Zufällig ist er Millionär
Joan Smith
Wenn schon Heirat, dann nur mit einem Millionär. Das ist die Devise von Kims lebe...
13 downloads
564 Views
2MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Zufällig ist er Millionär
Joan Smith
Wenn schon Heirat, dann nur mit einem Millionär. Das ist die Devise von Kims lebenslustiger Freundin Fannie. Doch die Herren mit den dicken Bankkonten sind Mangelware. Taucht aber schließlich doch einmal einer auf, gut gebaut und begehrenswert wie der smarte John Balfour, bekommen gleich beide Frauen weiche Knie…
© 1982 by Joan Smith Unter dem Originaltitel: „Chance of a Lifetime“ erschienen bei Silhouette Books, division of Harlequin Enterprises Limited Übersetzung: Susanne Rampe © Deutsche Erstausgabe in der Reihe NATALIE Band 160 (10 2), 1985 by CORA VERLAG GmbH & Co. Berlin Alle Rechte vorbehalten einschließlich des Rechtes der ganzen oder teilweisen Reproduktion in jeder Art und Form. Diese Ausgabe wird in Vereinbarung mit Harlequin Enterprises Limited, Toronto, Canada, veröffentlicht. NATALIERomane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Satz: Axel Springer Verlag AG, Kettwig Druck: Ebner Ulm Printed in Western Germany
1. KAPITEL Die Haustür wurde geöffnet, gleich darauf betrat Fannie die Wohnung, die sie mit ihrer Freundin Kim teilte. „Kim“, rief sie glücklich. „Wo bist du? Weißt du schon das Neueste? Ich werde heiraten!“ Triumphierend baute sie sich vor Kim auf. „Na, gratuliere“, kommentierte die nüchtern. „Aber wollen wir nicht vorher erst zu Abend essen?“ Wie oft hatte Fannie schon verkündet, sie würde heiraten! Meistens geschah das nach der zweiten Verabredung. „Wer ist denn diesmal der Glückliche?“ fügte sie wenig beeindruckt hinzu. „Joe Belanger heißt er“, seufzte Fannie zufrieden, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Kim sah ihre Freundin kopfschüttelnd an. Fannie war klein, und sie sprühte vor Energie. Ihr schwarzes Haar trug sie kurzgeschnitten, das ließ sie besonders jung aussehen. Die schwarzen Augen und das Lachen verrieten französische Vorfahren. Quebec hatte sie, nach eigener Aussage, den Rücken gekehrt, um in New York endlich einen finanzkräftigen Ehemann zu finden. Es durfte auch gern ein Millionär sein. „Wer ist denn das, dieser Joe Belanger, und wieso willst du ihn schon nach zwei Verabredungen heiraten?“ „Wieso zwei Verabredungen? Wir haben uns bereits dreimal getroffen! Letzten Sonntag waren wir auch zusammen, als du bei deiner Schwester warst. Kim, er ist wirklich toll: so jung, gut aussehend und so humorvoll – reich ist er außerdem.“ „Was hat er denn für einen Beruf? Er ist doch wohl kein Bankräuber?“ fragte Kim lachend. „Er ist Entrepreneur“, erklärte Fannie voller Stolz. „Ach, ich meine natürlich Unternehmer.“ Gelegentlich fiel sie ins Französische zurück. „Joe ist Makler.“ Weil diese Information auf Kim offenbar wenig Eindruck machte, fuhr sie stolz fort: „Er vermittelt nur große Projekte, Kaufhäuser zum Beispiel und Grundstücke.“ Aha, also ein Grundstücksmakler ist es diesmal, dachte Kim. Fannies bisherige Heiratskandidaten hatten ähnliche Berufe gehabt. Der letzte nannte sich Versicherungsmakler. Schon bei der zweiten Verabredung hatte er versucht, Fannie eine Lebensversicherung zu verkaufen. Sie war eben einfach zu leichtgläubig. Fannie ging nun zielstrebig in die Küche hinüber, um das Abendessen zuzubereiten. Heute sollte es Pastete geben. Sie bereitete sie nach einem alten Rezept ihrer Mutter zu. Kim fand, daß diese Pastete hervorragend schmeckte. Nach dem Abendessen übernahm Kim den Abwasch. Fannie begann, sich für ihre Verabredung mit Joe zurechtzumachen. „Was tust du heute abend, Kim?“ „Ich werde früh ins Bett gehen, denn ich bin todmüde. Du weißt ja, daß ich am Wochenende Betty beim Frühjahrsputz geholfen habe. Sie tut mir immer leid. Es ist nicht einfach, zwei Kinder aufzuziehen und zu arbeiten. Heute nachmittag mußte ich außerdem durch alle möglichen Möbelgeschäfte laufen, um für Mrs. Naismith einen bestimmten Schaukelstuhl zu besorgen.“ „Wie geht es denn deiner Schwester?“ fragte Fannie. „Allmählich überwindet sie ihren Kummer. Aber es ist schwer, nun mit zwei Kindern allein dazustehen. Sie hat ihren Mann sehr geliebt.“ „Hätte sie einen reichen Mann geheiratet, müßte sie jetzt als Witwe nicht arbeiten. Mir könnte das nicht passieren. Ich werde darauf achten, daß mein
Zukünftiger mir finanziell etwas zu bieten hat.“ „Soviel wohlhabende Männer gibt es nun auch wieder nicht.“ Kim ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Hätte meine Schwester wenigstens einen Beruf erlernt, dann könnte sie jetzt vielleicht eine interessante Arbeit finden. Aber nun muß sie den ganzen Tag an der Schreibmaschine sitzen, das ist bestimmt nicht leicht. Es wäre nichts für mich. Ich bin froh, daß ich Spaß an meinem Beruf habe.“ „Na, ich weiß nicht“, meinte Fannie kritisch. „Nun gut, du läufst durch die Möbelgeschäfte, nur um Schaukelstühle für irgendwelche Kunden zu kaufen, die noch dazu auf den Pfennig schauen. Macht es dir wirklich soviel Spaß, Innenarchitektin zu sein?“ „Das ist genau die Arbeit, die ich schon immer machen wollte“, versicherte Kim ihr voller Überzeugung. „Du wirst sehen, eines Tages habe ich auch finanzkräftige Kunden und einen so guten Ruf wie Neil DeWitt.“ Damit spielte sie auf einen bekannten Innenarchitekten an, der eine internationale Kundschaft beriet. Fannie schüttelte den Kopf. Es war ihr unverständlich, daß Kim unbedingt Karriere machen wollte. War es nicht wesentlich bequemer, einen Mann zu heiraten, der das für einen tat? Kim hatte dafür übrigens die besten Voraussetzungen, denn sie sah phantastisch aus. Die Männer drehten sich auf der Straße nach ihr um, aber sie schien es überhaupt nicht zu bemerken. Fannie gab sich alle Mühe, ihrer Freundin den ihrer Meinung nach einzig richtigen Weg zu zeigen. So traf sie sogar Verabredungen für sie, selbstverständlich nur mit reichen Männern. Aber ein Erfolg hatte sich bisher nicht eingestellt. Während Kim abwusch, dachte sie über ihre Schwester Betty nach. Die war nach ihrem langen Arbeitstag wohl gerade dabei, die Kinder ins Bett zu bringen. Kims andere Schwester Sue hatte übrigens einen reichen Mann geheiratet und lebte jetzt in Chikago. Sues ganzer Lebensinhalt war, Boutiquen nach Kleidung zu durchstöbern. Nein, das wäre kein Leben für Kim! Von Sue bekam Kim häufig Kleidung geschenkt. Ihre Schwester trug Röcke und Kleider manchmal nur ein, zweimal und gab sie dann fort. Sie hatte Kim schon mehr als einmal gestanden, daß sie gern arbeiten würde, aber ihr Mann Richard ließ das nicht zu. Nein, Kim wollte auch nicht so wie ihre Schwester Sue leben. Falls sie je heiratete, würde sie weiterhin in ihrem Beruf arbeiten. Sie käme gar nicht erst auf die Idee, einen Mann zu heiraten, der das nicht akzeptierte. Und sollte sie vielleicht einmal allein für ihre Familie sorgen müssen, würde sie sich glücklich schätzen, einen Beruf zu haben, der ihr Freude machte. Kim fand es nicht wichtig, wieviel Geld ein Mann besaß. Falls sie einmal heiraten würde, so sollte es nur ein Partner sein, der aufrichtig war und sich so gab, wie er wirklich war. Das Telefon klingelte. Sie hörte Fannie den Hörer abnehmen und kurze Zeit später rufen: „Kim, Joe bringt einen Freund mit. Willst du uns nicht begleiten?“ „Nein, danke“, lehnte Kim das Angebot entschlossen ab, während sie die Teller in den Schrank stellte. „Joe meint, er sieht sehr gut aus“, versuchte Fanny Kim zu überreden. „Das hast du letzte Woche auch von dem glatzköpfigen älteren Herrn behauptet, mit dem ich mich einen ganzen Abend langweilen mußte. O nein, danke sehr.“ „Er ist übrigens reich, wie man hört. Na, wäre das nichts? Im Augenblick hält er sich bei Joe auf.“ „Wenn ich nein sage, meine ich das auch. Ich werde mir jetzt die Haare waschen und dann ins Bett gehen. Spar dir also weitere Überredungsversuche.“ Entschlossen ging Kim ins Badezimmer. Nicht einmal Fannie würde von ihr
verlangen, daß sie mit nassen Haaren ausging. Kim duschte lange, wickelte sich danach ein weißes Frotteehandtuch um den Kopf und schlüpfte in ihren bordeauxroten Kimono. Sue hatte ihn ihr überlassen, und er stand ihr besonders gut. Als sie das Badezimmer verließ, vernahm sie Stimmen aus dem Wohnzimmer. Anscheinend war Fannies Freund in der Zwischenzeit eingetroffen. „Hallo, Kim, komm doch mal, Joe ist hier“, rief Fannie. Ob sie Fannies Eroberung in dieser Aufmachung gegenübertreten konnte? Endlich siegte ihre Neugier, sie zog kurz entschlossen den Gürtel ihres Kimonos enger, versuchte, soviel Würde wie möglich an den Tag zu legen, und öffnete die Tür. Es gelang ihr gerade noch, einen Laut der Überraschung zu unterdrücken. Neben Fannie auf der Couch saß ein außergewöhnlich attraktiver Mann. Er war groß, schlank, hatte schwarzes Haar und dunkelblaue Augen. Gute Manieren besaß er auch, er erhob sich bei ihrem Eintreten und begrüßte sie höflich. Diesmal hat Fannie wirklich Glück gehabt, dachte Kim anerkennend bei sich. Aber das Beeindruckendste an ihm waren seine weichen Gesichtszüge und die sanften Augen. Eigentlich sieht er gar nicht aus wie ein Geschäftsmann, befand Kim. Er lächelte ihr zu und betrachtete sie wohlwollend von Kopf bis Fuß. „Kim, darf ich vorstellen, das ist Joe Belanger“, sagte Fannie stolz. Kim riß sich von seinem Anblick los und merkte erst jetzt, daß noch jemand außer Fannie und Joe im Raum anwesend war. Das mußte Joes Freund sein. Er war mittelgroß, hatte braunes Haar und wirkte freundlich. Zur hellblauen Windjacke trug er eine beigefarbene Hose. „Fannie hat mir schon viel von Ihnen erzählt“, begrüßte er sie. „Können wir Sie nicht doch noch überreden, heute abend mit uns zu kommen?“ Er wandte sich seinem Freund zu und schmunzelte. Plötzlich bekam Kim doch Lust, die drei zu begleiten, denn Joes Freund gefiel ihr ausnehmend gut. Aber gleichzeitig fiel ihr ein, daß das in ihrem jetzigen Zustand schlecht möglich war. Bedauernd meinte sie: „Ich kann doch nicht mitgehen, denn meine Haare sind naß.“ „Kim ist sehr müde“, erklärte Fannie. „Sie ist heute nacht erst spät aus New Jersey zurückgekommen. O Kim, jetzt habe ich ganz vergessen, dir Joes Freund vorzustellen.“ Sie murmelte einen Namen, der wie John klang. Joes Freund kam daraufhin auf Kim zu und schüttelte ihr die Hand. Sein Händedruck gefiel ihr, er war weich und angenehm. „Wir könnten ja einen Moment hier zusammensitzen und eine Tasse Kaffee trinken“, schlug Fannie daraufhin vor. Kim befand sich in einem Zwiespalt. Einerseits wollte sie John gern näher kennenlernen, andererseits konnte sie hier in ihrem Kimono unmöglich zwischen den anderen sitzen bleiben. Doch Joe löste dieses Problem für sie. Er begann, sich mit ihr zu unterhalten, so daß sie gar nicht das Zimmer hätte verlassen können, ohne unhöflich zu sein. So setzte sie sich zu ihm auf die Couch, während Fannie in die Küche ging, um Kaffee zu kochen. „Wir hörten, daß Sie Innenarchitektin sind. Bekommen Sie da überhaupt genügend Aufträge?“ wollte Joe wissen. „Es ist manchmal wirklich nicht leicht“, gab Kim zu. „Bis vor kurzem habe ich für Hallmann gearbeitet. Die Firma hat sich in der letzten Zeit allerdings mehr auf Schaufensterdekoration spezialisiert, während ich mich für Wohnraumgestaltung interessiere. Darum habe ich dort gekündigt und mich selbständig gemacht.“ „Ja, das hat Fannie uns erzählt. Aber meinen Sie nicht auch, daß Sie bei der
Schaufenstergestaltung mehr verdienen könnten?“ „Das kann schon sein, aber nur, wenn man Gelegenheit bekommt, zum Beispiel für ein großes Kaufhaus zu arbeiten. Allerdings kann ich mich an diesen Gedanken nicht gewöhnen. Ich bleibe lieber bei meiner Arbeit, die mag ich und mit der bin ich zufrieden.“ „Ihr Beruf scheint sehr interessant zu sein. Wie wird die Bezahlung denn geregelt? Beziehen Sie ein Gehalt, oder arbeiten Sie auf Honorarbasis?“ Kim erzählte daraufhin bereitwillig von ihrer Arbeit, konnte sich aber nicht recht auf die Unterhaltung konzentrieren, denn sie hätte sich viel lieber mit John unterhalten. Aber sie wollte natürlich auch nicht unhöflich sein und Joe nicht vor den Kopf stoßen. „Ich bin Unternehmer“, erklärte der gerade voller Stolz. „Ich arbeite im Moment an einem sehr wichtigen Projekt, es ist ein neues Einkaufszentrum in New Jersey. Auch John hat damit zu tun.“ „Für mich ist New Jersey sowieso ein einziges großes Kaufhaus“, beteiligte der sich nun endlich an der Unterhaltung. Nun hatte Kim Gelegenheit, sich ihm zuzuwenden. „Sind Sie auch in Joes Branche tätig?“ fragte sie. John ließ sich Zeit mit seiner Antwort, sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. „Ich bin Geschäftsmann. Genauer gesagt, ich bin im Kommunikationswesen tätig.“ Was mochte das nur bedeuten? Verkaufte er Fernsehgeräte, installierte er Telefone? „Haben Sie mit dem Fernsehen oder mit Telefongesellschaften zu tun?“ fragte Kim vorsichtig. „Das ist genau das, woran jeder auf Anhieb denkt, wenn er das Wort Kommunikationswesen hört“, antwortete er ausweichend. „Wir fahren heute abend nach New Jersey, um das Gelände zu begutachten, auf dem das Einkaufszentrum errichtet werden soll“, mischte Joe sich in die Unterhaltung ein. Was hatte ein Einkaufszentrum denn mit Radio und Fernsehen zu tun? Warum interessiert John sich für Grundstücke? Das paßte alles irgendwie nicht zusammen. Ob er sich nur wichtig machen wollte? Na, da war es nur gut, daß sie sowieso nicht mitgehen konnte. Nur um ein langweiliges Baugrundstück anzusehen, würde sie heute nicht schon wieder nach New Jersey fahren. Da blieb sie lieber zu Hause. „Bei dieser Fahrt schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe“, ließ Joe sie nun wissen. „John möchte mir nämlich ein Auto verkaufen. Es ist ein 59er Chevrolet. Da kann ich gleich eine Probefahrt machen.“ Na, das wird ja immer toller, dachte Kim. Das also ist Joes Vorstellung von einem gemütlichen Abend. Er plant eine Autofahrt in einem alten klapprigen Wagen zu einem öden Bauplatz. „Das hört sich ja äußerst interessant an“, spöttelte sie. „Wenn das kein netter Abend wird! Oh, da kommt der Kaffee. Warte, ich helfe dir, Fannie.“ Während des Kaffeetrinkens wurde noch viel über Geschäfte gesprochen. Kim hatte schnell herausgefunden, daß Joe seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Gebrauchtwagen bestritt. Kim hatte ja nichts gegen Autoverkäufer, aber warum hatte er sich Fannie gegenüber als Makler ausgegeben? Ihre Freundin war wirklich zu naiv. Sie glaubte den Männern einfach alles. Auch jetzt lauschte sie Joe andächtig und strahlte, wenn er sie nur ansah. John sagte wenig, er hörte offenbar lieber zu und interessierte sich hauptsächlich für seine Umgebung. „Welchen Stil bevorzugen Sie, Kim?“ fragte er mit einem
Blick auf die Einrichtung, die recht zusammengewürfelt wirkte. Im stillen mußte sie lächeln, denn sie hatte eine solche Frage schon erwartet. Fannie und sie hatten nur wenig Geld und deswegen einen Großteil der Einrichtung vom Sperrmüll geholt und mit etwas Farbe verschönert. „Ja, diese Wohnung sieht recht eigenwillig aus“, gab Kim amüsiert zurück. „Bitte glauben Sie nicht, daß ich so die Wohnungen meiner Kunden einrichte. Aber leider haben Fannie und ich wenig Geld. Mein Traum ist, eines Tages ein eigenes gemütliches Heim zu haben, am liebsten ein kleines Haus auf dem Land mit Möbeln, die dort hinpassen.“ „Man sagt ja immer, daß die Einrichtung den Charakter des Bewohners widerspiegelt.“ „Dann müssen Sie ja ganz schön kratzbürstig sein, wenn ich mir Ihr Apartment so ansehe“, John lachte. „Habe ich da mit meiner Vermutung recht?“ Er sah ihr forschend ins Gesicht. Unter seinem Blick wurde Kim nervös, und sie zog verlegen den Gürtel des Kimonos enger. „Es ist ziemlich kalt hier, nicht wahr?“ behauptete sie zu ihrer Rechtfertigung. Um ihre Unsicherheit zu verbergen, griff sie nach der Tasse und trank noch einen Schluck Kaffee. „Sollten Sie sich jetzt nicht besser umziehen?“ fragte John. „Ich werde wohl nicht mitkommen“, erklärte Kim. „Fannie hat doch schon erzählt, daß ich letzte Nacht erst spät nach Hause kam. Ich bin sehr müde.“ „Oh, wie schade. Ich dachte, nachdem wir…“ John vollendete seinen Satz nicht. Anscheinend war er der Meinung, sie wäre inzwischen seinem Charme erlegen und hätte alles vergessen, was vorher gesagt worden war. „Nein danke, ich möchte nicht. Eine Fahrt nach New Jersey reicht mir pro Woche.“ „Wir müssen nicht unbedingt dort hinfahren, wir könnten auch etwas anderes unternehmen“, meinte John. „Joe kann das Auto ja später ausprobieren.“ Er blickte sie erwartungsvoll an in der Hoffnung, sie nun überredet zu haben. „Ich bin müde und möchte ins Bett. Tut mir leid“, sagte Kim bestimmt. „Ich glaube, dagegen hat John auch keine Einwände“, mischte Joe sich lachend ein, worauf Fannie ihn mißbilligend ansah. „Ich habe doch nur Spaß gemacht“, versuchte er sich zu entschuldigen, weil sein Scherz offenbar keinen Anklang fand. „Nett, Sie kennengelernt zu haben“, sagte Kim und warf Joe dabei einen vernichtenden Blick zu. „Komm nicht zu spät nach Hause, Fannie.“ Sie nickte in Johns Richtung und verließ ohne ein weiteres Wort den Wohnraum. Erst als die drei gegangen waren, kam sie aus ihrem Schlafraum heraus, lief noch einmal zur Haustür und schloß sie ab. Fannies Verhalten war einfach unverständlich. Wie konnte sie mit zwei Männern, von denen sie den einen kaum, den anderen gar nicht kannte, allein nach New Jersey fahren! Sie würde nicht auf solche Typen hereinfallen. Die hatten es doch nur darauf abgesehen, bei Frauen möglichst schnell alles zu erreichen und sich selbst in einem möglichst guten Licht dabei darzustellen. Fannie hatte sieben Geschwister, ihre Eltern hatten wenig Geld. Es war ihr wirklich zu gönnen, wenn sie ihren Millionär fand, aber warum mußte Kim immer in alles mit hineingezogen werden? So attraktiv Joe auch wirkte, allzuviel schien mit ihm nicht los zu sein. John hatte es sich mit ihr auch verdorben. Wenn sie zu Hause bleiben wollte, dann wollte sie zu Hause bleiben. Das mußte er einfach respektieren. Was sollte außerdem die Geheimnistuerei, was seine „Arbeit“ im Kommunikationswesen betraf? Oder war er vielleicht Nachrichtensprecher bei einer der zahlreichen privaten Sendeanstalten, die es hier in Amerika gab?
Eine tiefe, angenehme Stimme hatte er, das mußte Kim trotz aller Vorbehalte gegen ihn zugeben. Am besten gefielen ihr jedoch seine Augen. Sie wirkten so warmherzig, und sein Blick machte sie ganz unsicher. Ach, sie wollte jetzt keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Fannie war ein viel größeres Problem. Warum nur hatten sie sich diesen Film „Blondinen bevorzugt“ angesehen? Erst dadurch war Fannie ja auf die Idee gekommen, sich einen Millionär zu suchen. Das war bei ihr inzwischen zu einer richtigen Manie geworden! So ging das nicht weiter. Kim faßte den Entschluß, Fannie einmal ordentlich ins Gewissen zu reden. Nachdem dieser Vorsatz gefaßt war, ging Kim ins Badezimmer, um sich die Haare zu fönen. Außerdem wollte sie sich heute einmal etwas Gutes antun und sich eine Gesichtsmaske gönnen. Kim sah ganz anders aus als Fannie. Sie trug ihr strohblondes Haar offen, es fiel ihr bis auf die Schultern. Außerdem war sie ein ganzes Stück größer als die Freundin. Wenn sie nebeneinander hergingen, mußte Fannie sich jedesmal anstrengen, um mit Kim Schritt zu halten. Einer von Kims ehemaligen Freunden hatte sie immer die unnahbare kühle Blondine genannt, und sie wußte, daß er sie dabei mit der impulsiven Fannie verglichen hatte. Während sie die Creme auftrug, überlegte sie, welchen Eindruck John wohl von ihr hatte. Hielt er sie auch für unnahbar? Andererseits sollte sie das gar nicht kümmern. An mangelndem Selbstbewußtsein litt er jedenfalls nicht, soviel stand fest. Vielleicht wäre es ja doch ganz interessant gewesen, ihn näher kennenzulernen. Na ja, die Gelegenheit hatte sie nun verpaßt. Kim und Fannie saßen in der Küche und frühstückten gemeinsam. „Übrigens, wie war es gestern?“ fragte Kim. „Es hat mir gut gefallen. Wir sind noch in einer Pizzeria gewesen, und dann hat Joe mich nach Hause gebracht“, antwortete Fannie und gähnte. „Ich finde, du solltest nicht mit zwei Männern gleichzeitig ausgehen. Vor allem nicht mit solchen, die du kaum kennst.“ „Aber was soll ich denn tun? Ich kann doch nicht abends immer allein zu Hause sitzen! Außerdem hat John uns gar nicht begleitet. Wir haben ihn an einer Telefonzelle abgesetzt. Er wollte sich von dort ein Taxi bestellen. Eigentlich ist er ja nur wegen der Probefahrt mitgekommen. Das haben die beiden verschoben. Joe meinte, du wärst die passende Partnerin für John“, erzählte Fannie. „Fannie, wie oft habe ich schon gebeten, keine Verabredungen für mich zu treffen, ohne mich vorher zu fragen. Hast du eigentlich inzwischen herausgekriegt, daß Joe nur vorgibt, Makler zu sein? Er ist in Wirklichkeit Autohändler. Wer weiß, vielleicht verkauft er sogar gestohlene Autos?“ So hoffte Kim, Fannie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. „Das macht er nur nebenberuflich“, verteidigte Fannie ihren Freund. „Und John, was macht er?“ „Das erzählte er dir doch, er hat irgend etwas mit der Nachrichtenübermittlung zu tun.“ „Das trifft auch auf jeden Zeitungsjungen zu. Was macht er nun wirklich?“ „Das weiß ich nicht. Aber du kannst davon ausgehen, daß er ein einflußreicher Mann ist. Wenn dem nicht so wäre, hätte Joe ihn gar nicht in seine Geschäfte eingeweiht.“ Offenbar war auch Joe ein hoffnungsloser Fall. Genau wie Fannie schien er jedermann für reich oder bekannt zu halten. In seinen Augen war sie wohl eine
erfolgreiche Innenarchitektin. Kim schüttelte den Kopf.
„Bist du heute zum Abendessen zu Hause?“ fragte sie Fannie.
„Ja, Joe holt mich von der Arbeit ab. Ich habe ihn hierher zum Essen eingeladen.
Das macht dir doch nichts aus? Ich werde auch kochen. Du hast also gar keine
Arbeit dadurch.“
„Nein, natürlich nicht.“
Das war typisch Fannie! Sie glaubte daran, daß Liebe durch den Magen ging. Also
auch Joe würde wie seine Vorgänger mit Pasteten und Pizza vollgestopft werden.
Es war wieder das alte Spiel.
Gott sei Dank war Fannie bisher noch nicht auf die Idee gekommen, mit einem
ihrer Freunde zusammenleben zu wollen. Es hätte Kim leid getan, die Freundin
als Mitbewohnerin zu verlieren.
Sie kam sehr gut mit ihr aus. Dieses Apartment hätten sie sich beide nicht allein
leisten können. Es war wirklich ein großes Glück, daß sie Fannie bei einem
AerobicKurs kennengelernt hatte.
„Was macht John denn heute abend?“ fragte Kim beiläufig und ärgerte sich im
nächsten Moment, diese Frage überhaupt gestellt zu haben.
„Keine Angst, er kommt nicht mit. Du hast ihm ja zu verstehen gegeben, daß er
nicht dein Typ ist.“
„So deutlich wollte ich es ihm eigentlich nicht zeigen“, sagte Kim, aber
beabsichtigt hatte sie es natürlich.
„Wird Joe nun den alten Chevrolet nicht kaufen?“
„Er wird ihn wohl in Kommission nehmen. Der Wagen ist sehr gepflegt und
gerade erst überholt worden.“ Während Fannie das sagte, erhob sie sich und ging
in den Flur. Dort stellte sie sich vor den Spiegel, drehte und wendete sich. „Na,
ich glaube, so kann ich gehen“, meinte sie zufrieden über ihren Anblick.
