Steffen Greubel: Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor. Empfehlungen zur Methodenselektion und -erweiterung am Beispiel großer Finanzdienstleistungsunternehmen auf Basis einer empirischen Untersuchung ISBN 978-3-86618-192-2, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2007, 333 S., € 32.80
"Was wir in diesem Zeitalter des radikalen Wandels benötigen, ist der Gebrauch von Vorhersagen als einen Weg, um Zeit zu kaufen. Um die Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandhabbar werden und um die Gelegenheit zu erfassen, bevor sie verloren sind." Ian Wilson Die Analyse und die Vorhersage von Entwicklungen der Unternehmensumwelt sind von hoher strategischer Bedeutung. Die Passgenauigkeit der einschlägigen Antizipationsmethoden auf die einzelnen Umweltsegmente unter der Berücksichtigung von Branchenspezifika ist aber weitgehend unerforscht In einer empirischen Untersuchung, an der 187 große deutsche Finanzdienstleister teilnahmen, wurden u.a. Turbulenzniveau der einzelnen Umweltsegmente sowie Eignung und Anwendung von 16 Antizipationsmethoden getestet. Die Ergebnisse wurden mit der theoretischen Konzeption und den Individualcharakteristika der einzelnen Teilumwelten (makro-ökonomische, politisch-rechtliche, technologische, soziokulturelle) abgeglichen. Insbesondere der Bedarf nach Erweiterungsmöglichkeiten zur Verarbeitung der in strategischen Kontexten vorherrschenden unbestimmten Informationen ergab sich sowohl aus Empirie als auch aus der Theorie. Mittels eines multikriteriellen Scoring-Modells wurden auf dieser Basis die am besten geeigneten Methoden für Finanzdienstleister selektiert. Für die notwendige MethodenErweiterungen ist das Konzept der Fuzzy-Logic als zentrales Ergänzungselement dargestellt und konkret auf die Methodenselektion angewendet. Schlüsselwörter:
Strategisches Management, Strategische Planung, Umweltanalyse, Finanzdienstleistungen, Antizipationsmethoden, Fuzzy-Logic
Dr. Steffen Greubel wurde im Juli 1973 in Werneck geboren. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke begann er im Jahr 2000 als Unternehmensberater bei McKinsey&Company. Von 2003 bis 2007 promovierte er am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation an der Otto-vonGuericke Universität Magdeburg.
Steffen Greubel
Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor Empfehlungen zur Methodenselektion und -erweiterung am Beispiel großer Finanzdienstleistungsunternehmen auf Basis einer empirischen Untersuchung
Rainer Hampp Verlag
München und Mering
2007
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DOI 10.1688/9783866181922 ISBN: 978-3-8618-192-2 1. Auflage, 2007 © 2007
Rainer Hampp Verlag Meringerzeller Str. 10
München und Mering D – 86415 Mering
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Für meine Eltern
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2007 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als Dissertation angenommen.
Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Spengler, der die Fertigstellung der Arbeit in vielfältiger Weise gefördert und mich stets durch konstruktive Anregungen und stete Gesprächsbereitschaft unterstützt hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Bodo Vogt für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.
Ich danke meiner lieben Freundin Henni für ihre herzliche Unterstützung. Sie hat durch ihre Geduld, ihr germanistisches Feingefühl und ihre aufmunternde Unterstützung vor allem in der Zeit der Disputationsvorbereitung einen erheblichen Beitrag geleistet.
Besonders herzlicher Dank gebührt meinen Eltern Helga und Bernd, denen ich dieses Buch widme. Ihre uneingeschränkte Förderung meiner Ausbildung und ihre liebevolle Unterstützung hat die Anfertigung der vorliegenden Arbeit erst ermöglicht.
Berlin, den 15. Oktober 2007
Steffen Greubel
GELEITWORT Seit einigen Jahren wird verstärkt auf eine stark zunehmende Komplexität, Kontingenz und Dynamik der betrieblichen Umwelt hingewiesen, die sich u.a. in Globalisierungstendenzen der Wirtschaft, in einer rasanten Entwicklung des technischen Fortschritts sowie in Umwälzungen hinsichtlich politisch-rechtlicher und sozio-kultureller Rahmenbedingungen äußern. Von der Wirtschaftswissenschaft wird traditionell empfohlen, den mit solchen Entwicklungen einhergehenden Umweltturbulenzen durch strategisches Management bzw. mit strategischer Planung zu begegnen, damit sich der Betrieb frühzeitig auf alternative Szenarien vorbereiten, wesentliche Chancen nutzen sowie Bedrohungen abwenden und Zukunft aktiv gestalten kann. Zur ökonomisch legitimierbaren Konzipierung, Evaluation und Selektion von Strategien ist die Analyse der Unternehmensumwelt erforderlich, und zwar in Bezug auf vergangene, aktuelle sowie zukünftige Entwicklungen. Dabei gestaltet sich vor allem die Antizipation der technologischen, der makroökonomischen, der politisch-rechtlichen sowie der sozio-kulturellen Umwelt schwierig. Von den drei grundsätzlichen Antizipationsformen Prognose, Projektion und Prophezeiung sind vor allem die ersten beiden (wirtschafts-) wissenschaftlich einschlägig. Hierzu wurde in der Vergangenheit eine kaum übersehbare Fülle von Verfahren, Modellen und Methoden entwickelt. Einer der wesentlichen volkswirtschaftlichen Sektoren ist die Dienstleistungsbranche und innerhalb derer der Finanzdienstleistungssektor. Während die oben angesprochenen Antizipationsverfahren in der Literatur vielfach in allgemeiner Form dargestellt werden, fehlt bis dato eine fundierte Analyse solcher Methoden im Bereich der Finanzdienstleister. Diese Lücke zu schließen und auf Basis empirischer Analysen Handlungsempfehlungen für die Methodenevaluation, -selektion und -erweiterung abzuleiten ist vorrangiges Ziel der Dissertationsschrift von Herrn Greubel. Die von ihm gewählte Vorgehensweise, aus konzeptionellen und theoretischen sowie empirisch getesteten Vorüberlegungen Gestaltungsempfehlungen abzuleiten, steht in bester wirtschaftswissenschaftlicher Tradition. Die Arbeit beeindruckt durch eine Fülle interessanter Ergebnisse. Dazu zählt nicht zuletzt die Erkenntnis, dass die beiden für Finanzdienstleister besonders geeigneten Verbundverfahren (nämlich Szenario-Technik und Früherkennungssysteme) hinsichtlich der Berücksichtigung und Verarbeitung unbestimmter Informationen bislang defizitär sind und diese Defizite durch Fuzzy Logic abgebaut werden können. Ich wünsche der Arbeit die ihr gebührende Verbreitung. Magdeburg, im Herbst 2007
Prof. Dr. Thomas Spengler
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
VII
TABELLENVERZEICHNIS
X
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
XI
I. EINFÜHRUNG
1
1. Grundlegende Problemstellung ........................................................................................ 1 2. Zielsetzung der Arbeit ....................................................................................................... 3 3. Aufbau der Arbeit.............................................................................................................. 5
II. ZUM SYSTEMATISCHEN UMGANG VON UNTERNEHMEN MIT KOMPLEXITÄT, DYNAMIK UND KONTINGENZ IHRER UMWELT
8
1. Das System Unternehmen - systemtheoretische Einführung......................................... 8 2. Charakterisierung der Unternehmensumwelt .............................................................. 11 2.1
Abgrenzung von Unternehmen und Unternehmensumwelt ....................................... 11
2.2
Elemente der Unternehmensumwelt .......................................................................... 14
2.3
Attribute der Unternehmensumwelt ........................................................................... 19
3. Die Bedeutung der Unternehmensumwelt für das Strategische Management .......... 21 3.1
Elementarkategorien des Strategischen Managements .............................................. 21
3.1.1 Begriff................................................................................................................... 22 3.1.2 Entstehung ............................................................................................................ 24 3.1.3 Aufgabenspektrum................................................................................................ 25
I
3.2
Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements ...................... 28
3.3
Die Analyse der Unternehmensumwelt als Kernelement der Strategischen Analyse....................................................................................................................... 33
3.3.1 Die Analyse der Aufgabenumwelt........................................................................ 37 3.3.2 Die Analyse der allgemeinen Umwelt .................................................................. 46
III. FINANZDIENSTLEISTUNGSUNTERNEHMEN – EINE CHARAKTERISIERUNG UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG IHRER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
49
1. Definitorische Grundlagen zum Themenkomplex Dienstleistungsunternehmen ...... 49 1.1
Zum Terminus der Dienstleistung.............................................................................. 49
1.2
Struktur des Dienstleistungssektors............................................................................ 55
2. Finanzdienstleister als typische Dienstleistungsunternehmen..................................... 62 2.1
Auswahl und Eignung von Finanzdienstleistern als typische Dienstleistungsunternehmen ...................................................................................... 63
2.2
Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche ........................................... 71
3. Outside-In-Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern......................................................................................................... 80 3.1
Inhaltliche Ausgestaltung der Elemente der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern............................................................................................. 81
3.2
Attribute der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern .............. 98
IV. METHODEN ZUR ANTIZIPATION VON ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT FÜR FINANZDIENSTLEISTER
112
1. Grundlegende Problematiken bei der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt .............................................................................. 112 1.1
Charakter von strategischen Informationen ............................................................. 113
1.2
Diskontinuitäten in der Unternehmensumwelt......................................................... 115 II
2. Übersicht der Methoden zur Antizipation von Entwicklung der allgemeinen Unternehmensumwelt.................................................................................................... 119 2.1
Quantitative Methoden ............................................................................................. 120
2.1.1 Zeitreihenanalysen .............................................................................................. 121 2.1.2 Regressionsmethoden ......................................................................................... 126 2.1.3 Strukturmodellgestützte Methoden..................................................................... 130 2.2
Qualitative Methoden ............................................................................................... 134
2.2.1 Explorative Methoden......................................................................................... 135 2.2.2 Normative Methoden .......................................................................................... 138 2.3
Verbundmethoden .................................................................................................... 139
2.3.1 Strategische Frühaufklärung ............................................................................... 139 2.3.1.1
Das Ansoff´sche Konzept der schwachen Signale als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung
140
2.3.1.2
Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz
147
2.3.1.3
Die Evolution der Strategischen Frühaufklärung
151
2.3.1.4
Prozess der Strategischen Frühaufklärung
156
2.3.1.5
Kernelemente der Strategischen Frühaufklärung
158
2.3.2 Szenario-Analyse ................................................................................................ 165 2.3.2.1
Grundlagen und begriffliche Abgrenzung
166
2.3.2.2
Phasen bei der Anwendung der Szenario-Analyse
169
2.3.2.3
Ausgewählte Instrumente der Szenario-Analyse
174
2.3.3 Trendforschung................................................................................................... 182
V. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ÜBER DIE ANWENDUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN IN DER FINANZDIENSTLEISTUNGSPRAXIS
187
1. Zusammenfassung der in den theoretischen Abschnitten dargestellten Annahmen über Umweltsituation von Finanzdienstleistern und geeignete Antizipationsmethoden als Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung....... 187 2. Motivation zur Durchführung der empirischen Untersuchung................................ 191
III
3. Art und Umfang der empirischen Untersuchung ....................................................... 192 3.1
Auswahl der Grundgesamtheit ................................................................................. 192
3.2
Die schriftliche Befragung mittels standardisierten Fragebogens als geeignete Datenerhebungstechnik ............................................................................................ 197
3.3
Rechnerische Handhabung der gewonnenen Daten ................................................. 205
4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung................................................................. 207 4.1
Rücklauf ................................................................................................................... 207
4.2
Ergebnisse der einzelnen Fragekategorien ............................................................... 209
4.2.1 Einschätzung der Ausprägung von Attributen und Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt..................................................................... 209 4.2.2 Aussagen zur Informationsstruktur und -verarbeitung für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt ..................................... 213 4.2.3 Eignung und tatsächliche Anwendung der Prognosemethoden.......................... 217 4.2.4 Informationsquellen für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt ......................................................................................... 224 4.2.5 Angaben zu Art und Größe der teilnehmenden Unternehmen sowie zur organisatorischen Zuordnung der Funktion der Strategischen Planung ............. 226
VI. EMPFEHLUNGEN FÜR EINE METHODENAUSWAHL ZUR ANTIZIPATION VON ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT FÜR FINANZDIENSTLEISTER
228
1. Ausgangslage .................................................................................................................. 228 2. Eingeschränkte Anwendbarkeit quantitativer Verfahren zur Verarbeitung unbestimmter Informationen........................................................................................ 229 3. Fuzzy-Logic als Möglichkeit zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen................................................................................................................. 233 3.1.1 Fuzzy-Sets........................................................................................................... 234 3.1.2 Operationen mit unscharfen Mengen.................................................................. 238 3.1.3 Linguistische Variable ........................................................................................ 240
IV
3.1.4 Unscharfes Schließen.......................................................................................... 243 3.1.5 Defuzzifizierung ................................................................................................. 246 4. Gestaltungsempfehlung für die Selektion von Antizipationsmethoden unter Berücksichtigung der Einbindungsmöglichkeiten der Fuzzy-Logic ......................... 249 4.1
Kriterien für die Auswahl von Antizipationsmethoden ........................................... 249
4.2
Verfahren für die Auswahl von Antizipationsmethoden.......................................... 251
4.3
Empfehlung für eine Methodenselektion ................................................................. 252
4.4
Ansätze für Erweiterungsmöglichkeiten der wichtigsten selektierten Methoden durch Fuzzy-Logic ................................................................................................... 256
VII. ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
263
1. Zusammenfassung ......................................................................................................... 263 2. Ausblick .......................................................................................................................... 265
ANHANG
268
1. Materialien zur schriftlichen Befragung ..................................................................... 268 1.1
Anschreiben.............................................................................................................. 268
1.2
Fragebogen ............................................................................................................... 269
1.3
Fragebogenbeiblätter ................................................................................................ 276
2. Ergebnisse der empirischen Untersuchung................................................................. 278 2.1
Struktur der Grundgesamtheit und Antwortquoten .................................................. 278
2.2
Ergebnisse ................................................................................................................ 281
2.2.1 Allgemeine Unternehmensumwelt ..................................................................... 281 2.2.2 Prognose.............................................................................................................. 286 2.2.3 Antizipationsmethoden ....................................................................................... 288 2.2.4 Informationsbeschaffung .................................................................................... 291 2.2.5 Allgemeines ........................................................................................................ 295 3. Verzeichnis der wichtigsten Symbole........................................................................... 297 V
LITERATURVERZEICHNIS
298
WEITERE QUELLEN
314
VI
Abbildungsverzeichnis Abb. I-1:
Aufbau der Arbeit .......................................................................................6
Abb. II-1:
Segmentierung der Unternehmensumwelt..............................................16
Abb. II-3:
Koordinationsaufgabe des Strategischen Managements .......................27
Abb. II-4:
Bereiche der Umweltanalyse ....................................................................37
Abb. II-5:
Modell der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter...................................40
Abb. III-1: Gütersystematik.........................................................................................50 Abb. III-2: Typologie von Dienstleistungen................................................................54 Abb. III-3: Ausprägung monetärer Größenindikatoren der deutschen Gesamtwirtschaft.......................................................................................59 Abb. III-4: Wachstumsraten und Konzentrationstendenz im deutschen Dienstleistungssektor.................................................................................60 Abb. III-5: Größenindikatoren der Wirtschaftszweige des tertiären Sektors ........61 Abb. III-6: Übersicht Finanzdienstleistungsunternehmen .......................................63 Abb. III-7: Wesentliche primäre Leistungen von Finanzdienstleistern...................66 Abb. III-8: Typologisierung ausgewählter Finanzdienstleistungen .........................70 Abb. III-9: Verteilung der Marktanteile in der Finanzdienstleistungsbranche .....76 Abb. III-10: Anzahl Mitarbeiter Banken und Versicherungen..................................78 Abb. III-11: Total Return to Shareholders europäischer Banken und Versicherungen..........................................................................................79 Abb. III-12: Übersicht wichtiger Einflussfaktoren der allgemeinen Unternehmensumwelt ...............................................................................82 Abb. III-13: Typische Aufteilung der Operations-Kosten für eine deutsche Bank .. 87 Abb. III-14: S&P-Ratings ausgewählter Kreditinstitute............................................. 91 Abb. III-15: Zeitreihen ausgewählter volkswirtschaftlicher Indikatoren ................. 99 Abb. III-16: Anzahl Insolvenzen in Deutschland....................................................... 100 Abb. III-17: Zeitreihen ausgewählter Indikatoren des Kapitalmarktes.................. 101 Abb. III-18: Entwicklung des Ölpreises...................................................................... 102 Abb. III-19: IT-Architektur-Generationen bei Finanzdienstleistern....................... 105 Abb. III-20: Komponenten der IT-Architektur einer typischen Bank .................... 106 VII
Abb. III-21: Zeitliche Entwicklung der IT-Kosten ....................................................107 Abb. III-22: Bevölkerungsveränderung in Deutschland...........................................108 Abb. III-23: Entwicklung der Altersstruktur in westlichen Industrienationen......109 Abb. III-24: Wandel von ausgewählten Wertorientierungen ...................................111 Abb. IV-1: Systematisierung kontingenter Informationen.....................................114 Abb. IV-2: Diskontinuität ..........................................................................................117 Abb. IV-3: Quantitative Antizipationsmethoden.....................................................120 Abb. IV-4: Qualitative Antizipationsmethoden .......................................................135 Abb. IV-5: Ablaufschema – Delphi-Methode...........................................................136 Abb. IV-6: Ungewissheitsgrade bei Diskontinuitäten .............................................142 Abb. IV-7: Strategieraster nach Ansoff....................................................................144 Abb. IV-8: Möglicher Einsatz alternativer Reaktionsstrategien............................145 Abb. IV-9: Reaktionszeiträume der drei Ansoff´schen Reaktionsformen ............146 Abb. IV-10: Diffusionsfunktionen ...............................................................................150 Abb. IV-11: Vorgehensmodell der Früherkennung nach Hahn...............................153 Abb. IV-12: Prozess der Strategischen Frühaufklärung ..........................................158 Abb. IV-13: Analysematrix..........................................................................................162 Abb. IV-14: Die Ableitung von Entwicklungsclustern ..............................................163 Abb. IV-15: Denkmodell der Szenario-Analyse.........................................................168 Abb. IV-16: Prozess der Szenario-Analyse.................................................................170 Abb. IV-17: System-Grid .............................................................................................176 Abb. IV-18: Verfahren der Cross-Impact-Analyse ...................................................181 Abb. V-1:
Rücklauf der empirischen Untersuchung nach Institutskategorien...208
Abb. V-2:
Dynamik der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern entlang der einzelnen Umweltsegmente.............210
Abb.V-3:
Beeinflussungsgrad einzelner Umweltsegmente auf den Unternehmenserfolg................................................................................212
Abb. V-4:
Stellungnahme zu Aussagen aus dem Bereich der Prognose ..............214
VIII
Abb. V-5:
Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt mit besonderer Eignung zur Anwendung von Verfahren zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen ......................................... 216
Abb. V-6:
Eignung von Antizipationsmethoden ....................................................219
Abb. V-7:
Tatsächliche Verwendung von Antizipationsmethoden ...................... 220
Abb. V-8:
Differenz von Methodeneignung und -anwendung .............................. 222
Abb. V-9:
Nutzung von Informationsquellen zur Erstellung von Prognosen der allgemeinen Unternehmensumwelt........................................................225
Abb. VI-1: Beispiel einer Zugehörigkeitsfunktion................................................... 236 Abb. VI-2: Weitere Verläufe von Zugehörigkeitsfunktionen.................................237 Abb. VI-3: Satz von linguistischen Termen für die linguistische Variable Ölpreis ......................................................................................................241 Abb. VI-4: Fuzzifizierung ..........................................................................................244 Abb. VI-5: Auswertung der Regeln R3 und R4 .......................................................245 Abb. VI-6: Überlagerung der Fuzzy-Ausgangsmengen über den MAX-Operator ........................................................................................ 246 Abb. VI-7: Anwendung der Nährungsformel für die Schwerpunktberechnung.. 248 Abb. VI-8: Struktur eines Fuzzy-Logic-basierten Früherkennungs/Frühaufklärungssystems .......................................................................258
IX
Tabellenverzeichnis Tab. II-1:
Merkmale offener Systeme .......................................................................10
Tab. II-2:
Entwicklungsphasen des Strategischen Managements ..........................24
Tab. II-3:
7-S-Modell ..................................................................................................28
Tab. II-4:
Fragestellungen zur Charakterisierung eines Marktes .........................38
Tab. II-5:
Faktoren bei der Analyse von Kapitalgebern.........................................46
Tab. II-6:
Segmente der allgemeinen Umwelt und Beispiele für Indikatoren ......47
Tab. III-1: Wirtschaftszweigsystematik der amtlichen Statistik der BRD .............55 Tab. III-2: Anzahl Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland ..........................75 Tab. IV-1: Grundformen des Environmental Scanning.........................................160 Tab. IV-2: Vernetzungsmatrix..................................................................................175 Tab. IV-3: Beispiel einer Bewertungsskala für die Konsistenzanalyse .................178 Tab. IV-4: Konsistenzmatrix.....................................................................................178 Tab. IV-5: Kalkulation des durchschnittlichen Konsistenzmaßes ........................179 Tab. V-1:
Benötigte Antwortquoten in Abhängigkeit vom Stichprobenfehler...196
Tab. V-2:
Skalentypen..............................................................................................206
Tab. VI-1: Definition der linguistischen Variablen am Beispiel Ölpreis ..............242 Tab. VI-2: Verfahren der Defuzzifizierung ............................................................. 246 Tab. VI-3: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentunabhängige Kriterien ..... 253 Tab. VI-4: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentabhängige Kriterien .........253 Tab. VI-5: Ergebnisse der Nutzwertanalyse............................................................254 Tab. VI-6: Bestgeeignete Antizipationsmethoden ...................................................256
X
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
Aufl.
Auflage
AuM
Assets under Management
Bd.
Band
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BWL
Betriebswirtschaftslehre
bzw.
Beziehungsweise
DAX
Deutscher Aktienindex
d.h.
das heißt
etc.
et cetera
EUR
Euro
EURIBOR
European Interbank Offered Rate
f.
Folgende
F&E
Forschung und Entwicklung
ff.
fortfolgende
FSAP
Financial Service Action Plan
GfK
Gesellschaft für Konsumgüterforschung
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hg.
Herausgeber
IFRS
International Financial Reporting Standards
ISD
Investment Service Directive
IT
Informationstechnologie bzw. Information Technology
Kfz
Kraftfahrzeug
KWG
Kreditwesengesetz
Mio.
Million(en)
Mrd.
Milliarde(n) XI
o.g.
oben genannte(r)
OLS
Ordinary Least Squares
S.
Seite
Tab.
Tabelle
TRS
Total Return to Shareholders
u.a.
unter anderen
US
United States
v.
Von
vgl.
Vergleiche
www
World Wide Web
z.B.
zum Beispiel
XII
I. Einführung Das erste Kapitel dieser Arbeit ist in drei Abschnitte untergliedert. Zu Anfang wird ein Überblick über die zu Grunde liegende Problemstellung gegeben. Darauf basierend erfolgt die Formulierung der Zielsetzung, die gleichzeitig den Rahmen für die nachfolgenden Ausführungen aufzeigt. Das Kapitel schließt im dritten Abschnitt mit einer überblicksartigen Darstellung des Aufbaus der Arbeit.
1. Grundlegende Problemstellung Die systematische Beobachtung und die Analyse der Unternehmensumwelt sind von hoher strategischer Bedeutung für alle Unternehmen und deren Führung. Eine steigende Umfeldturbulenz, verursacht durch die Zunahme von Komplexität (Anzahl von relevanten Veränderungen), Dynamik (Geschwindigkeit von Veränderungen) sowie Unbestimmtheit (Kontingenz), hat weitreichende Folgen für die Prognostizierbarkeit der Zukunft und damit für jegliche Form des zukunftsorientierten unternehmerischen Handelns.1 Tendenziell werden unter dem Begriff der Unternehmensumwelt die unmittelbar auf das Unternehmen wirkenden externen Kräfte, wie Kunden, Konkurrenten oder Lieferanten, verstanden (diesen Teilbereich der Umwelt bezeichnet man als Aufgabenumwelt). Auf Grund dieser Nähe sind für Unternehmen derartig gelagerte Einflussfaktoren und Entwicklungen transparenter, als dies bei den indirekt Einfluss nehmenden Kräften der technologischen, makro-ökonomischen, politisch-rechtlichen und sozio-kulturellen Umweltsegmenten, die unter dem Begriff der allgemeinen Unternehmensumwelt zusammengefasst werden, der Fall ist.2 Aus allen Veränderungsprozessen der Umwelt emergieren Risiken, die in letzter Konsequenz existenzgefährdend sein können und Chancen, die Optionen für die Sicherung und den Ausbau der Marktstellung sowie des Unternehmenserfolges darstellen. Je frühzeitiger und je verlässlicher Entwicklungen der Umwelt von Unternehmen antizipiert werden können, desto besser sind die Möglichkeiten, adäquate Reaktionen und Maßnahmen zu entwickeln, um nicht zuletzt einen Vorteil gegenüber den Konkurrenten zu erzielen.3
1
Die praktische Relevanz dieser Aussagen belegt eine empirische Untersuchung der Universität Witten/Herdecke und der MarketLab AG. 98% aller befragten Top-Manager bewerteten die Überwachung der Unternehmensumwelt als "wichtig" oder "sehr wichtig". Vgl. Janson, I.; Liebl, F. (Empirische Untersuchung 2000). 2 Siehe Abschnitt II.2 und insbesondere Abb. II-1. 3 Vgl. Ansoff, H.I.; Sullivan, P.A. (Turbulent Environments 1993), S. 11-23. 1
Bemerkenswert ist, dass gerade im Strategischen Management bzw. in der Strategischen Planung die Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt ggü. der Analyse der (unmittelbar wirkenden) Aufgabenumwelt tendenziell unterrepräsentiert wird.4 Die entscheidenden Determinanten, die die Möglichkeiten eines Unternehmens für die Antizipation von zukünftigen Entwicklungen der Unternehmensumwelt abstecken und damit den Unterbau für die Ableitung entsprechender Maßnahmen bilden, sind die Verfügbarkeit und die Qualität von Informationen sowie die adäquate Verarbeitung dieser Informationen im Rahmen der Anwendung passender Methoden zur Erstellung möglicher Zukunftsbilder. Insbesondere im Bereich der allgemeinen Umwelt ist ein Unternehmen aus strategischer Perspektive mit komplexen Problemstellungen konfrontiert, da oftmals schlecht strukturierte, unbestimmte oder unvollständige Informationen über die aktuelle Situation und besonders über potenzielle zukünftige Entwicklungen vorliegen. Dieser Umstand wird im Falle dynamischer Umweltsituationen, die von großer Veränderlichkeit gekennzeichnet sind, noch verstärkt. In der wissenschaftlichen Forschung und in der Praxis wurden im Rahmen des Strategischen Managements und insbesondere in der Strategischen Planung unterschiedlichste Methoden und Konzepte entwickelt, die das Aufzeigen zukünftiger Entwicklungen unterstützen sollen. Dabei reicht die Bandbreite von etablierten quantitativen Verfahren bis hin zu neueren Methoden und Ideen (z.B. Strategische Frühaufklärung, Trendforschung), die auch auf qualitativer Basis Vorhersagen treffen. Über die in der Praxis empfundene Eignung und tatsächliche Anwendung dieser Methoden für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt aus eine strategischer Perspektive existieren kaum profunde Erkenntnisse. Dieser Mangel ist umso valider, je stärker die Charakteristika von einzelnen Branchen bzw. deren individuelle Umweltstruktur und Umweltsituation, über die oftmals wenig Stichhaltiges bekannt ist, berücksichtigt werden sollen. Nur eine Untersuchung dieser Faktoren in Referenz auf die Spezifika einer Branche kann Ansatzpunkte für eine Methodenauswahl geben bzw. Bedarf für eine Methodenerweiterung aufzeigen. Zur adäquaten Adressierung dieser Problemstellung, besteht die Notwendigkeit der Auswahl einer geeigneten Branche, die zum einen eine entsprechende wirtschaftliche Bedeu4
So beschäftigen die meisten konzeptionellen Abhandlungen mit der Analyse von Märkten oder Branchen. Insbesondere ist hier das Modell der Five Forces von Michael E. Porter zu nennen. Siehe Abschnitt II.3.3.1. 2
tung aufweist und die zum anderen auf Grund ihrer individuellen Umweltsituation einen Bedarf für die Weiterentwicklung von antizipativen Methoden indiziert. Auf Grund der herausragenden Stellung der Dienstleistungsbranche in der bundesdeutschen Volkswirtschaft soll dieser Zweig als Referenz für die oben dargestellten Problematiken dienen.5 Wie im Laufe dieser Arbeit noch gezeigt werden wird, ist die Struktur der Dienstleistungsbranche so heterogen, dass der Fokus auf eine spezifische und repräsentative Industrie gerichtet werden muss. Auf Grund der großen Abhängigkeit der Finanzdienstleistungsbranche (namentlich Banken und Versicherungen) von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt und der Repräsentativität dieser Branche für den Dienstleistungssektor,6 wird dieser Wirtschaftszweig als Bezug für die in dieser Arbeit auszuarbeitenden Empfehlungen für die Selektion und Erweiterung von Antizipationsmethoden7 gewählt. Der Titel der vorliegenden Arbeit lautet „Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor“. Wie soeben aufgezeigt, liegt die Problemstellung, die bearbeitet werden soll, insbesondere in der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bei Dienstleistungsunternehmen. Diese Präzisierung liegt dem weiteren Verlauf der Ausarbeitung zu Grunde.
2. Zielsetzung der Arbeit Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ergibt sich unmittelbar aus der Problemstellung. Wie bereits angedeutet, müssen mehrere Teilgebiete (u.a. Strategisches Management, Planung, Controlling, Dienstleistungsmanagement, Bank- und Versicherungsbetriebslehre, Ökonometrie, Organisation) der Betriebswirtschaftslehre mit teils unterschiedlichen Perspektiven zur Schaffung einer theoretischen Ausgangsbasis integriert werden. Daher ist das erste Hauptziel die Aufstellung eines theoretischen Bezugsrahmens, in dem die wichtigsten Begrifflichkeiten zu folgenden Teilthemen definiert werden sollen: •
Abgrenzung und Definition des Begriffs Unternehmensumwelt sowie Darstellung deren wesentlicher Elemente und Faktoren
5
Siehe Abschnitt III.1.2. Siehe Abschnitt III.2. 7 Als Antizipationsmethoden definieren wir diejenigen Verfahren und Konzepte, die prinzipiell zur Vorhersage zukünftiger Entwicklungen im Rahmen der Unternehmensplanung genutzt werden. Oftmals wird in der Betriebswirtschaftslehre, vor allem in der Praxis, von Prognosen/Prognosemethoden gesprochen. Auf Grund der theoretischen Differenzierung von Antizipationen in Prognosen, Projektionen und Prophezeiungen, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch dargestellt werden wird (siehe Abschnitt II.3.3), verwenden wir aus Praktikabilitätsgründen den Terminus der Antizipation als Überbegriff. 6
3
•
Einordnung des Konstruktes Unternehmensumwelt in den Zusammenhang des Strategischen Managements bzw. der Strategischen Planung
•
Darstellung der Bedeutung der bundesdeutschen Dienstleistungswirtschaft
•
Argumentation der Auswahl der geeigneten Bezugsbranche innerhalb der Dienstleistungswirtschaft in Form der Finanzdienstleistungsbranche, definitorische Abgrenzung derselben und individuelle Beschreibung der aktuellen Umweltsituation dieser Branche
•
Herausarbeitung der Besonderheiten von Antizipationen in einem langfristigen, strategischen Kontext in Bezug auf Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt
•
Vorstellung der wichtigsten Antizipationsmethoden und Beurteilung ihrer theoretischen Eignung für die spezielle Situation der allgemeinen Unternehmensumwelt
Das zweite Hauptziel dieser Arbeit ist der Transfer der theoretischen Erkenntnisse in einen Praxiszusammenhang mittels Konzeption und Durchführung einer empirischen Untersuchung in der entsprechend ausgewählten Bezugsbranche. Folgende Kernelemente sollen innerhalb dieser empirischen Untersuchung adressiert werden: •
Auswahl einer geeigneten empirischen Methode und Festlegung einer handhabbaren Grundgesamtheit
•
Beurteilung der Einflusskräfte der allgemeinen Unternehmensumwelt durch die Praxis
•
Bewertung der Eignung von Antizipationsmethoden inklusive deren tatsächlicher Anwendungshäufigkeit
•
Identifikation möglicher Ansatzpunkte für Erweiterungen der existierenden Antizipationsmethoden aus dem Praxiskontext
Das dritte Hauptziel dieser Arbeit ist schließlich die Synthese aus den theoretischen und den empirischen Teilen in Form einer Empfehlung für eine Methodenselektion und dem Aufzeigen möglicher Ansatzpunkte für Methodenerweiterungen entlang folgender Aspekte: •
Herausarbeitung von Kriterien zur Auswahl von geeigneten Antizipationsmethoden nebst Auswahl bzw. Anwendung eines entsprechend geeigneten Auswahlverfahrens
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•
Aufstellung einer "short list" der bestgeeigneten und praktikabelsten Methoden für die jeweiligen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt
•
Identifikation und kurze Darstellung von Erweiterungsansätzen für die selektierten Methoden
3. Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Die Kapitel II mit IV stellen das theoretische Grundgerüst dieser Arbeit dar. Da die Themenstellung erfordert, unterschiedliche Forschungsgebiete der Betriebswirtschaft darzustellen und zu integrieren, wurde eine dreigeteilte theoretische Struktur gewählt. Im Kapitel V werden die theoretischen Erkenntnisse mittels einer empirischen Untersuchung für die Finanzdienstleistungsbranche überprüft. Im Kapitel VI werden theoretische Erkenntnisse und die Ergebnisse der Empirie als Grundlage für eine Methodenselektion bzw. -erweiterung für Finanzdienstleistungsunternehmen verarbeitet. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und dem Ausblick im letzten Kapitel VII. Diese Grobstruktur wird in nachfolgender Abb. I-1 übersichtsartig dargestellt.
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Einführung
I
II
V
VI
Zum systematischen Umgang von Unternehmen mit Komplexität, Dynamik und Kontingenz ihrer Umwelt
III Finanzdienstleistungsunternehmen – Eine Charakterisierung unter besonderer Berücksichtigung ihrer allgemeinen Unternehmensumwelt
IV Methoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister
Empirische Untersuchung über die Anwendung von Antizipationsmethoden in der Finanzdienstleistungspraxis
Empfehlungen für eine Methodenauswahl zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister
VII Abschließende Betrachtung
Abb. I-1: Aufbau der Arbeit8 Folgende Zusammenhänge veranlassten uns, obige Gliederung zu wählen: Da die Abgrenzung und Strukturierung der Unternehmensumwelt in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung durchaus heterogen behandelt wird, aber diese Differenzierung von entscheidender Bedeutung für den restlichen Verlauf der Arbeit ist, beginnen wir im Kapitel II mit einer Definition des Terminus Unternehmensumwelt entlang der Dimensionen "Elemente" und "Attribute", wobei die Grundlage eine systemtheoretische Einführung bildet. Da Entwicklungen der Unternehmensumwelt insbesondere in der Literatur zum Strategischen Management bzw. zur Strategischen Planung aufgegriffen werden, stellen wir deren Beziehungsgefüge dar und definieren die wichtigsten Begrifflichkeiten in diesem Kontext. Im Kapitel III legen wir den nächsten theoretischen Schwerpunkt, indem wir die Dienstleistungsbranche als Referenz für unsere weiteren Betrachtungen festlegen und theoretisch darstellen. Am Beispiel der Finanzdienstleister, deren Auswahl als typischer Vertreter des Dienstleistungssektors begründet wird, führen wir eine Outside-In-Analyse der
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Quelle: Eigene Darstellung. 6
allgemeinen Unternehmensumwelt für diese spezifische Branche entlang der im vorhergehenden Kapitel eingeführten Dimensionen "Elemente" und "Attribute" durch. Im Kapitel IV werden ausgehend von einer Analyse der Charakteristika von strategischen Informationen über die allgemeine Unternehmensumwelt die in der Betriebswirtschaftslehre gängigsten Antizipationsmethoden für die Strategische Planung beschrieben. Besonderes Augenmerk gilt dabei den sog. Verbundmethoden (Frühaufklärung, SzenarioAnalyse), da diese Konzepte spezifisch auf die Verarbeitung von schlecht strukturierten Informationen in einem strategischen Kontext ausgerichtet sind. Im Kapitel V werden die aus theoretischer Perspektive hergeleiteten Erkenntnisse durch eine empirische Studie in einen Praxiszusammenhang gestellt. In diesem Abschnitt werden sowohl Design als auch Vorgehensweise und Ergebnisse der Befragung dargestellt. Das Kapitel VI wird auf Basis eines theoretischen Exkurses aufzeigen, inwiefern quantitative Verfahren für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt und für die Verarbeitung der in diesem Zusammenhang vorherrschenden Informationscharakteristika tendenziell schlecht geeignet sind. Zusätzlich wird das Konzept der Fuzzy-Logic als geeignetes Verfahren für die Verarbeitung von unbestimmten Informationen eingeführt. Auf dieser Basis, und unter Zugrundelegung der empirischen und weiteren theoretischen Erkenntnisse, wird unter Verwendung eines geeigneten Verfahrens eine Methodenselektion entlang der einzelnen Teilumwelten durchgeführt, und im Anschluss werden Ansätze für Methodenerweiterungen dargestellt. Die Arbeit schließt mit Kapitel VII, in dem neben einer Zusammenfassung der Arbeit im Ausblick erste grobe Ansatzpunkte für eine Individualisierung und Erweiterung der selektierten Methoden speziell im Zusammenhang mit der Finanzdienstleistungsbranche gegeben werden.
7
II. Zum systematischen Umgang von Unternehmen mit Komplexität, Dynamik und Kontingenz ihrer Umwelt 1. Das System Unternehmen - systemtheoretische Einführung Aus systemtheoretischer9 bzw. kybernetischer10 Perspektive kann ein Unternehmen als (reales) offenes sozio-technisches System11 verstanden werden, das aus mehreren Subsystemen besteht, die Inputs aus der Unternehmensumwelt12 beziehen, welche sie in Outputs transformieren.13 Die Festlegung der Ausgestaltung dieses für das Überleben des Systems dominanten und damit kritischen Transformationsprozesses ist der primäre Zweck (der Organisation).14 Die Differenzierung in Subsysteme ermöglicht eine Spezialisierung auf bestimmte Systemfunktionen und stellt zudem eine Reaktion auf die Umweltstrukturen dar, da komplexe Systemumwelten eine ebenfalls komplexe Binnenstruktur des Systems erfordern ("law of requisite variety").15 In der Literatur existiert eine Vielzahl von Vorschlägen zur Unterscheidung der Subsysteme.16 In der Regel gibt es ein Subsystem für den Input aus der
9
Die (allgemeine) Systemtheorie ist ein abstrakter und sehr formaler Ansatz, mit dessen Hilfe sich Eigenschaften und Verhaltenweisen realer Erscheinungen in einer einheitlichen Terminologie und unter Verwendung formal isomorpher Gesetzmäßigkeiten erklären lassen. Die Systemtheorie kann als Metawissenschaft bezeichnet werden, da sie nicht konkrete bzw. empirisch gehaltvolle Aussagen zu einer Klasse von Phänomenen (wie z.B. der Unternehmung) liefert, sondern eine übergreifende und allgemeine Methodik zur Verfügung stellt. Vgl. u.a. Grochla, E. (Systemtheorie 1976), S. 558; Ulrich, H. (Unternehmung 1968), S. 42. 10 Die Kybernetik beschäftigt sich mit der Struktur, den Beziehungen und dem Verhalten dynamischer Systeme. Sie ist ein Teilgebiet der Systemtheorie. Vgl. Ulrich, H. (Unternehmung 1968), S. 111. 11 Allgemein formuliert ist ein System eine reale oder ideelle, natürliche oder künstliche Ganzheit, das aus Teilen (Elementen) mit unterschiedlicher Anordnung zueinander besteht. Die einzelnen Elemente eines Systems sind über Relationen (Beziehungen) miteinander verbunden. Vgl. Krallmann (Systemanalyse 1994), S. 6. 12 Zur Differenzierung und Beschreibung des Begriffs der Unternehmensumwelt siehe Abschnitt II.2. 13 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390. 14 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390. Staehle nimmt dabei Bezug auf Rice; Miller/Rice (die beide am Tavistock-Institute of Human Relation in London das Konzept der soziotechnischen Systemanalyse entwickelt haben) und Sydow. Vgl. Rice, A.K. (Environment 1963); Miller, E.J.; Rice, A.K. (Systems 1967) und Sydow, J. (Arbeits- und Organisationsgestaltung 1985). 15 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 63; Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391. 16 Als eine alternative Differenzierung sei die von Katz/Kahn zu nennen, die die fünf Subsysteme Produktion, Versorgung, Erhaltung, Anpassung und Management nennen. Vgl. dazu die Übersicht von Staehle, der sich auf Katz/Kahn bezieht. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 394 bzw. Katz, D.; Kahn, R. L. (Organizations 1978), S. 23 ff. 8
Systemumwelt (Import), eines für die Transformation innerhalb des Produktionsprozesses (Conversion) und eines für den Output an die Umwelt (Export). Zusätzlich ist für die Koordination, Integration, Kontrolle und Unterstützung der aufgezählten Subsysteme, die unter dem Überbegriff der "Operating Systems" zusammengefasst werden können und für die Steuerung der Transaktionen, die die Systemgrenzen überschreiten, ein so genanntes "Managing System" notwendig.17 Ein reales System ist dabei ein Ausschnitt aus der realen Welt mit ebenfalls realen Systemkomponenten, die entweder Teil- bzw. Subsysteme oder nicht weiter unterteilbare Systemelemente darstellen.18 Im Umkehrschluss sind alle Teile, die nicht Bestandteil des Systems sind, der Systemumwelt (teilweise in der Systemtheorie auch als Umsystem bezeichnet) zuzurechnen.19 Die Frage nach der Grenzziehung zwischen System (Unternehmen) und Umwelt wird im Abschnitt II.2 detailliert behandelt. Die (realen) Systemkomponenten sind dabei eine Menge aus materiellen bzw. energetischen Potenzialen und Aktivitäten zur Veränderung dieser Potenziale, die als Systemgrößen oder Systemvariablen bezeichnet werden.20 Die Systemkomponenten sind untereinander durch Kombinations- und Interaktionsbeziehungen verbunden.21 Die Kombinationsbeziehungen beschreiben die Zusammensetzung des Systems aus den verschiedenen Komponenten, die Interaktionsbeziehungen beschreiben die Einflussnahme der Komponenten untereinander bzw. mit der Systemumwelt. Einwirkungen aus Interaktionsbeziehungen werden als Systeminput, Auswirkungen als Systemoutput bezeichnet.22 Die Systemstruktur ergibt sich aus der Menge sämtlicher Interaktions- und Kombinationsbeziehungen eines Systems.23 Das Begriffspaar "sozio-technisch" als Eigenschaft der o.g. Systemdefinition bezieht sich auf das Zusammenwirken der Systemkomponenten "Mensch" und "Technologie", das seinerseits auf Zielen beruht, welche vom System (Unternehmen) im Hinblick auf zukünftig zu erreichende Zustände festgelegt werden. Die Zielerreichung wird durch personenbezogene Verhaltensregeln und technologische Funktionsregeln sichergestellt. Die 17
Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390 f. Vgl. u.a. Ferstl, O. (Analyse 1979), S. 26; Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 1 ff.; Bossel, H. (Modellbildung 1992), S. 16; Gomez, P (Management 1981), S. 41. 19 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 16. 20 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 3. 21 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 16. 22 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 3; Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 17. 23 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 4 ff.; Bossel, H. (Modellbildung 1992), S. 17. 18
9
Gesamtheit dieser Regeln bildet in der Systemtheorie das artifizielle Konstrukt der Organisation. Die Gestaltungsaktionen, die auf Basis des Regelwerks durchgeführt werden, bezeichnet man als organisatorisches Gestalten bzw. Organisieren.24 Die Offenheit bezieht das System Unternehmen durch die Interaktionsbeziehungen der Systemkomponenten mit der Systemumwelt.25 Diese Beziehungen können u.a. informationeller (System erhält Informationen aus der Umwelt) Natur sein oder Input/OutputZusammenhänge darstellen.26 Folgende Tabelle fasst die wesentlichen Merkmale offener Systeme zusammen: Tab. II-1: Merkmale offener Systeme27 Input
Aufnahme von Ressourcen/Potenzialen aus der Umwelt
Throughput
Transformation des Inputs durch innerorganisatorische Aktivitäten
Output
Abgabe des Transformationsergebnisses an die Umwelt
Differenzierung
Abteilungsbildung und Rollendifferenzierung zur arbeitsteiligen Erledigung der Systemaufgaben
Integration/Koordination Gemeinsame Normen/Werte bzw. formale Koordinationsmechanismen Die dargestellte systemtheoretisch fundierte Definition ist prinzipiell auf alle Formen der Organisation anwendbar. Ein Unternehmen als eine mögliche Form der Organisation erhält Spezifizität aus seiner Zielsetzung, die sich in Sach- und Formalziele differenzieren lässt. Dabei bezieht sich das Sachziel auf Art und Zweck der Leistungserstellung, das Formalziel widerspiegelt die Präferenzstruktur für die Aktionen, die zur Erreichung des Sachziels durchgeführt werden müssen.28 Die Unternehmensaufgabe folgt dem Sachziel, da festgelegt wird, welche Produkte bzw. Dienstleistungen herzustellen und zu distribuieren sind. Für den Input (Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen) und den Output (Absatz von Gütern und Dienstleistungen) werden Märkte genutzt. Das Unternehmen transformiert die beschafften Inputs durch den Leistungserstellungsprozess und vertreibt
24
Vgl. Grochla, E. (Organisation 1982), S. 1 ff. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 63; Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390 bzw. Abschnitt II.2.1. 26 Weiterführende Informationen zur Charakteristika offener Systeme geben Katz/Kahn. Vgl. dazu Katz, D.; Kahn, R. L. (Organizations 1978), S. 23 ff. 27 Quelle: Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391. 28 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 59; Grochla, E. (Organisation 1982), S. 2. 25
10
diese an Kunden. Innerhalb der Transformation werden Potenziale eingesetzt, die man entweder als Produktionsfaktoren (extern) oder als Leistungspotenziale (intern) bezeichnet.29 Im Unternehmen und zwischen Unternehmen und Umwelt werden Transaktionen durchgeführt, die zur Koordination von Austauschbeziehungen und Leistungsübergabe dienen. Da für uns die Unternehmensumwelt von besonderem Interesse ist, werden die wesentlichen Dimensionen dieses Begriffs in den nächsten Abschnitten präzisiert.
2. Charakterisierung der Unternehmensumwelt In diesem Abschnitt werden ausgehend von einer Darstellung der Diskussion zur Abgrenzung der Unternehmensumwelt die Elemente und die Attribute der Unternehmensumwelt dargestellt. 2.1
Abgrenzung von Unternehmen und Unternehmensumwelt
Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigt, ist das System Unternehmen als offen zu bezeichnen, da es mit der Systemumwelt in Interaktionsbeziehung steht, die Systemgrenzen also "durchlässig" sind. Nach diesem Verständnis beeinflussen Unternehmen durch ihr Handeln ihre Umwelt (z.B. durch technische Innovationen, durch die Herstellung und den Verkauf von Produkten etc.) und werden durch ihre Umwelt beeinflusst (z.B. durch Gesetzgebungen, Marktentwicklungen etc.). Damit sind Unternehmen gezwungen, sich einerseits den Anfordernissen der Umwelt anzupassen, andererseits besteht die Möglichkeit die Entwicklung der Umwelt aktiv mitzugestalten. Hinter diesem Verständnis steht ein interaktives Modell des Verhältnisses von Unternehmen und Umwelt, da weder die Umwelt deterministisch (deterministisches Modell) noch das Unternehmen als autonome Entscheidungseinheit (voluntaristisches Modell) gesehen wird. Damit stellt die Umwelt also gleichzeitig eine Restriktion des Handlungsfeldes und einen Gegenstand strategischer Veränderungen dar.30 Umwelt und Unternehmen stehen demzufolge in einem interdependenten Beziehungsgefüge. Dieses Verständnis der Umwelt/Unternehmen-Relation bildet die Basis für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit.
29 30
Vgl. Corsten, H. (Produktionswirtschaft 1992), S. 11. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 155-156. 11
Bereits der Begriff der Umwelt bzw. der Unternehmensumwelt impliziert, dass eine prinzipielle Grenzziehung zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt möglich ist.31 Aus systemtheoretischer Perspektive heißt das, dass spezifiziert werden muss, welche Subsysteme bzw. Systemelemente dem System Unternehmung und welche der Unternehmensumwelt bzw. dem Umsystem zuzurechnen sind. Aus der Offenheit des Systems gegenüber der Umwelt resultiert allerdings das Problem, dass die Grenze zwischen System und Umwelt nicht einfach wahrnehmbar ist. "Nature has neatly packaged people into skins, animals into hides, and allowed trees to enclose themselves with bark. It is easy to see where the unit is and where the environment is. Not so for social organizations."32 In der Systemtheorie geht man davon aus, dass soziale Systeme keine empirisch erfahrbaren Systemgrenzen haben. Vielmehr muss das System selbst und individuell die Leistung der Grenzziehung erbringen. Vereinfacht gesagt heißt das, dass der Prozess der Grenzziehung dahingehend zu steuern ist, dass das Übermaß an Handlungsmöglichkeiten auf spezifische Weise eingeengt werden muss (Komplexitätsreduktion).33 "Eine spezielle Unternehmung stellt z.B. nicht alles her, was auf dem Markt verkauft werden könnte, sondern wählt bestimmte Produkte und Märkte aus (...). Diese Funktion macht ihre Grenze zur Umwelt aus, macht sie als System im Verhältnis zur Umwelt identifizierbar, unterscheidet sie von anderen Unternehmungen, die mit anderen Selektionsvorgängen ihre Grenze definiert haben."34 Für die "klassische" Betriebswirtschaftslehre ist die Frage nach einer Definition der Unternehmensumwelt auch immer gleichzeitig eine Frage nach dem Differenzierungskriterium zwischen Unternehmen und Umwelt.35 Man kann an dieser Stelle vorausschicken, dass in der betriebswirtschaftlichen Forschung kein einheitliches, universales und praktikables Abgrenzungskriterium spezifiziert werden konnte, das unabhängig von der Entscheidungssituation zu eindeutigen und replizierbaren Ergebnissen hinsichtlich der Zugehörigkeit einzelner Systemelemente (z.B. Personen, Objekte) zu Umwelt bzw. Unter-
31
Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 305. Pfeffer, J., Salancik, G.R. (Organizations 1978), S. 29. 33 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391 f.; Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 64; 34 Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 64. 35 Vgl. Wirth, W. (Umweltanalyse 1980), S. 9 ff. 32
12
nehmen führt. Daher ist auch keine eindeutige und systematische Definition des Begriffs der Unternehmensumwelt in der Literatur zu finden.36 An Ansätzen bzw. Versuchen zur Grenzziehung zwischen Unternehmen und Unternehmensumwelt mangelt es jedoch nicht. Abgrenzungskriterien (mit universellen Gültigkeitsanspruch), die in der BWL Verwendung finden, konzentrieren sich hauptsächlich auf arbeits- und gesellschaftsjuristische Verbindungen von Personen und Unternehmen, Kapitalverflechtungen oder Beeinflussungsmöglichkeiten von Handlungen.37 Diese können aber naturgemäß nicht die grundsätzliche Problematik lösen, dass in Abhängigkeit vom angewendeten Kriterium jeweils andere Elemente, die zudem noch in der Struktur heterogen sein können (Personen, Organisationen, Dinge), Teil der Umwelt oder Teil des Unternehmens sein können.38 Bei Verwendung derartiger Kriterien emergieren weitere Schwierigkeiten. Die potenzielle Mehrfachzugehörigkeit von Personen zu unterschiedlichen Organisationen verhindert eine eindeutige Zuordnung bei personenbezogenen Differenzierungskriterien. Zudem kann die Intensität der Integration in ein Unternehmen, die bei verschiedenen Personen, aber auch Organisationen unterschiedlich sein kann, nicht berücksichtigt werden. 39 Zusätzliche Komplexität erlangt die dargestellte Problematik, wenn von einer statischen Momentaufnahme zu einer dynamischen Betrachtungsweise übergegangen wird.40 Unternehmen ändern über Zeit ihre Struktur und lassen die potenziellen Ergebnisse einer Abgrenzung zur Unternehmensumwelt zu einem "moving target" werden. Fazit dieser Betrachtungen ist, dass eine objektive Zuordnung der Elemente zu Umwelt und Unternehmen auf Grund des Fehlens eines universellen Abgrenzungskriteriums nicht getroffen werden kann. Trotzdem ergibt sich aus dem faktischen Vorhandensein eines Beziehungsgefüges zwischen Unternehmen und Umwelt die Notwendigkeit einer Klärung.41 In der Betriebwirtschaftslehre hat sich in diesem Zusammenhang die Auffassung durchgesetzt, dass zum einen ein Unternehmen als potenziell subjektiv gegenüber der Umwelt
36
Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 66; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96. Vgl. Schreyögg, G. (Umwelt 1978), S. 81-83. 38 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 306 ff.; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96-97. 39 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96; in ähnlicher Form auch bei Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 306-307. 40 Vgl. Höfer, R. (Umwelten 1977), S. 53. 41 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 70. 37
13
abgrenzbares System aufgefasst werden kann, und zum anderen die Umwelt individuell in Abhängigkeit von Problemstellung und Untersuchungsperspektive definiert werden muss.42 Teilen wir diese Auffassung, kann der Frage nach der relevanten Unternehmensumwelt43 nachgegangen werden. Auch hier ist die Bestimmung eines Auswahlkriteriums notwendig, das erlaubt aus der unendlichen Anzahl der Umweltelemente, diejenigen zu selektieren, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. In der Wissenschaft findet die Unternehmensaufgabe bzw. das Sachziel als Auswahlkriterium häufige Verwendung.44 "Danach werden jene Elemente der Umwelt als relevant erachtet, die für die Zielsetzung und Zielerreichung der Unternehmung bedeutsam sind."45 Allerdings ist es mit diesem Ansatz ebenfalls schwierig, zu einer objektiven und eindeutigen Aussage hinsichtlich der relevanten Unternehmensumwelt zu gelangen. Vielmehr ist eine Abhängigkeit der Selektion der relevanten Umweltmerkmale von einer konkreten Entscheidungssituation (und vom Entscheidungsträger) zu konstatieren, und damit ist die Relevanz wiederum ein subjektiver Tatbestand.46 2.2
Elemente der Unternehmensumwelt
Wohlwissend, dass die Differenzierung der (relevanten) Unternehmensumwelt bis dato nicht exakt theoretisch gelöst wurde, hat es sich in der wirtschaftwissenschaftlichen Literatur durchgesetzt, pragmatisch die Unternehmensumwelt nach dem Grad der Unmittelbarkeit des Umwelteinflusses in zwei Analyseebenen, die ihrerseits in einzelne Elemente bzw. Komponenten separiert werden, einzuteilen.47 42
Vgl. Höfer, R. (Umwelten 1977), S. 50; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96. Relevante Unternehmensumwelt ist die Summe derjenigen externen Elemente die abhängig vom Differenzierungskriterium (z.B. Sachziel) für das Unternehmen von Bedeutung sind. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 70. 44 Dieses Auswahlkriterium wurde erstmalig von Dill spezifiziert, der in diesem Zusammenhang auch von der Aufgabenumwelt (task environment) des Unternehmens spricht, zu der Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und regulative Institutionen zu zählen sind. Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410 ff. Nach Kubicek/Thom ist allerdings eine Ergänzung dieses Kriteriums notwendig. Beispielsweise sollen auch generellen Bedingungen (gesellschaftliche, gesetzliche etc.) und zukünftig relevante Bedingungen einbezogen werden. Vgl. Kubicek, H., Thom, N. (Umsystem 1976), S. 3985. 45 Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 71. 46 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97. 47 Dieses Vorgehen wird von den meisten Autoren in den Bereichen Strategisches Management bzw. Organisation angewendet. Vgl. dazu u.a. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 156; Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 126 ff.; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97 ff. 43
14
Zum einen ist dies die so genannte Aufgabenumwelt oder auch engere ökonomische Umwelt, die direkte oder indirekte Austauschbeziehungen (Wettbewerb) zum Unternehmen unterhält bzw. unmittelbaren Bezug zur Zielsetzung und Zielerreichung des Unternehmens aufweist.48 Zum anderen ist dies die allgemeine, generelle oder auch globale Umwelt, welche diejenigen Einflüsse und Bedingungen bezeichnet, die indirekt wirken und damit einen prinzipiellen Rahmen beschreiben, in dem die Aktionen aller Unternehmen und weiteren Organisationen eines geographischen Gebietes (z.B. Staat) stattfinden.49 Diese Einteilung findet sich auch in der amerikanischen Literatur wieder, wo zwischen industry bzw. task environment und general environment unterschieden wird.
50
Wie
bereits angemerkt, lassen sich die beiden Analyseebenen, die im weiteren Verlauf der Arbeit als (1) Aufgabenumwelt und (2) allgemeine Umwelt bezeichnet werden, in einzelne Komponenten bzw. Segmente einteilen, was im Folgenden expliziert bzw. in nachfolgender Abbildung dargestellt wird.
48
Vgl. Wirth, W. (Umweltanalyse 1980), S. 15. Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317. 50 Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410 ff; Hill, C.W.L, Jones. G.R. (Strategic Management 1995), S. 66 ff. 49
15
Allgemeine Umwelt Sozio-kulturelle
Aufgabenumwelt Konkurrenten
Technologische
Kunden
Unternehmen
Lieferanten
Politischrechtliche
Sonstige (Kapitalgeber, Arbeitnehmer)
Makroökonomische
0
Abb. II-1: Segmentierung der Unternehmensumwelt51 Ad (1) - Aufgabenumwelt: Die konzeptionellen Ansätze, die in der Literatur zu finden sind, basieren auf einer Untersuchung von Dill, der die Aufgabenumwelt in die Elemente Konkurrenten, Lieferanten, Kunden und regulative Institutionen einteilt.52 In neueren Klassifikationen geht man davon ab, regulative Institutionen als Teil der Aufgabenumwelt anzusehen, sondern ordnet diese vielmehr in die allgemeine Umwelt ein. Stattdessen hat sich der Einbezug
51
Quelle: Modifiziert nach Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 157. Ähnliche Segmentierungen bzw. Darstellungen auch bei: Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 18; Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 73 ff.; Schönert, O. (Frühaufklärung 1997), S. 26 ff.; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 18 ff.; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 102.Teilweise findet sich ein separates fünftes Segment der allgemeinen Umwelt: die ökologische Umwelt. Auf eine gesonderte Abbildung dieses Bereichs wird verzichtet, da zu den dargestellten vier Segmenten große Überschneidungen vorhanden sind, z.B. kann steigendes Umweltbewusstsein eigentlich als Einflusskraft des sozio-kulturellen Bereichs gewertet werden Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 89. 52 Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410. 16
von Arbeitnehmern und Kapitalgebern durchgesetzt, so dass sich die Aufgabenumwelt aus folgenden Komponenten zusammensetzt:53 •
Kunden
•
Lieferanten
•
Konkurrenten
•
Sonstige – Kapitalgeber – Arbeitnehmer
Ad (2) - Allgemeine Umwelt: Insbesondere auf dieser Ebene sind in der Literatur eine Fülle von Klassifikationen vorgenommen worden, die sich größtenteils ergänzen oder überlagern.54 Der Ursprung dieser Arbeiten ist im Werk von Farmer und Richman zu sehen, die als erste die Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt für das Management analysiert bzw. die Segmentierung in unterschiedliche Einflussbereiche vorgenommen haben.55 Nach einer Synthese von Aeberhard, der wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen, wird die allgemeine Umwelt in die Komponenten bzw. Segmente "makro-ökonomisch", "politisch-rechtlich", "sozio-kulturell" und " technologisch" differenziert.56 Die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Segmente ist in der Betriebswirtschaftslehre ebenfalls als heterogen zu bezeichnen. Nachfolgende Beschreibungen der allgemeinen Umweltkomponenten geben eine Zusammenfassung aus der Literatur wieder und legen gleichzeitig die definitorische Basis für den weiteren Verlauf dieses Textes:57 •
Makro-ökonomisch: Diese Kategorie umfasst die gesamtwirtschaftlichen Größen und Tendenzen, die das Angebots- und Nachfrageverhalten prägen und sich demzufolge auf die Güter- und Kapitalmärkte einer Volkswirtschaft auswirken. Die makro-ökonomische Teilumwelt wird meist durch Faktoren, wie
53
Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 101. Eine Übersicht über die gängigsten Klassifikationen der allgemeinen Unternehmensumwelt in den Wirtschaftswissenschaften gibt Eulgem. Vgl. dazu Eulgem, S. (Unternehmung und Umwelt 1993), S. 38. 55 Vgl. Farmer, R., Richman, B. (Management 1965). 56 Vgl. Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 45 f. 57 Einen Überblick über die wichtigsten Faktoren/Indikatoren der jeweiligen Umweltsegmente ist aus einer allgemeinen Perspektive in Tab. II-6 bzw. spezifisch für Finanzdienstleister in Abb. III-12 dargestellt. 54
17
beispielsweise Zinsniveau, Bruttosozialprodukt, Inflation, Arbeitslosen- oder Sparquote, beschrieben.58 •
Sozio-kulturell: Unter diesem Begriff werden neben den soziodemographischen Strukturen und Entwicklungen (Bevölkerung, Alter, Einkommensverteilung etc.) die Werte59 und Einstellungen bzw. kulturelle Normen der Bevölkerung verstanden, die entsprechend ihrer Ausprägung auf Makro-Ebene die Gesamtstruktur von Gesellschaften und auf Mikro-Ebene den Lebensstil des Einzelnen beeinflussen.60 Entwicklungen und Veränderungen solcher Wertmuster werden häufig unter dem Überbegriff "Wertewandel" diskutiert.61 Hierzu ist neben den Verschiebungen in der Einstellung zu prinzipiellen Kategorien, wie beispielsweise zu Arbeit bzw. Freizeit, zur Rolle der Industrie, zu Statussymbolen oder zur Rolle der Frau, ebenfalls die Wahrnehmung und damit assoziiert der Konsum von Produkten und Dienstleistungen zu zählen.62 Im Gegensatz zu den anderen Segmenten der allgemeinen Unternehmensumwelt, fehlt es Entwicklungen auf dem sozio-kulturellen Gebiet - von den gut messbaren Entwicklungen der Soziodemographie einmal abgesehen - meist an Prägnanz und "Greifbarkeit".63 "Das ändert nichts daran, dass sie für das Handlungsgerüst einer Organisation sehr häufig von nachhaltiger Bedeutung sind; ihre Nichtbeachtung oder Fehleinschätzung ist nicht selten die Ursache nicht tragfähiger Selektionsmuster, die sich als Unternehmenskrisen bemerkbar machen."64
•
Politisch-rechtlich: Der Staat bzw. andere legislative Institutionen (z.B. Europäisches Parlament) verändern die Abhängigkeits- und Machtstrukturen, in-
58
Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 98, Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 319. Werte sind allgemeine Ziele, die das Handeln in den verschiedenen Lebensbereichen regieren. Anders formuliert sind Werte Vorstellungen des Wünschbaren, die nicht individuell, sondern als verbindliche Maxime für jede Person interpretierbar sind, aber im Gegensatz zu Normen allgemeiner, sozusagen als generelle Orientierungspunkte verstanden werden können. Wertewandel bedeutet in diesem Zusammenhang die Wandlungstendenz der Wertestruktur bzw. ihrer Beziehungen untereinander. Vgl. Meulemann, H. (Werte und Wertewandel 1996), S. 25 f. und S. 30 f. 60 Vgl. Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 187. 61 Vgl. Ulrich, H. (Unternehmungspolitik 1990), S. 71; Amelung, T., Corsepius, U. (Strategische Führung 1991), S. 41 ff. 62 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318; Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 187. 63 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318. 64 Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318. 59
18
dem sie Gesetze und Verordnungen kodifizieren bzw. erlassen, an die sich das Unternehmen anpassen muss.65 Insbesondere Modifikationen des Steuer-, Handels-, Arbeits- und Sozialrechts, aber auch Infrastrukturmaßnahmen, Subventionen, Zölle etc. haben direkten Einfluss auf die Handlungen und die Planungen der Unternehmen. •
Technologisch: Dieses Segment beinhaltet das bereits bekannte und das in der Entwicklung befindliche technologische Wissen. Dieses wirkt sich sowohl auf die Anwendung und den Einsatz von Technologien im Bereich der zu erstellenden Produkte und der Produktionsverfahren als auch in einer Beeinflussung der Gesamtgesellschaft (z.B. durch die Adaption neuere Technologien) aus.66
2.3
Attribute der Unternehmensumwelt
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt die Unternehmensumwelt entlang zweier Analyseebenen und deren einzelner Elementen systematisch kategorisiert wurde, werden in diesem Kapitel die Attribute der Unternehmensumwelt entlang der Dimensionen Differenziertheit (Komplexität), Veränderlichkeit (Dynamik) und Unbestimmtheit (Kontingenz) beschrieben.67 Wenden wir uns zuerst dem Begriff der Umweltkomplexität zu. Die Komplexität (auch Vielfältigkeit bzw. Heterogenität genannt) beschreibt die gesamtstrukturelle Ausprägung der Umwelt zu einem festgelegten Zeitpunkt. Dabei ist das Niveau der Komplexität von den zwei Merkmalen (1) Varietät und (2) Konnektivität determiniert.68 Ad (1): Varietät ist die Anzahl bzw. Verschiedenartigkeit der Umweltfaktoren und die Verteilung dieser Faktoren auf die Umweltkomponenten. Je größer die Anzahl der relevanten Umweltfaktoren aus unterschiedlichen Teilumwelten, desto höher ist die Varietät und ergo auch der Grad der Komplexität.69 Ad (2): Konnektivität bezeichnet die Möglichkeit, dass einzelne Umweltfaktoren miteinander in einem Beziehungsgeflecht stehen bzw. in Interaktion treten. Ana-
65
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149; Welge, M. K., AlLaham, A. (Strategisches Management 2001), S. 186. 66 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 98. 67 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199 ff. 68 Zahn, E. (Strategische Planung 1979b), S. 13. 69 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 81, der sich auf Duncan bezieht. Vgl. Duncan, R. (Environments 1972), S. 314 ff. bzw. 19
log zur Varietät erhöht sich das Komplexitätsniveau, je stärker die Konnektivität ausgeprägt ist.70 Die beiden Komplexitätsdimensionen Varietät und Konnektivität stehen in einem interdependenten Zusammenhang, da mit zunehmender Anzahl der Umweltmerkmale auch die potenziellen Möglichkeiten der Interaktion wachsen. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass mit steigender Anzahl der für ein Unternehmen relevanten Umweltmerkmale und -facetten und zunehmenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Umweltmerkmalen die Umweltkomplexität größer wird. Dynamik bezeichnet die Veränderlichkeit der Struktur der Unternehmensumwelt im Zeitablauf oder genereller formuliert den Wandel der Unternehmensumwelt.71 Die drei Merkmale (1) Häufigkeit, (2) Ausmaß der Änderungen sowie (3) Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse konkretisieren den Begriff der Dynamik und bestimmen entsprechend ihrer Ausprägung das Niveau.72 Ad (1): "Mit dem Merkmal Häufigkeit soll das quantitative Auftreten von Änderungsprozessen in einer Zeiteinheit ermittelt werden."73 Ad (2): Der Faktor "Ausmaß der Änderungen" gibt die Intensität der Veränderungen der Unternehmensumwelt an. Ad (3): Die " Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse" stellt das Veränderungsmuster der Unternehmensumwelt dar. In diesem Zusammenhang spricht man von einer Stetigkeit (Kontinuität) bzw. Unstetigkeit (Diskontinuität) der Veränderung. Bei einer stetigen Veränderung vollzieht sich der Wandel der Umwelt in kleinen, inkrementellen Schritten nach ähnlichen Mustern und ist somit im Prinzip durch das Unternehmen antizipierbar. Unstetige bzw. diskontinuierliche Änderungen unterliegen kaum prognostizierbaren Mustern, die "Vertrautheit" der Ereignisse für das Management des Unternehmens und damit die Möglichkeit zur Anwendung von erprobten Reaktionsmustern sinkt.74 In der Regel kündigen sich
70
Vgl. Malik, F. (Strategie 1984), S. 186 f.; Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 82. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 83. 72 Vgl. Child, J. (Environment 1972), S. 3; ähnlich auch: Frank, H., Plaschka, G., Rößl, D. (Umweltdynamik 1988), S. 2-4; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 313 ff.; Kieser, A., Kubicek, H. (Organisation 1992), S. 371. 73 Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 84. 74 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 10. 71
20
Diskontinuitäten aber in Form so genannter Schwacher Signale an.75 Verglichen mit kontinuierlichen Änderungen haben Diskontinuitäten durch ihr Ausmaß zudem eine ungleich stärkere Impulskraft auf das Unternehmen.76 Das dritte Attribut, mit dem sich die Unternehmensumwelt charakterisieren lässt, ist der Begriff der Kontingenz. Die Kontingenz beschreibt das Zufällige bzw. das Unbestimmte in Entwicklungen der Unternehmensumwelt und bedeutet zudem, dass Informationen aus den unterschiedlichen Teilumwelten oftmals in unpräziser Form77 vorliegen, so dass eine Anwendung traditioneller entscheidungstheoretischer Kalküle nicht angebracht ist.78 Im Vergleich zu Diskontinuitäten kündigen sich unbestimmte Entwicklungen nicht durch Vorläuferereignisse (Schwache Signale) an, sondern sind zufällig und überraschend.
3. Die Bedeutung der Unternehmensumwelt für das Strategische Management In diesem Abschnitt wird dargestellt, inwiefern die Unternehmensumwelt eine wichtige Rolle innerhalb des Strategischen Managements spielt. Dazu wird der Begriffskomplex "Strategisches Management" definiert, um darauf aufbauend die Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements zu explizieren. Da die Analyse der Unternehmensumwelt in die Strategische Planung zu verorten ist, werden die zwei bereits eingeführten Ebenen "Aufgabenumwelt" und "Allgemeine Umwelt" im Kontext der Strategischen Analyse, welche einen Teilbereich der Strategischen Planung darstellt, beschrieben. 3.1
Elementarkategorien des Strategischen Managements
In diesem ersten Teilabschnitt werden die wesentlichen Termini des Begriffspaares "Strategisches Management" definiert. Im Anschluss wird Strategisches Management als Konsequenz eines betriebswirtschaftlichen Evolutionsprozesses dargestellt. Weiterhin werden Aufgabenspektrum bzw. die unterschiedlichen Teilsysteme und Funktionen expliziert.
75
Zu Definition des Begriffs der Schwachen Signale im Zusammenhang mit der Theorie von Igor Ansoff siehe Abschnitt IV.2.3.1.1. 76 Der Begriff der Diskontinuität wird im Abschnitt IV.1.2 noch weiter detailliert. 77 Zum Charakter strategischer Informationen (über die Unternehmensumwelt) siehe den Abschnitt IV.1.1. 78 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. 21
3.1.1
Begriff
Bevor auf betriebswirtschaftlich geprägte Spezifikationsansätze des Terminus "Strategisches Management" eingegangen wird, erscheint es auf Grund der vielfältigen Konzeptionen und der damit einhergehenden Definitionsfülle zunächst sinnvoll, die beiden Begriffsbestandteile "Strategisch" bzw. "Strategie" sowie "Management" separat zu behandeln. Der wörtliche Ursprung des Begriffs "Strategie" leitet sich aus dem altgriechischen "stratos" (Heer) und "agos" (Führer) ab. Strategie bedeutet in diesem Zusammenhang Kunst der Heeresführung.79 Ebenfalls aus militärischer Perspektive reinterpretiert v. Clausewitz in seinem Werk "Vom Kriege" den Strategiebegriff und definiert diesen als "Gebrauch des Gefechts zum Zwecke des Krieges". Allgemeiner formuliert kann der Begriff Strategie im ursprünglichen Sinn auch als "(...) Denken, Entscheiden und Handeln, das an übergeordneten Zielen orientiert ist und auf einer umfassenden Sichtweise beruht (...)"80 verstanden werden. Den Transfer in die Ökonomie erfährt der Begriff Strategie durch die Generalisierung der Definition von v. Clausewitz. Strategie wird allgemein als Mittel- bzw. Maßnahmenwahl zum Erreichen festgelegter Ziele verstanden, wobei die Zielfestlegung als integrativer Bestandteil der Strategie angesehen wird.81 Konkretisierend hat Spengler aus den vielfältigen Definitionsansätzen zum Strategiebegriff der Betriebswirtschaftslehre folgende vier Eckpunkte synthetisiert, denen wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen:82 •
Eine Strategie ist ein Bündel abstrakter Maßnahmen.
•
Sie belässt Freiheitsgrade für in späteren Zeitpunkten zu konkretisierende Maßnahmen.
•
Eine Strategie ist an globalen Orientierungsmustern83 ausgerichtet.
79
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 7. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 13. 81 Vgl. u.a. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 7; Hinterhuber, H. (Wettbewerbsstrategie 1990), S. 3 ff.; Gälweiler, A. (Unternehmensführung 1990), S. 59 ff. 82 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64 ff. 83 Globale Orientierungsmuster sind sog. Strategiebasen, die auch als Kriterien der Strategiebildung verstanden werden und sich auf unterschiedliche Objekte beziehen können. Beim Kriterium "Betriebliche Funktionen oder Objekte" wären demzufolge mögliche korrespondierende Strategiebezeichnungen Absatz-, Personal- oder Finanzierungsstrategien. Vgl. dazu Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 66. 80
22
•
Weiterhin weist sie wesentliche Relevanz für die Weiterentwicklung des Systems auf, für das sie konzipiert ist.
Eine Strategie bildet somit einen Rahmen für die Entscheidungen, die Art und Richtung der Unternehmung festlegen und bestimmt somit die zukünftige Stellung der Unternehmung in der Umwelt. Weiterhin determiniert sie die Auswahl der Technologien und die Entwicklung der Fähigkeiten bzw. Ressourcen sowie deren Zuteilung.84 Eine Strategie ist immer an Kontexte (z.B. Umwelt, Wettbewerb) gebunden und individuell für die entsprechende Bezugseinheit, sei es nun das Gesamtunternehmen, eine Geschäftseinheit oder eine Abteilung, festzulegen.85 Sowohl im militärischen als auch im ökonomischen Sinn ist der Begriff der Strategie immer mit der Grundphilosopie des Strategischen Denkens verbunden. Diese Denkmethode dient zur Erfassung von Situationen, Einordnung ihrer Bedeutung und dem Festlegen eines grob umrissenen Zielzustandes sowie dem regressiven Ausarbeiten des wirksamsten Vorgehens im Sinne eines flexiblen Maßnahmenbündels.86 Nach Schertler orientiert sich die Strategische Denkweise im Wesentlichen an folgenden Punkten:87 •
Konstellation und Relevanz von Unternehmungseinflüssen
•
Analyseergebnisse eigener Stärken und Schwächen
•
Zukünftige Erfolgspotenziale
•
Auswirkungen des gegnerischen Verhaltens für die eigene Zielrealisierung
•
Wahrscheinlichkeit bestimmter Verhaltensweisen des Gegners
•
Umweltentwicklungen verstanden als Chancen und Bedrohungen
•
Konsequenzen des eigenen und des gegnerischen Verhaltens
Der zweite Begriffsbestandteil "Management" kann einerseits als "Institution", andererseits als "Funktion" verstanden werden. Institution meint dabei eine Anzahl Personen, die in einer Organisation mit Weisungsbefugnissen ausgestattet ist. Funktion bezieht sich auf die Summe der Handlungen, die zur Steuerung des Leistungsprozesses notwendig sind.88 Dem Management aus funktionaler Sicht wohnt dabei eine sachbezogene (Erfüllung
84
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 52 f. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 67. 86 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 23; Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64. 87 Vgl. Schertler, W. (Organisation 1985), S. 97. 88 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 6. 85
23
bestimmter Aufgaben im Rahmen des Managementprozesses, wie z.B. Planung, Organisation, Kontrolle) und eine personenbezogene (Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens zur Erreichung gemeinsam akzeptierter Ziele) Aufgabenkomponente inne. Dem weiteren Verlauf dieser Arbeit liegt ein funktionales Verständnis zu Grunde. Somit kann Management als die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des Systems Unternehmen in sach- und personenbezogener Dimension verstanden werden.89 Durch Kombination der Begriffsdefinitionen von Strategie und Management sollte demzufolge Strategisches Management in einem Unternehmen einen Komplex von Steuerungshandlungen darstellen, der sich auf Basis einer Analyse der unternehmenseigenen Stärken und Schwächen sowie der umweltinduzierten Chancen und Bedrohungen mit der Festlegung von strategischen Zielen sowie der Auswahl eines geeigneten (abstrakten) Maßnahmenbündels zur Erreichung dieser Ziele beschäftigt. 3.1.2
Entstehung
Strategisches Management ist die derzeitige Endstufe einer Genese, die in einem historisch-zeitlichen Ablauf darstellbar ist und an deren Anfang die Planung stand.90 Nachfolgende Tab. II-2 skizziert den Wandlungsprozess, der im Wesentlichen aus vier Entwicklungsphasen besteht. Dabei ist hervorzuheben, dass in diesem Zusammenhang nicht die Inhalte der einen Phase durch die der nächsten "überschrieben" wurden, vielmehr stellen die Phasen die jeweiligen Schwerpunkte des damaligen Fokus der Managementpraxis und -forschung dar.91 Tab. II-2: Entwicklungsphasen des Strategischen Managements92 Phase Titel
Zeitrahmen
1.
Planung
1945 – 1960
2.
Langfristige Planung
1960 – 1973
3.
Strategische Planung
1973 – 1980
4.
Strategisches Management
1980 - ...
