigte. Und nicht immer kam er überhaupt zu seinem Ziel. Doch wird der Forscher Schiff, Eisbrecher und Schlitten auch in Zukunft nicht entbehren können. Eine große nordamerikanische „Fliegende Festung" — sie führte den Namen „Traumland" — bezwang vor Jahren in friedlichem Fluge die ungeheure Strecke von Hawaii über den Pol hinweg nach Kairo in Ägypten. Auch die Neue Welt hat — das beweist dieser Rekordflug — die großen Vorteile transarktischer Luftlinien erkannt und nimmt stärksten Anteil an der Schaffung weiterer schneller Luftlinien zwischen hüben und drüben.
D i e Herren der Arktis Das Bemühen der großen Weltmächte um die Einrichtung eines ausreichend dichten Netzes geeigneter Stützpunkte für Funkwetterwarten, Flugplätze, Betriebsstoff- und Ausrüstungsdepots, in den noch wenig bekannten Räumen der Nordpolarwelt, hat in vollem Umfange eingesetzt. Für den regelmäßigen und vor allem höchst gesicherten transpolaren Luftverkehr aber ist jedes feste Land, jede noch so kleine öde Insel in dem immerwährenden Geschiebe der Eismassen des großen Nördlichen Ozeans nicht zu entbehren. Kurz nach dem ersten Weltkriege teilten einige Mächte die letzten Gebiete im Hohen Norden unseres Planeten, die bis dahin immer noch Niemandsland gewesen waren, in mehr oder minder wohlwollender Vereinbarung unter sich auf. Man einigte sich kurzerhand auf sogenannte „Sektoren", die wie Kuchenstücke aus dem Kreis rings um den Pol herausgeschnitten wurden. Zu jedem „Sektor" gehört alles Gebiet, Land sowohl wie Meer, das zwischen dem Nordpol, den Eismeerküsten des betreffenden Staatsgebietes und den diese Küste begrenzenden westlichen bzw. östlichen Längengraden liegt. Die Sowjetunion ist entsprechend ihren weit auseinanderliegenden äußersten Küsten-Grenzpunkten der mächtigste Nachbar des Nordpols. Ihr „Sektor" umspannt fast die Hälfte des gesamten arktischen Raumes, wie man aus der Karte 26
auf Seite 16/17 ersehen kann. Verbissen und zäh, mit großem, unermüdlichem Schwung, unter einem ungewöhnlichen Einsatz an Menschen und Material, gehen die Russen in ihrem Polarreich zu Werk. Aber auch die Kanadier auf der anderen Erdseite durchdringen die arktischen Gebiete nördlich ihres Festlandes in ständigem Fortschritt. Sie gehen bedächtiger, überlegter vor; ihr Sektor, den sie zu ihrem Hoheitsgebiet erklärt haben, umfaßt nahezu ein Viertel der arktischen Welt. Das arktische Interessengebiet der US-Amerikaner liegt nördlich ihres Territoriums Alaska. Da sie wissen, daß eine gründliche wissenschaftliche Durchforschung der Arktis die unerläßliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Erschließung ist, haben sie sich seit dem Kriegsende mit einem bisher nicht erreichten Aufwand an Wissenschaftlern und technischen Einrichtungen den arktischen Problemen zugewandt. Dänen und Norweger, die ebenfalls arktische Besitzungen haben —• jene Grönland, diese Svalbard, das ist Spitzbergen mit der BärenInsel und Jan Mayen —, haben bisher darauf verzichtet, auf Grund ihrer Anrainer-Interessen eigene Sektoren zu beanspruchen. Sie wissen, daß ihnen die menschlichen und materiellen Hilfsmittel zur Forschung nicht im gleichen Maße zur Verfügung stehen wie den drei Großen der Arktis, der Sowjetunion, Kanada und den USA.
So ist der Große Weiße Norden ein Erdraum großer Zukunft geworden; wir stehen geradezu in einem neuen Abschnitt seiner Bezwingung. Wir dürfen erwarten, daß dieser Norden uns bald schon viel neue, vielleicht sogar überraschende Geheimnisse enthüllen wird. Und wir werden vielleicht die Zeugen sein . . .