Auch Kim stand auf, und gemeinsam verließen sie wenig später die Wohnung.
Erst an der Bushaltestelle trennten sich ihre Wege. Kim würde noch einige Zeit
bis zu ihrem Geschäft, das im Osten der Stadt lag, mit dem Bus fahren müssen.
Fannies Weg war sehr viel kürzer, denn das Krankenhaus, in dem sie als
Sekretärin arbeitete, befand sich ganz in der Nähe.
2. KAPITEL „Kim Monk Einrichtungsstudio“ konnte man auf dem schmucklosen Firmenschild über dem Schaufenster lesen, das zu Kims Laden gehörte. Eines Tages würde ihr Name dort sicher in großen Goldlettern stehen, aber dazu fehlte ihr im Augenblick noch das Geld. Aus demselben Grund war das Geschäft auch nicht in den „Gelben Seiten“ des Telefonbuches zu finden. Auch für Anzeigenwerbung in Magazinen und Zeitungen war kein Geld vorhanden. Kim tröstete sich aber mit dem Gedanken, daß die beste Werbung sowieso die Empfehlung von zufriedenen Kunden war. Glücklicherweise hatte sie nicht nur so schwierige Kunden gehabt wie Mrs. Naismith. Ob sie wohl mit dem Schaukelstuhl zufrieden war, den Kim für sie ausgesucht hatte? Wie Kim sie kannte, hatte sie bestimmt wieder etwas auszusetzen. Kim seufzte und schloß die Eingangstür zu ihrem Büro auf. Dieses Büro war sehr modern eingerichtet, das entsprach eigentlich nicht ihrem Geschmack. Sie hatte die Möbel jedoch ihrem Vormieter, der hier eine Kunstgalerie betrieben hatte, zu einem günstigen Preis abgekauft. Zum übernommenen Inventar gehörten auch zwei Drucke. Jedesmal, wenn Kims Blick auf die Bilder fiel, schüttelte sie den Kopf. Kein Wunder, daß die Galerie pleite gegangen war. Solche scheußlichen Motive ließen sich bestimmt nicht verkaufen. Kim hatte die Bilder trotzdem an ihrem Platz gelassen, damit die Wände nicht ganz kahl aussahen. Aber die nächste Provision würde sie dafür verwenden, sie gegen andere auszutauschen. Nun setzte sie sich an ihren Schreibtisch und überlegte, was zu tun wäre. Musterbücher und Kataloge lagen dort wie stets unordentlich herum. Falls ein Kunde sie hier im Büro aufsuchte, sollte er sie für sehr beschäftigt halten. Um zehn Uhr würde Mrs. Naismith anrufen. Bis dahin hatte sie nichts weiter zu tun, als sich Kaffee zu kochen und die Post durchzusehen. Die bestand allerdings erfahrungsgemäß nur aus Werbung. Kim hatte sich das Büro und das Apartment mit der finanziellen Hilfe ihres Vaters leisten können. Das Geld stellte sozusagen ihre Aussteuer dar, denn jede ihrer Schwestern hatte eine entsprechende Summe zur Hochzeit bekommen. Aber nun war das Geld leider aufgebraucht, und Kim sah mit Sorge in die Zukunft. Von den geringen Provisionen würde sie ihren Lebensunterhalt nämlich nicht bestreiten können. Fannie hatte ihr deshalb die Adresse eines Versandhauses gegeben, für das man in Heimarbeit Umschläge adressieren konnte. Das wäre immerhin ein kleiner zusätzlicher Verdienst. Ja, am besten erledigte sie dies sofort. Während Kim nach dem Zettel mit der Anschrift des Versandhauses suchte, klingelte das Telefon. „Monk Einrichtungsstudio, guten Morgen“, meldete sie sich hoffnungsfroh. „Hier ist das Sekretariat von Mr. Balfour. Ich möchte bitte mit Miss Monk sprechen.“ „Mr. Balfour?“ fragte Kim verwirrt nach und überlegte fieberhaft, ob sie vielleicht irgendeine Rechnung zu bezahlen vergessen hatte. „Worum handelt es sich? Miss Monk ist zur Zeit in einer Besprechung.“ „Wir möchten ihr einen Auftrag erteilen.“ „Nun, dann werde ich versuchen, sie zu erreichen. Einen Augenblick bitte.“ Kim legte den Hörer mit Nachdruck auf den Tisch, in der Hoffnung, das Knacken möge sich so anhören, als würde auf einen anderen Apparat durchgestellt. Sie ließ eine angemessene Zeit verstreichen und meldete sich dann mit verstellter
Stimme. „Monk! Was kann ich für Sie tun?“ „Mr. Balfour möchte Sie sprechen. Ich stelle durch.“ „Miss Monk?“ hörte sie gleich darauf eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung. „Am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“ „Es handelt sich um folgendes. Ich besitze da ein kleines Apartment, das dringend neu eingerichtet werden müßte. Haben Sie heute Zeit, es sich anzusehen? Es ginge allerdings erst am Nachmittag, da der Vormittag bei mir schon ausgebucht ist.“ Kim traute ihren Ohren nicht. Es war wirklich ein Kunde! Sie wollte ihm natürlich nicht zeigen, daß sie so wenig zu tun hatte. Deswegen tat sie beschäftigt. „Augenblick, da muß ich erst einmal in meinen Kalender schauen. Tja, heute nachmittag wird es zwar etwas knapp, aber ich könnte es vielleicht doch um halb drei einrichten.“ „Das ist leider zu früh für mich“, seufzte ihr Gesprächspartner. „Geht es auch um vier Uhr?“ „Nun, ich könnte versuchen, den Termin abzusagen, den ich dann habe.“ „Auf keinen Fall! Ich möchte Ihnen doch keine Umstände machen. Warum treffen wir uns nicht um zwölf Uhr, oder gehen Sie dann schon zum Mittagessen?“ „Das läßt sich einrichten“, stimmte sie nun bereitwillig zu. Auf keinen Fall wollte sie den Eindruck erwecken, sie wäre an seinem Auftrag nicht interessiert. „Hervorragend. Wir treffen uns also am Sutton Place.“ Er gab ihr noch eine Hausnummer durch und legte dann auf. Eine Zeitlang saß Kim wie benommen da. Endlich hatte sie einen neuen Kunden; und wie es schien, war es jemand, der genau wußte, was er wollte. Das Apartment lag in einer sehr guten Gegend, genau dort, wo Fannies Millionäre wohnten. Sollte das etwa der Durchbruch für sie sein? Kim wagte gar nicht, daran zu glauben. Nun, sie würde alles auf sich zukommen lassen. Erst einmal mußte sie Mrs. Naismith sagen, daß sie am Nachmittag keine Zeit für sie hatte. Der Schaukelstuhl war ja auch das einzige, was noch an der Wohnzimmereinrichtung fehlte. Also rief Kim sie an und beschrieb ihr den Schaukelstuhl, den sie für sie ausgesucht hatte. „Lassen Sie ihn vorbeibringen“, war Mrs. Naismiths einziger Kommentar. „Mrs. Naismith“, erklärte Kim seufzend. „Sie kennen den Schaukelstuhl, haben ihn doch schon selbst im Ausstellungsraum gesehen. Schließlich habe ich ihn nach Ihrer Beschreibung ausgesucht. Er wurde sogar um fünfzig Dollar herabgesetzt. Ist er Ihnen denn noch immer zu teuer? Ich denke, wir haben uns schon geeinigt?“ „Ich muß den Stuhl erst bei mir im Wohnzimmer sehen, sonst kann ich mich nicht endgültig entscheiden“, beharrte Mrs. Naismith. „Normalerweise schickt die Firma doch keine Schaukelstühle zur Ansicht. Aber nun gut, ich werde sehen, was sich machen läßt“, versprach Kim. Kim rief in dem Geschäft an, in dem sie den Schaukelstuhl gekauft hatte, und wandte alle ihre Überredungskünste auf. Es wurde endlich vereinbart, daß der Schaukelstuhl erst einmal zur Probe an Mrs. Naismiths Adresse geliefert werden sollte. Kim ärgerte sich nicht einmal über Mrs. Naismith. Sie hatte endlich einen vielversprechenden Kunden, daneben schien alles andere unwichtig zu sein. Wie würde dieser Mr. Balfour wohl aussehen? War er alt oder jung? Nun, die Hauptsache würde sein, daß ihre Arbeit ihn zufriedenstellte. Allerdings konnte es
nicht schaden, das Makeup zu erneuern. Zum Glück trug sie heute ein Kleid, das ihr besonders gut stand. Kim betrachtete sich kritisch im Spiegel und kam endlich zu dem Schluß, sie könnte mit ihrem Aussehen zufrieden sein. Dann konnte es also losgehen. Sie zog ihren kamelhaarfarbenen Mantel an und verließ das Büro. Eine erfolgreiche Innenarchitektin kommt zu ihren Terminen immer mit einem Auto, das war Kims Überzeugung, deshalb beschloß sie, ein Taxi zu nehmen. Bald erreichte Kim die verabredete Adresse, konnte dort aber niemand entdecken. Allerdings parkte ein silbergrauer italienischer Sportwagen vor der Eingangstür des in der Adresse angegebenen Apartmenthauses. Ein Mann saß am Steuer und blickte sich suchend um. Als er sie sah, öffnete er die Wagentür und stieg aus. Kim starrte ihn fassungslos an. Das mußte ein schlechter Scherz sein! Es war John, Joes Begleiter gestern abend! Kim begriff auf der Stelle. John verübelte es ihr, daß sie gestern abend nicht mit ihm hatte ausgehen wollen. So hatte er sich diesen Trick ausgedacht, um sie wiederzusehen. Mit Sicherheit besaß er hier kein Apartment, und den Sportwagen hatte er wahrscheinlich von Joe geliehen. Für ihn war diese Verabredung ein gelungener Scherz, aber Kim hätte vor Enttäuschung weinen mögen. Wie konnte er so gemein sein, ihr Hoffnungen auf einen Auftrag zu machen, der der Beginn ihrer Karriere hätte sein können! Sie blieb stehen und betrachtete John beim Näherkommen. Er trug einen grauen Anzug und lächelte selbstgefällig. Nun, das Lächeln würde ihm gleich vergehen, dafür wollte sie sorgen! „Mr. Balfour?“ fragte sie knapp. „Zu Ihren Diensten, Miss Monk“, lachte er und verbeugte sich dabei. „Soll das ein Scherz sein?“ fuhr sie ihn empört an. „So könnte man es vielleicht nennen.“ „Ich finde das ganz und gar nicht lustig. Was denken Sie sich dabei, mir meine kostbare Zeit zu stehlen? Ich mußte mir dazu noch ein Taxi nehmen, und das hat mich ein halbes Vermögen gekostet. Ihr Benehmen ist einfach unmöglich.“ John ließ sich jedoch nicht beeindrucken. „Warum haben Sie mir das nicht gesagt. Ich hätte sie abgeholt“, meinte er und deutete auf den Sportwagen. „Jetzt bekommen Sie jedenfalls die Gelegenheit, mich zu meinem Büro zurückzufahren. Ich muß nämlich arbeiten. Eine derartige Zeitverschwendung kann ich mir nicht leisten.“ „Wollen Sie sich das Apartment denn nicht wenigstens ansehen?“ wunderte John sich. „Warum denn?“ fragte Kim verärgert. „Wer auch immer so dumm war, Ihnen die Schlüssel zu leihen, hat meine Dienste mit Sicherheit nicht nötig.“ „Ich habe den Schlüssel nicht geliehen“, verteidigte John sich. „Das Apartment gehört, zugegeben, nicht mir, sondern einer guten Bekannten, aber sie hat mich tatsächlich gebeten, es für sie einzurichten.“ Kim glaubte ihm kein Wort. Aber da sie nun schon mal hier war, konnte sie wenigstens die Gelegenheit nutzen, sich eins dieser schicken Apartments anzusehen. Solch eine gute Gelegenheit bot sich nicht alle Tage. Es gab eine sehr gepflegte Eingangshalle in dem Apartmenthaus, das John und Kim nun betraten. Mit dem Lift fuhren sie bis zum siebten Stock. Dort schloß John die Tür zum Apartment auf und ließ Kim eintreten. Sie sah sich aufmerksam um. Zuerst fiel ihr die stuckverzierte Decke des Wohnzimmers auf. Das beste waren jedoch die großen Fenster, die sehr viel Licht in die Wohnung ließen.
Von den Vormietern des Apartments waren die Wände mit geblümten Tapeten beklebt worden. Das gefiel ihr nicht, denn sie ließen den Raum dunkel erscheinen. Aber das konnte man ja leicht ändern. Man sah Kim die Begeisterung an. Ihrer Meinung nach war dies eine ideale Wohnung. John riß sie aus ihren Gedanken. „Es muß noch viel verändert werden. So, wie die Wohnung jetzt aussieht, gefällt sie mir nicht besonders, aber es war die beste, die ich finden konnte. Hier in der Gegend ein Apartment zu mieten ist wirklich nicht einfach. Wo wollen Sie anfangen?“ „Genau hier“, antwortete Kim und begann schon, in Gedanken, das Zimmer einzurichten. „Aber zuerst zeige ich Ihnen die übrigen Räume“, schlug John vor. Neben dem Wohnzimmer gab es noch ein Arbeits, ein Eß und zwei Schlafzimmer sowie eine Küche und einen Empfangsraum. „Das Apartment ist ziemlich groß. Ist es für eine Person gedacht oder für mehrere?“ fragte Kim. „Es ist für eine Person. Mrs Laker wird hier einziehen.“ „Erzählen Sie mir, wie sie ist. Ist sie alt oder jung?“ „Sie hat ungefähr Ihr Alter. Darum dachte ich, daß eine junge Innenarchitektin wie Sie für diesen Auftrag am besten geeignet wäre.“ „Warum hat Mrs. Laker Sie gebeten, einen Innenarchitekten zu finden? Warum erledigt sie das nicht selbst?“ „Mrs. Laker hält sich zur Zeit in Europa auf. Sie kommt erst in einem Monat wieder und möchte dann gern in New York leben. Deshalb hat sie mich gebeten, ihr bei der Wohnungssuche zu helfen. Ich habe dieses Apartment hier für sie gemietet, habe ihr aber auch gesagt, daß es noch eingerichtet werden muß. Wenn sie kommt, soll alles fertig sein“, erklärte John. Kim überlegte, daß es nicht schaden konnte, sich auf seinen Scherz einzulassen. „Gut, ich werde den Auftrag annehmen“, sagte sie herausfordernd. Jetzt war sie gespannt, wie er sich aus der Sache wieder herauswinden würde. Aber zu ihrer Verblüffung zeigte er keine Verlegenheit. „Dann wäre das ja geregelt“, antwortete er nun mit sichtlicher Erleichterung. „Haben Sie noch Zeit, sich von mir zum Essen einladen zu lassen… oder läßt Ihr Terminkalender das nicht zu?“ setzte er spöttisch hinzu. „Und wen haben Sie dazu gebracht, bei Ihnen Sekretärin zu spielen? Ihre Freundin?“ revanchierte sie sich prompt. „Ich habe keine Freundin, Kim. Deshalb wollte ich Sie ja wiedersehen.“ Johns Lächeln war unwiderstehlich, aber sie wollte es ihm auf keinen Fall zu leicht machen. So wandte sie sich ab, um ihm den Eindruck zu vermitteln, sie wäre noch verärgert. Kim und John fuhren zu einem nahegelegenen Steakhouse. Aus Angst, er könnte sich finanziell übernehmen, bestellte Kim nur einen Salat. Aber das bedauerte sie schon bald, als er nämlich für sich ein Filetsteak und Wein bestellte. Offenbar wollte er sie damit beeindrucken. „Sie müssen mir noch mehr über Ihre Bekannte erzählen. Nur dann kann ich ihr Apartment passend für sie einrichten. Eigentlich nehme ich nicht gern Aufträge an, ohne den Betreffenden vorher kennengelernt zu haben.“ „Dazu müßten Sie aber nach Cannes fliegen, und das wäre wohl etwas umständlich, nicht wahr? Vicky verbringt dort nämlich zur Zeit einen Urlaub.“ Es war ihm offensichtlich unangenehm, darüber zu sprechen. Aber sie wollte auf jeden Fall noch mehr über diese Vicky wissen. „Ach so, ich glaube, jetzt verstehe ich. Wird Mr. Laker denn nicht mit seiner Frau
zusammen in New York leben, wenn sie zurückkommen?“ „Nein, sie sind geschieden. Deshalb ist Vicky nach Europa gefahren. Sie mußte sich nach der Scheidung erst einmal erholen. Es war ein großer Schock für sie.“ „So schlimm kann es wohl kaum gewesen sein. Ihre Mrs. Laker war doch wohl nicht sehr lange verheiratet, nicht wahr?“ „Sie sind aber ganz schön hart! Nun, Sie können mir glauben, daß es keine angenehme Sache für Vicky war“, meinte John, und sie spürte, daß das Thema damit für ihn abgeschlossen war. „Sie kennen sie wohl sehr gut, da Sie die ganze Arbeit auf sich nehmen, für sie eine Wohnung herzurichten?“ „Wir sind gute Freunde, allerdings nicht mehr so eng befreundet, wie wir es früher einmal waren.“ „Sie haben mir noch nicht verraten, wie ich Ihrer Meinung nach das Apartment ausstatten soll“, wechselte Kim das Thema. Es sah ja fast so aus, als sei John der Scheidungsgrund gewesen, warum sonst engagierte er sich so für diese Vicky. Sie kam bestimmt nur deswegen nach New York, um ihm nahe zu sein. Nun, das alles würde die Zukunft zeigen. „Als wir uns gestern kennenlernten, sagten Sie, daß Ihnen ein netter wohnlicher Stil am besten gefällt. Richten Sie doch die Wohnung so ein, wie es Ihrem Geschmack entspricht. Dies wird ohnehin für Vicky nur so eine Art Zufluchtsort sein. Das nehme ich zumindest an, sie reist nämlich sehr viel.“ „Sie müssen mir aber wenigstens sagen, wieviel Geld ich ausgeben darf. Man kann auch für geringe Summen schöne Möbel bekommen, aber es hängt doch alles davon ab, welchen Lebensstil man hat“, erklärte Kim in der Hoffnung, nun doch noch etwas über Vicky zu erfahren. „Sie ist nur an das Beste gewöhnt.“ „Ich kann doch nicht größere Geldbeträge ausgeben, ohne zu wissen, ob ihr die Möbel gefallen“, wunderte sich Kim. „Da haben Sie völlig recht. Ich möchte, daß Sie alles mit mir besprechen, was Sie für die Einrichtung vorsehen. Bereiten Sie mir eine Aufstellung. Ich werde dann meine Zustimmung geben oder Gegenvorschläge machen. Sehen Sie, wir werden uns in den nächsten Wochen noch öfter sehen“, setzte er mit verschmitztem Lächeln hinzu. Das waren ja heitere Aussichten! Kim sah auf die Uhr. „Ich glaube, ich muß jetzt gehen. Es ist schon fast halb zwei.“ „Was, so spät ist es schon? Da komme ich ja unpünktlich zur Aufsichtsratssitzung“, seufzte John. „So etwas muß gerade mir passieren“, setzte er kopfschüttelnd hinzu und bat um die Rechnung. Kim wußte nicht so recht, was sie von John und seinem Auftrag halten sollte. Sie kam zu dem Schluß, daß es das beste war, alles für einen Scherz zu nehmen. So kommentierte sie seine Bemerkung trocken: „Na, passen Sie bloß auf. Wenn Sie zu spät kommen, werden Sie vielleicht entlassen? Was soll der Chef dazu sagen, wenn der Kaffee für die Sitzung nicht rechtzeitig fertig wird. Nun aber mal im Ernst, wo arbeiten Sie nun eigentlich?“ „Das habe ich doch schon erzählt. Im Nachrichtenwesen.“ Würde sie denn nie etwas anderes von ihm hören? „Sehr präzise ist diese Auskunft ja nicht“, sagte Kim enttäuscht. „Warum wollen Sie das denn so genau wissen?“ „Ich muß doch mein Honorar festlegen. Das ist der einzige Grund für mein Interesse.“ Warum machte er aus seiner Arbeit nur ein solches Geheimnis? „Das hat doch nichts mit Ihrem Auftrag zu tun, nicht wahr?“ fragte John und wandte sich dem Kellner zu, der mit der Rechnung kam. Versuchte er etwas zu
verheimlichen? Sein Benehmen war untadelig. Aber warum klärte er sie nicht über seinen Beruf auf? Kim war etwas verunsichert. Kim und John verließen das Restaurant und gingen zu seinem Sportwagen hinüber. Es dauerte nicht lange, bis sie Kims Büro erreichten. Dort zog John ein Schlüsselbund aus seiner Tasche. „Das sind die Schlüssel für das Apartment“, bemerkte er, während er sie ihr überreichte. „Vergessen Sie nicht, mir Ihre Aufstellung zu zeigen, bevor Sie etwas kaufen. Ich möchte genau über alles informiert werden, was Sie planen.“ „Keine Angst, ich werde mir Ihre Zustimmung holen, bevor ich Mrs. Lakers Geld ausgebe.“ „Tagsüber können Sie mich im Büro erreichen und abends zu Hause. Haben Sie etwas zu schreiben dabei? Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer.“ Kim notierte sich alles und legte den Zettel zusammen mit den Schlüsseln in ihre Handtasche. Das Treffen mit John war eine interessante Episode, aber sie glaubte keine Sekunde daran, daß dieser Auftrag ernst gemeint war. Das war bestimmt nur ein Trick von John, um sie besser kennenzulernen. Garantiert würde er an allem, was sie ihm vorlegte, etwas auszusetzen haben. O nein, so dumm war sie nicht. Sie würde nicht ihre kostbare Zeit an eine sinnlose Aufstellung verschwenden. John betrachtete interessiert das Schaufenster, das an Kims Büro gehörte. „Das ist viel zu unauffällig“, meinte er kritisch. „Außerdem brauchte ich sehr lange, bis ich Ihre Adresse herausfand. Wenn ich Ihnen einen Tip geben darf: Werbung lohnt sich immer, Kim.“ „Danke für den Ratschlag. Aber darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Werbung auch teuer ist? Wenn ich es könnte, würde ich schon für Reklame sorgen“, sagte Kim trocken. „Ach, da wir gerade von Geld sprechen. Ich habe Ihnen einen Scheck für die Beratung ausgestellt. DeWitt verlangt fünfhundert Dollar, aber ich darf doch davon ausgehen, daß Sie noch nicht solche Summen fordern. Wenn Sie nicht zufrieden sein sollten, müssen Sie es mir sagen, wenn Sie mir die Aufstellung zeigen.“ „Ich verlange normalerweise keine Beratungsgebühr“, ließ Kim ihn wissen. „Das ist alles in der Endabrechnung enthalten.“ Ohne einen Blick darauf zu werfen, steckte sie den Scheck ein. John schien ein rechter Witzbold zu sein. Sicher war der Scheck nicht einmal gedeckt. „Soll ich ihn wirklich zur Bank bringen, oder soll ich ihn lieber gleich zerreißen und mir den Weg sparen?“ „Sie sind ja außergewöhnlich mißtrauisch, Kim“, antwortete John verwundert und schüttelte den Kopf. „Wenn Sie den Auftrag nicht annehmen wollen, müssen Sie es nur sagen.“ Kim hörte deutlich heraus, daß er ungeduldig wurde. Ob sie sich in ihm täuschte? War dieser Auftrag doch ernst gemeint? „Ich möchte Ihren Auftrag sogar sehr gern annehmen“, ließ sie ihn wissen. „Übrigens vielen Dank für die Einladung“, fügte sie versöhnlich hinzu. Mit diesen Worten drehte sie sich um und schloß die Tür zu ihrem Büro auf. Erst als sie an ihrem Schreibtisch saß, warf sie einen Blick auf den Scheck und sah, daß er auf zweihundert Dollar ausgestellt war. Soviel Geld verdiente sie bisher noch nie für eine Beratung. Was sollte sie nur von John halten? Wie kam er wohl in den Besitz der Schlüssel für diese Wohnung? Sie konnte ihm unmöglich selbst gehören. Vielleicht hatte sie ihm sein Chef überlassen? Zeitungsleute waren ja bekannt für ihre Großzügigkeit. Warum erzählte ihr John auch nichts über seine Arbeit? Er kleidete sich wie ein Geschäftsmann, bestimmt war er irgendwo in einem Büro tätig. Ob er sich diese
Mrs. Laker ausgedacht hatte? Es konnte natürlich sein, daß er ein notorischer Lügner war und nur darauf aus, Kim und andere Frauen zu beeindrucken. Aber aus welchem Grund auch immer das Apartment renoviert werden sollte, es bot John einen Vorwand, sie oft zu sehen. Doch warum machte er nur solche Umstände? Er hätte sie doch ganz einfach zum Essen einladen können. Sie wäre ohne Zögern mitgegangen. Der Ärger über sein gestriges Verhalten war verraucht, und der Gedanke, mit ihm auszugehen, kam ihr sogar ganz angenehm vor. Er war ein guter Unterhalter, und es machte Spaß, in seiner Gesellschaft zu sein. Ob sie sich irrte und er den Auftrag doch ernst gemeint hatte? Auf jeden Fall konnte es nicht schaden, sich einmal Gedanken über die Einrichtung zu machen, und warum sollte sie den Scheck nicht auch als Bezahlung annehmen – vorausgesetzt natürlich, der Scheck war gedeckt. Kim zeichnete sich also aus dem Gedächtnis den Grundriß des Apartments auf und erstellte eine Liste der Möbel, die sie kaufen würde. Wie sie sie beschaffen könnte, wußte sie. Sie würde zu D & D gehen, dem besten Einrichtungshaus in New York. Dort versorgten sich alle guten Innenarchitekten, denn dessen Auswahl an exklusiven Möbeln war unübertroffen. Gerade als Kim ihr Büro verlassen wollte, klingelte das Telefon. Mrs. Naismith teilte ihr mit, daß sie den Schaukelstuhl bekommen habe und er ihr gefiel. Noch heute wollte sie einen Scheck schicken. Kim konnte ihr Glück kaum fassen. Mrs. Naismiths Wohnzimmereinrichtung hatte insgesamt 2500 Dollar gekostet und Kims Provision davon zehn Prozent betragen. Das war eine sehr schlechte Bezahlung, wenn man bedachte, wieviel Zeit sie aufgewendet hatte, um Mrs. Naismith zufriedenzustellen. Aber dieser Verdienst war andererseits besser als gar nichts. Wenn man die 200 Dollar von John hinzurechnet, fühlte sich Kim direkt reich. Im Hochstimmung verließ Kim ihr Büro und fuhr zu D & D. Jedesmal, wenn sie das große Kaufhaus betrat, meinte sie, auf einem Basar zu sein. Die Möbel dort waren aus aller Welt zusammengetragen, und vieles gefiel ihr, so daß sie Mühe hatte sich zu entscheiden. Es war ein schönes Gefühl, nicht nur zum Schauen, sondern zum Kaufen hierzusein. Sie holte ihren Notizblock hervor und notierte sich Lieferzeiten, Farben, Stoffe und natürlich Preise. Als sie auf die Uhr sah, staunte sie. Zwei Stunden waren inzwischen vergangen, sie hatte jedes Gefühl für Zeit beim Kaufen verloren. Daß Fannie Joe zum Abendessen eingeladen hatte, fiel Kim erst wieder ein, als sie die Freundin vor der Haustür traf. Sie trug zwei große Einkaufstaschen und rief glücklich: „Heute abend gibt es Spaghetti! Mir fehlt leider die Zeit, wie verabredet Ragout zuzubereiten.“ Fannie war zwar eine Meisterin in der Zubereitung von französischen Gerichten, aber ihre Spaghetti waren nicht gerade nach Kims Geschmack. Fannie kochte sie ihrer Meinung nach viel zu lange, und die Fleischsoße schmeckte nach gar nichts. Das war allerdings nicht der Grund, warum Kim nicht zum Abendessen bleiben wollte. „Sei mir nicht böse, Fannie, aber ich kann nicht mit euch essen, ich muß gleich wieder gehen und noch einige Besorgungen erledigen“, erklärte sie und zeigte der Freundin die Kataloge, die sie sich am Nachmittag besorgt hatte. „Sag mal, hast du etwa einen großen Kunden?“ fragte Fannie erstaunt. „Vielleicht. Stell dir vor, John Balfour rief mich heute an.“ „Wirklich? Es wundert mich, daß er das Joe nicht erzählt hat.“ „Was macht ihr denn heute nach dem Essen?“ „Wir wollen anschließend noch wegfahren“, antwortete Fannie. „Joe hat einen
Interessenten für Johns Auto gefunden.“ „Das gibt's doch gar nicht. Wird er seine alte Kiste doch noch los? Wer will das Auto denn kaufen, ein Schrotthändler?“ lachte Kim. „Das verstehst du nicht. Es ist ein ganz besonderes Auto“, erklärte Fannie voll Überzeugung. „Das glaube ich dir gern. Wer fährt heutzutage schon so alte Autos!“ Als Kim von ihren Besorgungen zurückkehrte, waren Joe und Fannie bereits gegangen. Sie setzte sich an den Eßtisch und begann, eine genauere Skizze vom Apartment zu zeichnen. Kim hatte die Räume zwar nicht ausgemessen, aber sie besaß ein gutes Auge für Entfernungen, so daß sie den Grundriß ziemlich genau aufzeichnen konnte. Geld spielte bei der Einrichtung ja keine Rolle, da ihr Plan voraussichtlich nie zur Ausführung kommen würde. Aber wenn sie ihn wider Erwarten doch verwirklichen könnte, würde Geld für Mrs. Laker wohl kein Problem sein. Kim suchte also nur die teuersten Möbel aus. So wollte sie vor allem John einmal so richtig erschrecken. Am Schluß addierte sie alles und kam auf eine Summe von fast 200.000 Dollar. Wie John sich wohl aus allem herausreden würde, wenn sie ihm die Liste präsentierte? Gleich morgen früh wollte sie ihn im Büro anrufen. Während sie noch damit beschäftigt war, ihre Unterlagen zusammenzupacken, kamen Fannie und Joe zurück. „Hallo, Joe. Na, wie sieht es aus: Haben Sie einen Käufer für den Wagen gefunden?“ fragte Kim ihn. „Leider nicht. Der Interessent wollte nur 10.000 Dollar bezahlen, dabei ist der Wagen mindestens 12.000 Dollar wert. Morgen führe ich den Wagen einem anderen Kunden vor. Mal sehen, was der dafür bietet.“ „Das kann doch wohl nicht wahr sein! 12.000 Dollar für ein uraltes Auto?“ „Es ist ein tolles Modell, Kim, ein 57er Bel Air mit faltbarem Verdeck, und er sieht wie neu aus. Für mich ist er ein absolutes Schmuckstück! Den gebe ich nicht so billig her. Übrigens: da wir gerade von Geld sprechen. Diesen Andrew Legget, den ich morgen treffe, solltet ihr beide unbedingt in eure Liste aufnehmen.“ Die besagte Liste, von der Joe anscheinend durch Fannie gehört hatte, enthielt die nach Fannies Meinung begehrenswertesten Junggesellen New Yorks. Ihr Wissen stammte überwiegend aus den Gesellschaftsspalten verschiedener Zeitungen, die teilweise sogar ebenfalls solche Listen publizierten. Im übrigen hielt sie sich an Mrs. Stuyvesant. Die war Vorsitzende des Krankenhausausschusses, für das Fannie einmal arbeitete. Sie hatte einmal beobachtet, wie die alte Dame aus ihrem von einem Chauffeur gesteuerten Rolls Royce gestiegen war, und dann alles darangesetzt, Mrs. Stuyvesant kennenzulernen. Es hatte auch wirklich geklappt. Sie nahm Fannie als Schreibkraft und Mädchen für alles in ihren Ausschuß auf. Das war natürlich eine ehrenamtliche Tätigkeit. Leider hatte sie bisher nichts eingebracht. Trotzdem gelang es Kim nicht, die Freundin davon abzubringen. Die alten Damen konnten ihr bestimmt nicht bei ihrem Vorhaben, einen Millionär zu finden, behilflich sein. Aber das wollte Fannie einfach nicht einsehen. „Sie haben alle Söhne“, erklärte sie starrsinnig. Bis jetzt hatte sie jedoch nicht einen einzigen kennengelernt. Mrs. Stuyvesant ließ jedoch von Zeit zu Zeit den Namen eines reichen Junggesellen fallen, der wurde dann sofort von Fannie in die Liste aufgenommen. Für diese vage Aussicht, durch die Damen einen reichen Mann kennenzulernen, verbrachte Fannie zwei Stunden wöchentlich damit, Briefe zu schreiben, Poster zu verteilen und für die Mitglieder des Ausschusses Kaffee zu kochen, das alles
ohne einen Pfennig Lohn.