89
Vgl. Hopfenbeck, W. (Managementlehre 1996), S. 327. Vgl. Ansoff, H.I., McDonell, E.J. (Strategic Management 1990), S. 3 ff. 91 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 11-14, Horváth, P. (Controlling 1996), S. 204-205; Welge, M.K., Al-Laham, A. (Planung 1992), S. 7 ff. 92 Quelle: Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 11; ähnlich auch bei Hax, A.C., Majluf, N.S. (Strategisches Management 1991), S. 18. 90
24
Phase 1 - Planung: In den Verkäufermärkten der Nachkriegszeit war das Management zentral auf die Planung von Finanzströmen ausgerichtet. Unter der Vorstellung, dass sich wirtschaftliche Handlungen grundsätzlich monetär niederschlagen, war der Kerninhalt der Planung die Budgetierung, was gleichzeitig die zentrale Bezugsgröße für die Kontrolle war, die im Sinne einer Ergebniskontrolle (Ermittlung von Soll-Ist-Abweichungen) durchgeführt wurde. Phase 2 - Langfristige Planung: Zu Anfang der Sechziger Jahre rückte vermehrt das Bedürfnis nach einer weitsichtigen (also langfristigen) Planung in den Vordergrund. Ziel war es, Langfristprognosen mittels Extrapolation bisheriger Entwicklungen zu erstellen, die dann die Aufstellung von Budgetplänen über mehrere Jahre hinweg zuließen. Zur Abbildung von Diskontinuitäten, also unerwartet auftretenden Ereignissen (z.B. Ölkrise im Jahre 1973), war die Langfristplanung jedoch nicht geeignet und wurde aus diesem Grund durch die Betrachtungsweise der Strategischen Planung abgelöst. Phase 3 - Strategische Planung: Die nachfolgende Phase der Strategischen Planung war geprägt von einer systematischen Analyse der zukünftigen, umweltinduzierten Chancen und Risiken und unternehmenseigenen Stärken und Schwächen. Eine reine Fortschreibung von Entwicklungen aus der Vergangenheit wurde unter dem Eindruck von immer häufiger auftretenden Diskontinuitäten und Unbestimmtheiten verworfen. In diesem Zusammenhang wurden innerhalb des Komplexes der Strategischen Planung zahlreiche Methoden und Techniken entwickelt. Insbesondere im Bereich der Umweltanalyse sind die Wettbewerbs- und Branchenanalyse, die Szenario-Analyse und die Früherkennungssysteme zu nennen. Phase 4 - Strategisches Management: Die vierte Evolutionsstufe ist die Phase des Strategischen Managements. Zwar bildet die Strategische Planung ein wichtiges Subsystem innerhalb dieses Gesamtkomplexes, ergänzend erlangen zusätzliche "weichere" Dimensionen, wie Personalkompetenzen, Organisation und Unternehmenskultur, ein höheres Maß an strategischer Bedeutung, da sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass bei einer strategischen Ausrichtung dieser weiteren Teilsysteme eine bessere Implementierung von Strategien und Einzelmaßnahmen und eine höhere Qualität der Planung erzielbar ist. 3.1.3
Aufgabenspektrum
In der Definition von Bea/Haas, der wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen, liegt die Kernaufgabe des Strategischen Managements in der Gestaltung des Unternehmens 25
und seiner Beziehungen zur Unternehmensumwelt. "Die aus dieser Grundaufgabe abzuleitenden Einzelmaßnahmen richten sich auf die Modifikation von Strategien, die Gestaltung der Organisation, der Unternehmenskultur und der übrigen Subsysteme des Unternehmens."93 Bea/Haas unterscheiden in ihrer Konzeption die folgenden Subsysteme:94 •
Strategische Planung
•
Strategische Kontrolle
•
Information
•
Organisation
•
Unternehmenskultur
•
Leistungspotenziale
Die Aufgabe des Strategischen Managements ist dabei die Abstimmung zwischen den einzelnen Subsystemen (Intra-System-Fit), die Koordination innerhalb eines Subsystems (z.B. Intra-Organisations-Fit) und die Abstimmung zwischen Gesamtsystem (Summe der Subsysteme) und der Unternehmensumwelt, was in Abb. II-2 veranschaulicht wird.95
93
Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 7 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 18 95 Vgl. F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 17 94
26
System-Umwelt-Fit
System-Umwelt-Fit IntraStrategieFit IntraInformationsFit
IntraOrganisationsFit IntraSystemFit IntraLeistungspotenzialFit
IntraKontrollFit IntraUnternehmenskulturFit System-Umwelt-Fit
System-Umwelt-Fit
Abb. II-2: Koordinationsaufgabe des Strategischen Managements96 Prinzipiell orientierten sich Bea/Haas dabei an den konzeptionellen Vorüberlegungen von Ansoff. In seinem Werk "Corporate Strategy"97 wird die Maxime postuliert, dass sich das Kompetenzprofil eines Unternehmens konsequent an der Unternehmensumwelt auszurichten hat. Anders formuliert war die Forderung nach einem Fit (Passgenauigkeit) zwischen System (Unternehmen) und Umwelt geboren. Unter dem Eindruck der Arbeit von Chandler und seiner zentralen Hypothese "Structure follows Strategy" weitet Ansoff den Gedanken vom System-Umwelt-Fit in seinem Buch "Strategic Management"98 aus. "This book, like Chandler´s, is built on the basic hypothesis that environment, external strategic behaviour, an the internal `structure` are interrelated."99 In diesem Zusammenhang fordert er, dass die einzelnen Elemente bzw. Subsysteme eines Unternehmens ebenfalls untereinander und mit der Umwelt abzugleichen sind (Intra-System-Fit). Die Arbeiten von Ansoff haben für die akademische Forschung in der Disziplin Strategisches Management wichtige Grundlagen gelegt. Den Beleg dafür, dass die Ansoff´schen
96
Quelle: Leicht modifiziert nach Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 17. Vgl. Ansoff, H.I. (Corporate Strategy 1965). 98 Vgl. Ansoff, H.I. (Management 1979). 99 Ansoff, H.I. (Management 1979), S. 7. 97
27
Konzeptionen auch unmittelbar von der Praxis aufgegriffen wurden, zeigt exemplarisch das 7-S-Modell des Beratungsunternehmens McKinsey&Company. Ähnlich wie bei dem dieser Arbeit zu Grunde gelegten Ansatz von Bea/Haas wird der Gesamtkomplex des Strategischen Managements in strategisch relevante Teilbereiche differenziert. Zentrale Aufgabe ist einerseits die inhaltliche Ausgestaltung der Teilsysteme und andererseits die Koordination der Systeme untereinander. Dabei werden die Teilsysteme in die zwei Kategorien "hard facts" (rational-qualitativ) und "soft facts" (emotional-qualitativ) eingeteilt. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Teilsysteme des 7-SModells:100 Tab. II-3: 7-S-Modell101 Teilsystem
Kategorie
Beschreibung
Subordinate Goals
Soft
Übergeordnete Ziele der Unternehmung; Vision
Strategy
Hard
Strategische Planung und Zielfestlegung
Structure
Hard
Aufbau- und Ablauforganisation
Systems
Hard
DV- und Informationsverarbeitungssysteme
Skills
Soft
Kompetenzen
Staff
Soft
Personalressourcen und- qualität
Style
Soft
Führungsstil, Unternehmenskultur
3.2
Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements
Nachdem eine definitorische Abgrenzung des Begriffsgefüges Strategisches Management vorgenommen wurde, ist nun der Komplex der Strategischen Planung genauer zu untersuchen. Wie ja bereits in den Ausführungen zu der Definition von Bea/Haas erläutert wurde, stellt die Strategische Planung ein zentrales Teilsystem des Strategischen Managements dar. Zunächst zum Planungsbegriff im Allgemeinen: Die betriebswirtschaftliche Literatur liefert vielfältige und zahlreiche Definitionen des Terminus Planung.102 Ohne an dieser
100 101
Vgl. Peters, T.; Waterman, R.H. (Spitzenleistungen 1983), S. 30 ff. Quelle: Vgl. Peters, T.; Waterman, R.H. (Spitzenleistungen 1983), S. 32. 28
Stelle detailliert die verschiedenen Begriffsinhalte im Einzelnen darzustellen, geben folgende Abgrenzungen einen Überblick der grundlegenden, weitgehend einheitlich verstandenen Merkmale: •
Nach Wild wird Planung als "(...) ein systematisches zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur zukünftigen Zielerreichung (...)"103 verstanden.
•
Horváth sieht Planung in Anlehnung an Kosiol104 als "prospektives Denkhandeln" mit dem "zukünftiges Tathandeln" vorweggenommen werden soll. Damit ist Planung gedankliche Zukunftsgestaltung für das Unternehmen.105
•
Küpper definiert Planung in ähnlicher Weise: "Über die gedankliche Vorwegnahme, das Durchdenken künftiger Handlungsmöglichkeiten, der sie begrenzende Rahmenbedingungen, ihrer Wirkungen auf die eigenen Ziele und andere Größen will man Handlungsalternativen finden, analysieren und eine zielentsprechende auswählen. (...) Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis umfasst Planung die Entscheidungsvorbereitung und den Entscheidungsakt, der sich in den Plänen niederschlägt."106
Den dargestellten Definitionen ist gemein, dass sie in einem weiteren Sinne die Zielbildung und das Fällen von antizipativen Entscheidungen einbeziehen.107 "Eine antizipative Entscheidung ist dadurch gekennzeichnet, dass man durch die Wahl geeigneter Handlungsalternativen mögliche künftige Störgrößen kompensiert, bevor sie tatsächlich aufgetreten sind. Demgegenüber stehen reaktive Entscheidungen, bei denen es eine bereits eingetretene Störung zu kompensieren gilt."108 Zusammenfassend ist für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit festzuhalten, dass Planung sich durch den gedanklichen Charakter, den Zukunfts- sowie den Entscheidungsbezug umschreiben lässt. Analog zu der o.g. Definition des Begriffs Management 102
Übersichten zu den unterschiedlichen Definitionen des Planungsbegriffs finden sich beispielsweise bei Syperski/Winand oder bei Mag. Vgl. hierzu Syperski, N., Winand, U. (Unternehmensplanung 1980), S. 32 bzw. Mag, W. (Planung 1993), S. 4. 103 Wild, J. (Unternehmensplanung 1974), S. 13. 104 Vgl. Kosiol, E. (Planung 1967), S. 79. 105 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 158-159. 106 Küpper, H.U. (Controlling 1997), S. 59. 107 Im Gegensatz dazu wird Planung im engeren Sinne als rein auf die Entscheidungsvorbereitung beschränkte Tätigkeit aufgefasst. Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 10; Hammer, R. (Unternehmungsplanung 1982), S. 13. 108 Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999), S. 10. 29
wird Planung in dieser Arbeit ebenfalls in einem funktionalen Zusammenhang verstanden.109 Planung ist zudem ein informationsbeschaffender und -verarbeitender Prozess110, bei dem Informationen111 zur Identifikation von Problemen und zum Treffen von Entscheidungen benötigt werden.112 Die Generierung und Verarbeitung der unterschiedlichen Informationen (z.B. Umweltdaten, unternehmensinterne Daten etc.) findet typischerweise in mehreren Phasen innerhalb des Planungsprozesses statt. Es existieren mehrere Möglichkeiten, Arten der Planung nach unterschiedlichen Kriterien zu unterscheiden. Folgende Differenzierungen sind in der Betriebswirtschaftslehre gängig:113 •
Simultane oder sukzessive Planung: Unterscheidung bezüglich des Koordinationsvorgehens der Planungen für verschiedene Unternehmensteile, Geschäftseinheiten, Perioden oder Planungshierarchien
•
Zentrale oder dezentrale Planung: Differenzierung hinsichtlich der Organisation der Planung
•
Periodische oder fallweise Planung (Projektplanung): Unterscheidung nach Regelmäßigkeit der Planung
•
Rollierende oder nicht-rollierende Planung: Differenzierung nach dem Anpassungsrhythmus
•
Kurzfristige, mittelfristige und langfristige Planung: Unterscheidung bezüglich des Planungszeitraumes
•
Absatz-, Produktions-, Beschaffungs-, Finanz-, Personal-, F&E-Planung: Differenzierung bezüglich der betreffenden Funktionsbereiche eines Unternehmens
•
Strategische, Taktische und Operative Planung: Unterscheidung nach Hierarchie im Planungssystem114
109
Siehe Abschnitt II.3.1.1. Prozess sei als "(...) Folge von Aktivitäten verstanden, die zum Erreichen eines bestimmten, abgrenzbaren Ergebnisses erforderlich sind." Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 14. 111 Nach der in der Betriebswirtschaftslehre gängigen Definition nach Wittmann stellen Informationen zweckgerichtetes Wissen dar. Diese Definition ist Grundlage für den weiteren Verlauf dieser Arbeit. Vgl. Wittmann, W. (Information 1959), S. 14. 112 Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 13. 113 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 10 ff.; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 192. 110
30
Letztere Differenzierung ist im Kontext dieser Arbeit von besonderer Relevanz. Ausgehend vom dargestellten Verständnis des Planungsbegriffs im Allgemeinen wird nun der Terminus der Strategischen Planung spezifiziert. Auf Basis der in Abschnitt II.3.1.1 definierten Merkmale des Terminus "Strategie" nach Spengler ist in diesem grundsätzlichen Rahmen der Begriff der Strategischen Planung "(…) die bewusste, frühzeitige und geordnete Vorbereitung eines zu implementierenden Bündels abstrakter Maßnahmen, das an globalen Orientierungsmustern ausgerichtet ist, Freiheitsgrade für in späteren Zeitpunkten zu konkretisierende Maßnahmen belässt sowie wesentliche Relevanz für das System ausweist."115 Die konkreten Charakteristika der Strategischen Planung hat Hammer aus der betriebswirtschaftlichen Literatur synthetisiert. Folgende Merkmale können der Strategischen Planung zugeordnet werden:116 •
Umweltorientierung: Die Strategische Analyse der Umwelt ist ein Kernelement der Strategischen Planung, da sie potenzielle Bedrohungen und Chancen, die sich aus Änderungen in der externen Umwelt des Unternehmens ergeben, systematisch erkundet.
•
Zielbezogenheit: Die Strategische Planung ist eine zielbezogene Planung, da die Diskussion und Formulierung strategischer Ziele (Marktanteil, Wachstum etc.) auf Basis der Umweltanalyse bzw. die Analyse der unternehmenseigenen Stärken und Schwächen sowie weiterer Werte von Unternehmensführung, Kapitalgebern und Mitarbeitern elementare Bestandteile der Planung sind.
•
Flexibilität: Die Strategische Planung ist eine Rahmenplanung, durch die die grundsätzliche Entwicklungsrichtung des Unternehmens formuliert wird. Beim Aufkommen von neuen Informationen bzw. Entwicklungen werden diese flexibel in den Strategischen Plan integriert.
•
Langfristigkeit: Im Hinblick auf die Erfolgswirkung ist die Strategische Planung als langfristig zu bezeichnen, da nachhaltige Entscheidungen für den Un-
114
Ein Planungssystem ist die "(...) geordnete und integrierte Gesamtheit verschiedener Teilplanungen, Planungsträger, Prozesse und anderer Elemente sowie ihrer Beziehungen, die nach einheitlichen Prinzipien aufgebaut und zwecks Erfüllung bestimmter Funktionen miteinander verknüpft sind." Wild, J. (Bestandteile 1973), S. 217. 115 Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64 ff. 116 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 57-58. 31
ternehmenserfolg als zentraler Fokus im Vordergrund stehen.117 Oftmals wird auch der Planungshorizont als langfristig bezeichnet (5 bis 7 Jahre); dieser kann aber auf Grund von Innovationszyklen oder Branchendynamiken von Unternehmen zu Unternehmen variieren. •
Wettbewerbsorientierung: Eine der Hauptziele der Strategischen Planung ist die Generierung und Verteidigung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.
•
Methodenunterstützung: Zur Durchführung der Strategischen Planung werden spezifische Methoden angewendet, die sich von den Methoden der Operativen Planung unterscheiden.
•
Führungsbezug: Die Strategische Planung ist eine Kernaufgabe der Unternehmensführung und elementarer Bestandteil des Strategischen Managements.
•
Einbezug qualitativer Faktoren: Im Gegensatz zur Operativen Planung kann die Strategische Planung auch qualitative Einflussgrößen integrieren.
•
Prozessorientierung: Der Prozess der Strategischen Planung läuft in mehreren Phasen ab. Typischerweise besteht dieser Prozess aus den Schritten:118 – (Zielbildung)119 – Umweltanalyse – Unternehmensanalyse – Strategiewahl – Strategieimplementierung Umwelt- und Unternehmensanalyse werden zusammen als Strategische Analyse bezeichnet.120
117
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 63, der sich u.a. Wittmann zitiert. Vgl. Wittmann, W. (Betriebswirtschaftslehre 1982), S. 228. 118 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 49. Ähnlich auch bei Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 152. 119 Über die Integration der Zielbildung in den Prozess der Strategischen Planung gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Beispielsweise sehen Ansoff oder Hofer/Schendel die Phase der Zielbildung nicht als Bestandteil des Strategischen Planungsprozesses wohingegen Hinterhuber und Kreikebaum, H. diese explizit integrieren. Vgl. dazu: Ansoff, H.I. (Corporate Strategy 1965), S. 202; Hofer, C.W., Schendel, D (Strategy 1978), S. 52; Hinterhuber, H. (Unternehmungsführung 1992), S. 25 ff.; Kreikebaum, H. (Unternehmensplanung 1993), S. 32 ff. 120 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 49; Pümpin, C. (Strategische Erfolgspositionen 1992), S. 87 ff.; Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 3; Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 70. 32
Formales Resultat der Strategischen Planung ist der Strategische Plan. Trotz eingeschränkter Standardisierbarkeit ist es auf Grund der Nachvollziehbarkeit, Vergleichbarkeit und Kontrollfähigkeit notwendig, eine solche Formalisierung vorzunehmen. Ebenso wie der Prozess der Strategischen Planung besteht der Strategische Plan aus unterschiedlichen Elementen:121 •
Leitbild und Aufgabenbereiche
•
Umweltanalyse und -prognose (inkl. Konkurrenzanalyse und -prognose)
•
Unternehmenseigene Stärken-/Schwächenanalyse und -prognose
•
Ist-Portfolio und Ziel-Portfolio
•
Maßnahmen (Aktionspläne)
•
Organisatorischen Konsequenzen
•
Wenn-/Dann-Pläne
•
Kosten-/Nutzen-Schätzungen
Die Strategische Analyse, die wie bereits erwähnt aus Umwelt- und Unternehmensanalyse besteht, stellt ein wichtiges Kernelement der Strategischen Planung bzw. ihre formalisierten Ergebnisse einen essentiellen Bestandteil des Strategischen Plans dar. Ihr Zweck ist die Gewinnung von Informationen über Art, Stärke und Zusammenspiel der Einflusskräfte von Umwelt und Unternehmung sowie deren zukünftige Entwicklung.122 Von besonderer Bedeutung für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist das Teilgebiet der Umweltanalyse, welches im nächsten Abschnitt dargestellt wird. 3.3
Die Analyse der Unternehmensumwelt als Kernelement der Strategischen Analyse
Die Umweltanalyse soll im Rahmen der Strategischen Analyse Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) aufzeigen, die sich auf Grund von Konstellationen und Entwicklungen der Faktoren der Unternehmensumwelt ergeben. Die Unternehmensanalyse hingegen fördert die eigenen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) zu Ta-
121 122
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 59-60. Vgl. Pümpin, C. (Strategische Erfolgspositionen 1992), S. 103; Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 69; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 109; Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 113.
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ge.123 Von Relevanz für die Themenstellung dieser Arbeit ist die Umweltanalyse, so dass eine weitere Vertiefung der Unternehmensanalyse124 nicht vorgenommen wird. Im Rahmen jedes einzelnen Prozessschrittes der Strategischen Planung, also auch bei der Umweltanalyse, kommen verschiedene Planungstechniken und -methoden zum Einsatz.125 Prinzipiell ist bei der Umweltanalyse zu unterscheiden, ob der Fokus dieser Techniken auf einer Momentaufnahme der aktuellen Komplexität des Unternehmens-/Umweltgefüges liegt oder auf der Adressierung von Umweltdynamiken und in diesem Zusammenhang der Antizipation von zukünftigen Veränderungen der Unternehmensumwelt. Da in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nicht explizit zwischen diesen beiden Schwerpunkten unterschieden wird, soll an dieser Stelle eine eigene Differenzierung erfolgen. •
Deskriptive Umweltanalyse - dient dazu die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und der Umwelt in einer "Stichtagsbetrachtung" abzubilden. Sowohl die Ermittlung der relevanten Einflusskräfte als auch die Beschreibung der Abhängigkeiten dieser Einflusskräfte untereinander und zum Unternehmen sind das Ziel. Unter diesem Überbegriff können die Methoden der Stakeholder-Analyse, der Markt-/Kundenanalyse und der Branchenanalyse sowie die deskriptive Analyse der allgemeinen Umwelt subsumiert werden.
•
Antizipative Umweltanalyse - fokussiert auf die zukünftigen Veränderungen der Einflusskräfte der Unternehmensumwelt. Ziel ist es, möglichst treffend die potenziellen Entwicklungstendenzen zu bestimmen und deren Eintreffen zu überwachen. Grundsätzlich sind hierbei Prognosen von Projektionen und Prophezeiungen zu differenzieren.126 Prognostische Aussagen basieren dabei"(..) auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer Theorie zur Erklärung dieser Beobachtungen sowie der Annahme der Fortgeltung der Erklärungszusammenhänge."127 Damit stützen sich Prognosen auf die sog. Zeitstabilitätshypothese,
123
Vgl. Aaker, D.A. (Strategies1984), S. 2. Wir verweisen zur näheren Beschäftigung mit der Unternehmensanalyse auf die zusammenfassenden Werke von Mauthe und Aeberhard. Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984) bzw. Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996). 125 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 54-55. Hier findet sich auch eine tabellarische Übersicht über die Planungstechniken der einzelnen Phasen des Strategischen ManagementProzesses. 126 Vgl. u.a. Schanz, G. (Betriebswirtschaftslehre 1975), S. 75 ff.; Kosiol, E. (Planung 1975), S. 46 f. 127 Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 254. 124
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die besagt, dass die Prämissen und das Systemverhalten stabil bleiben.128 Bei Projektionen fehlt im Gegensatz zur Prognose die generelle Gesetzesaussage, an deren Stelle tritt eine Ad-hoc-Annahme über die Fortschreibung von Vergangenheitswerten in die Zukunft. Projektionen haben in der Praxis (Trendextrapolationen, Korrelationsrechnungen) und innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (Ökonometrie) einen vergleichsweise hohen Stellenwert, wenngleich das Fehlen einer allgemein gültigen theoretischen Grundlage die Gefahr birgt, dass plötzliche Trendbrüche (z.B. Börsencrash) oder Nonsens-Korrelationen (in Schweden wurde eine statistisch signifikante Beziehung zwischen dem Auftreten von Störchen und der Geburtenrate errechnet) die Gültigkeit der Vorhersagen relativieren.129 Prophezeiungen sind in Differenzierung zu Prognose und Projektion als die (aus wissenschaftlicher) Perspektive schwächste Form von Vorhersagen anzusehen, da weder Gesetzesaussagen noch Ad-hoc-Hypothesen, sondern lediglich ungestützte Vermutungen vorliegen.130 Beide Kategorien der Umweltanalyse bedingen sich gegenseitig und sind in der Praxis kaum separat durchführbar. Um Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Einflusskräften zu erlangen, ist es essentiell diese zu kennen und über die Interdependenzen mit dem Unternehmen informiert zu sein. Umgekehrt wäre eine reine Stichtagsbetrachtung der Unternehmensumwelt nur dann sinnvoll, wenn sich keinerlei Verschiebungen der Einflussgrößen der Umwelt auf das Unternehmen ergeben. Dennoch erscheint es für das Ziel dieser Arbeit sinnvoll, diese synthetische Trennung aufrechtzuerhalten, da sonst eine präzise Verortung der Antizipationsmethoden in die Strategische Planung bzw. Strategische Analyse nicht möglich wäre. Bevor also auf die Methodiken und Instrumente zur Antizipation von zukünftigen Entwicklungen, die ja den eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit darstellen, eingegangen werden kann, ist es daher eine Grundvoraussetzung, die Konzepte zur deskriptiven Umweltanalyse grob aufzuzeigen. Wir folgen dabei Müller-Stewens, der vorschlägt, der eigentlichen Auswertung der Einflusskräfte der Umwelt auf das Unternehmen eine einfach durchzuführende Anspruchs-
128
Vgl. Brockhoff, K. (Prognosen 1993), S. 560 ff. Vgl. Schanz, G. (Betriebswirtschaftslehre 1975), S. 94 ff. 130 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 43 129
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gruppen- oder Stakeholder Analyse voranzustellen, um so schnell zu einer Grobstrukturierung der Aufgabenumwelt zu gelangen.131 Dabei baut die Anspruchsgruppenanalyse "(...) auf dem historisch gewachsenen Verständnis eines Unternehmens über seine Anspruchsgruppen auf (...)"132 und verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: •
Identifikation der relevanten Anspruchsgruppen
•
Klärung der Bedeutung der Anspruchsgruppen für das Unternehmen
•
Ermittlung der Erwartungen der Anspruchsgruppen und potenzieller Nutzen für die Unternehmen
Im Anschluss an die Anspruchgruppenanalyse, folgt eine "Tiefenbohrung" der relevantesten Anspruchsgruppen, in der die ermittelten Ergebnisse durch den Einsatz von Analyseinstrumenten verfeinert werden. Für die weitere Reflexion der Aufgabenumwelt wird diese in drei weitere Analyseebenen unterteilt, die separat betrachtet werden. Dies ist in nachfolgender Abbildung veranschaulicht.
131 132
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 126 ff. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 127. 36
Reflexion der Anspruchsgruppen der Umwelt
Aufgabenumwelt Kunden und Absatzmärkte
Wettbewerber und Branche
Weitere Anspruchsgruppen
Allgemeine Umwelt
Abb. II-3: Bereiche der Umweltanalyse133 3.3.1
Die Analyse der Aufgabenumwelt
Kunden und Absatzmärkte Kunden und ihre Aggregation in Absatzmärkten sind wohl für das Unternehmen die zentralste aller Anspruchsgruppen. "Der Absatzmarkt einer Unternehmung (...) ist (...) zu verstehen als die Gesamtheit jener Bedarfsträger, an die sich die Unternehmung als potentielle Abnehmer ihrer Leistungen wendet, um sie durch die Gestaltung ihres Angebots und den aktiven Einsatz ihrer Absatzinstrumente zum Kauf ihrer Leistungen zu veranlassen. Der Markt einer Unternehmung ist deshalb nicht eine von vorneherein gegebene Größe, ein Datum, sondern muss von ihr gesucht und bestimmt und durch aktive Maßnahmen vom potenziellen in einen realen Markt verwandelt werden."134 Demzufolge ist es essentiell, die Spezifika des Marktes auf dem das Unternehmen agiert zu bestimmen. Kotler hat zu diesem Zweck sechs zentrale Fragestellungen entwickelt, deren Beantwor-
133
Quelle: Leicht modifiziert nach Müller-Stewens. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 133. 134 Hill, W. (Marketing 1982), S. 16. 37
tung zu einer Grobcharakterisierung des für das Unternehmen relevanten Marktes führt, was in Tab. II-4 übersichtsartig dargestellt ist. Tab. II-4: Fragestellungen zur Charakterisierung eines Marktes135 Fragestellung
Analyseziel
Wer bildet den Markt?
Marktteilnehmer
Was wird auf dem Markt gekauft?
Kaufobjekte
Wann wird gekauft?
Kaufanlässe
Wer tätigt den Kauf?
Kaufakteure
Warum wird gekauft?
Kaufziele
Wie wird gekauft?
Kaufpraktiken
Um jedoch den betreffenden Markt genauer zu charakterisieren, ist es notwendig eine differenziertere Marktsegmentierung vorzunehmen, weil innerhalb einzelner Markttypen (z.B. Konsumgütermarkt) unterschiedliche Käuferschichten mit individuellen Bedürfnissen existieren. Laut Kuss/Tomczak ist Marktsegmentierung die "(...) Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in relativ homogene Käufergruppen mit dem Ziel der differenzierten Ansprache dieser Gruppen"136 Dabei nutzt man Kriterien unterschiedlicher Kategorien, wie Eigenschaften von Menschen (Alter, Geschlecht, Familiengröße etc.), Kaufsituation (Kaufvolumen, Markentreue, Nutzungszweck etc.) und Käuferbedürfnissen (Preis-/Markenpräferenzen, Qualitätsanspruch etc.), um das Leistungsangebot den jeweiligen Zielsegmenten anpassen zu können.137 Wettbewerber und Branche Neben der Analyse des Kunden bzw. der Nachfrageseite des Marktes ist es im Zuge einer Umweltanalyse ebenso notwendig, die Angebotsseite des Marktes zu beleuchten. Eine Untersuchung der Wettbewerbsumwelt in Form der jeweiligen Branche liefert Hinweise über die eigene Marktpositionierung und gegebenenfalls Ansätze zur Verbesserung der Wettbewerbsstellung.138
135
Quelle: Vgl. Kotler, P. (Marketing Management 1994). Kuss A., Tomczak, T. (Marketingplanung 1998), S. 51. 137 Vgl. Kuss A., Tomczak, T. (Marketingplanung 1998), S. 54. 138 Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 136. 136
38
Eine Branche ist eine Anzahl von Unternehmen, die Güter herstellen oder Dienstleistungen anbieten, die untereinander substituierbar sind.139 Die Analyse der Attraktivität einer Branche und die Ausgestaltung der Wettbewerbsstrategie sind vor diesem Hintergrund zentrale Fragestellungen, die Michael. E. Porter in seinem Strategiekonzept bearbeitet.140 In seinem industrieökonomisch fundierten Modell bestimmt Porter fünf Einflusskräfte ("Five Forces"). "The collective strength of these forces determines the ultimate profit potential in the industry, where profit potential is measured in terms of long run return on invested capital."141 Für Porter sind diese Einflusskräfte und die Wahl der passenden Strategie die entscheidenden Parameter für wirtschaftlichen Erfolg. Einflussfaktoren aus der globalen Umwelt nimmt Porter als Konstante an, die auf alle Unternehmen in gleichem Maße wirken und die nicht explizit in der Wahl einer Strategie berücksichtigt werden. Das Modell der "Five Forces", welches in nachfolgender Abb. II-4 veranschaulicht ist, wird im Folgenden als etabliertes Konzept zur Analyse der Wettbewerbsumwelt dargestellt.
139
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 5. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Advantage 1985), S. 1. 141 Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 3. 140
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Neue Anbieter
Bedrohung durch neue Anbieter
Verhandlungsmacht der Lieferanten
Wettbewerber in der Branche
Lieferanten
Verhandlungsmacht der Abnehmer Abnehmer
Rivalität zwischen existierenden Unternehmen Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienstleistungen
Ersatzprodukte
Abb. II-4: Modell der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter142 Die Bedrohung durch neue Anbieter, die noch nicht im Markt etabliert sind, aber einen Markteintritt erwägen, ist die erste der fünf Einflusskräfte, die Porter beschreibt. Durch neue Anbieter werden zusätzliche Kapazitäten auf den Markt gebracht, die den Verlust von Marktanteilen und eine Reduktion der Profitabilität (bedingt durch sinkende Preise) für die bestehenden Anbieter einer Branche nach sich ziehen können. Nicht nur die Profitabilität einer Branche determiniert das Niveau der Bedrohung durch neue Anbieter, sondern auch die zu erwartenden Reaktionen der bestehenden Unternehmen und die Markteintrittsbarrieren. Porter identifiziert sechs Kategorien von potenziellen Hürden für den Markteintritt:143 •
Economies of Scale: Darunter ist ein Stückkostenvorteil zu verstehen, der mit zunehmender Ausbringungsmenge (bessere Auslastung begrenzt durch Maximalkapazität) durch Fixkostendegression entsteht. Bei fixkostenintensiven Branchen (z.B. Chemie, Montan) ist dieser Effekt demzufolge besonders hoch. Für neue Anbieter bedeutet dies, dass sie gezwungen sind, entweder direkt mit hohen Stückzahlen auf den Markt zu kommen, was hohe und potenziell ris-
142
Übersetzung durch Verfasser. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Advantage 1985), S. 5 bzw. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980) S. 4. 143 Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 7 ff. 40
kante Investitionen erfordert oder einen strukturellen Kostennachteil bei niedrigeren Stückzahlen zu akzeptieren, was ihre Konkurrenzfähigkeit mindert. •
Produktdifferenzierung: Etablierte Unternehmen einer Branche verfügen über einen bestehenden Kundenstamm mit entsprechender Marken- und Produktreue. Dies ist ein Resultat aus Marketing- und Vertriebsaktivitäten der Vergangenheit. Für neue Anbieter hat dies zur Konsequenz, dass sie erhebliche Ressourcen in Kundenakquisition und Marketing investieren müssen, was mit einem erheblichen Risiko assoziiert ist, da derartige Investitionen in Falle des Scheiterns keinen oder nur geringen Liquidationserlös abwerfen.
•
Kapitalanforderungen: Als neuer Marktteilnehmer ist es insbesondere in ressourcenintensiven Branchen notwendig Investitionen u.a. zum Aufbau von Kapazitäten, für Forschung und Entwicklung oder für das Marketing zu tätigen. Neue Anbieter benötigen daher eine hohe Kapitalausstattung zur Finanzierung dieser relativ risikoreichen Investitionen und zur Deckung der Verluste, die insbesondere in den ersten Jahren anfallen ("Start-up-Losses"). Sollte die Kapitaldecke des Marktneulings nicht für diese Investitionen ausreichen, ergibt sich ein weiterer struktureller Nachteil, da er gezwungen ist über den Kapitalmarkt zu finanzieren, wo auf Grund des relativ höheren Risikos eine entsprechende Risikoprämie zu zahlen wäre.
•
Skalenunabhängige Kostennachteile: Etablierte Firmen haben, unhabhängig von den Economies of Scale, weitere strukturelle Kostenvorteile, die nicht durch den Neuanbieter replizierbar sind. Durch Faktoren, wie proprietäre Produkttechnologien und -standards, Erfahrungsvorteile (Lernkurveneffekte), staatliche Subventionen und vorteilhafter Zugang zu Ressourcen, können etablierte Unternehmen den Raum für Branchen-Neueinsteiger stark verknappen. Insbesondere, wenn durch Standards oder Patente, die die Kunden in Form der Produkte nutzen, der Markt "verschlossen" wurde (z.B. Microsoft), entstehen neben den Kostennachteilen für das Unternehmen auch Umstellungskosten beim Kunden, was tendenziell zu einer geringeren Akzeptanz der neuen Produkte führt.
•
Vertriebskanäle: Für einen neuen Anbieter ist es essentiell, seine Produkte über die entsprechenden Groß- und Einzelhandelsstrukturen zu platzieren. Da anzunehmen ist, dass existierende Unternehmen bereits eng mit dem Handel verwoben sind, muss der Neuankömmling versuchen durch attraktive Rabatte 41
oder Werbekostenzuschüsse sicherzustellen, dass die Produkte auch platziert werden. Eine andere Alternative ist der Aufbau einer eigenen Vertriebsstruktur. In jedem Fall hat der neue Anbieter einen Profitabilitätsnachteil gegenüber den existierenden Unternehmen. •
Staatliche Politik: Diese kann für neue Anbieter eine weitere Barriere für den Markteintritt darstellen. Insbesondere durch Reglementationen in der Lizenzvergabe (regulierte Industrien) oder Einschränkungen für die Bezugsmöglichkeiten von Rohmaterial (Bergbau) können neue Anbieter vom Brancheneintritt abgehalten werden. Auch durch das Festlegen von Sicherheits- und Umweltstandards (Energiebranche) werden die Eintrittshürden durch den Staat teils markant hoch gehalten.
Im weiteren Sinne werden die Unternehmen einer Branche auch von Firmen bedroht, die Ersatzprodukte anbieten. Ersatz- oder Substitutionsprodukte sind Güter, welche die Funktionen bestehender Güter gleichwertig ersetzen können (z.B. Zucker - Süßstoff) und somit in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Ersatzprodukte limitieren die Möglichkeit zu Preissteigerungen bei den Gütern der bedrohten Branche. Je besser das Preis/Leistungsverhältnis des Substitutionsprodukts, desto gefährlicher werden Anbieter dieser Produkte für die Branche, da dies eine Änderung des Käuferverhaltens nach sich ziehen kann.144 Lieferanten sind ebenfalls eine entscheidende Determinante für die Profitabilität einer Branche, da sie Güter und Dienstleistungen verkaufen, die elementarer Bestandteil des Wertschöpfungsprozesses sind. Der Preis und die Qualität der von Lieferanten bezogenen Produkte haben demzufolge eine direkte Wirkung auf Gewinnmarge und Qualität. Ergo ist die Verhandlungsmacht der Lieferanten, also die Fähigkeit Preise zu erhöhen oder Qualität zu reduzieren, eine wichtige Einflussgröße aus der unmittelbaren ökonomischen Umwelt. Porter bestimmt fünf grundsätzliche Faktoren, die die Verhandlungsmacht der Lieferanten determinieren:145 •
Konzentrationsgrad: Bestehen nur wenige Zulieferunternehmen für die benötigten Produkte oder Dienstleistungen, haben diese eine höhere Verhandlungsmacht gegenüber den Abnehmern.
144 145
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 23-24. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 27-29. 42
•
Substitutionsprodukte: Die Existenz potenzieller Ersatzprodukte bzw. deren Anbieter schränken die Verhandlungsmacht der Lieferanten ein.
•
Standardisierungsgrad: Je standardisierter die Produkte und Dienstleistung der Lieferanten ausgestaltet sind, desto leichter sind die Anbieter für die beziehenden Unternehmen austauschbar, da Umstellungskosten in diesem Falle nicht anfallen. Umgekehrt erhöhen hochspezifische Zulieferprodukte die potenziellen Umstellkosten und damit die Verhandlungsmacht der Lieferanten.
•
Bedeutung der Lieferanten: Falls die Produkte des Lieferanten eine wichtige Rolle im Wertschöpfungsprozess des beziehenden Unternehmens spielen, hat der Lieferant eine hohe Verhandlungsmacht. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die bezogenen Produkte nicht oder eingeschränkt lagerfähig sind.
•
Vorwärtsintegration: Bezeichnet die Möglichkeit des Lieferanten eine Ausweitung der Aktivitäten in die betreffende Branche hinein glaubhaft darzustellen. Durch dieses Drohpotenzial kann er seine Verhandlungsmacht steigern.
Porter trifft die Annahme, dass Abnehmer von Produkten versuchen, stetig niedrige Preise, höhere Qualität und mehr Service bei den Unternehmen durchzusetzen. Dies beeinflusst prinzipiell die Profitabilität bei den Unternehmen. Inwiefern die Käufer bzw. Käufergruppen in der Lage sind, ihre Vorstellungen durchzusetzen, hängt, analog zu den Lieferanten, von deren Verhandlungsmacht ab. Daher lassen sich die o.g. Argumente in umgekehrter Form wieder finden. Der Konzentrations- und Standardisierungsgrad, die Möglichkeit der Produktsubstitution, die Bedeutung der Kunden für das Unternehmen sind daher genauso relevant, wie die Gefahr, dass die Abnehmer mittels Rückwärtsintegration in die Branche eindringen. Gesondert zu erwähnen ist der Faktor der Markttransparenz. Je besser die Kunden das Angebot einer Branche kennen und somit Vergleiche zwischen den einzelnen Produkten verschiedener Anbieter durchführen können, desto stärker ist deren Verhandlungsposition.146 Die fünfte und letzte Einflusskraft in der Konzeption Porters ist die Rivalität zwischen den existierenden Wettbewerbern in der Branche. "Rivalry occurs, because one or more competitors either feel the pressure or sees the oppurtunity to improve position."147 In den meisten Branchen haben Änderungen des Verhaltens von einzelnen Unternehmen, sei es durch modifizierte Preise oder bessere Qualität, Auswirkungen auf die anderen Unter-
146 147
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 24-27. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 17. 43
nehmen des Marktes, die ihrerseits das eigene Verhalten ändern, um so auf die Aktionen der Konkurrenz zu reagieren. Die Intensität der Rivalität innerhalb einer Branche hängt von einer Reihe interdependenter struktureller Faktoren ab, von denen die wichtigsten im Folgenden kurz beschrieben werden:148 •
Wachstum der Branche: In prosperierenden Branchen ist der Rivalitätsgrad zwischen den Unternehmen vergleichsweise gering, da das Marktvolumen stetig wächst. In stagnierenden Branchen kommt es hingegen zu Verteilungskämpfen und Verdrängungswettbewerb.
•
Ausmaß der Produktdifferenzierung: Bei homogenen Produkten, die es dem Kunden leicht machen, auf Grund fehlender Umstellkosten den Anbieter zu wechseln, erhöht sich der Anreiz für die Unternehmen durch aggressive Marketingpolitik, Kunden von der Konkurrenz abzuwerben, was sich in einem erhöhten Rivalitätsgrad ausdrückt.
•
Ausmaß der Überschusskapazität: Die Rivalität zwischen Anbietern einer Branche ist insbesondere hoch, wenn Überkapazitäten aufgebaut wurden. Es wird versucht, durch aggressive Preispolitik die Überkapazitäten auszulasten, um so die Wettbewerber durch Skaleneffekte aus dem Markt zu drängen.
•
Austrittsbarrieren: Austrittsbarrieren sind ökonomische, strategische oder emotionale Faktoren, die Unternehmen dazu veranlassen, weiterhin in einem Geschäftsfeld tätig zu sein, obwohl nur niedrige oder negative Renditen erwirtschaftet werden. Die Existenz von Austrittsbarrieren erhöht den Grad an Rivalität innerhalb einer Branche. Insbesondere wenn auf Grund hoher Spezifizität des Anlagevermögens eine Liquidation kaum Erlöse bringen würde, wenn hohe Kostenbelastungen auf Grund von Verträgen oder Gewährleistungspflichten bei einer Abwicklung des Unternehmens zu erwarten sind oder wenn das Management aus persönlichen oder sozialen Gründen nicht gewillt ist, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, entstehen dementsprechende Austrittsbarrieren.
Mit dem Modell von Porter ist es möglich die unmittelbar auf das Unternehmen wirkenden Einflusskräfte aus der Branchenumwelt strukturiert zu erfassen.
148
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 17-23. 44
In der unmittelbaren Unternehmensumwelt gibt es zudem noch weitere wichtige Anspruchsgruppen die im Rahmen einer Stakeholder-Analyse typischerweise immer wieder genannt werden. Weitere Anspruchsgruppen Die Umweltbeziehungen eines Unternehmens beschränken sich nicht nur auf die Kunden und Konkurrenten und Lieferanten, sondern schließen eine Reihe weiterer Anspruchsgruppen ein. Dazu sind beispielsweise staatliche Stellen und Behörden und insbesondere die Kapitalgeber zu zählen. Exemplarisch wird an dieser Stelle die Analyse dieser wichtigen Anspruchsgruppe vertieft, da im Regelfall ein ständiger Kontakt zwischen diesen und dem Unternehmen besteht:149 Wenn die zur Finanzierung von Aktivitäten notwendigen Mittel durch ein Unternehmen nicht selbst erwirtschaftet werden, wird je nach Bedarfslage auf (zusätzliches) Eigenoder Fremdkapital zurückgegriffen. In der Regel erfolgt die Vergabe von Fremdkapital als Kreditfinanzierung über Kreditinstitute während für die Eigenkapitalfinanzierung (abhängig von der Rechtsform) verschiedene Kapitalgeber (private Investoren, institutionelle Investoren, wie Pensionskassen, Versicherungen etc.) zur Verfügung stehen. Da gewissermaßen ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kapitalgebern besteht, ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die Beziehung zwischen Unternehmen und tatsächlichen bzw. potenziellen Kapitalgebern gepflegt wird. Dies wird gemeinhin unter dem Begriff der Investor Relations zusammengefasst. Dabei wird je nach Finanzierungsquelle zwischen "Creditor Relations" (Anspruchsgruppen, die Fremdkapital anbieten) und "Stockholder Relations" (Anspruchsgruppen, die Eigenkapital anbieten) unterschieden.150 Die Kenntnis der Anlagemotive, der strategischen Ziele und weiterer Faktoren ist für das Unternehmen eine wichtige externe Einflussgröße und sollte daher in der Analyse der Aufgabenumwelt berücksichtigt werden. In Tab. II-5 werden die wichtigsten Faktoren, die im Zuge einer Analyse der Kapitalgeber adressiert werden sollten, genannt.
149 150
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 145. Vgl. Tiemann, K. (Investor Relations 1997), S. 4.
45
Tab. II-5: Faktoren bei der Analyse von Kapitalgebern151 Fremdkapitalanbieter
Eigenkapitalanbieter
Ziele und Rentabilitätskriterien
Ziele und Rentabilitätskriterien
Produktportfolio
Zeithorizont der Anlage
Expertise und Beratungskompetenz
Risiko-/Gewinnerwartungen
Konditionen
Einflussmöglichkeiten
Verhalten bei Kreditausfällen
Verhalten bei negativen Informationen
Vertrauensverhältnis zu Schlüsselpersonen
Informationsbedarf
Durch die vorangegangen Ausführungen dieses Abschnittes haben wir aufgezeigt, wie eine Analyse der Aufgabenumwelt typischerweise auf den einzelnen Ebenen durchgeführt wird. In Differenzierung dazu steht die Analyse der allgemeinen Umwelt. Diese stellt den Fokus dieser Arbeit dar und wird im nächsten Abschnitt kurz konzeptionell beschrieben 3.3.2
Die Analyse der allgemeinen Umwelt
Bevor die einzelnen Einflussfaktoren dargestellt werden, sei an dieser Stelle herausgestellt, dass die auf Seite 33 f. dargestellte Differenzierung zwischen deskriptiver und antizipativer Umweltanalyse bezüglich der Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt auf den ersten Blick problematisch erscheint, da in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Bestandteile beider Bereiche nicht überschneidungsfrei dargestellt werden. Steinmann/Schreyögg fordern auf Basis einer Bestandsaufnahme der wesentlichen Charakteristika und der Ausarbeitung der Querverbindungen zwischen den einzelnen Einflussgrößen (Cross-Impact-Analyse152) ebenfalls eine Identifikation der zukünftigen Entwicklungen, ohne jedoch zu explizieren, welche Instrumente vor diesem Hintergrund einzusetzen sind.153 Müller-Stewens formuliert das Ziel der Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt in der Identifikation der aktuell dominierenden Trends und Entwicklungen und in der Abschätzung der Auswirkungen auf die einzelnen Anspruchsgruppen des Unternehmens,
151
Quelle: Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 147-148. Zu näheren Beschreibung der Cross-Impact-Analyse siehe Abschnitt IV.2.3.2.3 153 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 161. 152
46
verlagert aber die Ausarbeitung der zukünftigen Entwicklungen auf Frühaufklärung und Szenario-Analyse.154 Bea/Haas schlagen vor, die Analyse der allgemeinen Umwelt entlang folgender zwei Kernfragestellungen zu strukturieren. 1. Welche Indikatoren bilden die Entwicklung der Unternehmensumwelt gut ab? 2. Wie kann die Veränderung der Indikatoren prognostiziert werden?155 Für diese Arbeit ist die Differenzierung nach Bea/Haas geeignet, da dies im Wesentlichen der Aufteilung zwischen deskriptiver und antizipativer Umweltanalyse entspricht. In diesem Zusammenhang werden in diesem Abschnitt die wichtigsten Indikatoren der einzelnen Segmente der allgemeinen Umwelt dargestellt. Die Beschäftigung mit der Antizipation zukünftiger Entwicklungen ist Kernstück dieser Arbeit und wird im weiteren Verlauf explizit behandelt. Wie bereits dargestellt wurde, lässt sicht die allgemeine Umwelt in die vier Segmente technologische Umwelt, politisch-rechtliche Umwelt, makro-ökonomische Umwelt und sozio-kulturelle Umwelt aufgliedern. Diese Bereiche mit ihren Einflussfaktoren bilden den Bezugsrahmen für die Analyse der allgemeinen Umwelt. Zwischen den einzelnen Segmenten existieren teilweise Abhängigkeiten, die eine eindeutige Zuweisung der einzelnen Einflusskräfte erschweren. Beispielsweise wirken sich Veränderungen in der Steuergesetzgebung (politisch-rechtliches Segment) auf das Nachfrageverhalten (makro-ökonomisches Segment) aus. In Tab. II-6 werden beispielhaft wichtige Indikatoren innerhalb der einzelnen Segmente dargestellt. Tab. II-6: Segmente der allgemeinen Umwelt und Beispiele für Indikatoren156 Technologisches
Politisch-recht-
Makro-ökono-
Sozio-kulturelles
Segment
liches Segment
misches Segment
Segment
Produktinnovatio-
Unternehmensver-
Inflationsrate
Bevölkerungsent-
nen
fassung
Prozessinnovatio-
Steuerrecht
wicklung Zinssätze
Altersstruktur
nen
154
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149 ff. Frühaufklärung und Szenario-Analyse werden in den Abschnitten IV.2.3.1 bzw. IV.2.3.2 detailliert beschrieben. 155 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 88. 156 Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149 und Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 89. 47
Veralterungsrate
Patentrecht
Sparraten
Geografische Verteilung
Konvergenz
von Produzentenhaf-
Technologien
tung
Patentanmeldun-
Regulation
gen
Arbeitslosigkeit
Mobilitätsverhalten
Infrastrukturver-
Einkommensver-
fügbarkeit
teilung
Politische Stabili- Rohstoffversor-
Konsumverhalten
tät
gung
Verflechtung
Wechselkurse
Arbeitseinstellung
Bruttosozialpro-
Ökologische Ori-
dukt
entierung
Politik/Wirtschaft Subventionspolitik
Wir verzichten an dieser Stelle auf eine weitere Explikation der einzelnen Faktoren bzw. Einflussgrößen der allgemeinen Unternehmensumwelt und adressieren diesen Sachverhalt im Rahmen der Charakterisierung der allgemeinen Umwelt am Beispiel der Finanzdienstleistungsunternehmen im nächsten Kapitel.157 Die Darstellung der antizipativen Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt, welche ein weiterer Hauptschwerpunkt dieser Arbeit ist, verlagern wir auf das Kapitel IV.
157
Siehe Abschnitt III.3. 48
III. Finanzdienstleistungsunternehmen – eine Charakterisierung unter besonderer Berücksichtigung ihrer allgemeinen Unternehmensumwelt 1. Definitorische Grundlagen zum Themenkomplex Dienstleistungsunternehmen Bevor auf die Spezifika von Finanzdienstleistern eingegangen wird, soll zuerst ein grundlegendes Verständnis vom Begriff Dienstleistung gebildet werden. Zudem wird geklärt, welche Arten von Unternehmen zum Dienstleistungssektor im hier zu Grunde gelegten Sinn zu zählen sind. 1.1
Zum Terminus der Dienstleistung
Zwar existiert in der Wirtschaftswissenschaft eine Vielzahl von Ansätzen zur Systematisierung des Begriffs Dienstleistung, doch fehlt bis heute eine allgemein anerkannte und universell gültige Definition158 auf Basis von konstitutiven Merkmalen.159 In eine tiefe Diskussion zur eigentlichen definitorischen Abgrenzung soll in dieser Arbeit nicht eingestiegen werden,160 allerdings ist es auf Grund der zentralen Stellung des Terminus Dienstleistung notwendig, zumindest einen Überblick über die verschiedenen Ansätze zu geben. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, in Anlehnung an Corsten, zuerst Klarheit über den Gutscharakter von Dienstleistungen zu gewinnen. Dienstleistungen sind ein Wirtschaftsgut, d.h. sie unterliegen dem Charakteristikum eines jeden Gutes nämlich der Nutzenstiftung und sind zudem im Gegensatz zu einem freien Gut knapp und daher mit einem Preis (als Folge des Nutzens und der Knappheit) belegt.161 Die Systematisierungsübersicht in Abb. III-1 unterteilt die Wirtschaftsgüter in Kategorien:
158
Vgl. u.a. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3; Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 3. Neben der Definition des Dienstleistungsbegriffs anhand konstitutiver Merkmale (Kriterien) gibt es noch zwei weitere Gruppen von Definitionsansätzen: Zum einen ist dies die enumerative Definition, d.h. Spezifikation durch Aufzählung von Dienstleistungsbeispielen, zum anderen die Negativdefinition, d.h. es werden die materiellen Güter von der Summe aller Güter ausgeschlossen. Da diese Definitionsansätze in der Wissenschaft kaum verwendet werden, erfolgt keine Einbeziehung. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 17 ff. 160 Eine detaillierte Darstellung des Diskussionstands zur Definition des Dienstleistungsbegriffs findet sich u.a. bei folgenden Autoren: Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3 ff.; Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 15 ff.; Bruhn, M (Dienstleistungen 1997), S. 9 ff.; Maleri, R. (Dienstleistungsproduktion 1994), S. 1 ff. 161 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 19. 159
49
Geld Nominalgüter
Darlehenswerte Beteiligungswerte
Reinformen
Materielle
Realgüter Dienstleistungen
Wirtschaftsgüter Immaterielle
Arbeitsleistungen Rechte (Patente, Lizenzen)
Mischformen (Leistungsbündel)
Abb. III-1: Gütersystematik162 Eine Dienstleistung würde in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Reinform eines immateriellen Realgutes darstellen. Immaterialität wird vor diesem Hintergrund in den Wirtschaftswissenschaften auch sehr häufig als ein konstitutives Merkmal innerhalb von Definitionsversuchen verwendet.163 Allerdings ist es recht offensichtlich, dass das Kriterium der Immaterialität bei einer Vielzahl von Dienstleistungen nicht erfüllt ist.164 Oftmals sind Dienstleistungen untrennbar mit Sachleistungsanteilen verbunden (Autoreparatur mit Ersatzteilen) oder auf Sachleistungsinfrastrukturen angewiesen (Mobilfunknetze, Geldausgabeautomaten) bzw. nutzen materielle Güter zur "Konservierung" (z.B. Kinofilm, Software-CD-ROM).165 Auch für weitere in der Literatur verwendete Abgrenzungskriterien, wie Intangibilität, die die Abstraktheit bzw. "Ungreifbarkeit" von Dienstleistungen beschreibt, Unteilbarkeit ("uno-actu-Prinzip" - simultanes Erfolgen von Produktion und Konsumption), Vergänglichkeit (keine Lagerungsfähigkeit von Dienstleistungen), Standortgebundenheit (kein
162
Quelle: Modifiziert nach Corsten. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 20. Ähnliche Systematisierungsansätze u.a. auch in: Blum, U. (Volkswirtschaftlehre 1992), S. 2 f.; Schertler, W., Popp, W. (Dienstleistungen 1983), S. 28; Meffert, H., Bruhn, M. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 28. 163 Vgl. dazu die Übersicht von Woratschek, der Definitionen des Dienstleistungsbegriffs unterschiedlicher Autoren, die die Immaterialität als konstitutives Merkmal verwenden, aufführt. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 6-7. 164 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 7. 165 Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 11. 50
Transport), Beteiligung des Kunden (auch als Integration des externen Faktors bezeichnet) und Individualität (jeweils Neuerstellung bei jedem Geschäftsvorfall),166 lassen sich Ausnahmen finden (z.B. Software auf Trägermedium), die eine universelle Gültigkeit der Kriterien negieren und damit die Verwendung innerhalb einer allgemeingültigen Definition nicht zulassen. Statt der Verwendung von Abgrenzungskriterien postulieren einige Autoren die Phasenorientierung in der Definition. Beispielsweise verwenden Meffert/Bruhn folgende Definition: "Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren - den Menschen oder deren Objekten - nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung)."167 Durch diese Definition sollen sowohl Dienstleistungen wie das durch Menschen oder Maschinen geschaffene Potenzial, die Leistung für den Nachfrager zu erbringen als auch die eigentliche Dienstleistungstätigkeit (Prozess) sowie das tatsächlich erstellte Gut (Ergebnis) zusammengefasst werden. Als Beispiel werden in diesem Zusammenhang Bankdienstleistungen genannt, die sich allen drei Kategorien zuordnen lassen. Geldausgabeautomaten oder Infrastruktur sind als Potenzial anzusehen, während das eigentliche Beratungsgespräch als Prozess und der Abschluss, z.B. in Form eines Kreditvertrages, als Ergebnis eingeordnet werden kann.168 Bei genauerer Betrachtung weisen phasenorientierte Dienstleistungsdefinitionen aber ebenfalls Schwächen auf: •
Für die Bereitstellung des Leistungspotenzials sind wiederum materielle Komponenten nötig (siehe obiges Beispiel). Für den Fall, dass das Dienstleistungspotenzial selbst per definitionem als immateriell festgelegt wird (im Gegensatz zu Sachleistungen, die schon fertig gestellt sind)169 greifen wiederum Ausnahmen wie Auftragsfertigungen von Maßanzügen etc.170
166
Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 10 ff.; ähnliche Systematisierung bezüglich der Besonderheit von Dienstleistungen bei Pepels. Vgl. Pepels, W. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 20 ff. 167 Meffert, H., Bruhn, M. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 27; ähnlich auch bei Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 10-14 168 Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 13. 169 Wie zum Beispiel bei Hilke. Vgl. Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 11-12. 170 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 9. 51
•
Auch bei der prozessorientierten Definition sind zum konstituierenden Merkmal der Integration des externen Faktors (Einbezug des Kunden bzw. dessen Wünsche und Vorstellungen in den eigentlichen Erstellungsprozess) Ausnahmen identifizierbar, die den Gültigkeitsraum stark einschränken. Bei Marktforschungsberichten oder Hotelübernachtungen wird kein Prozess gekauft und Informationen seitens des Kunden sind in der Regel nicht notwendig.171
•
Ebenso weist die ergebnisorientierte Definition Mängel auf, da die nutzenstiftende Wirkung im Gegensatz zur Sachleistung ebenfalls immateriell sein muss.172 Als Gegenposition ist anzuführen, dass jegliche Form von wirtschaftlichen Gütern immateriellen Nutzen nach sich ziehen kann.173
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass in den dargestellten Definitionsversuchen "(...) etwas abgegrenzt werden soll, was eigentlich nicht abgrenzbar ist."174 •
"Eine strenge Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistung ist aus ökonomischer Perspektive nicht zweckmäßig.
•
Spezifische Absatzobjekte bestehen aus einem Bündel von Teilleistungen mit materiellen und immateriellen Komponenten
•
Externe Faktoren werden in unterschiedlichem Ausmaß in dessen Leistungserstellungsprozess integriert."175
Selbst wenn eine eindeutige Definition des Begriffs Sachleistung/Dienstleistung, wie dargestellt, nicht möglich ist, soll auf eine Differenzierung nicht verzichtet werden, da diese Begrifflichkeiten, trotz der Unschärfe, häufig benutzt werden.176 "Die Dienstleistung kann als Kürzel aufgefasst werden, bei dem man tendenziell eher an Absatzleistungen177 denkt, die hoch integrativ sind, weitgehend individuell zugeschnitten werden und einen hohen Grad an Unsicherheit über das Leistungsergebnis aufweisen."178
171
Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 10. Vgl. Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 14. 173 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 9. 174 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 14 175 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 14 und die dort angegebene Literatur: Engelhardt, W., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (Leistungsbündel 1993), S. 404-423. 176 Damit schließen wir uns der Meinung von Woratschek an. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 40. 172
52
Auf Basis dieser Differenzierung nach Woratschek, der wir uns für den weiteren Verlauf dieser Arbeit anschließen, können Dienstleistungen in eine dreidimensionale Typologie unscharf systematisiert179 werden, was in Abb. III-2 dargestellt ist. Die in der Typologie verwendeten Komponenten Verhaltensunsicherheit, Integrativität und Individualisierungsgrad bedürfen angesichts der Diskussion über Abgrenzungskriterien einer kurzen Erläuterung: •
Verhaltensunsicherheit resultiert aus der Tatsache, dass Dienstleistungen zumeist Leistungsversprechen sind, also die Eigenschaften der Leistung vor dem Kauf kaum durch den Käufer beurteilbar sind.180 Dies gilt insbesondere dann, wenn keine standardisierten (z.B. Pakettransport, Hotelübernachtung), sondern individuelle Leistungsversprechen (auch Kontraktgüter genannt; beispielsweise Beratungsprojekte) Gegenstand des Vertrages sind. Der Grad an Verhaltensunsicherheit ist dabei durch den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit des Anbieters, die ihrerseits die Qualität der Dienstleistung beeinflussen, determiniert. Anders formuliert entsteht die Verhaltensunsicherheit durch die notwendige Kooperation nach Vertragsabschluss bzw. durch die Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager.181
•
Integrativität bezeichnet die Einbeziehung der externen Faktoren (z.B. Kunden) in den Leistungserstellungsprozess. Damit bezieht sich die Integrativität immer auf die Prozessebene. Eine hohe Integrativität erzwingt eine intensive Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager.182
177
Absatzleistungen sind Bündel von Leistungen, die aus einer Kombination von Rechten, Dienstleistungen und Waren (Sachgütern) bestehen. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 28. Dabei kann man Absatzleistungen, abhängig von deren physischer Existenz zum Vertragsabschluss, in Austauschgüter und Leistungsversprechen einteilen. Zu den Austauschgütern sind fertig produzierte Sachleistungen und sog. veredelte Dienstleistungen (z.B. Software auf Trägermedium) zu zählen, wohingegen zu den Leistungsversprechen Auftragsfertigungen (Sachleistungen) und das Gros der Dienstleistungen zu zählen sind. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 25. 178 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 40. 179 "Ziel von Systematisierungen ist die ordnende Beschreibung der Realität, indem sie charakteristische Ausprägungen realer Phänomene auf der Grundlage von sachbezogenen Merkmalen kennzeichnen, wobei zwischen Klassifikationen und Typologien zu unterscheiden ist. Während Klassifikationen mit Hilfe eines einzelnen Merkmals gebildet werden, verwenden Typologien mehrere Merkmale (...)". Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 31. 180 Siehe auch Fußnote 177. 181 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 23-33. 182 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 33-35. 53
•
Der Individualisierungsgrad bezieht sich auf die Ausrichtung der Wertaktivitäten auf die Bedürfnisse des Kunden im Sinne einer individuellen Abstimmung der Absatzleistung mit dem Kunden. In seinen Extremausprägungen kann zwischen standardisiert (keine Individualisierung) und maßgeschneidert (volle Individualisierung) unterschieden werden.183
integrativ
d ra rt g e gs eid n ru chn ie il s ges ua aß id m rt v di sie In di r a nd a st
Friseur
Privatunterricht
Gruppenunterricht
Akupunktur
autonom
Integrativität
Versicherungspaket Literaturrecherchen
Gütertransport
hoch
niedrig Verhaltensunsicherheit
Abb. III-2: Typologie von Dienstleistungen184 Die Unschärfe der Einordnung ergibt sich aus der Tatsache, dass einerseits nahezu ausschließlich Dienstleistungen in Kombination mit Sachgütern vermarktet werden, und dass andererseits die Fristigkeit der individuellen Geschäftsbeziehung insbesondere bezüglich der Verhaltensunsicherheit eine entscheidende Rolle spielt.185
183
Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 33-35. Quelle: Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 39. Dem achten unsichtbaren Würfel ("linksunten-hinten") könnte als Beispiel die Dienstleistung "Umzugsdienst" zugeordnet werden. 185 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 16 bzw. S. 37. 184
54
1.2
Struktur des Dienstleistungssektors
Nachdem nun der generelle Begriff der Dienstleistung spezifiziert wurde, soll untersucht werden, welche Arten von Unternehmen typischerweise zum Dienstleistungssektor zu zählen sind, und welche Stellung dieser im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen in Deutschland einnimmt. Eine der gängigsten Klassifikationen ist die institutionell ausgerichtete Einteilung der Wirtschaft durch das Statistische Bundesamt entlang von Wirtschaftszweigen. Dabei werden 17 Abteilungen unterschieden, die zu drei Sektoren aggregiert werden. Der Dienstleistungssektor wird als tertiärer Sektor bezeichnet. In vielen amtlichen Statistiken wird zudem noch eine weitere Gliederungsebene ausgewiesen, die als "Zusammengefasster Wirtschaftsbereich" bezeichnet wird.186 Diese Unterteilungen sind in Tab. III-1 dargestellt. Anzumerken ist noch, dass bei Unternehmen, die Sachgüter und Dienstleistungen erstellen, eine Zuordnung nach dem überwiegenden Output der Produktion erfolgt.187 Tab. III-1: Wirtschaftszweigsystematik der amtlichen Statistik der BRD188 Sektor
Wirtschaftsbereich
Abteilung
Primär
Land- und Forstwirtschaft, Fi-
A) Land- und Forstwirtschaft
scherei Primär
Land- und Forstwirtschaft, Fi-
B) Fischerei und Fischzucht
scherei Sekundär
Sekundär
Produzierendes Gewerbe, ohne
C) Bergbau und Gewinnung von Steinen
Baugewerbe
und Erden
Produzierendes Gewerbe, ohne
D) Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe Sekundär
Produzierendes Gewerbe, ohne
E) Energie- und Wasserversorgung
Baugewerbe Sekundär
Baugewerbe
F) Baugewerbe
Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
G) Handel; Instandhaltung und Reparatur
kehr
von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern
186
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 11. 188 Quelle: Vgl. Bundesamt für Statistik (Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003). 187
55
Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
H) Gastgewerbe
kehr Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
I) Verkehr und Nachrichtenübermittlung
kehr Tertiär
Finanzierung, Vermietung und
J) Kredit und Versicherungsgewerbe
Unternehmensdienstleister Tertiär
Finanzierung, Vermietung und
K) Grundstücks- und Wohnungswesen,
Unternehmensdienstleister
Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleitungen, anderweitig nicht benannt
Tertiär
Tertiär
Öffentliche und private
L) Öffentliche Verwaltung, Verteidigung,
Dienstleister
Sozialversicherung
Öffentliche und private
M) Erziehung und Unterricht
Dienstleister Tertiär
Tertiär
Tertiär
Öffentliche und private
N) Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwe-
Dienstleister
sen
Öffentliche und private
O) Erbringung von sonstigen öffentlichen
Dienstleister
und persönlichen Dienstleistungen
Öffentliche und private
P) Private Haushalte mit Hauspersonal
Dienstleister Tertiär
Öffentliche und private
Q) Exterritoriale Organisationen und Kör-
Dienstleister
perschaften
Die Einteilung basiert auf den Grundzügen der Drei-Sektoren-Theorie, die mittels vorher spezifizierter Kriterien eine Volkswirtschaft in drei grundsätzliche Wirtschaftsbereiche untergliedert.189 Zu dieser Einteilung existiert jedoch eine Reihe von Kritikpunkten, die eine undifferenzierte Übernahme dieser Form der Einteilung erschwert:190
189
Die Drei-Sektoren-Theorie wurde im Wesentlichen durch Fourastié, Fisher, Wolfe und Clark geprägt, welche allerdings unterschiedliche Kriterien, wie z.B. Einkommenselastizität (Fisher) oder technischen Fortschritt (Fourastié) für ihre Gruppierungen zu Grunde legen. Das Ergebnis der Gruppierung ist aber immer ähnlich und stimmt prinzipiell mit der Einteilung des Statistischen Bundesamts überein. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 2 ff. 190 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 7. 56
•
Ungenaue Abgrenzung des Dienstleistungssektors: Zum einen ändern sich Zuordnungen einzelner Unternehmen zu den Sektoren im Zeitverlauf, zum anderen werden Unternehmen, die weder dem primären noch dem sekundären Sektor zugeteilt werden können, in den tertiären Sektor verortet
•
Hohes Aggregationsniveau: Strukturelle Verschiebungen innerhalb eines Sektors werden nicht berücksichtigt und teilweise stark heterogene Abteilungen werden summiert (z.B. Abteilung K)
•
Institutionelle Zuordnung: Dienstleistungen werden nicht nur von Unternehmen des tertiären Sektors erbracht, sondern ebenfalls von Firmen der anderen beiden Sektoren (z.B. Reparaturservice eines Elektrogeräteherstellers)
Auf Basis dieser Kritikpunkte haben sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur bereits sehr früh weitere Ansätze zu einer differenzierteren Aufgliederung von Volkswirtschaften bzw. zu einer trennschärferen Abgrenzung des Dienstleistungssektors herausgebildet.191 Insbesondere ist hierbei die Gliederung einer Wirtschaft nach Funktionsbereichen zu nennen. Prinzipiell werden hierbei die Angestellten nach ihren Tätigkeiten den Sektoren zugeordnet, so dass Berufsbereiche mit Tätigkeitsschwerpunkten (z.B. Montage- und Wartungsberufe, Handelsberufe etc.) gewonnen werden. Weitergehende Ansätze ermitteln auf dieser Basis noch den Anteil an produzierenden und dienstleistenden Tätigkeiten, da beispielsweise herstellende Tätigkeiten auch Dienstleistungsanteile enthalten (z.B. Distribution). Festzuhalten bleibt, dass bei den dargestellten tätigkeitsorientierten Ansätzen differenziertere Ergebnisse zu erwarten sind. Jedoch verhinderte mangelndes statistisches Material eine Etablierung derartiger Ansätze in Wissenschaft und Praxis.192 Um also Aussagen über die Bedeutung des Dienstleistungssektors bzw. einzelner Abteilungen in Deutschland treffen zu können (so tendenziell sie auch sein mögen), muss auf die institutionell geprägte Sektoreneinteilung Bezug genommen werden, da entlang dieser Einteilung Größen, wie Beschäftigtenzahlen oder Bruttowertschöpfung, durch das Bun-
191
Als Beispiele seien die Ansätze von Entgelter und Rasmussen genannt. Vgl. hierzu Entgelter, K.A. (Dienstleistungsbereich 1979), S. 27 f. und Rasmussen (Dienstleistungssektor 1977), S. 54 ff. 192 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 10 57
desamt für Statistik kontinuierlich193 erhoben werden. Wohlwissend ob der Unwägbarkeiten dieser Systematisierung, lassen sich auf dieser Basis zumindest prinzipielle Aussagen über die Entwicklung und die Bedeutung des Dienstleistungssektors in Deutschland gewinnen. Zudem ist im Rahmen dieser Arbeit die Tatsache wichtig, dass innerhalb des tertiären Sektors Kreditinstitute und Versicherungen (Abteilung J) einen homogenen Zweig bilden. Der Dienstleistungssektor stellt für die Bundesrepublik Deutschland den wichtigsten Wirtschaftszweig dar. Betrachtet man die in diesem Zusammenhang als monetäre Größenindikator Bruttowertschöpfung und Umsatz, lässt sich feststellen, dass der Dienstleistungssektor ca. 70% der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und über die Hälfte (ca. 54%) der gesamten Umsatzerlöse erzielt, was durch nachfolgende Abbildung dargestellt ist:
193
Leider sind zum Erstellungszeitpunkt dieses Kapitels in den Statistiken des Bundesamts für Statistik nicht alle Indikatoren aktuell publiziert. So werden beispielsweise Bruttowertschöpfung entlang der einzelnen Sektoren bzw. Wirtschaftszweige für das Jahr 2002 zur Verfügung gestellt, wohingegen die Daten für die einzelnen Abteilungen nur für das Jahr 2000 (und vorherige) erhältlich sind. Zudem hinken Umsatzsteuerstatistik bzw. Statistiken über Erwerbstätige ebenfalls ein bis zwei Jahre (je nach Aggregationsebene) hinterher. Demzufolge können in den folgenden Analysen nicht immer Daten mit dem identischen Erhebungsstand zu Grunde gelegt werden. Das Ziel, Tendenzaussagen über die Bedeutung und Struktur des Dienstleistungssektors bzw. der Finanzdienstleistungsbranche zu gewinnen, sollte dadurch aber nicht gefährdet sein. 58
Verteilung Bruttowertschöpfung
Verteilung Umsatz
in Prozent, Deutschland 2002
in Prozent, Deutschland 2000
100% = 1.919 Mrd. EUR
100% = 4.153 Mrd. EUR
Tertiärer Sektor (Dienstleistungen) 70,7
Tertiärer Sektor (Dienstleistungen) 53,5
0,6
Primärer Sektor (Agrarwirtschaft)
1,3 Primärer Sektor (Agrarwirtschaft) 28,0 Sekundärer Sektor (Produzierendes Gewerbe)
45,9 Sekundärer Sektor (Produzierendes Gewerbe)
Abb. III-3: Ausprägung monetärer Größenindikatoren der deutschen Gesamtwirtschaft194 Bemerkenswert ist, dass in beiden Kategorien die Wachstumsraten des Dienstleistungssektors über dem Durchschnitt liegen. Beim Indikator der Bruttowertschöpfung ist der Dienstleistungssektor von 1998 bis 2002 um 11,6% gewachsen (Durchschnitt 7,6%)195, beim Umsatz liegt das Wachstum von 1996 bis 2000 bei 19,0% ggü. dem Durchschnitt von 18,5%.196 Auch bei der Anzahl der Unternehmen der Beschäftigten stellt der tertiäre Sektor in Deutschland den größten Wirtschaftszweig dar. Von insgesamt ca. 2,7 Mio. Unternehmen zählen ca. 75% (2000) zum Dienstleistungssektor197, von ca. 39 Mio. Erwerbstätigen in
194
Quelle: Bundesamt für Statistik (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2002) bzw. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 195 Vgl. Bundesamt für Statistik (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2002); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 196 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 1996); Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 197 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000). 59
2002 sind ca. 70% bei Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Dies entspricht einer Steigerung ggü. dem Jahr 1996 von ca. 10%.198 Charakteristisch für die Dienstleistungsbranche ist die starke Konzentrationstendenz. Folgende Abbildung zeigt, dass zum einen 0,2% der Institute über 50% der Umsätze erzielen und dass zum anderen die Anzahl der Unternehmen in den hohen Umsatzkategorien (5 Mio. EUR bis 50 Mio. EUR bzw. >50 Mio. EUR) von 1996 bis 2000 mit jeweils 13% am stärksten gewachsen sind (Durchschnitt 6%).199 Wachtumsraten Anzahl Dienstleistungsunternehmen in Prozent, Deutschland 1996 bis 2000 13
13
7
Ø = 6%
Anteil/Anzahl Unternehmen (in Prozent) Anteil/Umsatz (in Prozent)
5
< 0,5 Mio. EUR
0,5 - 5 Mio. EUR
5 - 50 Mio. EUR
> 50 Mio. EUR
84,1
14,0
1,7
0,2
9,8
19,2
20,2
50,8
Abb. III-4: Wachstumsraten und Konzentrationstendenz im deutschen Dienstleistungssektor200 Innerhalb des Dienstleistungssektors (tertiärer) Sektor teilen sich die Größenverhältnisse nach Wirtschaftszweigen in Bezug auf die Indikatoren Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige wie in nachfolgend dargestellter Abb. III-5 auf. Der Wirtschaftszweig Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister, zu dem auch das Kredit- und Versi198
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Vgl. Jahresgutachten 2002/03 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Tabelle 17. 200 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 1996); Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000). 199
60
cherungsgewerbe (Finanzdienstleister) zählt, stellt bei der Bruttowertschöpfung mit 44% Anteil den größten Part. Bei den Erwerbstätigen ergibt sich ein gegenteiliges Bild: Mit 22% aller Erwerbstätigen (durchschnittlich ca. 6 Mio.) nimmt der Wirtschaftszweig Finanzierung, Vermietung Unternehmensdienstleister den letzten Platz innerhalb des Dienstleistungssektors ein. Verteilung Bruttowertschöpfung Tertiärer Sektor nach Wirtschaftsbereichen
Verteilung Erwerbstätige Tertiärer Sektor nach Wirtschaftsbereichen
in Prozent, Deutschland 2002
in Prozent, Deutschland 2002 100% = 27 Mio. Personen
100% = 1.357 Mrd. EUR
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 43,8
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 22,0
Handel, Gastgewerbe, Verkehr 29,2
Handel, Gastgewerbe, Verkehr 36,7
41,3 Öffentliche und private Dienstleister
27,0 Öffentliche und private Dienstleister
Abb. III-5: Größenindikatoren der Wirtschaftszweige des tertiären Sektors201 Die Abteilung J (Kredit- und Versicherungsgewerbe) erwirtschaftet innerhalb des Wirtschaftszweiges Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister von den ca. 590 Mrd. EUR (entspricht dem Anteil von 43,8%) ca. 15%. Dies entspricht einer Bruttowertschöpfung von ca. 85 Mrd. EUR. Damit lässt sich bereits an dieser Stelle konstatieren, dass das Kredit- und Versicherungsgewerbe einen bedeutenden Wirtschaftszweig innerhalb der Dienstleistungsbranche bzw. der gesamtdeutschen Wirtschaft darstellt.202
201 202
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Eine detaillierte Betrachtung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche findet sich im Abschnitt III.2.2. 61
2. Finanzdienstleister als typische Dienstleistungsunternehmen Bevor Finanzdienstleister im nächsten Abschnitt definitorisch als Dienstleistungsunternehmen abgegrenzt werden, soll an dieser Stelle zuerst expliziert werden, welche Arten von Unternehmen als Finanzdienstleister im hier verstandenen Sinn zu bezeichnen sind. Grundsätzlich sind Finanzdienstleister spezialisierte Unternehmen, die den Finanzbedarf eines Geldnehmers mit dem Anlagebedarf eines Geldgebers ausgleichen. Da sie eine Mittlerrolle zwischen den Geldgebern und den Geldnehmern einnehmen, die ihrerseits auch direkt miteinander in Kontakt treten könnten, werden Finanzdienstleister auch als Finanzintermediäre bezeichnet. Die Leistungen beziehen sich in diesem Zusammenhang prinzipiell auf die Entgegennahme von Zahlungsmitteln (Anlageleistung) sowie auf die Zuverfügungstellung von Zahlungsmitteln (Finanzierungsleistung) jeweils gegen entsprechende Versprechen späterer Rückzahlung.203 In einer Wirtschaft agieren in der Regel mehrere Finanzintermediäre, die ihrerseits untereinander finanzielle Beziehungen unterhalten. Folglich wird der originäre Finanz- und Anlagebedarf durch ein ganzes System untereinander in Beziehung stehender Institute ausgeglichen. In Deutschland sind insbesondere Geschäftsbanken204, Kapitalbeteilungsgesellschaften und Kapital-Lebensversicherer zu diesem System zu zählen. Des Weiteren gehören zum System der Finanzintermediäre auch sonstige Versicherungsunternehmen (Kranken-, Rück-, Schadens-/Unfallversicherer), da sie einerseits Zahlungsmittel gegen die bedingte Verpflichtung zukünftiger Zahlungen entgegennehmen und andererseits Zahlungsmittel gegen den Erwerb unbedingter zukünftiger Rückzahlungsansprüche an andere Geldnehmer weiterleiten, was den Merkmalen der eigentlichen Finanzintermediäre nahe kommt.205 Aufbauend auf diesen Definitionen kann die Finanzdienstleistungsbranche mit ihren zwei Kerngruppen Geschäftsbanken und Versicherungen weiter in unterschiedliche Institutskategorien untergliedert werden, was in nachfolgender Systematisierung (Abb. III-6) veranschaulicht wird. Die Deutsche Bundesbank sowie weitere Finanzintermediäre (Makler, Börsen, Rating-Agenturen, Kreditvermittler) sind nicht in dieser Aufstellung
203
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 14 f. Die Gruppe der Banken in Deutschland lässt sich grundlegend in die Kategorie der Geschäftsbanken und die Deutsche Bundesbank untergliedern. Im Rahmen dieser Arbeit sind nur die Geschäftsbanken von Belang. Zur detailierteren Systematisierung der Kategorie Geschäftsbanken sei auf die Abb. III-6 verwiesen. 205 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 16. 204
62
berücksichtigt, da für diese Arbeit nur Geschäftsbanken und Versicherungsunternehmen im engeren Sinne zu den Finanzdienstleistern gezählt werden.206 Finanzdienstleister
Versicherungen
Geschäftsbanken
Universalbanken
Spezialbanken
Private Geschäftsbanken
Realkreditinstitute
Lebensversicherungen
Sparkassensektor
Bausparkassen
Krankenversicherungen
Genossenschaftssektor
Kapitalanlagegesellschaften
Schadens- und Unfallversicherungen
Kreditinstitute für Sonderaufgaben
Rückversicherungen
Abb. III-6: Übersicht Finanzdienstleistungsunternehmen207 In den folgenden beiden Abschnitten werden auf Basis einer Darstellung des typischen Dienstleistungsangebots von Finanzdienstleistern im hier verstanden Sinn die wesentlichen Gründe für die Auswahl dieses Wirtschaftszweiges als Referenzbranche für Dienstleistungsunternehmen aufgezeigt. Des Weiteren werden die einzelnen Institutskategorien expliziert und die generelle Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche dargelegt. 2.1
Auswahl und Eignung von Finanzdienstleistern als typische Dienstleistungsunternehmen
Dienstleistungsunternehmen sind Unternehmen, die Dienstleistungen im hier verstandenen Sinn erstellen und anbieten.208 In diesem Abschnitt wird geklärt, inwiefern Finanzdienstleistungsunternehmen als typische Dienstleister zu klassifizieren sind. 206 207
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 15 ff. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 16 und S. 19; ähnlich auch bei Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 103 bzw. Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 27. Teilweise beinhalten die angeführten Darstellungen unter der Rubrik Spezialbanken die sog. Wertpapiersammelbanken. Aktuell existiert nur noch eine dieser Banken in Form der Deutschen Börse Clearing AG. Daher erfolgt keine weitere Behandlung dieser Institutsart. 63
Banken und Versicherungen werden sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur als auch in der Praxis häufig als "klassische" Dienstleistungsunternehmen bezeichnet.209 Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass bei den meisten Geschäften im Finanzbereich der nicht-stoffliche Charakter von Nominalgütern bzw. Beratungs- und Verarbeitungsleistungen (Zahlungsverkehr, Verwahrgeschäft) dominiert.210 Zudem stellen sie eine der homogensten Abteilungen im tertiären Sektor der Wirtschaftszweigsystematik des Bundesamts für Statistik dar. Im Falle der Finanzdienstleister (Kredit-/Versicherungsgewerbe) schwächen sich die oftmals geäußerten und aus unserer Perspektive durchaus gerechtfertigten Kritikpunkte211 am prinzipiellen System der institutionellen Einordnung von Unternehmen ab. In der Bundesrepublik existiert ein System der Banken-/Versicherungsaufsicht bzw. eine eigene Aufsichtsbehörde (BaFin), die unter anderem überwacht, dass jeglicher Betreiber von Bank- und Versicherungsgeschäften eine eigene Lizenz beantragt und den entsprechenden Auflagen (Monatsberichte etc.) nachkommt. Damit sind in diesem speziellen Fall Finanzdienstleistungsunternehmen nicht nur institutionell zugeordnet, da die Wahrnehmung von Funktionen des Finanzdienstleistungsgeschäftes im hier verstandenen Sinn eine Aufnahme in die entsprechende Abteilung der Wirtschaftszweigsystematik nach sich zieht. Wie allerdings bereits im Abschnitt zur terminologischen Abgrenzung des Begriffs der Dienstleistung212 aufgezeigt wurde, fällt es schwer, Dienstleistungen anhand von konstitutiven Merkmalen ggü. Nicht-Dienstleistungen abzugrenzen, da in der Realität komplexe Leistungsbündel vorherrschen, die immer auch Sachleistungsanteile beinhalten. In diesem Zusammenhang erscheint es zwecklos, die Leistungen, die Finanzintermediäre erbringen und anbieten anhand von Kriterien als Dienstleistung oder Nicht-Dienstleistung einzuordnen, um daraus den Schluss zu ziehen, ob Banken oder Versicherungen auf Basis dieser Analyse als Dienstleistungsunternehmen zu bewerten sind. Zudem sind Finanzdienstleistungen meistens ein Bündel von Einzel(dienst)leistungen, da beispielsweise bei einer Kreditvergabe nicht nur die entsprechende Summe genehmigt wird, sondern Beratung und Information, die Überweisung des Kreditbetrags und die Kontoführung unmittelbar mit dem eigentlichen Kredit verknüpft sind.