27
D i e Pole der Arktis
Der geographische Pol, auch mathematischer oder astronomischer Pol genannt; es ist der Ort, in dem die Meridiane, die Längengrade, zusammenlaufen. Der Breitengrad, auf dem der Nordpol liegt, ist zu einem Punkt zusammengeschrumpft. Der geographische Pol liegt inmitten von Wasser und Eis. Dem Mittelpunkt der Erde liegt er wegen der Abplattung an den Polen um 21,5 km näher als irgendein Ort im Bereich des Äquators, wenn man für Pol und Äquator die Meereshöhe zugrunde
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Manni
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legt. — Als erste erreichten den geographischen Nordpol: der Nordamerikaner Robert Edwin P e a r y , der mit Hundeschlitten am 7. April 1909 bis zum Pol vorgedrungen sein soll; doch werden seine Angaben von namhaften Sachverständigen stark angezweifelt; — der Nordamerikaner Richard Evelyn B y r d , der am 9. Mai 1926 mit Floyd Bennett von Spitzbergen aus im Flugzeug zum Nordpol und zurück flog; — der Norweger Roald-A m u n d s e n , der am 12. Mai 1926 mit Ellsworth und Nobile in einem halbstarren italienischen Luftschiff von Spitzbergen aus über den Pol nach Alaska flog. — In der Folge ist der Pol dann oftmals erreicht worden. 28
Der magnetische
Pol
ist der Ort, auf den die Kompaßnadel einrückt. Genau genommen ist er jener Punkt auf der Erde, an dem die freihängende Magnetnadel lotrecht auf den Mittelpunkt der Erde hinweist. James Clarke Roß entdeckte ihn im Jahre 1831 auf der Halbinsel Boothia Felix an der kanadischen Eismeerküste. Er liegt etwa 2200 km vom geographischen Pol entfernt, auf 70° 30' nördlicher Breite und 97 ° 40' westlicher Länge. Übrigens ändert der magnetische Pol seinen Ort. Nach Angaben britischer Flugzeugführer soll er vor wenigen Jahren 500 km weiter nördlich festgestellt worden sein. Bisher war nur bekannt, daß die Änderungen recht geringfügig seien. Der
Kälte-Pol
liegt dort, wo die absolut tiefsten Temperaturen auftreten. Er ist im nordöstlichen Sibirien bei W e r c h o j a n s k festgestellt worden. Im Jahresmittel werden hier —16,3 ° C gemessen. Die tiefste Temperatur liegt bei —70 ° C. Sie tritt im Januar auf. Der Pol der U n z u g ä n g l i c h k e i t ist der Punkt in den Eiswüsten der nordpolaren Meere, der am schwierigsten zu erreichen ist. Nach Berechnungen des bekannten kanadischen Polarforschers Stefansson liegt er zwischen dem Nordpol und Alaska in bisher völlig unerforschtem Gebiet auf 83,50 ° nördlicher Breite und 160 ° westlicher Länge.
Die
nördlichsten
Spitzen
der
Kontinente
Eurasiern Kap Tscheljuskin (77° 29' n. Br.) Nordamerika: Fort Roß (73° 54' n. Br.) Nördlichste Landspitze überhaupt: Kap Morris Jesup (NordGrönland; 83 ° 38' n. Br.) 29
Nördlichste
Wohngebiete
Die polnächste Ansiedlung ist Etah in Nordwest-Grönland, ein Polareskimo-Ort. Die höchst-nördliche, stets besetzte Funkwetterwarte (sowjetrussisch) liegt auf Kronprinz-Rudolf Land, dem nördlichsten Eiland des Franz-Joseph-Archipels, auf 81 ° 48' n. Br. Von den Randgebieten des Arktischen Ozeans am stärksten besiedelt und mit weitaus günstigsten Bedingungen für eine weitere Kolonisierung stehen dank dem natürlichen „Warmwasserspeicher" Golfstrom an erster Stelle die europäischen Eismeer-Lande: die nördlich des Arktischen Kreises gelegenen Teile Norwegens, Finnlands und Schwedens.
Die T i e r w e l t der A r k t i s Erstaunlich viele Arten jagdbarer Säugetiere finden sich im Meer (Wal, Walroß, Eisbär, Robbe, Seebär) und an Land (Ren, Polarrind, Eisfuchs, Eishase, Hermelin, Polarwolf, Vielfraß, um nur die wichtigsten anzuführen), hinzu kommen noch viele andere, die als Bewohner der Subarktis anzusehen sind. Zahlreich vertreten ist auch das nutzbare Flugwild (u. a. Schwan, Ente, Eiderente, Gans, Alk, Lumme, Taucher). Viele Nutzfischarten sind bekannt (u. a. Dorsch, Köhler, Lachs). Zu den Tierbewohnern der Arktis gehören u. a. auch Bienen, Käfer, Schmetterlinge, Spinnen und die überaus unangenehmen Stechmücken.
Die
arktische
Pflanzenwelt
In der eigentlichen Arktis hat man rund 400 Blütenpflanzen gezählt, Bäume gibt es nicht; nur kniehohes Strauchwerk (Polar-Birke, Weidenarten, Strauchwacholder). — In der Subarktis finden sich richtige Wälder mit zwar langsam wachsendem, dafür aber um so wertvollerem Holz (hauptsächlich Birke, Nadelhölzer, auch Pappel und Espe). 30
Empfehlenswerte
Bücher
über
die
Arktis
Breitfuß, Das Nordpolgebiet, Berlin 1943. Hermann, Wege zum Nordpol. Nansen, In Nacht und Eis, Leipzig 1897. Pantenburg: Arktis, Besitznahme und Nutzung der Pol-Lande, Düsseldorf 1947. Stefansson, Neuland im Norden, Leipzig 1928.
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