„Andrew Legget ist der beste Kieferorthopäde in Manhattan“, erklärte Joe. „Wißt
ihr eigentlich, was es heutzutage kostet, seine Zähne in Ordnung bringen zu
lassen? Der Junge ist wirklich reich. Er weiß gar nicht, wohin mit seinem Geld.“
„Ich glaube nicht, daß du einen Zahnarzt auf deine Liste setzen solltest, Fannie.
Nachher behandelt er dich so wie seine Patienten, überleg dir das lieber.“
„Ihr seid schon ulkige Typen“, meinte Joe kopfschüttelnd. „Was hältst du davon,
mir eine Tasse Kaffee zu kochen, Fannie?“
Kim nutzte die Gelegenheit, um sich zu verabschieden. Sie ging in ihr
Schlafzimmer, um die beiden noch eine Weile allein zu lassen. Eine halbe Stunde
später hörte sie Joe gehen. Er und Fannie schienen sich gut zu verstehen.
Vielleicht hatte sie Joe falsch eingeschätzt. Er war doch gar nicht so übel, wie sie
zuerst dachte.
3. KAPITEL Am nächsten Morgen rief Kim in Johns Büro an. Er meldete sich persönlich am
Telefon. Also hatte er doch keine Sekretärin.
„Balfour.“
Kim hörte seine tiefe Stimme gern. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er dort
in seinem Büro saß, den Hörer in der Hand, die Füße wahrscheinlich auf dem
Schreibtisch.
„Kim Monk – Einrichtungsstudio“, antwortete sie in geschäftsmäßigem Ton.
„Ach, Sie sind es, Kim“, rief er freundlich.
„Ich habe mir mein Geld verdient. Möchten Sie die Aufstellung sehen?“
„Was, Sie sind schon fertig? Ich dachte, das würde viel länger dauern“, meinte er
überrascht.
„Ich arbeite eben sehr schnell.“
„Das höre ich gern.“ Sein Lachen klang sympathisch, und Kim fühlte sich wieder
ganz zu ihm hingezogen.
„Soll ich Ihnen die Pläne ins Büro bringen, oder sind Sie zur Zeit wieder mit
Aufsichtsratssitzungen beschäftigt?“ fragte Kim spöttisch.
„So ist es eigentlich. Aber da auch ich schnell arbeite, vor allem, wenn ich den
richtigen Anreiz habe, kann ich etwas Zeit erübrigen. Darf ich Sie also heute zum
Abendessen einladen?“
„Wollen Sie all das Geld, das Sie für Ihr Auto bekommen, denn gleich
verprassen?“
„Hat Joe es etwa schon verkauft?“
„Er war gestern abend bei uns und erzählte vor einem ernsthaften Interessenten.
Aber wenn Sie mich fragen, ich würde Joe erst glauben, wenn ich das Geld in der
Hand hielte.“
„Ich werde mir Ihren Rat zu Herzen nehmen, Kim. Wie sieht es denn nun aus,
nehmen Sie meine Einladung an?“
„Sie brauchen Ihr sauer verdientes Geld nicht auszugeben, nur um mich zu
beeindrucken, John. Ich kann Ihnen die Pläne ebensogut ins Büro bringen.“
„Nein, das möchte ich nicht“, sagte John schnell.
Wahrscheinlich, so dachte Kim bei sich, sitzt er in einem Großraumbüro und
arbeitet dort als ein einfacher Angestellter. Er hat sicher seinen Stolz und will
nicht, daß ich ihn dort sehe. Vielleicht darf er auch keinen Besuch während der
Arbeitszeit empfangen? Warum ist er bloß so stolz und eigensinnig?
„Wir könnten uns auch in meinem Büro treffen“, meinte Kim.
„Nein, ich möchte Sie lieber heute abend sehen“, beharrte er.
„Ich bin der Meinung, man sollte Geschäftliches und Privates trennen“, gab Kim
zu bedenken. „Ich kann Ihnen die Unterlagen doch auch zuschicken.“
„Ich würde mich aber über ein gemeinsames Essen sehr viel mehr freuen.
Denken Sie nur einmal an das Porto, das Sie ausgeben müßten.“ Während er dies
sagte, hörte Kim im Hintergrund eine Männerstimme. Irgend jemand sprach
offenbar auf John ein. Das war wohl sein Chef. „Ich muß jetzt Schluß machen,
Kim“, meinte er gleich darauf.
„Hat Ihr Vorgesetzter Sie beim Telefonieren erwischt?“ lachte Kim ihn aus.
„Nein, liebe Kim, so ist es nicht. Ich muß aber dringend etwas erledigen. Bleiben
Sie am Apparat. Ich stelle Sie jetzt zu meiner Sekretärin durch. Seien Sie doch
so nett, und treffen Sie mit ihr eine Verabredung für unser Arbeitsessen.“
„Nein, ich…“ protestierte Kim. Doch es war zu spät. Sie hörte, wie das Gespräch
durchgestellt wurde.
„Mrs. Roach am Apparat. Kann ich Ihnen helfen?“
Plötzlich kam Kim eine Idee. Sie lächelte boshaft und antwortete geschäftsmäßig. „Ich muß Mr. Balfour ein paar Pläne bringen. Kann ich gleich heute morgen kommen?“ „Möchte er Sie dazu sehen, oder wollen Sie die Unterlagen einfach nur vorbeibringen? Ich würde dann dafür sorgen, daß er sie bekommt.“ „Ich möchte die Pläne nur abgeben, Mr. Balfour werde ich dann später sehen. Bitte geben Sie mir noch Ihre Adresse.“ „Wir stehen im Telefonbuch“, sagte Mrs. Roach ungeduldig, gab ihr aber schließlich doch die Adresse. Kim bedankte sich und legte auf. Sie war neugierig herauszufinden, was John Balfour wirklich beruflich machte. Na ja, ein paar Gewissensbisse hatte sie schon, ihn nun bloßzustellen, aber wenn sie daran dachte, wie er sich über sie lustig machte, war das die gerechte Strafe. Das angebliche Büro befand sich im zehnten Stock eines Bürohauses am Broadway. Das Gebäude sah äußerst eindrucksvoll aus. Es war ein Wolkenkratzer mit großen Fenstern und Marmorverzierungen an den Wänden. Die Eingangshalle wirkte ebenfalls sehr elegant. Kim las die Hinweisschilder und fand auch gleich, was sie suchte. „Kommunikationswesen John Balfour, 10. Stock.“ Also besaß er doch ein eigenes Büro mit Sekretariat? Aber was bedeutete Kommunikationswesen? Das war ihr nach wie vor unklar. Ein Angestellter der Firma konnte er dann doch nicht sein. Kim fuhr mit dem Fahrstuhl bis zum zehnten Stock, stieg dort aus und sah sich verwirrt um. Es war kein Schild zu sehen, das den Weg zu Johns Büro wies. An jeder Tür stand zwar etwas, es waren aber Namen von Zeitungen, Radio und Fernsehanstalten sowohl der West als auch der Ostküste. Ein Namensschild „Balfour“ gab es hier nicht. Völlig verwirrt öffnete sie eine Tür ohne Aufschrift. Das mußte die Zentrale sein, denn in diesem gab es eine Telefonanlage. Kim sprach die Telefonistin an. „Ich suche Mr. Balfours Büro. Können Sie mir sagen, wo ich es finde?“ Die Angestellte deutete auf einen großen Schreibtisch, der neben einer Verbindungstür stand. Dort saß eine schon etwas ältere Dame. „Gehen Sie bitte zu Mrs. Roach, das ist seine Sekretärin.“ Nun, das war immerhin schon etwas. Mit Mrs. Roach hatte sie schließlich gesprochen. „Mrs. Roach“, sprach sie die Sekretärin wenig später an. „Ich bin Kim Monk. Vor einer halben Stunde haben wir miteinander telefoniert. Ich möchte die Pläne für Mr. Balfour abgeben. Ist er zufällig in seinem Büro?“ „Ich melde Sie an“, erwiderte die Sekretärin und nahm den Telefonhörer ab. „Sie ist hier“, war alles, was sie zu John sagte. Sie behielt den Hörer noch eine Weile am Ohr und drehte sich dann zu Kim um. „Sie können hineingehen, Miss Monk.“ „Danke“, antwortete Kim und ging zur Verbindungstür. Gerade als sie anklopfen wollte, wurde sie von innen geöffnet. John ließ Kim eintreten und zog die Tür hinter ihnen zu. „Das war aber sehr eigensinnig, Kim. Sie sollten doch mit Mrs. Roach eine Verabredung treffen.“ „Warum sollte ich, sie ist doch überhaupt nicht mein Typ.“ „Na ja, es ist auch egal. Nun wissen Sie ja, wo ich arbeite. Aber setzen Sie sich erst einmal, und zeigen Sie mir Ihre Aufstellung.“ Kim gab ihm die Mappe mit den Unterlagen, und während er sie studierte, sah sie sich seinen Arbeitsraum genauer an. Die Decke war mit Mahagoni vertäfelt, was den Raum sehr dunkel erscheinen ließ. Der große Schreibtisch war ebenfalls aus Mahagoni gefertigt. Er stand in der Mitte des Zimmers, das mit hellblauem
Teppichboden ausgelegt war. Dadurch wirkte der Schreibtisch auf Kim fast wie ein kleines Boot auf offenem Meer. Es gab auch noch mehrere Ledersessel, aber irgendwie sah das Zimmer öde aus, es fehlte an Atmosphäre. John riß Kim jetzt aus ihren Gedanken. „Ihre Vorstellungen sind sehr interessant“, sagte er und zeigte auf die Pläne. „Das Ganze kostet ungefähr 200.000 Dollar“, meinte Kim. Das würde ihm sicher die Sprache verschlagen. Bei einer so hohen Summe mußte er einfach passen. Aber da hatte sie sich getäuscht. „Das ist ein akzeptables Angebot“, meinte er ruhig. „Allerdings finde ich, daß Sie nicht ganz so viele Grautöne verwenden sollten. Mrs. Laker sagte mir nämlich einmal, daß sie Grau nicht mag. Ihre Lieblingsfarbe ist Blau.“ Kim war zu überrascht, um sofort zu antworten. Er schien sich ja in gutsituierten Kreisen zu bewegen. Endlich hatte sie sich aber gefangen. „Blau ist eine kalte Farbe, man sollte sie nur mit Vorsicht benutzen. Aber wenn Mrs. Laker es so haben möchte, werde ich mich natürlich daran halten.“ „Tatsächlich? Das mit der Farbe Blau ist mir neu. Vielleicht betrete ich deswegen so ungern mein Büro? Ich dachte immer, das läge an diesem Störenfried“, entgegnete John und zeigte dabei auf seinen Telefonapparat, der mit seinen vielen Kabeln eher wie ein kleines technisches Wunderwerk aussah, jedoch nicht wie ein Telefon. „Wieso sind Sie vorhin an den Apparat gegangen und nicht Ihre Sekretärin?“ wollte Kim wissen. „Ich habe eine Privatnummer, und die habe ich Ihnen gegeben. Aber lassen Sie uns mal über meinen Teppich sprechen. Welche Farbe hat denn einen warmen Ton?“ fragte John und sah nachdenklich auf den Boden hinunter. „Ach, das ist einfach zu erklären. Rot und Gelb zum Beispiel gelten als warme Farbtöne, Blau und Grün wirken eher kalt“, meinte Kim. „Ich bin beeindruckt“, kommentierte John ihre Bemerkung trocken. „Doch leider muß ich schon in zwanzig Minuten in die nächste Sitzung. Wir haben also nur wenig Zeit, Ihre Pläne zu besprechen. Lassen Sie uns deshalb anfangen. Erklären Sie mir, welche Möbel und Tapeten Sie ausgesucht haben.“ In zwanzig Minuten konnte er eine Entscheidung über 200.000 Dollar treffen? Das war ein absolut verrückter Vorschlag. Aber wenn er es so wollte? Kim erzählte ihm also schnell, welche Tapeten, Möbel und Bilder sie ausgesucht hatte. Mit den meisten Dingen war er einverstanden, manchmal schlug er jedoch etwas anderes vor, das Vicky seiner Ansicht nach besser gefallen würde. Wer mochte diese Mrs. Laker nur sein? Kims Neugier wuchs und wuchs. Nach genau achtzehn Minuten schloß John die Kataloge mit Nachdruck und schob sie Kim zu. „Sie haben gute Arbeit geleistet, Kim. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, organisieren Sie auch alles Weitere, suchen zum Beispiel die Handwerker aus.“ „Ja, das stimmt, aber in vier Wochen kann ich die Wohnung unmöglich herrichten lassen, Mr. Balfour.“ „Unmöglich? Was heißt das? Das Wort kenne ich nicht. Bitte sagen Sie doch übrigens nicht Mr. Balfour zu mir, ich heiße John, schlicht John.“ „ In Ordnung, John. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß vier Wochen zuwenig Zeit für die Renovierung sind.“ „Könnten Sie nicht Überstunden mit den Leuten aushandeln, wenn wir gut bezahlen?“ „Bestimmt, aber das wird dann sehr teuer. Die Arbeitslöhne sind ohnehin schon enorm hoch.“ „Es handelt sich hier doch um einen Notfall. Ich möchte, daß Vicky ein hübsches,
gemütliches Zuhause in New York vorfindet, wo sie glücklich sein kann. Die Scheidung hat ihr sehr zugesetzt. Kosten spielen dabei keine Rolle. Die Hauptsache ist, daß alles rechtzeitig fertig wird. Vicky hat nämlich ihr Haus in Connecticut vermietet, so muß sie auf jeden Fall in dieses Apartment einziehen. Irgendwo muß sie ja schließlich wohnen.“ Damit war für John dieses Thema abgeschlossen. „Was mir besonders gut gefällt, Kim, sind übrigens die Spiegel im Korridor. So etwas hätte ich auch gern in meiner Wohnung.“ „Sie geben einem Raum viel Licht, und er wirkt dadurch größer. Ich denke, ich werde mit dem Vermieter sprechen und ihm die Renovierungsarbeiten ankündigen.“ „Das wird nicht nötig sein. Mrs. Laker ist die Eigentümerin des Apartments. Ich habe es für sie gekauft, mit ihrem Geld natürlich.“ „Ich verstehe“, sagte Kim, aber diese Erklärung kam ihr doch ziemlich merkwürdig vor. Wieso kaufte er mit Vickys Geld sogar eine Wohnung? Na, die beiden schienen sich ja recht gut zu kennen! „Ich muß Ihnen etwas gestehen“, meinte sie zögernd. „Ich dachte immer, Sie hätten mir den Auftrag nur zum Spaß gegeben, um mich wiederzusehen. Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, daß Sie es ernst meinen. Aber gleichzeitig habe ich natürlich gehofft, es wäre ein richtiger Auftrag. Ich freue mich darüber, das Apartment nach meinem Geschmack renovieren und einrichten zu können. Es ist eine Herausforderung für mich.“ „Schön, daß Sie Ihren Irrtum zugeben können. Die meisten Leute versuchen, ihre Fehler zu verbergen.“ Johns Blick war bei diesen Worten fest auf ihr Gesicht gerichtet, und das machte Kim ganz nervös. Endlich sah John auf die Uhr. „Oh, ich muß gleich in die Sitzung. Wie soll ich zahlen? Soll ich Ihnen einen Scheck geben oder ein Konto einrichten?“ „Ich könnte Ihnen die Rechnungen zusenden“, erwiderte Kim und begann ihre Pläne einzupacken. „Das ist viel zu umständlich. Nun, wir werden später eine Lösung finden. Wie ist es denn mit heute abend?“ fragte er lächelnd. „Ich weiß noch nicht“, antwortete Kim unschlüssig. „Ich bin um acht Uhr bei Ihnen“, sagte John kurz, denn die Bürotür öffnete sich in diesem Moment, und mehrere Männer betraten den Raum. Sie begrüßten John sehr höflich, blieben an der Tür stehen und warteten offensichtlich auf Johns Anweisungen. „Gut, sehen wir uns um acht Uhr“, stimmte sie zu und verließ schnell das Büro. Sie war viel zu verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können, und schämte sich plötzlich. Bestimmt hatte sie sich lächerlich gemacht. Am Nachmittag fand Kim Zeit, die Situation noch einmal zu überdenken. Sie kam zu dem Ergebnis, daß John ein erfolgreicher Geschäftsmann war, der eine teure Eigentumswohnung für seine Freundin gekauft hatte und diese nun für sie einrichten ließ. Warum aber wollte er heute abend mit ihr ausgehen? Tat er das aus geschäftlichen Gründen, wollte er dabei mit ihr die Bezahlung regeln? Das war eigentlich eine ganz logische Begründung. Sie würde also nicht im Abendkleid auf ihn warten und sich noch einmal lächerlich machen. Als Kim abends nach Hause kam, überfiel Fannie sie mit der großen Neuigkeit, Andrew Legget hätte den geforderten Preis für Johns 57er Chevrolet bezahlt. Um das angemessen zu feiern, hatte Joe Fannie zum Essen eingeladen. Anschließend wollten sie ins Kino gehen. Als Joe schließlich eintraf, erzählte ihm Fannie natürlich gleich, daß Kim am Abend mit John Balfour verabredet war.