208
Siehe Abschnitt III.1.1. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3. 210 Vgl. Maleri, R. (Dienstleistungsproduktion 1994), S. 75. 211 Siehe Abschnitt III.1.2. 212 Siehe Abschnitt III.1.1. 209
64
Daher ist es zunächst sinnvoll, die Leistungen, die Finanzdienstleister im hier verstandenen Sinne grundsätzlich anbieten, strukturiert aufzuarbeiten, um davon ausgehend zu beurteilen, inwiefern nun eine Bank bzw. eine Versicherung als "typisches" Dienstleistungsunternehmen zu werten ist. Zuerst einmal ist zu unterscheiden, ob es sich bei den von Finanzdienstleistern erbrachten Leistungen um so genannte primäre oder sekundäre Leistungen handelt. Im wesentlichen sind erstgenannter Kategorie jegliche Formen von Kundengeschäften mit Dritten zuzurechnen, während in der zweitgenannten Kategorie Interbankleistungen und eigene Geschäfte (z.B. Eigenhandel von Wertpapieren, Emission eigener Schuldverschreibungen etc.) zu subsumieren sind.213 Unsere Aufmerksamkeit gilt den primären Leistungen von Finanzdienstleistern, die in nachfolgender Abbildung, getrennt nach Banken und Versicherungen, kategorisiert wurden.
213
Vgl. Grill, W., Perczynski, H. (Kreditwesen 1993), S. 13. f. 65
Banken
Kreditleistungen
Anlageleistungen
Zahlungsverkehrsleistungen (Beispiele) (Beispiele) (Beispiele) • Konto• Sichtein- • Einzahkorrentlagen lungen kredit • Sparein- • Auszah• Überziehlagen lungen • Sparver- • Scheckungskredit • Ratenkredit träge verkehr • Baufinan• Sparbriefe • Wechsel• ... zierungsverkehr • Überweikredit • Hypothekarsungskredit verkehr • Bauspardar• Sortenlehen /Devisen • Investions• Kontokredit führung • Kommunal• Lastkredit schrift• Avalkredit verkehr • Akzeptkredit • Kreditkartenverkehr • Diskont-/ • InkassoLombardleistungen kredit • Emissions• Akkreditivkredit leistungen • ... • ...
Versicherungen
Wertpapierleistungen
Sonstige Leistungen
(Beispiele) • Emissionen • Wertpapierkundengeschäfte • Depotbuchführung • Depotverwaltung • ...
(Beispiele) • Beratung • Informationsleistungen • Verwahrung (Safe) • Vermögensverwaltung • Vermittlungsleistungen • Produktentwicklungen • Sonstige Verwaltungstätigkeiten • ...
AnlageVersicherungsleistun- leistungen gen (Beispiele) (Beispiele) • Risiko• Kapitalanübernahme lageleistun– Leben gen – Schaden • Sparprozesse – Kranken – Unfall • ... – Recht – Rück • ...
Sonstige Leistungen (Beispiele) • Beratung • Informationsleistungen • Vermittlungsleistungen • Kreditleistungen • Produktentwicklungen • Sonstige Verwaltungstätigkeiten • ...
Abb. III-7: Wesentliche primäre Leistungen von Finanzdienstleistern214
Ohne jede einzelne Form der oben aufgeführten Auswahl beschreiben zu wollen,215 ist es essentiell für das weitere Verständnis dieser Arbeit, einen kurzen Überblick über die Leistungskategorien zu geben. Bei den Banken sind dies im Einzelnen: •
Kreditleistungen: Kreditleistungen stellen das klassische Aktivgeschäft von Banken dar. Ein Kredit ist die befristete Zuverfügungstellung von Kaufkraft gegen später zu erbringende Gegenleistungen (Zinsen, Tilgung). Nachfrager sind Unternehmen sowie öffentliche und private Haushalte.216 Man unterscheidet zwischen Geldleihe (unmittelbare Bereitstellung einer Geldsumme, wie beispielsweise beim Ratenkredit oder bei der Baufinanzierung) und Kre-
214
Eigene Darstellung als Synthese der Darstellungen bei: Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 35 ff.; Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 38 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 325 und S. 327 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 23; Grill, W., Perczynski, H. (Kreditwesen 1993), S. 14. 215 Stattdessen sei auf die entsprechende Literatur verwiesen, die die einzelnen Leistungen explizit darstellt. Vgl. u.a. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 38 ff.; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 311 ff.; Hein, M. (Bankbetriebslehre 1993), S. 19 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 149 ff. 216 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 350. 66
ditleihe (Vermittlung der Geldaufnahme bei Dritten, wie z.B. Aval- oder Akzeptkredit).217 •
Anlageleistungen: Diese stellen den Gegenpart zu den Kreditleistungen dar, da sie Anlegern das Recht gewähren, geleistete Zahlungen nach Ablauf einer gevereinbarten Laufzeit inklusive der in dieser Zeitdauer aufgelaufenen Zinsen zu beanspruchen (Passivgeschäft). Man unterscheidet zwischen Sicht-, Termin- und Spareinlagen, die sich im Wesentlichen durch unterschiedliche rechtliche Grundlagen bzw. verschieden Laufzeiten unterschieden.218
•
Zahlungsverkehrsleistungen: Bezeichnen Leistungen von Banken, bei denen Geldbeträge in barer, halbbarer oder bargeldloser Form zwischen Kunden und Dritten (bzw. vice versa) transferiert werden. Dazu sind insbesondere im inländischen Bereich der Bargeld, Scheck, Wechsel, Lastschrift und Überweisungsverkehr und im Auslandszahlungsverkehr Inkasso- und Akkreditivleistungen zu zählen.219
•
Wertpapierleistungen: Sind der Überbegriff für Leistungen, bei denen Kreditinstitute
Effekten
(Wertpapiere,
wie
Aktien,
Schuldverschreibungen,
Wandelanleihen etc.) entweder kommissionarisch für Kunden am Kapitalmarkt besorgen sowie die anfallenden Depot- und Verwahrtätigkeiten übernehmen, oder im Rahmen einer Emission Wertpapiere des Emittenten am Kapitalmarkt platzieren.220 •
Sonstige Leistungen: In diese Kategorie entfallen jegliche Form von Beratungsleistungen (z. B. Kundengespräch, telefonische Beratung) die in der Regel unentgeltlich angeboten werden,221 Informationsbereitstellungen (mündlich, Prospekte, Broschüren, Internet etc.), aber auch Verwahrleistungen (z.B. Safe, Schließfächer).
Die von Versicherungsunternehmen hauptsächlich angebotenen Leistungen sind:
217
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 60 und S. 65; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 202 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 327 ff. 218 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 151; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 346 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 379 ff. 219 Vgl. Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 418; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 360 ff. 220 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 362 ff; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 346 ff. bzw. 385 ff. 221 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 365. 67
•
Versicherungsleistungen: Das charakteristische Geschäftsfeld von Versicherungsunternehmen stellt die entgeltliche Risikoübernahme dar, bei der gegen Prämienzahlung des Versicherungsnehmers (unbedingte Zahlungsverpflichtung) ein bedingtes Zahlungsversprechen gegeben wird, dessen Einlösung von dem Eintritt eines im Versicherungsvertrags definierten Schadens abhängt. Prinzipiell werden die Versicherungsleistungen nach Güterversicherung und Personenversicherung elementar differenziert. Erstgenannte Kategorie ist dadurch charakterisiert, dass der versicherte Schaden unmittelbar Vermögensgüter trifft, und die Höhe der Versicherungsleistung aus dem tatsächlich eingetretenen Schaden ermittelt wird (z.B. Schadensversicherungen, wie Kfz oder Hausrat). Bei Personenversicherungen trifft der Schaden die versicherte Person (z.B. Krankheit, Unfall), was mittelbar Auswirkungen auf die Vermögenslage hat (z.B. Krankenhauskosten).222
•
Anlageleistungen: Diese werden in erster Linie für den Endkunden bei Kapitallebens- oder der Rentenversicherungen erbracht, da die Prämien, die der Versicherungsnehmer periodisch an das Versicherungsunternehmen bezahlt, nicht nur zur Deckung des Risikos und der entstehenden Kosten verwendet werden, sondern auch zur Bildung eines Sparanteils, den der Versicherungsnehmer beispielsweise bei einer Kapitallebensversicherung inklusive seiner Prämienzahlungen nach Ablauf der Versicherungslaufzeit ausgezahlt bekommt. Dieser Sparanteil wird vom Versicherungsunternehmen während der Laufzeit angelegt, um die Zinszahlung von üblicherweise ca. 3,5% leisten zu können. Zusätzlich werden den Versicherten von den Unternehmen erwirtschaftete Überschüsse, die durch sog. Sterblichkeitsgewinne und Verzinsungsgewinne (Versicherung erzielt höhere Rendite durch die Anlage der Prämien als den garantierten Zinssatz) zu mindestens 90% ausgezahlt.223
•
Sonstige Leistungen: Die sonstigen Leistungen im Versicherungsbereich unterscheiden sich dem Charakter nach kaum von den bereits dargestellten sonstigen Leistungen im Bankenbereich, allerdings exklusive des Verwahrgeschäftes.
222
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 339 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 540 f. 223 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 166 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 542. 68
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wurde über den Dienstleistungscharakter der unterschiedlichen Leistungen von Finanzintermediären eingehend diskutiert, mit dem Ergebnis, dass je nach zu Grunde liegender Dienstleistungsdefinition die Einzelleistungen mal als Dienstleistung und mal als Nicht-Dienstleistung eingeordnet werden. Insbesondere existieren diese Kontroversen bei der Differenzierung des Kredit- bzw. des Versicherungsgeschäfts, das isoliert betrachtet von einer Reihe von Autoren nicht als Dienstleistung, sondern beispielsweise als Übertragung von Rechten oder Vermietungsleistung angesehen wird. Über den Dienstleistungscharakter von Beratungs- und Transaktionsleistungen herrscht dagegen weitgehend Einigkeit.224 Wir werden an dieser Stelle den dargestellten Diskurs nicht weiter vertiefen, sind wir uns doch bewusst, dass erstens in realiter diese Leistungen immer im Verbund auftreten (Leistungsbündel) und dass zweitens bei vielen Leistungen noch Sachleistungsanteile enthalten sind (Kontoauszugsdrucker, Geldausgabeautomaten, Call-Center, Filialstrukturen, Online-Banking etc.). Daher sind nahezu alle Finanzdienstleistungen als Absatzleistungen zu werten, die Dienstleistungs-, Rechteübertragungs- und Sachleistungselemente beinhalten.225 Erinnern wir uns an die dieser Arbeit zu Grunde gelegte Dienstleistungsdefinition nach Woratschek, sind die Absatzleistungen tendenziell integrativ, individuell und weisen einen gewissen Grad an Verhaltenunsicherheit auf.226 In Abb. III-8 werden einige ausgewählte, heterogene Leistungen aus dem Bankenbereich hinsichtlich der typologischen Merkmale ihrer Teilleistungen (unscharf) auf einer 5erSkala227 eingeordnet.
224
Eine Übersicht über die Einordnung von Bankdienstleistungen (allerdings ohne die Nennung der Beratungskomponente) gibt Rück. Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 289 ff., der sich auf vornehmlich auf folgende Autoren bezieht: Haak, W. (Produktion in Banken 1982), S. 72-94; Berekhoven, L. (Dienstleistungsbetrieb 1974), S. 41 ff.; Meyer, A. (Dienstleistungs-Marketing 1988), S. 64 ff. 225 Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 289. 226 Siehe Abschnitt III.1.1. 227 "Skalen sind Messinstrumente, mit denen die relative Größe, Position, das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein einer wissenschaftlich relevanten Einheit (Dimension) auf einem Kontinuum numerisch, d.h. zahlenmäßig bestimmt werden kann." Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 251. 69
Merkmale der Teilleistungen
Leistung
Absatzleistung? Teilleistungen
Ratenkredit
• • • •
Beratung Kreditvertrag Überweisung Kontoführung
Vermögensverwaltung
• • • •
Beratung Transaktionen Verwahrung Information
Wertpapieremission
• • • •
Beratung Vertragsabschluss* Vorbereitung** Plazierung
Sparvertrag
• • • •
Beratung Vertrag Transaktion Ausstellung SB***
VerhaltensunIntegration Individualität sicherheit autonom integrativ standard. maßgeschn. niedrig
hoch
* Emissions- und Konsortialvertrag ** Publikation der Emissionsbedingungen, Emissionswerbung, Aufforderung der Anleger zur Zeichnung *** Sparbuch 228
Abb. III-8: Typologisierung ausgewählter Finanzdienstleistungen
Trotz simplifizierter Darstellung, lässt sich erkennen, dass die einzelnen Komponenten der Absatzleistungen jeweils unterschiedlich anhand der ausgewählten Merkmale zu bewerten sind. Zusammenfassend kann man Folgendes festhalten: •
Die meisten Finanzdienstleistungen (insbesondere im Kredit-, Anlage- und Versicherungsgeschäft) beinhalten eine Beratungskomponente. Die Teilleistung "Beratung" stellt sich bei allen Leistungen als tendenziell integrativ, maßgeschneidert und mit einer hohen Verhaltensunsicherheit belegt dar, da die Qualität der Leistung vom Leistungswillen und der Leistungsfähigkeit des Beraters determiniert sind. Damit sind Beratungsleistungen in der Definition von Woratschek als typische Dienstleistungen anzusehen. Zudem wird Beratung auch in weiteren einschlägigen Abhandlungen meist als Reinform einer Dienstleistung angesehen werden. Bei den gewählten Beispielen sind lediglich
228
Quelle: Eigene Darstellung. 70
bei einer weitgehend standardisierten Beratung (Sparvertrag) die Ausprägungen weniger deutlich. •
Transaktionsleistungen werden in der Literatur gemeinhin als Dienstleistungen angesehen.229 Transaktionen von Finanzdienstleistern unterscheiden sich in Bezug auf die drei wesentlichen Dienstleistungsmerkmale nach Woratschek stark voneinander, da beispielsweise transaktionelle Teilleistungen, die in hohem Maße technisiert und/oder standardisiert sind, prinzipiell eine niedrige Verhaltensunsicherheit aufweisen und weitestgehend autonom ablaufen. Dies ist insbesondere bei Überweisungen, Verwahrung, Kontoführung oder einem Sparvertrag der Fall. Es existieren allerdings auch Transaktionen, die sehr individuell auf den Kunden zugeschnitten sind, und die trotzdem auf Grund von Informationsasymmetrien zwischen Anbieter und Kunde Verhaltensunsicherheiten bergen. Insbesondere sind hier die Verwaltung von überlassenen Geldern (z.B. durch Fondsmanager, Vermögensverwalter) oder die Platzierung von Wertpapieren im Rahmen einer Emission zu nennen (Wertpapierleistungen). Zu diesem Punkt ist festzuhalten, dass in den meisten Ansätzen der Dienstleistungsökonomie Transaktionen als reine Dienstleistungen angesehen werden, und dass in der von uns zu Grunde gelegten Typologie nach Woratschek, zumindest die (Individual-)Transaktionen von Finanzdienstleistern als "Reinform" einer Dienstleistung eingeordnet werden können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus Gründen der institutionellen Zuordenbarkeit sowie dem originären Charakter des Leistungsspektrums, Finanzdienstleister als typischer Vertreter der Dienstleistungswirtschaft angesehen werden können. Somit ist die Auswahl dieser Branche als Referenz für den wichtigsten deutschen Wirtschaftszweig gerechtfertigt. Der nächste Abschnitt wird die Struktur und die Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungswirtschaft detailliert darstellen. 2.2
Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche
Wie bereits angesprochen besteht die Finanzdienstleistungsbranche im hier verstandenen Sinn aus Geschäftbanken und Versicherungen. Der Bankenbereich untergliedert sich weiter in Universal- und Spezialbanken.230
229
Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 291, der sich auf Berekhoven, L. (Dienstleistungsbetrieb 1974), S. 44. und Meyer, A. (Dienstleistungs-Marketing 1988), S. 65 bezieht. 230 Siehe Abb. III-6. 71
Universalbanken nehmen grundsätzlich die komplette Bandbreite bankbetrieblicher Leistungen war und differenzieren sich weiter in:231 •
Private Geschäftsbanken (Groß- und Regionalbanken, Privatbankiers, Zweigstellen ausländischer Banken) werden ausschließlich in den Rechtsformen des privaten Rechtes betrieben, wobei Kapitalgesellschaften in Form von AGs überwiegen.
•
Der Sparkassensektor besteht aus den regionalen Sparkassen, deren Tätigkeitsbereich auf ihr Geschäftsgebiet (Stadt, Kreis) beschränkt ist und den Girozentralen (Landesbanken), die als Zentralinstitute der jeweils ansässigen Sparkassen dienen. Die Rechtsform ist vornehmlich die der Körperschaft des öffentlichen Rechts (Ausnahme: "Freie Sparkassen") mit Trägerschaft durch die jeweiligen Städte oder Kreise, die auch für die Verbindlichkeiten ihrer Sparkassen haften (Gewährträgerhaftung)232
•
Der Genossenschaftssektor umfasst ebenfalls nur regional tätige Kreditgenossenschaften (meist Volksbanken oder Raiffeisenbanken) sowie zwei Zentralinstitute (DZ-Bank und WGZ-Bank). Die große Mehrzahl der Institute wird in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) geführt.233
Die Spezialbanken sind die zweite Unterkategorie der Geschäftsbanken. Im Gegensatz zu den Universalbanken fokussieren sich auf einen eingeschränkten Kreis von Bankgeschäften. Folgende Institutskategorien fallen unter dem Überbegriff der Spezialbanken: 234 •
Realkreditinstitute zeichnen sich durch die Vergabe von Hypothekarkrediten (langfristige, grundpfandrechtlich gesicherte Kredite) und Kommunalkrediten (Kredite an öffentliche Haushalte) aus. Die Refinanzierung erfolgt dabei durch die Ausgabe von Pfandbriefen, die wiederum durch die Grundpfandrechte bzw. dem Steueraufkommen der Kommunen als gesonderte Deckungsmasse abgesichert sind.235
231
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 20; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 102 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 79 ff. 232 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 22; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 87 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 106 ff. 233 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 23; ; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 94 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 102 ff. 234 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 19; 235 Vgl. Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 98 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 36. 72
•
Bausparkassen vergeben auf nach Erreichen einer festgeschriebenen Ansparsumme (Ansparvertrag) Kredite, die zweckgebunden zur Finanzierung des Baus, des Erwerbs oder der Renovierung von Wohneigentum verwendet werden müssen.236
•
Kapitalanlagegesellschaften finanzieren ein oder mehrere Sondervermögen (Umgangssprachlich: Fonds) durch die Ausgabe bzw. den Vertrieb klein gestückelter Investmentzertifikate, welche den jeweiligen Anteil am Sondervermögen (Wertpapiere, Beteiligungen, Immobilien, Renten) verbriefen und in der Regel nach dem Prinzip der Risikodiversifikation zusammengestellt und verwaltet werden.237
•
Kreditinstitute mit Sonderaufgaben stellen eine heterogene Gruppe von Instituten dar, die in erster Linie historisch bedingte Sonderaufgaben vor allem im Kreditbereich wahrnehmen. Beispiele sind die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), deren Aufgabe nach dem 2. Weltkrieg die Finanzierung der Wirtschaft der BRD im Rahmen des Marshall-Plans war und die heute spezielle Vorhaben in den Bereichen Umweltschutz, Export und Existenzgründung fördert und finanziert, sowie die Industriekreditbank AG, deren Aufgabe es ist, langund mittelfristige Investitionskredite an kleine und mittelständische Unternehmen zu vergeben.238
Die Versicherungen werden gemeinhin in folgende Kategorien eingeteilt: •
Lebensversicherungen: Diese Versicherungsunternehmen bieten in der Regel Personenversicherungen in den Kategorien Leben (Kapitallebensversicherungen, Risikolebensversicherungen) und private Rente (Leibrentenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung) an. Die eingezahlten Prämien der Versicherungsnehmer werden dabei zur Deckung der laufenden Kosten und des Risikos verwendet, die Einzahlungsüberschüsse werden in der Regel mittel- bis langfristig angelegt. Dabei unterliegen Lebensversicherer den aufsichtsrechtlichen
236
Vgl. Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 116 f.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 37. 237 Vgl. Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 117 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 37. 238 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 20. 73
Vorschriften des VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) und dabei insbesondere den allgemeinen Anlagegrundsätzen des §54 VAG.239 •
Krankenversicherungen: Die Anbieter von privaten Krankenversicherungen bieten Personenversicherungen in den Kategorien Krankheitskostenversicherung und Kranken- und Krankenhaustagegeldversicherungen an. In erster Linie werden Aufwendungen abgedeckt, die als Folge einer Krankheit zu deren Heilung dienen. Die Kunden sind dabei insbesondere freiberuflich Tätige und Personen, die über ein gewisses Mindesteinkommen (46.800 EUR/p.a.) verfügen.240
•
Schaden- und Unfallversicherungen: In dieser Kategorie fällt eine Vielzahl von unterschiedlichen Versicherungsformen, denen gemein ist, dass sich die Versicherungsleistung nach dem effektiv messbaren Vermögensschaden (z.B. Feuer) bzw. dem Eintreffen einer bestimmten Ursache (Unfall) bemisst.241
•
Rückversicherungen: Die oben aufgeführten Typen von Versicherern werden auch als Erstversicherer bezeichnet. Im Gegensatz dazu versichern Rückversicherungen andere Erstversicherer, indem sie das so genannte versicherungstechnische Risiko gegen entsprechende Prämienzahlung übernehmen. Das heißt, dass beispielsweise der tatsächliche Schadenverlauf von den in den Prämienkalkulationen zu Grunde gelegten statistischen Annahmen (z.B. durch Eintritt von Großschäden) abweicht.242
Nach dieser überblicksartigen Beschreibung der für uns relevanten Finanzdienstleister im engeren Sinn sollen einige Daten zur bundesdeutschen Finanzdienstleistungsbranche die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges aufzeigen und zugleich ein tieferes Verständnis der Struktur dieser Branche vermitteln.
239
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 99 f. bzw. S. 166 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 124 ff. 240 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 345 bzw. S. 453; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 127 ff. 241 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 345 bzw. S. 467; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 128 f. 242 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 466. 74
•
Anzahl Unternehmen: In Deutschland existieren circa 2.500 Banken243 und 850 Versicherungsunternehmen244 im Rahmen der in dieser Arbeit zu Grunde gelegten Definition. Folgende Tabelle stellt dar, wie sich die Unternehmen auf die einzelnen Institutskategorien245 aufteilen: Tab. III-2: Anzahl Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland246 Institutskategorien
Anzahl
Prozent
2527
100
Universalbanken
2379
94
– Private Geschäftsbanken
355
14
– Sparkassensektor
532
21
– Genossenschaftssektor
1492
59
Spezialbanken
148
6
– Realkreditinstitute
25
1
– Bausparkassen
28
1
– Kapitalanlagegesellschaften
79
3
– Wertpapiersammelbanken
1
<1
– Kreditinst. f. Sonderaufgaben
15
1
856
100
Lebensversicherungen
121
14
Krankenversicherungen
91
11
Schadens- und Unfallversicherungen
607
71
Banken
Versicherungen
243
244
245
246
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 336. Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 2002 und exkludiert die in der monatlichen Bilanzstatistik nicht erfassten Institutskategorien "Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung" (40 Institute) sowie "Bürgschaftsbanken und sonstige Banken" (25 Institute). Die genaue Anzahl ist nach Bereinigung um die genannten Institutskategorien 2.527. Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 348. Leider lagen zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit noch nicht die Werte für das Jahr 2002 vor, so dass die dargestellten Zahlen im Bereich Versicherungen sich auf das Jahr 2001 beziehen. Die genaue Anzahl der Unternehmen beträgt 856 exklusive der Pensions- und Sterbekassen, die zwar eine hohe Anzahl (920), aber bezüglich der gebuchten Brutto-Beiträge einen geringen Marktanteil (ca. 1%) aufweisen. Zur Aufteilung der Institutskategorien innerhalb der in dieser Arbeit verwendeten Abgrenzung der Finanzdienstleistungsunternehmen siehe Abb. III-6. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Angaben des Statistischen Bundesamtes. Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 336 und 348. 75
Rückversicherungen
37
4
In Summe gibt es ergo im Rahmen der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Abgrenzung von Finanzdienstleistungsunternehmen ca. 3.400 Institute. Auffallend ist, dass der Sparkassen- und Genossenschaftssektor in Summe ca. 80% aller Banken stellt. Die Schadens- und Unfallversicherungen vereinen ca. drei Viertel aller Versicherungen. •
Marktanteile: Üblicherweise werden als Größenindizes für den Bankenbereich die Bilanzsumme und für den Versicherungsbereich die gebuchten Brutto-Beiträge für das selbst abgeschlossene Versicherungsgeschäft verwendet. Die Summe aller Bilanzsummen deutscher Banken betrug im Jahr 2002 ca. 6.500 Mrd. EUR, die Summe aller Brutto-Beiträge im Versicherungsmarkt betrug ca. 184 Mrd. EUR.247 Auf dieser Basis lassen sich die Marktanteile der einzelnen Institutskategorien wie folgt darstellen:
Banken in Prozent der gesamten Bilanzsumme
Versicherungen in Prozent der Summe aller Brutto-Beiträge
100% = ~ 6.500 Mrd. EUR
100% = ~ 184 Mrd. EUR
Genossenschaftssektor Sparkassensektor
Krankenversicherungen
12%
12%
Spezialbanken
36%
Schadens-/ Unfallversicherungen
30%
24%
34%
28%
Lebensversicherungen
Private Geschäftsbanken
25%
Rückversicherungen
Abb. III-9: Verteilung der Marktanteile in der Finanzdienstleistungsbranche248 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Genossenschafts- und Sparkassensektor in Summe 48% Marktanteil hat, allerdings ca. 80% der Institute stellt. 247 248
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 348. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 348. 76
Bei den privaten Geschäftsbanken und den Spezialbanken existiert die umgekehrte Relation. Obwohl sie in Summe nur 20% der Unternehmen darstellen, haben sie 52% Marktanteil. Analog dazu verhalten sich die Anzahl/Marktanteilsverhältnisse im Versicherungsbereich bei den Schadens- und Unfallversicherern bzw. bei den Lebens- bzw. Rückversicherungen. •
Marktkonzentration: Wie bereits angedeutet ist die Bankenlandschaft von vielen kleinen Instituten geprägt (vor allem Genossenschaftsbanken). Die größten fünf deutschen Kreditinstitute konzentrierten 2002 nur ca. 20% der gesamten Bilanzsumme ("total assets"), was im Vergleich zum europäischen Ausland und auch zur Struktur der deutschen Dienstleistungswirtschaft249 den niedrigsten Wert darstellt. Der Durchschnitt liegt hier bei ca. 54%. In Ländern, wie der Niederlande (83%), Belgien (82%) oder Finnland (79%) ist eine weit höhere Marktkonzentration zu verzeichnen. Im Versicherungsbereich ist die Konzentration mit ca. 42% der Brutto-Beiträge (2001) für die größten fünf deutschen Versicherer etwas höher, jedoch kann auch hier nicht von einem konzentrierten Markt gesprochen werden. Allerdings hat insbesondere im Sparkassen- und Genossenschaftssektor, trotz der hohen aktuellen Institutsanzahl, bereits eine Konsolidierung stattgefunden. Seit 1990 wurde die Anzahl der Genossenschaftsbanken um ca. 56% und die der Sparkassen um ca. 39% reduziert, wohingegen die Anzahl der privaten Geschäftsbanken annähernd gleich blieb.250
•
Mitarbeiter: Im Bankenbereich arbeiteten in 2002 ca. 740.000 Mitarbeiter im Versicherungsbereich ca. 248.000. In folgender Abbildung ist die Mitarbeiterentwicklung in beiden Bereichen von 1994 an dargestellt. Es ist festzustellen, dass in beiden Kategorien ein relativ stabiler Mitarbeiterbestand vorherrscht. Nicht in die Betrachtung aufgenommen sind neben den Mitarbeitern der Postbank und der Deutschen Bundesbank die Selbständigen des Versicherungsaußendienstes sowie die freien Versicherungsmakler.
249 250
Siehe Abb. III-4. Vgl. Deutsche Bundesbank (Entwicklung des Bankstellennetzes im Jahr 2002), S. 3. 77
Anzahl Mitarbeiter Banken* in Tsd. Mitarbeiter
Anzahl Mitarbeiter Versicherungen** in Tsd. Mitarbeiter
761
1994
250
1994
242
1996
754
1996
1998
755
1998
239
2000
240
762
2000
2002
739
2002
248
* Ohne Postbank (derzeit ca. 9.000 Mitarbeiter) und Deutsche Bundesbank (derzeit ca. 16.000 Mitarbeiter) ** Ohne selbständigen Versicherungsaussendienst (ca. 407.000 Mitarbeiter) und freie Versicherungsmakler (ca. 8.000 Mitarbeiter)
Abb. III-10: Anzahl Mitarbeiter Banken und Versicherungen251 •
Marktkapitalisierung: Der Wert börsennotierter deutscher Finanzdienstleistungskonzerne (Marktkapitalisierung) hat sich sowohl im Banken als auch im Versicherungsbereich in Relation zu den internationalen Wettbewerbern im Laufe der letzten Jahre verschlechtert. Befanden sich beispielsweise noch im Januar 1993 unter den größten 20 europäischen Banken fünf deutsche Institute, wobei die Deutsche Bank mit 21,4 Mrd. EUR den zweiten Platz einnahm, ist Mitte 2003 nunmehr ein Institut (Deutsche Bank) auf dem neunten Platz (34,1 Mrd. EUR) unter den Top-20 der europäischen Kreditinstitute. Im Versicherungsbereich ist eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Die Allianz AG war zum Jahresende 1995 mit 33,2 Mrd. EUR Marktkapitalisierung noch Nummer eins auf dem europäischen Versicherungsmarkt, zum Jahreswechsel 2002/2003 befand sich der größte deutsche Versicherungskonzern mit 24 Mrd. EUR nur mehr auf dem sechsten Platz im europäischen Vergleich.252
•
Unternehmenserfolg: Eine Möglichkeit, den Unternehmenserfolg von Banken und Versicherungen zu messen, ist die Summe aller Dividendenzahlungen, Gewinnausschüttungen und Kursgewinne zu bilden. Diese Kennzahl be-
251 252
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten von verdi. Vgl. www.verdi.de Quelle: McKinsey Research 78
zeichnet man als "Total Return to Shareholders" (TRS), die üblicherweise in Prozent/p.a. angegeben wird. Folgende Abbildung zeigt die durchschnittliche TRS der 24 jeweils erfolgsreichsten, kapitalmarktnotierten internationalen Banken bzw. Versicherungen. Auffällig ist, dass im Bankenbereich nur ein deutsches, bzw. im Versicherungsbereich sechs deutsche Unternehmen in die Top-24 eingeordnet werden können. Zudem weist der europäische Durchschnitt im Bankenbereich mit -6,4%/p.a. und der Versicherungsbereich mit 10,2%/p.a. im Betrachtungszeitraum eine signifikant negative Entwicklung aus Anlegersicht auf. Es ist also festzuhalten, dass über den Zeitraum von fünf Jahren (1998 bis 2003) die meisten der internationalen Banken und vor allem die deutschen Institute kein lohnenswertes Anlageobjekt waren. Top-24 Banken Total Return to Shareholders 1998-2003 in %/p.a.
Top-24 Versicherungen Total Return to Shareholders 1998-2003 in %/p.a.
RBS Durchschnitt 11,4 Europa: -6,4 Danske 8,4 AIB Group 6,1 Bank of Ireland 4,0 SocGen 3,8 BNP Paribas 2,8 HSBC 2,5 Northern Rock 1,9 Svenska 0,1 A&L -0,3 Banco Pop -0,4 -2,1 Barclays -3,1 Standard Chartered -3,2 UBS -4,3 HBOS -5,1 SEB -5,4 Nordea -7,7 Dexia -9,2 Swedbank -9,5 KBC -9,6 Deutsche -10,7 BBVA -10,9 Santander -14,7 Fortis
RAS Durchschnitt Europa: -10,2 Berkshire Hathaway AIG Citigroup Mediolanum ERGO UBS Generali -0,7 ING -1,0 Fortis -1,6 Hannover Re -1,9 -3,8 AXA -4,3 Swiss Re -4,4 AGF -5,5 Deutsche -7,1 Credit Suisse -7,4 Munich Re -7,7 AVIVA -7,7 Aegon -9,8 Skandia -17,0 Allianz -21,8 Zurich -23,1 Royal&Sun Swiss Life -33,1
11,4 10,5 9,5 9,1 8,2 7,1 3,3
Abb. III-11: Total Return to Shareholders europäischer Banken und Versicherungen253 •
Profitabilität: Auch in Bezug auf die Profitabilität (Return on Equity bzw. Eigenkapitalrendite) liegen die deutschen Banken im Vergleich mit den internationalen Wettbewerbern auf den hinteren Rängen. Die Eigenkapitalrendite der vier größten Banken lag Mitte bis Ende der 90er zwischen acht und zwölf
253
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 79
Prozent. Eine Vergleichsgruppe amerikanischer bzw. europäischer Banken lag im selben Zeitraum bei einem Return on Equity zwischen 12% und 20%. Im Jahr 2001 sank die Rendite deutscher Banken dramatisch auf Werte bis 1% ab, wohingegen sich die US-Banken und die europäische Konkurrenz weiter auf einem Niveau von ca. 12% behaupten konnten. Die Gründe hierfür sind in den vergleichsweise hohen operativen Kosten und den Risikokosten sowie in der niedrigen Eigenkapitalausstattung zu suchen.254 Als Fazit dieses Abschnittes lässt sich festhalten, dass die Finanzdienstleistungsbranche aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine wichtige Stellung einnimmt. Speziell im internationalen Vergleich haben deutsche Banken und Versicherungen allerdings insbesondere in punkto Wirtschaftlichkeit Nachholbedarf. Diese beiden Tatsachen sind –trotz der Fokussierung dieser Arbeit auf die Finanzdienstleister im engeren Sinn– mit der sehr heterogenen Struktur (Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle, große Anzahl Institute, niedrige Marktkonzentration) des Sektors assoziiert.
3. Outside-In-Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern Nachdem nun die Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche in den definitorischen Rahmen der Dienstleistungsökonomie verortet wurden und gleichzeitig aufgezeigt wurde, welche Art von Instituten welche Leistungen anbieten, und welche Struktur der beschriebene Wirtschaftszweig innehat, soll in diesem Abschnitt die allgemeine Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistungsunternehmen einer genaueren Analyse unterzogen werden. Dabei bildet die in Abschnitt II.2.2 getroffene Differenzierung der Unternehmensumwelt in die beiden Analyseebenen Aufgabenumwelt und allgemeine Unternehmensumwelt (mit der Segmentierung in die dargestellten Teilumwelten) den Bezugsrahmen. OutsideIn-Perspektive meint in diesem Zusammenhang, dass versucht wird, ein Verständnis von der Unternehmensumwelt zu erlangen, ohne dabei eine unternehmensspezifische Eingrenzung zu tätigen.255 Dabei wird im ersten Abschnitt dieses Kapitels eine inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Umweltsegmente vorgenommen, indem die aus unserer Sicht wichtigsten Elemente
254 255
Quelle: McKinsey Research. Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 11. 80
des makro-ökonomischen, des politisch-rechtlichen, des sozio-kulturellen und des technologischen Bereichs vorgestellt werden. Im zweiten Abschnitt werden die Attribute dieser Segmente, verstanden als Dynamik, Komplexität und Kontingenz, dargestellt. Anzumerken ist, dass in beiden Abschnitten ein Fokus auf die wichtigsten Elemente und Entwicklungen gelegt wird, da eine vollständige Beschreibung nicht praktikabel ist. 3.1
Inhaltliche Ausgestaltung der Elemente der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern
In diesem Abschnitt werden die aus unserer Sicht relevantesten Elemente der einzelnen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt dargestellt. Dabei werden wir die wichtigsten Faktoren und Indikatoren der entsprechenden Teilumwelten beschreiben und die jeweilige Bedeutung für die Finanzdienstleistungsbranche aufzeigen. Folgende Abb. III-12 gibt einen Überblick und ist gleichzeitig Struktur für die Darstellung der einzelnen Einflussfaktoren. Es sei herausgestellt, dass sich die im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschriebenen Faktoren bezüglich der individuellen Relevanz für Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche teils erheblich unterscheiden. Manche Kräfte üben prinzipiell auf alle Arten von Unternehmen und Branchen einen relativ gleichen Einfluss aus (z.B. Steuerrecht), andere haben für Banken oder Versicherungen weitreichendere Konsequenzen als für andere Unternehmen (z.B. Sparrate), und wiederum andere sind nur für Finanzintermediäre relevant (z.B. Regulationsvorschriften des BaFin).
81
Technologische Teilumwelt • Innovationen – Hardware/Software – Internet – Telekommunikation – Automation/Verfahrenstechnologie – Prozessinnovationen • Technologietrends – Technologiekonvergenz – Substitutionstechnologien • Kostenentwicklungen
Relevante Sozio-kulturelle Teilumwelt Analyseebene • Sozio-demografische Entwicklungen – Bevölkerungsentwicklung gesamt sowie einzelner Nicht relevant im Gruppen Rahmen der – Alterstruktur Arbeit – Geografische Verteilung bzw. Bevölkerungswanderungen – Bildungsstruktur – Einkommensverteilungen • Sozialpsychologische Strömungen – Allgemeine Werteveränderungen – Arbeitsmentalität – Freizeitverhalten – Trends (z.B. "Cocooning", "Sicherheitsstreben") – Konsumverhalten – Ökologische Orientierung Politisch-rechtliche Teilumwelt • Globalpolitische Allgemeine Umwelt Tendenzen Sozio-kulturelle – Konflikte/Krisen/ Kriege – Staatsallianzen Aufgabenumwelt (z.B. USA/GB) • EU-, national- und Konkurrenten parteipolitische Entwicklungen • Ratings TechnoPolitisch• Wirtschaftspolitik logische rechtliche Lieferanten Kunden Unternehmen – Regulation (z.B. Basel II)/ Deregulationen – Aufsichtsämter Sonstige – Zentralbank-Politk (Kapitalgeber, • Rechtliche Arbeitnehmer) Entwicklungen – Steuerrecht – Arbeitsrecht/SozialMakrogesetzgebung ökonomische – Zivilrecht – Handelsrecht – HaftungsvorschrifMakro-ökonomische Teilumwelt ten (z.B.0 Complian• Volkswirtschaft ce) – Arbeitsmarkt – Inflation – Konjunktur – Konsum-/Sparquoten – Investitionen • Kapitalmärkte – Aktienkurse – Zinssätze – Wechselkurse • Gütermärkte – Ölpreis – Edelmetallpreise
Abb. III-12: Übersicht wichtiger Einflussfaktoren der allgemeinen Unternehmensumwelt256
256
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf der Segmentierung der Unternehmensumwelt wie im Abschnitt II.2.2 dargestellt. Einzelne Faktoren bzw. Einflusskräfte der Teilumwelten sind eine Synthese der allgemeinen Aufstellungen von Müller-Stewens und Pümpin, die um finanzdienstleistungsindividuelle Aspekte erweitert wurden. Vgl. dazu Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149 bzw. Pümpin, C. (Strategische Erfolgspositionen 1992), S. 194 f. Obwohl die unserer Ansicht nach wichtigsten Indikatoren aufgezeigt wurden, erhebt die Darstellung keinen Anspruch auf Universalität und Vollständigkeit. 82
Makro-ökonomische Unternehmensumwelt: Das Segment der makro-ökonomischen Umwelt wird hauptsächlich durch Einflussfaktoren in den Kategorien Volkswirtschaft, Kapitalmärkte sowie Gütermärkte determiniert und beeinflusst unternehmenspolitische Überlegungen und Strategie von Finanzdienstleistern wohl am direktesten.257 Auf Grund von zunehmender internationaler Verflechtung der Kapital- und Gütermärkte im Zuge der Globalisierung, können diese Kategorien eigentlich nicht separat betrachtet werden, bzw. sind die Interdependenzen der einzelnen Indikatoren zu berücksichtigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die einzelnen Faktoren jedoch separat dargestellt. •
Volkswirtschaft: Volkswirtschaftliche Indikatoren wirken in unterschiedlichen Hinsichten auf Finanzdienstleistungsunternehmen. Es sei herausgestellt, dass diese nicht nur in einem nationalen Zusammenhang Auswirkungen haben. Auf Grund von internationalen Engagements (Kredite an ausländische Staaten, Finanzierungen von Großprojekten im Ausland) sind auch volkswirtschaftliche Größen anderer Staaten von Belang.258 Arbeitsmarkt: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wirkt in mehreren Dimensionen auf Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors. Zum einem determiniert das Angebot von Arbeitskräften das Lohn- und Gehaltsgefüge bzw. auch die Verfügbarkeit an geeigneten Personal. Zum anderen wirkt die Arbeitslosenquote259 direkt auf das verfügbare Einkommen der Privathaushalte und damit indirekt auf die Nachfrage nach Sparprodukten oder Versicherungsprodukten bzw. die Ausfallrate von Krediten. Inflationsrate: Die Inflationsrate stellt die allgemeine Verminderung der Kaufkraft von Geldeinheiten dar bzw. indiziert die Entwertung von nominalen Monetärwerten. Bei hohen Inflationsraten wird beispielsweise der Kreditbestand eines Finanzdienstleisters real entwertet; die Erwartung des Inflationsratenverlaufs determiniert also auch die Zinsen, die Banken oder Versicherungen für ihre Kredite berechnen. Umgekehrt werden die Sparbestände aus Sicht der Kunden entwertet (Konsequenz: Banken-Run z.B. während der Inflation in den 20er Jahren). Des Weiteren birgt eine Steigerung
257
Vgl. Maranghino-Singer, B. (Bankplanung 1998), S. 109. Vgl. Maranghino-Singer, B. (Bankplanung 1998), S. 108. 259 Die Arbeitslosenquote stellt den Prozentsatz der Arbeitslosen an der Summe der abhängigen Erwerbspersonen dar. Vgl. Woll, A. (Volkswirtschaftslehre 2000), S. 363. 258
83
der Inflation Kaufkraftverluste der privaten Haushalte, was sich direkt im Nachfrageverhalten niederschlägt und indirekt in einer Behinderung des gesamten Wirtschaftswachstums sowie einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit.260 Konjunktur: Diese bezeichnet die Wirtschaftsschwankungen einer Volkswirtschaft (gemessen durch Konjunkturindikatoren, meist mittels Veränderungen des realen Bruttoinlandsprodukts). Konjunkturelle Auf- oder Abschwünge wirken sich nahezu auf alle Bereiche einer Volkswirtschaft aus (z.B. auf Inflation, Insolvenzen, Konsumquote, Investitionen, Arbeitslosigkeit).261 Gerade im Bankenbereich kann davon ausgegangen werden, dass in Zeiten einer Konjunkturflaute (Rezession, Depression) durch die zunehmende Zahl von Insolvenzen Kredite insbesondere im gewerblichen Bereich Not leidend werden, also mit hohen Wertberichtigungen zu rechnen ist, welche unmittelbar auf das Ergebnis wirken. Konsum-/Sparquoten: Die Sparquote (d.h. derjenige Anteil der Einkommen privater Haushalte, der nicht direkt für Konsumzwecke ausgegeben wird) indiziert für Finanzdienstleister unmittelbar die aktuelle Nachfrage nach Spar- und Anlageprodukten (auch Lebensversicherungen). Die Konsumquote wirkt sich einerseits auf die Nachfrage nach Krediten (z.B. Ratenkredite) und andererseits auf die allgemeine Konjunkturlage aus.262 Investitionen: Investitionen sind von Unternehmen oder öffentlichrechtlichen Organisationen getätigte Käufe von Gütern. Obwohl im Vergleich zum privaten Konsum eher gering, sind Investitionen auf Grund des Multiplikatoreffekts wichtige Treiber gesamtwirtschaftlicher Größen wie Beschäftigung und Volkseinkommen.263 Da Investitionen zudem oftmals über Kredite finanziert (Fremdfinanzierung) werden, wirken sie auf die Nachfrage nach Kreditprodukten, aber auch nach gewerblichen Versicherungen (z.B. für Großprojekte im Anlagenbau).
260
Vgl. Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U (Volkswirtschaftslehre 2002), S. 259; Woll, A. (Volkswirtschaftslehre 2000), S. 526 ff.; Hardes, H.D., Mertes, J. (Volkswirtschaftslehre 1991), S. 269. 261 Vgl. Hardes, H.D., Mertes, J. (Volkswirtschaftslehre 1991), S. 259; Woll, A. (Volkswirtschaftslehre 2000), S. 557 ff. 262 Vgl. Woll, A. (Volkswirtschaftslehre 2000), S. 376 ff. 263 Vgl. Woll, A. (Volkswirtschaftslehre 2000), S. 381. 84
•
Kapitalmärkte: Die Faktoren der nationalen und internationalen Kapitalmärkte wirken sich in multidimensionaler Hinsicht auf das Geschäft von Banken und Versicherungen aus. Nachfolgend seien die wichtigsten genannt. Aktienkurse: Zum einen determiniert der Aktienkurs der eigenen Aktie (wenn Finanzdienstleistungsunternehmen als AG firmiert) die Eigenkapitalausstattung der Bank/Versicherung und damit die Refinanzierungsfähigkeit.264 Dieser Zusammenhang gilt analog auch für Kunden-Unternehmen. Zum anderen beeinflusst die Aktienmarktentwicklung einerseits das Investment-Banking-Geschäft (IPO, Kapitalerhöhungen, Mergers & Akquisitions) und anderseits die Nachfrage nach Wertpapieren aus Anlegersicht. Zudem wirken sie auf die Performance der Eigenanlage von Banken und Versicherungen. Zinssätze: Die Zinssätze determinieren die Kosten der Refinanzierung der Banken und die Nachfrage nach Krediten und Spar- bzw. Wertpapierprodukten sowie den Konsum der Haushalte (Zinssteigerungen bewirken Verlagerung des Konsums von der Gegenwart in die Zukunft – intertemporale Substitution).265 Analog zu den Aktienkursen wirken sie auf das Ergebnis der Eigenanlage von Banken und Versicherungen. Wechselkurse: Wechselkurse legen das Austauschverhältnis zwischen verschiedenen Währungen fest. Insbesondere im Zusammenhang mit Leitwährungen (US-Dollar, Euro, Yen) sind sie wichtige Größen, die das Exportgeschäft beeinflussen. Damit wirken diese indirekt auf die Konjunkturlage insbesondere in exportorientierten Ländern, wie Deutschland oder Japan. Bei Banken üben sie direkt Einfluss auf die Nachfrage nach Dienstleistungen im Außenwirtschaftsverkehr (z.B. Akkreditive) und auf die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten in Fremdwährungen aus. Zudem hängen die Preise von zentralen Gütern, wie beispielsweise Gold oder Rohöl, vom Wechselkurs des Dollars ab.
•
Gütermärkte: Die Entwicklungen der Märkte für Güter wirken zumeist nur indirekt auf das Geschäft von Finanzdienstleistungsunternehmen.
264 265
Vgl. Wöhe. G., Bilstein, J. (Unternehmensfinanzierung 2002), S. 43 ff. Vgl. Barro, R.J., Grilli, V. (Makroökonomie 1996), S. 119 ff. 85
Ölpreis: Der Preis für Rohöl determiniert einerseits die Ertragskraft von stark erdölabhängigen Industrien (Chemische Industrie, Automobilindustrie etc.) und beeinflusst damit das Kreditrisiko für Banken, die mit Finanzierungen in diesem Segment engagiert sind. Andererseits hängt die Wirtschaftskraft von erdölproduzierenden Nationen mit diesem Indikatoren zusammen, so dass Kredite bzw. das Finanzierungsrisiko bei Krediten an dementsprechende Staaten indirekt vom Ölpreis betroffen sind. Edelmetallpreise: Das Preisniveau für Edelmetalle beeinflusst auf das Eigengeschäft mit Gold, Silber o.ä. von Banken und Versicherungen und gleichzeitig die Nachfrage von Anlegern nach Anlageprodukten aus diesem Bereich. Technologische Unternehmensumwelt: Im Segment der technologischen Umwelt wirken Einflussfaktoren aus den Kategorien Innovationen, Technologietrends, Kostenentwicklungen. •
Innovationen: Die Kostenstruktur von Banken und Versicherungen ist in großem Maße von technologischen Entwicklungen vornehmlich im IT- und Kommunikationstechnologiebereich geprägt, so dass Indikatoren aus diesem Gebiet eine große Rolle hinsichtlich potenzieller Effizienzsteigerungen in der Abwicklung von Transaktionen jeglicher Art bedeuten.266 Nachfolgende Abbildung verdeutlicht, dass von den Kosten für Operations in einer deutschen Bank (entspricht ca. 60-70% des Gesamtkostenblocks) ca. 25% IT-Kosten darstellen.
266
Vgl. Priewasser, E. (Prognose 1994), S. 169. 86
Typische Verteilung der Operations-Kosten im Finanzdienstleistungsbereich Prozent
Verwaltung ~ 20 30
~ 20
12–15
Sonstige
15–25
Hardware
12–25
Software
Vertriebsunterstützung ~ 1015 ~ 25
Abwicklung Zahlungsverkehr
Typische Verteilung der IT-Kosten im Finanzdienstleistungsbereich Prozent
IT-Infrastruktur und Administration
~ 10 15
6–8
Telekommunikation
6–15
Externe Leistungen
15–40
Personalkosten
Sonstige Abwicklungen
Abb. III-13: Typische Aufteilung der Operations-Kosten für eine deutsche Bank267 Hardware/Software: Neuerungen auf dem Gebiet der Hardware und Software ermöglichen es, Banken und Versicherungen, ihre Geschäftsabläufe zu rationalisieren bzw. kostengünstiger zu gestalten. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit von Computern und Zentralrechnern, automatischen Beleglesern oder Zählmaschinen sowie von neuen Programmen, die Geschäftsprozesse optimieren und integrieren, sind Entwicklungen, die die Banken- und Versicherungslandschaft in erheblichem Maße beeinflussen. Internet: Die Entwicklung des Internet hat großen Einfluss auf die gesamte Branche der Finanzdienstleistungen genommen. Wie kaum in einer anderen Industrie hat sich durch die Emergenz von Direkt-Banken und DirektVersicherern die Struktur der gesamten Branche verändert. Innovationen in diesem Bereich beeinflussen die Vertriebswege, die Kostenstruktur und technologischen Anforderungen. Telekommunikation: Neben dem Internet zählen auch der Vertrieb von Finanzdienstleistungen sowie die Bereitstellung von Informationen über das Telefon (Call-Center) zum neueren Bereich der Finanzdienstleistungen. Neben einer höheren Erreichbarkeit für den Kunden birgt die Abwicklung
267
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 87
von Transaktionen über das Telefon erhebliches Rationalisierungspotenzial. Innovationen in diesem Gebiet können sowohl die Erreichbarkeit als auch Kostenstrukturen von Call-Centern verbessern. Automation/Verfahrenstechnologie: Neuerungen in der Automation und Verfahrenstechnologie sind in erster Linie für gewerbliche Kunden von Banken relevant, insofern sie die Kostenstruktur und die Ertragskraft der Unternehmen beeinflussen und damit auf verschiedene Dimensionen des Kreditgeschäfts wirken. Direkten Einfluss hätten derartige Innovationen allenfalls für die Abwicklungen verschiedener Transaktionen, bei denen Belegleser, Scanner, Frankier- und Sortierautomaten etc. zum Einsatz kommen. Prozessinnovationen: Sie sind Neuerungen, die den Ablauf von Geschäftsprozessen vereinfachen. Es gelten im wesentlichen die gleichen Anmerkungen wie im zuvor beschriebenen Punkt "Automation/Verfahrenstechnologie" •
Technologietrends: Technologietrends sind Entwicklungsrichtungen einzelner Technologien, die nicht notwendigerweise innovationsgetrieben sein müssen, sondern auch mit geänderten Kundenbedürfnissen oder durch Entwicklungslinien einzelner Branchen determiniert sein können. Technologiekonvergenz: Bezeichnet das integrative Annähern unterschiedlicher Technologien (Internet via TV, Internettelephonie etc.). Auswirkungen für Finanzdienstleister sind in einem direkten Zusammenhang die Möglichkeiten zur Gestaltung von Vertriebswegen und Informationskanälen sowie die Realisierung von Rationalisierungspotenzialen. Substitutionstechnologien: Diese bezeichnen Technologieformen, die andere Technologien obsolet machen oder teilweise ersetzen (E-Mail vs. Brief; Solarenergie vs. Energie aus fossilen Brennstoffen etc.). Neben den direkten Wirkungen, die sich mit den beschriebenen Effekten aus den Kategorien "Innovation" oder "Technologiekonvergenz" vergleichen lassen, sind insbesondere indirekte Auswirkungen im Bereich Kreditleistungen von Relevanz, da das Aufkommen von substitutiven Technologien die Geschäftsmodelle ganzer Unternehmen und damit die verbunden Finanzierungsengagements in Frage stellen kann.
88
•
Kostenentwicklungen: Es wurde bereits angedeutet, dass die Kostenentwicklungen im technologischen Segment der Unternehmensumwelt von großer Bedeutung für Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors sind. Durch die hohe Abhängigkeit der Ertragsposition von der Effizienz der IT-Infrastruktur (verstanden als Zusammenspiel von Hardware, Software und Administration) wirken sich Kostenveränderungen in diesem Bereich stark für Finanzdienstleister aus. Zudem hängt der Geschäftserfolg einzelner Branchen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors (Halbleiterindustrie) und damit verbunden das Risiko entsprechender Kredite an derartige Kunden auch in hohem Maße von Preisentwicklungen auf diesem Gebiet ab.
Politisch-rechtliche Unternehmensumwelt: Die politisch-rechtliche Teilumwelt von Finanzdienstleistern lässt sich in den Kategorien globalpolitische Tendenzen, Wirtschaftspolitik und rechtliche Entwicklungen umschreiben. •
Globalpolitische Tendenzen: Da Banken und Versicherungen zunehmend in einem internationalen Kontext operieren, sind politische Entwicklungen anderer Staaten von hoher Bedeutung. Zum einen ist vor allem das Kreditgeschäft mit dort ansässigen Firmen oder den Staaten selbst betroffen, zum anderen sind Finanzierungen inländischer Firmen, die in diesen Ländern Projekte durchführen (z.B. Anlagenbau) oder Werke unterhalten, direkt beeinflusst.268 Konflikte/Krisen/Kriege: Derartige Ereignisse üben einen starken Einfluss auf die Volkswirtschaft des jeweiligen Landes und auf Firmen, die mit den dementsprechenden Ländern Geschäfte tätigen aus. Die möglichen, relevanten Ereignisse reichen dabei von Naturkatastrophen (z.B. Tsunami Dezember 2004) über technische Katastrophen (Reaktorunglück von Tschernobyl) bis hin zu Krisen einzelner Branchen oder Unternehmen (z.B. GlykolSkandal im Zusammenhang mit dem österreichischen Weinanbau oder Shell-Boykott wegen der Bohrinsel Brent Spa). Finden Kriege oder Krisen im Zusammenhang mit Ländern, die eine zentrale Stellung für die Weltwirtschaft einnehmen, statt (z.B. Irak-Krieg, Argentinien-Krise, Anschlag am 11. September 2001) sind die internationalen Güter- und Kapitalmärkte ebenfalls direkt betroffen (Ölpreis, Dollarkurs, Aktienmarktentwicklun-
268
Vgl. Maranghino-Singer, B. (Bankplanung 1998), S. 103. 89
gen).269 Für Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors hat dies auf nahezu alle Leistungsfelder Auswirkungen, vor allem jedoch auf das Anlagegeschäft und den Kreditbereich sowie bei Versicherungsleistungen. Staatsallianzen: Staatsallianzen (z.B. USA/GB im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg, Warschauer Pakt und Nato im kalten Krieg) regeln oftmals den Zugang zu Wirtschaftsbereichen für Unternehmen und Staaten. Dementsprechend ergeben sich beim Zusammenbrechen oder der Neugründung solcher Allianzen Chancen oder Risiken für direkt oder indirekt betroffene Unternehmen und somit auch Auswirkungen auf das Geschäft von Finanzdienstleistern und deren gewerbliche Kunden. •
EU-, national- und parteipolitische Entwicklungen: Bei Machtwechseln oder Richtungsänderungen auf europäischer, nationaler oder parteilicher Ebene können sich auch unmittelbare Konsequenzen für das Geschäft von Banken und Versicherungen abhängig vom entsprechenden Fokus bzw. Programm ergeben.
•
Ratings: Externe Rating-Agenturen üben einen immensen Einfluss auf das Geschäft von Versicherungen und insbesondere Banken aus, da sie die Kosten für die Kapitalbeschaffung beeinflussen, indem sie das Risiko bzw. die Ertragskraft der Unternehmen nach einheitlichen Kriterien bewerten.270 In Deutschland haben sich die Ratings der großen Banken über die letzten Jahre stark verschlechtert, so dass bei einer Fortführung dieser Entwicklung in der Zukunft entsprechende Konsequenzen zu befürchten sind. Nachfolgende Abbildung zeigt den Verlauf der Emittenten-Ratings der Agentur Standard&Poors (S&P) der vier größten deutschen Banken.
269 270
Vgl. Apits, K. (Konflikte 1987), S. 13 ff. Vgl. Wöhe. G., Bilstein, J. (Unternehmensfinanzierung 2002), S. 184 f. 90
AAA
Deutsche Bank Dresdner Bank
AA+ AA
Commerzbank AAA+
HVB*
A A-
1990 91
92
93
94
95
96
97
98
98
99 2000 01
02 2003
* Vor 1998 Ratings der Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG
Abb. III-14: S&P-Ratings ausgewählter Kreditinstitute271 •
Wirtschaftspolitik: Die Branche der Finanzdienstleister ist stark von der aktuellen Wirtschaftspolitik beeinflusst. Insbesondere üben die regulativen Bestimmungen, die in diesem Rahmen erlassen werden, große Wirkung aus. Regulation/Deregulation: Regulation der Geschäfte von Finanzdienstleistungsunternehmen finden insbesondere in Zusammenhang mit der EUGesetzgebung statt und beeinflussen nahezu alle Teile des Geschäfts derartiger Unternehmen.272 Die wohl wichtigste Entwicklung sind die Änderungen, die mit der Einführung von Basel II assoziiert sind. Basel II ist ein aus drei Säulen bestehendes Konzept, das zu einem sicheren und soliden Finanzsystem beitragen soll und vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ausgearbeitet wurde. Erstens werden die Kapitalhinterlegungspflichten auf alle drei Arten von Risiko (Mark-, Kredit-, operationales Risiko) ausgedehnt. Insbesondere im Bereich des Kreditrisikos sind die Anforderungen in der Bonitätsprüfung gestiegen bzw. gestaffelte Kapitalhinterlegungssätze in Abhängigkeit von der angewendeten Risiko-Messmethode (Standardansatz versus interner Rating-Ansatz (IRB)) eingeführt worden. Zweitens müssen die Aufsichtsinstanzen das Vorhandensein und die Funktionsweise adäqua-
271 272
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. Vgl. Maranghino-Singer, B. (Bankplanung 1998), S. 105. 91
ter Risikomanagementsysteme überprüfen. Drittens sind die Kreditinstitute dazu verpflichtet, ihr individuelles Risikoprofil gegenüber allen Marktteilnehmern offen zu legen.273 Aufsichtsämter: Die für die Finanzdienstleistungsbranche wohl wichtigste Aufsichtsbehörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kurz BaFin genannt. Die BaFin vereinigt seit 2002 die drei ehemaligen Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), für das Versicherungswesen (BAV) und für den Wertpapierhandel (BAWe). Ziel dieser Institution ist, innerhalb der Solvenzaufsicht die Zahlungsfähigkeit von Finanzdienstleistern zu sichern sowie Kunden zu schützen und Verhaltensstandards durchzusetzen, die das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte sicherstellen (Marktaufsicht). Dazu setzt das BaFin eine Reihe von Maßnahmen und Regularien ein, die unmittelbar auf die Geschäfte der Finanzdienstleister wirken. Im Bereich der Bankenaufsicht sind diese beispielsweise folgende Aspekte:274 – Nachweis einer Mindesteigenkapitalausstattung bei Neugründung (z.B. bei Einlagenkreditinstituten fünf Millionen Euro) sowie Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse. – Innerhalb der laufenden Aufsicht wird beispielsweise die Eigenmittelausstattung in Abhängigkeit von den eingegangenen Risiken überwacht (§§ 10, 10a KWG). Die Kreditrisiken (Adressenausfallrisiken) und Marktpreisrisiken einer Bank müssen mit haftendem Eigenkapital in Höhe von mindestens acht Prozent der risikogewichteten Aktiva unterlegt werden. Änderungen in diesen Regularien haben ergo meist direkte Konsequenzen für die Geschäfte und die Ertragsfähigkeiten von Finanzdienstleistungsunternehmen. Zentralbank-Politik: In Form der Europäischen Zentralbank (bzw. vor dem 1. Januar 1999 der Deutschen Bundesbank) umfasst das Aufgabengebiet diese Behörde vornehmlich die Sicherstellung der Preis- bzw. Geldwertstabilität im Rahmen der Geldpolitik. Als monopolistischer Anbieter der sog.
273 274
Vgl. Homepage des Basel Committee on Banking Supervision www.bis.org. Vgl. Homepage der BaFin. www.bafin.de. 92
monetären Basis beeinflusst die EZB den Geldumlauf und somit Inflation und indirekt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der EU-Volkswirtschaft. Dazu bedient sich die EZB einer Reihe von Maßnahmen, wobei hier die wichtigste die Festlegung der Schlüsselzinssätze für Geld- und Offenmarktgeschäfte ist. Zu diesen Sätzen werden den Banken Refinanzierungsmittel zur Verfügung gestellt, die sie an ihre Kunden weitergeben, und welche so im Endeffekt das Preisniveau indirekt beeinflussen. Zudem legt die EZB Mindestreservesätze für Kreditinstitute fest, welche vereinfacht gesagt Pflichteinlagen bei den entsprechenden nationalen Zentralbanken (in Deutschland: Deutsche Bundesbank) in Abhängigkeit von der Höhe bestimmter Bilanzpositionen darstellen. Mit der Höhe dieser Sätze beeinflusst die EZB die Nachfrage nach Zentralbankgeld. Insbesondere auf Kreditinstitute haben diese Maßnahmen großen Einfluss, da beispielsweise Änderungen direkt auf die Nachfrage nach Spar- und Kreditprodukten wirken.275 •
Rechtliche Entwicklungen: Allgemeine rechtliche Entwicklungen wirken sich zumeist indirekt auf die Geschäfte von Finanzdienstleistern aus. Steuerrecht: Das Steuerrecht determiniert die Höhe von Abgaben, die aus Einkünften an den Staat zu entrichten sind. Einerseits wird die Gewinnsituation aller Unternehmen direkt durch Gewerbe- und Körperschaftssteuersätze beeinflusst. Andererseits beeinflusst die Steuerlast, die auf private Einkommen zu entrichten ist, das zu Konsum- oder Sparzwecken zur Verfügung stehende Netto-Einkommen. Arbeitsrecht/Sozialgesetzgebung: Entwicklungen auf diesem Gebiet beeinflussen direkt die Rechte der Arbeitnehmer hinsichtlich wichtiger Dimensionen, wie Arbeitsplatzsicherheit, Kündigungsschutz usw. Zusätzlich haben Änderungen in der Sozialgesetzgebung, speziell im Zusammenhang mit der Arbeitslosenquote, entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der unteren Einkommensgruppen (Arbeitslosengeldempfänger, Sozialhilfeempfänger), was wiederum Konsum- und Sparquote beeinflusst. Zusätzlich lässt sich der Kategorie Sozialgesetzgebung die Aktivitäten des Staates hinsichtlich der Unterstützung bei der Vermögensbildung einordnen. Regelungen wie das Vermögensbildungsgesetz oder die Riester-
275
Vgl. Europäische Zentralbank (Geldpolitik 2004). 93
Rente erfordern von Finanzdienstleistern eine entsprechende Adressierung im Produktangebot und Beratung. Demzufolge übt die Gesetzgebung hier auch einen wesentlichen Einfluß aus. Zivilrecht: Im Zivil- bzw. Privatrecht (z.B. BGB) werden u.a. wichtige Ansprüche aus Verträgen geregelt. Dies umfasst Leistungspflichten (z.B. aus Darlehensvertrag) und Schadensersatzregelungen (z.B. bei Verzug, NichtLeistung). Änderungen in der rechtlichen Umgehensweise bzw. Ausgestaltung dieser Sachverhalte beeinflussen Finanzdienstleister dahingehend, dass bei allen abgeschlossenen Verträgen (Kreditvertrag, Kontovertrag) Änderungen in den gegenseitigen Ansprüchen entstehen können. Handelsrecht: Handelsrechtliche Vorschriften, die u.a. im Handelsgesetzbuch (HGB), Wechselgesetz (WG), Scheckgesetz (SchG) bzw. in weiteren Gesetzestexten, wie dem Aktiengesetz (AktG) oder dem GmbH-Gesetz (GmbHG), geregelt sind, beeinflussen insbesondere in Abhängigkeit von der gewählten Rechtsform des Finanzdienstleistungsunternehmens die Geschäfte in mehreren Dimensionen. So werden neben allgemeinen Richtlinien des Handelsverkehrs, der Kaufmannspflichten und Bilanzierungsrichtlinien auch spezielle Regelungen für die entsprechende Rechtsform (wie z.B. Mitbestimmungsrecht im AktG) getroffen. Änderungen auf handelsrechtlicher Ebene können also die Unternehmen sowohl auf der Ebene von einzelnen Dienstleistungen (z.B. Wechselverkehr) als auch auf Gesamtunternehmensebene beeinflussen. Sozio-kulturelle Unternehmensumwelt: Im Wesentlichen ist die sozio-kulturelle Unternehmensumwelt in den Kategorien soziodemografische Entwicklungen und sozialpsychologische Strömungen zu beschreiben. •
Sozio-demografische Entwicklungen: Veränderungen auf diesem Gebiet, die sich in Verschiebungen der Gesamtbevölkerung, der Altersstruktur, des Bildungsniveaus oder der Einkommensverteilung manifestieren, beeinflussen die gesamte Wirtschaftswelt und damit auch die Finanzdienstleistungsbranche. Bevölkerungsentwicklung gesamter sowie einzelner Gruppen: Die Gesamtbevölkerung eines Landes stellt die Basis der potenziellen Kunden und Mitarbeiter dar. Daher hat die zukünftige Entwicklung der Anzahl der in einem Land lebenden Menschen langfristig direkten Einfluss auf die generelle Bedarfssituation und somit auf die entsprechenden Kapazitäten, die in Vertrieb 94
und Abwicklung bereitgehalten werden müssen.276 Aber auch die Entwicklung einzelner Gruppen innerhalb der Bevölkerung, wie beispielsweise diejenige der Spätaussiedler oder Gastarbeiter, ist von unmittelbarer Relevanz für das Geschäft von Finanzdienstleistern, da Beratungskonzepte und die verkauften Produkte bzw. Dienstleistungen individuell angepasst werden müssen. Altersstruktur: Die Veränderung der Altersstruktur wird vor allem in den europäischen Ländern, aber auch in anderen westlichen Industrienationen Konsequenzen für das Geschäft von Banken und Versicherungen haben. Allerdings machen sich diese Effekte oftmals erst in einer relativ langfristigen Betrachtung bemerkbar. Die Auswirkungen dieser Verschiebung für Finanzdienstleister betreffen das Spar- und Anlagegeschäft, da die während der Arbeitszeit angesparten Beträge im Rentenalter zum großen Teil "entspart" werden (gilt ebenso für Kapitallebensversicherungen). Ebenso ist das Kreditgeschäft, und hier vor allem das Baufinanzierungsgeschäft, betroffen. Geografische Verteilung bzw. Bevölkerungswanderungen: In der geografischen Verteilung der Bevölkerung kann es über Zeit zu Verschiebungen kommen, die direkt oder indirekt auf Finanzdienstleistungsunternehmen wirken können. Beispielsweise wirkt die Abwanderung großer Teile der vor allem jungen Bevölkerung aus den ostdeutschen Städten unmittelbar auf den Bedarf von Vertriebsstrukturen (Filialnetz) in den betreffenden Gebieten. Mittelbar können solche Migrationsbewegungen auf das gewerbliche Kreditgeschäft vor allem im Handwerks- oder Einzelhandelsbereich wirken, da die betreffenden Betriebe von einer Reduktion des Kundenstamms betroffen sind. Eine weitere Dimension in dieser Kategorie sind die internationalen Immigrations- und Emigrationsbewegungen. In diesem Bereich sind vor allem die Zuwanderung aus Osteuropa und die Emigration vermögender Bevölkerungsschichten in Niedrigsteuerländer für die Struktur der Kundenbasis von Banken und Versicherungen von Belang. Bildungsstruktur: Die Bildungsstruktur eines Landes bezeichnet die Verteilung von Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüssen innerhalb der Bevölkerung. Eine Verschiebung zwischen diesen Schichten kann für Banken und
276
Vgl. Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 34. 95
Versicherungen Auswirkungen in mehreren Hinsichten haben. Beispielsweise können Änderungen in den Ansprüchen von Kunden in Bezug auf Informationen stattfinden, zudem können beispielsweise bei zunehmender Bedeutung von Hochschulabschlüssen und damit assoziierten spätem Berufseinstieg Möglichkeiten für neuartige Formen von Kreditprodukten (Studentenkredit für Studiengebühren) entstehen. Einkommensverteilungen: Nicht nur die absolute Höhe des monatlich zu Verfügung stehenden Einkommens verändert sich durch Verschiebungen des Lohnniveaus und weiterer Indikatoren, wie Arbeitslosenquote und Zinssätze; auch die Verteilung der Haushaltseinkommen zwischen den einzelnen sozialen Schichten. Allein aus dieser Tatsache können sich für Finanzdienstleister beispielsweise Konsequenzen in den Dimensionen Anlageprodukte (z.B. Steuersparmodelle), Kreditfinanzierungen und Kapitallebensversicherungen ergeben. •
Sozialpsychologische Strömungen: Änderungen auf diesem Gebiet fassen all diejenigen Entwicklungen zusammen, die mit Einstellungen der ganzen Bevölkerung oder entsprechender Teilgruppen zu gewissen Feldern des menschlichen Lebens zu tun haben. Die Finanzdienstleistungsbranche ist, wie jede andere Branche auch, direkt und indirekt von derartigen Entwicklungen im Zusammenhang mit ihren Kunden und Mitarbeitern betroffen. Allgemeine Werteveränderungen: Werte, verstanden als grundlegende Norm- und Zielvorstellungen einer Gesellschaft, verändern sich über Zeit oder verschwinden zum Teil.277 Abhängig von der entsprechenden inhaltlichen Ausgestaltung der Veränderung können auch Finanzdienstleister betroffen sein. Vorstellbare Effekte auf diesem Gebiet könnten beispielsweise die zunehmende Bedeutung von Selbstverwirklichung und Individualität sein, welche Konsequenzen für das Marketing bzw. Beratungs- sowie individuelle Anlage- und Kreditleistungen hat.278 Arbeitsmentalität: Über die Belegschaft übt die prinzipielle Einstellung zu Arbeit und Beruf direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Finanzdienstleister aus. Wie bereits unter vorherigem Punkt angesprochen, kann
277 278
Zur Definition des Wertebegriffs siehe Fußnote 59. Vgl. Thies, S., Stracke, G. (Finanzdienstleistungen 1987), S. 20 f. 96
das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im Berufsleben, stärkerer Partizipation oder mehr Freizeit und die entsprechende Reaktion des Arbeitsgebers Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter haben. Demzufolge stellt die Arbeitsmentalität einen zentralen Faktor für die Personalpolitik dar.279 Freizeitverhalten: Ebenso wie das Arbeits- wirkt sich auch das Freizeitverhalten der Bevölkerung auf Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche aus. Die direkten Effekte entstehen in erster Linie im Zusammenhang mit der Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern, die, eine steigende Bedeutung von Freizeitinteressen und -tätigkeiten vorausgesetzt, durch entsprechende Angebote bzw. eine angemessene Arbeits-/Freizeitrelation beeinflusst werden kann. Aber auch indirekt wirken sich Änderungen im Freizeitverhalten auf Banken und Versicherungen aus. Beispielsweise könnte eine gesteigerte Nachfrage nach Fernreisen sowohl Auswirkungen auf das Versicherungsgeschäft als auch auf das Spar- und Kreditgeschäft haben. Trends: Aktuelle Trends, wie sie beispielsweise von der Trendforschung280 diagnostiziert werden, haben, eine frühzeitige Erkennung vorausgesetzt, direkte Auswirkungen auf das Kerngeschäft von Banken und Versicherungen. Unter der Annahme, dass der Trend des Cocooning (sich Zurückziehen in die eigenen vier Wände)281 seit den 90ern existiert (wofür beispielsweise in den USA u.a. die steigende Zahl von Geburten, Hunden und die steigenden Verkäufe von Fertignahrung und Videorekordern sprächen)282, bestünden zahlreiche Möglichkeiten, sich diesen Trend ebenfalls im Bereich der Finanzdienstleistungen zu Nutze zu machen (beispielsweise im Außendienst, beim Online-Banking, in Finanzierungsangeboten etc.). Konsumverhalten: Das Konsumverhalten der Bevölkerung spiegelt die aktuelle Haltung zum Kauf von Produkten und Dienstleistungen wider. Im Gegensatz zur Konsumquote ist damit nicht die Summe an Geldmitteln gemeint, die zu Konsumzwecken ausgegeben wird, sondern vielmehr die mentale
Einstellung.
Beispielsweise
279
kann
ein
gesteigertes
Preis-
Vgl. Maranghino-Singer, B. (Bankplanung 1998), S. 100. Zur Definition des Begriffs „Trend“ und zu den Ansätzen der Trendforschung siehe Abschnitt IV.2.3.3 dieser Arbeit. 281 Vgl. Popcorn, F. (Report 1991), S. 39 ff. 282 Vgl. Popcorn, F. (Report 1991), S. 41. 280
97
/Leistungsbewusstsein, wie wir es nach der Einführung des Euro beobachten konnten, direkte Auswirkungen auf die Preisstrategie von Banken und Versicherungen haben. Ökologische Orientierung: Die Einstellung der Bevölkerung zur natürlichen Umwelt und zum Umweltschutz wirkt sich, wenn überhaupt, nur indirekt auf die Geschäfte von Finanzdienstleistern, beispielsweise im Zusammenhang mit Finanzierungen von Großprojekten, aus. Allerdings gibt es auch Institute, die der gestiegenen Bedeutung der Ökologie durch ökologisch verträgliche Anlageformen (z.B. Fonds, die ausschließlich in umweltgerecht wirtschaftende Unternehmen investieren) direkt Rechnung tragen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nahezu alle Faktoren in den vier Umweltsegmenten von hoher Relevanz für die Finanzdienstleistungsbranche sind. Insbesondere erachten wir jedoch makro-ökonomische (unmittelbare Ergebniseinwirkungen) und politisch-rechtliche Indikatoren (individuelle Regulationen) für besonders relevant. 3.2
Attribute der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern
In diesem Abschnitt soll aufgezeigt werden, wie die allgemeine Unternehmensumwelt der deutschen Finanzdienstleistungsunternehmen in den Dimensionen Komplexität, Dynamik und Kontingenz zu bewerten ist. Aus Praktikabilitätsgründen erscheint dabei eine Analyse auf der Segmentebene der allgemeinen Unternehmensumwelt angemessen, da eine detaillierte Betrachtung, beispielsweise auf Ebene jedes einzelnen möglichen Einflussfaktors den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Wenn möglich wurde in der Betrachtung immer der Zeitraum der vergangenen fünf Jahre zu Grunde gelegt. Teilweise waren allerdings die notwendigen Daten nicht dieser aktuellen Form vorhanden, so dass punktuell auf ältere Datensätze zurückgegriffen werden musste. Makro-ökonomische Unternehmensumwelt Wie bereits dargestellt, beeinflussen volkswirtschaftliche Indikatoren die Branche der Finanzdienstleister in hohem Maße. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Verläufe von Arbeitsmarkt, Inflation, Einkommen der Privathaushalte und Sparquote betrachtet, was nachfolgende Abbildung zusammenfasst:
98
ARBEITSLOSENQUOTE DEUTSCHLAND
VERBRAUCHERPREISINDEX 108
11
106 10,5 104 102
10
100 9,5 98 96
9
94 8,5 92
EINKOMMEN DER PRIVATEN HAUSHALTE in Mrd. EUR 300
00 Ap r0 0 Ju l0 0 O kt 00 Ja n 01 Ap r0 1 Ju l0 1 O kt 01 Ja n 02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
Ja n
O
O
Ja n
kt 99
00 Ap r0 0 Ju l0 0 O kt 00 Ja n 01 Ap r0 1 Ju l0 1 O kt 01 Ja n 02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
90
kt 99
8
SPARQUOTE DEUTSCHER PRIVATHAUSHALTE Netto Brutto
11,5
280 11
260 240
10,5
220 200
10
180 9,5
160 140
9
120 8,5 D
M rz
ez 98 M rz 99 Ju n 9 Se 9 p 9 D 9 ez 9 M 9 rz 00 Ju n 0 Se 0 p 0 D 0 ez 0 M 0 rz 01 Ju n 0 Se 1 p 0 D 1 ez 0 M 1 rz 02 Ju n 0 Se 2 p 0 D 2 ez 0 M 2 rz 03 Ju n 0 Se 3 p 0 D 3 ez 0 M 3 rz 04 Ju n 04
99 Ju n 9 Se 9 p 9 D 9 ez 99 M rz 00 Ju n 0 Se 0 p 00 De z 00 M rz 01 Ju n 0 Se 1 p 0 D 1 ez 01 M rz 02 Ju n 02 Se p 02 D ez 02 M rz 03 Ju n 0 Se 3 p 0 D 3 ez 03 M rz 04 Ju n 04
100
Abb. III-15: Zeitreihen ausgewählter volkswirtschaftlicher Indikatoren283 Innerhalb des Betrachtungszeitraumes (5 Jahre; Oktober 1999 bis Oktober 2004) lässt sich für die Arbeitslosenquote eine Schwankung zwischen Höchst- und Tiefstwerten von ca. 13% beobachten, wobei das aktuelle Niveau den Höchststand repräsentiert. Gleichzeitig stagnieren die Einkommen und die Preise steigen, was das zu Verfügung stehende reale Einkommen senkt. Zusätzlich steigt die Sparquote zu Lasten des privaten Konsums. Diese Entwicklungen haben zudem Einflüsse auf andere Unternehmen in Deutschland. So steigen in Zeiten einer schlechten Konsum- bzw. Konjunkturlage die Insolvenzen der Unternehmen, und damit wächst auch die Gefahr, dass die Kredite der Banken Not leidend werden. Nachfolgende Abb. III-16 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Insolvenzen und der Höhe der Insolvenzforderungen in einer langfristigen Betrachtung, auffallend ist vor allem der sprunghafte Anstieg von 1999 bis 2003:
283
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank. Vgl. www.bundesbank.de. 99
Zahl der Insolvenzen (Unternehmen)
Höhe Insolvenzforderungen in Mrd. EUR
50.000
60
50
40.000 40
30.000 30
20.000 20
10.000
10
0
0 1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003E
Abb. III-16: Anzahl Insolvenzen in Deutschland284 Es ist also festzuhalten, dass zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen Faktoren eine hohe Interdependenz (Konnektivität285) besteht, was das Komplexitätsniveau erhöht. Gleichzeitig ist bei den volkswirtschaftlichen Indikatoren die beschriebene Dynamik zu verzeichnen, was in Summe ein hohes Turbulenzniveau erzeugt. Als Kernfaktoren innerhalb der Kapitalmärkte wurden exemplarisch die wichtigen Indikatoren Aktienkurse, Wechselkurse und Zinssätze genannt. Insgesamt lässt sich bei all diesen Faktoren in den letzten Jahren eine starke Volatilität beobachten. In nachfolgender Abbildung sind die Entwicklungsverläufe der Indikatoren Deutscher Aktienindex (DAX), Devisenkurs Dollar/EURO, Geldmarktzinsen und EURIBOR stellvertretend aufgezeigt:
284 285
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. Siehe Abschnitt II.2.3. 100
DAX
DEVISENKURS EUR/USD 1,3
8000
1,25 7000
1,2 1,15
6000
1,1 1,05
5000
0,95 0,9
3000
0,85
0
n 01 Ap r0 1 Ju l0 1 O kt 01 Ja n 02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
kt 0
Ja
00
l0 0 Ju
O
9
00 n
kt 9
Ja
O
Ja
O
GELDMARKTZINSSÄTZE FRANKFURT TAGESGELD
Ap r
n 00 Ap r0 0 Ju l0 0 O kt 00 Ja n 01 Ap r0 1 Ju l0 1 O kt 01 Ja n 02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
0,8
kt 99
2000
EURIBOR MITTELFRISTIG 5,5
5
5
4,5
4,5
1 Monat
02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
1 kt 01
Ja n
O
01
l0 Ju
Ap r
01
kt 00
Ja n
O
Ja
O
n
Ja
O
0
1 kt 99
1 00 Ap r0 0 Ju l0 0 O kt 00 Ja n 01 Ap r0 1 Ju l0 1 O kt 01 Ja n 02 Ap r0 2 Ju l0 2 O kt 02 Ja n 03 Ap r0 3 Ju l0 3 O kt 03 Ja n 04 Ap r0 4 Ju l0 4 O kt 04
2 1,5
kt 99
2 1,5
0
3 2,5
l0
3 2,5
Ju
3,5
Ap r0
4
3,5
n
4
00
12 Monate
Abb. III-17: Zeitreihen ausgewählter Indikatoren des Kapitalmarktes286 Es ist festzustellen, dass bei allen Zeitreihen eine ausgeprägte Veränderlichkeit (Dynamik) festzustellen ist. Die prozentuale Differenz zwischen Höchst- und Niedrigstwert beim DAX beträgt ca. 68%, beim Dollarkurs ca. 33% und bei den Zinsen ca. 59% (EURIBOR ein Monat). Insbesondere lassen sich an diesen Kurven gut die Einflüsse unbestimmter Ereignisse bzw. Diskontinuitäten aus anderen Umweltsegmenten beobachten. Beispielsweise übten die Anschläge des 11. Septembers 2001 oder der Beginn des zweiten Golfkriegs großen Einfluss aus. Eine ähnlich dynamische Entwicklung kann man auf den Gütermärkten, und hier vor allem auf dem wichtigen Rohölmarkt, beobachten, der hier exemplarisch betrachtet wird. So lag die Differenz zwischen Höchst- und Niedrigstpreis für ein Barrel Rohöl bei 79%, was nachfolgende Abbildung veranschaulicht:
286
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank. Vgl. www.bundesbank.de. 101
Printed 30.01.2004 13:09:11
5,5
Working Draft - Last Modified 05.11.2004 11:25:50
1 4000
ÖLPREIS in USD/Barrel 60
50
40
30
20
10
0 O
99 t 99 00 00 l 00 t 00 01 01 l 01 t 01 02 02 l 02 t 02 03 03 l 03 t 03 04 04 l 04 t 04 98 99 99 n n n n n r Ju r Ju r Ju r Ju r Ju k k k k k k kt an pr Jul O J a Ap O Ja Ap O Ja Ap J a Ap O O Ja Ap O J A
Abb. III-18: Entwicklung des Ölpreises287 Auf der Kurve sind ebenfalls die oben beschriebenen Einflüsse des politisch-rechtlichen Umweltsegments beobachtbar, zusätzlich kommt die Entwicklung des Dollarkurses zum Tragen, da Öl auf dem Weltmarkt immer in Dollar gehandelt wird. Fazit: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die makro-ökonomische Unternehmensumwelt in einem sehr hohen Maß von Dynamik, Komplexität und Unbestimmtheit gekennzeichnet ist. Politisch-rechtliche Unternehmensumwelt Eine Vielzahl von Gesetzen und Erlässen der Gesetzgeber und der Aufsichtsbehörden über die letzten Jahre, die unmittelbar auf die Geschäfte der deutschen Finanzdienstleister wirkten und wirken, lassen die politisch-rechtliche Unternehmensumwelt dynamisch, unbestimmt und komplex erscheinen. Alle Neuerungen dieses Gebietes aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Arbeit vermutlich sprengen, daher konzentrieren wir uns auf die Gesetze zur Regulierung der Finanzdienstleistungsbranche. Hier muss zwischen den zwei grundsätzlichen Ebenen EU-Gesetzgebung und nationale Gesetzgebung differen-
287
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank. Vgl. www.bundesbank.de. 102
ziert werden. Mittlerweile haben die Verordnungen und Gesetze der EU-Ebene bzw. der supranationalen Ebene die größte Tragweite für die Finanzdienstleistungsunternehmen. Hier ist zwischen internationalen Normen, wie zum Beispiel Basel II bzw. den International Financial Reporting Standards (IFRS), die von unabhängigen Stellen vorgeschlagen werden und über EU-Direktiven in die nationalen Gesetze überführt werden sowie den durch die EU-Kommission direkt ausgearbeiteten Direktiven zu unterscheiden. Zu zweiter Kategorie zählen beispielsweise die Investment Service Directive (ISD) und der aus über 50 Maßnahmen bestehende Financial Service Action Plan (FSAP). Wir möchten auf Basis einer Darstellung des FSAP aufzeigen, welcher Dynamik der regulative Part der politisch-rechtlichen Unternehmensumwelt unterliegt. Im Wesentlichen verfolgt der FSAP vier strategische Ziele, die im Folgenden kurz beschrieben und deren wichtigste Maßnahmen mit den entsprechenden Umsetzungszeitpunkten dargestellt werden:288 •
Schaffung eines alleinigen EU-Marktes für institutionelle Marktteilnehmer (Wholesale). In dieser Kategorie finden sich 22 Maßnahmen von denen per März 2004 aktuell drei in der legislativen Umsetzung waren. Weitere zwei Maßnahmen wurden noch nicht umgesetzt, die restlichen 17 Maßnahmen wurden zwischen Anfang 1999 und dem oben genannten Stichtag bereits ratifiziert bzw. umgesetzt. Beispielsweise sollen diese Maßnahmen die EU-weite Kapitalbeschaffung erleichtern (zwei Maßnahmen - Änderungen in Prospekthaftung, Informationspflicht), einen integrierten Wertpapier und DerivativeMarkt schaffen (vier Maßnahmen – z.B. Verhinderung von Marktmanipulationen), Berichtspflichten vereinheitlichen (sechs Maßnahmen – z.B. Regulierung in den International Accounting Standards (IAS)) oder grenzübergreifende Unternehmenskäufe/-zusammenschlüsse erleichtern (fünf Maßnahmen – z.B. Schaffung Transparenz bei Unternehmensübernahmen, Erleichterung Verlegung Unternehmensstandort).