„Da haben Sie aber einen Glücksgriff getan, Kim. John müßte eigentlich auch auf eurer Liste stehen.“ „Wieso, haben wir ihn übersehen?“ meinte Fannie überrascht. „Bleibt ruhig, Freunde, es ist nur ein rein geschäftliches Treffen“, holte Kim die Freundin auf den Boden zurück. „Da besitzen Sie dann aber eine gute Geschäftsverbindung“, gratulierte Joe ihr. „John ist nämlich sehr reich. Das ist auch kein Wunder in seiner Branche.“ „Die Verbindung verdanke ich dann Ihnen. Ohne Sie hätte ich ihn nicht kennengelernt.“ „Das habe ich doch gern für Sie getan! Man ist schließlich immer froh, wenn man jemandem helfen kann. Ich weiß ja, daß ihr Mädchen besonders an reichen Männern interessiert seid. Deshalb habe ich ihn ja auch mitgebracht. Er wohnt übrigens Central Park West. Wer dort lebt, hat bestimmt keine Geldsorgen. Also, Fannie, nun laß uns endlich gehen, ich habe doch den Tisch bestellt.“ Fannie hakte sich bei Joe ein und rief Kim noch über die Schulter zu: „Nimm ihn auf die Liste, Kim. Man kann ja nie wissen.“ Kim ging nachdenklich ins Wohnzimmer. Jetzt verstand sie, warum John am ersten Abend so sicher war, sie würde doch noch mitkommen. Reichen Männern fielen die Frauen bestimmt reihenweise zu Füßen, und Fannie führte garantiert nicht die einzige Junggesellenliste in New York. Aber warum ließ er gerade sie Vicky Lakers Apartment renovieren? Eigentlich hätte er doch Neil DeWitt mit einer solchen Aufgabe betrauen müssen, er war schließlich der Innenarchitekt der Reichen. Vielleicht konnte es John einfach nicht hinnehmen, daß sie sich ihm verweigert hatte? Vielleicht wollte er so ihre Gesellschaft erkaufen? Aber da würde er eine Überraschung erleben. Für Kim war dieses Treffen eine rein geschäftliche Angelegenheit. Wenn er glaubte, so etwas mit ihr anfangen zu können, täuschte er sich. Am besten demonstrierte sie ihm ihre Einstellung dadurch, daß sie die Kleidung anbehielt, die sie schon beim Besuch in seinem Büro getragen hatte. Sie legte auch nur leichtes Makeup auf und sah der Begegnung mit ihm gefaßt entgegen. Als John kam, führte Kim ihn nicht ins Wohnzimmer, sondern direkt zur Eßecke. Dort lagen nämlich die aufgeschlagenen Kataloge. „Ich dachte, es ist alles erledigt“, sagte John überrascht. „Wir müssen noch die Bezahlung regeln“, erinnerte Kim ihn sanft. „Gut, dann sollten wir das schnell besprechen und dann gleich essen gehen. Ich habe einen Riesenhunger, ich könnte drei Steaks vertilgen.“ Kim beschloß, seinen vertraulichen Ton zu ignorieren. „Wie ich schon sagte, ich verlange eine Provision. Ich kaufe alles zusammen zu einem ermäßigten Preis, so sind meine zehn Prozent bereits in der Gesamtsumme von 200.000 Dollar enthalten. Ich werde Ihnen natürlich die Quittungen vorlegen.“ „Dann gebe ich Ihnen einen Scheck über diese Summe, und Sie sagen es mir, wenn Sie darüber hinaus noch Geld brauchen, wie zum Beispiel für die Überstunden der Maler und der anderen Handwerker.“ „Das ist eine gute Lösung“, stimmte Kim zu. „Prima, dann werde ich Ihnen morgen den Scheck schicken. Nachdem das nun geregelt ist, können wir ja gehen.“ „Ich bin nicht hungrig“, sagte Kim zögernd. „Oh, ist das eine Einladung, hierzubleiben?“ Erwartungsfroh musterte er Kim von Kopf bis Fuß. „Natürlich nicht!“ rief sie erbost. „Ich wollte Sie nicht beleidigen, Kim, aber wir waren doch verabredet, nicht
wahr?“ „Ich dachte, wir wollten die Pläne noch einmal im Detail besprechen“, sagte Kim und wies auf die Unterlagen, die sorgfältig geordnet auf dem Tisch lagen. „Aber, aber! Die Einrichtung des Apartments ist einzig und allein Ihre Aufgabe. Damit kann ich mich nicht befassen, sonst hätte ich Sie ja nicht zu engagieren brauchen. Außerdem haben Sie einen viel besseren Geschmack als ich und sind mit solchen Arbeiten sicher bestens vertraut. Kommen Sie, Kim, ich habe einen Tisch im ,Ambassador' bestellt. Es wird Ihnen dort bestimmt gefallen“, meinte er ungeduldig. Kim zögerte. Sein Blick eben hatte ihr doch zu denken gegeben. Sie überlegte nun, was er sich wohl vom Ausgang des Abends versprach. Allerdings würde er sich kaum in aller Öffentlichkeit danebenbenehmen. Außerdem war er ihr Kunde, noch dazu der einzige, den sie im Augenblick besaß. Im Hinblick darauf, daß sie sich einen Kundenkreis aufbauen wollte, durfte sie ihn also nicht verärgern, er konnte ihr vielleicht nützlich sein. Natürlich war es dafür ein Vorteil, mit ihm in einem Restaurant gesehen zu werden. „Ich hole nur kurz meine Handtasche“, sagte sie also entschlossen. Als sie im Auto saßen und in die Stadt fuhren, meinte John zu Kim gewandt: „Ach, übrigens, ich muß mich noch bei Ihnen dafür entschuldigen, daß ich vorgestern so unerwartet bei Ihnen hereinplatzte. Joe hat mir nicht erzählt, daß Sie nicht mitkommen wollten. Fannie hat mit ihm deswegen auch schon tüchtig geschimpft. Ich fühlte mich ziemlich fehl am Platze, als Sie uns im Kimono begrüßten. Es tut mir leid.“ „Das macht doch nichts. Ein paar meiner Bekanntschaften beruhen auf solchen Mißverständnissen, zum Beispiel auch meine Freundschaft mit Fannie. Jede von uns glaubt nämlich, sie sei für die andere verantwortlich. Dabei sind wir beide erwachsen und können wohl jede recht gut auf sich selbst aufpassen.“ Sie schwiegen beide eine Weile, dann fragte Kim geradeheraus: „Warum gaben Sie mir den Auftrag, Mrs. Lakers Apartment zu renovieren? Ich besitze doch gar keine Erfahrung.“ „Es ist so eine Sache mit der Erfahrung. Viele Arbeitgeber setzen nur darauf, wenn sie jemand beschäftigen wollen, aber: Wie sollen Anfänger ihre Chance bekommen, wenn es keiner mit ihnen versucht? Ein weiterer Grund ist, daß ich mit der Arbeit der bekannten Innenarchitekten hier in New York nicht sonderlich zufrieden bin. Ihre Raumgestaltung erscheint mir zu kalt. Aber Vicky soll nicht nur irgendein eingerichtetes Apartment, sondern ein gemütliches Heim vorfinden.“ „Ich werde mein Bestes tun.“ Kim hörte Johns Antwort mit gemischten Gefühlen. „Da bin ich sicher. Aber in Wirklichkeit habe ich Sie natürlich aus anderen Gründen engagiert. Ich habe nämlich eine Schwäche für große schlanke unnahbare Blondinen. Wußten Sie eigentlich, daß ich John Balfour bin, als meine Sekretärin anrief?“ „Nein, ich kannte ja nur Ihren Vornamen. Warum sollte ich eigentlich nicht in Ihr Büro kommen? Ich dachte, Sie seien in einem Betrieb angestellt und das sei Ihnen unangenehm. Als ich dann heute morgen zu Ihnen kam, war mir alles peinlich.“ Inzwischen hatte Kim eine Erklärung für sein Verhalten gefunden. Wahrscheinlich wollte er nicht, daß sie herausfand, wie reich er war. „Laufen Ihnen nicht viele Frauen nach? Es gibt bestimmt eine Menge Damen, die an Ihnen interessiert sind“, meinte Kim neugierig. „Damit muß man eben fertig werden. Aber Sie haben recht, das ist fast schon ein Problem. Manche Frauen machen geradezu Jagd auf vermögende Männer.
Allerdings haben es reiche Frauen sogar noch schwerer.“ „Eins kann ich Ihnen versichern, John, ich bin nicht an Ihrem Geld interessiert“, lachte Kim. „Ich wünsche mir allerdings wohlhabende Kunden, auf einen reichen Ehemann kann ich dann gut verzichten.“ „Was die reichen Kunden betrifft, da kann ich Ihnen sicher helfen. So, wir sind da.“ John stieg aus und öffnete Kim die Tür. Bald darauf betraten sie das Restaurant und wurden zu einem reservierten Tisch geführt. Nachdem sie bestellt hatten, begann Kim die Unterhaltung. „John, erzählen Sie mir doch einmal etwas mehr von Ihrer Arbeit. Das interessiert mich wirklich.“ „Nun, wo fangen wir an? Vor kurzem wurden bei uns mehrere Computer eingeführt. Erst wenn man mit einem solchen Ding arbeitet, merkt man, daß man zu Maschinen sogar eine Beziehung aufbauen kann. Mein Programmierer erzählte mir jedenfalls gestern, daß er sich von Ethel, das ist sein Computer, scheiden lassen will.“ „Scheidungen sind immer sehr unangenehm. Sie will doch bestimmt das Sorgerecht für ihre Programme?“ „Wenn es nach ihr ginge, erhielte er nicht einmal das Besuchsrecht.“ „Gibt es bei Ihnen viele Computer?“ John schien sich für seine Arbeit zu begeistern. Seine Augen leuchteten, während er ihr allerlei erzählte. Er sprach auch von seinem Vater, der den Verlag vor vielen Jahren gegründet hatte. „Heutzutage ist das Nachrichtenwesen sehr spezialisiert“, erklärte er ihr. „Es gibt unzählige Zeitschriften und Magazine. Für diese Sparte interessiere ich mich übrigens ganz besonders.“ „Ihre Arbeit ist wohl Ihre große Liebe? Ich finde es schön, wenn man Spaß an seinem Beruf hat. Genauso geht es mir auch. Mir wird zwar vielleicht nie ein großes Geschäft gehören, aber es könnte doch sein, daß ich eines Tages berühmt sein werde und die Leute meinen Namen in den Journalen lesen“, sagte Kim überzeugt. „Heißt das, Sie wollen in meinen Zeitungen inserieren? Das ist aber nicht billig“, spöttelte er. „Geben Sie denn ein Magazin für Inneneinrichtungen heraus?“ „Noch nicht, aber wenn ich es mir so überlege, wäre das vielleicht ein vielversprechendes Gebiet. Danke für den Tip.“ „Empfehlungen sind immer noch die beste Reklame, habe ich festgestellt. Man muß nur die richtigen Leute kennenlernen. Deshalb bin ich froh, daß ich Ihren Auftrag erhielt. Denn wenn Mrs. Laker zufrieden ist, werden bestimmt andere Kunden folgen.“ Kim entging es nicht, daß ihre Unterhaltung immer privater wurde. All die guten Vorsätze waren völlig vergessen. John entpuppte sich als sehr netter Gesellschafter und guter Unterhalter. Er war an allem interessiert, sprach nicht nur über sich selbst, sondern fragte auch nach ihren Plänen. Kim faßte schnell Vertrauen zu ihm und offenbarte ihm all ihre Wünsche für die Zukunft. Nach dem Essen bestellten sie Kaffee und saßen noch eine ganze Weile zusammen. Kim sah sich im Restaurant um, während der Kellner den Kaffee servierte. Dieses Mal hatte sie keine Angst, John könne sich das Essen nicht leisten. „Wo wir vorhin gerade von den richtigen Leuten sprachen…“ flüsterte John auf einmal. Kim sah sich aufmerksam um und bemerkte, daß jemand auf sie zukam. Obwohl
sie schon oft Fotos von Neil DeWitt, dem berühmten Innenarchitekten, gesehen hatte, erkannte sie ihn nicht auf den ersten Blick. Das lag daran, daß keine neueren Fotos von ihm existierten. Seit er die Fünfzig überschritten hatte, ging er Fotografen aus Eitelkeit aus dem Wege. Neil galt allgemein, und das sicher nicht zu Unrecht, als einer der besten Innenarchitekten Amerikas. Er war groß, schlank und hielt sich sehr aufrecht. „Hallo, Neil, nett, dich hier zu sehen“, rief John. „Willst du dich nicht zu uns setzen? Ich habe allerdings gehört, daß die Contessa wieder in New York ist. Da hast du es vielleicht eilig, zu einer ihrer Parties zu kommen?“ „Ja, die Contessa Scarlatti kam gestern an, und sie gibt tatsächlich heute eine ihrer öden Cocktailparties. Aber ich habe mir eine gute Ausrede einfallen lassen. So kann ich mir das ,Vergnügen' glücklicherweise ersparen“, meinte Neil und setzte sich zu ihnen an den Tisch. John stellte Kim vor, die jetzt Gelegenheit hatte, Neil aus der Nähe zu betrachten. Er besaß volles, braunes Haar. Ob es getönt war? Für einen Mann in seinem Alter war das Braun eigentlich zu dunkel. Er wirkte auf Kim gar nicht so langweilig und eitel wie auf den Fotos. Seine Hände gefielen ihr besonders gut. Sie waren schmal und feingliedrig. Auf den ersten Blick wirkte er teilnahmslos, aber Kim war sicher, daß ihm auch nicht das kleinste Detail entging. „Miss Monk?“ wiederholte er fragend. Offenbar versuchte er, ihren Namen irgendwo unterzubringen. „Ich glaube nicht, daß wir uns schon einmal begegnet sind“, meinte er. „Ich komme auch nicht aus New York, ich stamme aus New Jersey“, erwiderte Kim wahrheitsgemäß, obwohl ihn das wohl kaum interessierte. „Ach so, New Jersey“, antwortete er mit merklich nachlassendem Interesse und wandte sich an John. „Sind Sie auch zu der kleinen intimen Feier der Contessa Maria Scarlatti eingeladen? Es werden ja nur ungefähr zwei bis dreihundert Gäste erwartet.“ „Wir gehören nicht dazu“, antwortete John. „Da versäumen Sie auch nichts. Es ist mit diesen Parties ja doch immer dasselbe.“ „Maria besitzt hier in New York übrigens ein Apartment, das Neil vor kurzem für sie eingerichtet hat“, erklärte John. „Ich weiß, es war vor ein paar Monaten in einer Fachzeitschrift abgebildet. Es sieht fantastisch aus. Sie haben es wundervoll eingerichtet, Mr. De Witt.“ Kim errötete bei ihren Worten wie ein Schulmädchen, aber was sollte sie machen? Es war immer schon ihr Wunsch gewesen, einmal Neil DeWitt zu treffen. „Ja, das Apartment ist mir wirklich gut gelungen, aber die Contessa hat dann allerlei Krimskrams hineingestellt und damit alles verdorben.“ Er schüttelte traurig den Kopf. „Sie werden es nicht glauben, aber da steht jetzt tatsächlich ein Plastikaschenbecher auf dem kostbaren Marmortisch. Ach, diese Frau ist eine einzige Katastrophe“, stöhnte er. „Aber wir wollen das Thema wechseln. Was macht die Arbeit, John? Hast du inzwischen wieder eine neue Zeitung gekauft?“ „Bei mir ist alles beim alten. Übrigens, Miss Monk ist eine Kollegin von dir.“ „Wie interessant. Für welche Firma sind Sie tätig?“ „Ich bin selbständig“, antwortete Kim bescheiden. „Sie werden meine Firma aber nicht kennen, sie ist ziemlich unbedeutend. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Das ist schon seit langem mein Wunsch. Ich bewundere Sie schon seit Jahren. Als ich das College besuchte, verwendeten wir ein Buch von Ihnen für unsere Studien. Es heißt: ,Die Kunst der Inneneinrichtung'.“
Kim sah Neil DeWitt bewundernd an. Ihr Lob schmeichelte ihm natürlich, und so begann er, sich für sie zu interessieren. „Wirklich? Dieses hoffnungslos überholte Buch benutzten Sie noch am College? Dazu stehe ich gar nicht mehr. Ich mag gar nicht daran denken, daß ich einmal vorschlug, Räume mit Teppichboden auszulegen. Das war eine meiner Jugendsünden! Ich habe doch inzwischen auch schon mehrere andere Bücher geschrieben. Woran arbeiten Sie denn im Augenblick, Miss Monk?“ „Ich richte für Mrs. Laker ein Apartment ein“, erzählte sie stolz. „Das ist im Augenblick mein größter Auftrag.“ „Was, für Vicky Laker?“ rief Neil entrüstet. „Die ist doch meine Kundin!“ Die Neuigkeit brachte ihn einen Moment aus der Fassung, aber dann lächelte er: „Ach so, ich verstehe, Schönheit zählt mehr als Erfahrung, ist es so, John? Aber ich verzeihe dir. Auch der Nachwuchs braucht eine Chance, und ich habe ja wirklich Aufträge genug.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile, wobei hauptsächlich Neil DeWitt sprach. Er bestand darauf, für jeden ein Getränk zu bestellen, was John nicht besonders gefiel. Aber weil Kim von der Unterhaltung ganz gebannt war, gab er nach. Endlich erhob sich der Innenarchitekt, verbeugte sich vor Kim und bat sie höflich darum, sie in den nächsten Tagen einmal anrufen zu dürfen. „Sie wollen mich anrufen?“ rief sie erstaunt. „Mich interessiert, wie Sie Vickys Apartment einrichten. Vielleicht bekomme ich dadurch ein paar Anregungen für meine zukünftige Arbeit. In unserer Branche guckt nämlich jeder dem anderen auf die Finger, um hier und da ein paar gute Ideen zu stehlen. Hier haben Sie übrigens meine Karte, rufen Sie mich einfach an, wenn Sie Probleme haben.“ Kim bedankte sich und verließ bald darauf mit John das Restaurant. „Was für ein Abend“, rief Kim freudig aus. „Nie werde ich ihn vergessen! Erst das Abendessen mit Ihnen in diesem Restaurant und dann das Treffen mit Neil DeWitt.“ „Daß Sie mich zuerst erwähnen, schmeichelt mir immerhin. Oder hat das nichts zu bedeuten?“ schmunzelte John. „Was denken Sie von mir? Es wäre natürlich auch ohne Neil DeWitt ein wundervoller Abend gewesen.“ „Wenn ich gewußt hätte, daß Sie nur noch Augen für ihn haben, hätte ich ihn nicht an unseren Tisch gebeten.“ „Ich bin froh, daß Sie es taten. Für mich ist er doch ein Idol. Glauben Sie, er wird mich wirklich anrufen?“ „Kann schon sein, aber in Ihr Büro kommt er bestimmt nicht. Er hält sich nämlich nur in Manhattan auf. Wissen Sie eigentlich, daß er aus Brooklyn kommt?“ „Wirklich? Das ist ja ein toller sozialer Aufstieg.“ „ Da sieht man wieder einmal, daß es nicht immer davon abhängt, wo man geboren ist, sondern daß manche es auch aus eigener Kraft schaffen“, meinte John. Bald erreichten sie das Apartmenthaus, in dem Kim und Fannie lebten. „Es war ein schöner Abend“, meinte John leise. „Mir hat er rundum gefallen“, stimmte sie zu. „Wenn ich daran denke, daß Sie mich eigentlich nicht begleiten wollten. Fast hätte ich ja auch heute wieder eine Abfuhr bekommen. Darf ich Sie denn wieder einladen?“ „Natürlich, ich freue mich schon darauf.“ John stieg aus und öffnete ihr die Tür. Er war Kim beim Aussteigen behilflich und begleitete sie, einen Arm um ihre Schultern gelegt, bis zur Haustür. Als Kim die
Tür aufschließen wollte, legte er ihr beide Hände auf die Schultern und sah ihr in die Augen. „Ist das Leben nicht komisch?“ fragte er zärtlich. „Wenn ich meinen alten Chevy nicht verkauft hätte, würden wir jetzt nicht hier zusammen stehen.“ „Wem werden Sie erst begegnen, wenn Sie Ihren Sportwagen verkaufen“, lachte Kim. „Wer immer es sein wird, das ist bedeutungslos.“ Sein Gesicht war ihrem plötzlich ganz nahe, er hatte sich über sie gebeugt, um sie zu küssen. Kim war so überrascht, daß sie ihre Handschuhe fallen ließ. Als sie sich instinktiv bückte, stießen sie mit den Köpfen hart aneinander. „Au! Ihre Art, nein zu sagen, ist ganz schön schmerzhaft“, beschwerte sich John und rieb sich die Stirn. „Es tut mir leid, aber die Handschuhe sind mir heruntergefallen.“ John bückte sich und hob sie auf. „Aber dafür möchte ich jetzt eine Belohnung.“ Bevor Kim etwas sagen konnte, hatte er sie in die Arme gezogen, küßte sie leidenschaftlich. Kims Herz klopfte heftig, als sie seine warmen Lippen auf ihrem Mund spürte. Sie umarmte ihn spontan und erwiderte seinen Kuß. Es war herrlich, so im Schein der Straßenlaterne zu stehen und seine Wärme zu spüren. Er zog sie noch fester an sich und streichelte ihren Rücken. Kim überließ sich ganz dem Augenblick. Doch plötzlich spürte sie seine Hand auf ihrer Brust. Das holte sie in die Wirklichkeit zurück. Erbost riß sie sich von ihm los. „So habe ich das nicht gemeint“, rief sie verärgert, aber gleichzeitig sehnte sie sich danach, er würde ihr widersprechen. John sah sie traurig an. „Es tut mir leid. Ich wollte das gar nicht. Es ist eben so passiert. Aber darf man nicht verliebt sein?“ Er drückte ihr noch einmal die Hand und ging dann zu seinem Wagen zurück. „Bis bald.“ Kim stand noch eine Weile unschlüssig vor der Tür zu ihrem Apartment, bevor sie sie aufschloß. War das Liebe, was sie da spürte? Kim hätte es nicht sagen können. Auf jeden Fall fühlte sie sich rundum wohl. Glücklich schloß sie die Tür auf. Wann würde John sich wohl wieder melden?
4. KAPITEL Am Nachmittag des folgenden Tages klingelte bei Kim im Büro das Telefon. „Hier
spricht Scheich Abdullah. Hat die verehrte Miss Monk ein wenig Zeit, mir
behilflich zu sein? Ich möchte mein Land mit einem goldenen Teppich auslegen
und braucht dazu einen Fachmann“, sagte jemand mit verstellter Stimme.
Kim mußte sich das Lachen verkneifen, denn daß das John war, hatte sie sofort
erkannt. „Soso, Gold“, antwortete sie herablassend. „Sie armer Scheich!“
„Wieso arm? Ich bin ein reicher Scheich.“
„Das mag schon sein. Aber leider sind Sie nicht auf dem laufenden. Man nimmt
heutzutage Platin. Dieser Tip ist sogar kostenlos.“
„Das ist großzügig von Ihnen. Aber kommen wir zur Sache“, Johns Stimme klang
jetzt wieder normal. „Wieviel Honorar verlangst du für einen Abend, für eine
Verabredung mit mir?“
„Nach fünf Uhr verdreifacht sich der Preis.“
„Das ist ja geschenkt. Spielst du für den Preis auch Psychiater? Ich gehe heute
wie auf Wolken, höre Glocken läuten und Vögel singen. Was fehlt mir?“
„Ja, wenn ich das wüßte. Nimm doch mal Watte in die Ohren. Vielleicht hilft
das?“
„ Können wir uns darüber beim Abendessen ausführlicher unterhalten?“
„Klingt gut. Wann?“
„Ich könnte dich so gegen fünf Uhr abholen“, schlug John vor.
„ Ich möchte mich vorher aber noch umziehen“, antwortete Kim und blickte
kritisch an sich hinab. „Warum treffen wir uns nicht vor dem Restaurant?“
„Ich hole dich um sieben Uhr zu Hause ab. Einverstanden?“
Kim hörte, daß Johns Sekretärin ihm etwas zurief, und sie beendeten das
Gespräch.
Zu Hause entschied sich Kim für ihr blaues Wollkleid. Dazu wählte sie eine
handgearbeitete Halskette, die dem Kleid etwas Farbe verleihen sollte. Fannie
saß auf dem Bett und schaute Kim zu, die sich das Haar bürstete und das Make
up erneuerte.
„Wohin gehst du heute abend?“ fragte sie neugierig.
„John hat mich zum Abendessen eingeladen. Glaubst du, daß ich gut genug
angezogen bin? Gestern abend waren wir im ,Ambassador'.“
„Mich darfst du nicht fragen, ich wurde noch nie in ein so teures Restaurant
eingeladen“, antwortete Fannie unglücklich. „Ich finde aber, das Kleid steht dir
sehr gut.“
„ Ich werde meinen weißen Mantel überziehen“, überlegte Kim laut.
„Meinst du den Mantel, den dir deine Schwester jetzt aus Chikago geschickt hat?
Der sieht gut aus.“
„Sue bezahlt für ihre Kleidung ein Vermögen, und dann zieht sie die Sachen nur
ein paarmal an.“
Bald darauf kam John sie abholen, und sie stellte zu ihrer Überraschung fest, daß
er sehr lässig gekleidet war. Er trug eine Wildlederjacke und Jeans. Kim sah
Fannie unsicher an. Kurz entschlossen verzichtete sie auf den weißen Mantel und
nahm statt dessen ihre Winterjacke. Sie wünschte, sie hätte etwas anderes
angezogen, was besser zu Johns Aufzug gepaßt hätte.
„In welches Restaurant gehen wir denn heute abend?“ fragte sie ihn auf dem
Weg zum Auto.
„Für das Essengehen ist es leider schon zu spät. Wir müssen uns wohl mit einem
Hot dog begnügen.“
Kim dachte, sie hätte sich verhört, und guckte ihn erstaunt an.
„Oh, ich habe vergessen, dich zu warnen“, sagte er entschuldigend. „Heute möchte ich dich ins Kino einladen. Ich hoffe, daß du gern ins Kino gehst.“ „Aufweichen Film ist denn deine Wahl gefallen?“ fragte sie und ging im Geist das neueste Programm durch. „An der Universität gibt es Kinotage. Dort zeigen sie berühmte Stummfilme. Wenn wir rechtzeitig da sein wollen, bleibt gerade noch Zeit für einen Hot dog. Was hältst du von meinem Vorschlag? Wenn du von meinem Plan nicht begeistert bist, sag es bitte gleich, sonst mußt du bis zum bitteren Ende durchhalten.“ „ Eigentlich finde ich deine Idee ganz gut. Mir fällt gerade dieser Film mit Harold Lloyd ein. Die Szene, in der er sich an die Uhr klammert, kommt mir in den Sinn. Vielleicht zeigen sie den Streifen ja auch.“ John bremste plötzlich, lenkte den Wagen zum Straßenrand und sprang aus dem Auto. Offenbar hatte er eine HotdogBude erspäht, denn kurze Zeit später erschien er mit ihrem „Abendbrot“. Sie verspeisten genüßlich ihre Hot dogs, und dann ging es in Richtung Universität weiter. John kaufte dort Eintrittskarten, und sie gingen zu ihren Plätzen. Kim war glücklich, mit John zusammenzusein. So lange lebte sie ja noch nicht in New York und hatte daher noch keine Freunde außer Fannie gefunden. Es freute sie, daß endlich jemand für sie da war. Sie saßen beide Hand in Hand und lachten herzlich. Im Anschluß an die Filmvorführung gingen sie noch in eine Pizzeria. „ Du bist sehr liebenswürdig“, sagte John. „Weißt du, ich glaube, daß es sich nur schwer mit mir leben läßt. Ich muß tagein, tagaus korrekt gekleidet meine Arbeit tun. Deshalb verbringe ich meine Freizeit am liebsten in bequemer Kleidung. Das hätte ich dir erzählen sollen, denn ich sehe, daß du dich auf einen Abend in einem Restaurant eingerichtet hast. Aber der gestrige Abend im Ambassador war doch nur dazu gedacht, dich zu beeindrucken.“ Lächelnd wartete er auf ihre Reaktion. „Dein Plan hat funktioniert. Ich bin tief beeindruckt. Du brauchst dich nicht für den Kinoabend zu entschuldigen. Fannie und ich sind gar nicht an Luxus gewöhnt, wir leben ziemlich einfach. Ich finde, es ist gleich, wohin man geht, wichtig ist nur, mit wem man zusammen ist.“ „ Das ist genau meine Meinung“, stimmte John ihr zu und legte seine Hand auf ihre. „ Der Abend war sehr lustig. Nächstes Mal weiß ich, was ich anziehe.“ „Interessierst du dich für Basketball?“ „Auf dem Gebiet des Sports kenne ich mich gar nicht aus. Deswegen kann ich dazu nicht viel sagen. Aber wenn man weiß, worum es geht, ist es bestimmt ganz interessant.“ „Ich werde dir alles zum Thema Basketball erklären. Als Gegenleistung kannst du mich ja in die Geheimnisse der modernen Kunst einweihen. Das ist doch dein Hobby, nicht wahr?“ „Das hast du richtig erraten. Wo wir gerade davon sprechen: Da gibt es eine interessante Ausstellung. Wollen wir hingehen?“ „Prima, ich mag Galerien. Schon als Kind habe ich die Galerie Guggenheim geliebt. Dort auf den spiegelglatten Fußböden hätte ich zu gern meine Rollschuhe ausprobiert.“ Kim schüttelte lächelnd den Kopf. Da würde sie ihm ja noch eine Menge beibringen müssen! Am Samstag hatte John Geschäftsbesuch aus Los Angeles, und am Abend begleitete Kim ihn und seine Gäste in ein teures französisches Restaurant. Das Essen schmeckte hervorragend, allerdings wäre sie lieber mit John allein
gewesen. Als er sie spät abends nach Hause brachte, meinte er: „Da siehst du, wie leicht solche Essen den Reiz verlieren, wenn man sie schon aus geschäftlichen Gründen geben muß.“ „Mach dir nichts daraus, morgen kannst du deine Jeans wieder anziehen, und dann unternehmen wir etwas, wozu wir beide Lust haben“, sagte Kim fröhlich. „Das geht leider nicht. Morgen muß ich nach Albany fahren und dort etwas erledigen. Dienstag bin ich aber wieder zurück.“ Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Kim wußte gar nicht, worauf sie sich mehr freuen sollte: auf die Arbeit oder auf die Abende mit John. Sie war mir Mrs. Lakers Apartment schon weit gekommen. Der Glaser hatte die Spiegel angebracht und der Maler die letzten Pinselstriche getan. Jetzt war es Kims Aufgabe, sich endgültig für bestimmte Möbel zu entscheiden. Noch einmal ging sie durch die Ausstellungsräume von D & D und suchte Bilder, Teppiche und Gardinen aus. Es war ein schönes Gefühl, als Käufer hier zu sein. Sie handelte fachmännisch Prozente aus, diskutierte Lieferfristen und gab endgültig ihre Bestellung auf. Abends traf sie sich mit John. Sie gingen ins Kino, sahen sich ab und zu Basketballspiele an und aßen Hot dogs, Pizza oder geröstete Kastanien. Einige Male besuchten sie Nachtlokale und tanzten nach Jazzmusik. John nahm sie auch noch einmal zu einem Geschäftsessen mit. Am Wochenende gingen sie Hand in Hand durch Galerien und Museen, aber es gelang Kim nicht, John davon zu überzeugen, daß moderne Kunst schön sei. Sie sprachen ab und zu auch über Vicky Lakers Apartment, und Kim bat John ein paarmal, sie dorthin zu begleiten. Was für ein Typ mochte Vicky Laker wohl sein? „Wie sieht sie denn aus?“ fragte Kim. „Hoffentlich paßt das rosa Sofa – oder hat sie rote Haare?“ „Nein, sie hat rabenschwarzes Haar“, war die Antwort. „Ist sie groß und schlank? Die zierlichen Möbel würden sonst vielleicht nicht zu ihr passen.“ „Vicky ist so groß wie du, vielleicht etwas schlanker.“ Diese spärlichen Auskünfte schienen seiner Ansicht nach zu genügen. Mit der Zeit bekam Kim eine Vorstellung von Vicky Laker. Sie schien eine elegante junge Dame mit schwarzem Haar und dunklen Augen zu sein, dazu war sie offenbar weltoffen und selbstbewußt. So wählte Kim ohne Umschweife für sie das Modernste, Teuerste und Eleganteste. Es wurde eine Wohnung, in der sich manch einer aus der New Yorker High Society wohl fühlen würde. John sah sie sich an und versicherte, Vicky könne nur begeistert sein. „Das Einrichten bringt mir so viel Spaß, daß ich mich eigentlich schämen müßte, dafür auch noch Geld zu verlangen“, sagte Kim eines Tages zu John. „Du opferst deine Zeit und zeigst, was du kannst. Es gibt wohl niemanden, der das umsonst machen würde.“ „ Eigentlich ist es ja komisch, daß manche Leute ihre Wohnung nicht selbst einrichten. Ein Apartment ist doch etwas ganz Persönliches, wie zum Beispiel die Kleidung. Obwohl ich davon lebe, verstehe ich nicht, daß nicht jeder sein Heim selbst einrichtet.“ „Nun, manchmal fehlt den Leuten vielleicht die Zeit dafür? Vielleicht haben sie auch einen schlechten Geschmack? Aber glaub nicht, daß deine Arbeit in Zukunft immer so leicht sein wird. Dein nächster Kunde könnte unausstehlich sein und alles ablehnen, was du aussuchst.“ „Da hast du recht, also werde ich mein Glück genießen.“
„Ich weiß, daß du das tust“, sagte er und sah Kim nachdenklich an. Ihr wurde heiß unter seinem fordernden Blick, und Verlangen überkam sie. „ Jeden Morgen beim Aufwachen fühle ich mich himmlisch. Es ist so, als hätte ich jeden Tag Geburtstag. Ich freue mich außerdem auf die Abende mit dir…“ Unsicher brach Kim ab und sah John scheu an. „Geht es dir auch so? Es war ein phantastischer Frühling, nicht wahr?“ Spontan trat er auf sie zu und schloß sie in die Arme. „ Phantastisch ist gar kein Ausdruck.“ Kim überließ sich ganz seiner zärtlichen Umarmung, und John küßte sie auf die Stirn. Sie standen eine Weile ganz versunken da, dann löste sie sich von ihm, und sie verließen das Apartment. Einige Tage später traf Kim Neil DeWitt durch Zufall wieder. Er hatte doch nicht angerufen, und ihr hatte dazu der Mut gefehlt. Neil verließ gerade das Fachgeschäft für Wandvertäfelungen, das sie aufsuchen wollte. Er erkannte sie sofort wieder. „O Miss Monk. Was für ein Zufall! Ich habe schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich nicht angerufen habe. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich Ihre Telefonnummer verlegt habe. Wie heißt Ihre Firma eigentlich?“ Kim nannte ihm den Namen, und er meinte: „Ich habe mein Atelier Kismet genannt, und das nicht ohne Grund. Kismet kommt aus dem Arabischen und bedeutet Schicksal. Meine Kunden geben in gewisser Weise ja auch ihr Schicksal in meine Hände, nicht wahr?“ „Ich habe mich schon gefragt, was das wohl bedeuten könnte.“ Kim freute sich, daß ihr großes Vorbild Neil DeWitt mit ihr eine Art Kollegengespräch führte. „Ich habe hier noch Holzvertäfelungen für ein Haus in Boston gesucht“, ließ er sie wissen. „Es widerstrebt mir zwar, Vertäfelungen, die besser in einen englischen Landsitz gepaßt hätten, in dem Arbeitszimmer eines Doktors anbringen zu müssen, aber ich tue es auf seinen Wunsch trotzdem. Dieser Einrichtungsstil paßt überhaupt nicht zu seinem Haus“, seufzte Neil. „Ich bin überrascht zu hören, Mr. DeWitt, daß Sie auch Aufträge ausführen, die Ihnen eigentlich gar nicht gefallen“, wunderte sich Kim. „Ich habe lange genug auf ihn eingeredet, aber er war nicht einsichtig. Am Ende habe ich an die Provision gedacht und ihm nachgegeben. Schließlich muß er sich dort wohl fühlen. Übrigens, nennen Sie mich doch Neil. Wie kommen Sie denn mit Vicky Lakers Apartment voran?“ „Ich finde, daß es mir recht gut gelingt, und John ist der gleichen Meinung. Aber wie Mrs. Laker reagieren wird, weiß ich natürlich nicht. In zehn Tagen kommt sie nach New York zurück, und dann wird sie dort einziehen.“ „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mitkomme und mir das Apartment einmal ansehe? Ich kenne Vicky sehr gut und kann Ihnen bestimmt ein paar Tips geben. Wird John auch in der Wohnung leben?“ „Bestimmt nicht, zumindest hat er das nicht erwähnt“, meinte Kim etwas verunsichert. Sie hatte natürlich auch zuerst geglaubt, John und Vicky seien ein Paar, doch nach den schönen Wochen, die sie mit John verlebt hatte, waren ihr diese Gedanken absurd erschienen. „Aha, da habe ich also doch den Nagel auf den Kopf getroffen“, lachte Neil selbstzufrieden. „Zuerst war ich mir nämlich nicht sicher, wie Sie zu John stehen.“ Kim begriff, daß er sie hatte auf die Probe stellen wollen, und verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, ob John vielleicht in Vicky verliebt war. „John und ich sind gute Freunde“, ließ sie Neil wissen. „Möchten Sie jetzt gleich mit ins Apartment kommen, oder sind Sie dafür zu beschäftigt?“ „ Zu tun habe ich immer, aber man muß auch mal abschalten können. Lassen Sie
uns also gleich gehen. Wir müssen uns allerdings ein Taxi rufen, denn ich bin ohne Auto hier.“ Auf dem Weg zum Apartment steigerte sich Kims Nervosität immer mehr. Was würde ihr großes Vorbild wohl zu ihrer Arbeit sagen? Sie erklärte ihm, daß die Einrichtung noch nicht vollständig sei. Was er sehen würde, wäre nur der Anfang. Viele Möbel würden erst in den nächsten Tagen geliefert werden. „Das ist eine gute Idee, die Spiegel hier im Flur“, sagte Neil, als sie das Apartment betraten. „Eigentlich verabscheue ich verspiegelte Wände, aber in diesem engen Flur ist das akzeptabel. In Dr. Smileys Flur durfte ich übrigens keinen Spiegel anbringen, seine Frau wollte das nicht. Können Sie sich so etwas vorstellen?“ Neil sah sich alles genau an, als Kim ihn durch die Räume führte. Für das Wohnzimmer hatte sie eine zartrosafarbene Tapete mit kleinem Muster gewählt. Die Brokatvorhänge an den Fenstern waren farblich passend auf die Tapete abgestimmt. Auf dem Parkettfußboden lagen zwei sehr schöne Teppiche, auch das Sofa sowie der Tisch und einige Stühle waren schon geliefert. Neil betrachtete jede Einzelheit sehr genau, von Zeit zu Zeit nickte er zustimmend. Er zeigte zwar nicht gerade helle Begeisterung, schien aber mit der Einrichtung zufrieden zu sein. „Was halten Sie von meiner Idee, impressionistische Bilder aufzuhängen?“ fragte Kim ihn. „Ja, das wäre nicht schlecht. Vicky besitzt sogar einen Renoir und einige Monets. Sie werden sehr gut hierher passen“, stimmte er zu. „Sagen Sie ihr, sie soll die Bilder neu rahmen lassen, falls sie immer noch diese Messingrahmen haben.“ „John hat mir schon von den Bildern erzählt“, nickte Kim glücklich, daß ihr großes Vorbild mit ihrer Arbeit zufrieden war. Neil öffnete nun die Badezimmertür. „Das gefällt mir sehr gut. Aber vielleicht hätten Sie die Kacheln auch erneuern lassen sollen. Es gibt da doch heutzutage sehr interessante Dessins.“ „ Da haben Sie recht. Ich hätte gern mehr aus dem Bad gemacht, aber mir fehlt die Zeit, Vicky kommt ja schon bald wieder.“ „Wenn ich mir Ihre Einrichtung so ansehe, wird mir bewußt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Ich glaube, ich muß Sie öfter mal treffen, Kim, um mir bei Ihnen etwas abzugucken. Dem berühmten Neil DeWitt können ein paar Nachhilfestunden nicht schaden, stelle ich fest.“ Langsam gingen sie weiter bis zum Schlafzimmer. „ Ich sehe, daß Sie nicht der Versuchung erlegen sind, diesen Raum im üblichen Sinne einzurichten. Wie oft fällt sogar erfahrenen Innenarchitekten nichts anderes ein als französische Betten und langweilige Spiegelschränke. Woher haben Sie denn den korbgeflochtenen Toilettenschrank? Der ist ja aufregend. Ich finde, daß das Bett mit dem Messingrahmen sehr gut zu den Korbmöbeln paßt. Diese Zusammenstellung wirkt auf den ersten Blick zwar etwas gewagt; aber je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt sie mir.“ „Ich habe mich gleich in das Bett verliebt. Es ist eine Antiquität“, erzählte Kim ihm. „Auch ich dachte zuerst, es würde nicht zum Toilettenschrank passen, und wollte es deshalb ins Gästezimmer stellen. Dann habe ich es aber ausprobiert und festgestellt, daß es mit den Korbmöbeln harmoniert. Allerdings werde ich noch einige Grünpflanzen in den Raum stellen.“ Kim sah Neil an und war gespannt auf seine Reaktion. „Darf ich Ihnen einen Tip geben?“ meinte er. „Sie dürfen sich nie für Ihre Entscheidungen entschuldigen. Wenn Ihr Kunde mit der Einrichtung nicht einverstanden ist, sehen Sie ihn verständnislos an. Er muß denken, daß er es
eigentlich gar nicht verdient, daß Sie für ihn arbeiten. Bei mir funktioniert dieser Trick hervorragend“, meinte er, während er zum Bett hinüberging und die Matratze mit dem Zeigefinger prüfte. „ Ich habe mir um Mrs. Lakers Meinung bisher noch keine Gedanken gemacht, es war Ihr Urteil, vor dem ich Angst hatte, Neil.“ Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, dieses Kompliment gefiel ihm offensichtlich. „Ich bin nicht so übel, wie Sie denken, Kim. Wollen Sie einmal ein schlecht eingerichtetes Apartment sehen? Dann kommen Sie mit. Vor kurzem stattete ich das Penthouse der Folkers aus. Es befindet sich auch hier im Gebäude. Ich habe noch die Schlüssel, denn die Eigentümer sind gerade in Europa. Für das Aussehen dieses Apartments übernehme ich wirklich keine Verantwortung. Die Folkers hatten eine Menge Möbel und andere Dinge, auf die sie auf keinen Fall verzichten wollten. Jetzt sieht die Wohnung für meine Begriffe aus wie ein riesiger Basar. Es liegt und steht alles durcheinander. Ich hätte das wohl nicht zulassen dürfen, aber wenn man älter wird, bekommt man den täglichen Kampf mit den Kunden langsam satt.“ Sie verließen Vickys Apartment und bestiegen den Fahrstuhl. Die Wohnung, die Kim und Neil gleich darauf betraten, war sehr düster. Das wurde durch die dunklen Tapeten noch betont. An den Wänden hingen Souvenirs aus aller Herren Länder. Auch die großzügige Beleuchtung, die Neil einschaltete, nahm den Räumen nicht den überladenen Eindruck. „Ich konnte sie nicht überreden, sich von ihren Mitbringseln zu trennen, so mußte ich sie irgendwie unterbringen,“ verteidigte sich Neil und zeigte auf verschiedene Wandschränke, die mit griechischen und römischen Statuen überladen waren. Die Beleuchtung war so geschickt angebracht, daß die Schränke ganz im Dunkeln standen. „Ich befürchte aber, daß die Folkers sofort zusätzliche Lampen anbringen, wenn sie wiederkommen“, stöhnte er. „Nun, wie finden Sie sonst die Einrichtung?“ Kim störte sich eigentlich nicht daran, daß der Raum viel persönliche Dinge enthielt. Vorsichtig meinte sie: „Wenn ich die Einrichtungen sehe, die in den Journalen abgebildet sind, wundere ich mich, wie die Leute dort eigentlich leben. Es gibt keine Bücher, keine Zeitschriften, keine Pflanzen, all das macht eine Wohnung doch erst gemütlich.“ Neil DeWitt gab ihr recht. „Wenn Sie es so sehen, kann man in diesem Raum sicher gut wohnen. Genug Schnickschnack steht jedenfalls herum.“ „Ich erinnere mich gut an Ihr Buch. Ihre Ratschläge versuche ich weitestgehend zu berücksichtigen“, meinte Kim. „Ich werde Ihnen mein neuestes Buch zusenden, wenn es erschienen ist“, versprach Neil. „Ich glaube, Kim, daß Sie das Zeug zu einer guten Innenarchitektin haben. Ich verteile solche Komplimente selten, aber wenn ich sie mache, sind sie ernst gemeint. Vielleicht werde ich Ihnen bald einen kleinen Auftrag überlassen, denn ich habe häufig zuviel zu tun. Wir werden uns bestimmt bald wiedersehen, Kim. Grüßen Sie John von mir.“ Nachdenklich ging Kim nach Hause. Ob er ihr ernstlich eine Zusammenarbeit vorgeschlagen hatte? Kim war am Abend wieder mit John verabredet. Wohin würde er sie wohl ausführen? „Bloß keine Abendkleidung“, war sein einziger Kommentar gewesen. „ Hallo, Fannie“, begrüßte sie die Freundin. „Was machen du und Joe heute abend?“ „Joe muß bis neun Uhr arbeiten. Er hat mich gebeten, noch ein paar Briefe für ihn zu tippen“, meinte Fannie und zeigte auf die Schreibmaschine, die auf dem
Tisch stand. In der letzten Zeit gehörte das Briefeschreiben für Joe zu Fannies
Aufgaben. „Und du und John? Was macht ihr?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, erwiderte Kim und erzählte Fannie von
ihrem Treffen mit Neil DeWitt.
„Du hast es vielleicht gut“, meinte Fannie mit einem wehmütigen Blick auf die
Schreibmaschine.
„Ich weiß gar nicht, warum du diesen Joe Belanger dann nicht davonschickst.“
Kim ärgerte sich schon geraume Zeit darüber, daß Fannie sich offensichtlich von
Joe ausnutzen ließ. „Er lädt dich nirgendwohin mehr ein, statt dessen erledigst du
hier Abend für Abend seinen Schreibkram. Wo ist denn nun der Millionär, den du
heiraten wolltest?“
„Den hast du ja bekommen“, sagte Fannie schmollend.
„Vielleicht hat John einen Freund. Soll ich ihn mal danach fragen?“
„Ich werde darüber nachdenken. Ach, da fällt mir gerade etwas ein: Deine
Schwester Betty hat sich gemeldet. Du möchtest zurückrufen.“
Kim hatte ein schlechtes Gewissen, die Schwester in der letzten Zeit
vernachlässigt zu haben. Seit sie sich regelmäßig mit John traf, war sie nicht
mehr zu ihr gefahren. Auf der einen Seite wollte sie John am Wochenende nicht
allein lassen, aber auf der anderen Seite war da Betty mit ihrem Schicksal.
Also rief sie sie an und versprach nach einigem Zögern, sie am Wochenende zu
besuchen. Vielleicht würde John sie am Sonntag bei Betty abholen.
„Du hast vielleicht Glück“, sagte Fannie, als sie am Tisch saßen und
Gemüseauflauf aßen, ein Gericht, das sich Fannie vor kurzem ausgedacht hatte. „
Du verdienst seit neuestem Unmengen von Geld in deinem Beruf, und du hast
John, der fast jeden Abend mit dir ausgeht. Betty wird bestimmt ganz schön
neidisch sein.“
Kim lächelte, weil sie genau wußte, daß Fannie diejenige war, die sie beneidete.
„Bald wird er dich wohl fragen, ob du ihn heiraten willst. Dann wirst du in einem
tollen Apartment wohnen und zu den Premieren am Broadway gehen“, fuhr
Fannie seufzend fort.
„Bisher wurde von Heirat noch nicht gesprochen“, stellte Kim nüchtern fest.
„ Das kommt noch, glaub es mir. Dann werde ich wohl hier ausziehen müssen,
da ich das Apartment nicht allein finanzieren kann. Joe würde hier ja einziehen,
aber wenn meine Mutter das erfährt…“ Sie brach ab und schüttelte den Kopf.
„Wenn Joe nur eine lose Beziehung sucht, frage ich mich, warum du ihn nicht
schon lange fallengelassen hast.“
„Das weiß ich auch nicht: Jemanden wie Joe hätte ich schließlich auch zu Hause
in Kanada heiraten können. Deswegen bin ich doch nicht hergekommen. Ach, ich
weiß auch nicht, was daraus noch werden soll.“
„O Fannie, du gehst das alles falsch an. Ich befürchte, so lernst du keinen
reichen Mann kennen.“ Es tat Kim leid, daß Fannie so niedergeschlagen war.
„Dafür hast du es geschafft. Verrate mir deinen Trick. Wie bist du an John
herangekommen?“
„Du hast ihn mir selbst vorgestellt, das weißt du doch.“
„Ist das nicht ungerecht? Ich strenge mich an, und du bekommst meinen
Idealmann“, schimpfte Fannie und schob ihren Teller beiseite. „Bitte frag John
heute abend, ob er jemanden weiß, der mit mir ausgehen würde.“
„Das mache ich gern. Er kennt bestimmt sehr viele wohlhabende Männer.“
Kim erledigte schweigend den Abwasch, während sich Fannie an die
Schreibmaschine setzte. Eigentlich hatte Kim Gewissensbisse, Fannie so
unglücklich zurückzulassen. Ihr eigenes Leben verlief seit neuestem aufregend
und zufrieden, da wollte sie Fannie an ihrem Glück teilnehmen lassen.
Als John kam und sie im Hausflur zur Begrüßung küßte, verflogen all ihre düsteren Gedanken. Das Zusammensein mit ihm war schöner als alles, was sie je zuvor erlebt hatte. Sie konnte ihn aus ihrem Leben gar nicht mehr wegdenken.
5. KAPITEL „Rate mal, wen ich heute getroffen habe“, fragte Kim, als John und sie zum Auto
gingen.
„Hast du den Präsidenten der Vereinigten Staaten getroffen?“ John lächelte
verschmitzt.
„Du nimmst mir den Wind aus den Segeln, schäm dich! Ich habe den König der
Innenarchitekten getroffen: Neil DeWitt. Wir sind zu Mrs. Lakers Apartment
gefahren, und er war ganz begeistert von meiner Arbeit. Ist das nicht schön? Er
meint, ich besitze Talent“, rief Kim freudig.
„Das ist genau meine Meinung“, erklärte John vergnügt. „Aber ich wußte gar
nicht, daß Neil einen so guten Geschmack hat.“
„Sein Geschmack ist hervorragend. Er versprach sogar, mir einen Teil seiner
Aufträge in Zukunft zu überlassen. Ob er das ernst meinte?“
John startete den Motor und fuhr los. „Warum nicht? Übrigens, hast du Lust, mit
mir nach Kalifornien zu fliegen? Morgen geht es allerdings schon los.“
„Morgen schon? Warum muß es denn so plötzlich sein?“ fragte Kim.
„Es haben sich da geschäftliche Probleme ergeben. Ich werde etwa eine Woche
bleiben“, sagte John und sah sie fragend an. Kim schmiegte sich an ihn und legte
den Kopf an seine Schulter. „Ich kann dich leider nicht begleiten. Mrs. Laker
kommt doch bald zurück, und ich muß noch eine Menge erledigen“, wandte sie
ein.
„Das habe ich mir schon gedacht“, meinte er enttäuscht.
„Dann hast du mich trotzdem gefragt?“
„Ach, es war eben nur so eine Idee. Es wartet sowieso viel Arbeit in Kalifornien
auf mich. Aber ich lasse dich ungern allein.
Solche Männer wie Neil DeWitt warten doch nur darauf, daß man seine Freundin
schutzlos zurückläßt.“
Kim lachte laut über den Gedanken, sie könne etwas mit Neil DeWitt anfangen.
„Neil ist ein alter Mann und außerdem nicht mein Typ.“
„Was hat das mit dem Alter eines Mannes zu tun, ob man gern junge Frauen
verführt“, belehrte John sie.
„An so was denkt er bestimmt nicht. Unsere Beziehung ist rein geschäftlich.“
„Nur geschäftlich? Es ist nur ein Gedankenaustausch über neue
Einrichtungsstile?“
„Genau das ist es. Wohin fahren wir heute, John?“
„Hast du vielleicht Lust zu einer Bootsfahrt?“ meinte er. „Es ist ja nicht mehr so
kalt. Warst du schon einmal auf Staten Island?“
„Nein, ich muß dir auch gestehen, daß ich noch nie auf dem Empire State
Building oder auf der Freiheitsstatue war.“
„Ich kann dir auch keins dieser Touristenziele empfehlen. Du kannst dir gar nicht
vorstellen, welche Menschenmassen dir dort begegnen würden. Aber eine Fahrt
mit der Fähre nach Staten Island sollte man schon einmal machen.“
„Wo legt die Fähre denn ab?“
„In der Nähe vom Battery Park. Diese Fahrt soll sehr schön sein, und es gibt
dort, wie man mir sagte, kaum Touristen.“
„Ich mache mir übrigens Sorgen um Fannie“, meinte Kim. „Weißt du, wie sie den
heutigen Abend verbringt? Sie sitzt zu Hause und schreibt Briefe für Joe. Oh, da
fällt mir etwas ein. Sie läßt dich fragen, ob du vielleicht jemand kennst, der mal
mit ihr ausgeht. Wenn du aus Kalifornien wiederkommst, könnten wir dann zu
viert einen Abend verbringen“, schlug Kim vor.
„Will sie sich von Joe trennen?“ fragte er überrascht.
„Ich habe es ihr geraten. Er ist ein Angeber und nutzt sie nur aus.“ Kim tat es leid, daß Fannie nach ihrem langen Arbeitstag nun noch stundenlang an der Schreibmaschine sitzen würde. „Ich fand ihn eigentlich ganz nett. Was Fannie betrifft, die mag ich auch, aber… Oh, was stand da eben auf dem Wegweiser?“ Sie setzten ihre Unterhaltung nicht fort, sondern konzentrierten sich darauf, den Weg zur Fähre zu finden. Damit war auch das Thema Fannie erledigt. Schade, Kim hätte eigentlich gern gewußt, wie John über ihre Freundin dachte. Irgend etwas an ihr schien ihm nicht zu gefallen. Vielleicht hatte Joe ihm von der Junggesellenliste erzählt. Sicher, es war Fannies Traum, einen Millionär zu heiraten, doch sie würde gar nicht in diese Gesellschaftsschicht passen. Das galt für sie, Kim, natürlich genauso. Mit John kam sie ja auch nur deshalb so gut zurecht, weil sie beim Hotdog und Popcornessen vergaß, daß er einen ganzen Konzern leitete. Die Nacht war kühl, und als sie mit John auf die Fähre wartete, vergrub Kim die Hände tief in den Manteltaschen. Schade, daß sie ihren Schal nicht mitgebracht hatte. Aber nachdem die Fähre abgelegt hatte, konnte sie ihre Begeisterung nicht unterdrücken. Sie standen am Achterdeck und blickten auf die Lichter der Stadt, die sie immer weiter hinter sich zurückließen. Der Himmel war tief schwarz und mit Sternen übersät. Das Boot glitt jetzt an einer nur spärlich beleuchteten Insel vorbei, an Ellis Island. „Bis Mitte der 50er Jahre betraten hier die Einwanderer zum erstenmal amerikanischen Boden“, erklärte John. „Mich würde interessieren, wie viele Tausende es wohl gewesen sind.“ „Was sie als erstes sahen, war dann ja die Freiheitsstatue mit ihrer großen Fackel.“ Kim sah zur LibertyInsel hinüber, wo die Statue stand. Ein Kälteschauer lief ihr über den Rücken. „Frierst du?“ fragte John besorgt. „Ja, der Wind ist ziemlich kalt.“ Fürsorglich stellte John sich hinter Kim und legte die Arme wärmend um sie. Beide sahen sie schweigend zur Statue hinüber. Die Überfahrt dauerte nur zwanzig Minuten, aber in diesen Minuten fühlte sich Kim John so nahe wie nie zuvor. Auf der Rückfahrt genossen sie es, wie sich die Lichter von Manhattan näherten. Kim war glücklich, daß John diesen kleinen Ausflug mit ihr unternommen hatte. Doch als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war Kim ziemlich durchgefroren, und so steuerten sie das erstbeste Restaurant an. „Die Einwanderer besaßen Mut“, meinte John nachdenklich. „So einfach ein neues Leben in einem unbekannten Land zu beginnen, das ist schwierig. Wir haben es doch viel einfacher.“ „Da muß ich dir recht geben, jedenfalls soweit es dich betrifft“, lachte Kim. „Für mich ist das Leben nicht so einfach wie für dich. Erst als ich dich traf und deinen Auftrag bekam, ging es bergauf. Viele Leute müssen hart kämpfen, um sich am Leben zu erhalten. Die unterscheidet nichts von den Einwanderern.“ Kim erzählte John nun von Betty, ihrer Schwester, und daß sie plane, sie über das Wochenende in Chikago zu besuchen. „Schade, daß ich nicht bei dir sein kann, aber so weiß ich wenigstens, daß du am Wochenende in sicheren Händen bist. Ich muß ja sonst Angst haben, daß Neil die Gelegenheit nutzt und dich mir ausspannt.“ „Du weißt doch, daß unsere Beziehung rein geschäftlich ist. Es wäre natürlich schön, durch ihn Aufträge zu bekommen. Wenn Mrs. Lakers Apartment fertig ist, muß ich mich doch nach weiteren Kunden umsehen.“
„Wenn Vicky zufrieden ist, wird sie dich mit Sicherheit weiterempfehlen.“ John
schien auf Neils Zusicherungen nicht allzuviel zu geben.