•
Öffnung und Sicherung der Anlegermärkte (Retail). Hier wurden zehn Maßnahmen ausgearbeitet, die zwischen 2000 und o.g. Zeitpunkt bis auf eine (in Umsetzung befindlich) alle umgesetzt wurden. Wichtige Maßnahmen in dieser Kategorie sind beispielsweise die Regulierung des Vertriebs von Anlageprodukten (Einschränkung bei gewissen Marketing-Techniken) und die Verein-
288
Vgl. Europäische Kommission (FSAP – Neunter Fortschrittsbericht 2003). 103
heitlichung des EU-internen Zahlungsverkehrs (Überweisungen innerhalb der EU dürfen nicht teurer sein als nationale Transaktionen) •
Implementierung von State-of-the-Art-Aufsichtsregelungen. Dieses Ziel wird durch insgesamt zehn Maßnahmen erreicht, von denen neun seit 2000 bereits umgesetzt wurden und eine weitere bis Ende 2006 implementiert wird. Beispiele für diese Maßnahmen sind die Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche auf internationaler Ebene, das Gesetz zur Sicherung des Marktzugangs für Firmen, die sog. E-Money-Services anbieten oder die Festlegung einer einheitlichen Vorgehensweise im Falle einer Bankeninsolvenz.
•
Verbesserung der Bedingungen eines optimalen Finanzmarktes. In dieser aus vier Maßnahmen bestehenden Kategorie, von den zwei bereits umgesetzt wurden, eine sich in der Umsetzung befindet und eine weitere noch implementiert werden wird, wird versucht, z.B. nationale Ungleichheiten in der steuerlichen Behandlung von privaten Ersparnissen zu bereinigen oder die Kosten für grenzüberschreitende Finanztransaktionen zu vermindern.
Viele der Maßnahmen im FSAP beeinflussen direkt und erheblich das Geschäft von Finanzdienstleistern. Beispielsweise müssen Banken verbesserte RisikomanagementSysteme implementieren, neue, internationale Wettbewerber einschätzen oder ihre eigene Effizienz verbessern, um weiterhin profitabel arbeiten zu können. Alleine die Maßnahmen des FSAP, die in vergleichsweise kurzer Zeit implementiert wurden, zeigen auf, wie komplex und dynamisch die EU-Finanzmarktregulation ist. Zusätzlich kommen noch weitere nationale Bestimmungen hinzu, andere EU-Direktiven (z.B. Verbot der Gewährträgerhaftung für Landesbanken) sowie der Komplex über die geänderten Kapitalhinterlegungspflichten im Zusammenhang mit der Einführung von Basel II. Fazit: Die politisch-rechtliche Teilumwelt von Finanzdienstleistern schätzen wir auf Grund der Vielzahl und der Dichte von Änderungen, insbesondere bei den Finanzmarktregulationen) als komplex und dynamisch ein. Zusätzlich können jederzeit und kurzfristig neue Gesetze und Direktiven erlassen werden, was insbesondere im nationalen Zusammenhang, wo die Vorlaufzeit im Vergleich zur EU-Gesetzgebung bei weitem kürzer ist, auch das Niveau an Unbestimmtheit hoch erscheinen lässt.
104
Technologische Unternehmensumwelt Wie bereits aufgezeigt wurde, sind ca. 25% der operativen Kosten von Finanzdienstleistern IT-Aufwendungen.289 Damit hängen Banken und Versicherungen zu einem signifikanten Teil von technologischen Entwicklungen auf diesem Gebiet ab. Für diesen vergleichsweise großen IT-Kosten-Anteil sind die teils hochkomplexen IT-Strukturen in den einzelnen Instituten verantwortlich. IT-Landschaften bei Finanzdienstleistern haben sich über die Zeit zu hochkomplexen Strukturen entwickelt, welche auch in der Zukunft einem weiteren Wandel unterworfen sein werden, was nachfolgende Abbildung darstellt:
Ab 1980 Kontoführung und produktorientierte ITArchitektur
Anforderungen
• Abwicklung hoher Volumina in der Stapelverarbeitung • Prozessautomatisierung • Abdeckung weniger Vertriebskanäle
IT-SystemCharakteristika
Ab 1990 Vertriebskanalorientierte ITArchitektur
Zukunftsbild Kundenorientierte ITArchitektur
• Abdeckung multipler • Hohe Skalierbarkeit Vertriebskanäle • Einzelkundenorientierung • Adaption neuer Produkte
• Internationalisierung
• Traditionelle “legacy • Erweiterung mit applications” • Enge Integration zwischen Front- und Back-End
• Enkoppelte Frontneuen Systemen zur End und Back-EndAbdeckung der Systeme neuen • Standardisierte Vertriebskanäle Integrations Plattform • Integration von Drittanbeiter• Browser-basierte Systemen Clients
Abb. III-19: IT-Architektur-Generationen bei Finanzdienstleistern290 Insbesondere die Einführung und wirtschaftliche Nutzbarmachung ständig neuer Technologien (Internet, Call-Center) lassen die technologische Teilumwelt der Finanzdienstleister dynamisch erscheinen.
289 290
Siehe Abschnitt III.3.1. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 105
Zudem hat die hohe Dynamik in den Anforderungen und deren entsprechende Abbildung in der IT-Architektur zur Folge, dass einerseits die Systeme ein hohes Komplexitätsniveau erreicht haben und andererseits der größte Teil der Software aus individuell erstellten oder integrierten Lösungen besteht. Nachfolgende Abb. III-20 zeigt exemplarisch auf, aus welchen einzelnen Komponenten eine IT-Infrastruktur am Beispiel einer Bank typischerweise besteht. Es ist ersichtlich, dass nahezu alle Teilbereiche und Prozesse unmittelbar durch die IT abgebildet werden müssen.
Produkte
Filialen
Girokonten
Unternehmensverwaltung
Transaktionen Kontenverwaltung Umsatzverwaltung
Sparkonten
Kundeninformationen Disposition
Internet
Call Center
Brief
Authorisation/Sicherheit
Automaten Kreditverwaltung
Gebührenkalkulation Steuern
Zinskalkulation Karten (EC/Kredit)
ProduktManagement
Hauptbuchhaltung
Vertriebskanäle
KundenManagement
Kreditvergabe Baufinanzierung
Kunden
Externes Berichtswesen Risiko-Management Finanzen/Controlling Unterstützung
Zahlungsverkehr Produktdesign
Internes Berichtswesen
Rollen
Personalwesen
Strukturierte Produkte
Druckerei
Nationaler/internationaler Zahlungsverkehr Immobilien
Versicherung ...
Einkauf
Wertpapier
Kampagnen
CRM (Customer Relationship Management VertriebsKundenunterstützung betreuung
Dokumenten- und Workflow-Management
CRM-Auswertungen
Data Warehouse
Interne Integration Externe Integration
Abb. III-20: Komponenten der IT-Architektur einer typischen Bank291 Ständig auftretende Innovationen im Soft- und Hardware-Bereich bei gleichzeitig komplexer Grundstruktur führten bei nahezu allen Finanzdienstleistern dazu, dass eine Vielzahl unterschiedlichster Applikationen zu einem Gesamtsystem integriert werden mussten. Beispielsweise entstanden so bei der Citibank über 400 Millionen Codezeilen, bei der amerikanischen Bank Chase sind es 200 Mio. und 1.500 separate Applikationen, beim der Bank of America 300 Programme und 200 Mio. Codezeilen (zum Vergleich: Das komplette Microsoft-Office-Paket besteht aus 2 Mio. Codezeilen). Diese starke Individu-
291
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 106
alisierung und der eingeschränkte Anwendungsbereich von Standardsoftware (ca. 75% der aktuellen Applikationen europäischer Finanzdienstleistern sind Eigenentwicklungen) zeigen die Komplexität von IT-Strukturen in der Finanzdienstleistungsbranche. Dies führte in der Vergangenheit auch zu einem starken Anstieg in den Kosten. Von 1995 bis 2003 verdoppelten sich die IT-Kosten der deutschen Finanzdienstleister, was nachfolgende Abbildung deutlich macht (1995 ist indexiert auf 100).
199
205
209
01
02
2003
178 147 132 100
1997
98
99
2000
Abb. III-21: Zeitliche Entwicklung der IT-Kosten292 Fazit: Die technologische Teilumwelt von Finanzdienstleistern bewerten wir auf Grund der Vielzahl relevanter Technologieinnovation in der Vergangenheit als dynamisch. Zusätzlich beziehen IT-Systeme von Finanzdienstleistern ihre Komplexität durch Individualisierung und Eigenentwicklungen. Auf Grund der sich jeweils abzeichnenden Auswirkungen technologischer Innovation, sind wir der Meinung, dass das Niveau der Unbestimmtheit eher geringer ist, als das der anderen beiden Attribute. Sozio-kulturelle Unternehmensumwelt: Entwicklungen in diesem Umweltsegment finden auf den zwei Ebenen Soziodemographie und sozialpsychologische Strömungen statt. Beiden Kategorien ist gemeinsam, dass diese erst ab einer sehr langfristigen Betrachtungsweise signifikante Entwicklungslinien und aussagekräftige Tendenzen liefern und deshalb im gewählten Betrachtungszeitraum der vergangenen fünf Jahre eher keine dynamische Entwicklung zu verzeichnen ist. Bei einer Ausweitung des zeitlichen Betrachtungshorizonts lassen sich auf
292
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 107
Basis der gewählten Indikatoren signifikante und für die Finanzdienstleistungsbranche relevante Entwicklungen feststellen. Auf der Ebene der soziodemographischen Faktoren ist im Bereich der Gesamtbevölkerung keine gewichtige Veränderung spürbar. Die Bevölkerungszahl Deutschlands ist im Zeitraum 1997 bis 2002 mit ca. 82 Mio. Menschen293 konstant. Allerdings ist die Geburtenrate bei in etwa stagnierender Sterberate in Deutschland seit 1995 sinkend, so dass die Konstanz bei der Gesamtbevölkerung auf Grund einer entsprechend höheren Zuzugsquote aufrechterhalten wird, was Abb. III-22 verdeutlicht. JÄHRLICHE BEVÖLKERUNGSVERÄNDERUNGEN DEUTSCHLAND in Anzahl Menschen 2000000
1500000
1000000
500000
0
-500000
-1000000 1995 Geborene
1997 Gestorbene
1999
2001 Zuzüge
2002 Wegzüge
2003 Saldo
Abb. III-22: Bevölkerungsveränderung in Deutschland Bei Ausweitung des zeitlichen Betrachtungshorizont für z.B. den Indikator der Geburtenanzahl lässt sich bezogen auf das Jahr 2002 gegenüber 1965 eine Verminderung der Geburten um ca. 46% (von 1.326 Tsd. auf 719 Tsd.) feststellen, gleichzeitig wurden 38% weniger Ehen (391 Tsd. ggü. 621 Tsd.) geschlossen.294 Dies hat beispielsweise Auswirkungen auf die Altersstruktur und die Haushaltsgrößen in der Bundesrepublik. Der Anteil der über 60jährigen stieg von 1960 mit 17% auf 24% im
293 294
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 21. Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 40. 108
Jahre 2002, gleichzeitig sank der Anteil der unter 14-jährigen im gleichen Zeitraum von 20% auf 14%.295 In den bundesdeutschen Haushalten stieg die Anzahl der SingleHaushalte von 1991 bis 2003 von 34% auf 37%, die der Zwei-Personen-Haushalte stieg ebenfalls im gleichen Zeitraum von 31% auf 34%, wohingegen sich die Haushalte über drei Personen von 35% auf 29% verringerten.296 Das Phänomen der "Überalterung" der Gesellschaft betrifft die meisten westlichen Industrienationen. Wirklich bedeutend werden die Effekte bei Betrachtung langfristiger Zukunftsprojektionen. Nachfolgende Abbildung zeigt eine Projektion der Bevölkerungsentwicklung im Vergleich (dargestellt als Ratio zwischen den 20-59-jährigen und den >60jährigen): USA
Japan
Europa
2,5
2,5
3,3 3,0
-42%
2,3 1,9
1,8
-56%
-52% 1,2
1,1
2000
2010E
2050E
2000
2010E
2050E
2000
2010E
2050E
Abb. III-23: Entwicklung der Altersstruktur in westlichen Industrienationen297 Hinsichtlich der sozialpsychologischen Strömungen lassen sich am Beispiel des Wertewandels ebenfalls Entwicklungsrichtungen aufzeigen. Da diese Effekte aber teilweise noch langfristiger wirken als die soziodemographischen, können im gewählten Betrachtungszeitraum allenfalls graduelle Änderungen festgestellt werden. Bei Ausweitung des zeitlichen Horizonts bis in die sechziger Jahre lassen sich für die Bundesrepublik aber einige gewichtige Veränderungen im Wertegefüge der deutschen Gesellschaft aufzeigen, die in ihrer Tendenz auch heute noch wirken.
295
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 40. Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 40. 297 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 296
109
Gegenüber der auf Arbeit, Konsum und Pflichterfüllung ausgerichteten Orientierung in den fünfziger Jahren, begann ab den Sechzigern eine Verschiebung der Wertestruktur hin zu Selbstverwirklichung, Selbsterfüllung und hedonistischen Prinzipien.298 Dieser Wertewandel von der materiellen hin zur postmateriellen Gesellschaft wurde von Inglehart299 auch als "silent revolution" beschrieben. Die immer stärkere werdende Erlebnisorientierung setzt sich auch in den folgenden Jahrzehnten fort. Neben der hohen Bedeutung der Freizeit, in der Erlebnisse beispielsweise bei Reisen, im Sport oder in Partnerschaften gesucht werden, kommt auch dem Berufsleben eine geänderte Bedeutung zu, welches nicht nur dem Lebensunterhalt, sondern auch der Selbsterfüllung dienen soll.300 Dass diese Werteverschiebung immer noch aktuell ist, zeigt exemplarisch folgende Abbildung, in der der Wandel von Werten in Bezug auf den Sinn des Lebens von 1974 bis 1997 dargestellt wird und aus der ersichtlich wird, dass Werte, wie Glück/Freude und Lebensgenuss, zunehmend wichtiger geworden sind.
298
Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 91 ff. Vgl. Inglehart, R. (Silent Revolution 1977). 300 Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 101. 299
110
1974 1984
49
1997
56
Glück, viel Freude
68 26 40
Das Leben genießen
55 34 38
Welt kennen lernen
46 42 32
Bessere Gesellschaft
38 23 Tun, was Gott will
20 20
Abb. III-24: Wandel von ausgewählten Wertorientierungen301 Fazit: In der sozio-kulturellen Teilumwelt finden Verschiebungen statt, die allerdings zum größten Teil sehr langfristig wirken. Unbestimmtheiten bzw. Diskontinuitäten finden beispielsweise im Vergleich zum makro-ökonomischen Umweltsegment in weitaus geringerem Maße statt. Des Weiteren ist die Komplexität insbesondere im soziodemographischen Teilbereich eingeschränkt, da die wesentlichen Faktoren und deren Interdependenzen bekannt sind und auch durch staatliche Stellen quantitativ und regelmäßig erfasst werden. Im Zusammenhang mit dem von uns gewählten Betrachtungszeitraum der vergangenen fünf Jahre kann daher nur von einem mittleren Niveau der Attribute Komplexität, Dynamik und Kontingenz ausgegangen werden.
301
Quelle: Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 100, der sich auf eine IFD Allensbach Umfrage von 1998 bezieht. 111
IV. Methoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister Wie wir bereits dargestellt haben, sind bei der Antizipation von Umweltentwicklungen die drei grundsätzlichen Methoden Prognose, Projektion und Prophezeiung möglich.302 Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur liefert eine Fülle unterschiedlicher Methoden zur Antizipation langfristiger, strategischer Entwicklungen, die sich hauptsächlich in die beiden erstgenannten Kategorien einordnen lassen. Da strategische Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt Besonderheiten aufweisen, die sich auf den Einsatzbereich der Antizipationsmethoden auswirken, werden zu Beginn die grundlegenden Problematiken bei der Antizipation von Umweltentwicklungen aufgeführt, die in erster Linie durch die Charakteristika von Strategischen Informationen bedingt sind. Ziel dieses Abschnittes ist es, auf dieser Basis einen Überblick über die einzelnen Antizipationsmethoden bzw. -konzepte, die bei der Vorhersage von strategischen Umweltentwicklungen Verwendung finden können, zu geben und dabei die zu Grunde liegenden Theorien darzustellen, um somit das methodische Grundgerüst für die empirische Untersuchung aufzubauen.
1. Grundlegende Problematiken bei der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt In diesem einleitenden Abschnitt werden zwei Kernproblemfelder beschrieben, die bei Antizipationen von Umweltentwicklungen und damit auch in der Strategischen Planung eine zentrale Rolle spielen. Im Folgenden werden ausgehend von einer Spezifikation der Unvollkommenheit von Informationen im Entscheidungsprozess der kontingente Charakter von strategischen Informationen und die Problematik von diskontinuierlichen Entwicklungen expliziert, um ein grundlegendes Verständnis für die Möglichkeitsräume der im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschriebenen Antizipationsmethoden der Prognose und Projektion zu schaffen.
302
Siehe Abschnitt II.3.3. 112
1.1
Charakter von strategischen Informationen
Vollkommene Informationen sind lückenlos und sicher bezüglich aller in einem Entscheidungsproblem beteiligten Größen.303 Gerade in einem strategischen Kontext, bei dem Informationen über die (langfristige) Zukunft eine zentrale Rolle spielen, kann aus folgenden Gründen der Zustand vollkommener Information als hypothetisch bezeichnet werden: •
Eine vollkommene Beschreibung der gegenwärtigen und vor allem der zukünftigen Unternehmensumwelt ist nicht möglich, da die an einem Entscheidungsproblem beteiligten Variablen, die Handlungsalternativen und deren Konsequenzen nichtvollständig a priori zu beschreiben sind.304
•
"Vollkommene Information ist wegen deren Komplexität und wegen der damit verbundenen Kosten der Informationsbeschaffung nicht möglich, da man bereits bei einer unbekannten oder sogar nur unsicheren – z.B. weil deren Messung schon weiter in der Vergangenheit lag – Größe nicht mehr von vollkommener Information sprechen kann."305
•
Vollkommene Information stellt ein logisches Paradoxon dar, da in diesem Zustand alle zukünftigen Handlungen der Akteure jedem einzelnen beteiligten Individuum bekannt wären und richtig beurteilt würden. Damit wären alle Handlungen ex ante festgelegt, der Information und folglich auch der Entscheidung kämen keinerlei Bedeutung zu.306
Ebenso wie der Zustand der vollkommenen Information hypothetisch ist, ist das opposite Extremum, der Zustand vollständiger Ignoranz bzw. Unwissenheit, nicht realistisch, da in diesem Fall keine begründbare Entscheidung, sondern nur "blindes Zufallshandeln" möglich wäre. Somit kommt einer Entscheidung nur dann eine Bedeutung zu, wenn der Informationsgrad zwischen den Stadien vollständiger Information und vollständiger Ignoranz liegt.307 Eine realistische Informationssituation muss demzufolge immer unvollkommen sein und ist dabei neben Unvollständigkeit auch durch Unbestimmtheit determiniert.
303
Vgl. Wittmann, W. (Information 1980), S. 897. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 152. 305 Dörfler, P. (Information 1986), S. 39. 306 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 152 ff., der sich auf Morgenstern und Wittmann bezieht. Vgl. Morgenstern, O. (Voraussicht 1964), S. 253-257; Wittmann, W. (Entscheidungen 1975), S. 59. 307 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 154. 304
113
Eine grundlegende Problematik im Zusammenhang mit der Gewinnung und Analyse von strategischen Informationen stellt deren hohes Maß an Kontingenz bzw. Unbestimmtheit dar.308 "Das hohe Maß an Kontingenz bedeutet, dass die erforderlichen Informationen oft nicht mit der Präzision vorliegen, wie sie für die Verwendung traditioneller entscheidungstheoretischer Kalküle erforderlich wäre."309 Insbesondere im Bereich der Strategischen Planung können auf Grund der Langfristigkeit und der damit einhergehenden Interpretationsoffenheit der Indikatoren Ereignisse vielmehr nur in vager bzw. unscharfer Form angegeben werden. Beispielsweise können in einem strategischen Kontext für viele Entwicklungen viel eher verbale Tendenzaussagen getroffen werden (z.B. "der Ölpreis wird hoch sein" oder "die Aktienmärkte werden sich ziemlich gut entwickeln") als konkrete Zahlenwerte angegeben werden.310 Für den nicht-deterministischen Fall lässt sich nach Spengler Unbestimmtheit, wie in folgender Abbildung dargestellt, systematisieren: Unbestimmtheit
Unsicherheit
Unsicherheit im engeren Sinne
Unschärfe
Risiko
Terminologische
Relationale
Abb. IV-1: Systematisierung kontingenter Informationen311 Demnach hat insbesondere der rechte Ast der Abbildung aus Perspektive der Strategischen Analyse eine besondere Bedeutung, da dort die Unbestimmtheit der zukünftigen
308
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. 310 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 128. 311 Quelle: Modifiziert nach Spengler. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 130. 309
114
Ereignisse selbst und nicht das Eintreten dieser Ereignisse (linker Ast)312 systematisiert ist. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da das Eintreten von Ereignissen in einem langfristigen, strategischen Kontext nicht oder sehr unzureichend mit Wahrscheinlichkeiten belegt werden kann.313 Bei der Unschärfe unterscheidet man terminologische Unschärfe und relationale Unschärfe. Unter der terminologischen Unschärfe versteht man Ereignisse oder, allgemeiner gefasst, Begrifflichkeiten, die durch weitere Kriterien spezifiziert werden müssen (z.B. "hoher" Ölpreis). Die relationale Unschärfe meint Beziehungen zwischen Objekten, welche als vage bezeichnet werden können (z.B. A ist "viel größer" als B).314 1.2
Diskontinuitäten in der Unternehmensumwelt
Im ersten Kapitel wurden bereits die Attribute der Unternehmensumwelt spezifiziert. Eine wichtige Determinante, die das Niveau der Dynamik determiniert, ist die "Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse" in Form von Stetigkeit (Kontinuität) bzw. Unstetigkeit (Diskontinuität) der Veränderung.315 Das Phänomen der Diskontinuität wird in diesem Abschnitt als eine grundlegende Problematik für die Antizipation genauer untersucht. Etymologisch lässt sich der Begriff Diskontinuität mit "Mangel an Zusammenhang" oder als "Ablauf von Vorgängen mit zeitlichen oder räumlichen Unterbrechungen" umschreiben.316 Da diese Definitionen keinen detaillierten Aufschluss über die einzelnen Merkmale von Diskontinuitäten bzw. die daraus resultierenden Problematiken geben können, werden die folgenden Spezifikationen stellvertretend für die betriebswirtschaftlichen Forschung317 zum Themengebiet Diskontinuitäten dargestellt. •
Erstmaligen Eingang in die Wirtschaftswissenschaft erfuhr der Terminus der Diskontinuität durch das Werk "The Age of Discontinuity"318 von Peter Dru-
312
"Während der Entscheidungsträger im Falle der Unsicherheit i.e.S. lediglich angeben kann, welche Zustände der Welt (in seinem Urteil) überhaupt eintreten können, ist er in Risikosituationen darüber hinaus in der Lage, sich ein abgestuftes Glaubwürdigkeitsurteil über (den Eintritt) dieser Zustände zu bilden." Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 129. 313 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 126. 314 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 129. 315 Siehe Abschnitt II.2.3. 316 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 32. 317 Ebenso wie in den Wirtschaftswissenschaften wird der Begriff der Diskontinuität in der Philosophie, Geschichtswissenschaft und der Naturwissenschaft diskutiert und anerkannt. Dies soll aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weitere ausgeführt werden. Stattdessen sei auf die Zusammenfassung von Konrad verwiesen, der die Verwendung und die Bedeutung des Diskontinuitätsbegriffs in den drei angesprochenen Disziplinen expliziert. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 88-100. 318 Vgl. Drucker, P. (Discontinuity 1969). 115
cker. Drucker beschreibt, dass sich die ökonomische Welt nach einer Periode der Kontinuität (Age of Continuity 1918-1968) in ein neues Zeitalter bewegt, das von Unstetigkeiten in den Bereichen der Technologie, der Weltwirtschaft, des sozial-politischen Bereichs und der Bildung geprägt sein wird.319 Zu einem späteren Zeitpunkt definiert Drucker den Begriff der Diskontinuität als "(...) unregelmäßige, nichtlineare und unvorhersehbare Störung."320 •
Bei Igor Ansoff, dessen Konzept der Schwachen Signale im weiteren Verlauf dieses Kapitels als zentrale Leitidee der Strategischen Frühaufklärung vorgestellt wird,321 spielen Diskontinuitäten bzw. Turbulenzen322 eine grundlegende Rolle. Ansoff definiert Diskontinuität als ein Ereignis, das nicht mittels Extrapolation aus einer Reihe vergangener Ereignisse abgeleitet werden kann und nicht durch die vorhandenen Fähigkeiten eines Unternehmens zu handhaben ist. Somit weisen Diskontinuitäten ein Überraschungsmoment auf und sind nicht vorhersehbar.323 "Discontinuous change comes from many quarters, and because it is frequently indirect and comes from outside the industry, it is increasingly surprising and novel. Historical experience is decreasingly applicable."324
•
Keuning bezeichnet Diskontinuitäten als sich unregelmäßig vollziehende, bedeutende Strukturveränderungen im Grundaufbau der Unternehmensumwelt, die dann auftreten, wenn ein Unternehmen, das sich in einer komplexen und dynamischen Umweltsituation befindet, den relativen Einfluß auf Umweltkomponenten, mit denen sie in einer wechselseitigen Beziehung steht, verliert.325
•
Zahn versteht unter Diskontinuitäten "(...) spezifische verhaltensdynamische Erscheinungen, die sich als plötzlich auftretende signifikante Veränderungen in den Beziehungen zwischen verschiedenen Systemvariablen oder in der Sys-
319
Vgl. Drucker, P. (Discontinuity 1969), S. 7 ff. Drucker, P. (Management 1980), S. 10. 321 Siehe Abschnitt IV.2.3.1.1. 322 Eine eindeutige Differenzierung der Begriffe Diskontinuität und Turbulenz ist bei Ansoff nicht feststellbar. Daher werden die beiden Termini an dieser Stelle synonym aufgefasst. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 105. 323 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 106. 324 Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 134. 325 Vgl. Keunig, D. (Turbulence 1978), S. 6 f. 320
116
temdynamik bemerkbar machen."326 Zahn bringt diese Definition in einen formalen Zusammenhang, der sich wie folgt darstellt: In einer Funktion ensteht ein diskontinuierlicher Verlauf zunächst dadurch, dass eine Steuervariable bei einer Verhaltensvariablen zunächst eine kontinuierliche Entwicklung initiiert. An einem gewissen Schwellpunkt A wird diese Entwicklung durch einen diskreten Sprung auf eine höhere (tiefere) Ebene unterbrochen, auf der sie dann weiter kontinuierlich verläuft.327 Dieser Zusammenhang wird durch nachfolgende Abbildung verdeutlicht, in der das Beispiel des Sprungs auf eine höhere Ebene dargestellt wird:
Verhaltensvariable
A Steuervariable
328
Abb. IV-2: Diskontinuität
Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit schließen wir uns der Synthese von Konrad an, der aus den unterschiedlichen Begriffsdefinition zum Themenkomplex der Diskontinuität folgende zwei Basismerkmale synthetisiert hat: "Diskontinuitäten sind •
abrupte, plötzliche und unregelmäßig auftretende Änderungen. Sie beinhalten damit immer den Charakter der Überraschung.
326
Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 119. Vgl. Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 122. 328 Quelle: Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 122. 327
117
•
tief greifende, umfassende und massiert auftretende Änderungen. Sie haben demnach eine qualitative Niveauveränderung, d.h. neuartiges und erstmaliges Auftreten von Phänomenen, denen historische Parallelen fehlen, zur Folge."329
Die rechtzeitige Erkennung, Verarbeitung und Bewältigung von Diskontinuitäten kann als Diskontinuitätenmanagement bezeichnet werden, dabei kann dieser Aufgabenkomplex gedanklich in zwei Vorgehenskonzepte gegliedert werden.330 •
Ex-Ante-Bereitschaft: Der Fokus liegt auf der frühzeitigen Erkennung von Diskontinuitäten. In einem zweiten, nachgelagerten Schritt werden Reaktionsmöglichkeiten evaluiert und ausgewählt. Damit ist die Ex-AnteBereitschaft proaktiv. In erster Linie kommen Methoden und Instrumente zum Einsatz, die einen antizipativen Charakter aufweisen.331
•
Ex-Post-Bereitschaft: Die Aktivitäten konzentrieren sich auf Schaffung und Erhaltung eines Reaktionspotenzials, mit dem aufkommende Diskontinuitäten bewältigt werden sollen. Damit ist die Ex-Post-Bereitschaft reaktiv. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies für ein Unternehmen, dass über alle betrieblichen Funktionen und Stellen eine größtmögliche Flexibilität vorgehalten werden muss. Zudem können speziell geschulte Teams oder Bereiche geschaffen werden, die bei Konfrontation mit einer Diskontinuität als "Feuer wehr" oder Krisenstab fungieren, um Situationsanalysen durchzuführen und mögliche Reaktionsstrategien umgehend zu entwickeln. 332
Hervorzuheben ist, dass o.g. Differenzierung lediglich eine generische Trennung darstellt, die die unterschiedlichen Schwerpunkte aufzeigt. In der Praxis können und sollen beide Aktivitätsfelder nicht voneinander getrennt werden. Im Rahmen dieser Arbeit konzentrieren wir uns auf erstgenannten Aspekt, indem die wichtigsten Methoden zur Antizipation zukünftiger Entwicklungen in den folgenden Abschnitten dargestellt werden.
329
Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 106. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 285. 331 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 287 f. 332 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 286 f. 330
118
2. Übersicht der Methoden zur Antizipation von Entwicklung der allgemeinen Unternehmensumwelt Antizipationenmethoden lassen sich neben der theoretischen Differenzierung in Prognosen, Projektionen und Prophezeiungen333 nach der zeitlichen Reichweite (kurz-, mittel-, langfristig), nach der Art der unabhängigen Variablen (Wirkung, Entwicklung) und nach der Art der Variablenverknüpfung (quantitative bzw. mathematische Variablenverknüpfung, qualitative, verbal-argumentative Variablenverknüpfung) unterscheiden.334 In diesem Abschnitt sollen sowohl die in den Wirtschaftswissenschaften verbreiteten Methoden zur Antizipation von Entwicklungen und Ereignissen als auch die Methoden dargestellt werden, die sich speziell auf die Problematiken der allgemeinen Unternehmensumwelt fokussieren (z.B. Strategische Frühaufklärung). Unsere theoretische Differenzierung eignet sich aus folgenden Gründen nicht für eine strukturelle Grundlage für diesen Abschnitt: •
Oftmals wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zur Prognostik und Langfristplanung nicht die theoretisch fundierte Aufteilung (Prognose, Projektion, Prophezeiung) in der Darstellung der unterschiedlichen Methoden gewählt. Vielmehr werden oftmals Projektionsmethoden auch unter dem Begriff der Prognose zusammengefasst. Es erfolgt vielmehr meist eine Differenzierung nach quantitativen und qualitativen Methoden.335
•
Die Methoden der Frühwarnung/Frühaufklärung, der Szenario-Analyse und der Trendforschung haben auf Grund der Fokussierung auf die allgemeine Unternehmensumwelt eine besondere Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit. Diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie unterschiedlichste Ansätze/Aspekte aus dem quantitativen und qualitativen Bereich einbeziehen. Daher bilden wir die genannten Methoden unter dem Überbegriff Verbundmethoden ab. Diese Methoden sind nicht eindeutig theoretisch zuzuordnen, da sie aus einem Konvolut unterschiedlicher Methoden bestehen, die je nach Schwerpunktlegung prognostischen, projektiven und unter Umständen sogar prophezeienden Charakter haben können.
333
Siehe Abschnitt II.3.3. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 255. 335 Vgl. u.a. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 268; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201-202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392-394; Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186 und 186; Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 89. 334
119
Daher wird für diesen Abschnitt eine Differenzierung in quantitative-, qualitative- und Verbundmethoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt zu Grunde gelegt. Dabei stellen die in den folgenden Abschnitten vorgestellten Antizipationsverfahren in den Kategorien "Quantitative Methoden" und "Qualitative Methoden" die gängigen Methoden der Betriebswirtschaftslehre für im strategischen Kontext durchgeführte Langfristprognosen dar.336 2.1
Quantitative Methoden
Quantitative Methoden liefern auf der Basis mathematisch-statistischer Operationen rechnerische Ergebnisse hinsichtlich der zu antizipierenden Größe.337 Quantitative Antizipationsmethoden lassen sich wie folgt systematisieren: Trendextrapolation Zeitreihenanalysen
Durchschnittswertberechnungen Glättungsverfahren Einfache Regression
Quantitative Methoden
Regressionsmethoden
Multiple Regression Ökonometrische Modelle Wachstumsmodelle
Strukturmodellgestützte Methoden
Simulationsmodelle
Input-Output-Analyse
Abb. IV-3: Quantitative Antizipationsmethoden338 Jede der einzelnen Methoden ausführlich darzustellen, würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Dennoch soll nicht darauf verzichtet werden, die Antizipationsverfahren in 336
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 f, der sich auf Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186 und 188 bezieht 337 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269. 338 Quelle: Eigene Darstellung als Synthese unterschiedlicher Systematisierungen. Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 256; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 13 ff.; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393, Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186.
120
der gebotenen Kürze zu beschreiben. Dabei werden in den folgenden drei Abschnitten die Kategorie der Zeitreihenanalysen, der Regressionsmethoden und der strukturmodellgestützten Verfahren beschrieben. Es sei darauf hingewiesen, dass in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Einordnung der einzelnen Verfahren keineswegs einheitlich ist. Insbesondere die unterschiedliche Zuordnung der Regressionsmethoden (beispielsweise zu den Zeitreihenanalysen bei Horváth339 bzw. zu den strukturmodellgestützten Verfahren bei Weber340) hat uns veranlasst, analog zu Bircher341 diese als gesonderte Kategorie abzubilden. 2.1.1
Zeitreihenanalysen
Zeitreihenanalysen bestimmen zukünftige Realisationswerte einer Variablen unter Zuhilfenahme mathematischer Verfahren anhand von präkurrenten Werten einer Zeitreihe aus der Vergangenheit.342 Abhängig von der Anwendung der mathematischen Verfahren können Trendextrapolation, Durchschnittswertberechnungen und exponentielle Glättungen unterschieden werden. •
Trendextrapolationen werden in erster Linie dann angewandt, wenn die zu prognostizierende Größe in der Vergangenheit einen trendförmig steigenden oder sinkenden Verlauf aufgewiesen hat und Schwankungen nur innerhalb einer festgelegten Bandbreite zu beobachten waren.343 Meist wird versucht, den bisherigen Datenverlauf durch eine lineare Trendgerade so zu approximieren, dass die Summe der quadrierten Abweichungen der tatsächlichen Werte von den Werten der Trendgerade minimal ist (Methode der kleinsten Quadrate
339
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 16-17. 341 Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186. 342 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 17; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 259. 343 Ein Trend beschreibt die Entwicklungsrichtung einer Zeitreihe. Im Allgemeinen wird die Entwicklungsrichtung eines Trends durch einen Koeffizienten wiedergegeben, der diese durch ein negatives oder positives Vorzeichen indiziert; hat der Koeffizient kein Vorzeichen, spricht man von einer konstanten Entwicklung. Eng mit dem mathematischen Begriffs des Trends sind die Termini der Konjunktur, die eine mehrjährige Schwankung um den (langfristigen) Trend darstellt und der Saison, bei der es sich um unterjährige (Quartals- bzw. Monats-) Schwankungen handelt. Bei beiden handelt es sich um die so genannte oszillatorische Komponente einer Entwicklungsrichtung (Trend). Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 11 f. 340
121
bzw. OLS = Ordinary Least Squares).344 Dabei gehen alle Beobachtungswerte mit einer gleichen Gewichtung in den Berechnungsvorgang ein. Prinzipiell unterscheidet man zwischen linearen und nicht-linearen Trends bzw. Trendfunktionen. Während lineare Trends sich durch gleich bleibende absolute Zuwächse bzw. Abnahmen definieren, kann sich der "Trendanstieg" nicht-linearer Trends in unterschiedlichen Formen, wie z.B. quadratisch, kubisch oder exponentiell, gestalten.345 Eine lineare Trendfunktion lässt sich formal wie folgt darstellen: yˆ = bt + c
Dieser Trendfunktion können bei Anwendung der OLS-Methode und bei der Verwendung von Kennziffern statt Jahreszahlen, deren Summe Null ergibt und die mit t´ bezeichnet werden, folgende vereinfachte Normalgleichungen346 zugeordnet werden.347
b=
ty t
2
und c =
y m
mit m = Anzahl der Beobachtungswerte
Die somit berechnete Trendfunktion kann durch Einsetzen zukünftiger Zeitkennziffern entsprechende Vorhersagen errechnen. Die eigentliche Extrapolation entspricht geometrisch einer Verlängerung der ermittelten Trendfunktion in die Zukunft bzw. bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.348 In erster Linie erstreckt sich der Einsatzbereich der einfachen Trendextrapolation auf Prognosen in relativ stabilen Umwelten in einem tendenziell kurz- bis maximal mittelfristigen Zeithorizont, wobei eine Reihe von Vergangenheitsdaten als Basisinformation vorliegen muss.349 344
Dieses Verfahren der Trendprojektion entspricht einer Regression auf die Zeit. Da Regressionsfunktionen aber prinzipiell breiter einsetzbar sind, erfolgt eine gesonderte Darstellung im nächsten Abschnitt dieses Kapitels. Vgl. dazu Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 17 bzw. Abschnitt IV.2.1.2 dieser Arbeit. 345 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 17-26. Die nicht-linearen Verfahren erfahren an dieser Stelle keine Vertiefung, da die quadratische und kubische Trendfunktion auch durch die Ansätze der multiplen Regression abgebildet werden können und exponentielle Verläufe den ebenfalls separat abzuhandelnden Wachstumsfunktionen in Abschnitt IV.2.1.2 entsprechen. Weitere nicht-lineare Trends können außerdem potenziell oder logarithmisch verlaufen, für eine nähere Beschäftigung sei auf oben stehende Quelle verwiesen. 346 Zu den Normalgleichungen findet sich im nächsten Abschnitt IV.2.1.2 eine detailliertere Betrachtung 347 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 18 f. 348 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 260. 349 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. 122
Insbesondere ist die einfache Trendextrapolation geeignet, die Entwicklung volkswirtschaftlicher oder sonstiger Marktgrößen auf einem hohen Aggregationsniveau zu antizipieren bzw. erste Überschlagsberechnungen durchzuführen, die im Anschluss durch feinere Verfahren ergänzt werden.350 Zur Identifikation von Diskontinuitäten bzw. Wendepunkten in Entwicklungen weist die Trendextrapolation nur eine geringe Eignung auf.351
•
Bei Durchschnittswertberechnungen wird prinzipiell der Durchschnitt aus den Werten einer Zeitreihe ermittelt und dann als Wert für zukünftige Perioden verwendet. Der Rechenaufwand dieser Verfahren ist gering, da stark vereinfachten Annahmen zur Vorausschätzungen getroffen werden. Daher werden diese Verfahren auch als "naive" Antizipationsverfahren bezeichnet.352 Neben der einfachen Mittelwertbildung (arithmetisches Mittel) haben vor allem die Verfahren der gleitenden Durchschnitte und der gewogenen Durchschnitte Verbreitung gefunden. Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, dass sich formal wie folgt darstellen lässt:353
xˆ t +1 = x t =
1 t
t i =1
xi
mit 1 für die Prognosedistanz
ist der gleitende Durchschnitt ein verfeinertes Verfahren, bei dem "ältere" Werte sukzessive aus der Betrachtung herausfallen bzw. bei dem nur jeweils die letzten p Werte zur Berechnung herangezogen werden, und das sich formal wie folgt ausdrücken lässt:354 xˆ t +1 = x t gl =
1 t x n mit 1 für die Prognosedistanz p n = t p +1
Arithmetischer und gleitender Durchschnitt gewichten alle in die Berechnung eingehenden Werte gleich. Eine weitere Erweiterung dieses Verfahrens stellt die gewogene, gleitende Durchschnittswertberechnung dar, bei der neuere
350
Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186. Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 394. 352 Vgl. Hüttner, M. (Markt- und Absatzprognosen 1982), S. 75. 353 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 13. 354 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 14. 351
123
Werte eine höhere Gewichtung haben als ältere. Im Prinzip ergänzt man obige Formel nur um Wichtungsfaktoren w für jeden einzelnen Vergangenheitswert. Der Einsatzbereich der vorgestellten Durchschnittswertberechnungen erstreckt sich analog zur Trendextrapolation vornehmlich auf die Antizipation quantitativ erfassbarer Entwicklungen (auf Basis von Vergangenheitsdaten) in einem kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont, wobei bei den Durchschnittswertberechnungen die Möglichkeit besteht, saisonale Schwankungen einzubeziehen und dadurch auch eine Anwendung auf etwas instabilere Umweltsituationen möglich zu machen.355 •
Ein weiteres zeitreihengestütztes Verfahren stellen exponentielle Glättungen (Exponential Smoothing) dar. Prognosefehler der unmittelbaren Vorperiode werden ebenso berücksichtigt wie eine Gewichtung zwischen "jüngeren" und "älteren" Vergangenheitsdaten.356 Die exponentielle Glättung ist eine Weiterentwicklung des gewogenen, gleitenden Durchschnitts. Die Grundgleichung des Exponential Smoothing lautet:357 St =
Yt + (1- ) St-1 mit 0
1, wobei S für den Mittelwert gesetzt
wird Der Prognosewert ergibt sich damit aus
Prozent des letzten Beobachtungs-
werts und aus (1- ) Prozent des bisherigen Mittelwerts. Er lässt sich mit wenigen Daten bestimmen, es werden lediglich der vorhergehende Prognosewert, der letzte Zeitreihenwert und der so genannte Glättungs- bzw. Reaktionsparameter
benötigt.
ist damit von zentraler Bedeutung für die Bestimmung des
Schätzwerts. In den beiden Extrema: St-1), während bei
= 0 erfolgt keinerlei Anpassung (St =
= 1 eine sofortige Anpassung erfolgt (St =Yt). Wird
zu
niedrig gewählt, werden Änderungen zu spät erkannt, bei zu hohen Werten von
wird hingegen auch auf eher zufällige Störungen reagiert. Es ist in der
Praxis kaum möglich, ein optimales
ex ante zu bestimmen. „Erfahrungen
bzw. Experimente ergaben, dass es oft zweckmäßig ist, mit Werten zwischen 0,1 und 0,3 zu arbeiten.“358
355
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 259. 357 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 56 ff. 358 Vgl. Hüttner, M. (Markt- und Absatzprognosen 1982), S. 99. 356
124
Problematisch wird das Verfahren des exponentiellen Glättens vor allem dann, wenn die betrachtete Zeitreihe durch einen Trend gekennzeichnet ist, da der aktuelle Trend den Prognosewerten, die ja immer noch Durchschnittswerte darstellen, vorauseilen wird. Es wäre also sinnvoller, den Trend explizit in der Prognoseformel zu erfassen.359 Hierzu existieren eine Reihe spezieller Verfahren (exponentielles Glätten zweiter Ordnung nach Brown, Zwei- bzw. DreiParameter-Verfahren nach Holt, Drei-Parameter-Modell nach Box-Jenkins)360, von denen das Verfahren nach Brown, das auf einen linearen Trend anwendbar ist, auf Grund der großen Verbreitung361 an dieser Stelle näher expliziert wird. Der lineare Trend wird durch die Größen b (Trendanstieg) und c (Konstante) beschrieben. Da in der Literatur statt c meist die Bezeichnung a verwendet wird, soll dies hier auch geschehen. Sind die Anfangswerte dieser beiden Größen ermittelt, werden sie mittels eines Glättungsparameters fortgeschrieben, um somit den Trendanstieg bt und die nun als Periodengrundwert at bezeichnete Konstante zu erhalten. Formal ergibt sich der Prognosewert für die nächste Periode wie folgt: xˆ t +1 = a t + bt Beim Verfahren nach Brown werden zur Trenderfassung die einfachen Glättungswerte St (im Folgenden als St1, also Glättungswerte erster Ordnung, bezeichnet) als Beobachtungswerte aufgefasst und mittels exponentiellen Glättens erster Ordnung fortgeschrieben. Damit erhält man einen Glättungswert zweiter Ordnung (St2), der sozusagen einen Glättungswert des Glättungswerts darstellt, was sich formal wie folgt darstellt.362 St2 = St-12 + ( St1- St-12) Auf dieser Basis lässt sicht der Periodengrundwert wie folgt errechnen: at = St1 + (St1- St2) = 2St1- St2 Für den Trendanstieg ergibt sich:
359
Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 60. Eine übersichtliche Darstellung aller Verfahren findet sich bei Schröder. Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 46-59. 361 Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 48. 362 Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 48 ff.; Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 60 ff. 360
125
bt =
1
( St
1
2
St )
Auf eine detailliertere Darstellung dieser Verfahren inklusive der entsprechenden mathematischen Herleitungen und Beweise wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.363 Die Methoden des exponentiellen Glättens können auch bei relativ instabilen Umweltsituationen angewendet werden, da die Möglichkeit der Datengewichtung und des Ausgleiches von Prognosefehlern besteht. Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei ebenso wie bei den beiden vorher vorgestellten Verfahren auf quantitativ erfassbare Entwicklungen in einem kurz- bis maximal mittelfristigen zeitlichen Horizont.364 2.1.2
Regressionsmethoden
Regressionsmethoden bzw. -analysen dienen zur Gewinnung funktionaler oder kausaler Zusammenhänge, wie sie in Form von ökonomischen Funktionen (z.B. Kostenfunktion) bekannt sind. Dabei geht eine Variable als abhängige Größe (Regressand) in die Untersuchung ein, die anderen Variablen (Regressoren) werden als unabhängig betrachtet. Die Beziehung zwischen den beiden Arten von Variablen können durch unterschiedliche Modelle, die in wiederum unterschiedlichen Regressionsfunktionen ihre Ausprägung finden, dargestellt werden.365 Nach der Anzahl der in die Untersuchung berücksichtigten unabhängigen Variablen, werden Regressionsanalysen in einfache (eine unabhängige Variable) und multiple (mehrere unabhängige Variablen) Regressionen differenziert.366 Ökonometrische Modelle sind dagegen ein System von wechselseitig voneinander abhängigen Regressionsgleichungen.367 Eine weitere Form der Differenzierung stellt die
363
Stattdessen sei auf die Literatur zu diesem Thema verwiesen. Eine genaue Darstellung nebst Herleitungen bietet Schröder. Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 46-50. 364 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 365 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 77-78; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 261. 366 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 78 ff.; zusätzlich existieren noch das Verfahren der Regression mit Dummy-Variablen (Verfahren zur regressionsanalytischen Behandlung nominalskalierter Variablen, wie z.B. "Ja/Nein"-Variablen) und die Methode der Regression mit verzögerten Variablen (Berücksichtigung der zeitlichen Verschiebung einer Zeitreihe), welche jedoch nicht im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden. Eine Übersicht über diese beiden Verfahren gibt Hüttner. Vgl. dazu Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 93-97. 367 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 126
Unterteilung nach der Art der Beziehung zwischen den Variablen dar, welche prinzipiell linear bzw. nicht linear sein können.368 Prognosen auf der Basis von Regressionsfunktionen werden durch Extrapolation der Entwicklung bzw. durch Abschätzung zukünftiger Werte der unabhängigen Variablen und durch Anwendung der mathematischen Beziehungsformel (Funktion) durchgeführt.369 •
Einfache Regressionen lassen sich in ihrer einfachsten linearen Form durch die unabhängige Variable x (Regressor), die abhängige Variable ˆy (Regressand) sowie den Regressionskoeffizienten b und der Regressionskonstante c wie folgt darstellen:370 ˆy = bx + c
Die Gewinnung von b und c erfolgt nach der bereits erwähnten371 Methode der kleinsten Quadrate (OLS), die die Summe der quadrierten Abstände zwischen den Schätzwerten ˆy i und den Beobachtungswerten y i (i=1,2,...,m) minimiert. Dies lässt sich formal folgendermaßen ausdrücken:372 ( yi
ˆy i ) 2 = MIN
Als Resultat erhält man durch Einsetzen der Minimierungsgleichung in die lineare Einfach-Regressionsgleichung und durch partielle Differenzierung nach den beiden unbekannten Koeffizienten b und c folgende zwei Normalgleichungen:373 1.) b
x + mc =
2.) b
x2 + c
y x=
xy
Nach Auflösung der ersten Normalgleichung nach c ergibt sich: c=
1 ( m
y
b
x)
368
Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 261; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 370 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. 371 Siehe den vorhergehenden Abschnitt IV.2.1.1. 372 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. 373 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78/79. Dort ist auch die detaillierte Herleitung der Normalgleichungen dargestellt, auf die in dieser Arbeit verzichtet wird. 369
127
Durch Einsetzen und Umformen der obigen ersten Normalgleichung ergibt sich für b: 1 b= m 1 m
xy
xy
x2
x2
Die nicht-lineare Einfachregression wird in dieser Arbeit nicht näher dargestellt, stattdessen sei auf die entsprechende Literatur verwiesen.374 In erster Linie können Einfachregressionen für die Antizipation von quantitativ erfassbaren Entwicklungen eingesetzt werden, die von einer kausalen Schlüsselgröße abhängig sind (zum Beispiel in einem makro-ökonomischen Zusammenhang, wie Abhängigkeit der Arbeitslosenquote von der Leitgröße Bruttosozialprodukt).375 Der Antizipationshorizont ist dabei kurz- bis mittelfristig.376 •
Die Multiple Regression unterscheidet sich gegenüber der Einfachregression durch Hinzunahme weiterer unabhängiger Variablen (Regressoren). Bei Einführung einer weiteren Variablen lautet die Regressionsfunktion wie folgt:377 ˆy = b1 x1 + b2 x 2 + c Bei Anwendung der OLS für diesem Fall ergäben sich nunmehr folgende drei Normalgleichungen, die nunmehr nach b1 , b2 und c aufzulösen sind:378 1.) b1
x1 + b2
x 2 + mc =
2.) b1
x1 + b2
x1 x 2 + c
3.) b1
x1 x 2 + b2
2
y x1 =
x 2 + b2 + c 2
x1 y x2 =
x2 y
Im Prinzip erstrecken sich der Anwendungsbereich sowie der zeitliche Horizont auf die gleichen Dimensionen wie bei der einfachen Regression. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei der Methode der multiplen
374
Zum Beispiel Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 84. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 376 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 394. 377 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 87. 378 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 87. 375
128
Regression Entwicklungen von Größen antizipiert werden können, die von mehreren Einflussfaktoren abhängig sind.379 •
Allgemein formuliert sind ökonometrische Modelle ein System von interdependenten Regressionsgleichungen (Mehrgleichungsmodelle), die einen zu untersuchenden Bereich (z.B. Wirtschaftssektor) beschreiben.380 In den Lehrbüchern der Ökonometrie wird zwar meistens mit den sog. Eingleichungsmodellen (einfache und multiple Regressionen) begonnen, welche im weiteren Sinne auch der Ökonometrie zuzurechnen sind, allerdings sind ökonometrische Modelle im engeren Sinne immer Mehrgleichungsmodelle. Der Begriff Ökonometrie geht dabei auf die Gründung der Econometric Society 1930 zurück und wird gemeinhin als eine Verbindung von ökonomischer Theorie, empirischer Wirtschaftsforschung und mathematisch-statistischen Methoden dargestellt, was zusätzlich ein Indiz dafür darstellt, dass ökonometrische Modelle aus mehreren Gleichungen bestehen.381 Sie werden in erster Linie dazu eingesetzt, zusammenhängende Größen des makro-ökonomischen Umweltsegments (Konsumausgaben, Investitionen etc.) oder Marktentwicklungen im Sinne von Wirkungs- oder Entwicklungsprognosen zu antizipieren. Der Anwendungsbereich umfasst aus einer zeitlichen Perspektive, wie bei den beiden vorher vorgestellten Regressionsmodellen, kurz- bis mittelfristige Antizipationen, allerdings im Unterschied zu diesen können ungleich mehr voneinander abhängige Größen untersucht werden, entsprechend höher sind allerdings auch die Informationserfordernisse.382 Wir werden an dieser Stelle aus Komplexitätsgründen darauf verzichten, die sehr umfangreiche Literatur zu ökonometrischen Modellen wiederzugeben, stattdessen sei auf einige Standardwerke zur Ökonometrie verwiesen.383
379
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 und Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 380 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. 381 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 97. 382 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 383 Vgl. u.a. Frohn, J. (Ökonometrie 1980); Schneeweiß, H. (Ökonometrie 1990), Heil, J. (Ökonometrie 1991). 129
2.1.3
Strukturmodellgestützte Methoden
Unter den strukturmodellgestützten Antizipationsmethoden werden gemeinhin die Wachstumsmodelle und Simulationsmodelle als Standardverfahren, sowie die InputOutput-Analyse als Spezialverfahren subsumiert.384 Strukturmodelle (structural models) bilden komplexe Systeme und/oder sie betreffende Prozesse in kompakter Art und Weise ab und weisen damit verbundene Ergebnisse zumeist in Form hoch aggregierter Kennzahlen aus. Des Weiteren zeichnen sie sich durch ihren hohen Formalisierungsgrad aus.385 •
Wachstumsmodelle führen zu Erstellung von Zukunftsbildern auf der Basis vorgegebener, mathematischer Entwicklungsmuster (meist in Form von Funktionen). Prinzipiell gibt es zwei Unterarten, nämlich Modelle mit und ohne Sättigungsniveau. Da Wachstumsmodelle ohne Sättigungsniveau eher zurückhaltend zu verwenden sind (z.B. Linear- oder Potenzfunktionen), erfolgt an dieser Stelle keine nähere Explikation, stattdessen konzentrieren wir uns auf die Modelle mit Sättigungsniveau. Dabei existieren eine Reihe unterschiedlicher Ansätze, die einerseits nach den zu Grunde gelegten Funktionstypen (z.B. Exponentialfunktion andererseits nach deren Promotoren (z.B. Pearl-, von Bertalanffy, Gompertz- oder Johnsonfunktion) benannt sind. Neben unterschiedlichen Formen der Exponentialfunktion (z.B. Gompertz-Funktion) basieren Wachstumsmodell auch häufig auf einer logistischen Funktion, aus der sich eine S-förmige Kurve ergibt. 386 Wachstumsmodelle können einerseits für Populationsentwicklungen (z.B. Weltbevölkerung), andererseits in der Spezialform der Lebenszyklusanalyse für Vorhersagen von Absatzmengen neuer Produkte oder für die Verbreitung von Technologien verwendet werden. Letztere basiert dabei auf den typischen S-Kurven, die erfahrungsgemäß den Lebenszyklus eines Produktes oder einer Technologie beschreiben.387
384
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 16-17 bzw. S. 156. Wie bereits angesprochen ordnet Weber auch die Regressionsrechnungen den strukturmodellgestützten Methoden zu. Aus aufgezeigten Gründen widmen wir diesen jedoch ein separates Kapitel. Siehe auch Abschnitt IV.2.1. 385 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 15 bzw. S. 155. 386 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 157-159. 387 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 130
Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass für die Antizipation zukünftiger Entwicklungen der gesuchten Größe (z.B. Anzahl Nutzer einer neuen Technologie) Vergangenheitswerte mindestens über einen Zeitraum von einem Jahr und Informationen über die Entwicklung bzw. das Verbreitungsmuster einer ähnlichen Größe (z.B. vergleichbare Technologie) vorliegen müssen. In erster Linie bietet sich die vorgestellte Methode für mittel- und vor allem langfristige Antizipationen an, demzufolge können die abgeschätzten Werte nur immer sehr grober Natur sein.388 Diskontinuitäten können mit Wachstumsmodellen nicht antizipiert werden, sie bergen eher eine Gefahr für die Reliabilität der errechneten Werte. •
Simulationsmodelle bilden ein ausgewähltes System formalisiert ab.389 Die Modellauswertung erfolgt zumeist aus Komplexitätsgründen computergestützt und fokussiert eine Untersuchung des entsprechenden Systemverhaltens über Zeit. Die Entwicklung erfolgt in drei Schritten deren Beschreibung im Folgenden gleichzeitig Aufschluss über die Charakteristika von Simulationsmodellen gibt: Der erste Arbeitsschritt besteht in der Festsetzung der angestrebten Modellkonzeption. D.h. Grundsystem, unterschiedliche Modelleinsätze und Genauigkeitsgrad werden festgelegt und ein erstes Ausgangsmodell entwickelt, bei dem bereits die Intensität der Beziehung der einzelnen Systemelemente deutlich wird. Des Weiteren werden alle Eingangsgrößen (input variables) und Ausgangsgrößen (output variables) festgelegt, welche deterministisch oder
388
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 und Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 389 Die Differenzierung zwischen den im Abschnitt IV.2.1.2 beschriebenen ökonometrischen Modellen und den Simulationsmodellen ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur oftmals nicht trennscharf bzw. wird nicht erkennbar getroffen. Wir schließen uns Hammer an, der eine Differenzierung vornimmt und ein öknonometrisches Modell vornehmlich in einem makro-ökonomischen Zusammenhang als System voneinander abhängiger Regressionsgleichungen sieht, wohingegen ein Simulationsmodell eine universell für die Planung auf unterschiedliche Systeme anwendbare Methode verstanden als ein System von Strukturgleichungen darstellt. Vgl. Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 83-89 sowie Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 162-164. Zudem hat Töpfer in einer empirischen Untersuchung, bei der u.a. nach der Verbreitung von Prognoseinstrumenten in deutschen Unternehmen gefragt wurde, ebenfalls ökonometrische Modelle und Simulationsmodelle differenziert. Da beide Methoden unterschiedliche Anwendungsintensität in der Praxis aufwiesen (Simulationen in etwa drei mal so starke Verbreitung im Vergleich zum ökonometrischen Modell), kann davon ausgegangen werden, dass bei den Unternehmen ebenfalls zwischen beiden Verfahren differenziert wird, was unmittelbare Konsequenz auf die in dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung hat. Vgl. Töpfer, A. (Planungsund Kontrollsysteme 1975), S. 186. 131
stochastisch sein können.390 Es werden nur Größen berücksichtigt, die für die zu simulierenden Situation wichtig sind, komplexe Details werden tendenziell vernachlässigt.391 Im nächsten Schritt werden die bestehenden mathematischen und logischen Beziehungen der einzelnen Variablen in Form von Strukturgleichungen spezifiziert. Dabei können Strukturgleichungen grundsätzlich den Charakter von Definitions- und Verhaltensgleichungen392 aufweisen. Des Weiteren ist auf dieser Stufe festzulegen, ob die Modellgleichungen rekursiv (sukzessiv bzw. in kausal geordneter Reihenfolge) oder simultan (gleichzeitig) gelöst werden. Der letzte Arbeitsschritt ist die Programmierung, Validation und Dokumentation des Simulationsmodells.393 Die Einsatzgebiete für Simulationsmodelle sind sehr vielseitig. Diese können sowohl im eher langfristigen Zusammenhang der Strategischen Planung als auch im kurzfristigen operativen Bereich, z.B. in der Budgetplanung, verwendet werden. Die Relevanz für Antizipationen zukünftiger Entwicklungen besteht vor allem darin, das Prognosewerte, die bereits vorhanden sind, als Inputs in das Simulationsmodell eingegeben werden können und dann weitere Antizipationswerte als Ergebnis errechnet werden.394 •
Die Input-Output-Analyse analysiert Transaktionen zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren bzw. deren Untergruppen und wird daher in erster Linie im makro-ökonomischen Bereich oder von Großunternehmen angewendet.395 Die Einordnung der Input-Output-Modelle als eigenständige Antizipationsmethoden ist allerdings in der Literatur strittig.396 Während einzelne Autoren diese zu den Standardverfahren der Langfristprognose zählen,397 postulieren wie-
390
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 162-163. Vgl. Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 87. 392 "Durch Definitionsgleichungen werden die rechnerisch-definitorischen Beziehungen zwischen den Variablen spezifiziert; Verhaltensgleichungen drücken hypothetische Gesetzmäßigkeiten aus und lassen sich anhand statistischer Analysen ermitteln oder aufgrund - relativ grober - Erfahrungs- oder Schätzwerte festlegen." Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 163. 393 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 163. 394 Vgl. Henschel, H. (Wirtschaftsprognosen 1979), S. 57 ff. 395 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 176. 396 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 173. 397 Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394; Chisholm, R.K., Whitaker, G.R. (Forecasting 1971), S. 62 ff. 391
132
derum andere die Meinung, dass es sich bei der Input-Output-Analyse nur um eine Beurteilungshilfe für die Abschätzung von Folgen verschiedener Zukunftsvisionen handeln kann.398 Nichtsdestotrotz wird die Funktionsweise von Input-Output-Modellen an dieser Stelle kurz dargestellt. Prinzipiell geht die Input-Output-Analyse sukzessive vor: Ein Verflechtungsschema der einzelnen Sektoren wird in eine Input-Output-Tabellendarstellung (auch Transformationsmatrix genannt) überführt aus der sich nach Auswertung die Output-Werte auf Basis der zu Grunde liegenden Beziehungen der einzelnen Sektoren und der Eingangsdaten ergeben. Man unterscheidet mehrere Formen der Input-Output-Analyse. Input-OutputTabellen, nach denen Waren- und Dienstleistungsströme zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren auf Basis der Vorleistungsverflechtung, der Endnachfrage und den primären Inputs (Importe, Subventionen etc.) aufgezeigt werden. Diese Form wird in erster Linie durch staatliche Stellen in Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung angewendet und hat einen analytischen und keinen antizipativen Charakter.399 Das am weitesten verbreitete Input-Output-Modell ist das sog. statisch offene Leontief-System. "Statisch" wird das Modell deswegen bezeichnet, da sich alle Variablen auf einen Zeitpunkt beziehen, "offen" indiziert, dass es exogene und endogene Modellteile beinhaltet. Im Wesentlichen wird auf Basis einer Produktionsfunktion vom Walras-Leontief-Typ die Nachfrage nach sekundären Inputs (Vorleistungen) und nach Arbeit ermittelt, die notwendig ist, um einen vorgegeben finalen Output zu erzielen.400 Dies geschieht unter Zuhilfenahme so genannter technischer Koeffizienten, die die Verhältnisse bzw. Relationen zwischen Inputs und Outputs determinieren. Auf dieser Basis wird eine Transformationsmatrix (Leontief Input-Output-Matrix) erstellt, aus der die für den angenommen Output notwendigen Inputwerte sowie weitere intermediäre Größen abgelesen werden können.401 Vereinfacht gesagt erhält das vorge-
398
Vgl. Dauner, W., Dauner-Lieb, B. (Input-Output-Simulation 1996), S. 240; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 173. 399 Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 209. 400 Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 210. 401 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 176. 133
stellte Modell den Antizipationscharakter durch Setzen einer Annahme für die als exogen vorausgesetzte Endnachfrage (finaler Output).402 Der Einsatzbereich der Input-Output-Analyse erstreckt sich in erster Linie auf die Analyse und Prognose des "Flusses" von Gütern, Dienstleistungen, Kapital o.ä. innerhalb des makro-ökonomischen Sektors (zwischen einzelnen Volkswirtschaften bzw. Gruppen innerhalb einer Volkswirtschaft) oder zwischen Wirtschaftszweigen inklusive deren Sub-Sektoren. Voraussetzung zur Durchführung der Input-Output-Analyse ist eine fundierte Kenntnis der Austauschbeziehungen, Interdependenzen und Zusammenhänge der jeweils unter suchten Sektoren auf Basis von Vergangenheitswerten. Kurzfristig ist diese Methode nicht anwendbar, vielmehr fokussiert die Input-Output-Analyse auf einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont.403 2.2
Qualitative Methoden
Qualitative Antizipationsmethoden (auch konjekturale Methoden genannt) basieren auf subjektiv begründeten Beurteilungen einer Antizipationssituation. Sie sind daher, im Gegensatz zu quantitativen Verfahren, nicht replizierbar.404 Der methodische Fokus liegt dabei in der Unterstützung der Erfassung von Meinungen und Einstellungen. Folgende Kategorisierung in Abb. IV-4 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen qualitativen Verfahren, die im Rahmen dieser Arbeit näher erläutert werden. Ebenso wie bei den quantitativen Antizipationsmethoden würde eine tiefgehende Explikation aller qualitativen Verfahren nebst den zahlreich vorhandenen Abwandlungen und Kombinationen405 für die Zielsetzung dieser Arbeit zu weit führen, dennoch werden die Grundzüge der Kernmethoden nachfolgend im Überblick dargestellt:
402
Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 211. Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 404 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 14; Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 273. 405 Für eine weitergehende Beschäftigung mit qualitativen Antizipationsmethoden vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 119 ff. 403
134
Delphi-Methode Explorative Methoden
Historische Analogie Sonstige heuristische Methoden (Morphologie, Brainstorming, etc.)
Qualitative Methoden
Relevanzbaum Normative Methoden
Systemanalyse
Abb. IV-4: Qualitative Antizipationsmethoden406 2.2.1
Explorative Methoden
Explorative Antizipationsmethoden entwickeln ausgehend von der heutigen Situation und unter bestimmten Annahmekonstellationen mögliche zukünftige Umweltzustände.407 Gemeinhin fasst man die Verfahren der Delphi-Technik, die historische Analogie und weitere heuristische Methoden, wie beispielsweise Morphologie oder Brainstorming, unter dieser Kategorie zusammen. •
Die Delphi-Methode wurde ursprünglich für die Vorhersage technologischer Entwicklungen 1963 von der RAND-Corporation entwickelt. Sie stellt eine stark formalisierte Form einer iterativen Expertenbefragung dar, die meist schriftlich und immer anonym durchgeführt wird.408 Die Resultate der Befragungsgruppe werden in Form statistischer Kennzahlen (z.B. Mittelwerte, Median, Quartilsabstände) zu den jeweiligen Antworten berechnet, und die Experten mit stark abweichenden Antworten können eine entsprechende Begründung abgeben. Diese Schritte werden zwei- bis dreimal409 wiederholt, so dass
406
Quelle: Modifiziert nach Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; ähnlich auch bei Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269. Beide beziehen sich dabei auf Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 188 f. Die genannten Autoren beziehen in die explorativen Methoden noch die Entwicklung von Szenarien (Szenario-Analyse) ein. Szenarien sind Darstellungen von Zukunftsalternativen. Wir ordnen die Szenario-Analyse den Verbundmethoden zu, verzichten daher an dieser Stelle auf eine Darstellung und verweisen auf den Abschnitt III.3.2 dieser Arbeit. Damit schließen wir uns der Auffassung bzw. Kategorisierung Bea/Haas an. Vgl dazu Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 262 ff. 407 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 275. 408 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 220, Elbing, O., Kreuzer, C. (Strategische Instrumente 1994), S. 79. 409 Die Zahl der Iterationen ist nicht festgelegt. Üblich sind zwei- bis dreimalige Wiederholungen bzw. Iteration bis eine bestimmte Meinungskonvergenz erreicht wird. Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 128. 135
man als Resultat meist einen Meinungskonsens bzw. eine Konvergenz der Expertenmeinungen erzielt.410 Zum Abschluss wird ein schriftlicher DelphiSchlussbericht angefertigt, der an die Auftraggeber und üblicherweise auch an die Experten ausgehändigt wird. Folgende Abbildung fasst den schematischen Ablauf einer Delphi-Befragung zusammen: Auftragsgeber
Untersuchungsleitung
Auftragserteilung
Delphi-Vorbereitung • Problemdefinition • Festlegung von Inhalt, Form und Dauer • Expertenselektion
Expertengruppe
Teilnahmezusage 1. Fragebogen
• Ausarbeitung und Verteilung Beantwortung Auswertung 2. Fragebogen • Ausarbeitung • Resultate der vorhergehenden Runde • Kommentare Beantwortung Kommentare Auswertung Weitere Befragungsrunden
Evaluation
Zusammenfassende Auswertung der Ergebnisse
Evaluation
Abb. IV-5: Ablaufschema – Delphi-Methode411
In erster Linie wird die Delphi-Methode eingesetzt, um Zeitpunkte für das Eintreffen bestimmter Entwicklungen (oftmals aus dem technologischen Be reich) oder Absatzpotenziale neuer Produkte zu bestimmen.412 Sie kann aber auch allgemein für die Gewinnung von Wahrscheinlichkeitsaussagen zu künftigen Entwicklungen als Grundlage für die Szenarien-Erstellung dienen.413 Prinzipiell ist die Delphi-Methode universell für Antizipationen in kurz-, mit410
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 14 bzw. S. 126-136; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 257-258; Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 221. 411 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 129. 412 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 413 Siehe Abschnitt IV.2.3.2.3. 136
tel und langfristigen Zeithorizonten einsetzbar.414 Allerdings ist die Verlässlichkeit und Validität der Ergebnisse stark von der Qualität der beteiligten Personen abhängig.415 •
Historische Analogien versuchen, ein Systemverhalten (vorwiegend neue Technologien) zu prognostizieren, indem ein Vergleich bzw. Analogieschluss mit früheren, ähnlich strukturierten Entwicklungen getroffen wird.416 Hierbei finden für den Technologiebereich S-förmige Entwicklungskurven bzw. für den Absatzbereich Penetrationskurven Verwendung, die auf Grund von historischen Erfahrungswerten entwickelt wurden. In Abgrenzung zu den historischen Analogien stehen Wachstumsmodelle, die auf mathematischer Basis entwickelt werden und Ausbreitungsfunktionen verwenden.417 Der Einsatzbereich von historischen Analogien erstreckt sich in erster Linie auf die Verbreitungsmuster neuer Technologien, aber auch auf die Antizipation von politischen Entwicklungen oder Krisen sowie (im Segment der Aufgabenumwelt) auf Absatzentwicklungen oder Umsatzvorhersagen.418 Neben Daten bzw. Informationen über den Betrachtungsgegenstand (z.B. neue Technologie) sind fundierte, sprich mehrjährige Informationen über den Analogvorgang nötig, auf den referenziert wird. Da sich allerdings die Lebenszyklen neuer Technologien in jüngster Vergangenheit erheblich verkürzt haben, wird man bei Anwendung des vorgestellten Verfahrens immer mit der Vergleichbarkeit des herangezogenen Analogvorgangs konfrontiert sein. Zudem bietet die historische Analogie kaum Möglichkeit, Diskontinuitäten in Entwicklungen konzeptionell zu adressieren. Die ermittelten Werte werden u.a. aus diesen Gründen immer nur grobe Schätzwerte für alle betrachteten Zeithorizonte sein können.419
•
Im engeren Sinne keine eigenständige Antizipationsmethoden stellen die so genannten heuristischen Methoden, die auch Kreativitätstechniken oder Prognosestützverfahren genannt werden, dar. Auf Grund der hohen praktischen Bedeutung, werden die genannten Verfahren jedoch in dieser Arbeit betrach-
414
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. Vgl. Elbing, O., Kreuzer, C. (Strategische Instrumente 1994), S. 79. 416 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 417 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 155; eine spezielle Form der Wachstumsmodelle stellen Diffusionsfunktionen dar, die in Abschnitt IV.2.3.1.2 erklärt werden. 418 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 419 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 415
137
tet. Zu diesen werden in erster Linie die intuitiv-kreativen sowie die logischsystematischen Verfahren gezählt. In die erste Kategorie lassen sich Brainstorming und Methode 635, in die zweite Kategorie das häufig im Zusammenhang mit der Langfristprognose genannte Verfahren der Morphologie einordnen. Es existieren zudem eine Anzahl weiterer Verfahren (z.B. Synektik, Funktionsanalyse) die ebenfalls zu den heuristischen Instrumenten zu zählen sind, die aber auf Grund der eher untergeordneten Bedeutung nicht näher erläutert werden.420 Die von Zwicky421 konzipierte morphologische Methode, stellt ein spezielles Verfahren eines mehrstufigen Brainstormings für Expertengruppen dar. Dabei werden systematisch für ein spezifiziertes Problemfeld die potenziell relevanten Lösungsparameter festgelegt und darauf basierend ein in der Regel zweidimensionales morphologisches Schema entwickelt. Auf dieser Basis wird ein Selektionsprozess hinsichtlich Zulässigkeit und Zielrelevanz aller möglichen Lösungsalternativen durchgeführt.422 Die aufgeführten heuristischen Methoden haben den Vorteil einer universellen Einsetzbarkeit. Abhängig von den zu Grunde gelegten Themen- bzw. Fragestellungen eignen sie sich prinzipiell für Antizipationen von Entwicklungen in allen Umweltsegmenten und in allen zeitlichen Dimensionen. Die Qualität und Verlässlichkeit der Ergebnisse hängt jedoch stark von den Qualifikationen und dem Informationsstand der beteiligten Personen ab. 2.2.2
Normative Methoden
Normative Methoden gehen im Unterschied zu den explorativen Methoden von einem gegebenen Zielzustand aus und analysieren retrograd bis zur Gegenwart die Abfolge von Ereignissen, Aktivitäten und Voraussetzungen, die eintreffen müssen, um das vorab definierte Ziel zu erreichen.423 •
Die Relevanzbaum-Methode dient dazu, ausgehend von einem gewünschten Zielzustand auf mehreren Ebenen rückwärts schreitend, die notwendigen Ent-
420
Vgl. Töpfer, A. (Planungs- und Kontrollsysteme 1975), S. 185. Vgl. Zwicky, F. (Morphologie 1956), S. 425-428. 422 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 140-141; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 423 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 275. 421
138
scheidungen und Lösungsmöglichkeiten festzulegen. Durch Durchspielen der einzelnen Pfade des "Baumes", lässt sich die Relevanz von einzelnen Maßnahmen oder Entscheidungen im Hinblick auf die Zielsetzung beurteilen.424 Dabei kann eine Ordnung der notwendigen Inputs hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Zielerreichung festgelegt werden.425 Typischerweise wird die Relevanzbaum-Methode zur Ableitung und Prognose von Teilzielen und Strategien verwendet, allerdings in erster Linie mit einem Fokus auf die betriebliche Entwicklung von Distributionsprogrammen oder der Planung von Forschung und Entwicklung.426 •
Bei der Systemanalyse wird versucht die wechselseitigen Beziehungen einzelner Elemente eines zumeist komplexen Systems (z.B. ein Segment der allgemeinen Unternehmensumwelt) herauszuarbeiten, um die Wirkungen von Inputänderungen auf den Gesamtoutput des Systems vorherzusagen.427
2.3
Verbundmethoden
Wie bereits angedeutet, soll auf die Methoden der Strategischen Frühaufklärung, auf die Szenario-Analyse und auf die Trendforschung ein besonderer Fokus im Rahmen dieser Arbeit gelegt werden, da diese Methoden, die wir als Verbundmethoden zusammenfassen, sich explizit für langfristige Prognosen der einzelnen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt eignen. 2.3.1
Strategische Frühaufklärung
Folgendes Zitat von Ian Wilson, einem ehemaligen Manager von General Electric, verdeutlicht die Relevanz von Frühaufklärung im Rahmen des Strategischen Managements: "Was wir in diesem Zeitalter des radikalen Wandels benötigen, ist der Gebrauch von Vorhersagen als einen Weg, um Zeit zu kaufen. Um die Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandhabbar werden und um die Gelegenheiten zu erfassen, bevor sie verloren sind."428
424
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 426 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 427 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. Für eine weitere, detailliertere Beschäftigung mit der Systemanalyse sei auf Krallmann verwiesen. Vgl. Krallmann (Systemanalyse 1994). 428 Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 2, zitieren Ian Wilson (ohne Quellenangabe). 425
139
Insbesondere gilt diese Aussage vor dem Hintergrund von komplexen und dynamischen Umweltzuständen, die durch Diskontinuitäten geprägt sind und sich nur noch eingeschränkt mit den "klassischen" Antizipationsmethoden abbilden lassen. Dabei fokussiert die Strategische Frühaufklärung sich auf Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt,429 wohingegen sich operative Frühaufklärungsprozesse auf die Aufgabenumwelt konzentrieren.430 Der Zweck von strategischen Frühaufklärungssystemen besteht darin, als spezialisiertes Informationssystem Veränderungen der allgemeinen Unternehmensumwelt, die Chancen und Bedrohungen darstellen, frühzeitig zu identifizieren, um damit Strategien bzw. Maßnahmen zur Ausnutzung oder Abwendung des jeweiligen Ereignisses zu schaffen.431 Die Strategische Frühaufklärung ist als spezielles ergänzendes Teilsystem des Strategischen Managements zu verstehen, das Informationen über die Entwicklung und Veränderung der Unternehmensumwelt sucht und analysiert sowie mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen beschreibt. Durch expliziten Zukunftsbezug und Außenorientierung stellt die Strategische Frühaufklärung somit eine wichtige Informationsbasis der Strategischen Planung dar, um einerseits planerische Unsicherheit zu reduzieren und andererseits Reaktionszeiten in den Planungs- und Kontrollprozessen zu verkürzen.432 Die grundlegende Annahme der Strategischen Frühaufklärung besteht darin, dass keinerlei Ereignisse der Unternehmensumwelt völlig diskontinuierlich, also ohne jegliche Vorankündigung eintreffen. Vielmehr können Diskontinuitäten mit Vorläuferereignissen in Zusammenhang gebracht werden.433 Diese zentrale Hypothese der "weak signals", der "Schwachen Signale" geht auf Igor Ansoff zurück und wird als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung im nächsten Abschnitt expliziert. 2.3.1.1
Das Ansoff´sche Konzept der schwachen Signale als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung
Unternehmen, deren Umwelt durch Instabilität und Dynamik geprägt ist, haben höhere Anforderungen an die Informationsversorgung, als dies beispielsweise bei Firmen in
429
Siehe Abschnitt II.2.2. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 10. 431 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 21. Ähnliche Umschreibung auch bei Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 32 ff; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 52 ff.; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 269. 432 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 53. 433 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 165. 430
140
stabilen bzw. statischen Umwelten der Fall ist. Dabei müssen Informationen aus der Unternehmensumwelt kontinuierlich und "real-time" gesammelt sowie unmittelbar, d.h. auch ohne vollständige Sicherstellung der Zuverlässigkeit, analysiert werden.434 Auf dieser grundlegenden Forderung basiert Ansoff das Konzept der Schwachen Signale, unter denen Informationen aus der Unternehmensumwelt verstanden werden, die hinsichtlich ihrer Herkunft und potenzieller Auswirkungen nicht exakt einzuordnen sind. Schwache Signale sind inhaltlich unstrukturiert, meist qualitativ, unbestimmt bzw. ungewiss und können als Hinweise auf bevorstehende Diskontinuitäten oder zukünftige Entwicklungen verstanden werden.435 Ansoff geht davon aus, dass sich Schwache Signale im Zeitverlauf konkretisieren und nach und nach an Ungewissheit verlieren. Dabei unterscheidet er fünf Grade der Ungewissheit, die den Prozess des Wandels von Schwachen in Starke Signale abbilden und denen unterschiedliche Möglichkeit für Reaktionen zuordenbar sind, was in nachfolgender Abb. IV-6 illustriert ist.
434 435
Vgl. Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 370. Eine exakte Definition des Begriffs der Schwachen Signale bleibt Ansoff schuldig, daher ist die dargestellte Definition eine Synthese aus mehreren Spezifikationen. Vgl. dazu Simon, D. (Schwache Signale 1985), S. 18. ff.; Müller, G., Zeiser, B. (Signale 1980), S. 605; Kirsch, W., Esser, W., Gabele, E. (Management 1979), S. 353-355; Kirsch, W., Trux, W. (Frühaufklärung 1983), S. 227; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 278. 141
Ungewißheitsgrade (1) Anzeichen der Bedrohung oder Chance
(2) Ursachen der Bedrohung oder Chance
(3) Konkrete Bedrohung oder Chance
(4) Konkrete Reaktion
(5) Konkretes Ergebnis
JA
JA
JA
JA
JA
Bereich oder Organisation als Ursache der Diskontinuität ist bekannt
NEIN
JA
JA
JA
JA
Merkmale der Bedrohung, Art der Wirkung, allgemeiner Wirkungsgrad, Zeitpunkt der Wirkung
NEIN
NEIN
JA
JA
JA
Reaktion festgelegt, Zeitpunkt, Handlung, Programme, Budgets
NEIN
NEIN
NEIN
JA
JA
Wirkung auf Gewinn und Folgen der Reaktion sind errechenbar
NEIN
NEIN
NEIN
NEIN
JA
Informationsgehalt Überzeugung, dass Diskontinuitäten bevorstehen
Abb. IV-6: Ungewissheitsgrade bei Diskontinuitäten436
Die grau hinterlegten Flächen visualisieren den entsprechenden Reaktionsspielraum in Abhängigkeit vom jeweiligen Ungewissheitsgrad der von Fall (1) bis Fall (5) kontinuierlich abnimmt. So ist im Fall (1), der den höchsten Grad der Ungewissheit repräsentiert, lediglich ein allgemeines Bewusststein vorhanden, dass mit Diskontinuitäten und somit mit Chancen und Bedrohungen zu rechnen ist. Das Unternehmen kann auf Basis des geringen Informationsstandes keine konkreten Maßnahmenpakete zur Adressierung der Diskontinuität entwickeln, wohl aber die weitere Entwicklung mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten, sowie eine eigene Stärken-Schwächen-Analyse in Bezug auf die Reaktionsmöglichkeiten durchführen. Im Fall (2) konkretisiert sich die Bedrohung oder Chance, indem deren Ursachen bekannt werden, wohingegen es im Fall (3) bereits möglich ist, konkret die Diskontinuität zu spezifizieren und deren Wirkung in Stärke und Zeitpunkt abzuschätzen. Im Fall (4) kann das Unternehmen bereits Reaktionsstrategien im Sinne von Maßnahmenpaketen oder Handlungsprogrammen entwickeln. Der geringsten Grad der Ungewissheit herrscht schließlich im Fall (5) vor, bei dem quantitativ ab-
436
Leicht modifiziert nach Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 241. 142
leitbar ist, welche konkreten Ergebnisauswirkungen die Chance oder Bedrohung bzw. die korrespondierenden Maßnahmen haben.437 Des Weiteren stellt Ansoff die These auf, dass Unternehmen, nicht wie bei der Theorie der Planung im Allgemeinen,438 mit der Reaktion auf Chancen und Bedrohungen warten sollen, bis sich der Ungewissheitsgrad soweit reduziert hat, dass ein quantitatives Erfassen der Auswirkungen von Diskontinuitäten möglich ist (Fall 5), sondern dass bereits beim Vorliegen von Schwachen Signalen (Fälle 1-4) eine (angepasste) Reaktion durchzuführen ist.439 Neben den herkömmlichen "starken" bzw. "direkten" Reaktionen", die konkrete Aktionen bzw. Maßnahmen als Antwort auf eine relativ sichere Bedrohung oder Chance darstellen, sollen entsprechend "schwache" Reaktionen, die flexibilitäts- bzw. aufmerksamkeitserhöhend wirken, den Reaktionsspielraum des Unternehmens erweitern und die Opportunitätskosten möglicher entgangener Gewinne bzw. zusätzlicher Kosten auf Grund von zeitlichen Versäumnissen in der Adressierung von Chancen bzw. Bedrohungen minimieren.440 Folgende Abb. IV-7 verdeutlicht die von Ansoff vorgeschlagenen Reaktionsstrategien, wobei zwischen externen (die Beziehung zur Unternehmensumwelt betreffend) und internen (die unternehmensinterne Konfiguration betreffend) Reaktionsbereichen differenziert wird:441
437
Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 133 ff. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 219. 439 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 136. 440 Zum optimalen Zeitraum der Reaktion hat Ansoff das formale Modell der "geplanten" Verzögerung entwickelt, das an dieser Stelle nur genannt aber nicht näher erläutert sei. Stattdessen der Verweis auf Hammer, der die wesentlichen Bestandteile dieses Modells aufbereitet hat. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 191-193. 441 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 137 ff.; Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 388 ff. 438
143
Reaktionsstrategien Flexibilität
Direkte Reaktion
Aufmerksamkeit
Reaktionsbereich
Beziehung zur Unternehmensumwelt
Interne Konfiguration
"External Action"
"External Flexibility"
"Environmental Awareness"
Die "External Action Strategy" stellt direkte, ausformulierte Maßnahmen zur Bekämpfung der Bedrohung bzw. zur Wahrnehmung von Chancen dar.
Die "External Flexibility Strategy" soll die zukünftigen Reaktionspotenziale des Unternehmens erhöhen. Die externe Flexibilität wird insbesondere durch Differenzierung erreicht, um Abweichungen vom erwarteten Mittelwert sicher auffangen zu können.
Die "Environmental Awareness Strategy" zielt darauf ab, durch Prognosen das Bewußstsein des Unternehmens auf mögliche Diskontinuitäten zu lenken. Im Zentrum stehen Szenarien, Umfeldmodelle, Prognosen und Projektionen.
"Internal Action"
"Internal Flexibility"
"Self Awareness"
Die "Internal Action Strategy" ist die Vorstufe und Unterstützung der "External Action Strategy". In dieser Phase werden die zur Durchführung der Reaktionen erforderlichen Ressourcen, Strukturen und Kenntnisse bereitgestellt.
Die "Internal Flexibility Strategy" soll die zukünftigen Reaktionspotenziale des Unternehmens erhöhen. Intern müssen sich Manager auf Diskontinuitäten vorbereiten und mit strategischer Planung umgehen lernen.
Die "Self Awareness Strategy" hilft, Diskontinuitäten im eigenen Unternehmen zu erkennen. Zu Einsatz alle bekannten Formen der internen operativen und strategischen Analyse.
Abb. IV-7: Strategieraster nach Ansoff442
Wie bereits angedeutet, hängt die Wahl der Reaktionsstrategie vom Grad der Ungewissheit oder anders formuliert von der Menge und Qualität an zu Verfügung stehenden Informationen ab. Dieses Vorgehen stellt eine fundamentale Abkehr der bis dahin gängigen Planungsansätze dar. Statt auf Basis einer Basisstrategie die notwendigen Informationen zu beschaffen, postuliert Ansoff, dass ausgehend von der Informationslage die Reaktionsstrategie zu bestimmen ist. Somit ist die Strategie (Reaktion) eine Funktion der verfügbaren Information.443 Auf dieser Basis hat Ansoff die einzelnen Reaktionsmöglichkeiten den Ungewissheitsgraden zugeordnet, um den Zeitpunkt des Einleitens der Reaktion grob anzugeben (abgestufte Antwortstrategie)444, was in nachfolgender Abb. IV-8 durch die graue Schattierung visualisiert ist.
442
Quelle: Leicht verändert auf Basis der Übersetzung von Eschenbach, der auf Ansoff referenziert. Vgl. dazu: Eschenbach, R. (Strategische Konzepte 1993), S. 46. bzw. Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 388 ff. Die ursprüngliche Orginalgrafik findet sich bei Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 137. Zur Konkretisierung dieses recht globalen Schemas hat Ansoff eine Reihe von Instrumenten für die einzelnen Reaktionsstrategien spezifiziert, deren Explizierung allerdings den Rahmen dieses Abschnittes überschreiten würden. Stattdessen sei verwiesen auf: Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 243 ff. 443 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 283. 444 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 16. 144
Ungewißheitsgrade
Reaktionstrategien
(1) Anzeichen der Bedrohung oder Chance
(2) Ursachen der Bedrohung oder Chance
(3) Konkrete Bedrohung oder Chance
(4) Konkrete Reaktion
(5) Konkretes Ergebnis
"Environmental Awareness"
"Self Awareness"
"Internal Flexibility"
"External Flexibility"
"Internal Awareness"
"External Action"
Abb. IV-8: Möglicher Einsatz alternativer Reaktionsstrategien445
Wirklich nutzenstiftend wirkt sich der Einsatz der abgestuften Reaktionsstrategien nur dann aus, wenn erreicht wird, dass die Reaktionszeit auf eine emergierende Chance oder Bedrohung durch vorbereitende Maßnahmen bzw. erhöhte Flexibilität signifikant verkürzt wird. Umgekehrt heißt dies, dass je weniger ein Unternehmen auf (potenzielle) Diskontinuitäten vorbereitet ist, desto länger wird der Zeitraum für eine Reaktion sein. Ansoff unterscheidet in diesem Zusammenhang drei mögliche Formen der Reaktion:446 •
"Normal Response"
•
"Ad-hoc-Crash-Response": Alles Mögliche (z.B. außer Acht lassen von normalen Regeln und Verfahren) wird getan, um eine Reaktion auf die Diskontinuität zu beschleunigen.447
•
"Pre-planned-Response": Durch Vorbereitung und Erhöhung der Flexibilität (z.B. durch ständiges Training der Reaktionsweise auf sich rasch entwickelnde
445
Quelle: Leicht modifiziert nach Ansoff. Vgl. Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 248. Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 136 ff. 447 Hammer übersetzt den Begriff "Ad-hoc-Crash-Response" mit dem Terminus "Krisenmanagement" ins Deutsche. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 223. 446
145
Chancen und Bedrohungen) können im Bedarfsfall die notwendigen Reaktionen noch schneller durchgeführt werden.448 Die Dauer bei den drei beschriebenen Formen der Reaktion kann in einem Kurvenzusammenhang dargestellt werden. Kombiniert mit den oben genannten alternativen Reaktionsstrategien ergibt sich folgende schematische Illustration: Zeit bis zum Abschluss der Reaktion Normal Response
Ad-hoc-CrashResponse Pre-plannedResponse
Keine (unvorbereitet)
"Environmental Awareness"
"Self Awareness"
"Internal Flexibility"
"External Flexibility
"Internal Awareness"
"External Action"
Reaktionsstrategie
Abb. IV-9: Reaktionszeiträume der drei Ansoff´schen Reaktionsformen449
Der Ansatz von Ansoff ermöglicht also, den nutzbaren Prognose- bzw. Projektionshorizont zu vergrößern und frühzeitig Reaktionen durchzuführen. Als notwendige Voraussetzung für das Erkennen von "Schwachen Signalen" benötigt ein Unternehmen ein System, dass umweltinduzierte Chancen und Bedrohungen erkennen und interpretieren kann.450 In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Basisaktivitäten des "Scanning" und des "Monitoring" genannt.451 Erstere ist ein ungerichtetes Abtasten der Unternehmensumwelt mit dem Ziel aus der Vielzahl unterschiedlichster Signale diejenigen herauszufiltern, die strategisch relevante Entwicklungen induzieren können. Zweitere verarbeitet
448
Hammer übersetzt den Begriff "Pre-planned-Crash-Response" mit dem Terminus "Antizipatives Management" ins Deutsche. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 223. 449 Quelle: Leicht verändert nach Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 224. 450 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 143. 451 In Abschnitt IV.2.3.1.5 erfolgt eine detailliertere Darstellung dieser beiden Instrumente. 146
und analysiert wahrgenommene Schwache Signale im Rahmen einer Tiefenanalyse, die die tatsächliche Relevanz und die potenziellen Auswirkungen auf das Unternehmen untersucht.452 Zu Erklärung der Wirkungsweise von Diskontinuitäten, die durch Schwache Signale angekündigt werden, können Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz verwendet werden, was im nächsten Abschnitt expliziert wird. 2.3.1.2
Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz
Nach Krystek fußt die Strategische Frühaufklärung neben dem Konzept von Ansoff auf einer zweiten theoretischen Grundlage, der Diffusionstheorie.453 Gegenstand der Diffusionsforschung bzw. der Diffusionstheorie ist die Erkundung der Ausbreitungswege neuer Verhaltensformen, Ereignisse und Ideen im Sinne von formalisierten Gesetzmäßigkeiten. Zudem leistet die Theorie einen Beitrag zur Erklärung zum diskontinuierlichen Verlauf von Zeitreihen.454 Ebenso wie im Konzept der "Schwachen Signale" basiert die Diffusionstheorie auf der Basishypothese, dass Veränderungen nicht plötzlich auftreten, sondern sich durch Vorläuferereignisse ankündigen.455 Die Diffusionsforschung geht davon aus, dass ein technologischer, politischer oder sozialer Wandel von so genannten Vorreitern initiiert wird, die als Träger einer neuen Erkenntnis gelten. Von diesem Ausgangspunkt diffundieren diese neuartigen Verhaltensformen in die Öffentlichkeit. Anders formuliert geht vom Vorreiter eine "Ansteckungswirkung" aus, durch die ein immer größer werdender Kreis von Sub- und Objekten (Personen bzw. Unternehmen) "infiziert" wird.456 Grundlage bzw. "Nährboden" für die Verbreitung solch neuer Ideen, Erkenntnisse oder Verhaltensweisen bildet ein Paradigmenwechsel (Änderung vorhandener Denkmuster, Normen). Der Paradigmenwechsel kommt durch eine Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit bestehender Paradigmen (z.B. aus der Überzeugung, dass innerhalb herrschender Paradigmen anstehende Problem nicht mehr zu lösen sind) zu Stande und macht Subjekte/Objekte einer Gesellschaft gegenüber neuen Ideen empfänglich.457 Die eigentliche
452
Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 279. Vgl. Krystek, U. (Frühwarnsysteme 1985), S. 27. 454 Vgl Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 209. 455 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 53. 456 Vgl Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 210. 457 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 391. 453
147
Diffusion von Neuerungen in die Öffentlichkeit vollzieht gewissermaßen den Paradigmenwechsel nach.458 Auf Basis des Grundgedankens der epidemischen Ausbreitung von Neuerungen lassen sich für den Weg bzw. Prozess der Ausbreitung Kurvenverläufe in Form so genannter Diffusionsfunktionen ermitteln, die für jeden Zeitpunkt den Stand des Diffusionsprozesses in der Dimension "Anzahl angesteckter Personen" angeben.459 Zur funktionalen Abbildung von Verbreitungsmustern werden zwei grundlegende Infektionsarten unterschieden:460 1. Die Infektion erfolgt mit einem pro Zeiteinheit konstanten Prozentsatz der noch nicht angesteckten Subjekte. 2. Die Infektion erfolgt von Subjekt zu Subjekt. Pro Zeiteinheit hat jeder bereits Infizierte Kontakt mit einer Anzahl von infizierten und nicht-infizierten Subjekten, wobei die Begegnung mit einem Teil der noch nicht infizierten Subjekte zu deren Infektion führt. Aus den Grundmustern der Infektion ergeben sich daraus folgende Diffusionsfunktionen:461 1. Exponentielle Diffusionsfunktion: Zu jeder Zeiteinheit t gelangt zum Kreis der bereits infizierten Personen Gt ein gleich bleibender Anteil p noch nicht infizierter Personen hinzu (G* - Gt) hinzu, wobei G* die Gesamtheit aller infizierbaren Subjekte repräsentiert. Die Zuwachsrate einer Periode t sei dabei definiert als die Differentialgleichung 1. Ordnung von Gt , d.h. Gt =dGt/dt:462 dGt/dt = p(G* - Gt) wobei p > 0 und konstant
458
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 210. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392. 460 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392. Krampe/Müller definieren noch eine dritte Verbreitungsart, die als Resultat einer Kombination der unter 1. und 2. beschriebenen Ausbreitungsverläufe zu sehen ist, aber an dieser Stelle auf Grund eines eingeschränkten explorativen Zusatznutzens nicht weiter expliziert wird. 461 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392 ff. Auf Basis eines additiven Zusammenwirkens von exponentieller und logistischer Diffusionsfunktion konstruieren Krampe/Müller und Zuhilfenahme des Modells von Pyatt einen dritten Grundtypen einer Diffusionsfunktion. Da bereits auf die Explikation der korrespondierenden dritten Infektionsart verzichtet wurde, wird die dritte Diffusionsfunktion nicht an dieser Stelle dargestellt. Zudem gibt es in ihrer Anwendung Probleme in der numerischen Bestimmung der Parameter. 462 Dabei wird von einer Reihenentwicklung der Funktion G´t = a0 + a1G1 + a2G12. Für die vorliegende exponentielle Funktion gilt dann: G´t = a0 + a1G1 = p(G* - Gt), wobei a0 = pG* und a = -p ist. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 459
148
Durch Auflösung463 der Differentialgleichung ergibt sich die exponentielle Diffusionsfunktion: Gt = G* - ea-pt Die linke Grafik in Abb. IV-10 zeigt den Kurvenverlauf zweier exponentieller Diffusionsfunktionen, die von einem Anfangsbestand G0 degressiv wachsen und sich asymptotisch der Sättigungsgrenze G* annähern. Unterschied zwischen den beiden Funktionen ist die Ausprägung des Zuwachskoeffizienten p. 2. Logistische Diffusionsfunktion: Hier ist die Zunahme der infizierten Subjekte proportional abhängig von der Summe der angesteckten bzw. der noch nicht angesteckten Subjekte. Formal lässt sich dieser Zusammenhang durch folgende Differentialgleichung ausdrücken: dGt/dt = u Gt (G* - Gt) wobei u > 0 Die Variable u repräsentiert die Zuwachsrate und stellt das Äquivalent zu p in der exponentiellen Diffusionsfunktion dar, wobei u nur >0 und nicht konstant sein muss. Durch Auflösung der Differentialgleichung ergibt sich die logistische Diffusionsfunktion, deren Verlauf in der rechten Grafik der Abb. IV-10 dargestellt ist: Gt =
G 1 + ea
bt
wobei b = uG* 464
463
Lösung der Differentialgleichung: Gt = G* - ea-pt ex-pt = G* - Gt dGt/dt = pea-pt wobei: G0 = G* - e2 und a = ln(G* - G0) Vgl. dazu: Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 464 Wobei wiederum gilt: a = ln [(G* - G0)/G0]. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 149
Exponentielle Diffusionsfunktion
Logistische Diffusionsfunktion
Gt
Gt
G*
G*
p1
b1 p2(
b2(
G0
G0
t
t
Abb. IV-10: Diffusionsfunktionen465
Diffusionsfunktionen bilden eine theoretische Grundlage bei der Erklärung der Ausbreitung von sozialem Wandel, neuen Ideen oder Innovationen. Demzufolge haben die Erkenntnisse der Diffusionstheorie auch eine praktische Umsetzung im Form der Frühaufklärungskonzeption des Batelle-Instituts, das auch als Strategisches Radar466 bezeichnet wird, erfahren.467 Das Konzept fokussiert auf sozialen und politischen Wandel und orientiert sich dabei an den folgenden Thesen:468 •
Veränderungen laufen nicht zufällig ab, sondern werden von Menschen gemacht und von deren Interessen gelenkt.
•
Dem Wandel liegen bestimmte Entwicklungsmechanismen und relativ stabile Verbreitungsmuster zu Grunde. Zudem wirft jede Veränderungen ihren "Schatten" in Form von "Schwachen Signalen" voraus.
•
Veränderungen in der Unternehmensumwelt werden durch Ereignisse ausgelöst bzw. von Vorreitern getragen.
465
Modifiziert nach Krampe/Müller. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 394. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 239. 467 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 395. 468 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 396. 466
150
•
Bei Kenntnis der Verbreitungsmuster bzw. der Diffusionsprozesse (was beispielsweise über Analogieschlüsse aus bereits bekannter Verbreitungsmustern möglich ist) lassen sich Vorreiter oder Auslöserereignisse identifizieren und laufend beobachten, wodurch relevante Entwicklungstendenzen frühzeitiger als bisher erkannt werden können.
Basierend auf einer Analyse des bestehenden Geschäftspektrums bzw. der zukünftigen Unternehmensaktivitäten können die für ein Unternehmen relevanten Themen und Einflussfaktoren individuell ermittelt werden. "Diese Indikatoren werden mit Hilfe des Frühaufklärungssystems systematisch und kontinuierlich beobachtet und zwar in folgenden für ein Unternehmen bedeutenden Bereichen: •
unternehmensrelevante Ereignisse bzw. Ereignishäufungen,
•
Meinungen und Stellungnahmen von Schlüsselpersonen,
•
Verlautbarungen wichtiger Institutionen und Organisationen,
•
die Verbreitung von Meinungen, Ideen usw. in den Medien sowie die Rechtsprechung im In- und Ausland."469
Durch die Beobachtungen werden so genannte strukturelle Trendlinien, welche im Wesentlichen Diffusionsfunktionen entsprechen, skizziert, die typische Ausbreitungsverläufe von Neuerungen nachzeichnen. 2.3.1.3
Die Evolution der Strategischen Frühaufklärung
Ansoffs konzeptionelle Überlegungen aus dem Jahr 1976470 waren für die wissenschaftliche Forschung in aller Welt Anlass und Auslöser, eine Welle von Umsetzungsversuchen zu konzipieren. Die im deutschen Sprachraum entwickelten Instrumente firmieren unter den drei grundlegenden Begriffen Frühwarnung, Früherkennung und Frühaufklärung. Obwohl inhaltlich teilweise überlappend sind die drei Termini keineswegs als Synonyme zu werten, vielmehr geben sie jeweils unterschiedliche Perspektiven auf den Wandel der Unternehmensumwelt und den Umgang mit Chancen und Bedrohungen.471 Gleichzeitig stellt jeder Ansatz jeweils eine Stufe in einem Evolutionsprozess dar, an dessen Ende die in dieser Arbeit explizierte Strategische Frühaufklärung steht.472 Im
469
Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 396. Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976). 471 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 5. 472 Vgl. Müller-Stewens, G. (Suchfeldanalyse 1990), S. 99. 470
151
Folgenden wird diese Entwicklung durch die Darstellung der einzelnen Konzepte skizziert: Frühwarnung:
Bei der Frühwarnung werden auf Basis quantitativer Kennzahlen des traditionellen Berichtswesens (Kostenrechnung, Rechnungswesen) Wirkungszusammenhänge von Krisen und Bedrohungen analysiert. Dabei werden auf Basis eines laufenden Plan-Ist-Vergleichs Wird-Größen extrapoliert, um somit frühzeitig Abweichungen vom Jahresplan zu identifizieren und eventuelle Krisenerscheinungen in ihrer Entstehung zu erfassen und gegebenenfalls Gegensteuerungsmaßnahmen einzuleiten.473 Eine Reihe von Autoren (u.a. Krystek474, Rieser475) aus dem deutschsprachigen Raum haben sich mit der Konzeption dieser Frühwarn- oder Alarmsysteme beschäftigt. Die wesentlichen Kritikpunkte an derartigen Systemen sind: •
Fokussierung auf die Feststellung von Bedrohungen für das Unternehmen, eine Betrachtung der Chancen bleibt außen vor.476
•
Keine ausreichende Einbeziehung von strategisch bedeutsamen qualitativen Daten, sondern Konzentration auf quantitative "Hard Facts".477
•
Durch die starke Konzentration auf unternehmensinterne Daten werden externe Umweltphänomene außen vor gelassen.478
•
Lediglich die Symptome bereits vorhandener Krisen bzw. Bedrohungen können durch die Hochrechnungen identifiziert werden.479
Früherkennung:
Im Unterschied zur Frühwarnung bezieht die Früherkennung explizit Daten aus der Unternehmensumwelt und bis zu einem gewissen Maße qualitative Informationen ein, um einerseits Symptome potenzieller Bedrohungen zu erfassen und andererseits auch Chancen, die sich aus Entwicklungen der Unternehmensumwelt ergeben, zu erkennen.480 Es
473
Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 5; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 271. 474 Vgl. Krystek, U. (Unternehmungskrisen 1987). 475 Vgl. Rieser, I. (Frühwarnsysteme 1980) 476 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 6. 477 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 271. 478 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 6. 479 Vgl. Welge, M.K., Al-Laham, A. (Planung 1992), S. 151. 480 Vgl Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 55; Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 6. 152
erfolgt eine Loslösung von den vergangenheitsbezogenen Daten des Berichtswesens, vielmehr werden zukünftige Veränderungen und deren Wirkung auf das Unternehmen fokussiert. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Indikatoren, mit deren Hilfe man sich erhofft, Umweltveränderungen frühzeitig zu erkennen. Ausgangspunkt und gleichzeitig Problemfeld der Früherkennung ist die Festlegung der Beobachtungsfelder und die Auswahl geeigneter Indikatorensätze sowie der Festlegung von Soll-Werten und Toleranzbereichen für die einzelnen Indikatoren.481 Stellvertretend für die Früherkennungskonzepte der deutschen betriebswirtschaftlichen Literatur ist in nachfolgender Abb. IV-11 das Vorgehensmodell von Hahn dargestellt.482 1) Ermittlung von Beobachtungsbereichen zur Erkennung von Gefährdungen und Chancen
2) Bestimmung von Früherkennungsindikatoren je Beobachtungsbereich
Suche nach Indikatoren
Auswahl von Indikatoren erfolgt? ja
nein
3) Festlegung von Sollwerten und Toleranzen je Indikator
4) Festlegung von Aufgaben der Informationsverarbeitungsstelle(n) • Aufnahme und Überprüfung • Verarbeitungsprozesse • Informationsweiterleitung
5) Ausgestaltung der Informationskanäle
Abb. IV-11: Vorgehensmodell der Früherkennung nach Hahn483
Im Vergleich zur Frühwarnung stellt die Früherkennung eine wesentliche Weiterentwicklung in Bezug auf Zukunfts- und Umweltorientierung dar. Trotzdem weisen derartige Konzeptionen eine Reihe von Kritikpunkten auf:
481
Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 272. Weitere Autoren sind beispielsweise Pfriem und Picot. Vgl. dazu: Pfriem, R. (Indikatoren 1984). Picot, A. (Umweltinformationen 1977). 483 Quelle. Vereinfacht nach Hahn. Vgl. Hahn, D., Klausmann, W. (Frühwarnsysteme 1986), S. 267. 482
153
•
Schwierigkeiten bei der Auswahl der Beobachtungsfelder und der zugehörigen Indikatoren. Die Indikatorensätze müssen einerseits sowohl Chancen als auch Risiken abbilden als auch ein vollständiges "Abbild" der relevanten Unternehmensumwelt darstellen.484 Hinzu kommt, dass die Selektion der Indikatoren auf Vergangenheitswerten bzw. Erfahrungen basiert.485 Bei entsprechender Umweltdynamik stellt sich somit immer die Frage, ob die gewählten Indikatoren nicht längst obsolet sind.
•
Interdependenzen zwischen den einzelnen Indikatoren erschweren die Festlegung der Toleranzwerte, da Abweichungen eines Indikators häufig erst in Verbindung mit anderen Werten anderer Indikatoren kritisch oder relevant werden.486
•
Messprobleme bei qualitativen Größen (z.B. Wertewandel)487 sowie die Unterstellung, dass zwar unsichere, aber dennoch wohl definierte Informationen vorliegen, die mit den Methoden der klassischen Entscheidungstheorie verarbeitet werden können.488
Strategische Frühaufklärung:
Die Strategische Frühaufklärung489 als dritte Entwicklungsstufe, versucht die Schwächen der beiden Vorläufer zu kompensieren.490 Die zentrale Leitidee der Strategischen Frühaufklärung ist dabei das vorgestellte Konzept der Schwachen Signale von Ansoff mit seiner Basishypothese, dass Diskontinuitäten nicht vollkommen abrupt auftreten, sondern sich durch Vorläuferereignisse (Schwache Signale), die meist qualitativer und unstrukturierter Natur sind, ankündigen.491
484
Vgl. Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 259. Vgl. Klausmann, W. (Frühwarnsysteme 1983), S. 43. 486 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 274. 487 Vgl. Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 259; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 274. 488 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 7. 489 In der Literatur wird teilweise der Überbegriff der Frühaufklärung in eine operative und eine strategische Ebene differenziert, die weitestgehend der Unterscheidung in bereichs- bzw. gesamtunternehmensbezogen entspricht. Auf Grund der fehlenden Möglichkeit einer eindeutigen und trennscharfen Differenzierung (auch die Strategische Frühaufklärung umfasst Informationen aus bereichsbezogenen Beobachtungen) wird die Trennung der Frühaufklärung in die beiden genannten Ebenen in dieser Arbeit nicht weiterverfolgt. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 179-182. 490 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 6. 491 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 58; Kirsch W., Tux, W. (Frühaufklärung 1983), S. 227. 485
154
"Ziel Strategischer Frühaufklärung ist es, Frühaufklärungsinformationen zu strategisch relevanten Veränderungen bereits im Frühstadium zu liefern, mögliche Wirkungen und Entwicklungen aufzudecken sowie Strategien und Maßnahmen zu initiieren, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen."492 Dabei steht, ähnlich wie bereits bei der Früherkennung, die frühzeitige Erkennung von Gefahren und von Chancen im Vordergrund.493 Frühaufklärungsinformationen sollen dem Unternehmen ermöglichen, einen für ein rechtzeitiges Agieren relevanten Zeitvorlauf zu erhalten.494 Ein zentraler Unterschied ist die Akzentuierung der strategischen Komponente und die Abkehr von einer ausschließlichen Fokussierung auf die technische bzw. mathematischstatistische Optimierung von methodischen Ansätzen.495 Frühwarnungs- und Früherkennungssysteme wurden bis dato organisatorisch als Subsysteme der Unternehmensplanung behandelt. Stattdessen wird die Strategische Frühaufklärung "(...) als Aufgabe der Sensibilisierung des Managements gegenüber Soft-Facts sowie als Problem eines Informationsmanagements und der Umsetzung von FrüherkennungsInformationen in Aktionsprogramme verstanden; Frühaufklärung wird zur Leitmaxime eines strategisch ausgerichteten Management."496 Frühaufklärung soll also zur Kernaufgabe eines jeden Strategischen Managements zählen. "Denn die Notwendigkeit einer Frühaufklärung zieht sich durch alle Teilsysteme eines strategischen Managements in mehr oder weniger starkem Maße wie eine roter Faden hindurch."497 Weiterhin löst sich die Strategische Frühaufklärung von den ex ante festgelegte Indikatorensätzen der Früherkennung und postuliert stattdessen ein ungerichtetes Abtasten der Unternehmensumwelt, um Schwache Signale und damit Anzeichen für bevorstehende Änderungen flexibel und unvoreingenommen aufspüren zu können.498 Verschiedene Autoren bezeichnen daher die das ungerichtete Abtasten der Unternehmensumwelt bei
492
Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 58. Kirsch W., Tux, W. (Frühaufklärung 1983), S. 226. 494 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 177. 495 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 275; Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 7. 496 Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Grundzüge einer Frühaufklärung 1992), S. 341. 497 Kirsch W., Tux, W. (Frühaufklärung 1983), S. 226. Zwar betonen Kirsch/Tux die Relevanz der Frühaufklärung für das gesamte Strategische Management, räumen aber gleichzeitig ein, dass auf Frühaufklärung spezialisierte Teilsysteme sinnvoll sein können, die aus diesem Grund als Frühaufklärungssysteme bezeichnet werden können. 498 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 275. 493
155
der Strategischen Frühaufklärung auch als Strategisches Radar,499 bei Ansoff ist dies die Basisaktivität des Scanning.500 In den nächsten beiden Abschnitten werden Prozess und Kerninhalte der Frühaufklärung expliziert. 2.3.1.4
Prozess der Strategischen Frühaufklärung
Wie bei allen Management- oder Entscheidungsprozessen können auch in der Strategischen Frühaufklärung einzelne Phasen nur idealtypisch unterschieden werden, da in der Realität die einzelnen Prozessschritte überlappen bzw. starke Interdependenzen und Rückkopplungseffekte bestehen.501 Der Prozess der Strategischen Frühaufklärung wird in der relevanten betriebswirtschaftlichen Literatur relativ einheitlich dargestellt,502 wenngleich die einzelnen Prozessschritte größtenteils mit differierenden Bezeichnungen belegt sind und teilweise eine uneinheitliche Aufgliederung aufweisen. Im Folgenden wird stellvertretend für die betriebswirtschaftliche Forschung eine kurze Darstellung dreier differierender Prozesseinteilungen vorgenommen: •
Liebl unterteilt den Prozess in die vier Phasen: Umfeldbeobachtung, Generierung von Trendlandschaften (abgegrenzte Analyseeinheiten), Diagnose der strategischen Relevanz und Formulierung abgestufter Anwortstrategien.503
•
Für Hazebrouk besteht der Prozess der Strategischen Frühaufklärung aus den zwei Hauptphasen Scanning/Monitoring sowie Analyse (der Informationen) und Planung von Reaktionen.504
•
Hammer unterscheidet die fünf Prozessschritte: Umweltbeobachtung und Erfassung schwacher Signale, Analyse und Beurteilung von Auswirkungen, Relevanzbeurteilung, Formulierung von Reaktionsstrategien, Implementierung und Kontrolle.505
499
Vgl. u.a. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 49; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 275 sowie der Ansatz des Batelle-Instituts, der in Grundzügen in Abschnitt IV.2.3.1.2 dargestellt wurde sowie detailliert von Hammer zusammengefasst wird. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 235-239. 500 Siehe Abschnitt IV.2.3.1.1. 501 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 11. 502 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 71. 503 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 11 ff. 504 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 72. 505 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 253. 156
Es ist allen Einteilungen gemeinsam, dass als erste Phase der Informationsbeschaffung die Umweltbeobachtung, die bei allen drei Prozessdarstellungen aus Scanning und Monitoring besteht, genannt wird. Als zweiter Schritt schließt sich die Analyse der gewonnenen Informationen an. Bei Liebl wird dies unter dem Begriff "Generierung von Trendlandschaften" bezeichnet, was einer Bündelung der einzelnen Entwicklungen in Analyseeinheiten sowie der Evaluation der gegenseitigen Beeinflussungsstrukturen und Interdependenzen entspricht. Hazebrouk fasst die Analysephase mit der Planung von Reaktionen lediglich in einem Prozessschritt zusammen. Bei Liebl und Hammer wird die strategische Relevanz der durch die in der Umweltbeobachtung gewonnenen und in der Analysephase aufgearbeiteten Informationen in einem eigenen dritten Prozessschritt erarbeitet, bei Hazebrouk ist diese Phase nicht explizit dargestellt. Die nächste Phase in Gestalt der Ableitung von Reaktionen bzw. Reaktionsstrategien ist bei allen drei Autoren im Früherkennungsprozess enthalten. Hammer expliziert als einziger der drei Autoren als letzten Prozessschritt die Implementierung und Kontrolle, bei den anderen beiden Autoren ist diese Aufgabe Teil des Strategischen Planungsprozesses, der sich an den Frühaufklärungsprozess anschließt. Basierend auf den dargestellten Prozesseinteilungen lassen sich, die Implementierungsund Kontrollphase nicht berücksichtigt, drei grundsätzliche Prozessschritte der Strategischen Frühaufklärung synthetisieren und die entsprechenden Kernelemente zuordnen, was in nachfolgender Abb. IV-12 visualisiert ist:
157
Informationsbeschaffung
Scanning
Monitoring
Informationsverarbeitung
Analyse/ Aggregation
Prognose/ Projektion
Ableitung von Reaktionstrategien Prüfung d. strateg. Relevanz
Strategieentwicklung
Strategiebewertung /-auswahl
Abb. IV-12: Prozess der Strategischen Frühaufklärung506
Bereits zu Beginn dieses Abschnittes wurde angemerkt, dass es sich bei der Einteilung in Prozessschritte nur um eine idealtypische Aufteilung handeln kann, da die einzelnen Phasen stark interdependent bzw. überlappend sind. Erkenntnisse aus späteren Phasen lassen oftmals die in früheren Phasen gewonnenen Erkenntnisse in einem anderen Licht erscheinen, was einer erneuten Durchführung der vorgelagerten Schritte notwendig machen kann.507 Dies ist in der Abbildung durch die rückwärts gerichteten, gestrichelten Pfeile dargestellt. Im nächsten Abschnitt werden nun die genannten Kernelemente entlang der einzelnen Prozessphasen beschrieben. 2.3.1.5
Kernelemente der Strategischen Frühaufklärung
Informationsbeschaffung
Wie bereits in der Erläuterung des Konzepts der Schwachen Signale angedeutet,508 stellen die zentralen Instrumente der Informationsbeschaffung im Rahmen der Strategischen Frühaufklärung Scanning und Monitoring dar.509 Diese beiden Instrumente der Informationsbeschaffung haben nahezu in jedes Umsetzungskonzept einer Strategischen Frühaufklärung Eingang gefunden.510 Dabei ist das Scanning keineswegs eine Erfindung der Frühaufklärung, vielmehr lässt sie sich auf die Veröffentlichung "Scanning the Business Environment" von Aguilar zurück506
Quelle: Eigene Darstellung als Synthese der Frühaufklärungsprozesse von Liebl, Hazebrouk und Hammer. Vgl. dazu: Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 71;. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 11; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 72; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 253. 507 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12. 508 Siehe IV.2.3.1.1. 509 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 71 ff.; Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 71; Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12. 510 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 52. 158
führen, der fordert, die Unternehmensumwelt einer Erforschung bzw. Überwachung zu unterziehen, um dadurch bedeutsame Informationen für die Strategieformulierung eines Unternehmens zu gewinnen.511 Scanning bedeutet in Verbindung mit der Strategischen Frühaufklärung ein ungerichtetes "360°-Grad"-Abtasten der allgemeinen Unternehmensumwelt512 mit dem Ziel, Entwicklungen in Form von schwachen Signalen bzw. neue Beobachtungsbereiche zu identifizieren.513 Hervorzuheben ist, dass die Ungerichtetheit der Suche eng mit der schlechten Strukturierung von Informationen (Schwache Signale) bzw. deren unspezifizierte Art und Quelle in Verbindung steht. "Scanning bedeutet also notgedrungen einen Umgang mit hohen "Rauschpegeln" und erfordert eine breit angelegte Suche, für die kaum Richtlinien oder Anhaltspunkte zu existieren scheinen."514 Daher mangelt es auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur an methodischer Unterstützung für das Scanning, da eigentlich eine wissenschaftliche Vorgehensweise benötigt würde, die erlaubt, per Induktion Neues zu erkennen. Überspitzt formuliert gestaltet sich die Konzeption eines strukturierten Suchsystems nebst der zugehörigen Instrumente schwierig, da man eigentlich nach etwas sucht, von dem keine Vorstellung existiert, was es sein könnte und wo es zu finden ist.515 Bezüglich des Durchführungszeitpunktes werden beim Scanning drei sich ergänzende Grundformen unterschieden:516 •
Fallweises oder außerplanmäßiges Scanning - wird durch Krisensituationen ausgelöst.
•
Periodisches Scanning - wird in regelmäßigen Zeitabständen (in der Regel Planungsphasen) durchgeführt.
•
Kontinuierliches Scanning - wird fortwährend betrieben und bezieht sich in erster Linie auf kritische Bereiche der allgemeinen Unternehmensumwelt .
511
Vgl. Aguilar, F.J. (Scanning 1967), S. 1 ff. Krystek/Müller Stewens beziehen die ungerichtete Informationssuche auf die allgemeine Unternehmensumwelt und ordnen diese der Strategischen Früherkennung zu, wohingegen ein gerichtetes Suchen (fokussiert auf eine bekannte Informationsart bzw.- quelle für die bereits Indikatoren definiert wurden) und Beobachten auf die Aufgabenumwelt bezogen wird und somit ein Kernelement der operativen Frühaufklärung ist. Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 175 ff. bzw. Fußnote 489. 513 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12; Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 71. 514 Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12. 515 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12. 516 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 20; Welge, M.K., Al-Laham, A. (Planung 1992), S. 90; Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 52. 512
159
Dabei ist das fallweise Scanning nicht mehr als ungerichtet zu werten, da bereits ein auslösendes Moment in Form einer Krise die Suchrichtung auf bestimmte, mit der Krise verbundene Themen und Informationen lenkt. Folgende Tabelle fasst die wesentlichen Merkmale der drei Grundformen des Scanning zusammen: Tab. IV-1: Grundformen des Environmental Scanning517 Environmental Scanning
Auslöser
Fallweise
Periodisch
Kontinuierlich
Krise
Planungsphasen
Problem-/ Chancenbewusstsein
Suchbereich
Epezielle Ereignisse Ein ausgewählter Bereich von Ereig-
Ein Umwelt(sub)system
nissen Zeitbezug
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Ausrichtung
Reaktion
Antizipation
Antizipation
Suchmedium
Ad-hoc-Studien
Aktualisierte Stu-
Suchsystem
dien Da Schwache Signale nicht unmittelbar bzw. primär bei deren Entstehung registriert werden können, ist es notwendig, bei der Informationssuche bzw. beim Scanning auf sekundäre oder indirekte Quellen auszuweichen. Dort werden neue Ideen, Visionen, Vorreiterpositionen etc. veröffentlicht und aggregiert.518 Folgende sekundäre Quellen werden in der Literatur genannt:519 •
Zeitungen: Tageszeitungen, akademische und literarische Zeitungen
•
Magazine: Wirtschafts- und Businessmagazine, Fachpresse, Boulevard- und Lifestylemagazine, sonstige Magazine
•
Veröffentlichungen: z.B. von Verbänden, Zukunftsforschungsinstituten bzw. Futuristen, Universitäten, Behörden und statistischen Ämter, Firmen (z.. Unternehmensberatungen), sonstigen Organisationen (z.B. Nielsen, GfK etc.)
517
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Scholz, C. (Strategisches Management 1987), S. 26. Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 184. 519 Die dargestellte Aufzählung ist eine Synthese aus den Aufstellungen von Krystek/Müller-Stewens und Klopp/Schnauffer: Vgl. dazu Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 184; Klopp, M., Schnauffer, H.G. (Systematische Früherkennung 1999), S. 56. 518
160
•
Beauftragte Studien und Umfragen: z.B. Meinungsumfragen, FokusgruppenBefragungen, Experteninterviews, Workshops
•
Netzwerke: z.B. Runde Tische, Konferenzen und Seminare, aber auch Newsgroups, Communities und Datenbanken im Internet
Wie bereits erwähnt, ist die zweite Basisaktivität der Informationssuche das sog. Monitoring. Im Rahmen des Monitoring werden die im Scanning identifizierten Umweltentwicklungen einer genaueren, kontinuierlichen Untersuchung unterzogen bzw. weiter beobachtet, um so zusätzliche Informationen zu erhalten, bestehende Datenlücken zu schließen und eventuelle Widersprüchlichkeiten oder Inkonsistenzen zu beseitigen.520 Folglich steht das Monitoring damit in einem engen gegenseitigen Interaktionsverhältnis mit dem Scanning. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass im Monitoring die Informationen in einem höheren Strukturiertheitsgrad vorliegen, da ja bereits ein Schwaches Signal im Rahmen des Scanning identifiziert wurde, die Beobachtungsrichtung somit durch einen Themenbezug gelenkt wird, und es in höherem Maße darauf ankommt, detaillierte und genaue Informationssuche zu betreiben.521 Informationsverarbeitung
Als ersten Teilschritt werden die gewonnenen Informationen einer eingehenderen Analyse unterzogen bzw. auf ein handhabbares Maß aggregiert. Ziel ist dabei, den Kontext der registrierten Entwicklung bzw. deren Ursachen zu eruieren, Verhaltens- und Verbreitungsmuster (Diffusionsfunktionen oder strukturelle Trendlinien)522 herauszufinden, gegenseitige Abhängigkeiten und Interdependenzen zu identifizieren und die Vielzahl unterschiedlicher, bisher singulär betrachteter Informationen zu sinnvollen Analyseeinheiten zu bündeln.523 Potenzielle strategisch relevante Entwicklungen können beispielsweise durch eine Einordnung in eine Gegenüberstellung von Bereichen der Aufgabenumwelt mit Segmenten
520
Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12. Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 175-178; Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12; Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 71. 522 Siehe Abschnitt IV.2.3.1.2. 523 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 72;. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 12-14; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 255-257. 521
161
der allgemeinen Umwelt identifiziert, systematisiert sowie deren Wirkungsweise und zukünftige Entwicklungen abgeschätzt werden,524 was Abb. IV-13 veranschaulicht:
Entwicklungen, Ereignisse und Trends in der allgemeinen Unternehmensumwelt Aufgabenumwelt
Sozio-kulturell
Makro-ökonomisch
Politisch-rechtlich
Technologisch
Märkte Kunden Beschäftigte Wettbewerber Lieferanten/Rohstoffe Eigentümer ....
Abb. IV-13: Analysematrix525
Um indes weitere Erkenntnisse über sich abzeichnende Entwicklungen der Unternehmensumwelt zu erlangen, sollten Abhängigkeiten und Gemeinsamkeiten einzelner Entwicklungen strukturiert identifiziert werden, was ebenfalls in Matrixform im Rahmen einer Gemeinsamkeiten-/Abhängigkeiten-Analyse (ähnlich einer Vernetzungsmatrix526) geschehen kann. Diese Analyse bildet in diesem ersten Teilschritt der Informationsverarbeitung dann die Basis für eine Aggregation ähnlicher oder gleichartiger Entwicklungen in Bündel oder Cluster.527 Dieses Vorgehen wird am Beispiel eines Handelsunternehmens in der folgenden Abb. IV-14 zusammengefasst, wobei die obere Matrix die Gemeinsamkeiten-/AbhängigkeitenMatrix darstellt und die untere die Ableitung der Cluster: 524
Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 13. Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 13, der sich auf Wilson beruft. Vgl. Wilson, I. (Environmental Analysis 1983), S. 9-17. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde selbst durch den Autor vorgenommen. Eine nahezu identische Matrix (Mikro-Makro-Matrix) haben Krystek/Müller-Stewens entwickelt, die sich jedoch auch auf Wilson beziehen. Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 191. 526 Siehe Abschnitt IV.2.3.2.3. 527 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 14; Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 196 ff. 525
162
Entwicklung Umbruch durch Scanning
2
Segmentierung des Massenmarktes
3
Zielgruppe schrumpft
4
Minoritätenmarkt
5
CAD/CAM
6
Massenmärkte verfallen
7
Individualisierung
8
Der neue Verbraucher
9
Warenwirtschaftssysteme
10
Die Märkte der Zukunft
11
Fachgeschäfte für Singles
12
Neue Einfachheit Entwicklung
Cluster Der neue Verbraucher
7
Individualisierung
6
Massenmärkte verfallen
2
Segmentierung des Massenmarktes
8
Der neue Verbraucher
12
Neue Einfachheit
Bevölke- 11 rungs10 struktur 3 im Wandel 4 1 Neue Technolo- 9 gien 5
1
2
3
4
7
6
2
8
5
6
7
8
12 11 10 3
9 10 11 12
4
1
9
5
Gemeinsamkeiten
Ausprägung Hoch Mittel Niedrig
1
Fachgeschäfte für Singles Die Märkte der Zukunft Zielgruppe schrumpft Minoritätenmarkt Umbruch durch Scanning Warenwirtschaftssysteme CAD/CAM Abhängigkeiten
Abb. IV-14: Die Ableitung von Entwicklungsclustern528
Ist die Tiefenanalyse der einzelnen Entwicklungen und die Aggregation in sinnvolle Entwicklungscluster erfolgt, ist es im nächsten Teilschritt für das betreffende Unternehmen von großer Bedeutung, welche zukünftigen Verläufe die registrierten Entwicklungen nehmen werden. Anders formuliert, wird eine Methode benötigt, die es erlaubt, eine Prognose bzw. Projektion zu erstellen. Auf Grund des niedrigen Grades der Strukturiertheit der Frühaufklärungsinformationen eignen sich in erster Linie qualitative Methoden für die Vorhersage der zukünftigen Entwicklungen.529 Neben der Delphi-Methode530 nimmt insbesondere die Erstellung von Szenarios eine zentrale Stellung im Rahmen der Frühaufklärung ein.531 Da aber die Szenario-Methode, verstanden als holistisches Konzept, auch über den Rahmen der eigentlichen Szenarienerstellung hinausgeht, wird sie in
528
Quelle: Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 197. Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 78. 530 Siehe Abschnitt IV.2.2. 531 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 220. 529
163
dieser Arbeit als eigenständige Methode532 in einem separatem Abschnitt533 beschrieben. Es sei aber herausgestellt, dass diese in einem interdependenten Beziehungsgefüge mit der Strategischen Frühaufklärung steht.534 Als letzter Teilschritt in der Informationsverarbeitung folgt auf dieser Basis die Diagnose der strategischen Relevanz, da die für die Unternehmensstrategie relevanten Implikationen bisher noch nicht bekannt sind. Üblicherweise werden die identifizierten Umweltentwicklungen in Chancen und Bedrohungen kategorisiert und den Stärken und Schwächen des Unternehmens gegenübergestellt. Als erste grundlegende Frage ist in dieser Phase die Einordnung der identifizierten Entwicklungen in die Kategorien Chance oder Bedrohung zu beantworten sowie eine Rangfolge zwischen wichtigen und weniger wichtigen Entwicklungen aufzustellen. Müller/Zeiser adressieren die dargestellte Fragestellung, indem sie ein Verfahren entwickelt haben, dass auf Basis einer Expertenbefragung (Diskontinuitätenbefragung) zu den in der Tiefenanalyse identifizierten und beschriebenen Entwicklungen eine Einordnung in Chance bzw. Bedrohung vornimmt sowie diese mit Eintrittswahrscheinlichkeiten belegt. Die Diskontinuitäten, die die höchste Wahrscheinlichkeit aufweisen, bzw. am stärksten als Bedrohung oder Chance gesehen werden, haben ergo die höchste Priorität bezüglich weiterer Beobachtungen bzw. der Ableitung von Reaktionsstrategien.535 In einem zweiten Schritt können nun die identifizierten Chancen und Bedrohungen den Stärken und Schwächen des Unternehmens in einer Matrix gegenübergestellt werden, um somit dezidiert Handlungsbedarf abzuleiten. Wichtig dabei ist, dass die Stärken und Schwächen des Unternehmens nicht ausschließlich in historischem Kontext formuliert werden, sondern berücksichtigt wird, wie sich diese in der Zukunft darstellen.536 Ableitung von Reaktionsstrategien
Nachdem nun die Relevanz der Frühaufklärungssignale in Form von Chancen und Bedrohungen ermittelt sowie ein Abgleich mit den unternehmenseigenen Stärken und Schwächen durchgeführt wurde, ist die letzte Prozessstufe in Gestalt der Entwicklung und Bewertung von Reaktionsstrategien zu bearbeiten. Wie bereits im Rahmen der Vor532
Mit dieser Ansicht schließen wir uns Krystek/Müller-Stewens an, die konstatieren, dass die SzenarioMethode keine Prognosemethode im herkömmlichen Sinne darstellt. Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 216. 533 Siehe Abschnitt IV.2.3.2. 534 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 267. 535 Vgl. Müller, G., Zeiser, B. (Signale 1980), S. 605-619. 536 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 15-16. 164
stellung des Ansoff´schen Konzeptes expliziert, sind in Abhängigkeit von den Ungewissheitsgraden abgestufte Antwortstrategien zu formulieren.537 Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die bisherige Isolierung der Frühaufklärung von den "normalen" Prozessen der Strategischen Planung aufzuheben ist, und die Reaktionen in den Gesamtkontext der Strategischen Planung einzubetten sind.538 Sollten als Ergebnis aus der Strategieformulierung mehrere Strategiealternativen im Hinblick auf Auswahl und spätere Realisierung vorliegen, ist eine Bewertung vorzunehmen. Üblicherweise orientiert sich eine Bewertung bzw. die Auswahl dabei an den zu Grunde gelegten Zielen eines Unternehmens, die quantitativer (ROI, Shareholder Value, Jahresüberschuss etc.) bzw. qualitativer Natur (Machbarkeit, Flexibilitätsgewinn, ethische Grundsätze) sein können.539 Dabei können eine Reihe unterschiedlicher Methoden, wie beispielsweise Strategieprofil-Methoden, Nutzwertverfahren oder klassische investitionstheoretische Methoden (Kapitalwert-, Kostenvergleich, Rentabilitätsmethode), zum Einsatz kommen.540 2.3.2
Szenario-Analyse
Wie bereits im vorhergehenden Kapitel angesprochen kommt dem Erstellen von Szenarios innerhalb der Strategischen Frühaufklärung eine wichtige Rolle zu. Die Ansätze, die sich dezidiert mit der Szenario-Analyse beschäftigen, sind indes so vielfältig und die Konzeptionen weit mehr als ein Instrument im Rahmen der Frühaufklärung, so dass die Szenario-Analyse als eigenständige Antizipationsmethode in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben wird. Die Szenario-Analyse kann als eine der zentralen Methoden der Zukunftsforschung verstanden werden. Sie stellt einen Methodenverbund dar, der einzelne Elemente und Aspekte unterschiedlichster qualitativer und quantitativer Methoden (Delphi-Methode, Simulationen, ökonometrische Modelle, morphologische Analysen etc.) beinhaltet.541
537
Siehe IV.2.3.1.1, insbesondere Abb. IV-8: Möglicher Einsatz alternativer Reaktionsstrategien. Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 259. 539 Vgl. Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 487 ff. 540 Auf eine detaillierte Explikation der einzelnen Methoden wird an dieser Stelle verzichtet, stattdessen verweisen wir stellvertretend für die betriebswirtschaftliche Literatur auf Welge/Al-Laham. Vgl. dazu Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 491 ff. 541 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 220. 538
165
2.3.2.1
Grundlagen und begriffliche Abgrenzung
Szenarien sind Beschreibungen einer zukünftigen Entwicklung des Projektionsgegenstandes unter Zugrundelegung alternativer Rahmenbedingungen.542 Ziel ist es ergo, mögliche Zukunftsbilder zu entwerfen und den Weg zu diesen "potenziellen" Zukünften zu beschreiben.543 Für die Erstellung von Szenarien werden in der deutschsprachigen Literatur die als synonym zu bewertenden Begrifflichkeiten "Szenario-Analyse", "Szenario-Technik" und "Szenario-Methode" verwendet.544 Als Definition für den weiteren Verlauf der Ausführungen sei die Szenario-Analyse als eine integrierte, systematische und vorausschauende Betrachtung verstanden, "(...) bei der ausgehend von einer heutigen Situation, unter Zugrundelegung und Beachtung des zeitlichen Bezugs plausibler Entwicklungen und Ereignisse, das Zustandekommen und der Rahmen zukünftiger Situationen aufgezeigt werden sollen."545 Ursprünglich wurde die Szenario-Technik in den fünfziger Jahren von der RAND Corporation für militärische Zwecke konzipiert und Anfang der Siebziger im Zeichen der ersten Ölkrise von der Firma Shell für den wirtschaftlichen Einsatz erschlossen.546 Die Verwendung des Begriffs Szenario in den Wirtschaftswissenschaften geht auf Kahn zurück, der damit die Methodik der Szenario-Erstellung geprägt hat.547 Wohlwissend, dass unterschiedliche Ansätze innerhalb des Begriffsrahmens der Szenario-Analyse bestehen,548 lassen sich die grundlegenden Merkmale der Szenario-Analyse wie folgt beschreiben:549 •
Langfristiger Projektionshintergrund
•
Erfassung quantitativer und qualitativer Daten bzw. Sachverhalte
542
Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 263. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 153. 544 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 71. 545 Oberkampf, V. (Szenario-Technik 1976) S. 7. 546 Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 152; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 262; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 71. 547 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 72. 548 Eine tiefere Diskussion über die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Konzepte der SzenarioAnalyse findet sich bei Götze. Vgl. dazu Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 72 ff. 549 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 263-264. 543
166
•
Keine Extrapolation der Vergangenheit in die Zukunft, sondern eine "Vorausschauende Betrachtung" unter Berücksichtigung der Ziele und Wertvorstellungen der Aktoren
•
Möglichkeit zur Berücksichtigung von Störereignissen, da nicht von einer deterministischen, sondern vielmehr von einer nur beschränkt vorhersehbaren Zukunft ausgegangen wird
•
Erstellung von mehreren Szenarien, um damit die Bandbreite möglicher Zukunftsentwicklung auf der Basis alternativer, aber konsistenter Annahmenbündel aufzuzeigen
•
Entwurf von Entwicklungspfaden zu den jeweiligen alternativen Zukunftsbildern
Das Denkmodell der Szenario-Analyse lässt sich Hilfe des so genannten "SzenarioTrichter" verdeutlichen, der in der nachfolgenden Abb. IV-15 dargestellt ist.
167
Extremszenario
Szenario A
Szenario A´
Trendszenario
Extremszenario
0 Gegenwart
t1
t2
Störereignis
Einsatz von Gegenmaßnahmen
t Zukunft
Abb. IV-15: Denkmodell der Szenario-Analyse550
Ausgangspunkt ist immer der engste Punkt des Trichters, der zeitlich verstanden die Gegenwart symbolisiert. Da der Einfluss von deterministischen Größen der Gegenwart (also den Faktoren, die das Unternehmen beeinflussen, wie beispielsweise Märkte, Gesetze, Wettbewerb, Technologien, Werte und Normen) auf Grund von steigender Unsicherheit und Komplexität abnimmt, je weiter man von der heutigen Situation in die Zukunft geht, erweitert sich der Bereich möglicher Entwicklungen trichterförmig.551 Auf der Schnittfläche des Trichters befinden sich alle denkbaren Zukunftssituationen als Endzustände aller im Zeitraum 0 bis t möglichen Entwicklungspfade.552 Da es unmöglich und zudem unwirtschaftlich ist, auf Grund der nahezu unbegrenzten Anzahl, alle möglichen
550
Quelle: Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 27. Ähnliche Darstellungen finden sich u.a. bei Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 30; Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 124; MüllerStewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 153; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 264; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 40. 551 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 27; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 264; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 39; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 29. 552 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 27; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 39. 168
Zukünfte, die auf dem Trichterquerschnitt liegen, zu beschreiben, werden nur einige davon als Szenarien beschrieben.553 Generell geht man davon aus, dass die Projektion auf drei bis fünf mögliche Szenarien konzentriert werden sollte.554 Eine Extrapolation der gegenwärtigen Situation in die Zukunft stellt das Trendszenario dar. Die beiden Extremszenarien, die an den Scheitelpunkten der Trichterschnittfläche lokalisiert sind, repräsentieren die Resultate der extremsten Entwicklungen der einbezogenen Faktoren.555 Das Szenario A zeigt hingegen eine andere, für plausibel gehaltene Entwicklung der determinierenden Größen. Die Möglichkeit der planerischen Integration von abrupt auftretenden Ereignissen (Störereignissen) zeigt Szenario A´. Bis zum Zeitpunkt t1 verlaufen die Entwicklungspfade von Szenario A und Szenario A´ absolut identisch. Ein dann auftretendes Störereignis lenkt die Ausprägung der relevanten Faktoren jedoch in eine andere Entwicklungsrichtung. Ebenfalls antizipiert werden potenzielle Gegenmaßnahmen (in der Abbildung zum Zeitpunkt t2), die den Verlauf der Entwicklung wiederum in eine andere, in diesem Fall gegengesetzte Richtung lenken, um so schließlich zum Zeitpunkt t beim Szenario A´ zu gelangen.556 Bei der Entwicklung der Szenarien sind im Wesentlichen die drei folgenden Kriterien zu beachten:557 •
Stimmigkeit, Konsistenz und Widerspruchsfreiheit innerhalb eines Szenarios
•
Hohe Stabilität der einzelnen Szenarien
•
Möglichst große Unterschiedlichkeit zwischen den relevanten Szenarien (in unserem Fall Szenarien A und A´), demzufolge Position möglichst an den "Rändern" des Trichter
Der Frage nach der Vorgehensweise bei der Durchführung der Szenario-Analyse widmet sich der nächste Abschnitt. 2.3.2.2
Phasen bei der Anwendung der Szenario-Analyse
Grundsätzlich sind die einzelnen Schritte im Rahmen der Szenario-Analyse individuell festzulegen bzw. an die Rahmenbedingungen (Untersuchungsgegenstand, -ziel) anzupas553
Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 39. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 265. 555 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 40. 556 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 29. 557 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 28; eine detailliertere Aufstellung in Form eines Kriterienkatalogs für Szenarien liefert Götze. Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 65. 554
169
sen. Allerdings kann man durchaus ein allgemein gültiges Vorgehensmuster für die Szenario-Analyse darstellen, das von den meisten Autoren in dieser Form, abgesehen von formalen Darstellungen und inhaltlichen Schwerpunkten, verwendet wird.558 Stellvertretend für die Prozesseinteilungen der Literatur wird in nachfolgender Abbildung das Modell von v. Reibnitz dargestellt und im weiteren Verlauf dieses Abschnittes expliziert: 4
5 Alternativenbündelung
Szenario-Interpretation
Konsistenzbewertung
Vernetzte Szenario-Entwicklungen
3
6 Trendprojektionen
Konsequenz-Analyse
Eindeutige Projektionen Alternative Projektionen
Chancen-/Risiko Aktivitäten
2
7 Einflussanalyse
Störereignisanalyse
Einflussbereiche Einflussfaktoren Vernetzungen
Auswirkungsanalyse Präventivmaßnahmen Reaktivmaßnahmen
1
8 Aufgabenanalyse
Szenario-Transfer
Ziele - Strategien Stärken - Schwächen
Leitstrategie Alternativstrategie Umfeldbeobachtungssystem
Abb. IV-16: Prozess der Szenario-Analyse559 Aufgabenanalyse:
In diesem ersten Schritt wird der Untersuchungsgegenstand (z.B. ein Unternehmen, eine Geschäftseinheit) aus der gegenwärtigen Situation analysiert. Ziel ist es, einen Überblick über die aktuell verfolgten Ziele bzw. Strategien zu erlangen sowie eine Bestandsaufnahme des Leistungsspektrums und sonstiger interner Rahmenbedingungen durchzuführen, um auf dieser Basis die Stärken- und Schwächen des Untersuchungsgegenstandes
558 559
Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 265. Quelle: Grafisch leicht verändert nach Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 20. 170
aufzuarbeiten. Des Weiteren wird der Betrachtungshorizont für die Szenario-Betrachtung festgelegt.560 Einflussanalyse:
In dieser Phase werden die externen Einflussbereiche, die auf den Untersuchungsgegenstand einwirken individuell festgelegt und deren Wirkungsweise und Interdependenzen analysiert. Die typischen Einflussbereiche sind die einzelnen Segmente der Aufgabenumwelt und der allgemeinen Umwelt.561 Innerhalb der einzelnen Einflussbereiche müssen die relevanten Einflussfaktoren identifiziert werden und die gegenwärtige Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand (z.B. das Unternehmen) ermittelt werden. Auf dieser Basis lässt sich eine relative Rangfolge der Einflussfaktoren erstellen. Von entscheidender Bedeutung sind die Interdependenzen und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren. Diese werden systematisch mittels einer Vernetzungsmatrix und des so genannten System-Grid analysiert. Ziel ist es, herauszufinden, wie und wie stark die einzelnen Faktoren von anderen Faktoren beeinflusst werden, bzw. wie stark sie selbst andere Faktoren beeinflussen. Als Ergebnis erhält man unterschiedliche Gruppen von Faktoren, welche entweder andere Faktoren sehr stark beeinflussen (aktive Elemente) bzw. von anderen stark beeinflusst werden (passive Elemente). Dies gibt bereits entscheidende Hinweise darauf, auf welche Einflussfaktoren sich Maßnahmen bzw. Strategien auszurichten haben, da durch eine Konzentration auf die aktiven Elemente eine Verstärkerwirkung erzielt werden kann, weil die passiven Elemente "automatisch" mit beeinflusst werden.562 Auf Grund der zentralen Bedeutung von Vernetzungsmatrix und System-Grid wird eine separate Darstellung dieser Instrumente im nächsten Abschnitt vorgenommen.563 Trendprojektionen:
In diesem Prozessschritt werden den in der vorhergehenden Phase ermittelten und analysierten Einflussfaktoren beschreibende, wertneutrale quantitative oder qualitative Kenngrößen (sog. Deskriptoren) zugeordnet, die den gegenwärtigen und den zukünftigen Zustand der entsprechenden Entwicklungen umschreiben.564 Wurde beispielsweise für
560
Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 30-33; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 31-37; ähnliche Darstellungen u.a. bei: Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 124. 561 Siehe Abschnitt II.2.2 und dabei insbesondere . 562 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 33-45; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 37-46. 563 Siehe Abschnitt IV.2.3.2.3. 564 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 45. 171
ein Unternehmen der Automobilbranche als wichtiger Einflussfaktor die europäische Gesetzgebung als Teil des politisch-rechtlichen Segments der allgemeinen Umwelt identifiziert, könnten beispielsweise Geschwindigkeitsregelungen, Kfz-/Mineralölsteuer sowie Autobahngebühren als mögliche relevante Deskriptoren ermittelt werden.565 Im Anschluss sind die jeweiligen Ist-Zustände der Deskriptoren festzulegen, um davon ausgehend eine Projektion in die Zukunft vorzunehmen. Dem Vorschlag von v. Reibnitz folgend, können beispielsweise zwei Zeithorizonte (z.B. sieben und 15 Jahre = Betrachtungshorizont) festgelegt werden, für die die zukünftigen Entwicklungen der einzelnen Deskriptoren zu bestimmen sind. Ist eine eindeutige Entwicklung bestimmbar, handelt es sich um eindeutige Deskriptoren, herrschen in der Expertenrunde differierende Meinungen über den zukünftigen Verlauf der Entwicklung vor, wird von einem alternativen oder kritischen Deskriptor gesprochen.566 Bei oben genannten Beispielen könnte dies einen Beibehalt der nationalen Geschwindigkeitsbeschränkungen oder eine internationale Vereinheitlichung mit teilweiser Verschärfung bedeuten. In jedem Fall gilt, dass die Gründe für die Verläufe der Deskriptoren ausreichend begründet und dokumentiert werden.567 Alternativenbündelung:
In dieser Phase werden die verschiedenen Alternativentwicklungen der kritischen Deskriptoren untereinander auf ihre Konsistenz und Logik überprüft. Dazu wird in der Regel eine so genannte Konsistenzmatrix verwendet, die als ein weiteres zentrales Instrument der Szenario-Analyse ebenfalls im nächsten Abschnitt genauer dargestellt wird. Im Wesentlichen werden dabei alle Ausprägungen der alternativen Deskriptoren gegenübergestellt und geprüft, ob diese sich widerspruchsfrei (konsistent), neutral oder ausschließend verhalten. Aus den Ausprägungen, die zusammenpassen und möglichst wenige Inkonsistenzen untereinander beinhalten, werden im Anschluss widerspruchsfreie Annahmenbündel gebildet, die die so genannten Rohszenarien bilden. Diese werden dann auf ihre interne Stabilität geprüft, das heißt diejenigen Szenarien werden selektiert, deren Konsistenz sich unter dem Einfluss von Störgrößen nicht verändert und die dadurch auch über einen längeren Zeitraum Gültigkeit haben. Sollten nach diesen zwei Selektionsschritten noch mehr, als die gewünschte Anzahl von Szenarien übrig bleiben, werden die
565
In leicht abgeänderter Form übernommen von Reibnitz, U. v., Geschka, H.; Seibert, S. (SzenarioTechnik 1982), S. 166. 566 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 47; Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 126. 567 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 45-49; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 46-47. 172
Szenarien ausgewählt, deren projizierter Zustand möglichst stark voneinander differiert. Somit bleiben in Summe erfahrungsgemäß zwei bis drei Szenarien übrig.568 Zwar nicht im Konzept von v. Reibnitz enthalten, aber dennoch auf Grund der häufigen Erwähnung in alternativen Konzepten569 der Szenario-Analyse nicht zu vernachlässigen, ist die Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Deskriptoren zur Ermittlung der Rohszenarien als Substitut zur Konsistenzmatrix. Als zentrales Instrument kommen dabei die Methodiken der Cross-Impact-Analyse zum Einsatz.570 In Abschnitt IV.2.3.2.3 wird ein Überblick über die unterschiedlichen Verfahren der Cross-Impact-Analyse gegeben. Szenario-Interpretation:
In diesem Schritt werden die entwickelten konsistenten, stabilen und unterschiedlichen Szenarien durch Einbeziehung der eindeutigen Deskriptoren sowie der Ergebnisse der Vernetzungsanalyse verfeinert und interpretiert. Die Zuordnung der eindeutigen Deskriptoren zu den ermittelten Rohszenarien kann entweder manuell oder rechnergestützt erfolgen; ggf. sind die Projektionen der eindeutigen Deskriptoren an die Szenarien anzupassen. Im Anschluss daran sollten für die Szenarien analog zum zweiten Prozessschritt eine Vernetzungsanalyse und ein System-Grid erstellt werden, da jetzt, im Gegensatz zu der Einflussanalyse, die nur die gegenwärtigen Ausprägungen erfasst, Zukunftsprojektionen vorliegen. Damit lässt sich die Dynamik der Weiterentwicklung im Vergleich zur Gegenwart sowie der Unterschied der beiden Szenarien hinsichtlich ihrer Systemdynamik aufzeigen.571 Konsequenz-Analyse:
In dieser Phase werden auf Basis der entwickelten Szenarien mögliche Chancen und Risiken für den Untersuchungsgegenstand abgeleitet sowie mögliche Aktivitäten im Sinne von Maßnahmen konzipiert. Dabei ist zwischen den gewählten Zeithorizonten zu differenzieren.572
568
Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 49-53; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 47-51. Hierzu sind u.a. die Konzepte des Batelle-Instituts, des Centers for Futures Research und von Wilson zu zählen. Vgl. dazu Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 91 ff. 570 Vgl. dazu Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 123-125. 571 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 53-56; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 51-53. 572 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 53-56; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 51-53. 569
173
Störereignisanalyse:
Hierbei werden potenziell mögliche, aber für unwahrscheinlich angenommene Ereignisse, die das Unternehmen erheblich beeinflussen können, hinsichtlich ihrer Signifikanz bewertet und mit entsprechenden Präventiv- oder Reaktivmaßnahmen belegt. Zur Identifikation von Störereignissen können unterschiedliche Kreativitätstechniken573 innerhalb der Gruppendiskussion bzw. eventuell vorhandene Checklisten eingesetzt werden. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass diese Ereignisse einen starken Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Der Charakter der Störereignisse muss danach durch eine Interpretation, Differenzierung und Beschreibung herausgearbeitet werden. Anschließend werden die Auswirkungen auf die einzelnen Szenarien untersucht. Stellt sich dabei heraus, dass Störereignisse existieren, die ein Szenario maßgeblich beeinflussen, kann es sinnvoll sein, für das entsprechende Szenario ein alternatives Störfallszenario zu formulieren.574 Szenario-Transfer:
In diesem letzten Schritt werden die erarbeiteten Aktivitäten und Maßnahmen zu den Chancen und Risiken innerhalb einer Leitstrategieentwicklung verarbeitet bzw. eventuelle Alternativstrategien festgelegt sowie ein Umfeldbeobachtungssystem etabliert.575 Dieser Schritt kann bereits der Strategischen Planung zugerechnet werden und ist somit kein eigentlicher Bestandteil der Szenario-Analyse.576 2.3.2.3
Ausgewählte Instrumente der Szenario-Analyse
Wie bereits erwähnt, werden in diesem Abschnitt die zentralen Instrumente der SzenarioAnalyse abgehandelt. Dazu zählen wir Vernetzungsmatrix/System-Grid, Konsistenzanalyse und die Cross-Impact-Analyse. Vernetzungsmatrix/System-Grid:
Der Anwendungsbereich einer Vernetzungsmatrix liegt in der Untersuchung von wechselseitigen Beziehungen der Elemente des betrachteten Systems. Dabei können die Elemente verschiedenartig sein und Einflussbereiche, Einflussfaktoren oder Deskriptoren bzw. deren Ausprägungen umfassen. In der Vernetzungsmatrix wird das Ausmaß der Beeinflussung der einzelnen Elemente durch eine Beurteilung der Einflussstärke mittels 573
Zum Beispiel die im Rahmen der qualitativen Antizipationsmethoden vorgestellten heuristischen Methoden. Siehe Abschnitt IV.2.2.1, Seite 137. 574 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 59-65; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 55-59. 575 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 65-70; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 59-62. 576 Vgl. Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 128. 174
einer vorgegebenen Skala erfasst.577 In der Regel gehen die Bewertungsskalen von 0 (=kein Einfluss) über 1 (=schwacher oder indirekter Einfluss) bis 2 (=starker Einfluss). Denkbar ist aber auch eine feinere Unterteilung.578 Die Vernetzungsmatrix wird aufgestellt, indem die einzelnen Elemente als Zeilen- bzw. Spaltenbezeichnungen einer Tabelle vertikal bzw. horizontal eingetragen und in den entstehenden Zellen die entsprechenden Bewertungen eingestellt werden. Die Basis für die Interpretation bilden die Aktivsummen (Zeilensummen) bzw. die Passivsummen (Spaltensummen). Die Höhe der Aktivsumme gibt die Stärke an, mit der ein Element die anderen beeinflusst, die Höhe der Passivsumme gibt den Beeinflussungsgrad des Elements durch alle anderen an.579 Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Tab. IV-2: Vernetzungsmatrix580 Elemente
A
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
Aktivsumme
2
2
2
2
2
1
0
2
1
14
2
2
2
0
0
0
1
1
8
2
0
2
2
1
1
1
11
1
2
0
0
0
0
6
0
0
1
0
2
9
2
0
0
0
5
0
0
0
4
2
1
10
2
11
B
0
C
0
2
D
1
0
2
E
2
2
0
2
F
0
0
0
1
2
G
0
2
0
1
1
0
H
1
2
2
0
0
2
0
I
0
2
2
1
1
2
0
1
J
0
2
2
2
0
0
0
0
1
Passivsumme
4
14
12
13
9
10
5
3
7
7 8
85
Der Übertrag der Werte der Vernetzungsmatrix in den System-Grid dient der Verbesserung der Übersichtlichkeit und der Kategorisierung der Ergebnisse der einzelnen Elemente. Der System-Grid besteht aus einem Koordinatensystem bei dem die Passivwerte auf der x-Achse und die Aktivwerte auf der y-Achse abgetragen werden. Die jeweiligen Höchstwerte der Achsen ergeben sich aus der maximal erreichbaren Aktiv- bzw. Passivsumme (bei o.g. Beispiel 18). Dieser abgegrenzte Bereich wird dann in Quadranten auf577
Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 145. Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 36; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 145. 579 Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 35; Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 38; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 145. 580 Quelle: Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 35. 578
175
geteilt, indem auf Höhe der durchschnittlichen Aktiv- und Passivsumme (85/10 = 8,5) Linien gezogen werden. In diese Felder werden nun die Elemente in Abhängigkeit von ihren Aktiv- und Passivwerten eingeordnet, was in folgender Abbildung dargestellt ist:581 Aktivsumme
18 17
I
II
16 15 A
14 13 12
C
I
11 H
10
E
9
B
8 J
7
D
6 F
5 G
4 3 2 1
III
IV Passivsumme
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18
Abb. IV-17: System-Grid582
Feld I ist der Bereich der aktiven Systemelemente: Die Elemente, die in diesem Feld positioniert sind, zeichnen sich durch eine starke Beeinflussung der anderen Elemente (hohe Aktivsumme) bei gleichzeitiger niedriger eigener Beeinflussung (geringe Passivsumme) aus. Feld II ist der Bereich der ambivalenten Systemelemente: In diesem Feld ist sowohl die Aktivität als auch die Passivität der dort positionierten Elemente hoch. Sie werden also in etwa in dem gleichen Maße beeinflusst, wie sie die anderen Elemente beeinflussen.