„Morgen um neun werden noch ein paar Möbel für das Apartment geliefert“,
meinte Kim. „Ich muß ziemlich früh aufstehen und würde jetzt gern gehen,
John.“
„Es ist noch gar nicht so spät“, rief er erstaunt und sah auf die Uhr.
„Wir haben doch nichts anderes mehr vor?“
„Habe ich durch irgend etwas den Abend verdorben? Vielleicht hältst du mich für
genauso langweilig wie Joe? Möchtest du auch mit mir Schluß machen?“ John
schüttelte traurig den Kopf. „Wozu hast du denn noch Lust? Möchtest du tanzen
gehen, etwas trinken, Musik hören? Oder“, sagte er überschwenglich, „chartern
wir ein Flugzeug und fliegen nach Paris?“
„John, ich will mich doch nicht beschweren! Der Abend war sogar besonders
schön. Aber nach einer solchen Bootsfahrt kann alles andere eben nur langweilig
sein. Was ist denn heute abend mit dir los? Du bist so griesgrämig.“
„Das liegt wohl daran, daß ich dich nun eine Woche lang nicht mehr sehen
werde. Wie wäre es, wenn wir beide noch auf einen Schlummertrunk zu mir
fahren?“ schlug John vor.
Nun waren sie drei Wochen zusammen, und es war das erste Mal, daß er einen
solchen Vorschlag machte. Ohne zu zögern, stimmte Kim zu.
„Wir hätten gleich zu mir fahren sollen, statt in dieses Restaurant zu gehen“,
meinte John mit einem Blick auf seine Umgebung.
„Warum hast du mich nicht früher in deine Wohnung eingeladen?“
„Ich dachte, du würdest mich dann für einen Wüstling halten“, gab er offen zu.
„Außerdem hatte ich Angst, du würdest nein sagen.“
John bat um die Rechnung und zahlte. Auf der Theke stand die Sammelbüchse
irgendeines Wohltätigkeitsvereins. Der Spender durfte sich eine der kleinen roten
Plastikblumen nehmen, die dort auslagen. „Ich habe dir noch nie Blumen
geschenkt, nicht wahr?“ fragte John.
Er steckte einen Geldschein in die Büchse und gab Kim eine der Blumen. „Ich
hoffe, du erkennst den guten Willen.“ Dabei lächelte er sie verliebt an. Kim
mußte das Verlangen unterdrücken, ihn gleich hier im Restaurant zu küssen.
„Die Blumen hast du aber teuer bezahlt. So etwas kostet sonst nur ein paar
Cents. Ich freue mich darüber sehr.“
Sie fuhren durch die Nacht zu Johns Wohnung, die sich am Rande des Central
Parks befand. John schloß die Tür auf und ließ Kim eintreten. Es überraschte sie,
daß er sein Apartment so wohnlich eingerichtet hatte. Alles war geschmackvoll
aufeinander abgestimmt, ein SteinwayKlavier stand im Wohnzimmer, und alle
Bilder an den Wänden schienen Originale zu sein. Kurz, es war ein sehr
gemütliches Zuhause, und Kim fühlte sich in dieser Umgebung wohl.
„Deine Wohnung gefällt mir gut. Das habe ich gar nicht erwartet.“
„Nein? Was dachtest du denn, wie es hier aussehen würde?“
„Na ja, du bist ein reicher Junggeselle, ich habe bei dir einen auffälligeren Stil
vermutet.“
„Ich bin doch kein Playboy! Abgesehen davon wohnten hier schon meine Eltern,
wenn sie sich in New York aufhielten. Mein Vater hatte oft hier zu tun, und meine
Mutter wollte ihn dann nicht allein lassen. Die Einrichtung ist nicht geändert
worden.“ John hob die Schultern. „Meine Mutter meint allerdings, wir sollten das
Apartment einmal neu ausstatten. So, wie wäre es mit einem Drink?“
„Fannie und ich trinken eigentlich nur Wein. Aber es wäre schade, eine ganze
Flasche nur für uns zu öffnen. Die schaffen wir doch nicht.“
„Ach, das weiß man nicht. Wir können uns ja anstrengen.“
Kim fühlte sich bei John auf Anhieb wie zu Hause. Während er in die Küche ging,
legte sie eine Platte auf und nahm sich eins von den Magazinen, die auf dem
Tisch lagen.
John kam bald zurück ins Wohnzimmer und schenkte Wein ein.
„Auf uns“, meinte er und stieß mit Kim an.
„Darauf trinke ich gern“, sagte Kim. „Du lebst hier ganz allein in der riesigen
Wohnung, nicht wahr?“
„Ja, aber zweimal in der Woche kommt meine Putzfrau, sie bringt die sechs
Zimmer in Ordnung. Meine Mutter brachte damals oft Freundinnen zur
Gesellschaft mit nach New York, deshalb nahmen sie die große Wohnung.“
„Wo lebt deine Mutter überhaupt, hier in New York?“
„Nein, wir besitzen ein Haus in Connecticut. Mutter war zuletzt vor einer Woche
hier“, bemerkte John. „Sie mußte zum Zahnarzt. Da sie den Ärzten in
Connecticut nicht traut, kommt sie deswegen immer nach New York.“
„Ich hätte sie gern kennengelernt.“
„Das können wir nachholen“, versprach John. „In ungefähr einer Woche wird sie
wieder hier sein. Im Frühling kommt sie immer für einige Wochen nach New
York, um Freunde zu besuchen und einzukaufen. Ich werde sie dir dann
vorstellen.“
Sie tranken gemütlich ihren Wein, und John setzte sich nach einer Weile neben
Kim auf das Sofa und legte den Arm um ihre Schultern.
„Es ist jetzt aber wirklich spät“, meinte sie und blickte nervös auf die Kaminuhr.
„Ich wußte, daß du so reagieren würdest“, seufzte John. „Erst als ich den Arm um
dich legte, fiel dir die Uhrzeit ein“, sagte er leicht verärgert.
„Die schönen Stunden vergehen eben wie im Flug“, antwortete Kim und rückte
etwas von ihm ab. „Warum bestellst du mir nicht ein Taxi, du brauchst mich ja
nicht nach Hause zu bringen?“
„Es gibt eine noch viel bessere Lösung. Warum bleibst du nicht einfach bei mir?“
Er war ganz ernst geworden.
„Fannie würde sich Sorgen machen“, rechtfertigte sich Kim. In der Eile fiel ihr
nichts Besseres ein.
„Meinst du wirklich? Wir kennen uns doch jetzt schon drei Wochen und sind fast
jeden Abend miteinander ausgegangen.“ John rückte näher an sie heran und zog
sie an sich. Ihre Lippen waren nur wenig voneinander entfernt, und Kim hielt den
Atem an. Sie konnte es geradezu spüren, wie es sie zueinander hinzog.
„Ich weiß nicht…“ Weiter kam Kim nicht, denn er berührte ihre Lippen mit seinen
und drückte sie fest an sich.
Sein Kuß wurde immer verlangender. Auch Kim wurde von Leidenschaft erfaßt,
und sie versuchte vergeblich, einen klaren Gedanken zu fassen. Auf keinen Fall
hätte sie hierherkommen dürfen. Das mußte er ja direkt als eine Einwilligung
auffassen.
Wollte John sie wirklich seiner Mutter vorstellen? War sie ihm denn tatsächlich so
wichtig?
John streichelte ihren Nacken. Während sie sich noch voller Leidenschaft küßten,
glitten seine Hände zu ihren Brüsten. Kim erschauerte. Sie wollte und konnte sich
nicht mehr wehren.
War das die große Liebe? Kims Gedanken überschlugen sich.
Johns Hand lag auf ihrer Brust, und er blickte sie zärtlich und fragend an. Sollte
sie ihm nachgeben?
Kim überließ sich willig seiner Berührung und seiner Sinnlichkeit. Er fuhr ihr über
den Bauch und öffnete endlich behutsam den obersten Knopf ihrer Jeans.
Mit letzter Anstrengung löste sie sich von ihm. „John, nicht!“ flüsterte sie, ohne
ganz überzeugt zu sein. Er brauchte einen Augenblick, um wieder in die
Wirklichkeit zurückzukommen.
„Liebling, sei doch nicht so…“ bat er verlangend, zog sie wieder in die Arme und
küßte sie von neuem. Da gab Kim nach, schloß die Augen und ließ sich einfach
treiben. Sie meinte, im siebenten Himmel zu sein, es war ein Himmel voller
Leidenschaft und Liebe. Sie faßte unter Johns Hemd, um seine nackte Haut zu
spüren.
John drückte sie sanft hinunter, bis ihr Kopf auf dem Sofakissen ruhte. Dann
knöpfte er sein Hemd auf, den Blick dabei fest auf ihr Gesicht gerichtet. Weil er
sah, daß sie einverstanden war, lächelte er.
„Warum passiert es erst jetzt?“ sagte sie mehr zu sich selbst als zu John.
„Ich wollte, daß wir uns beide sicher sind“, meinte er. „Wir sind es doch?“ Er hielt
inne und wartete auf die Antwort.
„Was meinst du damit?“ fragte sie vorsichtig. „Daß wir uns lieben?“
Darauf gab John ihr keine Antwort. Er sah sie unverwandt an, während er sein
Hemd achtlos auf den Boden warf. Sie richtete sich auf, umfaßte ihn mit beiden
Armen und schmiegte sich an ihn. Zärtlich fuhr John ihr durch das Haar.
„Hast du Zweifel?“ fragte er.
„Ich weiß nicht genau. Liebst du mich wirklich?“ Irgendwie fiel es ihr schwer,
diese Frage zu< stellen.
Er sah sie voller Verlangen an, aber bevor er antworten konnte, hörte man das
Telefon. Sie ließen es eine Weile klingeln, dann nahm John seufzend den Hörer
ab.
„Hallo, John, hier spricht Mutter“, hörte Kim. Sie konnte jedes Wort verstehen,
denn sie saß direkt neben John.
„Oh, hallo, Mutter. Warum rufst du denn so spät noch an?“
„Um sieben Uhr habe ich schon mal versucht, dich zu erreichen. John, ich kann
nicht nach Kalifornien mitkommen.“
„Ist etwas passiert?“
„Diese Krone“, beschwerte sich seine Mutter. „Sie will und will nicht sitzen. Ich
darf mich auf keinen Fall von zu Hause fortbewegen. Wahrscheinlich fahre ich in
den nächsten Tagen schon nach New York, um Dr. Rossi aufzusuchen. Übrigens,
hast du schon etwas von Vicky gehört?“
„Nein“, antwortete John kurz und warf einen Blick auf Kim, die so tat, als hätte
sie die Worte seiner Mutter am anderen Ende der Leitung nicht verstanden.
„Es wird schön sein, sie wiederzusehen. Das arme Mädchen hat es ja wirklich
schwer genug gehabt.“
„Ja. Gibt es noch etwas, Mutter? Du hast nämlich zu einem unpassenden
Zeitpunkt angerufen.“
„Ich werde dich nicht fragen, was du machst“, antwortete sie belustigt. „Was
mich betrifft, ich gehe jetzt ins Bett. Sag ihr, wer immer sie ist, sie soll auf sich
aufpassen. Bis bald, John.“
„Das war offenbar ein Kontrollanruf“, lachte John und nahm Kim erneut in die
Arme.
Sie löste sich aus seinem Griff und sah ihn zweifelnd an.
„Was ist mit dir, Kim?“
„Ich habe unfreiwillig auch den Part deiner Mutter mitgehört. Warum fragst du
mich, ob ich mit nach Kalifornien komme, wenn du auch schon deine Mutter
gefragt hast? Wäre das nicht eine etwas komische Situation gewesen?“
„Ich denke, du willst sie gern einmal kennenlernen? Sie hätte bestimmt nicht von
morgens bis abends die Anstandsdame gespielt. Aber ihre Familie stammt von
dort, so besucht sie gern ihre Verwandten, wenn ich nach Kalifornien fliege. Na
ja, jetzt habe ich zwei Körbe bekommen: einen von dir, einen von ihr. Ob ich es
mal mit einem neuen Rasierwasser versuche?“
Beide lachten, aber die zärtliche Stimmung war dahin. John spürte das auch, und
ohne ein Wort zu sagen, zog er sich das Hemd wieder über. „Glaubst du, daß ich
die Telefongesellschaft wegen störender Telefonanrufe verklagen sollte?“
„Du hättest eben rechtzeitig den Hörer danebenlegen sollen. Ich werde mir jetzt
ein Taxi rufen. Du brauchst mich wirklich nicht nach Hause zu begleiten.“ Kim
stand auf und holte den Mantel.
„Wo denkst du hin? Ich bringe dich natürlich nach Hause.“
Während der Fahrt erzählte John Kim von seiner bevorstehenden Geschäftsreise.
„Aber die meiste Zeit werde ich an dich denken“, versprach er und faßte nach
ihrer Hand.
„Ich werde mit Mrs. Lakers Apartment beschäftigt sein. Bist du wieder da, wenn
sie zurückkommt?“
„Ja, ich komme sogar schon drei Tage früher. Ich möchte nämlich helfen, ihre
Bilder aufzuhängen.“
„Neil meint, ich müßte sie neu rahmen lassen.“
„Es ist doch Vickys Zuhause. Warum wartest du nicht ab, wie sie sich
entscheidet?“ fragte er und machte ein ärgerliches Gesicht, wie jedesmal, wenn
Neil DeWitts Name fiel.
„Ich habe doch den Auftrag bekommen, das Apartment einzurichten. Warum soll
ich also nun auf einmal nicht selbst die Entscheidung treffen?“ Dabei fiel ihr auf,
daß sie auf den Namen Vicky genauso nervös reagierte wie John auf den Namen
DeWitt.
Als sie vor Kims Wohnungstür standen, gab John ihr noch einen flüchtigen Kuß
auf die Stirn und versprach, aus Kalifornien anzurufen.
„Ich werde dich vermissen“, sagte sie leise und fühlte sich schon in diesem
Moment sehr einsam.
„Ich werde dir etwas mitbringen, vielleicht einen Teddy, damit du dich zukünftig
nicht so allein fühlst, wenn ich verreise.“ Er gab ihr noch einen Abschiedskuß und
ging zu seinem Wagen.
Glücklich lächelnd betrat Kim die Wohnung. Fannie saß im Wohnzimmer. An ihren
roten Augen konnte Kim sofort sehen, daß sie geweint hatte.
„Ich habe deinen Rat befolgt und mit Joe Schluß gemacht“, sagte sie ohne
Einleitung.
„Das wurde aber auch Zeit“, meinte Kim verständnisvoll. „Wie nahm er es denn
auf?“
„Sehr schlecht, Kim“, seufzte Fannie. „Er hatte Tränen in den Augen. Ich glaube,
daß Joe mich wirklich liebt.“
„Vielleicht vermißt er auch nur die billige Arbeitskraft?“
„Wieso billige Arbeitskraft? Er hat mich doch für das Schreiben bezahlt“, sagte
Fannie, eifrig bemüht, Joe zu verteidigen.
„Wirklich? Das hast du mir nie erzählt. Ich dachte, er würde dich ausnutzen.“
„Aber er bestand sogar darauf. Zuerst wollte ich es gar nicht annehmen. Das
Geld wird mir jetzt auch fehlen“, meinte Fannie niedergeschlagen. „Es wird nicht
leicht sein, wieder einen so netten Mann wie Joe zu finden.“
„O Fannie, warum hast du dann Schluß mit ihm gemacht, wenn du ihn so liebst?“
„Das war doch deine Idee. Du sagtest er wäre nicht gut genug. Außerdem will ich
gar keinen reichen Mann mehr haben.“ Fannie war kurz davor, wieder in Tränen
auszubrechen.
„Was für ein Durcheinander. Ich wußte doch nicht, daß du ihn liebst, Fannie! Ich
habe ihn für einen Wichtigtuer gehalten, der dich ausnutzen will. Er hat dich doch
nie irgendwohin eingeladen.“ Kim hatte inzwischen richtig Gewissensbisse
bekommen. Ob ihr Rat wirklich so gut gewesen war?
„Wir wollten das Geld sparen, deshalb sind wir so selten ausgegangen. Ich
möchte doch gern in Weiß heiraten.“
„Wolltet ihr denn sogar heiraten?“ nun war Kim restlos verwirrt.
„Ja, er hat mich mehr als einmal gefragt.“
„Davon weiß ich ja gar nichts“, meinte Kim bestürzt.
„Wann hätte ich es dir erzählen sollen, ich sehe dich ja nie. Du gehst doch jeden
Abend mit deinem Joe aus.“ Fannie sah Kim vorwurfsvoll an. „Heute ist es ja
auch wieder halb eins geworden“, setzte sie hinzu. „Ganz schön spät. Ihr wart
bestimmt auf einer Party.“
„Mach dich doch nicht lächerlich! Wir sind mit der Fähre nach Staten Island und
später noch zu John gefahren, um etwas zu trinken. In teure Restaurants gehen
wir nur, wenn John Geschäftsfreunde zum Essen einladen muß. Gestern abend
zum Beispiel waren wir im Kino, und gegessen haben wir einen Hot dog. John ist
sparsam, und das finde ich gut“, meinte Kim, die sich über Fannies Vorwurf zu
ärgern begann.
„Du scheinst ja dann mit deinem reichen Mann auch wenig Glück zu haben“,
sagte Fannie spöttisch. „An deiner Stelle wäre ich nicht mit ihm in sein
Apartment gegangen. Das ist die beste Methode, einen Mann vor der Hochzeit zu
verlieren. Ich war noch nie in Joes Wohnung.“
„Es ist überhaupt nichts passiert“, rechtfertigte sie sich.
„Ist ja auch egal. Wie konnte ich nur so dumm sein und auf dich hören?“
„Warum rufst du Joe nicht an und bittest ihn um Verzeihung?“
„Dazu ist es jetzt zu spät. Ich habe ihn für immer verloren“, sagte Fannie traurig,
und ihr anklagender Blick zeigte Kim, daß Fannie sie für die Schuldige hielt. Nun
schluchzte sie auch noch herzzerreißend auf und lief ohne Abschied in ihr
Zimmer.
Kim beschloß, auch ins Bett zu gehen, konnte aber nicht einschlafen, weil
Fannies verzweifeltes Weinen sie wachhielt. Fannie war einfach zu gefühlsbetont.
Außerdem suchte sie die Schuld für alles immer bei anderen, nur nicht bei sich
selbst. Kim hatte ihr ja schließlich nicht befohlen, mit Joe Schluß zu machen.
Aber es stimmte schon, die Idee stammte von ihr, und deshalb fühlte sie sich
mitschuldig an Fannies Schicksal.
Am nächsten Morgen hatte Fannie sich jedoch beruhigt. Sie bereitete das
Frühstück, während Kim packte, weil sie nach New Jersey fahren wollte.
Als sie damit fertig war, sagte sie zu Fannie: „Ich komme erst Sonntag abend
wieder, denn ich fahre direkt vom Büro aus nach New Jersey.“
„Ich muß mich noch für gestern abend entschuldigen“, meinte Fannie zerknirscht.
„Das ist schon in Ordnung. Es war ein Mißverständnis. Warum rufst du Joe nicht
an und sprichst mit ihm?“
„Hat John jemanden für mich gefunden, der mit mir ausgehen würde?“
„Er ist nächste Woche nicht in New York. Wenn er wiederkommt, werde ich ihn
noch einmal fragen.“ Kim hoffte natürlich, daß Joe und Fannie sich bis dahin
wieder vertragen hätten.
„Was, eine ganze Woche bleibt er fort? Na ja, da kann man nichts machen.
Übrigens, gestern habe ich mit Mrs. Stuyvesant telefoniert. Ich werde wieder für
sie arbeiten. Vielleicht lerne ich durch sie ja jemanden kennen.“
„Wen hoffst du dort zu finden? Dort gibt es doch nur alte Damen?“
„Ich arbeite für sie zwei Stunden, laß mich nur. Vielleicht rufe ich Joe auch an,
das muß ich mir mal überlegen“, sagte Fannie entschlossen.
Wie verhielt Fannie sich doch widersprüchlich! Am Abend zuvor waren die Tränen
geflossen, und sie hatte Kim beschuldigt, heute wollte sie sich wieder mit Joe
versöhnen – allerdings nur, wenn sich in der Zwischenzeit nichts Besseres fand.
Kim trank ihren Kaffee aus und verabschiedete sich von der Freundin.
„Grüß Betty und die Kinder“, rief Fannie noch hinter ihr her.
Es war für beide eine Erleichterung, wieder Frieden miteinander geschlossen zu
haben.