581 582
Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 40. Quelle: Leicht modifiziert nach Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 40. 176
Feld III ist der Bereich der niedrig ambivalenten bzw. puffernden Systemelemente: Elemente dieses Bereichs werden relativ gering vom Gesamtsystem beeinflusst und beeinflussen das Gesamtsystem ebenfalls recht gering. Feld IV ist der Bereich der passiven Systemelemente: Diese werden in starkem Maße von den anderen Elementen beeinflusst, ohne auf die anderen Elemente des Gesamtsystems maßgeblich einzuwirken. Durch diese Einteilung kann nun eine Rangfolge der Felder (absteigend I bis IV) bzw. der einzelnen Elemente bezüglich ihrer Aktivität aufgestellt werden. Man erhält dadurch Hinweise, welche Elemente die größte Hebelwirkung für das Gesamtsystem aufweisen.583 Die Vernetzungsmatrix in Kombination mit dem System-Grid hat ihre wesentlichen Vorteile in der einfachen und kostengünstigen Durchführbarkeit. Sie ermöglicht schnell, die wesentlichen Dynamiken eines Gesamtsystems zu verstehen und gibt Hinweise auf die zentralen Treiber. Zudem ist sie universell für die Analyse unterschiedlichster Systeme (Einflussbereiche, -faktoren, Deskriptoren) einsetzbar. Nachteilig erweisen sich die Reduktion der meist vielfältigen Beziehungen einzelner Systemelemente auf die Größe "Einfluss" und Ungenauigkeiten, die aus der Abstufung der Skalen zur Messung der Einflussstärke resultieren. Zudem ist die Vernetzungsmatrix auf subjektive Beurteilungen angewiesen.584 Konsistenzanalyse:
Die Konsistenzanalyse dient zur Erarbeitung von Rohszenarien indem sie das Konsistenzmaß für jeweils eine Annahme bezüglich des Verlaufs zweier alternativer Deskriptoren festlegt. Das Konsistenzmaß ist eine Bewertungszahl, die die relative Plausibilität des Eintreffens beider Annahmen bestimmt. Es ist für alle möglichen Ausprägungen unterschiedlicher alternativer Deskriptoren nach einer festzulegenden Skala abzuschätzen. Alle Ausprägungen der kritischen Deskriptoren werden in einer Matrix gegenübergestellt (analoges Vorgehen wie bei der Vernetzungsmatrix), in den sich ergebenden Zellen wird das Konsistenzmaß für alle Zweierkombinationen eingetragen. Im Gegensatz zur Vernetzungsmatrix entsteht das Bild einer Dreiecksmatrix, da für jeweils zwei Annahmen nur eine Konsistenzbewertung anzugeben ist.585 Die Ermittlung der konsistenten Annahme-
583
Vgl. Reibnitz, U. v. (Szenarien 1987), S. 41; Reibnitz, U. v. (Szenario-Technik 1991), S. 37-39. Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 153-154. 585 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 155 ff. 584
177
bündel mittels der Konsistenzmatrix sei anhand eines Beispiels verdeutlicht, bei dem folgende Bewertungsskala zu Grunde gelegt wird: Tab. IV-3: Beispiel einer Bewertungsskala für die Konsistenzanalyse586
Bewertungszahl Bedeutung 1
Totale Inkonsistenz
2
Partielle Inkonsistenz
3
Neutral bzw. unabhängig voneinander
4
Gegenseitige Begünstigung
5
Sehr große gegenseitige Verstärkung
Bei beispielsweise sechs kritischen Deskriptoren, von denen vier jeweils zwei Ausprägungen und zwei jeweils drei Ausprägungen aufweisen, ergibt sich bei (fiktiver) Bewertung der Konsistenzen folgende Matrix: Tab. IV-4: Konsistenzmatrix587 Deskriptoren A B C D E F
A Ausprägungen 1 2 1 2 3 1 2 1 2 1 2 1 2 3
1
2
2 3 4 2 4 4 2 5 2 2 3 5
B 2
1
4 3 2 4 2 2 4 2 4 4 3 1
5 1 5 2 4 2 5 3 1
C 3
3 2 3 3 3 3 3 4 3
1
2 5 1 4 1 5 1 2 3
D 2
3 3 5 3 4 3 2
1
3 3 5 2 4 3 2
E 2
2 4 5 4 1
1
4 2 1 2 5
2
2 3 4
1
F 2
3
4 3 2
Für die dargestellte Konsistenzmatrix ergeben sich 144 mögliche Annahmenbündel. Die Anzahl xa wird von der Menge der kritischen Deskriptoren und deren alternativen Ausprägungen determiniert und berechnet sich nach folgender Formel:588 xa =
N n =1
n
mit: n = Art des kritischen Deskriptors 586
Quelle: Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 155. Quelle: Grafisch verändert nach Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 158. 588 Vgl. Amara, R., Lipinski, A.J. (Business 1983), S. 77 f. Für o.g. Beispiel ist der Wert 144 der Produktwert aus 2 * 3 *2 * 2 * 2 * 3 (Anzahl der Ausprägungen der Deskriptoren A, B, C, D, E, F). 587
178
N = Anzahl der kritischen Deskriptoren n = Anzahl der Ausprägungen des kritischen Deskriptors N Durch Exklusion derjenigen Annahmebündel, die mindestens einmal das Konsistenzmaß "Totale Inkonsistenz" aufweisen, reduziert sich die Anzahl auf 46 konsistente Annahmebündel. Für diese werden die durchschnittlichen Konsistenzmaße nach einer Vorgehensweise kalkuliert, die mittels des folgenden Rechenbeispiels für zwei unterschiedlich konsistente Annahmenbündel veranschaulicht wird. Tab. IV-5: Kalkulation des durchschnittlichen Konsistenzmaßes589 DeskriptorausSumme der Konsistenzmaße prägung für Ander verbleibenden Deskriptoren nahmenbündel I des Annahmebündels A2 B1 C1 D1 E2 F1 Gesamtsumme Quotient=durchschnittliches Konsistenzmaß DeskriptorausSumme der Konsistenzmaße prägung für Ander verbleibenden Deskriptoren nahmenbündel II des Annahmebündels A1 B2 C1 D2 E2 F3 Gesamtsumme Quotient=durchschnittliches Konsistenzmaß
Anzahl der geprüften Deskriptoren 18 17 9 9 4 0 57
5 4 3 2 1 0 15 3,800
Anzahl der geprüften Deskriptoren 14 12 7 7 2 0 42
5 4 3 2 1 0 15 2,800
Die Kalkulation des durchschnittlichen Konsistenzmaßes für ein Annahmenbündel erfolgt durch Summierung der Konsistenzmaße aller möglichen Kombinationen der De-
589
Eigene Darstellung auf Basis Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 159. 179
skriptorenausprägungen (aus Konsistenzmatrix ablesbar) und anschließender Division durch die Anzahl der insgesamt geprüften Deskriptorenausprägungen.590 Anhand der durchschnittlichen Konsistenzmaße aller Annahmebündel lässt sich eine Rangfolge erstellen, die erlaubt diejenigen Annahmebündel zu selektieren, die die höchste Konsistenz aufweisen. Die Konsistenzanalyse stellt ein einfach durchzuführendes und gut nachvollziehbares Verfahren dar, um im Selektionsprozess der Rohszenarioerstellung eingesetzt zu werden. Der wesentliche Nachteil, neben der Problematik der Skaleneinteilung und der subjektiven Beurteilung, ist die fehlende Prüfung der Plausibilität von Annahmenbündeln. Das heißt, dass die Gefahr besteht Rohszenarien auszuwählen, die zwar eine hohe Konsistenz aufweisen, aber das Eintreffen als wenig wahrscheinlich angesehen wird.591 Genau an diesem Punkt setzt die Cross-Impact-Analyse an, die nachfolgend beschrieben wird. Cross-Impact-Analyse:
Unter dem Begriff Cross-Impact-Analyse fasst man eine Gruppe von Verfahren zusammen, die die Wechselwirkungen zwischen Eintrittswahrscheinlichkeiten von zukünftigen Ereignissen auswerten.592 Der konzeptionelle Einbezug von Wahrscheinlichkeitsmaßen ist das zentrale Differenzierungskriterium gegenüber der Konsistenzanalyse. Der Kerneinsatzbereich der Cross-Impact-Analyse umfasst neben der Bestimmung von konsistenten und plausiblen Rohszenarien auch die Abschätzung der Effekte von Störereignissen bzw. die generelle Analyse von Interdependenzen in einem Gesamtsystem.593 Zusätzlich zu den Eingangsdaten der Konsistenzanalyse werden die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreffen der Deskriptorenausprägungen benötigt, die meist durch Expertenschätzungen im Rahmen der Delphi-Methode594 gewonnen werden.595 Grundsätzlich existieren im Rahmen der Cross-Impact-Analyse drei zentrale Verfahren, die sich im Wesentlichen
590
Für das erste Beispiel in Tab. IV-5 errechnet sich das durchschnittliche Konsistenzmaß wie folgt: Summierung der Konsistenzmaße (aus Konsistenzmatrix, siehe Tab. IV-4) der Deskriptorenausprägungen B1, C1, D1, E2, F1. Ausgehend von A2 ergibt dies den Wert 18 für insgesamt fünf geprüfte Deskriptorenausprägungen. Wiederholung dieses Schrittes, nun ausgehend von B1 und Summation der noch nicht berücksichtigten Konsistenzmaße von C1, D1, E2, F1, ergibt 17 für vier geprüfte Deskriptoren. Wiederholung dieses Schrittes, bis alle möglichen Kombinationen kalkuliert wurden, dann Addition der kalkulierten Teilsummen (Ergebnis 57) und anschließende Division durch die Summe der geprüften Kombinationen ergibt das durchschnittliche Konsistenzmaß 3,8. 591 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 162. 592 Vgl. Enzer, S. (Cross-Impact-Techniques 1972), S. 32. 593 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 163. 594 Siehe Abschnitt IV.2.2. 595 Vgl. Schnaars, S. P. (Scenarios 1987), S. 111; Stover, J. (Improvements 1973), S. 308 f. 180
hinsichtlich des zu Grunde gelegten Wahrscheinlichkeitsbegriffes und dem Einbezug von einem oder mehreren Zeitabschnitten unterscheiden. Folgende Abbildung kategorisiert die Verfahren der Cross-Impact-Analyse und stellt deren zentrale Differenzierungskriterien dar: Cross-ImpactVerfahren
Korrelierte Verfahren
Wahrscheinlichkeitsbegriff
Kausale Verfahren
• Gemeinsame Wahrscheinlichkeit:
• Kausal bedingte Wahrscheinlichkeiteit: wk(mj/ nj)
w(mj nj) • Wahrscheinlichkeit, dass zu einem Zeitpunkt sowohl Deskriptorenausprägung mj als auch Deskriptorenausprägung nj gegeben sind
Bezugszeitraum
• Eintrittswahrscheinlichkeit der Deskriptorenausprägung mj, die aus dem vorherigen Eintritt der Deskriptorenausprägung nj resultiert
Korrelierte Cross-Impact-Analyse
Statisch-Kausale Cross-Impact-Analyse
Dynamisch-Kausale Cross-Impact-Analyse
• Ein Zeitpunkt • Ein Zeitabschnitt
• Ein Zeitpunkt • Ein Zeitabschnitt
• Mehrere Zeitpunkte
• Mehrere Zeiträume
Abb. IV-18: Verfahren der Cross-Impact-Analyse596
Den vorgestellten Verfahren ist gemein, dass relativ komplexe mathematisch-statistische Verfahren zum Einsatz kommen, um die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Annahmenbündel zu ermitteln. Diese Komplexität einhergehend mit den Schwierigkeiten bei der Eingangsdatengewinnung und dem hohen Rechen-/Kostenaufwand haben zu einer relativ geringen Verbreitung in der praktischen Anwendung geführt.597 Aus diesem Grund und da eine detaillierte Darstellung der einzelnen Berechnungen den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde, verzichten wir auf eine Exploration und verweisen stattdessen auf die Literatur.598
596
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Ausführungen zu den unterschiedlichen Verfahren der CrossImpact-Analyse von Götze. Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 163 ff. 597 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 224. 598 Bei Götze findet sich eine sehr detaillierte Vorstellung der einzelnen Verfahren inklusive der entsprechenden mathematisch-statistischen Operationen. Vgl. dazu: Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 166-225. 181
2.3.3
Trendforschung
Losgelöst von den wirtschaftswissenschaftlichen Konzeptionen hat sich parallel die junge Disziplin der Trendforschung zu Beginn der 90er Jahre konstituiert. Unterschiedlichste Autoren (zum Beispiel M. Horx599, F. Popcorn600, J. Naisbitt601) haben sich auf verschiedene Arten dem Thema genähert und einerseits versucht, die aktuellen Trends zu beschreiben (zum Beispiel "Cocooning" von Popcorn) und andererseits Methoden und Verfahren zu kreieren, die es ermöglichen sollen einzelne Trends frühzeitig aufzuspüren und zu überwachen. Auf Grund des großen Erfolgs der Trendforschung bzw. der Trendforscher und der Übernahme derartiger Konzeptionen in betriebswirtschaftliche Lehrbücher, haben wir uns entschlossen, in der geboten Kürze einen Überblick zu geben und die praktische Relevanz auch in der empirischen Untersuchung zu testen. Trend ist einer der zentralen Begrifflichkeiten dieser Autoren. In der Literatur werden unterschiedlichste Begriffsdefinitionen abhängig von der jeweiligen Forschungsdisziplin verwendet. Trend bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch ein modisches Phänomen, dem meist nur eine kurze Lebensdauer prognostiziert wird.602 Ganz im Gegensatz dazu definiert der Duden "Trend" als ein englisches Lehnwort, das die Grundrichtung einer statistisch erfassten Entwicklung bzw. eine Entwicklungstendenz bezeichnet. Der Begriff ist vom Verb "to trend" abgeleitet, der übersetzt bedeutet: sich neigen, sich erstrecken, in eine bestimmte Richtung verlaufen.603 Obgleich sich die Trendforschung in größerem Maße mit der Identifikation von Trends und deren wirtschaftlicher Nutzbarmachung beschäftigt, gibt es dennoch Versuche, grundlegende Begrifflichkeiten zu definieren. Auch in den Wirtschaftswissenschaften wurde das Thema der Trendforschung und -definition, meist aus dem Hintergrund der strategischen Frühaufklärung, aufgegriffen und hat teilweise auch Einzug in grundlegen-
599
Vgl. Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996). Vgl. Popcorn, F. (Report 1991). 601 Vgl. Naisbitt, J. (Megatrends 1984). 602 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 113. 603 Vgl. Drosdowski, G. (Duden "Etymologie" 1989), S. 755. Damit basiert die etymologische Definition auf der Abgrenzung, die in der Mathematik bzw. Statistik Verwendung findet. Trend wird in der Wirtschaftsstatistik als die "(...) durchdringende Tendenz einer Zeitreihe, die ihre Kraft aus einem säkularen (langfristig wirksamen) historischen Ereignis gewinnt." bezeichnet. Vgl. Esenwein-Rothe, I. (Wirtschaftsstatistik 1976), S. 213. Dargestellt wird der Trend in der Mathematik in Form einer Trendfunktion, die aus einer Zeitreihe mittels Regressions- oder Durchschnittswertsanalysen gewonnen werden kann. (Siehe auch Abschnitt IV.2.1 dieser Arbeit). 600
182
de Werke und Lehrbücher der Betriebswirtschaft und insbesondere des Strategischen Managements gehalten.604 Nachfolgend veranschaulichen die Definitionsansätze der bekanntesten Autoren das teilweise sehr unterschiedliche Verständnis der Disziplin der Trendforschung. •
Der Wirtschaftswissenschaftler Franz Liebl geht davon aus, dass ein quantitativ orientierter Trendbegriff für die Diagnose von möglichen strategischen Veränderungen nicht hilfreich ist.605 Ausgehend von der Annahme, dass in Zeiten erhöhter Turbulenz die Entwicklung der Unternehmensumwelt prinzipiell unvorhersehbar ist, und somit quantitativ formulierte Antizipationen in punkto Verlässlichkeit und ausreichender zeitlicher Reichweite nur sehr eingeschränkt möglich sind, plädiert Liebl für ein qualitatives Verständnis von Trends. Das Erkennen von Trends soll eher eine "Ethnographie der Gegenwart" liefern und Möglichkeitsräume für das Management aufzeigen. Trends sind in diesem Zusammenhang "sozio-kulturelle Überformungen" der Gegenwart, die Aufschluss über zukünftige Verschiebungen der Gesellschaft geben können, und denen ein "Neuigkeitscharakter" innewohnt. Das zentrale Problem des Trendmanagements ist die Identifikation des Neuen. Vor diesem Hintergrund sind Trends "(...) als neue Bedeutungen zu konzeptionalisieren (...)"606, die die Eigenschaft der Überschreitung von einer oder mehreren Kontextgrenzen erfüllen muss. Seinen ursprünglichen Kontext verlässt beispielsweise ein Produkt, wenn durch Umdeuten seines eigentlichen Einsatzbereiches oder Umfunktionieren neue Nutzungen erschlossen werden (z.B. Turnschuhe).607 Hinsichtlich der Operationalisierung des Trendmanagements und Empfehlungen zur Umsetzung greift Liebl vornehmlich auf die in dieser Arbeit bereits vorgestellten Instrumente der strategischen Früherkennung zurück.
•
Der Wirtschaftswissenschaftler Aaker verwendet den Begriff des Trends vor allem für Veränderungen in den Bereichen der Kultur (culture), zu denen er in erster Linie Migrationen von Konsumgewohnheiten (consumer trends) und Änderungen im Lebensstil (lifestyle) zählt sowie für Verschiebungen von so-
604
Vgl. z.B. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996). Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 61. 606 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 63. 607 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 9 ff und S. 59 ff.; Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 3 ff. und S. 22 ff. 605
183
zio-demographischen Variablen (Alter, Einkommen, Bildung) einer Gesellschaft. Anders als Liebl sieht Aaker Trends zumindest teilweise (z.B. langfristige soziodemographische Veränderungen) als potenziell prognostizierbar an und bietet abhängig von der Quantifizierbarkeit eine Reihe von Instrumenten zur Trenderkennung und -analyse an.608 •
Der deutsche Trendforscher Horx definiert Trends prinzipiell als hochkomplexe, autopoiesische (selbststeuernde), dynamische Gesellschaftsprozesse.609 Dabei unterscheidet er zwischen drei wesentlichen Trendebenen:610 – Gesellschaftstrends: Sie stellen die großen kulturellen und sozialen Ver-
änderungen unserer Zeit dar. "In ihnen manifestieren sich die Reaktionsimpulse der Gesellschaft auf sich wandelnde Umgebungsparameter."611 Damit werden Gesellschaftstrends von technologischen und sonstigen strukturellen
Veränderungen
(z.B.
Globalisierung,
Umweltver-
schmutzung) gespeist. Die Wirkdauer dieser Trends erstreckt sich auf einen zeitlichen Horizont von mindestens zehn Jahren. Horx subsumiert unter dem Begriff des Gesellschaftstrends die schleichende Verschiebung von grundsätzlichen Überzeugungen und Einstellungen, die Analyse dieser Trendkategorie gibt Aufschluss über die gesellschaftlichen Wertewandel-Prozesse. – Konsumtrends: Sie sind bei Horx "(...) die Übersetzung der Gesell-
schaftstrends auf die Warenebene, die Spiegelung des Kulturellen in den Märkten."612 Mit einer Dauer von circa ein bis fünf Jahren wirken sie eher mittelfristig und repräsentieren die aktuell vorherrschende Konsumhaltung, d.h. die prinzipielle Motivation der Kunden, Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Daher sind diese Trends branchenübergreifend. Beispielsweise identifiziert Horx den Pionier-Konsum als eines von vier Basiskonsummustern, d.h. die Konsummotivation spiegelt das Interesse wider, neue innovative Produkte auszuprobieren.
608
Vgl. Aaker, D.A. (Strategic Management 1995), S. 110 ff. Vgl. Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 18-19 und S. 21. 610 Vgl. Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 65 ff. 611 Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 65-66. 612 Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 6. 609
184
– Branchentrends: Bei Horx ist diese Trendkategorie die Feinjustierung
der Konsumtrends für einzelne Branchen. Hinsichtlich der Methodiken, die in der Trendforschung zur Anwendung kommen, ist Horx im Vergleich zu seinen Trendforscher-Kollegen, die in erster Linie neue Trends identifizieren möchten und weniger über Verfahren und Operationalisierung schreiben, recht ausführlich, wenn gleich wenig innovativ. In erster Linie dienen Medienanalysen, vor allem fokussiert auf Zeitschriften/Magazine und Online-Angebote, der Informationsbeschaffung.613 Für die Trendbeobachtung bzw. -projektion greift Horx in erster Linie auf bewährte Techniken aus Marktforschung und Strategischer Planung (Szenario-Analysen, Delphi-Methode) zurück.614 •
Die US-amerikanische Trendforscherin Faith Popcorn fokussiert in ihrem Werk "The Popcorn Report" auf die Identifikation potenzieller Trends, bleibt jedoch eine Definition des Trendbegriffs schuldig. An anderer Stelle definiert sie Trends wie folgt: "Trends, by definition, are broad, sweeping and long lasting; they represent fundamental changes in our society and culture."615 Über die angewendeten Methoden und Verfahren wird indes kaum etwas im Detail geschrieben. In erster Linie werden bekannte Verfahren, wie Verbraucheroder Experteninterviews, Brainstorming-Methoden oder die nicht näher dargestellte Diskontinuitätenanalyse, genannt.616 Nichtsdestotrotz kann Popcorn Erfolge in Zusammenarbeit mit großen US-amerikanischen Unternehmen vorweisen und hat bereits Anfang der 90er den Siegeszug der so genannten AlkoPops vorhergesagt.617
•
John Naisbitt definiert Trends als: "Große, weltumspannende sozioökonomischen Prozesse, die wir als Individuen weder beeinflussen noch ändern können und mit denen wir uns in der Zukunft auseinander setzen müssen".618 In diesem Zusammenhang wurde von ihm der Begriff des Megatrends geprägt. In seinem zentralen Werk "Megatrends" bleibt Naisbitt, außer einem
613
Vgl. Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 75 ff. Vgl. Horx, M.; Wippermann, P. (Trendforschung 1996), S. 87 ff. 615 Quelle: www.barberusa.com/business3/popcorn_faith.html. 616 Vgl. Popcorn, F. (Report 1991), S. 246. 617 Vgl. Popcorn, F. (Report 1991), S. 147 ff. 618 Naisbitt, J. (Megatrends 1984), S. 21. 614
185
Verweis auf die Nutzung der Medienanalyse, die genauere Explikation der verwendeten Methoden und Verfahren schuldig. An den dargestellten Definitionen lässt sich erkennen, dass die Begriffe, wie Moden, Trends, Megatrends oder Wertewandel,619 oftmals synonym oder undifferenziert verwendet werden. Gemein ist den Definitionen zum Begriff des Trends, dass in erster Linie eine Bezugnahme auf Veränderungen der sozio-kulturellen Unternehmensumwelt erfolgt. Zudem drängt sich der Schluss auf, dass die Methoden der Trendforschung, sofern darüber Auskunft gegeben wird, keineswegs neu, sondern eher aus dem bestehenden Methoden-Set der Strategischen Planung und der Marktforschung entnommen sind und allenfalls neu kombiniert oder leicht verändert wurden.
619
Im Zusammenhang mit der Trendforschung tauchen oftmals die Begrifflichkeiten des Wertewandels bzw. der Wertewandelforschung auf. Dabei bezieht sich diese explizit auf einen Teil des soziokulturellen Teilsegments der allgemeinen Unternehmensumwelt. Werte sind "(...) elementare, individuelle Vorstellungen vom Wünschenswerten. Gemeint sind damit grundlegende Ziel- oder Normvorstellungen von Individuen, auf einen kurzen Nenner gebracht: personale Grundwerte. Auf Objekte oder Handlungen fokussierte Wertungen und Wünsche (...) werden von diesem Wertebegriff nicht erfasst." Silberer, G. (Werteforschung 1991), S. 3. Wertewandel besagt in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Veränderung solcher Ziel- und Normvorstellungen oder anders formuliert einen gesellschaftlichen Gesamttrend. Die Wertewandelforschung hat indes kaum einen antizipativen Charakter, da sie sich in erster Linie auf das Ex-Post-Erkennen von Werteverschiebungen konzentriert. Sie sei also an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber genannt aber nicht weiter expliziert. Vgl. Rosenstiel, L. v. (Wandel 1993), S. 51. 186
V. Empirische Untersuchung über die Anwendung von Antizipationsmethoden in der Finanzdienstleistungspraxis Auf theoretischer Ebene haben wir in den vorhergegangenen Kapiteln die Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern hinsichtlich ihrer Ausgestaltung und Attribute beschrieben. Zudem wurden die wichtigsten Methoden, die die Literatur für die Antizipation von strategisch relevanten Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt empfiehlt, vorgestellt. Zusätzlich möchten wir an dieser Stelle die gewonnenen Erkenntnisse in den Praxiszusammenhang stellen, um auf dieser Basis weitere Informationen und Einschätzungen bezüglich Umweltattributen, Methodeneignung und -verwendung zu erlangen. Daher werden in diesem Kapitel auf Basis einer zusammenfassenden Darstellung der vorangegangen Abschnitte Motivation, Design und schließlich die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung bei den großen deutschen Finanzdienstleistern dargestellt.
1. Zusammenfassung der in den theoretischen Abschnitten dargestellten Annahmen über Umweltsituation von Finanzdienstleistern und geeignete Antizipationsmethoden als Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung In diesem Abschnitt wollen wir zusammenfassend die zentralen Annahmen, die in den vorhergegangenen theoretischen Kapiteln hergeleitet bzw. ausgearbeitet wurden, in kompakter Form zusammenfassen. Ziel ist es, dadurch die Basis für die empirische Untersuchung deutlich zu machen und zudem durch die direkte Gegenüberstellung von Theorie und Praxis die Grundlage für die Herausarbeitung der im nächsten Kapitel formulierten Empfehlungen hinsichtlich Methodenselektion und Erweiterung zu schaffen. Zu diesem Zweck werden wir die Annahmen in Themenkomplexe bündeln, die dann mit den Kategorien des Fragebogens620 korrespondieren: Themenkomplex 1: Attribute der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanz-
dienstleistern621 •
Die allgemeine Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern lässt sich als dynamisch, komplex und unbestimmt charakterisieren.
620 621
Siehe Abschnitt V.3.2 bzw. im Anhang Abschnitt 1.1. Siehe Abschnitt III.3.2. 187
•
Insbesondere die makro-ökonomische und die politisch rechtliche Teilumwelt dürften besonders hohe Ausprägungen in diesen drei Attributen haben.
•
Das Niveau der drei Attribute der allgemeinen Unternehmensumwelt wird in den einzelnen Segmenten zukünftig tendenziell steigen.
Themenkomplex 2: Beeinflussungsgrad der einzelnen Umweltsegmente der allgemeinen
Unternehmensumwelt auf Finanzdienstleister622 •
Der monetäre Erfolg von Finanzdienstleistern ist stark von den Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt abhängig, besonders das makroökonomische und das politisch-rechtliche Segment dürften dabei die größte Rolle spielen.
•
Die Aufgabe der Strategischen Planung wird in ähnlichem Maße stark von den Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt beeinflusst, dabei sollten die gleichen Teilumwelten die zentrale Rolle spielen wie bei der Beeinflussung des Unternehmenserfolgs.
Themenkomplex 3: Charakter von strategischen Informationen über die Unternehmens-
umwelt:623 •
Informationen über zukünftige Entwicklungen der Unternehmenswelt zeichnen sich durch schlechte Strukturierbarkeit bzw. Quantifizierbarkeit und ein hohes Maß an Unbestimmtheit aus.
•
Für die Praxis kann sich dadurch die Gefahr ergeben, dass auf Grund des Einsatzes ungeeigneter Antizipationsmethoden bzw. der Präferenz für quantitative Informationen die Prognose- bzw. Antizipationsqualität fraglich ist.
Themenkomplex 4: Eignung und Verwendung von Antizipationsmethoden
•
Die vorgestellten quantitativen Verfahren sollten insgesamt gesehen als wenig geeignet empfunden werden, strategisch relevante Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt abzubilden und demzufolge auch nur eingeschränkt verwendet werden. Zeitreihenanalysen sind für längerfristige Prognosen eher ungeeignet, da sie keine Diskontinuitäten oder Trendbrüche identifizieren, sowie nur gut strukturierte bzw. quantitative Informationen verarbeiten können. Bei kür-
622 623
Siehe Abschnitt III.3. Siehe Abschnitt IV.1. 188
zerfristigen Antizipationshorizonten wären sie allenfalls für den makroökonomischen oder den sozio-kulturellen (nur: Soziodemographie) geeignet, da dort quantitative Indikatoren überwiegen. Vorteil dieser Verfahren ist die einfache Durchführbarkeit.624 Für Regressionsmethoden gelten die gleichen Anwendungseinschränkungen wie für die Zeitreihenanalysen. Als weiterer Nachteil insbesondere ökonometrischer Modelle ist die Komplexität zu nennen.625 Strukturmodellgestützte Methoden können eine strategisch relevanten längerfristigen Antizipationshorizont haben und sind daher prinzipiell als geeignet zu bewerten, insbesondere weil bzw. wenn die Möglichkeit besteht qualitative Informationen einzubeziehen. Allerdings ist insbesondere bei Simulationsmodellen die komplexe Erstellung/Programmierung ein großer Nachteil in der Praxis. Wachstumsmodelle erscheinen insbesondere für den technologischen bzw. soziodemographischen Bereich sinnvoll, doch ergeben sich Probleme in der quantitativen Ermittlung der Funktion, so dass bei beiden Verfahren eine geringe Verbreitung in der Realität erwartet werden darf.626 •
Qualitative Methoden (insbesondere die explorativen Verfahren) können als prinzipiell geeignet für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bewertet werden, da sie die Möglichkeit bieten qualitative Information explizit einzubeziehen. Explorative Verfahren sind, bezogen auf den zeitlichen Horizont, universell einsetzbar. Sie können also auch für langfristige Antizipationen verwendet werden. Insbesondere sollte sich die Eignung auf die politisch-rechtlichen, sozio-kulturellen und technologischen Teilumwelten, die durch ein hohes Maß an qualitativen Indikatoren charakterisiert sind, erstrecken. Da wir aber davon ausgehen, dass Unternehmen zu einem großen Teil qualitative Informationen untergewichten, ergibt sich nur eine eingeschränkte Anwendung in der Finanzdienstleistungspraxis627
624
Siehe Abschnitt IV.2.1.1. Siehe Abschnitt IV.2.1.2. 626 Siehe Abschnitt IV.2.1.3. 627 Siehe Abschnitt IV.2.2.1. 625
189
Auf Grund der ungewöhnlichen Vorgehensweise der normativen Methoden und der eingeschränkten, in der Wissenschaft oft diskutierten Eignung für Antizipationszwecke, gehen wir nur von einer vergleichsweise geringen Eignung und Anwendung dieser Methoden aus.628 •
Die Verbundverfahren stellen die aus theoretischer Sicht geeigneten Verfahren für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt in einem langfristigen Horizont dar, da sie sowohl qualitative als auch quantitative Elemente in ein eigenes Theoriekonzept einbeziehen und prinzipiell auf alle Umweltsegmente anwendbar sind. Den Frühwarnsystemen sprechen wir eine relative geringe Eignung zu, da der Fokus auf einer eher kurzfristigen Betrachtung aus einer quantitativen Perspektive liegt. Allenfalls für den makro-ökonomischen Bereich ergibt sich unter Vorbehalten ein Anwendungsbereich.629 Früherkennungs-/aufklärungssysteme sollten eine besonders gute Eignung für eine frühzeitige Identifikation potenzieller Entwicklungen der Unternehmensumwelt haben, da der konzeptionelle Fokus auf stark qualitativen und schlecht strukturierten Informationen liegt. Wir rechnen allerdings in der Praxis mit einer recht geringen Verbreitung, da es zum Teil noch an umsetzungsfähigen Konzepten mangelt.630 Die Szenario-Analyse ist ein wissenschaftlich etabliertes System, das sowohl universell auf alle Teilumwelten anwendbar ist und auch in einem langfristigen Horizont verwendet werden kann. Weiterhin besteht die Möglichkeit, quantitative und qualitative Informationen einfließen zu lassen, so dass wir von einer hohen Verbreitung in der Praxis ausgehen631 Trendforschung ist insbesondere geeignet für die Antizipation von Entwicklungen des sozio-kulturellen Umweltsegments. Auf Grund der relativen Neuigkeit dieser Vorgehensweise und dem Mangel an umsetzungsfähigen Systemen gehen wir davon aus, dass eine geringe Verbreitung in der Praxis vorherrscht.632
628
Siehe Abschnitt IV.2.2.2 Siehe Abschnitt IV.2.3.1. 630 Siehe Abschnitt IV.2.3.1. 631 Siehe Abschnitt IV.2.3.2 632 Siehe Abschnitt IV.2.3.3. 629
190
Themenkomplex 5: Informationsbeschaffung im Rahmen der Strategischen Analyse
•
Auf Grund der Heterogenität möglicher Entwicklungen sollten Finanzdienstleister ein breites Spektrum unterschiedlichster Informationsquellen nutzen.633
•
Obgleich nach unserer Annahmen Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt von Unbestimmtheit und schlechter Quantifizierbarkeit geprägt sind, setzen wir die Annahme, dass im Rahmen der aktuellen Informationsbeschaffung der Finanzdienstleister in erster Linie quantitative Informationen erhoben werden.
2. Motivation zur Durchführung der empirischen Untersuchung Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurde, neben der Herausarbeitung der theoretischen Grundlagen und der Spezifika von Dienstleistungsunternehmen in Gestalt der Finanzdienstleistungsbranche, eine ausführliche Darstellung der grundsätzlichen Methoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt vorgestellt. Auf dieser Basis wurde im vorangegangenen Abschnitt die Eignung dieser Methoden für Anwendung auf die einzelnen Umweltsegmente aus theoretischer Perspektive aufgezeigt. Zu einer nachgelagerten empirischen Untersuchung haben uns folgende Punkte motiviert: •
Bisher wurden in der uns bekannten Literatur noch keine empirischen Untersuchungen zum Themenkomplex Antizipationsmethoden für die allgemeine Unternehmensumwelt in einem speziellen Praxiszusammenhang (namentlich: Finanzdienstleister) gemacht. Bisherige Untersuchungen waren eher allgemeiner Natur und haben zudem nicht neuere Entwicklungen und Konzeptionen (Frühwarnung, Früherkennung/-aufklärung, Trendforschung) in das Untersuchungsdesign einbezogen.634
•
In der wissenschaftlichen Literatur existieren zwar eine ganze Reihe unterschiedlichster Antizipationsmethoden, doch sind vergleichsweise wenige Empfehlungen über den konkreten Anwendungsbereich speziell für Entwicklungen in den strategisch relevanten Segmenten der allgemeinen Unternehmensumwelt vorhanden.
633 634
Siehe Abschnitt II.3.3 und IV.2.3.1.5. Zum Beispiel die Untersuchung von Töpfer. Vgl. Töpfer, A. (Planungs- und Kontrollsysteme 1975). 191
•
Über die in der Finanzdienstleistungspraxis wahrgenommen Eignung und den tatsächlichen Verbreitungsgrad der verschiedenen Methoden ist wenig bekannt. Zudem erhoffen wir uns, durch Durchführung der Empirie Erkenntnisse über potenzielle Gründe für die Nichtverwendung der Methoden zu erlangen.
•
Aus theoretischer Perspektive gibt es eine Vielzahl von Erkenntnissen über den Zusammenhang zwischen Umweltdynamik, -komplexität und -kontingenz mit den unterschiedlichen Antizipationsmethoden. Uns interessiert, inwiefern sich ein Zusammenhang in der Praxis beobachten lässt, und wie die einzelnen Segmente durch die Verantwortlichen hinsichtlich der drei genannten Umweltattribute eingeordnet werden.
•
Auf Grund der spezifischen Situation der allgemeinen Unternehmensumwelt sind ggf. Anpassungen bzw. Ergänzungen von bestehenden Methoden notwendig. Dieser eventuelle Änderungsbedarf soll im Rahmen der empirischen Analyse erhoben werden.
•
Durch die Vielzahl von Methoden und den teils unklaren bzw. unzureichend abgegrenzten Anwendungsbereichen ist ein weiterer Grund für die Durchführung der Empirie die Ableitung von Empfehlungen für eine sinnvolle Kombination/-selektion von Antizipationsmethoden unter Berücksichtigung der Individualität der unterschiedlichen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt.
3. Art und Umfang der empirischen Untersuchung In diesem Abschnitt werden wir zunächst beschreiben, wie sich die Auswahl der Grundgesamtheit gestaltet hat. Im Besonderen möchten wir unsere Einschränkung auf "große" Finanzdienstleister und das verwendete Stichprobenverfahren darstellen. Darauf aufbauend werden im nächsten Abschnitt die prinzipiellen Möglichkeiten der Datenerhebung eruiert und das Design und die Inhalte unseres Fragebogens vorgestellt, um im letzten Abschnitt dieses Punktes einen kurzen Überblick über eine mögliche rechnerische Handhabung der zu erhebenden Daten zu geben. 3.1
Auswahl der Grundgesamtheit
Wie bereits dargestellt, fokussiert diese empirische Untersuchung auf Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche, die in der hier zu Grunde gelegten Definition aus Versi-
192
cherungen und Banken nebst den untergeordneten Kategorien besteht, so dass prinzipiell die Gesamtheit aller angesprochenen Institute aus den Bereichen: •
Universalbanken (Private Geschäftsbanken, Sparkassen/Landesbanken und Genossenschaftsbanken)
•
Spezialbanken (Realkreditinstitute, Bausparkassen, Kapitalanlagegesellschaften, Kreditinstitute für Sonderaufgaben)
•
Versicherungen (Lebens-, Kranken-, Schadens-/Unfallversicherungen)635 zur Grundgesamtheit636 zu zählen sind.637
Bei empirischen Untersuchungen unterscheidet man prinzipiell zwischen Vollerhebungen (Untersuchung aller Elemente einer Grundgesamtheit) und Teilerhebungen (Untersuchung einer Teilmenge der Grundgesamtheit).638 Werden in der zweiten Kategorie die Elemente durch ex ante festgelegte Regeln bestimmt, spricht man von einer Auswahl bzw. Stichprobe, die sich abhängig von der Anwendung eines Zufallsprozesses in der Auswahl in willkürliche oder bewusste Stichproben639 aufteilen lässt.640
635
Die Kategorie Rückversicherungen (siehe Abschnitt III.2.2; Seite 74) lassen wir auf Grund der Sonderstellung (ausschließlich Business-to-Business-Geschäft mit anderen Versicherungen) und der damit verbundenen Vergleichsschwierigkeiten mir den anderen Versicherungen außen vor. 636 Die Grundgesamtheit bezeichnet prinzipiell die Menge von Objekten, für die die Aussage einer Untersuchung gelten soll. Vgl. Schnell, R., Hill, P.B., Esser, E. (Methoden 1999), S. 247. 637 Siehe Abschnitt III.2 dieser Arbeit. 638 Vgl. Krug, W., Nourney, M. (Wirtschafts- und Sozialstatistik 1987), S. 7. 639 Bei den willkürlichen Stichproben (Zufallsauswahl) unterscheidet man drei grundlegende Verfahren: Bei der reinen Zufallsauswahl muss die Grundgesamtheit vollständig (z.B. in einer Liste) vorliegen. Üblicherweise werden die einzelnen Elemente durchnummeriert und die zu ziehenden Nummern mit Hilfe von Zufallszahlen ausgewählt. Das zweite Verfahren ist die geschichtete Zufallsauswahl, bei der die Grundgesamtheit in mehrere Untergruppen unterteilt wird, aus denen jeweils eigene Stichproben mittels reiner Zufallsauswahl gebildet werden. Wenn die Stichproben der einzelnen Untergruppen im gleichen Verhältnis wie in der Grundgesamtheit vorliegen, können die Stichprobenwerte aufaddiert werden (proportionale Schichtung). Das dritte willkürliche Stichprobenverfahren ist die so genannte Klumpenauswahl, bei der die Grundgesamtheit in Teilgruppen (z.B. Schulklassen, Häuserblocks etc.) zerlegt wird, in denen dann jeweils eine Vollerhebung durchgeführt wird. Dieses Verfahren ist nicht anwendbar, wenn die ausgewählten Klumpen stark von der Grundgesamtheit abweichen. Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 60 f. Die bewusste Zufallsauswahl wird meist mit dem Quota-Verfahren gleichgesetzt, das stark in der Markt- und Meinungsforschung verbreitet ist. Ziel ist es, eine Stichprobe bewusst so zu wählen, dass die Verteilung wichtiger Merkmale annähernd der Grundgesamtheit entspricht (z.B. Geschlecht, Alter, Einkommen etc.). Ergebnis dieser Auswahl ist die Quotenanweisung, die beispielsweise festlegt, welche Anzahl Personen in welcher Gruppe zu befragen sind. Innerhalb dieser Anweisung können die konkreten Elemente (Personen) frei gewählt werden. Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 62 f. 640 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 249. 193
Auf Grund der besonderen Struktur des deutschen Finanzdienstleistungssektors (niedriger Konzentrationsgrad, viele kleine Institute vor allem aus dem genossenschaftlichen Sektor) wäre sowohl eine Vollerhebung als auch eine Teilerhebung, die sich auf die gesamte Anzahl aller ca. 3.400 Finanzdienstleistungsunternehmen bezieht, aus folgenden Gründen nicht zielführend: •
Die Tätigkeiten im Bereich der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt werden in der Regel durch die Geschäftsführung oder von Stabsstellen, wie dem Controlling bzw. der Strategischen Planung, durchgeführt. Institutionalisierte Planungsstellen existieren üblicherweise erst ab einer gewissen Unternehmensgröße. Durch die Vielzahl von kleinen Instituten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass in solchen Unternehmen entsprechende Stellen eingerichtet sind. Vielmehr werden in diesem Bereich derartige Aufgaben von Beratern der Zentralinstitute (DZ-Bank/WGZ-Bank im genossenschaftlichen Bereich bzw. die Landesbanken im Sparkassensektor) oder von den entsprechenden Verbänden (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken bzw. Deutscher Sparkassen und Giro-Verband) wahrgenommen.
•
Eine Vollerhebung über alle 3.400 Unternehmen ist aus Kapazitäts- und Kostengründen nicht durchführbar. Bei einer Stichprobe, die nach dem Zufallsverfahren durchgeführt werden würde, hätte jedes Institut die gleiche Chance, in die Auswahl aufgenommen zu werden. Auf Grund der zahlenmäßigen Dominanz des Genossenschafts- und Sparkassensektors würde in Konsequenz eine absolut größere Anzahl dieser Unternehmen in der Stichprobe landen als bei den restlichen Institutskategorien. Dies gilt analog im Versicherungsbereich für die Schadens- und Unfallversicherer.
•
In Konsequenz würde die Antwortquote entsprechend niedrig ausfallen, da die meisten der befragten Unternehmen auf Grund des Nichtvorhandenseins der entsprechenden Personen bzw. Stellen den Fragebogen nicht oder nur unzureichend beantworten könnten.
Als Lösungsvorschlag kommt daher nur eine Einschränkung der Grundgesamtheit auf die "großen" Finanzdienstleistungsunternehmen in Betracht. Die Aussagen, die aus der empirischen Untersuchung gewonnen werden, beziehen sich daher auch nur auf "große" Finanzdienstleistungsunternehmen.
194
Als Größenindikatoren werden üblicherweise die Bilanzsumme bei den Banken und die Brutto-Beiträge bei den Versicherungen verwendet. Ausnahme bilden die Kapitalanlagegesellschaften, bei denen die Kennzahl Assets under Management (AuM), also die Summe der verwalteten Vermögen, verwendet wird. Daher sind in unserer Betrachtung große Finanzdienstleister: •
Banken mit einer Bilanzsumme größer 2 Mrd. EUR im Jahr 2002 bzw. Kapitalanlagegesellschaften mit AuM größer 1 Mrd. EUR im Jahr 2002 sowie
•
Versicherungen mit Brutto-Beiträgen größer 0,4 Mrd. EUR im Jahr 2002.
In Zahlen ausgedrückt fallen 293 Banken (inkl. 28 Kapitalanlagegesellschaften) und 94 Versicherungsunternehmen in diese Klassifizierung, so dass in Summe eine Grundgesamtheit von 387 Finanzdienstleistern im Rahmen dieser Arbeit empirisch untersucht wird. Dabei ist der Anteil der Banken an der Grundgesamtheit ca. 10%, der Versicherungen ca. 11%; beide Institutskategorien sind also annähernd gleich in Relation zur jeweiligen Gesamtanzahl repräsentiert und bilden ca. 85% des Gesamtmarktes bezogen auf die jeweiligen Größenindikatoren ab. Da nicht damit gerechnet werden kann, dass alle Unternehmen an der Befragung teilnehmen, bzw. alle Fragen korrekt beantworten, ist die Frage zu klären, wie groß die Anzahl der Antworten aus der Grundgesamtheit von 387 Unternehmen sein muss, um statistische Repräsentativität zu gewährleisten. Dazu kann auf die bekannten Verfahren bzw. Tests zurückgegriffen werden, die die Größe einer zufälligen Stichprobe in Bezug auf eine Grundgesamtheit festlegen, da im Prinzip die Antwortquote aus einer Vollerhebung der aus statistischer Perspektive notwendigen zufälligen Stichprobe aus der Grundgesamtheit entspricht, wenn man die Annahme setzt, dass die zurückgesendeten Antworten (verstanden als Anzahl antwortende Unternehmen) einer Zufallsauswahl entsprechen. Damit man von einer Teilmenge (Anzahl antwortende Unternehmen) auf die Grundgesamtheit schließen kann, sollte ein gewisser Fehler (Stichprobenfehler) in Kauf genommen werden. Ergo muss entschieden werden welcher Stichprobenfehler maximal zulässig ist. Zudem muss festgelegt werden, mit welcher Sicherheit (Wahrscheinlichkeit) Aussagen auf Basis der Antworten bzw. Stichprobe getroffen werden können. Die notwendige Anzahl Antworten kann davon ausgehend mit folgender Formel bestimmt werden:641
641
Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 65 bzw. in ähnlicher Form Hartmann, H. (Stichproben 1993), S. 220 ff. 195
n=
t 2 * N * p(1 p ) t 2 p(1 p) + d 2 ( N 1)
wobei: n: Umfang der Stichprobe bzw. Anzahl der notwendigen antwortenden Unternehmen N: Umfang der Grundgesamtheit t:
Sicherheitsfaktor (abhängig von der Irrtumswahrscheinlichkeit der Aussage)
p: Anteil der Elemente in der Stichprobe, die die Merkmalsausprägung aufweisen (Maximum bei 0,5) d: Stichprobenfehler (z.B. +/- 5% entspricht d = 0,05) Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit der Aussagen von 5% (Die Sicherheit der Aussage ist damit bei 95%) beträgt der Sicherheitsfaktor t ca. 2. Dieser Wert ist in empirischen Untersuchungen häufig üblich und wird daher auch hier zu Grunde gelegt. Der Wert für p ist in der Praxis im Voraus nicht bekannt, man nimmt daher normalerweise den ungünstigsten Fall, nämlich p = 0,5, an.642 Durch diese beiden Standardannahmen vereinfacht sich o.g. Formel zu: n=
N 1 + d ( N 1) 2
Durch Einsetzen der noch fehlenden Werte N = 387 und d von 0,01 bis 0,1 ergeben sich bei analoger Berechnung folgende Antwortquoten: Tab. V-1: Benötigte Antwortquoten in Abhängigkeit vom Stichprobenfehler643 Stichprobenfehler d
Anzahl benötigter Ant-
Antwortquote
worten
642 643
0,01
373
96%
0,02
335
87%
0,03
287
74%
0,04
239
62%
0,05
197
51%
0,06
162
42%
0,07
134
35%
Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 65. Quelle: Eigene Darstellung. 196
0,08
112
29%
0,09
94
24%
0,1
80
21%
Gelänge es also beispielsweise in der empirischen Untersuchung 162 gültige Antworten zu erhalten, könnte unter den weiteren getroffenen Annahmen, davon ausgegangen werden, dass der Mittelwert der Grundgesamtheit mit einer Sicherheit von 95% und mit einer Genauigkeit von +/- 6% approximiert würde. 3.2
Die schriftliche Befragung mittels standardisierten Fragebogens als geeignete Datenerhebungstechnik
Prinzipiell unterscheidet man grundsätzlich drei Formen von Datenerhebungstechniken, die im Folgenden kurz erläutert werden:644 •
Befragung: Die Befragung gilt als das Standardinstrument der empirischen Sozialforschung. Man unterscheidet grundsätzlich mündliche Befragung (Interview), schriftliche Befragung und Telefoninterview.645 Die erstgenannte Form der Datenerhebung ist durch die Anwesenheit einer befragenden Person gekennzeichnet, die eine oder mehrere Personen (Gruppe) hinsichtlich eines bestimmten Themas (Ziel) befragt. Dabei ist zu differenzieren, ob sich der Fragende an einem standardisierten Fragebogen (stark strukturierte Interviewsituation) hält oder formlos Fragen formuliert, die sich in ihrer Formulierung an die Bedürfnisse und Vorstellungen des Befragten anpassen können.646 Die zweite Kategorie "schriftliche Befragung" wird gemeinhin, durch postalische oder elektronische Versendung eines schriftlichen Fragebogens mit der Bitte um Beantwortung durchgeführt. Bei dieser Form der Befragung ist kein Interviewer anwesend.647 Die dritte Form der Befragung ist das Telefoninterview, das im Wesentlichen die gleichen Merkmale, abgesehen von der persönlichen Anwesenheit des Interviewers, wie eine "klassische" mündliche Befragung
644
Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 34; Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 297 ff. sowie in ähnlicher Form auch Atteslander oder Roth, die jedoch zusätzlich als vierte Kategorie das Experiment nennen. Vgl. Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 91 ff. bzw. speziell zum Experiment S. 201 ff.; Roth, E. (Methoden 1993), S. 7 f. 645 Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 97 ff.; Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 299. 646 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 299 ff.; Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 97. 647 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 335 ff. 197
aufweist. Auf Grund von Kostenvorteilen, Schnelligkeit und der nahezu hundertprozentigen Abdeckung der Bevölkerung mit Telefonanschlüssen werden beispielsweise inzwischen bereits zwischen 50% und 90% aller Marktforschungsinterviews fernmündlich durchgeführt.648 •
Beobachtung: Diese stellt die "ursprünglichste" Form der Datenerhebung dar, da sie eine alltägliche Form der Informationsgewinnung darstellt, bei der ein Beobachter direkt oder indirekt (Spuren, Auswirkungen) Verhalten von Personen oder Gruppen observiert. Eine wissenschaftliche Beobachtung indes muss einem bestimmten Forschungszweck dienen, systematisch geplant und dokumentiert sein und wiederholten Prüfungen hinsichtlich der Gültigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse standhalten.649
•
Inhaltsanalyse: Bei diesem Verfahren werden in der Hauptsache Texte aller Art, Rundfunk- und Fernsehsendungen, Filme o.ä. quantifizierend untersucht. Im Gegensatz zu den beiden bereits genannten Kategorien ist die Inhaltsanalyse nicht reaktiv, d.h. es gibt keinen direkt Befragten, der sich über die Befragungssituation bewusst wäre.650
Beobachtung und Inhaltsanalyse sind für die Durchführung des empirischen Teils dieser Arbeit aus folgenden Gründen nicht geeignet. •
Beobachtungen stellen auf Grund systematischer Schwierigkeiten, die vor allem in der Durchführung (Beobachterfehler, Subjektivität) anzusiedeln sind, ein problematisches Verfahren dar und werden nur vereinzelt in spezifischen Feldern der Sozialwissenschaften (z.B. Sozialpsychologie) angewendet.651
•
Wie bereits angedeutet, liegt der Anwendungsfokus von Inhaltsanalysen in erster Linie im Bereich der Kommunikations- und Medienanalyse.652
Aus diesen Gründen ist für die Durchführung des empirischen Teils dieser Arbeit die geeignete Datenerhebungstechnik in den Bereich der Befragung zu verorten.
648
Vgl. Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 165; Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 341 ff.; Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 100 ff. 649 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 358 ff.; Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 93 ff.; Huber, O. (Beobachtung 1993); S. 126. 650 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 374 ff.; Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 221 ff. 651 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 373 ff. 652 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 379 ff.; Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 232. 198
Eine persönliche mündliche Befragung ist aus technischen und ökonomischen Gründen eher ungeeignet. Gemeinhin lassen sich empirische Untersuchungen bis zu einer Stichprobengröße von maximal 200 durch persönliche Interviews abbilden; übersteigt die Anzahl der zu Befragenden diesen Grenzwert kann davon ausgegangen werden, dass Reisekosten sowie Verwaltungs- und Zeitaufwand exponentiell steigen.653 Diese würden zwar im Falle von telefonischen Interviews tendenziell sinken bzw. ganz entfallen (Reisekosten), allerdings bleiben der hohe Zeitbedarf auf Seite des Interviewers und eine Reihe weiterer Nachteile (die auch für eine persönliche Befragung gelten), die im Folgenden stichpunktartig aufgeführt sind:654 •
Gefahr von Interviewerfehlern
•
Subjektive Prägung des Interviews, eventuelle Gefahr, dass Antworten nicht "ehrlich" gegeben werden
•
Problematik, dass auf Grund des eingeschränkten Zeitrahmens, Antworten tendenziell "unüberlegter" gegeben werden könnten
•
Niedrigere Motivation zur Teilnahme, da Befragungszeitpunkt nicht selbst gewählt werden kann
•
Zusicherung der Anonymität ggf. unglaubwürdig
Aus den dargestellten Gründen wird ergo die Form der schriftlichen Befragung favorisiert, die die aufgezählten Nachteile nicht oder nur in geringem Maße aufweist. Allerdings muss eingeräumt werden, dass bei schriftlichen (postalischen) Befragungen höhere Ausfall- bzw. niedrigere Antwortquoten (zwischen 15% und 60%) zu erwarten sind.655 Da wir auf Grund der geringen Größe der Grundgesamtheit allerdings auf eine vergleichsweise hohe Antwortquote (Response) angewiesen sind, wird versucht, diesem Umstand durch vorgelagerte Telefonate zu begegnen, welche folgende Funktion erfüllen sollen: •
Absicherung der notwendigen Responsequote – Avisierung des Fragebogens – Direkte Beantwortung eventueller Fragen
653
Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 336. Vgl. Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 165; Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 99; Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 336. 655 Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 336; Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 99. 654
199
– Möglichkeit bei noch ausstehender Antwort "nachzuhaken"
•
Sicherstellung, dass Fragebogen bei den richtigen Empfängern bzw. Stellen landen
•
Möglichkeit eines personalisierten Anschreibens
•
Eventuell Senkung der Portokosten, da Fragebogen auf Wunsch auch elektronisch (E-Mail) zugeschickt werden kann
Zentrales Element einer postalischen Befragung ist die Konstruktion eines Fragebogens, da der Interviewer bei Beantwortung der Fragen nicht zugegen sein kann und somit besondere Aufmerksamkeit auf Verständlichkeit, Struktur und Design gelegt werden muss.656 Anders formuliert wird der Fragebogen auch als die schriftlich fixierte Strategie einer Befragung bezeichnet.657 Die Literatur bietet für eine dementsprechende Gestaltung eines Fragebogens eine Reihe von Hinweisen:658 •
Fragen und Antworten sind in einfacher, prägnanter bzw. kurzer und neutraler Art und Weise zu formulieren, sollten keine doppelten Negationen oder Slangbzw. unbekannte Fachausdrücke enthalten und eindeutig interpretierbar sein.
•
Der Fragebogen sollte in einer angemessenen Zeit beantwortet werden können. Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass ein Zeitraum von max. 40 Minuten nicht überschritten werden soll.
•
Die Art der Antwortkennzeichnung ist zu erläutern (ankreuzen, einkringeln) und muss über den gesamten Fragebogen konsistent sein.
•
Fragen sollen in Kleinbuchstaben und Antworten in Grossbuchstaben angegeben werden.
•
Seitenumbrüche bei Fragen oder Antworten sind zu vermeiden.
•
Zu einem Themenbereich sollten immer mehrere Fragen gestellt werden.
•
Fragen, die denselben Aspekt des Themas behandeln (Fragen- bzw. Themenkomplexe), sollten nacheinander gestellt werden.
656
Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 337. Vgl. Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 189. 658 Vgl. Kirchhoff, S, Kuhnt, S., Lipp, P., Schlawin, S. (Fragebogen 2003), S. 19 ff.; Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 312-313, 321 und 338-339; Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 89, 94 und 98. Mayer bezieht sich dabei auf o.g. Schnell et al. sowie KirschhoferBonzenhardt/Kaplitza. Vgl. Kirschhofer-Bonzenhardt, A., Kaplitza, G. (Fragebogen 1986), S. 98. 657
200
•
Die erste Frage sollte eng am Thema der Gesamtuntersuchung orientiert und einfach formuliert sein, so dass der Befragte innerhalbkürzester Zeit eine Beantwortung vornehmen kann.
•
Fragen nach demographischen oder statistischen Merkmalen sollten immer am Ende des Fragebogens platziert werden.
•
Auf der letzten Seite sollte neben der Dankesformel auch Raum für zusätzliche Kommentare gegeben werden.
•
Der Fragebogen sollte zudem bei der Versendung immer durch ein Begleitschreiben flankiert werden, dass das allgemeine Ziel der gesamten Untersuchung, die dahinter stehende Institution, die Wichtigkeit des Befragten für den Erfolg der Untersuchung sowie einen Hinweis, der die Anonymität der bereitgestellten Informationen zusichert, enthält. Ebenfalls sollte ein Hinweis gegeben werden, dass die Ergebnisse der Studie in einem Kurzbericht an den Befragten zurückgesendet werden, was in der Regel die Antwortquote erhöht. Zusätzlich sollte ein vorfrankierter Rückumschlag beigelegt werden, der die Bereitschaft zusätzlich steigert, den Fragebogen auszufüllen und auch zurückzusenden.
Die dargestellten Konstruktionskriterien für den Fragebogen, bzw. für die Art und Weise der Durchführung, wurden im hier zu Grunde liegenden Fragebogen berücksichtigt.659 Zusätzlich wurde ein Begleitschreiben formuliert, dass nach den oben beschriebenen Gestaltungskriterien formuliert wurde.660 Ingesamt werden im Fragebogen 17 Hauptfragen in fünf Kategorien gestellt. Da die Hauptfragen zum größten Teil in Teilfragen untergliedert sind, bzw. mehrere sog. Items abgefragt werden, ergeben sich in Summe maximal 150 Antworten (wenn alle Möglichkeiten zu Mehrfachnennungen ausgeschöpft werden). Zusätzlich besteht die Gelegenheit bei den halboffenen Fragen maximal 24 Einträge vorzunehmen. Die Beantwortungsdauer wurde auf ca. 30 Minuten veranschlagt und hat sich durch erste Pre-Tests auch bestätigt, die mit persönlichen Bekannten aus Finanzdienstleistungsinstituten durchgeführt wurden. Um zu vermeiden, dass zentrale Begrifflichkeiten (z.B. allgemeine Unternehmensum-
659 660
Der Fragebogen findet sich im Anhang ab Seite 269. Das Begleitschreiben findet sich im Anhang auf Seite 268. 201
welt) oder einzelne Antizipationsmethoden bei den Befragten unbekannt sind, wurden diese auf insgesamt zwei separaten Beiblättern kurz und leicht verständlich erläutert.661 Im Folgenden werden nun kurz die einzelnen Kategorien des Fragebogens hinsichtlich der wichtigsten Charakteristika (Ziel der Kategorie, Art der Fragen, Skalierung der Antworten etc.) vorgestellt.662 •
Kategorie I. - Allgemeine Unternehmensumwelt: In dieser Kategorie soll die Einschätzung der Befragten hinsichtlich der Attribute und Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt abgefragt werden. Da die Untergliederung der Unternehmensumwelt in die zwei Analyseebenen allgemeine Umwelt und Aufgabenumwelt sowie die Aufteilung der allgemeinen Unternehmensumwelt in die bekannten vier Segmente663 für diese Arbeit eine zentrale Stellung einnehmen und nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Befragte intuitiv diese Untergliederung nachvollziehen kann, wurde ein entsprechendes Beiblatt zugefügt, dass diese Aufteilung sowie die wichtigsten Indikatoren darstellt. Die erste Frage wurde, wie bereits indiziert, als Einstiegs- bzw. Eisbrecherfrage konzipiert und testet die Überzeugung664 der Befragten hinsichtlich der Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt in Relation zu anderen Branchen. Es folgen drei weitere, zweigeteilte Überzeugungsfragen, die einerseits jeweils Beurteilungen der vier Teilumwelten hinsichtlich der vorgestellten Attribute Dynamik, Komplexität und Kontingenz zum Ziel haben und andererseits jeweils abfragen, wie die Befragten die zukünftige Entwicklung dieser Attribut einschätzen. Die Kategorie schließt mit einer zweigeteilten Frage nach der Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt für a) den Unternehmenserfolg und b) die Strategische Planung. Alle Fragen werden durch
661
Die Beiblätter finden sich im Anhang ab Seite 276. Die Kategorien des Fragebogens korrespondieren mit den in Abschnitt V.1 vorgestellten Themenkomplexen, wobei die Themenkomplexe 1 und 2 in Kategorie I abgefragt werden, Themenkomplex 3 in Kategorie II, Themenkomplex 4 in Kategorie III und Themenkomplex 5 in Kategorie IV. 663 Siehe Abschnitt II.2.2. 664 Gemeinhin unterscheidet man vier grundsätzliche Fragetypen. Diese sind Überzeugungsfragen, die auf die Wahrnehmung und Einschätzung von Realität zielen, Einstellungsfragen, die auf den Aspekt der negativen oder positiven Beurteilung einer bestimmten Aussage fokussieren, Verhaltensfragen, die sich auf Handlungen bzw. Verhalten des Befragten beziehen und schließlich Fragen nach den Befragteneigenschaften, die personale oder demographische Eigenschaften des Befragten eruieren. Vgl. Schnell, R., Hill, P.B, Esser, E. (Methoden 1999), S. 303 ff. 662
202
Ankreuzen der entsprechenden Werte auf einer ordinal skalierten665 5er-Skala (immer mit "1" = "trifft voll zu", "sehr hoch" etc. bzw. "5" = "trifft nicht zu", "sehr niedrig" etc.) beantwortet, wobei die Antwortabstufungen "2", "3" und "4" nicht verbal umschrieben wurden.666 Alle Fragen werden in geschlossener Form gestellt, d.h. der Befragte muss sich zwischen Antwortalternativen entscheiden und hat nicht die Möglichkeit eigene Antworten in freischriftlicher Art und Weise zu geben.667 Ziel dieser Kategorie ist es, eine Einschätzung hinsichtlich des Turbulenzniveaus der einzelnen Umweltsegmente für die Finanzdienstleistungsbranche und deren eigener Dynamik zu erhalten und zusätzlich die Bedeutung bzw. die Auswirkungsstärke der Teilumwelten auf das Unternehmen im allgemeinen und die Strategische Planung im besonderen einzuschätzen. •
Kategorie II. - Prognose:668 In dieser Kategorie werden insgesamt sechs Fragen zur aktuellen Verfahrensweise mit unbestimmten Informationen sowie zum Nutzen einer quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen als Überzeugungsfragen in einer "Ja/Nein" Antwortlogik gestellt. Die letzte Frage ist eine Filterfrage, da die darauf folgende Frage nur bei einer Antwort mit "Ja" beantwortet werden muss. Ziel dieser Kategorie ist es, herauszufinden, wie mit unbestimmten Informationen umgegangen wird und ob die bestehenden Methoden ggf. durch die quantitative Verarbeitung unbestimmter Informationen verbessert werden könnten.
665
666
667
668
Man unterscheidet grundsätzlich nach dem Messniveau vier unterschiedliche Skalenarten. Nominalskalen (Messwerte sind gleich oder ungleich wie beispielsweise Geschlecht oder Nationalität), Ordinalskalen (Messwerte lassen sich der Größe nach ordnen wie z.B. Noten), Intervallskalen (Abstände zwischen den Messwerten sind quantitativ angebbar (Celsius-Skala) und Ratioskalen (haben zusätzlich zu den Intervallskalen einen absoluten Nullpunkt, der der Abwesenheit des Merkmals entspricht wie Alter oder Kelvin Skala). Vgl. dazu Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 70. Siehe auch Tab. V-2 in dieser Arbeit. Dies bezeichnet man auch als monopolare Skala mit Zahlenvergabe und verbaler Extrempunktumschreibung. Vgl. dazu Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 83. Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 89 ff. Prinzipiell sind aus Zeit- und Auswertungsgründen geschlossene Fragen offenen vorzuziehen. Aus didaktischen Gründen wurde als Kategoriebezeichnung der Begriff Prognose gewählt, wohlwissend, dass dieser nicht der in dieser Arbeit zu Grunde gelegten theoretischen Einteilung entspricht. Siehe dazu Abschnitt II.3.3 dieser Arbeit. 203
•
Kategorie III. - Antizipationsmethoden: In dieser Kategorie sollen die Befragten die prinzipielle Eignung der in dieser Arbeit vorgestellten Methoden669 für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt entlang der einzelnen Umweltsegmente beurteilen. Die Fragen können ebenfalls als Überzeugungsfragen angesehen werden. Um zu verhindern, dass die Befragten sich unter einer oder mehreren Methoden nichts vorstellen können, bzw. andere Bezeichnungen in der Praxis gebraucht werden, wird hier ebenfalls ein Beiblatt mit einer entsprechenden kurzen Erläuterung mitgeliefert. Die Beantwortung erfolgt durch Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens, wenn mindestens eine gute bzw. sehr gute Eignung (Bewertung mit "1" oder "2" auf der eingeführten Skala) vorliegt.670 Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sonstige Methoden zu spezifizieren (dies kann als so genannte halboffene Frage gewertet werden).671 In der zweiten Frage dieses Kapitels sollen die Befragten angeben, welche der Methoden tatsächlich regelmäßig oder fallspezifisch verwendet werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit bei Nichtverwendung eine kurze Begründung (unbekannt, kompliziert, teuer etc.) in freischriftlicher Form einzutragen. Ziel dieser Kategorie ist es, herauszufinden, welche Methoden für die Finanzdienstleistungspraxis relevant sind, und welche tatsächlich verwendet werden.
•
Kategorie IV. - Informationsbeschaffung: Im der ersten Frage dieser Kategorie wird abgefragt, welche Informationsquellen die Befragten bzw. deren Unternehmen nutzen, um Daten für die vorhandenen Antizipationstätigkeiten (Prognose im strategischen Kontext) zu gewinnen. Die Frage ist halboffen gestellt, es besteht die Möglichkeit, aus fünf Feldern jeweils vier Antworten anzukreuzen und/oder weitere Informationsquellen zu spezifizieren. In der zweiten Frage wird gebeten, eine prozentuale Relation zwischen quantitativen und qualita-
669
Siehe Abschnitt IV dieser Arbeit. Im einzelnen sind dies folgende Antizipationsmethoden: Trendextrapolation, Durchschnittswertberechnungen, exponentielle Glättungsverfahren, Regressionsmethoden, ökonometrische Modelle, Wachstumsmodelle, Simulationsmodelle, Input-Output-Analysen, DelphiMethode, historische Analogie, heuristische Methoden, Szenario-Analyse, Relevanzbaum-Methode, System-Analyse, Frühwarnsysteme, Früherkennungs-/aufklärungssysteme, Trendforschung. 670 Theoretisch hätte man die Eignung aller 17 Methoden für jeweils ein Teilsegment auf einer separaten Seite abfragen können und hätte demnach eine Bewertung auf der eingeführten 5er-Skala erwirken können. Im Interesse der Beantwortungszeit und auf Grund der Tatsache, dass diese Art der Befragung schnell die Motivation zum Weitermachen mindern könnte, haben wir uns entschieden, diese Frage auf einer Seite zusammenzufassen und nur die gute bzw. sehr gute Eignung der entsprechenden Methoden abzufragen. 671 Vgl. Mayer, H.O. (Interview und schriftliche Befragung 2004), S. 91. 204
tiven Informationen, die im Rahmen der Informationsbeschaffung erhoben werden, anzugeben und zusätzlich die Genauigkeit dieser Einschätzung auf der eingeführten 5er-Skala zu bewerten. Ziel dieser Kategorie ist es zu evaluieren, welche Informationsquellen und welche Art von Informationen speziell in der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern genutzt bzw. erhoben werden. Dies ist insofern vor dem Hintergrund der verwendeten Methoden und der Einschätzung der Umweltturbulenz aufschlussreich, da man in der Wissenschaft davon ausgeht, dass speziell in dynamischen Umweltsituationen Informationen nur in sehr unbestimmter bzw. qualitativer Form vorliegen. •
Kategorie V. - Allgemeines: Hier werden statistische Daten zu Unternehmensgröße, Institutsart und Trägerschaft des Aufgabenbereichs der Strategischen Planung gestellt. Die Beantwortung erfolgt durch Ankreuzen vorgegebener Kategorien. Im Grunde genommen lasen sich die Fragen in dieser Kategorie dem Typus "Fragen nach Befragteneigenschaften" zuordnen, obgleich nicht nach Eigenschaften des Befragten selbst, sondern nach denen des beschäftigenden Unternehmens gefragt wird.
3.3
Rechnerische Handhabung der gewonnenen Daten
Die Qualität von Daten ist durch die die Art und Weise ihrer Messung determiniert, wobei Messen als Ausdrücken gewisser Eigenschaften eines Objekts bzw. Untersuchungsgegenstandes in Zahlenform definiert wird.672 Der Maßstab für die Daten wird als Skala bezeichnet.673 Je nach der Ausdrückbarkeit der Eigenschaften eines Objekts in Zahlenform unterscheidet man zwischen verschiedenen Skalenniveaus, welche die Zulässigkeit von Rechenoperationen und den Informationsgehalt der Daten festlegen. Man unterscheidet, wie bereits angedeutet,674 vier Skalentypen, was folgende Tabelle in ausführlicher Form zusammenfasst.
672
Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. XVIII. Die Definition des Begriffs Skala findet sich in der Fußnote 227. 674 Siehe Fußnote 665. 673
205
Tab. V-2: Skalentypen675 Bezeich-
Erklärung
Rechenoperatio-
nung
Beispiel
nen
Geschlecht, Farbe
Nominal-
Klassifizierung qualitativer
Ermittlung von
skala
Eigenschaftsausprägungen
Häufigkeiten
Ordinal-
Möglichkeit zur Bildung einer
Zusätzlich Median, Schulnoten,
skala
"Größer-als-Beziehung", da na-
Quartilsabstände,
türliche Rangordnung zwischen
Spannweiten
Tabellenplatzierung
Merkmalsausprägungen; Abstände jedoch nicht quantifizierbar Intervall-
Wie Ordinalskala nur mit
Zusätzlich arith-
skala
gleichgroßen Rangabständen
metisches Mittel,
Temperatur in Celsius
Subtraktion, Addition, Varianz, Standardabweichung Verhältnis-
Wie Intervallskala, jedoch mit
Zusätzlich Quo-
skala
bestimmbaren Nullpunkt
tient, geometri-
Körpergröße, Alter
sches Mittel, Variationskoeffizient Die Daten, die in unserer Untersuchung erhoben werden, haben nominalen bzw. ordinalen Charakter. Alle Daten, die Meinungen der Befragten auf der beschriebenen 5er-Skala wiedergeben, sind als nominal skaliert (Kategorie I und teilweise Kategorie IV)676 einzuordnen. Die restlichen Daten sind ordinal skaliert (z.B. Eignung, Anwendung der Methoden, Trägerschaft der Strategischen Planung, Unternehmenstypus). Daher werden wir im Verlauf der nächsten Abschnitte, in dem die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt werden, uns ausschließlich auf die Wiedergabe der Häufigkeitsverteilungen und ggf. von Medianen konzentrieren.
675
Quelle: Vgl. Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 3 bzw. S. 24; Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. XIX; Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 254 ff. 676 Siehe Abschnitt V.3.2. 206
4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung Unter diesem Punkt werden die Ergebnisse der Empirie vorgestellt, wobei im ersten Abschnitt der Rücklauf einer genaueren Analyse unterzogen wird und im zweiten Abschnitt die Ergebnisse der einzelnen Fragekategorien dargestellt werden. 4.1
Rücklauf
Alle in der Grundgesamtheit vertretenen Institute wurden innerhalb eines Zeitraums von ca. drei Monaten kontaktiert. Dabei wurde im Regelfall677 über die Telefonzentrale versucht, einen Ansprechpartner, der für die langfristige bzw. strategische Unternehmensplanung verantwortlich ist, ausfindig zu machen und diesem persönlich, fernmündlich das Design sowie die Inhalte der empirischen Untersuchung zu avisieren. Im Anschluss wurde der Fragebogen elektronisch (Email) oder postalisch zugesendet. Der größte Teil der Fragebögen (ca. 85%) konnte auf diesem Wege persönlich adressiert werden. Für den Fall, dass die Geschäftspolitik der Institute eine Vermittlung eines persönlichen Ansprechpartners nicht zuließ, wurde der Fragebogen per Post an eine entsprechende Abteilung oder an die Pressestelle des Unternehmens gesendet. Als Beantwortungsdauer wurde ein Zeitraum von vier Wochen veranschlagt. Für den Fall, dass bis dahin keine Antwort einging, wurde ein Erinnerungsschreiben mit einer zweiwöchigen Frist gesendet. Nach Ablauf dieses Zeitraumes wurde ein weiterer Reminder mit einer ebenfalls zweiwöchigen Beantwortungsfrist zugeschickt. Falls dies ebenfalls nicht zum Erfolg geführt hat, wurde, soweit bekannt, der Ansprechpartner nochmals telefonisch kontaktiert. Die meisten beantworteten Fragebögen (ca. 80%) wurden per Fax zurückgesendet, die restlichen 20% per Post. Von den 387 Instituten haben insgesamt 181 Institute an der Befragung teilgenommen. Die entspricht einer Antwortquote von 46,8 %.678 Ungültige oder unleserliche Fragebögen gab es nicht. Unter Zugrundelegung der oben genannten Formel zur Ermittlung der notwendigen Stichprobengröße679 ergäbe sich bei 181 Antworten und Ansetzung der gängigen Werte für t und p ein Stichprobenfehler von 5,43%, das heißt die Mittelwerte der Grundgesamt677
Ausnahmen bildeten bereits vorhandene persönliche Kontakte, die direkt angeschrieben/angesprochen wurden. 678 Siehe Anhang 2.1, Seite 278. 679 Siehe Abschnitt V.3.1. 207
heit werden mit einer Sicherheit von 95% und mit einer Genauigkeit bzw. Irrtumswahrscheinlichkeit von +/- 5,43% approximiert. Bezüglich des Rücklaufs stellt sich zusätzlich die Frage, ob die einzelnen Institutskategorien entsprechend ihrer Verteilung in der Grundgesamtheit in den Antworten vertreten sind. Nachfolgende Abb. V-1 zeigt auf, dass die Hauptunternehmensgruppen Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften im Rücklauf in einem ähnlichem Verhältnis wie in der Grundgesamtheit repräsentiert sind.
1 Versendete Fragebögen in Prozent der Grundgesamtheit (387 Institute)
• Sparkassen
26
33
• Universalbanken
4
• Zentralinstitute
4
-7
-1
5
1
3
-1
29
24
Versicherungen
• Lebens-
9
8
6
5
5
14
11
versicherungen
• Sach-
-7
1
7
8
• Bausparkassen
Differenz 2 - 1 in Prozentpunkten
20
19
• Geno-Banken
Kapitalanlagegesellschaften
61
68
Banken
versicherungen • Krankenversicherungen
2 Erhaltene Fragebögen in Prozent der Summe erhaltener Fragebögen (181)
1 1
10
8
3
2
Abb. V-1: Rücklauf der empirischen Untersuchung nach Institutskategorien680
Auffallend ist, dass die geringe Unterrepräsentation der Kategorie "Banken" vor allem durch die Differenz im Segment "Sparkassen" zu Stande kommt. Ein möglicher Erklärungsansatz wäre, dass die Sparkassen vor allem die kleineren Institute der Grundgesamtheit darstellen und daher Themen der Strategischen Planung nicht im gleichen Maße wie z.B. bei Großbanken behandelt werden. Dies bestätigt zudem unsere Vermutung, dass in kleineren Instituten des öffentlich-rechtlichen Sektors die von uns abgefragten
680
Quelle: Eigene Darstellung. 208
Themen weniger relevant sind und somit eine Einschränkung auf "große" Finanzdienstleister sinnvoll war.681 4.2
Ergebnisse der einzelnen Fragekategorien
Die Ergebnisse der Befragung werden entlang der einzelnen Abschnitte des Fragebogens dargestellt, wobei jedes folgende Kapitel einen Abschnitt des Fragebogens (Themenkomplex) repräsentiert. 4.2.1
Einschätzung der Ausprägung von Attributen und Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt
Die erste Frage dieses Abschnittes war als sog. "Eisbrecherfrage" konzipiert.682 Nach ihrer Eigeneinschätzung ist die Branche der Finanzdienstleister stärker von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt betroffen als andere Branchen. Auf der bereits erläuterten 5er-Skala haben 17% mit "1", 40% mit "2", 24% mit "3", 12% mit "4" und die restlichen 7% mit "5" geantwortet. Der Median liegt bei "2".683 In der zweiten Frage dieses Abschnittes wurde einerseits eine Beurteilung des Attributs der Dynamik der einzelnen Umweltsegmente auf Basis der Entwicklung der letzten fünf Jahre verlangt, andererseits sollten die Befragten einschätzen, wie sich das Niveau der gesamten allgemeinen Unternehmensumwelt in den nächsten fünf Jahren verändert. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass durch die teilnehmenden Institute die einzelnen Teilumwelten als dynamisch wahrgenommen werden. Insbesondere das politisch-rechtliche und das makro-ökonomische Umweltsegment werden als hochdynamisch bewertet, was nachfolgende Abbildung zusammenfasst.
681
Siehe Abschnitt V.3.1. Siehe Abschnitt V.3.2. 683 Siehe Anhang 2.2.1, Seite 281. 682
209
In Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
Politisch-rechtliches Umweltsegment
45
45
36
38
16
1
2
3
3
0
4
5
Sehr dynamisch
Undynamisch
Sozio-kulturelles Umweltsegment
1
7
3
4
Sehr dynamisch
0 5 Undynamisch
Technologisches Umweltsegment
43 26
39 29
22
7 1
2
10
28
3 2
3
4
Sehr dynamisch
1
5 Undynamisch
Sehr dynamisch
2
3
2
2
4
5 Undynamisch
Abb. V-2: Dynamik der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern entlang der einzelnen Umweltsegmente684
Hinsichtlich der Veränderung des Niveaus der Dynamik gehen 80% der Befragten von einer Zunahme aus (27% bewerten mit "1", 53% mit "2", wobei eine Bewertung mit "3" einer Stagnation gleichkäme).685 Für die Komplexität, nach der in der gleichen Systematik wie nach der Dynamik gefragt wurde, ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier werden vor allem die politisch-rechtliche und die makro-ökonomische Teilumwelt als vergleichsweise komplex eingestuft. Auch hier rechnen wiederum ca. 80% der Befragten mit einer Zunahme der Komplexität über die nächsten fünf Jahre.686 Als drittes Attribut der allgemeinen Unternehmensumwelt wurde nach der Unbestimmtheit gefragt. Auffällig hierbei ist, dass zwar die einzelnen Umweltsegmente nicht als bestimmt oder sicher wahrgenommen werden, dass aber gegenüber den Einschätzungen von Dynamik und Komplexität nicht das gleiche Niveau erreicht wird. Insbesondere die sozio-kulturelle Teilumwelt wird als vergleichsweise bestimmt bewertet (43% der Befragten antworten mit "3", 41% mit "4").
684
Quelle: Eigene Darstellung. Siehe Anhang 2.2.1, Seite 282. 686 Siehe Anhang 2.2.1, Seite 283. 685
210
Diese Tendenz setzt sich auch in der Bewertung der Veränderung der Unbestimmtheit fort. Hier rechnen 51% der Befragten mit einer Zunahme der Unbestimmtheit über die nächsten fünf Jahre.687 Um die Einschätzung der Befragten hinsichtlich der Turbulenz (verstanden als das integrierte Niveau von Dynamik, Komplexität und Unbestimmtheit) der Unternehmensumwelt besser in Relation zu deren Wirkung auf das Unternehmen zu stellen, wurde in der fünften Frage dieses Abschnitts, die ebenfalls zweigeteilt ist, nach der Beeinflussung auf Unternehmenserfolg und der Aufgabe der Strategischen Planung gestellt. Es wurde die bereits eingeführte 5er-Skala ("1" bedeutet hohe Beeinflussung, "5" keine Beeinflussung") zu Grunde gelegt. Hinsichtlich des Beeinflussungsgrades auf den ökonomischen Erfolg der Finanzdienstleister, lässt sich feststellen, dass insbesondere das makro-ökonomische Umweltsegment (66% der Befragten antworten mit "1", "28% der Befragten mit "2", der Median liegt bei "1") eine wesentliche Wirkung ausübt. Ebenfalls großen Einfluss übt die politisch-rechtliche Umwelt aus (37% mit "1", 44% mit "2", Median ist "2"). Die soziokulturelle und die technologische Teilumwelt haben im Vergleich zu den beiden anderen Umweltsegmenten eine vergleichsweise geringere Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens, üben jedoch immer noch eine relevante Wirkung aus. Die Ergebnisse dieser Frage sind in nachfolgender Abbildung zusammengefasst.
687
Siehe Anhang 2.2.1, Seite 284. 211
Makro-ökonomisches Segment Politisch-rechtliches Segment Sozio-kulturelles Segment Technologisches Segment
In Prozent, 100% = 181 Antworten
66 Median 1 2 3 3
46
44 37
36
33
31
28
21
18
14
11 6 1
4 2
2 3
Hohe Beeinflussung
1
0 4
1
0
1
5 Keine Beeinflussung
Abb.V-3: Beeinflussungsgrad einzelner Umweltsegmente auf den Unternehmenserfolg688
Der zweite Aspekt, die Beeinflussung der Strategischen Planung durch Entwicklungen in den einzelnen Teilbereichen der allgemeinen Unternehmensumwelt, wird von den Befragten ähnlich wahrgenommen wie die Wichtigkeit für den gesamten Unternehmenserfolg.689 Fazit: Finanzdienstleister sehen sich in einer turbulenten Umweltsituation. Einerseits ist
Großteil der teilnehmenden Unternehmen der Meinung, dass Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen stärker von Entwicklungen der Unternehmensumwelt im Vergleich zu anderen Branchen betroffen sind. Andererseits werden Dynamik, Komplexität und, auf etwas niedrigerem Niveau, die Unbestimmtheit von den befragten Instituten als stark ausgeprägt empfunden. Zudem wird erwartet, dass die Niveaus der Attribute der Unternehmensumwelt sich in den nächsten fünf Jahren erhöhen, die Umweltsituation also turbulenter wird. Zusätzlich sind die Entwicklungen in den einzelnen Umweltsegmenten wichtig für Unternehmenserfolg und Strategische Planung. Dabei werden Turbulenzniveau und Beeinflussungsgrad insbesondere bei den makro-ökonomischen und der politisch-rechtlichen Teilumwelten vergleichsweise am höchsten eingeschätzt. Die dyna-
688 689
Quelle: Eigene Darstellung. Siehe Anhang 2.2.1, Seite 285. 212
mischsten, komplexesten und unbestimmtesten Umweltsegmente sind ergo auch die wichtigsten (vice versa). Unsere Annahmen des Themenkomplex 1 und des Themenkomplex 2 sehen wir daher als bestätigt an.690 4.2.2
Aussagen zur Informationsstruktur und -verarbeitung für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt
In diesem Abschnitt des Fragebogens wurden den Befragten fünf Aussagen aus dem Bereich Antizipation691 mit einer Gewichtung auf dem Umgang mit Unsicherheit und dem Charakter von strategischen Informationen vorgelegt. Die Aussagen konnten jeweils mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden. Die letzte Frage dieses Abschnitts war eine Filterfrage. Im ersten Teil wurde abgefragt, ob die Prognosequalität im jeweiligen Institut durch quantitative Verarbeitungsmöglichkeiten für unbestimmte Informationen verbessert werden konnte. Im Falle der Beantwortung mit "Ja", sollte angegeben werden, für welche Teilumwelt dies von besonderem Vorteil wäre. Die Ergebnisse der angesprochenen fünf Aussagen fasst nachfolgende Abbildung zusammen:
690 691
Siehe Abschnitt V.1, Seite 187 ff. Aus Verständnisgründen wurde im Fragebogen der Begriff "Antizipation" durch den Begriff "Prognose" ersetzt, da davon ausgegangen werden kann, dass die Mehrzahl der Befragten dies leichter verstehen bzw. die wissenschaftliche Unterscheidung bzw. Abgrenzung der unterschiedlichen Antizipationsformen "Prognose", "Projektion", Prophezeiung" nicht in der Praxis flächendeckend getroffen wird. 213
Ja/Stimmt
In Prozent, 100% = 181 Antworten Fragen
Nein/Stimmt nicht
Antworten
1.) Verwendung von Unsicherheitsmaßen in Prognosen über die allgemeine Unternehmensumwelt
52 48
2.) Vernachlässigung von Ereignissen in Prognosen, die nicht exakt quantifizierbar sind
39 61
3.) Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt sind unbestimmt/nicht exakt quantifizierbar
87 13
4.) Verarbeitung von unbestimmten Informationen in den aktuellen Prognosen
81 19
5.) Verbesserung der Prognosequalität durch quantitative Verarbeitungsmöglichkeiten für unbestimmte Informationen
91 9
Abb. V-4: Stellungnahme zu Aussagen aus dem Bereich der Prognose692
Hinsichtlich der ersten Aussage, lässt sich festhalten, dass 48% der teilnehmenden Institute keine Unsicherheitsmaße (z.B. Wahrscheinlichkeiten) für ihre Prognosen über Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt verwenden. Dies ist insbesondere deswegen erstaunlich, weil einerseits die Veränderlichkeit der Unternehmensumwelt (Dynamik und Unbestimmtheit) als hoch bzw. andererseits als zukünftig höher werdend eingeschätzt wird.693 Die zweite Aussage konstatiert, dass die befragten Finanzdienstleister nicht exakt quantifizierbare Ereignisse tendenziell in ihren Prognosen vernachlässigen. Dieser Aussage stimmten 39% zu, was gerade vor dem Hintergrund der Strategischen Planung, die auf Grund ihrer Langfristigkeit zum größten Teil mit qualitativen Informationen konfrontiert ist, bemerkenswert ist. Dies bestätigt sich auch in der dritten Aussage. 87% der teilnehmenden Institute geben an, dass Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt unbestimmt bzw. nicht exakt quantifizierbar sind. Die Antworten der vierten Aussage zeigen einen scheinbaren Widerspruch zu der zweiten Aussage dieses Fragebogenabschnitts (38% stimmen zu, dass nicht exakt quantifizierbare
692 693
Quelle: Eigene Darstellung Siehe Abschnitt V.4.2.1 bzw. Anhang 2.2.1, Seite 282 ff. 214
Ereignisse in den Prognosen vernachlässigt werden) auf. 81% bejahen, dass sie unbestimmte Informationen in den aktuell erstellten Prognosen verarbeiten. Dies kann durch folgende Aspekte erklärt werden: •
Es existieren weitere quantitative Informationen, die nicht exakt spezifizierbar sind, sondern beispielsweise nur in Bandbreiten oder mit Wahrscheinlichkeiten belegt vorliegen. Dies könnte sich mit den Antworten zur ersten Aussage decken.
•
Es existieren weitere qualitative Informationen, die nicht unbestimmt sind. Diese könnten insbesondere die von Natur aus nur qualitativ vorhandenen Informationen aus dem politisch-rechtlichen (z.B. Gesetzesinhalte), soziokulturellen (z.B. Werteverschiebungen) oder technologischen (z.B. Ausprägung einer neuen Technologie) Umweltsegmenten sein, die zwar bestimmt aber von denen nicht unmittelbar quantifizierbare Konsequenzen oder Wirkungen abgeleitet werden können.
Auf Basis der Ergebnisse der vierten Aussage, kann man die Ergebnisse der fünften Aussage in einer weiteren Dimension interpretieren. Zwar verarbeiten 81% der großen Finanzdienstleister unbestimmte Informationen, doch geben 91% der Befragten an, dass die Prognosequalität durch quantitative Verarbeitungsmöglichkeiten von unbestimmten Informationen steigen würde. Das heißt, dass die bestehende Verarbeitung von unbestimmten Informationen in jedem Fall durch den Einsatz quantitativer Methoden verbessert werden kann. Insbesondere der Bereich der makro-ökonomischen Teilumwelt wird von 94% der Befragten, die bei der vorhergehenden Aussage mit "Ja" geantwortet haben als prädestiniert für den Einsatz von quantitativen Methoden zur Verarbeitung von unbestimmten Informationen angesehen. Nachfolgende Abbildung fasst die Ergebnisse des zweiten Teils der fünften Frage zusammen:
215
In Prozent, 100% = 164 Antworten*; Mehrfachnennungen möglich 94
42 32 22
Makroökonomisches Segment
Politischrechtliches Segment
TechnoSoziologisches kultuSegment relles Segment
* 164 Antworten = 91% Zustimmungsquote auf Frage II.A.5
Abb. V-5: Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt mit besonderer Eignung zur Anwendung von Verfahren zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen694 Fazit: Informationen über Ereignisse der allgemeinen Unternehmensumwelt werden von
großen Finanzdienstleistungsinstituten als unbestimmt bzw. nicht exakt quantifizierbar wahrgenommen. Zwar werden diese Informationen in der aktuellen Prognoseerstellung in irgendeiner Form berücksichtigt, allerdings wenden nur die Hälfte der Unternehmen Unsicherheitsmaße an bzw. vernachlässigen sogar 44% der Institute Ereignisse, die nicht exakt quantifizierbar sind. Zudem scheint die Verarbeitung von unbestimmten Informationen nur unzureichend möglich, da fast alle Unternehmen bejahen, dass Verbesserungen der Prognosequalität durch die Anwendung quantitativer Verfahren möglich sind. Vor allem das turbulente und einflussreiche makro-ökonomische Umweltsegment wird als prädestiniert für derartige Methoden angesehen. Beide Annahmen des Themenkomplex 3 sehen wir daher durch die empirischen Ergebnisse bestätigt.695
694 695
Quelle: Eigene Darstellung Siehe Abschnitt V.1, Seite 188. 216
4.2.3
Eignung und tatsächliche Anwendung der Prognosemethoden
Sowohl in Bezug auf die prinzipielle Eignung der unterschiedlichen, im theoretischen Teil dieser Arbeit vorgestellten Antizipationsmethoden als auch in punkto tatsächliche Anwendung gibt es zwischen den einzelnen Verfahren, deren hauptsächlichen Einsatzgebieten und den Differenzen zwischen Eignung und Anwendung teils erhebliche Unterschiede. Bei der Eignung mussten die befragten Institute die Frage beantworten, welche Methoden für die Antizipation von Ereignissen in den entsprechenden Umweltsegmenten als sehr gut (Bewertung mit "1" auf der eingeführten 5er-Skala) oder gut (Bewertung mit "2") angesehen werden. Mehrfachnennungen waren möglich. Die Ergebnisse dieser Fragestellung werden entlang der drei eingeführten Kategorien "Quantitative Methoden", "Qualitative Methoden" und "Verbundmethoden" im Folgenden dargestellt: •
Quantitative Methoden: Die untersuchten Methoden aus diesem Bereich finden ihre hauptsächlichen Anwendungsgebiete im makro-ökonomischen und im sozio-kulturellen Umweltsegment. Von den auf acht Methoden (und jeweils vier Umweltsegmenten) verteilten Gesamtnennungen (1485), entfallen 768 Nennungen (52%) auf erstgenannte und 447 Nennungen (30%) auf die zweitgenannte Teilumwelt. Dies liegt unserer Meinung in der tendenziell besseren quantitativen Darstellbarkeit von einzelnen Faktoren gerade im makroökonomischen Segment. Die am häufigsten genanten Verfahren sind die Trendextrapolation mit insgesamt 245 Nennungen, gefolgt von Simulationsmodellen (242) und Wachstumsmodellen (204). Bei letztgenanntem Verfahren fällt zudem die Eignung für Antizipationen der technologischen Teilumwelt auf. Die Glättungsverfahren und vor allem die Input-Output-Analysen wurden von den teilnehmenden Unternehmen am seltensten genannt (136 bzw. 116 Nennungen).
•
Qualitative Methoden: Gegenüber den quantitativen Methoden zeigt sich bei den qualitativen Verfahren ein anderes Bild. Jede Teilumwelt wird in Summe in etwa gleich häufig als geeignet empfunden, was auf eine universellere Einsetzbarkeit derartiger Verfahren, die nicht notwendigerweise auf quantitative Informationen angewiesen sind, hinweist. Die beste Eignung weisen mit 248 Nennungen die Delphi-Methode gefolgt von den heuristischen Methoden (222 Nennungen) auf, wohingegen Systemanalyse (171 Nennungen) und Relevanzbaum-Methode (100 Nennungen) als weniger geeignet bewertet wurden. 217
•
Verbundmethoden: Die Verbundmethoden erscheinen als Gesamtkategorie nach Meinung der Befragten für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt am besten geeignet. Auffallend ist, dass jede Methode im Vergleich zu den anderen Kategorien relativ häufig genannt wird, es gibt also keine "Ausreißer nach unten". Die Einsatzschwerpunkte bezogen auf die Umweltsegmente sind bei den unterschiedlichen Verfahren hingegen verschieden. Frühwarnsysteme können insbesondere im makro-ökonomischen Bereich angewendet werden (132 Nennungen ggü 235 Nennungen insgesamt). Früherkennungs- und Frühaufklärungssysteme sind wohl am breitesten für alle Teilumwelten mit einer Akzentuierung des makro-ökonomischen Segments geeignet. Trendforschung findet den hauptsächlichen Anwendungsbereich im sozio-kulturellen Bereich. Die beste Eignung weist mit Abstand die Szenarioanalyse (373 Nennungen) auf, welche damit auch als am besten geeignete Methode insgesamt gewertet werden kann. Zudem wird sie auch als universell einsetzbar eingeschätzt.
In nachfolgender Abbildung sind zusammenfassend die Bewertungen hinsichtlich der Eignungen der Antizipationsmethoden dargestellt:
218
Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen Trendextrapolationen
94
Durchschnittswertberechnungen
104
Exponentielle Glättungsverfahren
Quantitative
Wachstumsmodelle
41 12 136
114
Ökonometrische Modelle 62
64
3
11
68
63
120
Input-Output-Analysen
11 192
6 35 3 171
127
Simulationsmodelle
19 245
10 46 19 179
83
Regressionsmethoden
120
12
36
204
55
31 242
21 116
64
13 18
Delphi-Methode
Qualitative
Historische Analogie
44
81
70
55
69
Heuristische Methoden
26
Relevanzbaum-Methode
21 21 27 31 100
Systemanalyse Frühwarnsysteme
Verbund
Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung Szenarioanalyse
27 35
59
69
50
171
51
70
131
28 35 138
222
36 34 33 235
132 97
248
52 15 174
52 58
53
58
276
42 236
84
81
70
373
Abb. V-6:Eignung von Antizipationsmethoden696
Hinsichtlich der tatsächlichen Anwendung der Methoden wurde nach einer regelmäßigen und einer fallspezifischen Verwendung differenziert. Für die bekannten Methodenkategorien ergeben sich folgende Ergebnisse, die in der folgenden Abbildung zusammengefasst sind: 696
Quelle: Eigene Darstellung 219
In Prozent, Basis 181 Fragebögen Regelmäßige Verwendung Fallspezifische Verwendung
Quantitative Verfahren
Qualitative Verfahren
54
Trendextrapolation Durchschnittswertberechnungen Exponentielle Glättungsverfahren Regressionsmethoden
19
51 25
22 20
34
23
24
12 36
Wachstumsmodelle
24
25
Input-OutputAnalysen
46
Historische Analogie Heuristische Methoden RelevanzbaumMethode
73
45
Ökonometrische Modelle
Simulationsmodelle
Delphi-Methode
73
Systemanalyse
57
10
18
15
28
31
19 7
46
26 24
20
45
31
20
40
Verbundverfahren Frühwarnsysteme Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung
49
17
63
13 9 22
Szenarioanalyse
60 40 24
13 73 19
24 66
59
48
18 84
Abb. V-7: Tatsächliche Verwendung von Antizipationsmethoden697
•
Quantitative Methoden: Im Durchschnitt liegt die tatsächliche Verwendung dieser Methoden bei ca. 52% je Methode. Tendenziell werden quantitative Verfahren durchschnittlich eher regelmäßig (34%) als fallspezifisch (18%) eingesetzt. Am häufigsten werden Trendextrapolationen und Durchschnittwertberechnungen mit jeweils 73% angewendet. Ökonometrische Modelle (36%) und Input-Output-Analysen (22%) werden hingegen am wenigsten in der Finanzdienstleistungspraxis verwendet. Auffallend ist der hohe regelmäßige Anwendungsgrad bei den Simulationsmodellen.
•
Qualitative Methoden: Mit einem Durchschnitt von 38% werden qualitative Verfahren seltener angewendet als die quantitativen Methoden (Differenz 14 Prozentpunkte), obwohl dabei die Eignung dieser Kategorie im Vergleich zu den quantitativen Methoden als ungefähr gleichwertig empfunden wurde. Zudem dominiert die fallspezifische Anwendung mit 24% versus 14% bei der regelmäßigen Anwendung.
697
Quelle: Eigene Darstellung 220
•
Verbundmethoden: Verbundmethoden werden im Durchschnitt von 66% der großen deutschen Finanzdienstleister angewendet und stellen damit die am weitest verbreitete Methodenkategorie dar. Zudem dominiert die regelmäßige Verwendung (48%). Auffallend ist weiterhin die weite Verbreitung der Szenarioanalyse, die mit 84% vom größten Teil der teilnehmenden Institute verwendet wird und die damit das absolut am meisten genutzte Verfahren darstellt. Zusätzlich werden von 73% der befragten Unternehmen Frühwarnsysteme, die mit 60% auch einen hohen regelmäßigen Verwendungsgrad aufweisen, genutzt. Trendforschung wird eher in geringerem Maße betrieben. 47% der Befragten benutzen die Methode der Trendforschung, davon die Hälfte regelmäßig.
Eine weitere interessante Frage, der wir in diesem Abschnitt nachgehen wollen, ist die Abweichung zwischen Eignung und tatsächlicher Verwendung der einzelnen Antizipationsmethoden, was nachstehende Abb. V-8 darstellt: Tendenziell werden die vorgestellten Methoden eher als geeignet empfunden, als real angewendet. Einzige Ausnahme bilden die Durchschnittswertberechnungen, die 64% der teilnehmenden Institute als geeignet bewerten, aber von 73% angewendet werden. Ansonsten werden alle anderen Verfahren zum größten Teil signifikant weniger verwendet als für geeignet befunden. In der Kategorie der quantitativen Methoden fällt diese insbesondere bei den ökonometrischen Modellen auf, die ein Delta von 38 Prozentpunkten aufweisen. Als häufigster Grund für Nichtverwendung wurde die Komplexität und (damit assoziiert) die hohen Kosten von den Befragten angegeben. Bei den quantitativen Verfahren wird die Delphi-Methode im Vergleich zu der prinzipiellen Eignung relativ wenig verwendet (Delta entspricht 37 Prozentpunkten). Ebenso wie bei den ökonometrischen Modellen wird die Komplexität dieses Verfahrens als hauptsächlicher Grund für die Nichtverwendung genannt. Ähnlich verhält es sich mit der Trendforschung in der Kategorie der Verbundverfahren, die mit 36 Prozentpunkten Differenz ebenfalls eine signifikante Abweichung zwischen Eignung und tatsächlicher Nutzung aufweist.
221
1 Eignung* in Prozent
Delta 2 - 1 in Prozentpunkten
2 Verwendung** in Prozent
Trendextrapolation
80
Durchschnittswertberechnungen
73
64
Exponentielle Glättungsverfahren
73
51 73
Ökonometrische Modelle
74
Wachstumsmodelle Simulationsmodelle
-6 57
-16
36
-38
72
49 80
45
-23 63
-17
22
Delphi-Methode
9
45
Regressionsmethoden
Input-Output-Analysen
-7
-23
28
64
-36
Historische Analogie
60
46
-14
Heuristische Methoden
60
45
-15
Relevanzbaum-Methode Systemanalyse
38
31 55
40
Trendforschung Szenarioanalyse
-15
79
Frühwarnsysteme Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme
-7
73
-6
59
69
-10
48
80 87
-32 84
-3
* Mindestens für ein Umweltsegment wurde eine gute/sehr gute Eignung der entsprechenden Methode angegeben. Verhältnis dann in Relation zur gesamten Anzahl Institute (181) ** Regelmäßig oder fallspezifisch
Abb. V-8: Differenz von Methodeneignung und -anwendung698 Fazit: Die gängigen Verfahren, die die Wissenschaft zur Antizipation von Entwicklun-
gen der allgemeinen Unternehmensumwelt vorschlägt, werden tendenziell als geeignet für die Zwecke von Finanzdienstleistern empfunden, wobei die größte Eignung und gleichzeitig die größte Anwendungshäufigkeit den Verbundverfahren zuzurechnen ist. Weiterhin ist festzustellen, dass es prinzipiell eine negative Differenz zwischen Eignung
698
Quelle: Eigene Darstellung. 222
und tatsächlicher Verwendung der verschiedenen Methoden gibt. Diese Differenz kommt dabei insbesondere im qualitativen Bereich zum Tragen. Als Haupteinsatzgebiete für die quantitativen Verfahren werden die durch quantitative Faktoren geprägte makro-ökonomische Teilumwelt und die sozio-kulturelle (hier vor allem die Soziodemographie) Teilumwelt identifiziert. Damit bestätigt sich die in Themenkomplex 4 getroffene Annahme bezüglich des Einsatzschwerpunktes derartiger Verfahren.699 Insbesondere Trendextrapolationen, Regressionen und Simulationsmodelle sind auf Basis der empirischen Ergebnisse für diese Bereiche geeignete Verfahren und werden auch vergleichsweise häufig verwendet. Auffallend ist die große Differenz zwischen Eignung und Anwendung bei den Ökonometrischen Modellen, was in deren Komplexität begründet liegt. Die in Themenkomplex 4 dargestellte Ableitung aus der Theorie, dass quantitative Verfahren (insbesondere Zeitreihenanalysen und Regressionsmethoden) wenig geeignet sind, strategisch relevante Entwicklungen langfristig zu antizipieren, lässt sich durch die empirischen Daten nicht bestätigen, da beispielsweise Trendextrapolationen und Regressionsrechnungen (und damit auch ökonometrische Modelle) als prinzipiell geeignet empfunden werden.700 Für die Kategorie der strukturmodellgestützten Verfahren bestätigt sich dagegen die grundsätzliche theoretische Eignung und der indizierte Einsatzschwerpunkt für die Methoden der Simulation und der Wachstumsmodelle. Qualitative Verfahren werden im Vergleich zu quantitativen Methoden tendenziell als gleichwertig geeignet bewertet, Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt abzubilden bzw. zu antizipieren, allerdings durchschnittlich weniger häufig verwendet. Damit bestätigen sich unsere Annahmen aus Themenkomplex 4 bezüglich der besseren Eignung dieser Methoden gegenüber den quantitativen nicht, allerdings bezüglich des geringeren Verwendungsgrades. Zudem bestätigt sich das tendenziell breitere Einsatzgebiet über alle Umweltsegmente und die relative Vorteilhaftigkeit der explorativen gegenüber den normativen Verfahren.701 Die Verbundmethoden wurden im Durchschnitt als am besten geeignet bewertet und am häufigsten angewendet. Mit Abstand am häufigsten wird die universell einsetzbare Szenarioanalyse als sehr gut oder gut geeignet genannt und wird auch von 84% der Institute
699
Siehe Abschnitt V.1, Seite 188 f. Diesen Aspekt greifen wir im nächsten Kapitel nochmals detailliert aus theoretischer Perspektive auf. Siehe Abschnitt VI.2 "Eingeschränkte Anwendbarkeit quantitativer Verfahren zur Verarbeitung unbestimmter Informationen". 701 Siehe Abschnitt V.1, Seite 189. 700
223
angewendet. Frühwarnsysteme gelten dabei insbesondere für Antizipationen aus dem makro-ökonomischen Bereich, die Methoden der Trendforschung für Antizipationen aus dem sozio-kulturellen Bereich als besonders geeignet. Auffallend ist die große Differenz zwischen Eignung und Anwendung bei der Trendforschung. Tendenziell bestätigen sich die im Themenkomplex 4 indizierten Annahmen, dass Verbundmethoden die am besten geeigneten Methoden zur Antizipation strategischer Entwicklungen sind.702 4.2.4
Informationsquellen für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt
Im Rahmen der Strategischen Planung bzw. insbesondere der Umweltanalyse wird von den Unternehmen im Regelfall eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen zur Beschaffung von Informationen zu Antizipationszwecken verwendet. Im Fragebogen wurden in den Kategorien "Presse", "Veröffentlichungen", "Netzwerke", "Befragungen" und "Beauftragte Studien" jeweils die vier gängigsten Informationsquellen abgefragt. Zusätzlich bestand die Möglichkeit in jeder Rubrik freischriftlich noch weitere Informationsquellen anzugeben. Insgesamt wurden 1.837 Nennungen registriert, so dass durchschnittlich je Institut circa 10 verschiedene Informationsquellen verwendet werden. Auf die Kategorie "Presse" entfielen die meisten Nennungen (491 entspricht 27%), am wenigsten Informationsquellen wurden für die Rubrik "Befragungen" genannt (200 entspricht 13%). Folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die Nutzung der verschiedenen Kategorien zum Zwecke der Informationsbeschaffung:
702
Siehe Abschnitt V.1, Seite 190. 224
Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
1.837 491
459 373
Nennungen gesamt
Presse
Veröffent- Netzlichungen werke
240
274
Befragungen
Beauftragte Studien
Abb. V-9: Nutzung von Informationsquellen zur Erstellung von Prognosen der allgemeinen Unternehmensumwelt703
Innerhalb der ersten Rubrik "Presse" dominieren mit 177 Nennungen Veröffentlichungen der Fachpresse, dicht gefolgt von Tageszeitungen (154) und Wirtschaftsmagazinen (140). Lifestyle-Magazine spielen so gut wie keine Rolle (9 Nennungen). Im Bereich "Veröffentlichungen" nehmen sind die Verbände mit 174 Nennungen die am meisten verwendete Informationsquelle. Auf Behörden, wie zum Beispiel die EZB oder das BaFin, entfallen 135 Nennungen. Veröffentlichungen von Universitäten scheinen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, da sie nur 68-mal genannt wurden. In der Rubrik "Netzwerke" dominieren Konferenzen und Seminare, zusammen machen sie circa 61% der Gesamtnennungen aus und stellen damit die elektronischen Pendants Newsgroups und Datenbanken (41 bzw. 96 Nennungen) in den Schatten. In der am wenigsten genutzten Kategorie "Befragungen" nehmen Meinungsumfragen mit 93 Nennungen (39%) den ersten Platz ein, gefolgt von Experteninterviews (64 Nennungen) und Workshops (61 Nennungen). Fokusgruppen werden hingegen selten genutzt (21 Nennungen).
703
Quelle: Eigene Darstellung. 225
Von Finanzdienstleistern beauftragte Studien werden in erster Linie an interne Stellen (85 Nennungen) bzw. an Beratungsunternehmen (87 Nennungen) vergeben. Meinungsforscher (65 Nennungen) und Universitäten (37 Nennungen) scheinen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle in der Informationsbeschaffung einzunehmen.704 Weiterhin wurde in diesem Abschnitt des Fragebogens nach dem Verhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Informationen, die im Rahmen der Informationsbeschaffung zu Antizipationszwecken erhoben werden, gefragt. Als Ergebnis letzt sich festhalten, dass durchschnittlich das gleiche Verhältnis von qualitativen (49,6%) und quantitativen (50,4%) Informationen vorherrschen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang zudem, dass diejenigen Institute, die mehr qualitative Informationen erheben, dies in einem vergleichsweise höheren Maße tun, als Unternehmen, die vornehmlich quantitative Informationen beschaffen, da die Anzahl derjenigen Unternehmen, die mehr als 50% quantitative Informationen erheben, niedriger ist, als die Anzahl der Unternehmen, die quantitative Informationen in höherem Maße erheben. Allerdings ist die Angabe des Verhältnisses zwischen quantitativen und qualitativen Informationen eher ungenau. Auf die Frage nach der Genauigkeit ihrer Schätzung antworteten auf der bekannten 5er-Skala ("1" entspricht "sehr genau", "5" entspricht "ungenau") 1% mit "1", 11% mit "2", 45% mit "3", 28% mit "4" und 15% mit "5".705 Fazit: Finanzdienstleister nutzen für die Informationsbeschaffung ein breites Spektrum
an unterschiedlichen Quellen. Dabei werden in etwa im gleichen Verhältnis quantitative und qualitative Informationen erhoben. Unsere Annahmen aus Themenkomplex 5 bestätigen sich nur bezüglich der großen Bandbreite an Informationsquellen, jedoch nicht bezüglich der Dominanz quantitativer Informationen im Zuge der Informationsbeschaffung.706 4.2.5
Angaben zu Art und Größe der teilnehmenden Unternehmen sowie zur organisatorischen Zuordnung der Funktion der Strategischen Planung
In diesem letzten, statistischen Teil war das Ziel herauszufinden, in welche Größenkategorien die beantwortenden Unternehmen einzuordnen sind. Auf alle Institutskategorien
704
Die entsprechenden Grafiken zu den einzelnen Kategorien finden sich im Anhang. Siehe Anhang 2.2.4, Seite 291 ff. 705 Siehe Anhang 2.2.4, Seite 294. 706 Siehe Abschnitt V.1, Seite 191. 226
anwendbar, stellt dabei die Mitarbeiteranzahl eine universell einsetzbare Größenindikation dar. Die Hälfte der teilnehmenden Institute(50%) haben zwischen 500 und 2.000 Mitarbeiter, weitere 18% zwischen 2.000 und 5.000. Über 5.000 Angestellte haben insgesamt ca. 14% der Institute. Eher klein auf Basis der Mitarbeiteranzahl sind 18% der Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Anwendung der institutsspezifischen Indikatoren Bilanzsumme (Banken) und gebuchte Bruttobeiträge (Versicherungen). Der größte Teil der Institute findet sich bei Banken in der Kategorie 1-10 Mrd. Bilanzsumme (64%), in die vornehmlich die in dieser Umfrage stark absolut repräsentierten, eher mittelständischen, Sparkassen einzuordnen sind. Bei den Versicherungen können 59% der teilnehmenden Institute in die Kategorie 0,5-2,0 Mrd. EUR Bruttobeiträge p.a. eingeordnet werden. Die letzte Frage des Fragebogens beschäftigte sich mit dem Thema Trägerschaft der Funktion der Strategischen Planung. Die meisten Unternehmen nannten Controlling (93 Nennungen) und Unternehmensleitung (75 Nennungen) als hauptsächlich verantwortlich für diese Aufgabe. 58-mal wurde eine eigene Einheit "Strategische Planung" genannt. "Andere Planungseinheiten" und "Sonstige" spielen mit 7 bzw. 11 Nennungen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.
227
VI. Empfehlungen für eine Methodenauswahl zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister In diesem Kapitel werden auf Grundlage der in den vorhergegangenen Kapiteln dargestellten Ausführungen, Empfehlungen für eine Methodenselektion und Ansatzpunkte für eine Methodenerweiterung unter dem Einbezug von Fuzzy-Logic ausgearbeitet. Als Ausgangsbasis werden zunächst die aus der Empirie gewonnen Ergebnisse zusammengefasst und zusätzlich die eingeschränkte Anwendbarkeit rein quantitativer Verfahren für die spezifischen Anforderungen der allgemeinen Unternehmensumwelt aufgezeigt. Diesen, zweitgenannten Aspekt greifen wir en detail in der konzeptionellen Darstellung der Fuzzy-Logic auf, welche unserer Meinung nach ein adäquater Ansatz ist, die Problematik von unbestimmten Informationen zu adressieren. Die eigentliche Eignung der vorgestellten Antizipationsmethoden für die einzelnen Umweltsegmente wird auf Basis von Kriterien, die im Wesentlichen aus den theoretischen und empirischen Erkenntnissen abgeleitet sind, sowie unter Verwendung eines nutzwertanalytischen Verfahrens bewertet. Zum Ende dieses Kapitels zeigen wir zudem mögliche Erweiterungsansätze für die zwei wichtigsten, selektierten Methoden auf.
1. Ausgangslage Auf Basis unserer vorhergehenden Ausführungen fassen wir die Ergebnisse als Basis für die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Methodenselektion und -erweiterung zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt zusammen. 1.) Informationen liegen in unbestimmter Art und Weise vor, zusätzlich werden nahezu alle Umweltsegmente (insbesondere makro-ökonomisches und politisch-rechtliches, die beide gleichzeitig für den Unternehmenserfolg und für die Strategische Planung am wichtigsten sind) als dynamisch, komplex und in etwas geringerem Maße unbestimmt wahrgenommen. Zusätzlich wird erwartet, dass in der Zukunft das Niveau dieser Attribute tendenziell ansteigt. 2.) Unbestimmte Informationen werden zwar wahrgenommen und verarbeitet, allerdings nicht in adäquater Art und Weise in den bestehenden Antizipationsverfahren verarbeitet, da eine quantitative Verarbeitung unbestimmter Informationen die Prognosequalität steigern würde. Zusätzlich besteht die Tendenz, dass nicht quantifizierbare Informationen 228
vernachlässigt werden bzw. in der Informationsbeschaffung einen großen Part einnehmen. 3.) In der Praxis sind hinsichtlich der Bewertung der Eignung und der tatsächlichen Anwendung von Prognosemethoden zwei konträre Tatsachen festzustellen: •
Quantitative Verfahren werden in vergleichsweise hoher Relation als geeignet empfunden und tatsächlich angewendet. Zwar liegt die Praxis mit ihrem Anwendungsfokus auf makro-ökonomischen und soziodemographischen Entwicklungen aus theoretischer Perspektive richtig, doch wird die fehlende (theoretische) Zulässigkeit der Anwendung auf langfristige Antizipationen tendenziell außer Acht gelassen.
•
Die Verbundverfahren, und hier insbesondere die Szenario-Analyse, werden als geeignet wahrgenommen und auch in vergleichsweise hohem Maße angewendet. Verbundverfahren eignen sich, wie bereits gezeigt, insbesondere zur langfristigen Antizipation strategisch relevanter Ereignisse in der allgemeinen Unternehmensumwelt.
2. Eingeschränkte Anwendbarkeit quantitativer Verfahren zur Verarbeitung unbestimmter Informationen Es wurde bereits aufgezeigt, dass quantitative Verfahren Einschränkungen bezüglich der Einsetzbarkeit für Antizipationen der allgemeinen Unternehmensumwelt aufweisen. •
Die Einsetzbarkeit erstreckt sich vornehmlich für die durch quantitative Indikatoren geprägten makro-ökonomischen Umweltsegment bzw. den soziodemographischen Part der sozio-kulturellen Teilumwelt.
•
Das Niveau von Unbestimmtheit, Komplexität und vor allem Dynamik wird von den Befragten der empirischen Untersuchung als tendenziell hoch wahrgenommen. Dies gilt auch bzw. insbesondere für das wichtige makroökonomische Umweltsegment, das per se am ehesten für quantitative Methoden geeignet ist (laut der Ergebnisse der empirischen Studie).707 Gleichzeitig bietet, aber keine der vorgestellten Methoden die konzeptionelle Möglichkeit, Diskontinuitäten und Trendbrüche zu antizipieren. Die Eignung ist gemäß der theoretischen Konzeption nur für stabile Umwelten geeignet.
707
Siehe Anhang 2.2.1, Seite 281 ff. 229
•
Den Zeitreihenanalysen und den Regressionsmethoden wird durch die Theorie die Anwendbarkeit/Eignung für langfristige Antizipationen abgesprochen, wodurch die Einsetzbarkeit im Rahmen der Strategischen Planung limitiert ist.
•
Ein Großteil der Informationen liegt in nicht exakt quantifizierbarer bzw. unbestimmter Form vor. Es wird zudem ein signifikanter Anteil qualitativer Informationen erhoben, die nur sehr eingeschränkt innerhalb qualitativer Verfahren verarbeitet werden können.
Gleichzeitig werden aber durch die Praxis quantitative Verfahren in der Praxis als geeignet empfunden bzw. in großem Maße tatsächlich angewendet. Insbesondere gilt dies für die Kategorien der Zeitreihenanalysen und der Regressionsrechnungen. Hierbei erzielen insbesondere die auf Regressionen basierenden Verfahren hohe Eignungswerte und werden relativ häufig eingesetzt (Trendextrapolationen, einfache und multiple Regressionsanalysen, ökonometrische Modelle). Daher sollen neben den bereits genannten allgemeinen Argumenten, die gegen eine Einsetzbarkeit von quantitativen Methoden im Rahmen der Strategischen Planung sprechen, die Regressionsmethoden einer kurzen theoretischen Betrachtung bezüglich deren grundsätzlicher Anwendungsprämissen unterzogen werden. Die am häufigsten eingesetzten Verfahren der linearen Regressionsanalyse basieren auf sechs grundsätzlichen Annahmen (Prämissen), deren Nichterfüllung eine Verzerrung der abgeschätzten Werte bzw. eine Ineffizienz zur Folge haben.708 1.) Linearität
Erinnern wir uns an das bereits eingeführte Modell der (in diesem exemplarischen Fall) multiplen Regression mit zwei Variablen:709 ˆy = b1 x1 + b2 x 2 + c Verallgemeinert lässt sich die Formel wie folgt als stochastisches Modell formulieren:
yk = c +
J j =1
j
x jk + uk
mit J als Anzahl der unabhängigen Variablen mit den entsprechenden Regressionskoeffizienten
j
und K als Anzahl der Beobachtungen. Zusätzlich wird uk als Zufallsvariable
bzw. nicht beobachtbare Störgröße710 eingeführt (stochastische Komponente).
708 709
Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 43. Siehe Abschnitt IV.2.1.2. 230
Voraussetzung für Regressionen ist in diesem Zusammenhang eine Linearität in den Parametern c und j. Nichtlinearität tritt in der Realität jedoch in vielen Dimensionen auf. So können Regressionsbeziehungen beispielsweise exponentiell, quadratisch oder logarithmisch verlaufen. Dies kann durch Wachstums- oder Sättigungsphänomene bedingt sein. Zudem existieren Strukturbrüche in Form von Niveauänderungen (z.B. bei Diskontinuitäten) bzw. Trendänderungen (beispielsweise im Zusammenhang mit Aktienkursentwicklungen). In vielen Fällen ist möglich, mittels geeigneter mathematischer Verfahren nichtlineare Regressionsbeziehungen in eine lineare Beziehung zu überführen, bzw. Strukturbrüche durch Dummy-Variablen zu berücksichtigen.711 Die Verfahren der Linearisierung, bzw. Ausgleich von Strukturbrüchen, funktionieren aber prinzipiell nur auf einen existierenden (Vergangenheits- bzw. Gegenwarts-)Datensatz. Für die Antizipation zukünftiger Entwicklungen kann nicht angenommen werden, dass notwendigerweise die gleiche Regressionsbeziehung gerade in extrem dynamischen und unbestimmten Umweltsituationen weiterhin bestehen, so dass jederzeit mit der Verletzung der Linearitätsprämisse gerechnet werden muss. 2.) Vollständigkeit des Modells
Die zweite Prämisse besagt, dass Störgrößen (uk) einen Erwartungswert von Null haben müssen und nur rein zufällige Schwankungen umfassen bzw. dass, anders formuliert, alle relevanten Variablen im Modell berücksichtigt sein müssen.712 In der Realität –und das gilt insbesondere bei den komplexen Zusammenhängen in den Teilsegmenten der allgemeinen Unternehmensumwelt– kann nicht notwendigerweise davon ausgegangen werden, dass alle erklärenden Variablen (z.B. für einen Zinssatzverlauf) bekannt sind bzw. in ihrer Wirkungsweise erfasst werden können. Insbesondere besteht die Gefahr der Vernachlässigung von Variablen aus den angedeuteten Komplexitätsgründen (underfitting). 3.) Homoskedastizität
Die Streuung (Varianz) der Residuen (Störgrößen) muss in einer Reihe von Werten der prognostizierten abhängigen Variablen konstant sein. Andernfalls liegt Heteroskedastizität vor, bzw. eine Verletzung der dritten Prämisse für lineare Regressionen, bei der die Störgröße, anders formuliert, von der unabhängigen Variablen (z.B. durch Messfehler) 710
Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 25; Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 149. 711 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 34 ff. 712 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 33 bzw. S. 37 f. 231
bzw. von der Beobachtungsreihenfolge (z.B. Aufmerksamkeit des Beobachters lässt im Zeitablauf nach) abhängig ist.713 Per se kann man im Zusammenhang dieser Arbeit nicht davon ausgehen, dass Werte nicht in homoskedastizitärer Form vorliegen. Doch besteht die Gefahr von Messfehlern bei der Informationsbeschaffung, die auf die Dynamik, Komplexität und Unbestimmtheit der strategischen Informationen zurückführbar sein können. 4.) Statistische Unabhängigkeit
Die Residuen dürfen in der Grundgesamtheit nicht korreliert sein (keine Autokorrelation). Autokorrelation tritt insbesondere bei Zeitreihen auf und bedeutet, dass Abweichungen von der Trendgeraden in ihrer Richtung von der Abweichung anderer, z.B. vorangegangener Beobachtungswerte abhängig sind, oder in mathematischer Diktion muss die Covarianz der Residuen gleich Null sein.714 Grundsätzlich kann man diese Prämisse für unseren Zusammenhang nicht kategorisch negieren, doch können in Abhängigkeit vom betrachteten Indikator Störgrößen sehr wohl autokorreliert sein. Als Beispiel seien Aktienkurs- oder Indexverläufe genannt, bei denen Abweichungen von der Trendgeraden oftmals als Anlass für spekulative Aktionen der Händler genommen werden, und sich dadurch die Störvariablen nicht unabhängig verhalten. 5.) Keine exakte Mulitkollinearität
Zwischen den erklärenden Variablen xj darf keine starke oder perfekte lineare Abhängigkeit (Mulitkollinearität) bestehen. Andernfalls werden die Standardfehler der Regressionskoeffizienten größer, was die Zuverlässigkeit der Schätzung mindert, bzw. im Falle perfekter Mulitkollinearität zu einer Undurchführbarkeit der Regressionsrechnung führt.715 Für Antizipationen der allgemeinen Unternehmensumwelt kann für eine ganze Reihe von Faktoren eine hohe Mulitkollinearität unterstellt werden, da die Befragten der empirischen Studie insbesondere dem quantitativ geprägten Segment der makro-ökonomischen Unternehmensumwelt eine hohe Komplexität bestätigen. Hohe Komplexität kann wiederum eine hohe Konnektivität bergen, was dann ein Indiz für eventuelle Mulitkollineari-
713
Vgl. Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 149. Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 33 bzw. S. 39 f.; Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 149. 715 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 33 bzw. S. 41 f. 714
232
tät ist. Wenn man beispielsweise versucht, die deutschen Exporte mittels eines Regressionsverfahrens zu analysieren, bzw. zu prognostizieren, haben entscheidende Variablen, wie z.B. Dollarkurs und Ölpreis, eine hohe gegenseitige Abhängigkeit. 6.) Normalverteilung der Störgrößen
Die Störgrößen uk müssen eine Normalverteilung aufweisen.716 Diese Annahme kann für den Fall, dass die latenten Variablen717 zumindest näherungsweise normalverteilt sind, bzw. keine latente Variable einen dominanten Einfluss ausübt, bestätigt werden, da zumeist Messfehler auch normalverteilt sind.718 Hypothetisch kann diese Prämisse für unseren Fall nicht negiert werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass auf Grund hoher Komplexität und Unbestimmtheit, entscheidende Variablen für zukünftige Entwicklungen nicht erfasst werden, da deren Wirkungsweise zum Zeitpunkt der z.B. Prognoseerstellung nicht bekannt ist und sie somit in die Störgröße einfließt. In diesem Falle wäre die Annahme zu verwerfen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter Zugrundelegung der mathematischen Voraussetzungen, quantitative Verfahren, die auf Regressionsrechnungen basieren, nur unzureichend anwendbar sind. Zudem sind, wie bereits erwähnt, die Antizipationshorizonte zu kurzfristig und qualitative Sachverhalte oft nur mangelhaft integrierbar.719 Wir wollen daher im nächsten Punkt an diesen Unzulänglichkeiten quantitativer Verfahren, sowie an den durch die Empirie indizierten Erweiterungsbedarf der Antizipationsmethoden ansetzen720 und die Fuzzy-Logic als Lösungsmöglichkeit für die beschriebenen Probleme einführen.
3. Fuzzy-Logic als Möglichkeit zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen Es wurde theoretisch aufgezeigt und anhand der empirischen Untersuchung bestätigt, dass Informationen über Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt in einem langfristigen Horizont zum größten Teil in unbestimmter Form vorliegen, bzw. Ereignis-
716
Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (Analysemethoden 2000), S. 33. Latente Variablen sind alle Variablen in einem Regressionsmodell außer x, die einen Erklärungsbeitrag für y liefern. Sie treten demzufolge nicht explizit (latent) auf und werden in der Störvariablen U zusätzlich zu Messfehlern der abhängigen Variablen abgebildet. Vgl. Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 149. 718 Vgl. Bleymüller, J., Gehlert, G., Gülicher, H. (Statistik 1996), S. 150. 719 Siehe Abschnitt V.1, Seite 188. 720 Siehe Abb. V-4. 717
233
se und deren Wirkungen nur in vager bzw. unscharfer Form beschrieben werden können.721 Zusätzlich existiert die Problematik, dass solchen Ereignissen oftmals keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können und die bekannten und in der Praxis verbreiteten Antizipationsmethoden nur ein sehr enges Einsatzspektrum haben. Eine Möglichkeit, dieser grundlegenden Problematik von strategischen Informationen zu begegnen, ist die ursprünglich von Zadeh722 im Jahre 1965 entwickelte Theorie unscharfer Mengen (Fuzzy Set Theory). Ziel ist es, Unsicherheiten, die nicht mit Wahrscheinlichkeiten belegt werden können, und Zustände und/oder Abhängigkeiten, die nur in verbaler (linguistischer) Form vorliegen, formal zu erfassen und zu operationalisieren.723 Die klassische binäre Logik bzw. das Zweiwertigkeitsprinzip von Mengenzugehörigkeiten wird verallgemeinert und stellt die Basis des Konzepts dar.724 Bisher wurde Fuzzy-Logic innerhalb so genannter Fuzzy-Controller im technischen Bereich vornehmlich in der Mess-, Steuer und Regelungstechnik eingesetzt (z.B. Waschmaschinen oder Mikrowellen).725 Anwendungen im betriebwirtschaftlichen bzw. nicht-technischen Bereich bezogen sich bisher vornehmlich auf operative Planungs- und Entscheidungsfelder, bei denen die gängigen Methoden der quantitativen Datenanalyse auf Grund von informationalen Unschärfen keine brauchbaren Ergebnisse lieferten.726 In der (strategischen) Unternehmensplanung wurde Fuzzy-Logic bisher kaum eingesetzt.727 3.1.1
Fuzzy-Sets
Wie bereits angedeutet wird in der Fuzzy Set Theory von der dichotomen Abgrenzbarkeit von Mengen in der klassischen binären Logik zu einem graduellen Zugehörigkeitsbegriff
721
Siehe Abschnitt IV.1.1 bzw. vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 128. Vgl Zadeh, L.A. (Fuzzy Sets 1965). 723 Vgl. Bothe, H.H. (Fuzzy-Logic 1993), S. 1 f.; Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), S. 2. 724 Das klassische Zweiwertigkeitsprinzip für Mengenzugehörigkeiten besagt, dass basierend auf der Ausgestaltung des Abgrenzungskriteriums, Werte entweder Element oder kein Element einer Menge sind. Die Aufweichung bzw. Verallgemeinerung dieses Prinzips resultiert in der Zulässigkeit von Zugehörigkeitsgraden, die Zwischenwerte der Mengenzugehörigkeit zulassen. Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 8; Geyer-Schulz, A. (Fuzzy Rule-Based Expert Systems 1995), S. 20. 725 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 267 ff; Geyer-Schulz, A. (Fuzzy Rule-Based Expert Systems 1995), Reusch, B. (Fuzzy-Logic 1994). 726 Vgl. Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), Biethahn, J., Nissen, V. (Fuzzy-Logic 1997). 727 Vgl. Keil, R. (Strategieentwicklung 1997), S. 107. 722
234
übergegangen.728 So führen Wahrheitswerte {wahr, falsch} bzw. diskrete Wertemengen {1,0} der "klassischen" Mengenlehre zur Abgrenzung scharfer Mengen, wohingegen in der Fuzzy Set Theory jedes Element einen Zugehörigkeitsgrad in einem Intervall [0,1] zugewiesen bekommt, der besagt, wie stark das Element die Eigenschaft der Menge annimmt.729 Die Zuweisung eines Wertes innerhalb des Intervalls [0,1] stellt eine funktionale Abbildungsvorschrift dar, die als Zugehörigkeitsfunktion bezeichnet werden kann. Formal zusammenfassend und von der klassischen Menge X mit den Elementen x ausgehend, ist die unscharfe Menge (Fuzzy Menge) Ã auf X eine Menge geordneter Zweitupel: Ã = {(x, µ Ã (x )) x
X}
mit
µÃ : X
IR + wobei
µ Ã die Zugehörigkeitsfunktion
und IR + den Zugehörigkeitsraum darstellt. µ à (x ) zeigt für jedes x gehörigkeitsgrad zur unscharfen Menge à an.
X den Zu-
730
Zur Verdeutlichung des Falles der terminologischen Unschärfe731 sei hier in Anlehnung an Spengler ein Beispiel genannt. Eine scharfe Menge X = {0,100, 200, 300, 400, 500} von Ölpreisen (in USD) ist mit einer unscharfen Aussage "der Ölpreis ist hoch" zu bewerten. Die unscharfe Menge à der "hohen" Ölpreise kann dann als à = {(0;0),(100; 0,1), (200; 0,3), (300, 0,7), 400,1), (500,1)}732 formuliert werden und, wie in folgender Abbildung veranschaulicht, als Zugehörigkeitsfunktion µ à dargestellt werden.733
728
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 129; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 129. 729 Bei nicht vorhandener Zugehörigkeit gilt 0, bei vollkommener Zugehörigkeit der Wert 1 im Intervall. Je besser das Kriterium der Zugehörigkeit erfüllt ist, desto größer ist der Zugehörigkeitsgrad eines Elements. 730 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 130 f; weitere Charakteristika unscharfer Mengen, die an dieser Stelle nicht tiefer erläutert werden können finden sich beispielsweise bei: GeyerSchulz, A. (Fuzzy Rule-Based Expert Systems 1995), S. 20-26; Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), S. 10 f.; Bothe, H.H. (Fuzzy-Logic 1993), S. 29; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 7-12. 731 Siehe Abschnitt IV.1.1 dieser Arbeit. Für den Fall der relationalen Unschärfe verweisen wir auf Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 131. 732 Fiktive Zugehörigkeitsgrade 733 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 131. 235
µ Ã (x ) 1
0,8
0,6
0,4
0,2
0 0
100
200
300
400
500 734
x
X
Abb. VI-1: Beispiel einer Zugehörigkeitsfunktion
Der beschriebene Verlauf der Zugehörigkeitsfunktion735 stellt dabei nur eine mögliche Konstruktion736 dar. Im Wesentlichen existieren drei unterschiedliche Beschreibungsformen:737
•
Direkte grafische Darstellung durch Vorgabe der Kennlinie (siehe obiges Beispiel)
•
Diskrete Darstellung in Form von Wertepaaren bzw. in der grafischen Form von Singletons (Wertepaaren)
•
Parametrische Darstellung in Form einer analytischen Funktion, die den Verlauf komplett oder stückweise beschreibt
734
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 131. Die beschrieben Zugehörigkeitsfunktion bildet eine unscharfe Menge in das Intervall [0,1] ab. Für den praktischen Einsatz sind unscharfe Mengen aber nur dann anwendbar, wenn sie auf das Intervall [0,1] normalisiert sind. Das heißt, dass mindestens ein Element der Grundmenge der Zugehörigkeitswert 1 annehmen muss. Weiteres dazu bei Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), S. 11.; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 15. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit werden normalisierte Zugehörigkeitsfunktionen angenommen. 736 Für die Bestimmung der Zugehörigkeitsfunktion gibt es in der Literatur keine einheitlichen Empfehlungen. Nach Bothe gibt es zwei grundsätzliche Konstruktionsmöglichkeiten, die hier aber nicht näher erläutert werden. Siehe stattdessen dazu: Bothe, H.H. (Fuzzy-Logic 1993), S. 27 f. Für den Einsatz im nicht-technischen Bereich sollten in Anlehnung an die Nutzentheorie S- bzw. Z-förmige Funktionen herangezogen werden. Vgl. dazu: Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), S. 156; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 20. 737 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 12. 735
236
In nachfolgender Abbildung sind die gebräuchlichsten Verläufe von Zugehörigkeitsfunktionen als Basis einer Fuzzy Menge zusammengefasst. µ Ã (x)
µ Ã (x )
µ Ã (x )
1
1
1
1/ e
0
0
x0
x
0
x0
Gauß-Kurve
x
m1
Cosinushalbwelle
µ Ã (x )
µ Ã (x )
µ Ã (x )
1
1
1
0
0
m1
m2
Trapezförmiges Fuzzy-Set
x
m2
x
LR-Fuzzy-Set
0
m
x
Dreicksförmiges Fuzzy-Set
m
x
Singleton
Abb. VI-2: Weitere Verläufe von Zugehörigkeitsfunktionen738
Gauß-Kurve und Cosinushalbwelle stellen symmetrische Funktionsverläufe dar, während bei den so genannten LR-Fuzzy-Sets739 unterschiedliche Funktionen für rechte und linke Flanke der Kurve möglich sind. Spezialfälle der LR-Fuzzy-Sets sind trapezförmige und dreiecksförmige Zugehörigkeitsfunktionen sowie Singletons. Bei ersteren sind die Flanken linear und über die Parameter m1, m2, ,
738
bestimmt, während bei Identität von m1
Quelle: Eigene Zusammenfassung auf Basis der Abbildungen bei Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 12-13. 739 Zur Definition der LR-Fuzzy-Sets siehe Seite 239. 237
und m2 ein dreieckiger Verlauf entsteht. Wenn zudem die Breite der Fuzzy-Menge740 Null ist, entsteht ein scharfer Wert, der mittels eines Singletons darzustellen ist.741 3.1.2
Operationen mit unscharfen Mengen
Rechenoperationen auf unscharfe Mengen werden mittels Definition von Fuzzy Sets als unscharfe Zahlen, bzw. von unscharfen Intervallen in den Bereich der reellen Zahlen vollzogen.742 Damit kann man Zugehörigkeitsfunktionen beschreiben und die Unschärfen von numerischen Daten (z.B. "etwa" oder "circa") rechenbar machen. Im Prinzip fußt die Verarbeitung unscharfer Informationen auf den Operatoren der klassischen Mengenlehre. Der Durchschnitt von Fuzzy-Mengen wird mittels der logischen UND-Verknüpfung, die Vereinigung mit dem logischen ODER abgebildet. Grafisch stellt die UND-Verknüpfung den Durchschnitt der Flächen bzw. die ODER-Verknüpfung die Vereinigung der Flächen unter den jeweiligen Graphen ihrer entsprechenden Zugehörigkeitsfunktionen dar. Die am häufigsten benutzten Realisierungsarten dieser Grundverknüpfungen, die sich auch empirisch bewährt haben, sind der MIN-Operator (UNDVerknüpfung – wird auch als pessimistisch bezeichnet) und der MAX-Operator (ODERVerknüpfung – wird auch als optimistisch bezeichnet).743 Die Verfahren der klassischen Mengenlehre haben jedoch ein recht eingeschränktes Anwendungsspektrum, da nur Verknüpfungen auf Basis identischer Grundmengen möglich sind. Um dieser Einschränkung zu begegnen, hat Zadeh das Erweiterungsprinzip eingeführt, mir dem es gelingt, klassische Rechenoperationen (wie z.B. Analysis oder
740
Die in diesem Zusammenhang wichtigen Kenngrößen einer Fuzzy-Menge sind Einflussbreite und Toleranz. Während Einflussbreite (auch: Support oder Träger genannt) die "Gesamtbreite" des Intervalls bzw. des Dreiecks darstellen (z.B. für trapezförmigen Verlauf [m1- , m2- ]), weist die Toleranz auf die Breite des Intervalls, die den Zugehörigkeitswert "1" einnimmt, hin. Damit ist für den Fall des dreiecksförmigen Fuzzy-Sets die Toleranz gleich Null. Weiterhin sind die beiden genannten Funktions~ verläufe spezielle Darstellungen von Fuzzy-Zahlen (Formal: Z = {(x, µ ~z (x )) x X } ), die durch Toleranz
( [m1 , m2 ] = {x z (x ) = 1}) und Einflussbreite ( supp(z ) = ]a1 , a2 [ = {x z ( x ) > 0} sowie einem scharfen ~ Wert Z 0 , der zwischen m1-und m2 liegt, bestimmt werden. Vgl. auch zur formellen Darstellung von Einflussbreite und Toleranz. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 13 f. 741 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 12. 742 Vgl. Demant, B. (Fuzzy-Theorie 1993), S. 34 f. 743 Vgl. Rommelfanger, H. (Fuzzy-Decision Support 1994), S. 26 f; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 21 ff. Für die UND und ODER Grundverknüpfungen können zudem andere, in der Praxis weniger verbreitete, Operatoren verwendet werden. Dies wären beispielsweise das algebraische Produkt, die direkte Summe, die abgeschnittene Differenz oder die abgeschnittene Summe. Vgl. dazu: Mayer, A., Mechler, B., Schlindwein, A, Wolke, R. (Fuzzy-Logic 1994), S. 36 f.; Kahlert, J., Frank, H. (FuzzyLogic 1994), S. 24.
238
Algebra) auch auf nicht-identische Grundmengen basierende unscharfen Mengen durchzuführen.744 Da jedoch Verknüpfungen unscharfer Menge unter Zuhilfenahme des Erweiterungsprinzips vor allem bei stetigen unscharfen Mengen hohen Rechenaufwand verursachen, haben Dubois/Prade die so genannten LR-Fuzzy-Sets745 entwickelt746, die für den linken und den rechten Teilast der Zugehörigkeitsfunktionen nur Funktionen eines bestimmten Typs zulassen, die als Referenzfunktionen747 bezeichnet werden. ~ ~ Eine Fuzzy-Zahl Z = {( x, µ ~z ( x )) x X } lässt sich in LR-Notation als Z = {m, , }LR 748 ~ ~ schreiben, ein Fuzzy-Intervall I = {(x, µ ~I ( x )) x X } als I = {m1 , m2 , , }LR , wenn mit
geeigneten Referenzfunktionen L und R für die Zugehörigkeitsfunktion gilt:749
µ Z~ ( x ) =
Fuzzy-Zahl
L R
L
Fuzzy- Intervall
m x
für x > m, > 0
m x
für x ! m,
m1
für x > m1 ,
x
µ I~ ( x ) = 1 R
>0
>0
für m1 ! m2 m2
x
für x ! m2 ,
>0
744
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 132. Wir verzichten auf eine ausführliche Darstellung des Erweiterungsprinzips und verweisen stattdessen auf Spengler, der eine formelle Zusammenfassung im Anhang seiner Arbeit zu Verfügung stellt. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 205 f., der sich auf Zadeh und Zimmermann bezieht. Vgl. Zadeh, L.A. (Fuzzy Sets 1965), Zimmermann, H.-J. (Fuzzy Set Theory 1992), S. 54. 745 Die LR-Fuzzy-Sets basieren auf den linken und rechten Teilästen der Zugehörigkeitsfunktionen. 746 Vgl. Dubois, D., Prade, H. (Fuzzy Numbers 1978), S. 613-626 747
Eine Funktion L : [0,+"[ [0,1] heißt Referenzfunktion von Fuzzy Zahlen, wenn gilt: L(0) = 1 und L ist nicht steigend in [0,+"[ . Für beide Teiläste der Zugehörigkeitsfunktion können unterschiedliche Referenzfunktionen verwendet werden. Referenzfunktionen sind anwendungsspezifisch zu konstruieren. Für lineare Teiläste ist eine gängige Funktion beispielsweise L(u1) = max (0,1-u1) bzw. R(u2) = max(0,1-u2), mit
u1 :=
m x
, u2 :=
m x
. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 207.
748
Die Variable m ist der Gipfelpunkt; stellt die linke und die rechte Spreizung der Teiläste der Zugehörigkeitsfunktion dar. 749 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 206 f., der sich auf Dubois/Prade bezieht. Vgl. Dubois, D., Prade, H. (Fuzzy Numbers 1978). 239
Durch die Einführung von LR-Fuzzy-Zahlen und -Intervallen ergeben sich nun einfache (erweiterte) algebraische Regeln für die Summen und Differenzbildung sowie für die ~ Multiplikation. Am Beispiel zweier LR-Fuzzy-Zahlen Z1 = {m, , }LR und ~ Z 2 = m, , LR lauten die Regeln wie folgt: ~ ~ • Addition: Z1 # Z 2 = m + m, + , + LR ~ ~ • Subtraktion: Z1 Z 2 = m m, + , + LR ~ ~ • Multiplikation: Z1 % Z 2 = m × m, m × + m × , m × + m × LR
{
}
{ { {
} }
}
Diese Rechenregeln sind auch analog auf Intervalle übertragbar. 750 3.1.3
Linguistische Variable
Linguistische Variablen charakterisieren verbal ausgeprägtes Wissen über eine Größe (z.B. "hoher" Ölpreis), mit dem Ziel, dieses Wissen formal darstellen zu können.751 Jede Ausprägung einer linguistischen Variablen (z.B. Ölpreis) durch ihre zugehörigen Werte (linguistischer Term, wie z.B. "hoch") entspricht dabei einer unscharfen Fuzzy-Menge, was nachfolgende Abb. VI-3 verdeutlicht, welche bereits drei typische Charakteristika von Fuzzy-Termen aufzeigt.752 •
Die Ränder des Wertebereichs werden meist durch trapezförmige FuzzyMengen abgedeckt. Der Zwischenbereich wird meist durch dreiecksförmige (oftmals symmetrische) Fuzzy-Mengen beschrieben.
•
Die typische Anzahl linguistischer Terme ist zwei bis sieben.
•
Meist wählt man eine Überlappung der nebeneinander liegenden FuzzyMengen.
750
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 207. Dort finden sich auch formale Darstellungen der Rechenregeln für LR-Fuzzy-Intervalle, die hier nicht dargestellt werden. 751 Vgl. Keil, R. (Strategieentwicklung 1997), S. 128 f. 752 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 53 f. 240
sehr niedrig
niedrig
mittel
sehr hoch
hoch
1
0 0
100
200
300
400
500
(GE)
Abb. VI-3: Satz von linguistischen Termen für die linguistische Variable Ölpreis753
Eine linguistische Variable ist ein Mengensystem, das formal durch ein n-Tupel (für unser Beispiel ein Fünf-Tupel, da n die Anzahl der linguistischen Terme ist) von Zugehörigkeitsgraden dargestellt werden kann:754 ~ x, T ( x),U , G, M
(
)
Die linguistische Variable wird mit x bezeichnet, die Ausprägungsmenge der Werte von x mit T (x) angegeben, wobei jeder Wert X eine unscharfe Menge über den Grundbereich U ~ mit der entsprechenden Basisvariablen u ist. M bezeichnet eine semantische Regel, die ~ jedem X eine Bedeutung M (X), die wiederum eine unscharfe Menge über U ist, zuordnet. Um die Namen X der linguistischen Werte von x zu erzeugen, wird eine syntaktische Regel G angegeben.755 Folgende Tabelle fasst dies auf Basis der vorhergegangenen Abbildung zusammen:
753
Quelle: Eigene Darstellung Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 55. 755 Vgl. Mayer, A., Mechler, B., Schlindwein, A, Wolke, R. (Fuzzy-Logic 1994), S. 64. 754
241
Tab. VI-1: Definition der linguistischen Variablen am Beispiel Ölpreis756 Symbol
Bezeichnung
Beispiel
X
Name der linguistischen Variablen
Ölpreis
T
Ausprägungsmenge der linguistischen
"sehr niedrig", "niedrig", "mit-
Variablen
tel", "hoch", "sehr hoch"
Grundbereich einer Basisvariablen u
[0,500] GE ~ M (mittel) =
U ~ M
Semantische Regel, die jedem linguistischen Wert X T eine Bedeutung ~ M (X) zuordnet. ~ M (X) entspricht einer unscharfen Men-
{(u, µ (u ))180 ! u ! 300}, mit mittel
µ mittel (u ) = (250,70,50)LR
ge über U G
Syntaktische Regel zur Erzeugung von T
G = { sehr niedrig, niedrig, mittel, hoch, sehr hoch}
Der Vorgang des Übergangs aller ursprünglich scharfen Werte (z.B. Ölpreis = 200) auf einen Fuzzy-Wert bezeichnet man als Fuzzifizierung. Dabei wird für jeden scharfen Wert der Zugehörigkeitsgrad bezüglich aller linguistischen Terme angegeben.757 Linguistische Terme können zusätzlich mittels so genannter Modifikatoren in Terme transformiert werden, um so zusätzliche Nuancen, wie z.B. die Sprachkonstrukte "sehr" oder "mehr oder weniger", zu erfassen. Dies erreicht man durch mathematische Transformation (z.B. Quadratur der Zugehörigkeitsfunktion bei "sehr"). Statt dies jedoch an dieser Stelle zu explizieren, sei auf die entsprechende Literatur verwiesen.758 Des Weiteren können linguistische Terme mittels der bereits vorgestellten UND- (MINOperator)
bzw.
ODER-Verknüpfungen
(MAX-Operator)
WENN/DANN Bedingungen verbunden werden.
759
sowie
ebenfalls
mit
Für unterschiedliche Grundmengen
ist jedoch eine Erweiterung erforderlich.760
756
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 54. 758 Vgl. Mayer, A., Mechler, B., Schlindwein, A, Wolke, R. (Fuzzy-Logic 1994), S. 65 f. 759 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 59. 760 Zur Erweiterungen und auch zum umgekehrten Vorgang der Projektion (Überführung einer zweistelligen Fuzzy-Relation in ein Fuzzy-Menge auf einer einfachen Grundmenge): Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 56 ff. 757
242
3.1.4
Unscharfes Schließen
Das ebenfalls von Zadeh eingeführte Konzept des approximativen Schließens (auch: approximate reasoning bzw. fuzzy-logisches Schließen oder Fuzzy-Inferenz) über linguistische Variablen, ermöglicht, Schlussfolgerungen aus unscharfem Wissen zu ziehen und bildet die Basis für den Einsatz von Fuzzy-Logic in Expertensystemen.761 Fuzzylogisches Schließen ist eine "(...) Verarbeitungsvorschrift für WENN/DANN-Regeln bzw. ganze Gruppen von Regeln auf unscharfen Aussagen."762 Basis der Fuzzy-Inferenz bilden die Fuzzy-Relationen (unscharfe Relationen), welche in Analogie zur klassischen Mengenlehre über Kreuzprodukte (cartesische Produkte) unterschiedliche Grundmengen in Beziehung setzen. Die Relation selbst ist ebenfalls wiederum eine Menge (Kreuzproduktmenge bzw. Rechteckmenge der Grundmengen). Abhängig von der Anzahl der Grundmengen n bildet sich die entsprechende n-stellige FuzzyRelation. Für zweistellige Fuzzy-Relationen stellt der Graph eine Fläche auf der von beiden Grundmengen aufgespannten Ebene dar, für den Fall diskreter, endlicher Grundmengen kann man die Fuzzy-Relation als Tabelle in Matrizenform darstellen.763 Die Verbindung zweier Fuzzy-Mengen zu einer Fuzzy-Relation kann mittels der bereits vorgestellten MIN- bzw. MAX-Operatoren erfolgen, wodurch unterschiedliche Beziehungen der Fuzzy-Mengen zueinander (UND/ODER-Verknüpfung bzw. WENN/DANNRegeln) modelliert werden können. Ebenfalls ist die Kombination von Fuzzy-Relationen (über gleiche Produkträume) mittels MIN- (UND-Verknüpfung) bzw. MAX-Operator (ODER-Verknüpfung) möglich.764 Eine Fuzzy-Inferenz besteht immer aus Regel(n), die auch als Implikationen benannt werden können (z.B. WENN/DANN), einem Faktum (Erfassung eines Zustandes oder Ereignisses z.B. über linguistische Variablen) und einem Schluss. Die bereits vorgestellten Fuzzy-Relationen werden dabei zur Modellierung unscharfer Implikationen in der Form x
y (WENN/DANN-Regeln) verwendet.765
An folgendem Beispiel seien die bis hierhin dargestellten Ausführungen erläutert. Ziel in diesem konstruierten Fallbeispiel ist es, die Anzahl von am Markt angebotenen Fonds in Abhängigkeit vom Stand eines Aktienindex darzustellen. 761
Vgl. Bothe, H.H. (Fuzzy-Logic 1993), S. 102; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 43 f. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 62. 763 Vgl. Bothe, H.H. (Fuzzy-Logic 1993), S. 103 f.; Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 28 ff. 764 Vgl. zu einer ausführlichen (formalen) Darstellung Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 33 ff. 765 Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 43 ff. 762
243
Zuerst wird ein Konvolut von Regeln entwickelt, die die Anzahl angebotener Fonds (F) in Abhängigkeit vom DAX-Stand (D) determiniert, was folgende Regelbasis zum Ausdruck bringt:766 R1: WENN D = sehr_niedrig DANN F= sehr_niedrig R2: WENN D = niedrig
DANN F= niedrig
R3: WENN D = mittel
DANN F= mittel
R4: WENN D = hoch
DANN F= hoch
R5: WENN D = sehr_hoch
DANN F= sehr_hoch
Weiterhin wird ein fiktiver (z.B. antizipierter) scharfer DAX-Stand D=5.500 Punkte zu Grunde gelegt.767 Im zweiten Schritt wird diese Ausgangsgröße fuzzifiziert, was folgende Abbildung visualisiert: µD mittel
1
hoch
0,6
0,3
D 0
2.500
5.000
7.500
10.000
D = 5.500
Abb. VI-4: Fuzzifizierung
In Matrixschreibweise würde der fuzzifizierte DAX-Wert wie folgt dargestellt werden:
766 767
Exemplarische Ausgestaltung der Regelbasis. Auf die grafische Darstellung der linguistischen Terme von DAX-Stand und Anzahl der angebotenen Fonds verzichten wir aus Platzgründen. Zudem werden die linguistischen Terme implizit in den nächsten beiden Abbildungen dargestellt. 244
µ D _ sehr _ niedrig (D ) µ D _ niedrig (D ) ~ µ D _ mittel (D ) D= µ D _ hoch (D ) µ D _ sehr _ hoch (D )
D
0 0 = 0,6 0,3 0
D
Im dritten Schritt werden die inaktiven Regeln aus der Regelbasis eliminiert, das heißt dass nur die Regeln R3 und R4 aktiv sind.768 Folglich besitzt R3 den Erfüllungsgrad H3 von 0,6 und R4 den Erfüllungsgrad H4 von 0,3. Im nächsten Schritt werden die einzelnen Ausgangs-Fuzzy-Mengen ermittelt, was durch die Übertragung des Erfüllungsgrades der Regel auf die entsprechende Fuzzy-Menge als Schlussfolgerung geschieht. Zu diesem Zweck wird das Minimum von Erfüllungsgrad und Ausgangs-Fuzzy-Menge gebildet,769 was sich grafisch durch das "Abschneiden" der Ausgangsmengen wie folgt darstellen lässt: µD
µF
mittel
1
mittel
1 H3
D 0
2.500
5.000
µD
7.500
F 0
10.000
25
50
µF
hoch
75
100
75
100
hoch
1
1
H4
0
2.500
5.000
7.500
10.000
D
0
25
50
F
Abb. VI-5: Auswertung der Regeln R3 und R4
Im vorläufig letzten Schritt müssen die Ergebnis-Fuzzy-Mengen mittels eines Operators zur resultierenden Ausgangs-Fuzzy-Menge verknüpft werden. Da die einzelnen Regeln
768 769
Da der Erfüllungsgrad > 0 ist. Formal: MIN(Hi, µF(F)). Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 71. 245
implizit ODER-verknüpft sind kommt der MAX-Operator zur Anwendung.770 Für unseren Fall von mehreren Regeln und einer scharfen Eingangsgröße kommt die so genannte MAX-MIN-Komposition zum Einsatz, die folgende Überlagerung erzeugt:
µF 1
µF res
F 0
25
50
75
100
Abb. VI-6: Überlagerung der Fuzzy-Ausgangsmengen über den MAX-Operator
Der eigentlich letzte Schritt des Vorganges ist die Bestimmung eines scharfen (crisp) Ausgangswertes W, der letztendlich für unser Beispiel festlegt, welche Anzahl Fonds nun bei dem angenommenen DAX-Stand aufzulegen sind. Dieser Schritt wird Defuzzifizierung genannt und wird im nächsten Abschnitt behandelt. 3.1.5
Defuzzifizierung
Zur Defuzzifizierung gibt es eine Reihe unterschiedlicher Verfahren. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die wichtigsten Methoden.771 Tab. VI-2: Verfahren der Defuzzifizierung Verfahren
Kurzbeschreibung
Maximum Methode
Nur die Regel mit dem höchsten Erfüllungsgrad wird betrachtet und das Maximum der zugehörigen AusgangsFuzzy-Menge bestimmt die Ausgangsgröße
770
771
Formal:
µ F res (W ) = MAX (MIN (H i , µ F i (W ))) . i =1,...,5
Zum MAX-MIN-Operator im Allgemeinen vgl.
Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 64 ff. Eine genaue Beschreibung aller Verfahren ist für unsere Zwecke nicht notwendig. Eine detaillierte Übersicht liefern u.a. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 89 ff. 246
Maximum-Mittel-Methode
Siehe Maximum Methode. Zusätzlich bei mehreren höchsten Erfüllungsgraden Bildung des arithmetischen Mittels der scharfen Ausgangsgrößen
Akkumulationsmethode
Zu jeder Regel wird in Form eines Singletons ein scharfer Ausgangswert angegeben, der von einem vorhandenen Wert subtrahiert bzw. hinzuaddiert wird
Schwerpunktmethode
Berechnung des Flächenschwerpunktes S der resultierenden Fuzzy-Ausgangsmenge. Der Wert der y-Achse von S stellt die scharfe Ausgangsgröße dar
Schwerpunktmethode für
Terme auf der Ausgangsgröße müssen Singletons sein.
Singletons
Für jede Regel wird der Erfüllungsgrad mit dem Abzissenwert der Singletons multipliziert. Summation aller Produkte und Division durch Summe der Erfüllungsgrade
Das gängigste Verfahren stellt die Schwerpunktmethode dar, welche nun kurz beschrieben wird und auf unser Beispiel vom vorherigen Abschnitt angewendet wird. Der Schwerpunktmethode (auch: "Center of Gravity" Methode genannt) liegt folgende Formel zu Grunde: "
& yµ ( y )dy res
yres =
0 "
& µ ( y )dy res
0
Meist wird eine ausreichende Nährung erreicht, indem die Abzissen yi der Schwerpunkte der Ausgangsmengen aller m Regeln, die die Form eines Dreiecks bzw. eines Trapez haben sollten, in eine mit dem Erfüllungsgrad Hi gewichtete Summe eingebracht werden, was sich wie folgt formalisieren lässt: m
yres =
i =1 m
yi H i
i =1
Hi
Angewendet auf unser Beispiel ergibt sich formal y H + y4 H 4 yres = 3 3 H3 + H 4 34 × 0,6 + 64 × 0,3 yres = 0,6 + 0,3
247
yres = 44 bzw. grafisch:
µF 1
µF res H3 S H4 0
25
y3
y4
50
F 75
100
yres
Abb. VI-7: Anwendung der Nährungsformel für die Schwerpunktberechnung772
Als Fazit lässt sich festhalten, dass gerade im Bereich der strategischen Informationen, die zum großen Teil "nur" Tendenzaussagen auf semantischer Basis darstellen, die Fuzzy-Logic bzw. die Fuzzy-Set-Theorie eine adäquate Möglichkeit zur quantitativen Verarbeitung derartiger Informationen darstellt. Unserer Meinung nach bietet die Fuzzy-Logic den passenden Erweiterungsrahmen für eine Modifikation der bestehenden Antizipationsmethoden. Dass diese Erweiterung zumindest auf Basis der Einschätzung aus der Finanzdienstleistungspraxis notwendig ist, hat die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung gezeigt. Der Frage nach den bestgeeigneten Methoden für Antizipationen von Entwicklungen auf umweltsegmentindividueller Ebene und den Integrationsmöglichkeiten der Fuzzy-Logic, widmen wir uns im nächsten Kapitel.
772
Quelle: Modifiziert nach Kahlert/Frank. Vgl. Kahlert, J., Frank, H. (Fuzzy-Logic 1994), S. 99. 248
4. Gestaltungsempfehlung für die Selektion von Antizipationsmethoden unter Berücksichtigung der Einbindungsmöglichkeiten der Fuzzy-Logic 4.1
Kriterien für die Auswahl von Antizipationsmethoden
Um aus den vorgestellten Methoden die am besten für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt geeigneten zu selektieren, ist es zunächst notwendig, eine Reihe von Auswahlkriterien zu spezifizieren. Grundsätzlich sollen dabei die aus unserer Sicht wichtigsten Kriterien entlang der Kategorien "Theoretische Eignung", "Praktische Eignung" und "Einbindungsmöglichkeiten für Fuzzy-Logic" zu Grunde gelegt werden. Theoretische Eignung: Innerhalb dieser Kategorie wollen wir diejenigen Kriterien zusammenfassen, die auf Basis des theoretischen Teils dieser Arbeit für die Anwendbarkeit von Antizipationsmethoden ausschlaggebend sind, nämlich: •
1.) Langfristigkeit: Da es sich bei Änderungen der allgemeinen Unternehmensumwelt größtenteils um langfristig wirksame Entwicklungen handelt, ist die Untersuchung der einzelnen allgemeinen Teilumwelten ein Kernaufgabengebiet der Strategischen Analyse bzw. der Strategischen Planung, welche sich wiederum u.a. durch die Langfristigkeit von anderen Planungskategorien unterscheidet. Demzufolge ist es essentiell, Methoden zu verwenden, die von ihrer grundsätzlichen Konzeption eben diese Langfristigkeit abbilden. Bei der von uns auf Basis der Literatur zum Strategischen Management (bzw. der Strategischen Planung/Analyse) synthetisierten Antizipationsmethoden haben sich bei genauerer Untersuchung teilweise Einschränkungen für die langfristige Anwendbarkeit ergeben. Aus diesen Gründen stellt daher "Langfristigkeit" ein essentielles Auswahlkriterium dar.
•
2.) Adressierung der Kerncharakteristika der jeweiligen Teilumwelten: Wie bereits aufgezeigt sind die verschiedenen Antizipationsmethoden auch nach der Eignung für die jeweiligen Umweltsegmente differenzierbar. Beispielsweise liegt der Anwendungsschwerpunkt für quantitative Methoden eher auf Teilumwelten, die durch quantitative Indikatoren geprägt sind (z.B. makroökonomisches Umweltsegment). Aus diesem Grund stellt die konzeptionelle Ausrichtung der einzelnen Antizipationsmethoden auf die entsprechenden Umweltsegmente ein wichtiges Eignungskriterium dar. 249
•
3.) Verarbeitungsmöglichkeit für qualitative Informationen: Auf Grund der Langfristigkeit bei strategisch relevanten Antizipation sind Unternehmen bei der Durchführung derartiger Planungstätigkeiten zu einem signifikanten Teil mit nicht-quantifizierbaren bzw. qualitativen Informationen konfrontiert. Dies hat auch die empirische Untersuchung bestätigt.773 Aus diesem Grund ist es von Wichtigkeit, dass die Methoden die konzeptionelle Möglichkeit bieten, quantitative Informationen zu verarbeiten bzw. zu integrieren.
•
4.) Konzeptionelle Möglichkeit zur Antizipation von Strukturbrüchen (Diskontinuitäten): Gerade in einer dynamischen Umweltsituation (die laut Befragung für die Finanzdienstleistungsbranche vorliegt) können plötzliche Änderungen bei den Entwicklungslinien der einzelnen Indikatoren auftreten. Je stärker ein Antizipationsverfahren diese Möglichkeit in der Konzeption adressiert, desto mehr werden die Anwender in der Lage sein derartige Diskontinuitäten bzw. deren Schwache Signale zu erkennen, und entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Praktische Eignung: Neben den theoretischen Kriterien ist es ebenso wichtig, die praktische Relevanz der einzelnen Antizipationsmethoden zu berücksichtigen. Wir haben den Anspruch, bei den Empfehlungen für die Methodenselektion/-erweiterung auch die Meinung der Unternehmen zu berücksichtigen, da sonst die Gefahr bestünde, die gebotene Praxisnähe zu verlieren. Durch die aus der empirischen Untersuchung erlangten Ergebnisse bezüglich der wahrgenommenen Eignung und der tatsächlichen Anwendung sowie die Gründe für Nichtverwendung der einzelnen Methoden für Antizipationen der entsprechenden Umweltsegmente, können folgende Kriterien entsprechend abgebildet werden: •
5.) Durch die Praxis wahrgenommene Eignung: Nicht notwendigerweise wird das Einsatzgebiet und die Eignung der unterschiedlichen Antizipationsmethoden in der Praxis genauso wahrgenommen, wie es in der Theorie vorgeschlagen wird. Daher ist es essentiell, auch die empfundene praktische Eignung für die einzelnen Methoden in den Kriterienkatalog aufzunehmen.
•
6.) Tatsächliche Anwendungshäufigkeit: Eine entsprechende Etablierung der Methoden in der Praxis zeigt auf, inwiefern tatsächlich wissenschaftliche Methoden für die Unternehmen in ihren Antizipationsaufgaben relevant sind. Da-
773
Siehe Abschnitt V.4.2.2 bzw. Abb. V-4. 250
bei wollen wir dieses Kriterium in a) regelmäßige und b) fallspezifische Anwendungshäufigkeit differenzieren. •
7.) Einfachheit in der Durchführung: Der Grad an Komplexität und die damit assoziierten Kosten der Implementierung und Durchführung sind ein weiteres wichtiges Kriterium für die Vorteilhaftigkeit der unterschiedlichen Antizipationsmethoden.