6. KAPITEL Am Samstag lernte Fannie Leblanc endlich einen wirklich gutsituierten Mann kennen. Kim erfuhr die Neuigkeit am Sonntagabend, als sie von einem ziemlich anstrengenden Wochenende bei Betty und den Kindern zurückkehrte. Betty mußte jeden Pfennig zweimal umdrehen und kam trotzdem nie mit dem Geld aus. Ihre finanzielle Lage war sehr angespannt, und das war für sie und die Kinder nicht angenehm. Kim hatte die Tür des Apartments kaum hinter sich geschlossen, als Fannie mit der großen Neuigkeit herausrückte. „Er ist Börsenmakler“, erzählte sie und strahlte über das ganze Gesicht. „Er hat in der Wall Street ein großes Büro und beschäftigt drei Sekretärinnen. Stell dir vor, Kim, ein richtiger Börsenmakler, nicht irgendein kleiner Versicherungsvertreter.“ „Wie heißt er? Wie sieht er aus? Wohin hat er dich eingeladen?“ Kim wußte gar nicht, was sie zuerst fragen sollte. „Sein Name ist Francis Weiland, von Weiland & Hunt. Hunt ist sein Schwager. Er hat mich in ein teures Restaurant eingeladen, ich war ganz beeindruckt. Dort gab es schneeweiße Tischtücher, wir tranken Wein und aßen Hummer. Übrigens ist er Mrs. Stuyvesants Neffe. Ich lernte ihn kennen, als er am Samstag die Post abholte, um sie für Mrs. Stuyvesant zur Post zu bringen. Er brachte mich nach Hause und bat mich, mit ihm auszugehen.“ Fannie sah, während sie das erzählte, sehr glücklich aus. „Ist er denn auch nett?“ fragte Kim, als Fannie eine Pause machte. „ Er ist ein toller Typ. Zwar sieht er nicht besonders gut aus, aber das stört mich nicht. Francis hat ungefähr meine Größe, dunkelblondes Haar und trägt eine Brille. Eigentlich ist er etwas zu alt für mich, aber er besitzt ein großes Haus in der 62. Straße. Allerdings gibt es da eine Sache, die mich stört. Erlebt in Scheidung“, stellte Fannie bedauernd fest. „Davon wird meine Mutter nicht gerade begeistert sein.“ Auch Kims Enthusiasmus schien gedämpft. Ob das ein ernsthafter Heiratskandidat für Fannie war? „Ich bin nämlich katholisch“, fuhr Fannie fort. „Eine Scheidung wird doch bei uns nicht anerkannt. Die einzige Hoffnung wäre, daß er seine Ehe annullieren lassen könnte.“ „Magst du ihn überhaupt?“ „Er gehört nicht zu den stürmischen Männern“, antwortete Fannie zögernd. „Er versuchte nicht einmal, mich zu küssen. Ich glaube, er ist sehr einsam. Seine Kinder sind ja auch schon erwachsen.“ „Wie alt ist er denn?“ fragte Kim erstaunt. „Vielleicht 47 oder 50? Ich weiß es nicht genau. Aber er besitzt Geld. Alles kann man eben nicht haben.“ „O Fannie, ich glaube, du begehst schon wieder einen Fehler.“ „Auf jeden Fall wird Joe eifersüchtig sein. Als er nämlich Sonnabend nachmittag anrief, erzählte ich ihm, daß ich eine Verabredung mit einem Börsenmakler hätte. Heute hat allerdings weder Francis noch Joe angerufen. Naja, wir werden sehen. Und wie war dein Wochenende, Kim?“ „Es war äußerst anstrengend. Wir haben das Kinderzimmer neu gestrichen. Entschuldige mich bitte einen Augenblick. Ich muß gleich meinen Vater anrufen.“ Kim teilte ihrem Vater in aller Kürze mit, daß Bettys finanzielle Lage katastrophal sei. Sie bat ihn, der Schwester etwas Geld zu schicken. Die war nämlich zu stolz, den Vater selbst darum zu bitten. Auch sie würde der Schwester bald helfen
können – wenn sie von John die Provision bekam. „Das ist großzügig von dir“, sagte Fannie zu Kim, die das Gespräch interessiert verfolgt hatte. „Ich werde meinen Schwestern Marie und Louise auch Geld geben, wenn ich erst einmal Francis geheiratet habe. Als Familie muß man zusammenhalten. Glaub aber ja nicht, daß Marie mir auch nur einen Pfennig geben würde. Sie denkt nur an sich. Übrigens sieht sie phantastisch aus. Naja, die Gutaussehenden sind ja häufig egoistisch.“ Fannie beschloß, Schokoladenkuchen mit Nüssen zu backen, um so die Bekanntschaft mit Francis gebührend zu feiern. Sie verbrachten den Abend dann damit, viele Kalorien in sich hineinzustopfen. John rief nicht an, aber Kim hatte ihm auch nicht erzählt, wann sie zurückkommen würde. Der Montag verging für Kim wie im Fluge. Als sie gegen vier Uhr Mrs. Lakers Apartment verließ, fuhr sie zu ihrem Büro, um den Anrufbeantworter abzuhören. Vielleicht hatte sich ja ein neuer Kunde gemeldet. Aber sie hörte nur Mrs. Naismiths Stimme. Sie teilte ihr mit, daß ihr der neue Schaukelstuhl so gut gefiel, daß sie noch einen zweiten kaufen wollte. Kim erledigte das sofort. Es brachte zwar nicht viel Geld ein, war aber besser als gar nichts. Gerade als sie nach Hause gehen wollte, klingelte das Telefon. Diesmal war es John. Er teilte ihr mit, daß er am Abend eine Konferenz hätte und sie daher nicht anrufen könne. „Wann kommst du zurück, John?“ „Auf jeden Fall muß ich einen Teil des nächsten Wochenendes noch hier verbringen. Aber Sonntag werde ich auf jeden Fall wieder in New York sein. Hast du dann abends Zeit für mich?“ „Nun, vielleicht kann ich den Termin noch freihalten“, versuchte sie ihn zu necken. „Sag bloß, dieser DeWitt hat sich mit dir in Verbindung gesetzt?“ „Aber John, er besitzt doch nicht annähernd soviel Geld wie du! He, das war doch nur ein Witz“, fügte Kim schnell hinzu. „Ja, ich weiß. Mir ist nicht ganz wohl, wir haben eben hier zusammengesessen und etwas getrunken. Dann hast du Neil also nicht getroffen?“ „Weit und breit war nichts von ihm zu sehen“, antwortete Kim. Es war nur ein kurzer Anruf, aber Kim freute sich sehr darüber. Nachdem sie nun seine Stimme gehört hatte, fühlte sie sich nicht mehr ganz so verlassen. Trotzdem, der Sonntag schien noch eine Ewigkeit entfernt zu sein. Kim hatte kaum den Hörer aufgelegt, als niemand anderes als Neil DeWitt in ihr Büro spazierte. Galant zog er den Hut und verbeugte sich vor Kim. Sie war so überrascht, daß sie kein Wort hervorbringen konnte. Das war ja ein merkwürdiger Zufall! „Hallo, Kim. Ihr Büro sieht ja schrecklich aus.“ „Da muß ich Ihren guten Geschmack loben. Es sieht tatsächlich furchtbar aus.“ „Fast so schlimm wie mein erstes Büro“, meinte Neil und schüttelte sich beim Anblick der Bilder. „Entschuldigen Sie sich nicht, ich weiß, daß das hier nicht Ihrem Geschmack entspricht. Wer diese Einrichtung verbrochen hat, der gehört gerädert. Aber mit etwas Geld läßt sich daraus schon etwas machen. Da wir gerade von Geld reden: Ich möchte Ihre Kasse aufbessern helfen, wenn Sie nichts dagegen haben.“ „Was wollen Sie mir denn vorschlagen?“ fragte Kim mit unverhohlener Neugierde. „Aber nehmen Sie doch erst einmal Platz.“ Er setzte sich auf einen Stuhl, schlug die Beine übereinander und betrachtete sie. „Ich werde bald nach Sardinien fahren. Denn die Klimaanlagen hier in den
amerikanischen Häusern bringen mich jedes Jahr fast um. Diese Bakterien, die in den schmutzigen Filtern blühen und gedeihen und dann in die Räume gelangen, sind das reinste Gift für mich. Ich bin überzeugt, daß sie die Ursache für die Grippewelle sind, die uns jedes Jahr heimsucht. Sobald die Temperatur steigt, verlasse ich die Vereinigten Staaten. Leider kann ich deshalb meine Verpflichtungen vorher nur mit Mühe erfüllen.“ Kim hörte ihm staunend zu und fragte sich, was sie wohl damit zu tun hatte. Seine Kunden würden sich kaum damit zufriedengeben, von ihr bedient zu werden. „Wenn Sie mich zum Apartment der Daschauer begleiten, werde ich Ihnen zeigen, was Sie für mich tun können.“ Da sie ohnehin ihr Büro schließen wollte, konnten sie sofort aufbrechen. Ein Taxi wartete draußen auf Neil, und sie fuhren gemeinsam zur East Side. Kim und Neil betraten bald das DaschauerApartment, das äußerst modern eingerichtet war. Neil hatte nur helle Tapeten und weiße Möbel ausgesucht. „Ich habe vor einem Monat Lampen für diesen Raum bestellt. Heute erfuhr ich, daß der Auftrag nicht ausgeführt werden kann. Jetzt müssen wir andere Lampen finden. Es soll etwas sein, was dem Zimmer Leben verleiht, ohne kitschig zu wirken. Hierfür braucht man einen unfehlbaren Geschmack, da dachte ich gleich an Sie. Es gibt nur wenige in unserer Branche, die wahrhaft Talent haben, meine Liebe.“ Kim fühlte sich natürlich geschmeichelt und war nur zu gern bereit, Neil behilflich zu sein. „Außerdem müssen noch verschiedene andere Utensilien ausgesucht werden, wie zum Beispiel Aschenbecher, Kissen und so weiter, auch wünscht die Kundin sich einen Keramikvogel. Fragen Sie mich nicht, warum! Ich finde, daß man die Auswahl solcher Sachen besser einer Frau überlassen sollte. Wie gefällt Ihnen der Raum, Kim?“ „Er ist sehr hübsch eingerichtet“, meinte sie wahrheitsgemäß. „Der Gedanke, daß Mrs. Daschauer mit ihrem entsetzlichen Geschmack das ganze Apartment wieder auf den Kopf stellen wird, bringt mich um den Schlaf.“ „Haben Sie denn keine Zeit, diese Dinge selbst auszusuchen?“ „Zuerst wollte ich es. Aber dann überredete mich die Contessa Scarlatti – mit Geld natürlich –, ihr Solarium neu einzurichten. Für ein großzügiges Angebot ist man immer dankbar und sollte es auch nie ausschlagen. Außerdem war es ja die Contessa, die mir einen Auftrag in Sardinien verschaffte. Das Haus dort gehört einem Bekannten, der irgendwo in SaudiArabien im Ölgeschäft tätig ist. Ich denke, der DaschauerAuftrag liegt Ihnen, darum hoffe ich, daß Sie sich um die Details kümmern – natürlich zu einem angemessenen Preis.“ Das war sicher keine Frage für ihn. Kim überlegte, ob er sie mit seinem Ausflug ins Französische beeindrucken wollte? Die Verbindung zu Neil DeWitts berühmtem Atelier war für Kim natürlich Gold wert. Sie würde die richtigen Leute treffen und vielleicht weiterempfohlen werden. „Ich versichere Ihnen, daß dieser Auftrag Ihrem Ruf bestimmt zugute kommt“, sagte Neil prompt, als könne er ihre Gedanken lesen. „Das habe ich auch gerade überlegt“, gab sie zu. „Es gibt auch noch ein anderes kleines Problem für mich in einem Büro in der Wall Street, das ich renoviert habe. Wir sollten gleich vorbeifahren. Ich werde Ihnen dort erklären, worum es geht.“ In dem Direktionsbüro war die Wandvertäfelung gegen eine Ledertapete ausgetauscht worden. Neil zeigte Kim Kataloge, und sie besprachen, welche
Stühle, Tische und welches Sofa dazu passen würde. „Ich rufe Sie von Zeit zu Zeit an, um zu sehen, ob alles zufriedenstellend verläuft“, versicherte er. „Natürlich nur, wenn Sie mir helfen wollen.“ „Ich bin einverstanden und freue mich schon sehr, für Sie arbeiten zu können.“ „Sehen Sie, wir kommen ins Geschäft! Stellen Sie sich gern als meine Assistentin vor. Nein, sagen Sie ruhig, Sie seien meine Geschäftspartnerin. Das ist noch besser“, meinte er gönnerhaft. „Die Leute werden Ihnen noch mehr Respekt zollen, wenn Sie meine Geschäftspartnerin sind. Dulden Sie im übrigen keinerlei Einmischung der Kunden. Wer zu mir kommt, legt sein Schicksal in meine Hand. So, das Geschäftliche wäre geregelt. Wollen wir etwas trinken gehen, um unsere Partnerschaft zu besiegeln?“ Sie stimmte gern zu, weil sie wußte, daß John heute abend nicht anrufen würde. Er wäre bestimmt nicht begeistert zu hören, daß sie nun mit Neil ausging. Aber andererseits ging es ihn nichts an. Sie mischte sich ja auch nicht in seine Geschäfte ein. Neil führte sie zu „seiner“ kleinen Bar. Dort unterhielt er sie mit haarsträubenden Geschichten über seine Kunden. Nach einiger Zeit setzten sich zwei ältere Damen zu ihnen an die Bar, die so laut sprachen, daß sogar Neil aus der Ruhe gebracht wurde. Kim nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich. Sie fühlte sich doch nicht ganz wohl in ihrer Haut, wenn sie an die Zusammenarbeit mit Neil dachte. Hoffentlich verärgerte sie seine Kunden nicht. Kim faßte den Entschluß, noch alles zu erledigen, bevor Neil nach Sardinien flog, so daß er ihre Auswahl vorher begutachten konnte. Ihr fehlte einfach sein selbstsicheres Auftreten. Am Abend studierte sie die Kataloge von D & D und begann die Möbel auszusuchen. Das Sofa und die Stühle waren zwar sündhaft teuer, aber das störte sicher weder Neil noch seinen Kunden. Am nächsten Morgen ging Kim zu D & D, sah sich dort alles an und verglich die Farbtöne der Möbel, um sicherzugehen, daß sie auch zur Ledertapete paßten. Das Sofa und die Stühle wirkten etwas protzig in Natur, aber das ließ ja auf Geld und Erfolg schließen und paßte somit hervorragend in ein Direktionsbüro. Als sie den Gesamtpreis genannt bekam, erschrak sie allerdings, aber für Neils Kunden war das Beste und Teuerste bestimmt gerade gut genug. Als nächstes suchte Kim noch nach einigen Sachen für das LakerApartment. Sie fand dabei durch Zufall eine außergewöhnliche Lampe, die gut in die Daschauer Wohnung passen würde. Sie war groß und extravagant genug, um in dem Apartment aufzufallen. Kim sah sich auch nach einem Keramikvogel um, konnte sich aber nicht erinnern, welche Farbe Mrs. Daschauer bevorzugte. Nachmittags rief sie in Neils Atelier an und bat um seinen Rückruf, aber er ließ nichts von sich hören. Enttäuscht fuhr sie nach Hause. Fannie war an diesem Abend nicht da, sie hatte ein Rendezvous mit einem Arzt aus dem Krankenhaus, in dem sie arbeitete. Kim machte sich gerade Abendbrot, als es klingelte. „Wer ist da?“ fragte Kim, bevor sie die Tür öffnete. „Neil. Sie können mich ruhig hereinlassen. Ich beiße nicht.“ „Man kann nicht vorsichtig genug sein“, antwortete sie überrascht. Neil DeWitt betrat gleich darauf das Apartment. Er trug einen schwarzen Nadelstreifenanzug, wie immer sein schwarzes Cape und sah einem Zauberkünstler zum Verwechseln ähnlich. „Sie sehen hervorragend aus, Neil.“ „Ja, man muß sein Image pflegen, wenn man Karriere machen will.
Ich habe Ihre Nachricht erhalten. Haben Sie etwa schon alles erledigt?“ „Nein, so ist es nicht. Ich wollte nur meine Auswahl mit Ihnen diskutieren.“ Neil ging schnurstracks weiter und sah sich dort interessiert um. „Wenn ich schlechte Möbel und schöne Nippsachen in einer Wohnung finde, weiß ich sofort, daß die betreffende Person zwar einen guten Geschmack, aber ein leeres Bankkonto hat. So ist es jedoch besser als anders herum.“ „Setzen Sie sich bitte, Neil“, bat Kim, aber er überhörte das und redete unablässig weiter. „Der arme Dr. Smiley gab ein Vermögen für die Einrichtung seiner Zimmer aus. Stellen Sie sich vor, er bestand auf Rot und Lila. Wahrscheinlich erinnern ihn diese Farben immer an seinen Beruf, an Blut und menschliche Organe. Aber sonst war er sehr fügsam. Er ließ mir freie Hand, so daß ich etwas Ordnung in das Chaos bringen konnte, das bei ihm herrschte. Vor kurzem stellte er mich einer Freundin vor, die ihre Wohnung auch neu eingerichtet haben möchte. Sie sieht bisher eher wie ein Ersatzteillager aus. Ich werde diesen Auftrag nur annehmen, wenn sie ihre Sachen hinauswirft. Stellen Sie sich vor, sie hat ein Ziegenfell im Wohnzimmer liegen! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie unangenehm dieser Geruch ist.“ Endlich setzte sich Neil, dabei schlug er mit gezierter Bewegung die Beine übereinander. „Was gibt es nun zu besprechen, Kim?“ Sie erklärte ihm, was sie bis jetzt bestellt und ausgesucht hatte, und informierte ihn auch über die Preise. Als sie ihm die Sessel und Sofas im Katalog zeigte, nickte er zufrieden. „ So etwas Auffälliges paßt sehr gut in das Direktionsbüro. Die Leute werden es für etwas ganz Modernes halten. Noch etwas?“ Sie zeichnete ihm die Lampe auf, und er riet ihr, sie auf jeden Fall zu kaufen. Dann sprachen sie noch über den Keramikvogel. „Sie möchte, daß das Tier so auffällig wie möglich aussieht. Also sollte es auf keinen Fall ein weißes sein“, riet Neil. „Genau das denke ich auch. Deswegen würde ich mich für Terrakotta entscheiden“, schlug Kim vor. „Das ist eine gute Idee. Mrs. Daschauer bildet sich ein, in einem früheren Leben eine Taube gewesen zu sein. Ja, Terrakotta wird sehr gut zu ihren Möbeln passen.“ „Ich glaube, das ist alles, Neil. Ich möchte Sie nicht länger als nötig aufhalten.“ „Hat John Sie heute abend im Stich gelassen?“ „Er ist in dieser Woche in Kalifornien auf einer Geschäftsreise.“ „ Und Sie bleiben treu und brav zu Hause sitzen und warten auf seine Rückkehr? Ich finde das zwar lobenswert, aber es ist doch todlangweilig. Ich habe da eine bessere Idee. Begleiten Sie mich zu einer Party. Die Contessa Scarlatti lädt mal wieder ein. Als Höhepunkt des Abends wird Amelia St. Sains von der Metropolitan Oper ein paar Arien zum besten geben. Decken Sie sich also vorsichtshalber mit reichlich Watte ein. Mit diesem Besuch schlagen wir dann gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie können sich nämlich dabei das Solarium ansehen und mir raten, welche Pflanzen ich dafür besorgen soll. Übrigens, ich habe Ihre Korb MessingKreation kürzlich verwendet. Wir werden damit für einen neuen Trend sorgen.“ Kim zögerte, aber als Neil sie noch einmal daraufhinwies, sie würde dort bestimmt die richtigen Leute treffen, stimmte sie zu. „Ich muß mich aber noch umziehen.“ „Ich kann warten“, erklärte Neil und griff nach einem Magazin, das Fannie
liegengelassen hatte. Kim freute sich sehr auf den Abend. John würde natürlich nicht besonders erfreut sein, daß sie die Einladung annahm. Aber sie war ja schließlich nicht mit ihm verheiratet. Abgesehen davon handelte es sich hier ja auch nicht um ein Rendezvous, sondern alles war rein geschäftlich. Sie band sich das Haar zu einem Knoten und zog das Abendkleid an, das Sue ihr kürzlich geschickt hatte. Es war aus schwarzer Seide gefertigt und wurde von Spaghettiträgern gehalten. Der Stoff war gerafft, dieser Schnitt brachte Kims Figur besonders gut zur Geltung. Zu einem solchen Abendkleid gehörten eigentlich Juwelen, aber Kim besaß so etwas natürlich nicht. Dafür nahm sie ihre Ohrringe aus Bergkristall und ging so herausgeputzt zurück ins Wohnzimmer. Als sie eintrat, stand Neil auf und nickte anerkennend. „Atemberaubend! Es gibt eben keinen schöneren Schmuck als die Jugend. Alles andere wäre da völlig überflüssig.“ „Jetzt fehlt nur noch ein Pelz“, meinte Kim. „Da bin ich anderer Ansicht. Ich habe noch nie verstanden, warum Frauen sich die Felle toter Tiere um die Schultern hängen. Nehmen Sie meinen Umhang“, schlug er vor. Kam wollte erst ablehnen, aber dann überlegte sie, daß es draußen doch kühl war, so nahm sie dankend an. „Haben Sie keine Angst, daß Ihnen kalt werden könnte, Neil?“ „ Nein. Ich bin doch mit dem Wagen hier. Er steht direkt vor der Tür.“ Kim bedauerte, daß Fannie nicht da war, um an ihrem Glück teilzunehmen. Sie hinterließ ihr aber eine Nachricht, wo sie sich aufhielt. Auch bat sie darum, die Tür nicht zu verriegeln. Die Party entsprach genau Kims Vorstellungen. Neugierig sah sie sich in dem fantastisch eingerichteten Apartment um. Am besten gefiel ihr die riesige Fensterfront, durch die man die Lichter New Yorks sah. Es war ein märchenhaft schöner Anblick. Unter den Gästen waren auch zwei Männer, die auf Fannies Liste der begehrtesten Junggesellen standen. Das erfuhr sie von Neil, der im Flüsterton Bemerkungen über die Anwesenden machte. Da gab es Schauspieler, Fernsehregisseure und Modeschöpfer. Aber auch Männer in seriösen dunklen Anzügen zählten zu den Gästen. Wie sie durch Neil erfuhr, waren das Bankiers, Geschäftsleute oder Industrielle. Neil war hauptsächlich mit ihren Frauen bekannt, wurde aber auch von den Männern herzlich begrüßt. Er sorgte dafür, daß auch Kim vorgestellt wurde. „Darf ich bekannt machen, meine neue Partnerin, Kim Monk.“ Damit wurde für Kim ein Wunschtraum wahr. Eine bekannte Schauspielerin bat sie sogar um Ratschläge für die Einrichtung ihres Landhauses in Maine. „Sind Sie auch der Meinung, daß man nur rustikale Möbel in ein Landhaus stellen darf? Ich verabscheue diesen Stil. Das Haus meiner Eltern war so eingerichtet, aber nicht, weil es modern war, sondern weil sie kein Geld besaßen.“ „Mein Grundsatz ist, eine Wohnung so einzurichten, daß ein gemütliches Heim daraus wird. Der Kunde sollte sich den Stil aussuchen, den er am liebsten mag“, war Kims Antwort. „Lassen Sie das bloß nicht Neil hören, meine Liebe. Er möchte, daß wir es so ungemütlich wie möglich haben. Damit wir ein Jahr später alles wieder neu einrichten, will er das. Stellen Sie sich nur vor: Die Contessa soll ihr wunderschönes Solarium mit Wüstengewächsen vollstellen. Sie wissen schon, was ich meine, diese schrecklichen Kakteen.“ „Was verbreitet mein Schützling an Ansichten?“ mischte sich Neil besorgt ein. „Die Kunden sollen ihren Stil selbst finden? Ich denke, das habe ich Ihnen schon
klargemacht, Kim. Diese Leute hier besitzen absolut keinen Geschmack. Bestes Beispiel dafür ist Ihre Gesprächspartnerin Lottie.“ Er drohte Kim mit dem Finger, und die Schauspielerin lachte. Sie empfand es offenbar noch als Ehre, von Neil DeWitt beleidigt zu werden. Neil führte Kim zum Solarium. „ Lottie versteht wirklich alles falsch. Die Contessa liebt Kakteen, weil man die nicht regelmäßig gießen muß. Ich aber will sie dazu bringen, diese Stacheldinger rauszuwerfen.“ Die Contessa war ihnen ins Solarium gefolgt. Sie mochte ungefähr Mitte Vierzig sein, war spindeldürr, trug viel zuviel Makeup und machte auf Kim keinen glücklichen Eindruck. „Welche gemeinen Lügen verbreitet Neil wieder über mich?“ fragte sie zum Spaß mit ihrer schrillen Stimme. „Die Kakteen sind meine größte Freude. Ich liebe sie, als wären sie meine eigenen Kinder. Auf sie werde ich nie verzichten!“ „Die Stacheligen müssen raus“, beharrte Neil. „Naja, vielleicht lasse ich mich doch erweichen. Wir stellen sie in eine Ecke, verstecken sie vielleicht hinter einer Palme.“ „ Ist er nicht süß? Er macht sich immer soviel Gedanken“, meinte die Contessa überschwenglich. „Aber jetzt wollen wir ins Konzertzimmer gehen, dort will uns die liebe Amelia etwas vortragen.“ Sie nahm Neils Arm und zog ihn mit sich. Kim folgte den beiden in den Vortragsraum. Kim fand keinen Spaß an der gesanglichen Darbietung. Nicht daß sie etwas gegen italienische Arien hatte, aber der Raum war für die ausgebildete Stimme einfach zu klein. Gern hätte sie wie Neil Watte dabeigehabt, um so die Lautstärke zu dämpfen. Nachdem alles glücklich überstanden war, wurden heiße Horsd'OEuvres und Kaviar serviert. Dazu gab es einen herben Rotwein, der Kim überhaupt nicht schmeckte. „Wie oft habe ich Maria schon gesagt, sie soll ihre Weinberge in Italien verkaufen und statt dessen ein Weingut in Frankreich erwerben“, seufzte Neil. „Aber sie hört nicht auf mich. Es ist eine Strafe, das Zeug trinken zu müssen.“ Naserümpfend kippte er den Inhalt seines Glases herunter. Es wurde für Kim aber alles in allem ein sehr interessanter Abend, den sie dazu nutzte, sich mit vielen Menschen bekannt zu machen. Als sie sich mit einer Gruppe von Schauspielern unterhielt, die die Vorzüge Griechenlands und Mexikos als Urlaubsland diskutierten, tauchte Neil neben ihr auf. „Wir, die wir für unser täglich Brot hart arbeiten müssen, werden jetzt die Party verlassen“, entschuldigte er sich und Kim bei den anderen und legte ihr den schwarzen Umhang um die Schultern. „Hinreißend“, rief ein Modeschöpfer, der in der Nähe stand. „Ah, wir haben ihm zu einer neuen Idee für seine nächste Kollektion verholfen. Nenn sie aber bitte auch nach mir, David.“ Neil und Kim gingen hinaus und saßen bald in Neils RollsRoyce. Kim dankte Neil vor der Haustür überschwenglich, was er mit einem zufriedenen Lächeln quittierte. In der Wohnung wartete Fannie auf Kim. Sie wollte sofort alles über die aufregende Party erfahren. Kim erzählte ihr von den bekannten Gästen, und Fannies Augen wurden immer größer. Zuletzt stand sie auf, um in ihren Magazinen nach Fotos der Leute zu suchen, die Kim kennengelernt hatte. „John hat dich noch nie zu solchen Parties mitgenommen. Vielleicht solltest du den Freund wechseln“, schlug Fannie vor. „Keine üble Idee, das wäre eine Möglichkeit“, sagte Kim, ohne sich weiter etwas
dabei zu denken.
„Oh, wo wir gerade von John sprechen: Er hat vor ein paar Minuten angerufen. Er
sagte, er würde schon den ganzen Abend versuchen, dich zu erreichen. Ich
erzählte ihm, daß du mit Neil ausgegangen bist.“
„So etwas Dummes. Das wollte ich ihm doch schonend selbst beibringen. War er
böse?“
„Nein, nur eifersüchtig“, lachte Fannie. „Aber das kann ihm nur guttun. Er läßt
ausrichten, daß er morgen abend um sieben Uhr noch mal anrufen wird.“
„Ich werde bestimmt hier sein.“
Fannies Sorglosigkeit tröstete Kim ein bißchen, im übrigen hatte sie ja auch
nichts Unrechtes getan. Aber ein ungutes Gefühl blieb trotzdem.