8.) Einbindungsmöglichkeiten für Fuzzy-Logic: Als letzte Kriterium ist die Erweiterungsfähigkeit der einzelnen Antizipationsverfahren hinsichtlich des Einsatzes von FuzzyLogic zu nennen. Wie bereits aufgezeigt, bedarf die Anwendung gerade quantitativ orientierter Methoden im Zusammenhang mit unbestimmten Informationssituationen einer Erweiterung, z.B. durch Fuzzy-Logic, um die Einsatzfähigkeit für dynamische Umweltsituationen gewährleisten zu können. Da auf Grund ihrer unterschiedlichen Grundkonzeption hierbei Unterschiede bestehen, ist dies ein weiteres wichtiges Selektionskriterium. 4.2
Verfahren für die Auswahl von Antizipationsmethoden
Grundsätzlich haben Unternehmen in der Auswahl und Verwendung von unterschiedlichen Methoden ein Entscheidungsproblem zu lösen, indem die Frage beantwortet werden muss: "Welche Methoden setze ich zur Antizipation von Entwicklungen in welchen Umweltsegmenten ein?" Es existieren also mehrere Handlungsalternativen, die es unter Zugrundelegung der vorgestellten Kriterien (Zielgrößen) zu bewerten gilt. Da das Gros der Zielgrößen nicht monetär bzw. quantitativ ist, eignen sich hier qualitative Verfahren der Alternativenbewertung. Für unseren Fall haben wir mehrere, nicht monetäre Zielgrößen integriert zu bewerten. Dafür bieten sich die sog. multi-kriteriellen bzw. multi-attributiven Verfahren an. Die gängigsten Verfahren dieser Kategorie sind die so genannten Nutzwertverfahren.774 Hierbei wird zwischen nutzwerttheoretischen und nutzwertanalytischen Verfahren unterschieden. Für unsere Zwecke sind die Nutzwertanalysen von Vorteil, da nutzwerttheoretische Verfahren nicht bei nur ordinal messbaren Zielen angewendet werden dürfen.775 Die Nutzwertanalyse beginnt mit der Festlegung von nicht-komplementären Zielkriterien, was ja bereits im vorangegangenen Abschnitt vollzogen wurde.776
774
Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 191. Vgl. Küpper, H.U. (Controlling 1997), S. 75. 776 Zu den einzelnen Teilschritten der Nutzwertanalyse vgl. Blohm, H., Lüder, K. (Investition 1995), S. 177 ff. 775
251
Im zweiten Schritt wird festgelegt, wie diese Zielkriterien zu gewichten sind. Ebenso wie die Zielgrößenfestlegung ist dieser Schritt durch den jeweiligen Entscheider abzubilden, bzw. in der Konsequenz immer subjektiv durch die jeweilige Nutzenfunktion geprägt.777 Bevor jedoch den Kriterien einzelne Werte zugewiesen werden, gilt es folgenden Umstand bei den Kriterien zu bedenken. Die Zielgrößen 2 und 5 beziehen sich individuell auf die einzelnen Umweltsegmente, wohingegen sich die restlichen Kriterien ausschließlich auf die allgemeine Eignung der Methode ohne Berücksichtigung der Charakteristika der individuellen Teilumwelten beziehen. Wir schlagen daher vor, alle 9 Kriterien gleich zu gewichten (also mit jeweils ca. 11%), allerdings in der Anwendung der Nutzwertanalyse die individuelle Eignung der Methoden für die einzelnen Umweltsegmente und die generelle Eignung der Verfahren separat auszuwerten. 4.3
Empfehlung für eine Methodenselektion
Nachdem die Zielkriterien identifiziert und (gleich-)gewichtet worden sind, besteht der nächste Schritt in der Festlegung der Ausprägung der einzelnen Zielkriterien. Dabei ist einerseits die Zuordnung von qualitativen Bewertungen für die Kriterien 1,2,3,4,7,8 und die Einbringung der Umfragewerte für 5 sowie 6 a,b) notwendig. Auf Basis der in dieser Arbeit durchgeführten theoretischen Betrachtungen der einzelnen Methoden wird die Gruppe der erstgenannten Zielgrößen jeweils mit den Bewertungen "keine", "niedrig", "mittel", "hoch" belegt, wohingegen für die Kriterien 5/6a,b die prozentualen Werte aus der empirischen Untersuchung eingetragen werden. In nachfolgenden zwei Tabellen sind die Bewertungen für die einzelnen Zielgrößen abgetragen, wobei zwischen den umweltsegmentunabhängigen Kriterien und den umweltsegmentabhängigen Kriterien unterschieden wurde.
777
Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 192. 252
Tab. VI-3: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentunabhängige Kriterien778 Theoretische Eignung 3.) Integrations4.) Möglichkeit zur möglichkeit Antizipation von Strukturbrüchen 1.) Langfristigkeit qualitativer Daten
Praktische Relevanz 6.a) Verbreitung 6.b) Verbreitung regelmäßig fallspez.
7.) Einfachheit der Durchführung
8.) Erweiterungsmöglichkeiten in Bezug auf FuzzyLogic
Trendextra.
niedrig
keine
keine
54%
19% hoch
niedrig
Durchschn.
niedrig
keine
keine
51%
22% hoch
niedrig
Expon. Gl.
niedrig
keine
keine
25%
20% hoch
niedrig
Regress. M. niedrig
keine
keine
34%
23% mittel
hoch
Ökon. Mod.
niedrig
keine
keine
24%
12% niedrig
hoch
Wachst.
hoch
keine
keine
24%
25% niedrig
niedrig
Simul.
hoch
mittel
niedrig
46%
17% niedrig
Input-Outp.
hoch
keine
keine
13%
9% niedrig
hoch niedrig
Delphi-Meth. hoch
hoch
hoch
10%
18% niedrig
niedrig
Hist. Ana.
hoch
keine
15%
31% mittel
mittel
hoch
Heur. Meth.
hoch
hoch
hoch
19%
26% mittel
mittel
Szen. Ana.
hoch
hoch
hoch
66%
18% mittel
hoch
Relev. Meth. hoch
hoch
niedrig
7%
24% niedrig
mittel
Syst. Ana.
hoch
niedrig
20%
20% niedrig
mittel
hoch
Frühw.
niedrig
niedrig
keine
60%
13% mittel
niedrig
Früherken.
hoch
hoch
hoch
40%
19% niedrig
hoch
Trendforsch. hoch
hoch
hoch
24%
24% niedrig
hoch
Tab. VI-4: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentabhängige Kriterien779 Theoretische Eignung
Praktische Relevanz
2.) Adressierung der Charakteristika des entsprechenden Umweltsegmentes
5.) Eignung für das Umweltsegment
Makro-ökonomisches Politisch-rechtliches Umweltsegment Umweltsegment
Sozio-kulturelles Technologisches Makro-ökonomisches Politisch-rechtliches Umweltsegment Umweltsegment Umweltsegment Umweltsegment
Trendextra.
hoch
keine
mittel
niedrig
52%
7%
66%
10%
Durchschn.
hoch
keine
mittel
niedrig
57%
6%
25%
10%
Expon. Gl.
hoch
keine
mittel
niedrig
46%
0%
23%
7%
Regress. M. hoch
keine
mittel
niedrig
63%
2%
35%
6%
Ökon. Mod.
hoch
keine
mittel
niedrig
70%
3%
19%
2%
Wachst.
niedrig
keine
mittel
hoch
34%
6%
38%
35%
Simul.
hoch
keine
mittel
niedrig
66%
20%
30%
17%
Input-Outp.
hoch
keine
keine
keine
35%
7%
10%
12%
Delphi-Meth. mittel
hoch
hoch
hoch
24%
39%
45%
29%
Hist. Ana.
niedrig
niedrig
niedrig
hoch
30%
29%
29%
8%
Heur. Meth.
mittel
hoch
mittel
mittel
14%
32%
38%
38%
Szen. Ana.
mittel
hoch
hoch
hoch
76%
46%
45%
39%
niedrig
niedrig
niedrig
12%
12%
15%
17%
Relev. Meth. niedrig
Sozio-kulturelles Technologisches Umweltsegment Umweltsegment
Syst. Ana.
mittel
niedrig
niedrig
mittel
33%
15%
19%
28%
Frühw.
mittel
keine
niedrig
niedrig
73%
20%
19%
18%
Früherken.
hoch
hoch
hoch
hoch
54%
28%
39%
32%
Trendforsch. keine
mittel
mittel
mittel
15%
19%
72%
23%
Der nächste Schritt besteht aus einer Zuordnung von Punktewerten zu den einzelnen Ausprägungen der Zielkriterien.780 Wir legen dabei eine Bandbreite von 0-30 Punkten zu Grunde. Die qualitativen Ausprägungen werden dabei wie folgt bewertet: "keine" = 0 Punkte, "niedrig" = 10 Punkte; "mittel" = 20 Punkte, "hoch" = 30 Punkte. Für die prozen-
778
Quelle: Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Darstellung. 780 Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 192. 779
253
tualen Umfragewerte vergeben wir auf der gleichen Skala für jeweils für ein Intervall von 10 Prozentpunkten 3 Punkte, d.h. beispielsweise für 39% werden 12 Punkte vergeben. Nach Zuordnung der Punktewerte werden die Ergebnisse der einzelnen Zellen jeweils mit dem Gewichtungsfaktor multipliziert (in unserem Fall immer mit 11,11%) und im Anschluss die jeweiligen Zeilensummen gebildet (für die umweltsegmentabhängigen Kriterien erfolgt dies für jeweils ein Umweltsegment). Die jeweiligen Nutzwerte werden im Anschluss in eine Rangfolge gebracht, die die Basis für eine Entscheidung bildet, was nachfolgende Tabelle zusammenfasst: Tab. VI-5: Ergebnisse der Nutzwertanalyse781 Rangzahlen Eignung für die jeweilgen Umweltsegmente Grundsätzliche Makro-ökonomisches Eignung der Umweltsegment Methode
Politisch-rechtliches Sozio-kulturelles Technologisches Umweltsegment Umweltsegment Umweltsegment
Trende.
11
5
11
5
12
Durchs.
11
4
11
10
12
Expon. Gl.
15
7
16
11
14
Regr.
10
3
16
6
14
Ökon. Mod.
16
1
15
12
16
Wachst.
14
14
11
6
2
5
2
9
9
9
17
10
11
17
17
Delphi
6
12
2
1
4
Hist. Ana.
7
15
6
13
5
Heur. Meth.
4
13
3
6
6
Szen. Ana.
1
8
1
1
1
Relev. Meth.
9
16
8
16
9
Syst. Ana.
8
11
7
14
7
11
9
9
14
9
Früherken.
2
5
4
3
2
Trendforsch.
3
17
5
3
8
Simul. Input-Outp.
Frühw.
Es ist festzustellen, dass hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung für Antizipationen der allgemeinen Unternehmensumwelt auf Basis der von uns gewählten Kriterien, die Szenario-Analyse von ihrer Grundkonzeption am besten geeignet ist. Auf den nächsten Rängen folgen Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme und die Trendforschung. Quantitative
781
Quelle: Eigene Darstellung. 254
Methoden sind, bis auf Simulationen, weniger geeignet als qualitative Methoden und vor allem die angesprochenen Verbundmethoden. Hinsichtlich der speziellen Eignung für die einzelnen Umweltsegmente lässt sich Folgendes feststellen: •
Quantitative Verfahren eignen sich am besten für die makro-ökonomische Teilumwelt. Ökonometrische Modelle und Simulationen adressieren am besten den quantitativen Charakter dieses Umweltsegments im Rahmen von Antizipationen.
•
Eine gegensätzliche Tendenz ist im politisch-rechtlichen Umweltsegment zu verzeichnen, da qualitative Indikatoren und Zusammenhänge dieses Teilsegment bestimmen. Besonders geeignete Methoden, die Individualcharakteristika auf politisch-rechtlicher Ebene abzubilden, sind Szenario-Analyse, die Delphi-Methode und Heuristische Methoden.
•
Da die sozio-kulturelle Teilumwelt einerseits aus den quantitativen Faktoren der Soziodemographie, andererseits aus qualitativen Indikatoren, wie z.B. Werteveränderungen in der Gesellschaft, besteht, ergibt sich ein heterogeneres Ergebnis. Die Szenario-Analyse und die Delphi-Methode nehmen hier gemeinsam den ersten Platz ein, offensichtlich sind diese Verfahren geeignet, beide angesprochenen Ebenen zu berücksichtigen. Trendforschung und Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme folgen auf den nächsten Rängen, wobei unterstellt wird, dass deren Eignung sich insbesondere auf den qualitativen Bereich bezieht. Für quantitativ erfassbare Zusammenhänge finden Trendextrapolation und Wachstumsmodelle ihr primäres Einsatzgebiet.
•
Auch im technologischen Umweltsegment nimmt die offensichtlich sehr universell einsetzbare Methode der Szenario-Analyse den ersten Rang ein. Wachstumsmodelle und Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme sind ebenfalls geeignet, technologische Entwicklungen zu antizipieren.
Eine integrierte Betrachtung der allgemeinen und der umweltsegmentspezifischen Eignung der einzelnen Methoden wäre durch einfache Addition der jeweiligen Rangzahlen und erneuter Rangzahlenbildung möglich.782 Folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse für
782
Da die beiden Kategorien "allgemeine bzw. umweltsegmentunabhängige Eignung" und "umweltsegmentspezifische bzw. -abhängige Eignung" in diesem Falle gleichgewichtet behandelt werden, aber aus unterschiedlichen Anzahlen von Einzelkriterien bestehen, kommt dies einer Übergewichtung der Einzelkriterien im Bereich umweltspezifische Eignung" gleich. 255
die ersten drei Ränge für die einzelnen Teilumwelten auf Basis einer derartigen Auswertung: Tab. VI-6: Bestgeeignete Antizipationsmethoden783 Rang-
Makro-ökon.
Polit.-rechtl.
Sozio-kult. Um- Technologisches
zahl
Umweltsegment
Umweltsegment
weltsegment
Umweltsegment
1
Früherk.-/Früh-
Szenario-Analyse
Szenario-Analyse
Szenario-Analyse
Früherk.-/Früh-
Früherk.-/Früh-
Früherk.-/Früh-
aufklärung
aufklärung
aufklärung
Szenario-
Heuristische
Trendforschung
Heuristische
Analyse
Methoden
aufklärung 2
Simulationen
3
Methoden
Es ist abschließend festzuhalten, dass die beiden Verbundverfahren Szenario-Analyse und Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme die vorteilhaftesten Verfahren in einer Gesamtbetrachtung sind. Finanzdienstleister sollten demzufolge einen starken Fokus auf Einführung bzw. Weiterentwicklung dieser Verfahren legen. Für die wichtige makroökonomische Teilumwelt sind zudem Simulationen eine weitere adäquate Methode langfristige Entwicklungen zu antizipieren. Für die stark qualitativen politisch-rechtlichen und technologischen Segmente kann zudem die Anwendung heuristischer Methoden von zusätzlich Vorteil sein, ebenso wie auf sozio-kultureller Ebene die Verfahren der Trendforschung. 4.4
Ansätze für Erweiterungsmöglichkeiten der wichtigsten selektierten Methoden durch Fuzzy-Logic
Ein Resultat der empirischen Studie, dass wir unter Einbezug der Ergebnisse der Methodenselektion an dieser Stelle adressieren wollen, ist die prinzipielle Verbesserung der aktuellen Prognosequalität in den Finanzdienstleistungsunternehmen, durch den Einbezug von Verfahren, die es erlauben, unbestimmte Information quantitativ zu verarbeiten (91% Zustimmungsquote).784 Wir haben bereits aufgezeigt, dass Fuzzy-Logic diese Möglichkeit bietet. Des Weiteren wurde durch die befragten Unternehmen indiziert, dass das wesentliche Einsatzgebiet solcher Methoden, das makro-ökonomische Umweltsegment ist.
783 784
Quelle: Eigene Darstellung. Siehe Abb. V-4. 256
Wir wollen uns daher bei dem Aufzeigen von Erweiterungsmöglichkeiten auf die am besten geeignete Methoden für diese Teilumwelt beziehen. Dies sind, wie im vorherigen Abschnitt herausgearbeitet, Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme, Simulationen und Szenario-Analyse. Erst- und drittgenanntes Verfahren nehmen zudem bei der Eignung für die restlichen Umweltsegmente die ersten Ränge ein, so dass mit der Fokussierung auf diese zwei Methoden auch die verbleibenden Teilumwelten adressiert werden. Wir möchten an dieser Stelle herausstellen, dass im Folgenden keineswegs komplette Modelle entwickelt werden, die die Fuzzy-Logic mit den genannten Antizipationsmethoden formal verbinden. Dies würde deutlich über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Vielmehr möchten wir Ansatzpunkte aufzeigen, wie und wo Erweiterungen der bestehenden Verfahren möglich wären und wie diese ggf. konzeptionell aussehen könnten. Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme und Simulationen:
In diesem Bereich wurde durch Hazebrouck785 bereits Vorarbeit geleistet. In seiner Arbeit versucht er, einen modellbasierten Ansatz für die Frühaufklärung unter Nutzung von Fuzzy-Logic zu entwerfen. Wir möchten diesen Ansatz, der einen starken wirtschaftsinformatischen Hintergrund hat und als Managementsupportsystem (MSS) konzipiert wurde, exemplarisch und generalisiert als Erweiterungsbeispiel für Früherkennungs/Frühaufklärungssysteme darstellen. Wir sehen den Ansatz von Hazebrouck gleichzeitig als Referenz für eine fuzzy-basierte Erweiterung von Simulationen, da ein zentrales Element des von ihm zu Grunde gelegten Frühaufklärungssystems auf Simulationen beruht. Die Struktur einer fuzzy-basierten Komponente zur Frühaufklärung besteht vereinfacht aus zwei Teilen, was folgende Abb. VI-8 für den Fall der linguistischen Simulation zusammenfasst:786
785 786
Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998). Das Simulationsmodell kann prinzipiell quantitativ als Fuzzy-Gleichungssystem oder als linguistisches Modell gestaltet werden. Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 155. 257
Situationsebene Situationserfassung
Input
Situationsanalyse Kausalsicht/ Impulse
Zielsicht Simulationsebene
Simulation
Simulationsanalyse
Fuzzifizierung
Fuzzifizierung
Inferenz
Regelbasis
Ergebnis
Taktergebnisse
Inferenz
Regelbasis
Ergebnis
Output
Abb. VI-8: Struktur eines Fuzzy-Logic-basierten Früherkennungs/Frühaufklärungssystems787
Auf der Situationsebene werden Entwicklungen verstanden als mögliche Situationen modelliert. Diese Aussagen bilden die Interdependenzen eines zu untersuchenden Objekts bzw. solche zwischen den Objekten ab. Hier fließt Experten- und Erfahrungswissen von Planern und Entscheidern als Systeminput ein, welches eine Menge von Hypothesen über Erwartungen und Zusammenhänge darstellt. Auch Gerüchte oder Intuitionen (Schwache Signale) gehen hier in das System ein. An dieser Stelle werden zudem sowohl Objekte (z.B. Bereiche der Unternehmensumwelt oder des Unternehmens) abgegrenzt als auch Ziele des Unternehmen definiert, um so den Objekten Ziele zuordnen zu können (Zielsicht). Beispielsweise könnte ein mögliches Objekt für eine Bank der Markt für langfristige Staatsanleihen darstellen und eine mögliches Ziel die Erreichung eines positiven Eigenhandelsergebnisses. Zur Darstellung der Interdependenzen werden Einflussgrößen, Prämissen oder Ziele eines Objekts durch Variablen repräsentiert (Kausalsicht). Unterschieden werden die Variablen nach ihrer Beeinflussbarkeit (interne vs. externe). "Sie zeigen dabei die Richtung der 787
Quelle: Modifiziert nach: Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 154-156. 258
Niveauänderungen {nimmt_zu, nimmt_ab}des repräsentierten Zustands an."788 Mögliche Variablen für unser Beispiel könnten Zinssatz, Länderratings oder Währungskurse sein. Meist stehen Variablen in einem Beziehungsgefüge, das mit Wirkungsrelationen modelliert wird. Es ist im Modell anzugeben, ob für die Variablen in einem gleichgerichteten oder entgegengesetzt gerichteten Zusammenhang besteht. Ferner werden die Zusammenhänge durch Wirkungsstärke (unterproportional, proportional, überproportional), Zeitverzögerungen (kurz-, mittel-, langfristig) und einem Sicherheitsfaktor gewichtet. Aus diesem Situationsmodell bzw. aus der Kausalsicht wird ein Simulationsmodell unter Nutzung von Fuzzy-Logic erstellt, mit dem zeitliche Dynamik beschrieben werden kann. Dort wird dann ermittelt, wie Änderungen der Interdependenzen sich über Zeit diskret verbreiten. Die Simulation wird durch einen Impuls an einer oder mehrerer Variablen ausgelöst, der dann das Modellsystem mit einem zeitdiskreten Takt fortschreibt. Für die linguistische Simulation, auf die wir uns in der Darstellung beschränken, werden die Variablen jeweils durch einen Komplex linguistischer Variablen789 und die Wirkungsrelationen durch Regelkomplexe repräsentiert. Diese Regeln verknüpfen die linguistischen Variabeln über deren zugehörige Terme mittels WENN/DANN-Ausgestaltung. Dabei werden nur Terme mit gleicher bzw. entgegengesetzter Niveauänderungsrichtung verknüpft. Zur Adressierung der Intensität der Niveauänderungsrichtung werden die jeweiligen Terme {gering, mittel, groß} abhängig von ihrer Ausprägung verbunden.790
788
Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 159 unter Bezugnahme auf Gomez, P; Probst, G.J.B. (Praxis des ganzheitlichen Problemlösens 1997), S. 47-49 789 Für alle linguistischen Variablen, die sich in der Benennung unmittelbar an der jeweiligen Variablen orientieren, werden linguistische Terme gebildet, die zur Interpretation der Wirkungszusammenhänge dienen. Diese Terme werden durch das Kreuzprodukt aus der Menge der Niveauänderungsrichtungen {nimmt_zu, nimmt_ab} und den Elementen der Niveauänderung erzeugt. Die Ausprägungen der Niveauänderungen sind ordinal und könnten beispielsweise {gering, mittel, groß} bezeichnet werden. Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 166. 790 Bei Proportionalität werden Terme gleicher Ausprägung (mittel-mittel), bei Unterproportionalität (mittel-gering) und bei Überproportionalität (mittel-groß) verbunden. Wir verzichten auf weitere Detaillierung und formale Abbildung und verweisen auch für die Problematik des Einbezugs von Extremwerten bei Über- bzw. Unterproportionalität auf Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 168. 259
Zur Repräsentation des zeitlichen Verhaltens wird der Variablenkomplex abhängig von der Zeitverzögerung generiert.791 In der Simulationsanalyse bzw. in der Zielanalysesicht werden die simulierten Niveauänderungen für jeden Takt ermittelt und jeweils bezüglich der Stabilität des Zielerreichungsgrades, wie z.B. {nimmt_ab, konstant, nimmt_zu}, beurteilt. Da im Regelfall mehrere Ziele innerhalb einer Zielhierarchie abgebildet werden, ist eine stufenweise Aggregation über die einzelnen Zielebenen notwendig, was wiederum über ein linguistisches Modell geschieht. Bereits durch die grobe Skizzierung der Ansatzpunkte für die Integration von FuzzyLogic in Früherkennungs-/Frühaufklärungssystems wird deutlich, dass dieser Ansatz gegenüber "herkömmlichen" Antizipationsmethoden eine Reihe von Vorteilen bietet. Unscharfe Aussagen können erfasst, Interdependenzen abgebildet und zeitliche Dynamik simuliert werden. Sicherlich ist dieses Modell sehr generell und wenig auf die Bedarfe und individuelle Umweltsituation der Finanzdienstleistungsbrache angepasst. Hier genau liegt die Herausforderung für die Banken und Versicherungen bzw. für die Wissenschaft. Szenario-Analyse:
Auch in der Szenarioanalyse wurde bereits versucht, die Fuzzy-Logic konzeptionell zu integrieren. Wir wollen stellvertretend den Ansatz von Hofmeister darstellen, der zur Clusterung von Szenarien ein Verfahren eingesetzt hat, dass auf Fuzzy-Logic basiert.792 Das Konzept fußt auf dem klassischen Prozess der Szenarioanalyse, so wie er auch in dieser Arbeit vorgestellt wurde.793 Nach Identifikation der Einflussfaktoren wird jedoch, ähnlich wie beim vorher beschrieben Früherkennungs-/Frühaufklärungssystem, ein Simulationsmodell spezifiziert, dass mittels Fuzzy-Logic operiert. Ohne genaue formale Konstruktionsvorschriften zu geben, wird von Hofmeister angegeben, dass die linguistischen Variablen mit ihren Basisvariablen, den Bandbreiten und den linguistischen Termen
791
Prinzipiell gilt: Jede linguistische Variable stellt eine einzelne hierarchische Zeitstufe dar. Jede dieser Stufen ergibt sich aus einer regelbasierten Aggregation aus den vergangenen Stufen. Zusätzlich ist der Einbezug weiterer linguistischer Variablen für die entsprechende Zeitstufe möglich. "Zur Aggregation werden die überlagernden Terme der Wirkungen inferiert und akkumuliert und daraus die neue Wirkung abgeleitet. Dazu wird der Output-Fuzzy-Set als ("Dummy"-)Niveauveränderungswert (t) defuzzifiziert und für den nächsten Punkt (t+1) wieder – über dieselbe linguistische Variable- fuzzifiziert. Als Methode wird die Flächenschwerpunktmethode (Center of Gravity) verwendet, da alle inferierten Terme in der Lösung berücksichtigt sind." Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 168 f. 792 Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000); Hofmeister, P. et al. (Komplexitätsreduktion 2000) 793 Siehe Abschnitt IV.2.3.2.2 260
inklusive der jeweiligen Zugehörigkeitsfunktionen definiert und mit Regelsätzen in Zusammenhang gebracht werden sollen. Zusätzlich müssen in dieser Phase alle zeitlichen Einflüsse, also beispielsweise Ausgangswerte und eventuelle Regeländerungen, spezifiziert werden.794 Dieses Simulationsmodell wird vor der Ermittlung der eigentlichen Rohszenarien hinsichtlich der Sinnhaftigkeit der Ergebnisse evaluiert.795 Durch Durchführung mehrerer Simulationsläufe, bei denen jeweils die Regeln und die Startwerte zu variieren sind, werden Rohszenarien generiert, die im Anschluss wiederum Plausibilitätstests796 zu unterziehen sind. Da zu diesem Zeitpunkt als Ergebnis der vorangegangenen Prozessschritte eine Vielzahl von Rohszenarien identifiziert wurde und der administrative Umgang in der planerischen Handhabung zu hoch wäre, ist die Anzahl der Rohszenarien zu begrenzen. Dies kann einerseits durch Selektion einzelner Szenarien oder durch die Zusammenfassung (Clusterung) zu einigen wenigen Klassen erfolgen. Zur Bildung von Clustern werden Clusterverfahren eingesetzt, die innerhalb einer Menge von Objekten Strukturen identifizieren, also ähnliche Objekte zusammenzufassen797 und gegen unähnliche Objekte abgrenzen.798 Im Zusammenhang mit der Szenarioanalyse hat die Clusterung die Aufgabe, aus der Vielzahl von Rohszenarien einige Repräsentanten (Endszenarien) zu ermitteln, die jeweils typisch für die entsprechende Klasse sind und sich demzufolge deutlich von den anderen Szenarien bzw. den Repräsentanten anderer Klassen unterscheiden.799 Die verschiedenen Clusterverfahren können anhand dreier Unterscheidungsmerkmale differenziert werden. Neben der Unterscheidung in iterative und hierarchische800 bzw. dynamische und statische801 ist in unserem Zusammenhang vor allem die Differenzierung in scharfe und unscharfe Verfahren relevant.
794
Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 201. Für eine genaue Darstellung der Evaluationsmethoden verweisen wir auf Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 212 ff. 796 Auch hier verweisen wir auf Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 219 ff. 797 Die Zuteilung der Objekte zu ihren Klassen bezeichnet man als Partition. Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 225. 798 Vgl. Zimmermann, H.J. (Datenanalyse 1995), S. 38; Sodeur, W. (Klassifikation 1974), S. 119 ff. 799 Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 227. 800 Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 225 f., der sich auf Zimmermann, H.-J. (Fuzzy Technologien 1993), S. 38 f. bezieht. 801 Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 226, der sich auf Joentgen, A, Mikenina, L.; Zimmermann, H.J. (Dynamic Fuzzy Data Analysis 1999) bezieht. 795
261
Scharfe Clusterverfahren ordnen einem Objekt einen binären Zugehörigkeitswert Eins bzw. Null zu; bei unscharfen Verfahren gibt es auf Basis der Theorie der unscharfen Mengen einen graduellen Zugehörigkeitsbegriff. Der Vorteil gegenüber scharfen Partitionen ist die feinere Unterscheidung der einzelnen Objekte, da Informationen darüber vorliegen, ob ein Element im Zentrum oder am Rande eines Clusters liegt. 802 Hoffmeister setzt zur Erstellung der unscharfen Partitionen einen um eine dynamische Komponente erweiterten funktionalen Fuzzy-C-Means-Algorithmus (FFCM) ein.803 "Der FCCM Algorithmus fasst dynamische Objekte zu Klassen zusammen, die durch Merkmale beschrieben werden, deren Ausprägungen sich im Zeitablauf ändern."804, so dass es möglich ist, den Übergang von Objekten zwischen den einzelnen Klassen über Zeit zu erfassen. Wir wollen an dieser Stelle das Konzept von Hofmeister nicht en detail darstellen805 und stattdessen festhalten, dass auch in den einzelnen Schritten der Szenario-Analyse die Fuzzy-Logic Anwendungsgebiete vorfindet. Abschließend ist zu diesem Abschnitt Folgendes festzuhalten: In der Wissenschaft wurden bereits bei den Konzepten der Frühaufklärung und der Szenario-Analyse theoretische Vorarbeiten für die Integration von Fuzzy-Logic geleistet. Insbesondere scheint innerhalb dieser Ansätze die Erstellung von Simulationskomponenten unter Nutzung der FuzzyLogic eine zentrale Stellung einzunehmen. Hier wären unserer Ansicht nach auch die primären Ansätze für die Individualisierung auf die Finanzdienstleistungsbranche zu sehen. Wo diese Ansatzpunkte sein könnten werden wir im nächsten Kapitel im Ausblick darstellen.806
802
Vgl. Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 226. Hoffmeister bezieht sich dabei auf die Erweiterung von Joentgen et al., die sich wiederum auf Bzdek beziehen. Vgl. dazu Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 229 ff. bzw. Joentgen, A, Mikenina, L.; Zimmermann, H.J. (Dynamic Fuzzy Data Analysis 1999) sowie Bezdek, J.C. (Algorithms 1981), S. 69 f. 804 Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 230. 805 Eine Zusammenfassung des Konzepts von Hofmeister findet sich bei Hofmeister, P. et al. (Komplexitätsreduktion 2000) S. 404-411, eine genauere formale Darstellung des FCCM-Algorithmus bei Hofmeister, P. (Szenarien 2000), S. 229-231. 806 Siehe Abschnitt VII.2. 803
262
VII. Abschließende Betrachtung Zum Abschluss der Arbeit werden wir die vorangegangenen Kapitel kurz zusammenfassen und mit der ursprünglichen Zielsetzung abgleichen.807 Zudem werden wir den Gedanken des vorhergehenden Abschnittes in einem Ausblick aufgreifen, um Ansatzpunkte für weitere Forschungstätigkeiten aufzuzeigen.
1. Zusammenfassung Das erste Hauptziel der Arbeit ist die Aufstellung eines theoretischen Bezugsrahmens, innerhalb dessen zuerst die Begrifflichkeiten um den Komplex "Unternehmensumwelt – Umweltanalyse – Strategische Planung" zu definieren sind. Ausgehend von der systemtheoretischen Definition des Begriffs "Unternehmen" strukturieren wir den Komplex Unternehmensumwelt zum Anfang dieser Arbeit in Aufgabenumwelt und allgemeine Umwelt. Darauf basierend werden die grundlegenden Elemente der einzelnen Umweltsegmente der für uns besonders relevanten allgemeinen Unternehmensumwelt in den Bereichen Makroökonomie, Politik/Rechtliches, Soziokulturelles und Technologie allgemein beschrieben. Zusätzlich definieren wir die generellen Attribute Dynamik, Komplexität und Kontingenz im Zusammenhang mit der Unternehmensumwelt. Das Verständnis der Entwicklungen und Struktur der Unternehmensumwelt ist eines der grundlegenden Bestandteile der Strategischen Planung. Diese ist wiederum ein zentrales Teilsystem des Strategischen Managements. Daher werden die wesentlichen Begrifflichkeiten zum Themenkomplex Strategie, Strategisches Management, Planung und Strategische Planung als theoretisches Grundgerüst dieser Arbeit beschrieben. Insbesondere ein Teilgebiet der Strategischen Planung ist für die Zwecke unserer Arbeit besonders interessant: Die Strategische Analyse, die sich entlang der Kernstruktur der Unternehmensumwelt in die Analyse der Aufgabenumwelt und der allgemeinen Unwelt gliedern lässt. Da der Fokus dieser Arbeit auf Dienstleistungsunternehmen liegt, und demzufolge ein weiteres Teilziel die Darstellung der deutschen Dienstleistungsbranche inklusive aller notwendigen Definitionen ist, definieren wir zu Anfang des nächsten Kapitels die in diesem Zusammenhang relevanten Begrifflichkeiten und beschreiben die Struktur des deutschen Dienstleistungssektors. Auf Grund der Heterogenität und Breite des Dienstleistungssektors ist es aus Vereinfachungsgründen unumgänglich, einen typischen Repräsentant für ein Dienstleistungsunternehmen in Form einer einzelnen Branche auszuwählen. 807
Siehe Abschnitt I.2. 263
Dass die Finanzdienstleistungsbranche für diesen Zweck geeignet ist, wird argumentiert und zusätzlich die Struktur und Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche dargestellt. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden die Erkenntnisse hinsichtlich der Elemente und der Attribute der Unternehmensumwelt auf die selektierte Finanzdienstleistungsbranche transferiert, indem die wichtigsten Faktoren der einzelnen Umweltsegmente für Finanzdienstleister beschrieben sowie generell das Niveau der Attribute Dynamik, Komplexität und Kontingenz für die ausgewählte Branche aus einer Outside-InPerspektive dargestellt werden. Die letzten Teilziele im definitorischen Teil dieser Arbeit sind die Herausarbeitung der Besonderheiten von Antizipationen in Bezug auf Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt und die Vorstellung der wichtigsten Antizipationsmethoden. Zur Adressierung dieser Ziele werden in den folgenden Kapiteln auf Basis einer Darstellung der grundlegenden Problematiken bei Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt in einem strategischen Kontext die wichtigsten von der betriebswirtschaftlichen Literatur vorgeschlagenen Antizipationsmethoden beschrieben. Dabei werden die unterschiedlichen Strukturierungsansätze synthetisiert, und die Methoden entlang der Einteilung "Quantitative Methoden", "Qualitative Methoden" und "Verbundmethoden" dargestellt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Verbundmethoden, namentlich Frühaufklärung und Szenario-Analyse, da sie insbesondere für den Zweck der Antizipation von langfristig wirksamen, strategischen Entwicklungen der Unternehmensumwelt konzipiert wurden bzw. besonders geeignet erscheinen. Das zweite Hauptziel dieser Arbeit ist der Transfer der theoretischen Erkenntnisse in einen Praxiszusammenhang mittels Konzeption und Durchführung einer empirischen Untersuchung in der Finanzdienstleistungsbranche. Zu Adressierung dieses Ziels haben wir aufbauend auf den Erkenntnissen des theoretischen Teils eine schriftliche, empirische Untersuchung konzipiert und durchgeführt. Die Grundgesamtheit wird auf Grund der Vielzahl von Finanzdienstleistungsinstituten auf die ca. größten 10% (387 Institute) festgelegt, von denen ca. 47% einen beantworteten Fragebogen zurück senden. Als wichtigste Ergebnisse lassen sich stellvertretend die hohe Dynamik und Komplexität insbesondere in den als wichtig für den Unternehmenserfolg und die Strategische Planung genannten makro-ökonomischen und politisch-rechtlichen Umweltsegmenten sowie die gute Eignung und häufige Anwendung der Verbundmethoden herausstellen. Des Weiteren geben über 90% der befragten Institute an, dass die Prognosequalität durch quantita-
264
tive Verfahren gesteigert werden könnte, die in der Lage sind, unbestimmte Informationen zu verarbeiten. Das dritte Hauptziel der Arbeit ist die Empfehlung für eine Methodenselektion, die auf den bis dahin gefundenen Ergebnissen fußt. Zudem sollen Ansatzpunkte für Methodenerweiterungen aufgezeigt werden. Auf Basis der nun durch die empirische Untersuchung ergänzten theoretischen Erkenntnisse werden im letzten Kapitel diese Empfehlungen für eine Methodenauswahl gegeben. Um den oben genannten Punkt aufzunehmen, dass quantitative Verfahren zur Verarbeitung unbestimmter Informationen nutzbringend in der Finanzdienstleistungsbranche eingesetzt werden könnten, wird die Fuzzy-Logic als ein derartiges Verfahren eingeführt. Für die eigentliche Methodenauswahl, die mit Hilfe der Nutzwertanalyse getroffen wird, spielen neben theoretischen und praktischen Kriterien, die aus der Empirie gewonnen wurden, demzufolge auch die Integrationsmöglichkeiten für die Fuzzy-Logic eine zentrale Rolle. Es lässt sich als Ergebnis festhalten, dass die Verbundverfahren Früherkennung/-aufklärung und die Szenario-Analyse die geeigneten Methoden für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt sind. Bei diesen Methoden wurden auch bereits erste Ansätze einer Erweiterung mit Fuzzy-Logic entwickelt, die wir zum Abschluss der Arbeit kurz darstellen.
2. Ausblick Die logische Konsequenz dieser Arbeit für zukünftige Weiterentwicklungen wäre die modelltheoretische Formulierung und inhaltliche Ausgestaltung eines Systems zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern unter Verwendung von Fuzzy-Logic. Die methodische Fokussierung sollte dabei eindeutig auf den Verbundverfahren und hier insbesondere auf der Strategischen Früherkennung/-aufklärung bzw. der Szenario-Analyse liegen, da diese prädestiniert für die Integration von Fuzzy-Logic sind und die theoretische und praktische Anwendbarkeit gegeben ist. Die bisherigen Versuche zur Integration von Fuzzy-Logic in derartige Methoden haben gemeinsam, dass eine zentrale Komponente jeweils die Formulierung eines Fuzzy-Simulationsmodells ist. Zudem sind Simulationen als eigenständige Methode speziell für Antizipationen im makro-ökonomischen Bereich geeignet. Daher sind wir der Meinung, dass der Fokus bei der umsetzungsorientierten Konzeption auf der Entwicklung eines Fuzzy-Logic-basierten Simulationsmodells liegen sollte.
265
In diesem Zusammenhang ergibt sich eine Reihe von Herausforderungen, die im Zuge einer anwendungsorientierten Umsetzung in Form eines ganzheitlichen Systems adressiert werden sollten: •
Institutsindividuelle Definition und Prüfung der wichtigsten Einflussfaktoren und Indikatoren der jeweiligen Umweltsegmente.
•
Kategorisierung dieser Faktoren nach der Strukturierbarkeit der entsprechenden Informationen sowie Dynamik bzw. Unbestimmtheit.
•
Auf Basis des vorhergehenden Schrittes Kategorisierung nach dem Bedarf zur Integration von Fuzzy-Logic. Beispielsweise können Faktoren mit wenig Dynamik/Unbestimmtheit, die zudem quantitativer Natur sind (z.B. Bevölkerungsentwicklung) mit etablierten "klassischen" Simulationen gut beschreiben lassen, wohingegen Indikatoren mit hoher Dynamik und Unbestimmtheit (z.B. Ölpreis) bzw. qualitativer Ausgestaltung (z.B. Gesetzesänderungen) für den Einsatz von Fuzzy-Logic prädestiniert sind.
•
Anschließende Definition der Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Einflussfaktoren und Definition der Zugehörigkeitsfunktionen und Regelbasis für die Fuzzy-Simulationen zur Erzeugung eines Gesamtsystems.
•
Auf Grund der vorherrschenden Dynamiken, Einbindung der FuzzySimulationen in Frühaufklärungs- bzw. Szenarioerstellungsprozesse. Nutzung des Simulationsmodells als Basis für Szenario-Analysen bzw. als Rückgrat in Frühaufklärungssystemen.
•
Sicherstellung, dass Indikatoren des Modells ständig aktualisiert werden (z.B. durch Scanning der Unternehmensumwelt)808.
•
Organisatorische
Integration
des
Komplettmodells
(z.B.
Fuzzy-
Frühaufklärung) in das Strategische Management bzw. insbesondere in die Strategische Planung. Allerdings kann sich die Formulierung eines Komplettsystems für Simulationen der allgemeinen Unternehmensumwelt, abhängig von der Anzahl der gewählten Einflussfaktoren und den wechselseitigen Interdependenzen, sehr komplex gestalten. Daher ist es in einem ersten Schritt sinnvoll, zuerst ein "verkleinertes" Fuzzy-Simulationsmodell zu konzipieren. Da einerseits die makro-ökonomische Teilumwelt als besonders wichtig für
808
Siehe Abschnitt IV.2.3.1.5. 266
Finanzdienstleister ist und andererseits die Antizipationserfahrungen auf diesem Gebiet durch bestehende Systeme relativ hoch sein sollten, ist es unserer Ansicht nach sinnvoll, sich auf dieses Umweltsegment zu konzentrieren.
267
Anhang 1. Materialien zur schriftlichen Befragung 1.1
Anschreiben Herrn XY Leiter Unternehmensplanung XY AG Musterstraße 12-18 10500 Berlin
Steffen Greubel Tel.: 0175-xxx-xxxx Kremmener Str. 2 Fax.: 030-xxxx-xxxx 10435 Berlin Berlin, 13. September 2004 Sehr geehrter Herr XY, bezugnehmend auf unser telefonisches Gespräch vom 2.9. möchte ich Sie bitten, etwas Zeit zu erübrigen (ca. 20-30 Min.), um an einer Befragung zum Thema "Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bei Finanzdienstleistern" teilzunehmen. Der beiliegende, siebenseitige Fragebogen soll dazu dienen, neben einer Kategorisierung der aktuellen Situation der allgemeinen Unternehmensumwelt, eine Bestandsaufnahme der in der Praxis verwendeten Methoden und Verfahren zu Antizipation von Entwicklungen in der Unternehmensumwelt durchzuführen. Er richtet sich dabei vornehmlich an die Verantwortlichen für die Strategische Planung respektive die Unternehmensplanung. Für den Fall, dass eine Beantwortung des Fragebogens in Ihrer Abteilung nicht möglich ist, wäre ich Ihnen überaus dankbar, wenn Sie diesen entsprechend weiterleiten. Die Ergebnisse der Befragung fließen in meine Dissertation ein, die in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg erstellt wird. Ihre Mithilfe trägt dazu bei, einen Abgleich zwischen theoretischen Empfehlungen und den Anforderungen der Praxis vorzunehmen. Neben Ihrem Unternehmen wurden ca. weitere 350 Firmen aus der Finanzdienstleistungsbranche ausgewählt, an der Befragung teilzunehmen. Der Fragebogen ist anonym, es werden sämtliche Bedingungen des Datenschutzes eingehalten. Sollten Sie Fragen haben, können Sie diese gerne an mich persönlich richten. Als Dankeschön für Ihre Mitarbeit stellen wir Ihnen eine Zusammenfassung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung in Form einer Management Summary kostenfrei zur Verfügung.
268
1.2
Fragebogen
Befragung zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bei Finanzdienstleistern I. Allgemeine Unternehmensumwelt Im ersten Abschnitt des Fragebogens geht es um Ihre Einschätzung zur allgemeinen Unternehmensumwelt ihres Unternehmens. Diese wurde in die vier folgenden Segmente unterteilt: MAKRO-ÖKONOMISCHES, POLITISCH-RECHTLICHES, SOZIO-KULTURELLES, TECHNOLOGISCHES. Da diese Unterteilung eine wichtige Stellung innerhalb der Befragung einnimmt, finden Sie auf dem roten Beiblatt Nr. 1 einen beispielhaften Überblick, welche Faktoren bzw. Inhalte den einzelnen Umweltsegmenten u.a. zugeordnet werden können. 1. Zu Anfang bitten wir Sie, Ihre Einschätzung zu folgender Aussage über die generelle Bedeutung der allgemeinen Unternehmenswelt für die Finanzdienstleistungsbranche im Vergleich zu anderen Branchen zu geben. Bitte kreuzen Sie dazu das entsprechende Kästchen an: IM VERGLEICH ZU ANDEREN BRANCHEN HABEN ENTWICK- TRIFFT LUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT FÜR ZU FINANZDIENSTLEISTER PRINZIPIELL EINE HÖHERE BE1 DEUTUNG.
TRIFFT NICHT ZU
2
3
4
5
2. a) In der Regel verändern sich im Zeitablauf die einzelnen Faktoren der allgemeinen Unternehmensumwelt. Beispielsweise ändern sich politische und ökonomische Indikatoren (Zins, Wechselkurse etc.), neue Gesetze werden erlassen oder technische Innovationen zur Marktreife gebracht. Ausmaß und Intensität dieser Veränderungen werden gemeinhin unter dem Begriff Dynamik zusammengefasst. Betrachten Sie die vergangenen Entwicklungen ihrer Unternehmensumwelt in einem Zeithorizont von fünf Jahren. Wie würden Sie für diesen Zeitraum die Dynamik der einzelnen Umweltsegmente einschätzen? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an.
UMWELTSEGMENT
SEHR DYNAMISCH
UNDYNAMISCH, STATISCH
MAKRO-ÖKONOMISCHES
1
2
3
4
5
POLITISCH-RECHTLICHES
1
2
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4
5
SOZIO-KULTURELLES
1
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5
TECHNOLOGISCHES
1
2
3
4
5
b.) Erwarten Sie, dass sich das bestehende Niveau der Dynamik der allgemeinen Unternehmensumwelt insgesamt in Zukunft (Horizont 5 Jahre) verändert? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an. ZUNAHME DYNAMIK ERWARTUNG VERÄNDERUNG UNTERNEHMENSUMWELT INSGESAMT
STAGNATION DYNAMIK
1
2
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3
ABNAHME DYNAMIK 4
5
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3. a.) Die Umweltsegmente setzen sich prinzipiell aus einer Menge von Faktoren bzw. Determinanten zusammen (Beispiele siehe rotes Beiblatt Nr. 1). Die für Ihr Unternehmen relevante Anzahl dieser Faktoren und die wechselseitigen Beziehungen dieser Faktoren bestimmt das Maß an Komplexität. Wie würden Sie aktuell die Komplexität der einzelnen Umweltsegmente einschätzen? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an. HOCHNICHT KOMPLEX UMWELTSEGMENT KOMPLEX MAKRO-ÖKONOMISCHES
1
2
3
4
5
POLITISCH-RECHTLICHES
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2
3
4
5
SOZIO-KULTURELLES
1
2
3
4
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TECHNOLOGISCHES
1
2
3
4
5
b.) Erwarten Sie, dass sich das bestehende Niveau der Komplexität der allgemeinen Unternehmensumwelt insgesamt in Zukunft (Horizont 5 Jahre) verändert? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an. ZUNAHME KOMPLEXITÄT ERWARTUNG VERÄNDERUNG UNTERNEHMENSUMWELT INSGESAMT
1
ABNAHME KOMPLEXITÄT
STAGNATION KOMPLEXITÄT 2
3
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5
4. a.) Das Zufällige in Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bezeichnet man auch als Unbestimmtheit. Das Maß der Unbestimmtheit indiziert dabei, wie oft und wie stark unvorhergesehene Veränderungen oder Entwicklungsrichtungen auftreten. Beispielsweise könnte dies eine Länderkrise (z.B. Argentinien) oder eine plötzliche und unvorhersehbare Änderung im Verbraucherverhalten (z.B. Boykott von Shell-Tankstellen wegen der Bohrinsel Brent Spa) sein. Betrachten Sie die vergangenen Entwicklungen ihrer Unternehmensumwelt in einem Zeithorizont von fünf Jahren. Wie würden Sie aus heutiger Perspektive für diesen Zeitraum die Unbestimmtheit für Entwicklungen der einzelnen Umweltsegmente einschätzen? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an. SEHR BESTIMMT, UNBESTIMMT UMWELTSEGMENT SICHER MAKRO-ÖKONOMISCHES
1
2
3
4
5
POLITISCH-RECHTLICHES
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3
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5
SOZIO-KULTURELLES
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TECHNOLOGISCHES
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4
5
b.) Erwarten Sie, dass sich das bestehende Niveau der Unbestimmtheit der allgemeinen Unternehmensumwelt insgesamt in Zukunft (Horizont 5 Jahre) verändert? Bitte kreuzen Sie Ihre Bewertung in nachfolgender Übersicht an. ZUNAHME UNBESTIMMTHEIT ERWARTUNG VERÄNDERUNG UNTERNEHMENSUMWELT INSGESAMT
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2
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STAGNATION UNBESTIMMTHEIT 3
ABNAHME UNBESTIMMTHEIT 4
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5. Entwicklungen in den einzelnen Segmenten der allgemeinen Unternehmensumwelt beeinflussen, wenn auch häufig indirekt, Ihr Unternehmen. a.) Bitte geben Sie durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen an, wie stark der Beeinflussungsgrad bzw. die wie hoch die Wichtigkeit der Umweltsegmente aktuell für den Erfolg Ihres Unternehmens ist. SEHR WICHTIG, UNWICHTIG, UMWELTSEGMENT HOHE BEEINFLUSSUNG KEINE BEEINFLUSSUNG MAKRO-ÖKONOMISCHES
1
2
3
4
5
POLITISCH-RECHTLICHES
1
2
3
4
5
SOZIO-KULTURELLES
1
2
3
4
5
TECHNOLOGISCHES
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2
3
4
5
b.) Bitte geben Sie durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen an, welchen Stellenwert Entwicklungen der einzelnen Umweltsegmente im Rahmen Ihrer strategischen Planung einnehmen. UMWELTSEGMENT
SEHR WICHTIG, HOHE BEEINFLUSSUNG
UNWICHTIG, KEINE BEEINFLUSSUNG
MAKRO-ÖKONOMISCHES
1
2
3
4
5
POLITISCH-RECHTLICHES
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3
4
5
SOZIO-KULTURELLES
1
2
3
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TECHNOLOGISCHES
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2
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5
II. Prognose In diesem Teil der Befragung werden Sie um Ihre Stellungnahme zu einer Reihe von Aussagen zum Thema Prognose gebeten. Kreuzen Sie bitte die betreffenden Kästchen an. JA NEIN 1. Für die meisten Prognosen über Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt werden in unserem Unternehmen Unsicherheitsmaße (wie z.B. Wahrscheinlichkeiten) verwendet. 2. Bisher wurden von unserem Unternehmen Ereignisse, die nicht exakt quantitativ zu beschreiben sind eher in den Prognosen vernachlässigt. 3. Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt sind vorwiegend nicht präzise, d.h. sie liegen oftmals in unbestimmter, nicht exakt quantifizierbarer Form vor und stellen demzufolge Tendenzaussagen dar (z.B. "baldige" Durchsetzung der digitalen Signatur oder "etwas bessere" oder "schlechtere" Nachfrage. 4. Innerhalb unserer Prognosen werden Informationen auch verarbeitet, wenn sie in unbestimmter Form vorliegen, z.B. "hohe bzw. höhere Zinsen", "stärkere Individualisierung", "sinkender oder steigender Ölpreis". 5. Für die Qualität von Prognosen wäre eine quantitative Verarbeitung unbestimmter Informationen über zukünftige Ereignisse (z.B. "hohes" Zinsniveau, "viele" neue Technologien etc.) nützlich. 1.
Wenn Sie bei der letzten Frage 5 "JA" angekreuzt haben, bitten wir Sie noch folgende Frage zu beantworten: In welchen Teilsegment(en) der allgemeinen Unternehmensumwelt wäre es besonders hilfreich unbestimmte Informationen quantitativ zu verarbeiten? (Mehrfachnennungen möglich) MAKRO-ÖKONOMISCHES
POLITISCH-RECHTLICHES
TECHNOLOGISCHES
SOZIO-KULTURELLES
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III. Antizipationsmethoden Nachfolgend finden Sie eine Auswahl von Methoden vor, die wir im Untersuchungsdesign als prinzipiell relevant für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt erachten. Eine kurze Beschreibung der Methoden finden Sie auf dem roten Beiblatt Nr. 2. Wir würden Sie nun um Ihre Einschätzung bezüglich der prinzipiellen Eignung dieser Methoden für Antizipation bzw. Prognose von zukünftigen Entwicklungen in den einzelnen Segmenten der Unternehmensumwelt bitten. Dabei wird jedes Umweltsegment in einer separaten Spalte abgefragt 1. Bitte geben sie Ihre Einschätzung über die prinzipielle Eignung der folgenden Methoden für die Antizipation von Entwick-lungen des entsprechenden Umweltsegments ab. Bitte kreuzen Sie das entsprechende Kästchen nur an, wenn Ihrer Ansicht nach die jeweilige Methode eine sehr gute oder gute Eignung aufweist. ANTIZIPATIONSMETHODEN
MAKROÖKONOMISCHE
POLITISCHRECHTLICHE
SOZIOKULTURELLE
TECHNOLOGISCHE
TRENDEXTRAPOLATIONEN DURCHSCHNITTSWERTBERECHNUNGEN (z.B. gleitende) EXPONENTIELLE GLÄTTUNGSVERFAHREN REGRESSIONSMETHODEN ÖKONOMETRISCHE MODELLE WACHSTUMSMODELLE (z.B. Lebenszyklus-Analyse, Wachstumsfunktionen) SIMULATIONSMODELLE INPUT-OUTPUT-ANALYSEN DELPHI-METHODE HISTORISCHE ANALOGIE HEURISTISCHE METHODEN (Brainstorming, Morphologie, Methode 635 o.ä.) SZENARIO-ANALYSE RELEVANZBAUM-METHODE SYSTEM-ANALYSE FRÜHWARNSYSTEME FRÜHERKENNUNGS-/FRÜHAUFKLÄRUNGSSYSTEME TRENDFORSCHUNG SONSTIGE (BITTE SPEZIFIZIEREN) Zurück an: Steffen Greubel - (Fax) 030-8845-2209
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2. Welche der nachfolgenden Antizipationsmethoden verwenden Sie in Ihrer Strategischen Planung regelmäßig oder fallspezifisch? Kreuzen Sie bitte die betreffenden Kästchen an (Mehrfachnennungen möglich). Bitte geben Sie, wenn möglich, eine kurze Begründung, falls Sie eine oder mehrere Methoden nicht verwenden (z.B. zu teuer, unbekannt, zu komplex). WENN MÖGLICH: REGELMÄSSIGE FALLSPEZIFISCHE BEGRÜNDUNG BEI VERWENDUNG VERWENDUNG ANTIZIPATIONSMETHODEN NICHTVERWENDUNG TRENDEXTRAPOLATIONEN DURCHSCHNITTSWERTBERECHNUNGEN (z.B. gleitende) EXPONENTIELLE GLÄTTUNGSVERFAHREN REGRESSIONSMETHODEN ÖKONOMETRISCHE MODELLE WACHSTUMSMODELLE (z.B. Lebenszyklus-Analyse, Wachstumsfunktionen) SIMULATIONSMODELLE INPUT-OUTPUT-ANALYSEN DELPHI-METHODE HISTORISCHE ANALOGIE HEURISTISCHE METHODEN (Brainstorming, Morphologie, Methode 635 o.ä.) SZENARIO-ANALYSE RELEVANZBAUM-METHODE SYSTEM-ANALYSE FRÜHWARNSYSTEME FRÜHERKENNUNGS-/FRÜHAUFKLÄRUNGSSYSTEME TRENDFORSCHUNG SONSTIGE (BITTE SPEZIFIZIEREN)
Zurück an: Steffen Greubel - (Fax) 030-8845-2209
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273
IV. Informationsbeschaffung In diesem vierten und letzten Teil würden wir Sie bitten, einige Fragen bezüglich der Gewinnung von Informationen, die Sie im Rahmen Ihrer Prognosen über Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt aktuell verwenden, zu beantworten. 1. Welche Informationsquellen nutzen Sie, um Daten zur Erstellung Ihrer Prognosen für Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt zu gewinnen. Bitte kreuzen Sie die entsprechende Kategorie und die jeweiligen Quellen an. Mehrfachnennungen sind möglich; in der letzten Zeile haben Sie jeweils die Möglichkeit, weitere Informationsquellen anzugeben
PRESSE
VERÖFFENTLICHUNGEN
NETZWERKE
BEFRAGUNGEN
BEAUFTRAGTE STUDIEN
Tageszeitungen
Verbände
Konferenzen
Experteninterviews
Intern
Fachpresse
Universitäten
Seminare
Meinungsumfragen
Beratungen
Wirtschaftsmagazine Lifestylemagazine
Behörden/Ämter
Newsgroups
Fokusgruppen
Meinungsforscher
Firmen
Datenbanken
Workshops
Universitäten
............................
.........................
......................
............................
............................
............................
.........................
......................
............................
............................
2. a.) Bitte schätzen Sie, wie sich die Relation zwischen quantitativen und qualitativen Informationen über die allgemeine Unternehmensumwelt, die Sie im Rahmen der Informationsbeschaffung erheben, darstellt. Tragen sie Ihre Schätzung in Form eines prozentualen Verhältnisses (z.B. 50/50) in das davor vorgesehene Kästchen ein: DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN INFORMATIONEN ÜBER DIE ALLGEMEINE UNTERNEHMENSUMWELT IST:
b.) Der von Ihnen angegebene Wert ist sicherlich ein Schätzwert. Bitte kreuzen Sie auf unten stehender Skala an, wie genau Sie Ihre Angabe einschätzen. SEHR GENAU GENAUIGKEIT ANGABE AUS FRAGE 2 a.)
EHER UNGENAU
1
2
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3
4
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V. Allgemeines Nun am Schluss noch einige Angaben zu Ihrem Unternehmen: 1. Bitte ordnen Sie Ihr Unternehmen hinsichtlich der Größe ein: ANZAHL MITARBEITER
< 500
500 bis 2.000
2.000 bis 5.000
5.000 bis 10.000
>10.000
BILANZSUMME (Mrd. EUR)
<1
1 bis 10
10 bis 50
50 bis 1.000
>1.000
BRUTTOBEITRÄGE (Mrd. EUR)
< 0,5
0,5 bis 2
2 bis 5
5 bis 10
>10
oder
2. Welche Art von Finanzdienstleistern ist ihr Unternehmen zuzuordnen (Mehrfachnennung möglich, falls z.B. Ihr Unternehmen eine Konzernmutter oder Holding ist)? UNIVERSALBANK
INVESTMENTBANK
ZENTRALINSTITUT
BAUSPARKASSE
LEBENSVERSICHERUNG
GENOSSENSCHAFTSBANK
KRANKENVERSICHERUNG
SACHVERSICHERUNG
REALKREDITINSTITUT
SPARKASSE
SONSTIGES
3. Wer führt bei Ihnen die Aufgabe der Strategischen Planung hauptsächlich durch? STRATEGISCHE PLANUNG
ANDERE PLANUNGSEINHEIT
UNTERNEHMENSLEITUNG
CONTROLLING
SONSTIGE
Kommentar Wenn Sie möchten, haben Sie an dieser Stelle Gelegenheit, Anmerkungen und Kommentare abzugeben:
VIELEN DANK FÜR IHRE MITARBEIT! Steffen Greubel Kremmener Str. 2 10435 Berlin Tel.: 0175-318-2208 Fax.: 030-8845-2209
Bitte senden Sie die Ergebnisse der Untersuchung als Management Summary zu. Meine Email-Adresse lautet: ……………………………………………......
Zurück an: Steffen Greubel - (Fax) 030-8845-2209
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275
1.3
Fragebogenbeiblätter Beiblatt 1
Technologische Teilumwelt • Innovationen – Hardware/Software – Internet – Telekommunikation – Automation/Verfahrenstechnologie – Prozessinnovationen • Technologietrends – Technologiekonvergenz – Substitutionstechnologien • Kostenentwicklungen
Relevante Sozio-kulturelle Teilumwelt Analyseebene • Sozio-demografische Entwicklungen – Bevölkerungsentwicklung gesamt sowie einzelner Nicht relevant im Gruppen Rahmen der – Alterstruktur Arbeit – Geografische Verteilung bzw. Bevölkerungswanderungen – Bildungsstruktur – Einkommensverteilungen • Sozialpsychologische Strömungen – Allgemeine Werteveränderungen – Arbeitsmentalität – Freizeitverhalten – Trends (z.B. "Cocooning", "Sicherheitsstreben") – Konsumverhalten – Ökologische Orientierung Politisch-rechtliche Teilumwelt • Globalpolitische Allgemeine Umwelt Tendenzen Sozio-kulturelle – Konflikte/Krisen/ Kriege – Staatsallianzen Aufgabenumwelt (z.B. USA/GB) • EU-, national- und Konkurrenten parteipolitische Entwicklungen • Wirtschaftspolitik TechnoPolitisch– Regulation (z.B. logische rechtliche Kunden Lieferanten Unternehmen Basel II)/ Deregulationen – Aufsichtsämter – EZB-Politk Sonstige • Rechtliche (Kapitalgeber, Entwicklungen Arbeitnehmer) – Steuerrecht – Arbeitsrecht/Sozialgesetzgebung Makro– Zivilrecht ökonomische – Handelsrecht – Haftungsvorschriften (z.B. ComplianMakro-ökonomische Teilumwelt ce) 0 • Volkswirtschaft – Arbeitsmarkt – Inflation – Konjunktur – Konsum-/Sparquoten – Investitionen • Kapitalmärkte – Aktienkurse – Zinssätze – Wechselkurse • Gütermärkte – Ölpreis – Edelmetallpreise
276
Methode
Beschreibung
Beiblatt 2
Trendextrapolation
Mathematische Fortschreibung (Extrapolation) vergangener zeitlicher Entwicklungen („Trends“ wie z.B. Altersstruktur in D) in die Zukunft
Durchschnittswertberechnungen
Errechnung eines Mittelwerts aus einer Reihe von Vergangenheitswerten, welcher dann den Prognosewert für die Zukunft darstellt
Exponentielle Glättungsverfahren
Prognosewert ergibt sich zu einem Teil aus dem letzten („jüngsten“) Vergangenheitswert und zum anderen Teil aus bisherigem Mittelwert
Regressionmethoden
Ermittlung einer funktionalen Beschreibung der Beziehung zweier oder mehrerer Variablen (z.B. Arbeitslosen- und Sparquote). Prognose durch Vorausschätzung von kausalen Größen, Errechnung gesuchte Größe
Ökonometrische Modelle
System voneinander abhängiger Regressionsgleichungen, zur Modellierung von Zusammenhängen (z.B. Volkswirtschaft)
Wachstumsmodelle
Ermittlung Wachstumsfunktion (z.B. S-Kurven, Lebenszyklus); Prognose auf Basis dieser Funktion (z.B. bei Technologienutzung wie Internet o.ä.)
Simulationsmodelle
Systemabbildende Modellation von gesamtheitlichen Zusammenhängen unter Verwendung von Strukturgleichungen
Input-Output-Analyse
Analyse/Prognose von Transaktionen (z.B. zwischen Bereichen der Gesamtwirtschaft) in einer Input-/Output-Matrix
Delphi-Methode
Spezielle iterative Expertenbefragung, meist schriftlich und immer anonym. Resultate der Befragungsgruppe werden in Form statistischer Kennzahlen berechnet, Experten mit stark abweichenden Antworten geben Begründung ab. Zwei- bis dreimalige Wiederholung. Resultat meist Meinungskonsens
Historische Analogie
Prognose eines Systemverhaltens, indem ein qualitativer Vergleich mit früheren, ähnlich strukturierten Entwicklungen gezogen wird
Heuristische Methoden
Systematische Suche nach allen Zukunftsmöglichkeiten eines bestimmten Gebietes mit anschliessendem Selektionsprozess (Kosten, Durchführbarkeit), Abschätzung Auswirkungen neuer Entwicklungen
Relevanzbaum
Definition eines zukünftigen Zielzustandes; dannach rückwärtsschreitende Festlegung notwendiger Entscheidungen und Zustände auf mehreren Ebenen
Systemanalyse
Herausarbeitung der wechselseitigen Beziehungen einzelner Elemente eines zumeist komplexen Systems; Erstellung von Prognosen auf dieser Basis
Frühwarnung
Frühzeitige Vorhersage von Krisen und Bedrohungen auf Basis von Kennzahlen des internen Berichtswesens (laufender Plan-Ist-Vergleich, Extrapolation von Wird-Größen)
Früherkennung-/aufklärung
Erkennen von strategischen Chancen und Bedrohungen bereits im Frühstadium. Informationsbeschaffung z.B. durch Festlegung von Beobachtungsfeldern und Indikatoren bzw. Scanning der Umwelt
Szenario-Analyse
Beschreibung mehrerer zukünftiger Entwicklungen des Prognosegegenstandes unter Zugrundelegung alternativer Rahmenbedingungen
Trendforschung
Fokus auf sozio-kulturelles Teilsegment der Unternehmensumwelt. Identifikation von Trends (z.B. Gesellschaftstrends) durch Medienanalysen, Meinungsumfragen o.ä.
277
2. Ergebnisse der empirischen Untersuchung 2.1
Struktur der Grundgesamtheit und Antwortquoten STRUKTUR DER GRUNDGESAMTHEIT – ÜBERSICHT in Prozent
Auswahlkriterien
100% = 387 Institute
• Banken: Bilanzsumme 2002
2 Mrd. EUR
• Versicherungen: Gebuchte Bruttobeiträge 2002 400 Mio. EUR
• KAGs*: Assets under
Versiche24 rungen
Ban69 ken
7
Management 2002 1 Mrd. EUR
KAGs*
* Kapitalanlagegesellschaften ** Jeweils bezogen auf die Auswahlkriterien
278
• Die ausgewählten Institute stellen ca. 10% der gesamten deutschen Finanzdienstleister dar
• Bezogen auf den Marktanteil** verbuchen die Institute der hier ausgewählten Grundgesamtheit ca. 85% Marktanteil
STRUKTUR DER GRUNDGESAMTHEIT – DETAILS DER INSTITUTSGRUPPEN in Prozent
100% = 265 (Banken) BauZentralsparinstitute kassen 6 6 GenoBanken 19
100% = 94 (Versicherungen)
100% = 387 Institute
Krankenversicherungen Spar48 kassen
Versiche24 rungen
Ban68 ken
20
35
8
21
KAGs*
Universalbanken**
Sachversicherungen
* Kapitalanlagegesellschaften ** Inkl. der Großbanken Deutsche Bank, HypoVereinsbank, Commerzbank, Dresdner Bank sowie der Realkreditinstitute und Banken mit Sonderaufgaben
RÜCKLAUF – GESAMTBETRACHTUNG Anzahl Institute
387
Rücklaufquote: 46,8%
206
181
Grundgesamtheit
Beantwortung abgelehnt/ keine Antwort
279
Fragebogen beantwortet
Lebens45 versicherungen
RÜCKLAUF – BETRACHTUNG NACH INSTITUTSKATEGORIEN 1 Versendete Fragebögen in Prozent der Grundgesamtheit (387 Institute)
• Sparkassen 19
• Geno-Banken 4
• Zentralinstitute
4
-1 1
3
-1
29
11
versicherungen
5
5
14
8
versicherungen
-7 1
7
24
• Sach-
-7
5
Versicherungen
• Lebens-
Differenz 2 - 1 in Prozentpunkten
20
8
• Bausparkassen
Kapitalanlagegesellschaften
26
33
• Universalbanken
versicherungen
61
68
Banken
• Kranken-
2 Erhaltene Fragebögen in Prozent der Summe erhaltener Fragebögen (181)
9 6
8
1 1
10
280
3
2
2.2
Ergebnisse
2.2.1
Allgemeine Unternehmensumwelt
I 1) ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
HABEN FÜR FINANZDIENSTLEISTER IM VERGLEICH ZU ANDEREN BRANCHEN EINE HÖHERE BEDEUTUNG in Prozent, 100% = 181 Antworten 2,5 • Mittelwert* 2,0 • Median • Standardabweichung* 1,1
40
24 17 12 7
1
2
3
Trifft zu
4
5 Trifft nicht zu
* Mittelwert und Standardabweichung, hier und im Folgenden immer nachrichtlich, da Skalenproblematik bei ordinalen Daten (d.h. Abstände zwischen einzelnen Bewertungen können individuell unterschiedlich wahrgenommen werden). Mittelwertbildung nur unter Annahme Vorhandensein kardinale Daten möglich.
281
I 2A) DYNAMIK DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT VON
FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
1,9 2,0 0,8
45
45
36
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
38
16
10
3 1
2
3
0
4
Sehr dynamisch
5
1
Undynamisch
Sozio-kulturelles Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2
5
3
5
4
Sehr dynamisch
28
1
Undynamisch
2
3
Sehr dynamisch
2
2
4
5 Undynamisch
I 2B) ÄNDERUNG DYNAMIK GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 80 1,9 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,7
53
27 18
1 Zunahme Dynamik
2,1 2,0 0,9
39
3 2
4
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
29
22
7 1
0
Undynamisch
Technologisches Umweltsegment
43 26
3
7
Sehr dynamisch
3,0 2,9 0,9
1,8 2,0 0,9
2
3
Stagnation
282
2
0
4
5 Abnahme Dynamik
I 3A) KOMPLEXITÄT DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
BEI FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
39
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
1,8 2,0 0,8
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
1,9 2,0 0,7
49
44 30
20
15
1
2
3
2
0
4
5
Hoch komplex
1
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
3
2,8 3,0 0,8
45
5
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2,4 2,0 0,8
45 34 18
12
5
8
1 2
0
Nicht komplex
Technologisches Umweltsegment
31
1
1 4
Hoch komplex
Nicht komplex
Sozio-kulturelles Umweltsegment
2
3
4
Hoch komplex
5
1
Nicht komplex
2
3
Hoch komplex
1
4
5 Nicht komplex
I 3B) ÄNDERUNG KOMPLEXITÄT GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 83 2,0 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,6
66
17
1 Zunahme Komplexität
16
2
3 Stagnation
283
1
0
4
5 Abnahme Komplexität
I 4A) UNBESTIMMTHEIT DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
BEI FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
2,1 2,0 0,9
21
20
2
3
Sozio-kulturelles Umweltsegment
1
0
4
Sehr unbestimmt
5
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2
1
3
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
4
Sehr unbestimmt
22
4
3
2 3
2,9 3,0 0,8
46
41 27
2
5 Bestimmt, sicher
Technologisches Umweltsegment
3,3 3,0 0,8
11 1
4
Sehr unbestimmt
Bestimmt, sicher
43
21 10
8 1
2,2 2,0 0,9
47
48 24
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
5
1
1
2
3
Sehr unbestimmt
Bestimmt, sicher
4
5
Bestimmt, sicher
I 4B) ÄNDERUNG UNBESTIMMTHEIT GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 51
45
48
2,5 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,6
6 2 1 Zunahme Unbestimmtheit
2
3 Stagnation
284
4
0 5 Abnahme Unbestimmtheit
I 5A) BEEINFLUSSUNGSGRAD EINZELNER UMWELTSEGMENTE
AUF DEN UNTERNEHMENSERFOLG
Makro-ökonomisches Segment Politisch-rechtliches Segment Sozio-kulturelles Segment Technologisches Segment
in Prozent, 100% = 181 Antworten
StandardMedian abweichung
Mittelwert
66
46
44 37
36
33
1,0 2,0 3,0 3,0
1,4 1,8 2,7 2,7
0,7 0,8 1,0 0,8
31
28
21
18
14
11 6
4
1
2
2
1
3
0
1
0
4
1
5
Hohe Beeinflussung
Keine Beeinflussung
I 5B) BEEINFLUSSUNGSGRAD EINZELNER UMWELTSEGMENTE
AUF STRATEGISCHE PLANUNG
Makro-ökonomisches Segment Politisch-rechtliches Segment Sozio-kulturelles Segment Technologisches Segment
in Prozent, 100% = 181 Antworten
Mittelwert
59
33
31
29
36
1,0 2,0 3,0 3,0
1,6 2,1 2,8 2,7
44
42
StandardMedian abweichung
0,8 0,9 0,9 0,8
36
23
22
14 6
1
7
4
6 2
2
3
Hohe Beeinflussung
1 4
2
1
2
5 Keine Beeinflussung
285
2.2.2
Prognose
II A) STELLUNGNAHME ZU AUSSAGEN AUS DEM BEREICH
Ja/Stimmt
DER PROGNOSE
Nein/Stimmt nicht
in Prozent, 100% = 181 Antworten
Fragen
Antworten
1.) Verwendung von Unsicherheitsmaßen in Prognosen über die allgemeine Unternehmensumwelt
52 48
2.) Vernachlässigung von Ereignissen in Prognosen, die nicht exakt quantifizierbar sind
39 61
3.) Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt sind unbestimmt/nicht exakt quantifizierbar
87 13
4.) Verarbeitung von unbestimmten Informationen in den aktuellen Prognosen
81 19
5.) Verbesserung der Prognosequalität durch quantitative Verarbeitungsmöglichkeiten für unbestimmte Informationen
91 9
286
II B) SEGMENTE DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT MIT
BESONDERER EIGNUNG ZUR ANWENDUNG VON VERFAHREN ZUR QUANTITATIVEN VERARBEITUNG UNBESTIMMTER INFORMATIONEN in Prozent, 100% = 164 Antworten*; Mehrfachnennungen möglich 94
42 32 22
Makroökonomisches Segment
Politischrechtliches Segment
SozioTechnokultulogisches relles Segment Segment
* 164 Antworten = 91% Zustimmungsquote auf Frage II.A.5
287
2.2.3
Antizipationsmethoden
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
VON ENTWICKLUNGEN IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – QUANTITATIVE VERFAHREN Sozio-kulturelles Makro-ökonomisches Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen Trendextrapolationen
94
Durchschnittswertberechnungen
Umweltsegment Technologisches Umweltsegment
12 136
41
Regressionsmethoden Ökonometrische Modelle
127 62
Wachstumsmodelle
63
204
31
55
36
13 18
64
3 171
68
120
Input-Output-Analysen
35
6
11
Simulationsmodelle
11 192
64
3
114
19 179
46
10
83
19 245
120
12
104
Exponentielle Glättungsverfahren
Umweltsegment Politisch-rechtliches Umweltsegment
242
21 116
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – QUALITATIVE VERFAHREN Makro-ökonomisches Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen
Delphi-Methode
44
Historische Analogie 26
Relevanzbaum-Methode
21
Systemanalyse
Sozio-kulturelles Umweltsegment
Politisch-rechtliches Umweltsegment
Technologisches Umweltsegment
81
70
55
Heuristische Methoden
Umweltsegment
52
52
21 59
15 174
69
58
27
31
288
69
100
35
27
53
50
171
222
248
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – VERBUNDVERFAHREN Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen
Frühwarnsysteme
132
Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung
28
36
97
51
35
131
Szenarioanalyse
34
Makro-ökonomisches Umweltsegment
Sozio-kulturelles Umweltsegment
Politisch-rechtliches Umweltsegment
Technologisches Umweltsegment
33
235
58
70 42
236
84
138
276
70
81
373
II 2) TATSÄCHLICHE VERWENDUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN in Prozent, Basis 181 Fragebögen Regelmäßige Verwendung Fallspezifische Verwendung
Quantitative Verfahren
Qualitative Verfahren
54
Trendextrapolation Durchschnittswertberechnungen Exponentielle Glättungsverfahren Regressionsmethoden
19
51 25
22 20
34
23
24
12 36
Wachstumsmodelle
24
25
Input-OutputAnalysen
46
Historische Analogie Heuristische Methoden RelevanzbaumMethode
73
45
Ökonometrische Modelle
Simulationsmodelle
Delphi-Methode
73
Systemanalyse
57
10
18
15
28
31
19 7
46
26 24
20
45
31
20
40
Verbundverfahren Frühwarnsysteme Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung
49
17
63
13 9 22
Szenarioanalyse
289
13 73
60 19
40 24
24 66
59
48
18 84
III 1./2. DIFFERENZEN ZWISCHEN EIGNUNG UND VERWENDUNG VON
ANTIZIPATIONSMETHODEN – QUANTITATIVE VERFAHREN 1 Eignung* in Prozent
2 Verwendung** in Prozent
Trendextrapolation
Delta 2 - 1 in Prozentpunkten
73
80
Durchschnittswertberechnungen
73
64
Exponentielle Glättungsverfahren
9
45
51
Regressionsmethoden
73
Ökonometrische Modelle
74
Wachstumsmodelle Simulationsmodelle
-6
57
-16
36
-38
49
72
-23
63
80
Input-Output-Analysen
-7
-17
22
45
-23
* Mindestens für ein Umweltsegment wurde eine gute/sehr gute Eignung der entsprechenden Methode angegeben; Verhältnis dann in Relation zur gesamten Anzahl der teilnehmenden Institute (181) ** Regelmäßig oder fallspezifisch
III 1./2. DIFFERENZEN ZWISCHEN EIGNUNG UND VERWENDUNG VON
ANTIZIPATIONSMETHODEN – QUALITATIVE VERFAHREN UND VERBUNDVERFAHREN 1 Eignung* in Prozent
2 Verwendung** in Prozent
Delphi-Methode
64
Delta 2 - 1 in Prozentpunkten
-36
28
Historische Analogie
60
46
-14
Heuristische Methoden
60
45
-15
Relevanzbaum-Methode Systemanalyse
38 55
Trendforschung Szenarioanalyse
-15
40 79
Frühwarnsysteme Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme
-7
31
-6
73
69
-10
59 80
-32
48
87
84
-3
* Mindestens für ein Umweltsegment wurde eine gute/sehr gute Eignung der entsprechenden Methode angegeben. Verhältnis dann in Relation zur gesamten Anzahl Institute (181) ** Regelmäßig oder fallspezifisch
290
2.2.4
Informationsbeschaffung
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – ÜBERSICHT Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
1.837 491
459 373
Nennungen gesamt
Presse
Veröffent- Netzlichungen werke
240
274
Befragungen
Beauftragte Studien
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – PRESSE Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
491 154
177
140
9 Nennungen gesamt
TagesFachzeitungen presse
11
WirtLifestyle- Sonstige schafts- Magazine magazine
291
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – VERÖFFENTLICHUNGEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
459
174
68 135 76
Nennungen gesamt
Verbände Universi- Behörden Firmen täten
6 Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – NETZWERKE Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich 61% 373 115
115 41 96
6 Nennungen gesamt
Konferenzen
Seminare Newsgroups
292
Datenbanken
Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – BEFRAGUNGEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
240 64
93 21 61
1 Nennungen gesamt
Experten- Meinungs- Fokusinterviews umfragen gruppen
Workshops
Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – BEAUFTRAGTE STUDIEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
274 85
87
65
37 0
Nennungen gesamt
Intern
Beratungen
Meinungs- Universi- Sonstige forscher täten
293
IV 2A) VERHÄLTNIS ZWISCHEN QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN
INFORMATIONEN, DIE IM RAHMEN DER INFORMATIONSBESCHAFFUNG ERHOBEN WERDEN in Prozent (Anzahl Antworten) Verhältnis in Prozent
Verhältnis Anzahl Antworten
100% = 175 Antworten* Quantitativ/qualitativ ausgewogen
17
Qualitativ 49,6
Überwiegend 81 quantitative
50,4 Quantitative Überwiegend qualitativ
77
* Restlichen 6 Institute haben keine Angabe gemacht
IV 2B) GENAUIGKEIT DER EINSCHÄTZUNG ÜBER DAS VERHÄLTNIS VON
QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN INFORMATIONEN in Prozent, 100% = 175 Antworten 3,5 • Mittelwert 3,0 • Median • Standardabweichung 0,9
47
29
14 10 1 1
2
3
4
Sehr genau
5 Ungenau
294
2.2.5
Allgemeines
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
ANZAHL MITARBEITER in Prozent, 100% = 181 Antworten
50
18
18 6
< 500
500 2.000
2.000 5.000
5.000 10.000
8
> 10.000
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
BILANZSUMME (BANKEN UND KAGs*) in Prozent, 100% = 129 Antworten
64
Alles KAGs*
17 6
5
8
1 - 10 <1 10 - 50 50 - 100 > 100 Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR
* Kapitalanlagegesellschaften
295
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
GEBUCHTER BRUTTOBEITRÄGE (VERSICHERUNGEN) in Prozent, 100% = 52 Antworten
59
23 10 6 2 < 0,5 0,5 - 2,0 2,0 - 5,0 5,0 - 10,0 > 10 Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR
V DURCHFÜHRUNG DER AUFGABE/FUNKTION DER STRATEGISCHEN
PLANUNG Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
Strategische Planung Andere Planungseinheit
58 7
Unternehmensleitung
75
Controlling Sonstige
93 11
296
3. Verzeichnis der wichtigsten Symbole809 Logische Symbole, Relationen: =
Gleichheitszeichen
>
größer-Zeichen
<
kleiner-Zeichen größer-gleich-Zeichen kleiner-gleich-Zeichen Element von
'
kein Element von
Allgemeine Mengen:
{}
Mengenklammern
~ A
Unscharfe Menge
X
Klassische Menge
[a, b] [a, b[ ]a, b]
geschlossenes Intervall rechts offenes Intervall links offenes Intervall
Operatoren: ∑
Summenzeichen Produktzeichen
#
erweiterte Addition
-
Erweiterte Subtraktion
%
erweiterte Multiplikation
809
Anmerkung: Erklärungen von Variablen, die in dieser Arbeit im Rahmen von Formeln und Gleichungen verwendet werden, sind direkt im Text erläutert. 297
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