7. KAPITEL Am nächsten Abend rief John pünktlich um sieben Uhr an. Gleich nachdem sie sich begrüßt hatten, versuchte Kim ihm zu erklären, wieso sie mit Neil DeWitt zu dieser Party gegangen war. „Er kam genau in dem Augenblick, als wir unser Gespräch beendeten, in mein Büro hereinspaziert.“ „Na, so ein Zufall! Ich weiß allerdings schon Bescheid. Fannie hat mich über alles informiert“, meinte er, schien jedoch nicht sonderlich böse zu sein. „Es handelte sich um eine geschäftliche Angelegenheit“, erklärte sie hastig und erzählte ihm voller Stolz von Neils Aufträgen. „Hast du dein Büro denn schon mit seinem zusammengelegt? Ich frage nur, damit ich zukünftig weiß, wo ich dich erreichen kann.“ „Du bist ungerecht, das weißt du wohl selbst. Gestern abend nahm mich Neil zu einer Party bei der Contessa mit.“ „Das sollte mir eigentlich eine Warnung sein“, erwiderte John. „Ich habe mich jedenfalls sehr gut amüsiert. Die halbe Stadt war dort. Auf so ein großes Publikum konnte ich doch nicht verzichten. Ich muß doch an meine Karriere denken.“ „Das verstehe ich. Hast du dich denn gut benommen?“ „Ich glaube, ich habe mich nicht blamiert. Oder meinst du, ich hätte nicht fünf Kaviarschnitten essen dürfen? Ist das schlimm?“ „Nein, schlimm nicht, aber gefräßig. Wieviel Champagner hast du denn getrunken?“ wollte er scheinbar mäßig interessiert wissen. „Es gab dort keinen Champagner, die Contessa servierte ihren ungenießbaren Rotwein. Ich habe nur ein Glas probiert und bin dann auf Mineralwasser umgestiegen.“ „Recht so“, freute sich John. „Trink, keinen Alkohol, bis ich wieder zurück bin. Dann gehen wir aus, und ich spendiere uns hervorragenden Champagner, was hältst du davon?“ „Ist das ein Versprechen?“ fragte Kim hoffnungsvoll und wünschte, es wäre schon soweit. „Besiegelt mit einem Kuß“, versicherte er froh. Kim schloß die Augen und stellte sich Johns Gesicht vor, sein schwarzes Haar und sein Lachen. Auf einmal fühlte sie sich unerträglich einsam. „Ich vermisse dich sehr, John“, sagte sie traurig. „Ich bin ja bald wieder zu Hause. Wie geht es Fannie? Ist sie noch mit Joe zusammen?“ Sein nüchterner Tonfall verscheuchte die Traurigkeit. „Nein, sie gab ihm den Laufpaß. Im Augenblick hat sie zwei neue Verehrer, einen Arzt und einen Börsenmakler. Die Verbesserung ist schon deutlich zu erkennen, nicht wahr?“ „Ja, sie begreift offenbar schnell, worauf es ankommt. Dann braucht sie ja meine Vermittlungskünste nicht mehr.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile und verabschiedeten sich dann voneinander. Kim war froh, daß sie ihm von Neil erzählt hatte. Anscheinend machte es John nichts aus. Sie hätte nicht gern Geheimnisse vor ihm gehabt. Donnerstag und Freitag waren arbeitsreiche Tage für Kim. Die Einrichtung des LakerApartments war fertiggestellt, die Lampe für die Daschauers bestellt, auch ein Keramikvogel hatte sich gefunden. Kim war eine riesengroße Taube aus Terrakotta in einem Geschäft aufgefallen. Die stand nun vor dem Kamin des Apartments. Beide Abende verbrachten Fannie und sie zu Hause. Francis Weiland hatte sich
bei Fannie nicht mehr gemeldet, und auch Bill, Fannies Assistenzarzt, ließ nichts mehr von sich hören. Grund genug für Fannie, Joe Belanger nachzutrauern. „Bill ruft bestimmt nicht wieder an“, seufzte Fannie. „Wir waren gerade fünf Minuten zusammen, da wollte er mit mir schon in seine Wohnung gehen. Diese Ärzte! Was soll man dazu sagen.“ „Sie interessieren sich eben für die menschliche Anatomie“, gab Kim lächelnd zu bedenken. „Aber er ist doch HalsNasenOhrenArzt. Vielleicht hat er sich für die falsche Fachrichtung entschieden?“ Fannie nahm den Reinfall mit Humor. „Komm, laß uns ein paar Kekse backen.“ „Kekse haben so viele Kalorien. Können wir uns das denn leisten?“ meinte Kim mit einem Blick auf ihre Figur. Es machte ihr nichts aus, am Sonnabend zu Hause zu bleiben. Sie wußte ja, daß John am Sonntag wieder bei ihr sein würde. Aber Fannie, hielt es einfach nicht aus und rief Joe an. „Er kommt zum Abendessen“, freute sich Fannie. „Was werdet ihr machen, ausgehen?“ fragte Kim hoffnungsvoll. Sonst würde sie nämlich den ganzen Abend mit den beiden zusammensitzen müssen. Diese Situation war gar nicht nach ihrem Geschmack. „Ich wollte eine Pastete backen, die mag Joe besonders gern“, überging Fannie ihre Frage. „Er hat bestimmt die ganze Woche nur Hamburger gegessen. Für Getränke brauchen wir nicht zu sorgen. Joe bringt Wein mit.“ „Das klingt gut“, antwortete Kim und sammelte ihre Sachen zusammen, die überall im Zimmer verstreut lagen. Bevor Joe kam, wollte sie sich noch das Haar waschen und eine Gesichtsmaske auflegen. Als das Telefon klingelte, dachte sie gleich an John. Aber es war Neil. „Ist John schon zurück?“ fragte er. „Nein, er kommt erst morgen.“ „Sehr gut, dann könnten Sie mich doch heute abend begleiten! Ich habe Karten für das neueste Musical bekommen, das am Broadway aufgeführt wird. Sie kennen es doch noch nicht?“ Als Kim verneinte, fuhr er fort. „Dann müssen Sie mitkommen. Lottie, von ihr habe ich die Karten, war sehr von Ihnen beeindruckt. Wir würden zu sechs sein: Lottie, ein Produzent, den sie gern verführen möchte, und die Ahernes. Sie kennen das Ehepaar ja schon von Marias Party. Nach der Vorstellung sind wir noch in ein Restaurant eingeladen. Ich glaube, der Abend wird Ihnen gefallen.“ Kim war außer sich vor Freude. Sie hatte noch nie eine Vorstellung am Broadway gesehen, und der Gedanke, noch dazu in der Gesellschaft einer bekannten Schauspielerin zu sein, schmeichelte ihr. John würde das sicher verstehen. Solche Gelegenheit durfte man nicht vorbeigehen lassen. „Danke Neil, ich komme gern“, antwortete sie und wußte nicht so recht, ob sie sich nun schuldig fühlen oder aufgeregt sein sollte. Aber warum schuldig? Sie tat ja schließlich nichts Verbotenes. Es wurde ein wunderschöner Abend. Er war noch aufregender, als Kim es sich vorgestellt hatte. Die Ahernes waren zwar nicht sehr gesprächig, sie zahlten aber die Rechnung im Restaurant. Das war ja immerhin etwas. „Ihm ist nichts unmöglich“, bemerkte Neil über Mr. Aherne, als sie im Taxi nach Hause fuhren. „Eigentlich schade, daß er ein so langweiliger Gesprächspartner ist.“ „Wir sollten ihn nicht so schlecht machen. Immerhin fragte er mich im Restaurant immer wieder, ob ich noch etwas trinken würde.“ „Großzügigkeit ist ohne Zweifel eine seiner Tugenden. Übrigens, da Sie Ihre
Arbeit ja so schnell und gut geschafft haben, liebe Kim, möchte ich Sie bitten,
sich auch noch um den Berberteppich für die Folkers zu kümmern. Sie erinnern
sich bestimmt: ich habe Ihnen das Penthouse gezeigt und auch erwähnt, daß ich
einen Berberteppich bestellen würde.“
„Er ist also schon bestellt, nicht wahr?“
„Allerdings. Er soll in zehn Tagen geliefert werden. Wenn ich Ihnen den Schlüssel
gebe, würden Sie sich darum kümmern?“
„Kann das nicht der Hausmeister machen? Ich meine, wenn es sich nur darum
handelt, wohin der Teppich gelegt werden soll?“
„Das ist es nicht allein. Wenn er zu dunkel ist, soll er zurückgeschickt und gegen
einen anderen ausgetauscht werden, den ich auch bereits vorgemerkt habe.“
„Ich fand das Apartment insgesamt zu dunkel. Warum haben Sie nicht einen
ganz weißen Teppich ausgesucht?“
„Aha, Sie haben also kein Interesse an meinem Angebot“, sagte Neil beleidigt.
„Aber nein, Sie verstehen mich falsch. Ich möchte diese Aufgabe gern
übernehmen, Neil. Ich bin aber unsicher. Eine so wichtige Entscheidung möchte
ich nicht ohne Sie fällen. Es ist ja Ihr Auftrag.“
Sie hätte keine bessere Entschuldigung finden können. Neils gute Laune kehrte
sofort zurück, und er versicherte ihr, daß ihr Geschmack unfehlbar sei. Darauf
gab er ihr den Schlüssel für das Apartment und die Telefonnummer, unter der sie
ihn auf Sardinien erreichen konnte falls es irgendwelche Probleme geben sollte.
Als Kim ihr Apartment betrat, saßen Fannie und Joe einträchtig zusammen im
Wohnzimmer und tranken Kaffee.
„Hallo. Hattet ihr einen schönen Abend?“ fragte Kim.
„Wir haben uns verlobt!“ rief Fannie ihr statt einer Begrüßung glücklich zu und
schwenkte den linken Arm. An ihrem Ringfinger steckte tatsächlich ein goldener
Ring mit einem kleinen Diamanten.
Das war eine Überraschung! Fannie hatte also ihre fixe Idee, möglichst einen
Millionär zu heiraten, endlich begraben. Das mußte natürlich gebührend gefeiert
werden.
Kim holte aus der Küche noch eine Flasche Sekt und hörte Fannie geduldig zu,
während sie sie öffnete.
„Wir können aber erst in sechs Monaten heiraten. Die kirchliche Trauung soll
dann in Quebec stattfinden. Was Marie und Louise, meine Schwestern, wohl für
ein Gesicht machen, wenn sie von Joe hören? Sie werden bestimmt vor Neid
erblassen.“
„Wo werdet ihr wohnen?“ fragte Kim ruhig.
„Zuerst bei Joe. Ach, was mir da gerade einfällt: John war heute hier“, sagte
Fannie plötzlich.
„John? Hier? Heute abend?“ Kim war nun vollkommen durcheinander. Was hatte
das zu bedeuten? Sie hatte ihn doch noch gar nicht zurückerwartet?
„Eine halbe Stunde hat er hier auf dich gewartet.“
„Aber er wollte doch erst morgen nach Hause kommen.“
„Er konnte sich offenbar schon früher auf den Rückweg machen“, erklärte Joe.
„Aber er läßt Ihnen ausrichten, daß er Sie morgen anrufen wird.“
„Danke“, sagte Kim schwach. „Sie haben ihm sicher gesagt, daß ich mit Neil
unterwegs war?“
„Aber ja, wir sagten ihm, daß Neil ihn bestimmt eines Tages noch ausbootet.
Fannie hat ihn erst einmal darüber aufgeklärt, daß keine Frau es gut findet,
Abend für Abend Hot dogs an der Straßenecke essen und sich uralte Filme
ansehen zu müssen.“ Joe lachte fröhlich.
„Ich rufe ihn schnell an, um zu sehen, ob er schon zu Hause ist.“ Kim war es
plötzlich ganz flau im Magen. Aber John war entweder nicht in seinem Apartment, oder er nahm einfach nicht ab. Sie versuchte es immer wieder, bis es zu spät wurde, um ihn noch anzurufen. Wo in aller Welt mochte er noch hingegangen sein? Sie konnte lange nicht einschlafen und wurde am nächsten Morgen durch das Klingeln des Telefons geweckt. Ein Blick auf den Wecker sagte ihr, daß es bereits zehn Uhr war. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich. „Hallo, Kim, hier ist John.“ „John, ich habe gestern abend mehrfach versucht, dich zu erreichen. Wo warst du bloß?“ fragte sie verlegen. „Die meiste Zeit war ich in deinem Apartment, um dort auf dich zu warten“, sagte er trocken. „Ich rufe an, um dir zu sagen, daß wir uns heute nicht treffen können.“ „Ich kann dir erklären, wo ich gestern abend war“, erwiderte sie hastig. „Es hat nichts mit gestern abend zu tun. Du wußtest ja nicht, daß ich früher kommen würde. Aber meine Mutter hat mich gebeten, sie von zu Hause abzuholen und nach New York zu bringen. Sie hat starke Zahnschmerzen und möchte deshalb nicht selbst fahren. Können wir unsere Verabredung nicht morgen abend nachholen? Wie wäre es, wir könnten in ein nettes Restaurant gehen und hinterher vielleicht noch in eine Diskothek.“ Kim fiel ein Stein vom Herzen. Er war ihr nicht böse! Jetzt erst bemerkte sie, daß ihre Hand, mit der sie den Hörer hielt, zitterte. „Aber ja. Das ist prima. Wir haben uns eine Menge zu erzählen.“ „Ich glaube, ich habe dir Champagner versprochen? Stimmt das? Zieh also dein schönstes Kleid an.“ „Ich freue mich schon sehr. Bis morgen dann.“ Sie legte auf und ging in ihr Zimmer zurück. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, daß das Wetter nicht hätte besser sein können. Sie durfte keine Zeit verschwenden und sollte hinaus in die frische Luft gehen. Fannie und Joe wollten zum Central Park fahren. Sie nahmen Kim ein Stück mit. Die besuchte mehrere Kunstgalerien, aß in einem gemütlichen Restaurant und dachte sehr oft an John. Eigentlich hätte er sie ja auch mit nach Connecticut nehmen können. Es war nämlich ein idealer Tag für eine Fahrt aufs Land. Andererseits fühlte seine Mutter sich nicht wohl. Vielleicht wollte sie da keine Gesellschaft? John würde sicher ein andermal ein Treffen arrangieren. Um halb vier ging Kim nach Hause. Sie genoß es, das Apartment einmal für sich allein zu haben, und holte sich ein Buch aus dem Regal. Aber sie konnte sich nicht auf das Lesen konzentrieren. Immer wieder mußte sie an John denken. Morgen würde sie ihn endlich wiedersehen. Sie sehnte sich sehr nach ihm. John hatte Kim gebeten, sich nett anzuziehen. Bestimmt würden sie heute abend in ein elegantes Restaurant gehen. Nach längerem Nachdenken entschied sie sich für ein sandfarbenes Kleid, das sie vor einiger Zeit günstig hatte kaufen können. Sie steckte sich das Haar hoch und schminkte sich dezent. Als John vor der Tür stand, war sie gerade fertig. Sie zog ihn ins Wohnzimmer, legte ihm zärtlich die Arme um den Nacken und küßte ihn, bevor er überhaupt etwas sagen konnte. Aber der Funke sprang nicht über. John wirkte irgendwie abweisend. „Was ist das denn für eine begeisterte Begrüßung! Ich habe dir doch noch gar nicht gesagt, wohin wir gehen.“ „Ich bin einfach nur glücklich, daß du wieder da bist“, antwortete Kim und faßte nach seiner Hand. „Fannie steht gerade unter der Dusche. Wir sind so gut wie
allein“, fügte sie aufmunternd hinzu.
„Laß uns gleich losfahren“, überging er ihre Bemerkung. „Ich habe den Tisch
schon für halb acht reservieren lassen. Vor dem Essen wollen wir aber erst
einmal meine Rückkehr mit einer Flasche Champagner feiern.“
„Das ist ja eine ganz tolle Idee.“
„Ich wußte, daß du begeistert sein würdest“, sagte er nüchtern, nahm ihren Arm
und führte sie zum Auto.
„Du wolltest mir doch von den Abenteuern erzählen, die du in meiner
Abwesenheit erlebt hast, Kim.“
„Laß uns warten, bis wir im Restaurant sitzen. Du wirst staunen.“
„Was ist los? Hoffst du, daß ich dort nicht aus der Haut fahre? Sie kennen mich
aber nicht sehr gut, Miss Monk“, scherzte John.
„Was macht der Zahn deiner Mutter?“ versuchte Kim, das Thema zu wechseln.
„Es ist alles wieder in Ordnung.“
„Warum hast du sie nicht auch heute abend eingeladen? Ich würde sie gern
einmal kennenlernen.“
„Ich dachte, wir könnten heute gut mal allein sein. Da siehst du es: Ich bin eben
ein romantischer Dummkopf“, sagte John mit entwaffnendem Lächeln.
„In welches Restaurant fahren wir denn?“
„Das verrate ich dir nicht: Warte es ab.“
Nach zwanzigminütiger Fahrt hielt John vor einem ziemlich schäbig aussehenden
Haus. Es hatte eine Sandsteinfassade und unterschied sich überhaupt nicht von
den Nachbarhäusern.
„Wir sind da, das dort ist das Restaurant.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ rief sie fassungslos. „Und dafür habe ich
mein schönstes Abendkleid angezogen!“
Aber es war sein Ernst. Kim stöhnte leise. Ihr schönes Kleid! Am Ende des
Abends würde es wohl ruiniert sein, denn sehr wahrscheinlich gab es in diesem
Restaurant nicht einmal ordentliche Stühle.
Aber Kim sollte sich geirrt haben. Hinter der unscheinbaren Fassade verbarg sich
ein sehr elegantes Etablissement.
„Komm, laß uns zuvor ein Glas Champagner an der Bar trinken“, schlug John vor
und führte sie gleich darauf in eine hübsch eingerichtete Nische. Kim bewunderte
die geschnitzte Holzverkleidung und die samtbezogenen Stühle. Dieses
Restaurant war sicher ein Treffpunkt der Wohlhabenden, und sie sah sich um, ob
unter den Gästen jemand war, der auch die Party der Contessa besucht hatte.
„Von diesem Restaurant habe ich noch nie gehört. Wie heißt es denn?“ fragte sie
John neugierig.
„Es ist heu und heißt ,Der Pelikan'. Im ersten Stock befindet sich eine Disko. Ich
bin bisher noch nicht hier gewesen, aber einige meiner Freunde haben es mir
empfohlen. Wie gefällt es dir hier?“
„Es ist einmalig. Ich hatte schon Angst, daß der Abend ein großer Reinfall wird“,
lachte Kim.
John bestellte Champagner, und beide prosteten sich zu. „Ich glaube, ich habe
dir inzwischen genug Reinfälle beschert“, sagte er und lächelte, aber irgendwie
wirkte sein Lächeln gezwungen. Das bemerkte Kim allerdings nicht. Sie war von
der Umgebung ganz hingerissen.
„Es ist einmal etwas ganz anderes“, stimmte sie ihm zu.
Die Unterhaltung entpuppte sich allerdings als schwierig, denn die Bar war
hoffnungslos überfüllt. Aber Kim hatte sowieso mit dem Schauen genug zu tun.
Dies war nämlich ein Restaurant, in dem die Leute gesehen werden wollten.
Dementsprechend auffallend waren auch die meisten gekleidet. Es gab
extravagante Frisuren, erstklassige Pelze und teuren Schmuck zu bewundern.
Während sie Champagner tranken, wurde ihr Tisch frei. So gingen sie bald
hinüber in den sechseckigen Speisesaal. In der Mitte des Raumes gab es einen
richtigen Grünpflanzendschungel mit Schlingpflanzen und einem kleinen
Wasserfall. Kim bestaunte das venezianische Glas, aus dem exotische Vögel,
Blumen und Früchte nachgebildet waren.
Das Restaurant sah sehr beeindruckend aus, allerdings: so ganz wohl fühlte sie
sich in dieser Umgebung nicht.
Kim stellte bald fest, daß die Speisekarte nur in französischer Sprache abgefaßt
war. Eigentlich hatte sie hier mit Südamerikanischer Küche gerechnet. Da Kim
kein Französisch sprach, mußte sie John bitten, etwas für sie auszusuchen.
„Ich dachte, du hättest es inzwischen gelernt. Neil versucht doch immer, sein
Französisch anzubringen.“ Wieder lächelte er, aber es wirkte reichlich
gezwungen.
Das Essen schmeckte hervorragend. Kim wußte allerdings nicht so genau, was
sie da gerade aß. John lüftete dann das Geheimnis und ließ sie wissen, daß sie
sich an Froschschenkeln gütlich tat. Nun, das störte sie aber gar nicht.
„Möchtest du noch ein bißchen Champagner?“ fragte er.
„Nein, danke“, lehnte Kim ab, während sie mit dem nächsten Froschschenkel
kämpfte. „Ich habe genug getrunken.“
„Wir sollten öfter mal ausgehen“, sagte John, während er eine rothaarige Frau
fixierte, die am Nebentisch saß. Sie trug ein tief ausgeschnittenes enges Kleid
und warf John aufreizende Blicke zu.
„Ja, es ist nett hier“, antwortete Kim, aber John hörte das gar nicht. Er hob jetzt
sogar sein Champagnerglas, um der Rothaarigen zuzuprosten.
Irgendwie kam John ihr verändert vor. So etwas hatte er doch sonst nicht getan?
Außerdem: Wieso benahm er sich ihr gegenüber so übertrieben höflich? Das
kannte sie doch gar nicht an ihm.
Ob er ihr doch die Verabredungen mit Neil verübelte?
„Du bist ja so ruhig“, sagte John und wandte sich ihr wieder zu.
„Seit du die Rothaarige entdeckt hast, zeigst du mir ja die kalte Schulter“,
antwortete Kim und versuchte ein Lächeln, das ihr kläglich mißlang.
„Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich kann mich nur nicht erinnern, wo ich
sie schon einmal gesehen habe.“
„Vielleicht ist sie Fotomodell und in einem deiner Magazine zu sehen gewesen?“
„Kann sein. Aber wir kommen vom Thema ab. Du wolltest mir etwas erzählen. Du
kannst jetzt anfangen, ich bin ganz Ohr“, sagte er, und es klang fast wie ein
Befehl.
„Habe ich dir schon von der Party bei der Contessa erzählt?“
„Nur, daß Neil dich dorthin mitnahm“, antwortete er trocken.
„Es war wundervoll. Stell dir vor, die Schauspielerin Lottie Burnes war da. Sie
erzählte mir, daß sie ihr Sommerhaus in Maine neu eingerichtet haben möchte.
Vielleicht bekomme ich von ihr den Auftrag.“
„Das wäre der endgültige Durchbruch für dich“, nickte John. Er schien
beeindruckt. „Und am Samstag stand, wie man hört, ein Theaterbesuch auf dem
Programm?“
„Ja, Lottie hatte sechs Freikarten für ein Musical.“ Johns Blick wanderte schon
wieder zu der rothaarigen Frau, und Kim konnte ihren Ärger kaum unterdrücken.
„Neil lud mich ein, ihn zu begleiten. Hinterher gingen wir noch in ein Restaurant.“
Je auffälliger John mit der Rothaarigen flirtete, desto farbiger schilderte ihm Kim,
was sie in seiner Abwesenheit gemacht hatte. Sie versuchte, fröhlich zu sein, ihn
abzulenken oder ihn wenigstens eifersüchtig zu machen. Aber nichts klappte. Je
mehr Kim sagte, desto intensiver flirtete er.
So schwieg sie endlich ganz. Da drehte er sich zu ihr um und sagte mit
ironischem Lächeln: „O ja, ich sehe nun, wie verzweifelt du mich vermißt hast.
Was hältst du davon, wenn wir jetzt in die Diskothek zum Tanzen gehen?“
„Ich habe keine große Lust zu tanzen. Ich möchte lieber nach Hause.“
„Na hör mal! Die ganze Zeit freue ich mich schon darauf, mit dir zu tanzen. Aber
wenn du nicht möchtest…“
Kim beschloß, lieber zurückzustecken, um auf jeden Fall Streit zu vermeiden. Der
lag ja schon seit geraumer Zeit in der Luft. „Also gut, du hast mich überredet.“
„Prima. Dann will ich mal zahlen.“
Als Kim den Rechnungsbetrag sah, hielt sie verblüfft den Atem an. Aber John
blieb gelassen, bezahlte per Scheck und führte sie dann zur Diskothek. Sie
gingen an den üppigen Schlingpflanzen vorbei, dort gab es Vogelkäfige mit
Sittichen und Papageien. Immer wieder blieb Kim fasziniert stehen. Sie konnte
sich gar nicht satt sehen an der Farbenpracht.
Die Tanzfläche war überfüllt, und die Musik für Kims Geschmack viel zu laut.
Laufend stießen sie mit anderen Paaren zusammen.
„Bringt das nicht Spaß?“ schrie John ihr zu, während sie sich zu ihrem Tisch
zurückdrängten.
„Mein Bedürfnis nach Spaß ist für heute abend erfüllt. Ich würde gern nach Hause
gehen.“
„Was, jetzt schon? Es ist doch noch früh am Abend“, protestierte John.
„Ich habe aber Kopfschmerzen, wahrscheinlich liegt das am Champagner. Oder
ob ich mir den Magen verdorben habe?“
Während John die Mäntel holte, blickte Kim nochmals auf die tanzenden Gäste.
Das hier wäre etwas für Fannie gewesen. Aber Kim fühlte sich ziemlich unwohl in
der Menschenmenge.
Die kühle Luft draußen tat ihr gut, und sie atmete tief durch. Die Ohren dröhnten
ihr noch von der lauten Musik, so daß dagegen sogar der Straßenlärm erholsam
wirkte.
„Wohin möchte die Dame jetzt?“ fragte John scherzhaft und öffnete ihr die
Wagentür.
„Nach Hause, James“, sagte sie erleichtert.
„Hast du vergessen, daß meine Mutter bei mir wohnt?“ erinnerte er sie.
„Ich meinte ja auch meine Wohnung.“
„Sind Fannie und Joe denn ausgegangen, oder werden wir sie dort etwa treffen?“
„Ich weiß es nicht.“ Kim lehnte den Kopf gegen das kühle Polster, schloß die
Augen und versuchte, die Kopfschmerzen zu vergessen.
Erst als sie bei Kim im Apartment standen, brach John das Schweigen. „Wir
haben Glück, daß Fannie und Joe ausgeflogen sind.“
„Möchtest du einen Kaffee trinken, bevor du dich auf den Rückweg machst?“
„Ich könnte mir sogar etwas noch Schöneres vorstellen“, antwortete er, legte ihr
den Arm um die Schultern und führte sie ins Wohnzimmer.
„Was schlägst du vor?“ fragte Kim.
„Ich möchte dich besitzen.“
Kim sah ihn an. Er wirkte gespannt, seine Augen blitzten, und er schien schlechte
Laune zu haben. Plötzlich umfaßte er sie und preßte seine Lippen hart auf ihren
Mund. Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, aber das führte nur dazu, daß er sie
noch fester packte. Schließlich ließ Kim ihn gewähren. Da ließ er sie abrupt los.
Offenbar hatte er ihr nur zeigen wollen, daß er sich das holen konnte, was er
wollte.
„Ich glaube kaum, daß das der richtige Weg ist, mich zu verführen“, bemerkte
sie trocken. „Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß ich dich bisher falsch behandelt habe“, sagte er drohend. „Du hättest dich aber bei mir beschweren sollen und nicht bei deinen Freunden Fannie und Joe. Woher soll ich denn wissen, daß du mit Hamburgern und Hot dogs nicht zufrieden bist? Beinahe wäre es dir gelungen, mich hinters Licht zu führen, so gut hast du dich verstellt.“ John verzog die Stirn und kniff ärgerlich die Lippen zusammen. „Geht es wirklich um Hamburger und Hot dogs?“ antwortete Kim und sah ihm fest in die Augen. „Damit du nur Bescheid weißt: für mich war das eine Art Test. Ich suche nämlich eine Frau, die mich liebt und nicht mein Geld. Nur durch einen solchen Test kann ich doch herausfinden, ob du auf mein Geld aus bist oder nicht.“ John blickte sie, während er das sagte, verächtlich an. Im Kim stieg Ärger hoch. „Und ich habe den Test nicht bestanden?“ fragte sie und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Du hast dich anfangs gut gehalten, zugegeben. Aber verreisen durfte ich nicht. Nicht einmal eine Woche lang bist du mir treu geblieben. Das ist doch beschämend! Für eine glitzernde Party bei der Contessa in Begleitung dieses alternden Playboys hast du mich vergessen.“ Kim stützte die Hände auf die Hüften. „Aha, so ist das also. Es geht um Neil. Ich weiß, daß er ein unverbesserlicher Snob ist, aber er ist noch lange nicht so arrogant wie du. Er versucht jedenfalls nicht, seine Freunde zu testen! Wie kannst du es überhaupt wagen, so etwas mit mir zu machen!“ rief Kim wütend. „Das müßtest du doch sehr gut verstehen. Denk doch mal an deine Liste“, fuhr John sie scharf an. „Du stellst bestimmte Anforderungen, also gib mir das gleiche Recht. Gut, daß du bei meiner Rückkehr nicht zu Hause warst! Joe hat mir einiges erzählt über Fannie und dich. Nach dem Geld habt ihr Ausschau gehalten! Pfui, schämt euch. Ich bin froh, daß ich nicht auf dich hereingefallen bin.“ „Ich führe keine Liste“, rief Kim empört. „Natürlich, Fannie trägt allein Schuld, Fannie, die einen Autoverkäufer mit niedrigem Einkommen heiraten wird. Das kannst du mir nicht weismachen, das ist allein deine Liste! Du hast ja auch versucht, Fannie zu beeinflussen, und sie sogar dazu gebracht, mit diesem albernen Börsenmakler auszugehen! Aber jetzt hat sie sich endlich durchgesetzt. Sie ist viel zu gut für dich als Freundin. Lange genug hast du mich getäuscht. Als wir uns das erste Mal sahen, hast du mir absichtlich die kalte Schulter gezeigt. Du wußtest genau, daß damit mein Interesse geweckt war. Du sagtest mir, daß du Hot dogs und alte Filme magst. Da hatte ich das Gefühl, daß nur ich und nicht mein Geld für dich wichtig ist. Schade, daß du eine Sache zu erzählen vergessen hast, daß ich als Nummer eins auf deiner Liste geführt werde.“ „Du hast gar nicht auf der Liste gestanden“, sagte Kim, bemüht, ruhig zu bleiben. „Sieh da, du gibst also zu, daß die Liste existiert“, triumphierte er. „Es kann allerdings nicht viel damit los sein, wenn sogar dieser DeWitt darauf steht. Du solltest dich besser über deine Kandidaten informieren, Kim. Mit mir bist du auf jeden Fall an den Falschen geraten.“ „Ich mag Neil nun einmal“, sagte sie erbost. „Außerdem haben wir eine rein geschäftliche Beziehung.“ „DeWitt hat mir gegenüber natürlich den Vorteil, daß er dir beruflich weiterhelfen kann. Wie würdest du sonst wohl an den Auftrag von Lottie Burnes herankommen“, erwiderte er verächtlich. „Jeder weiß, daß man in meiner Branche Verbindungen braucht.“ „Du nutzt auch ihn also aus?“
„Das stimmt nicht. Wir arbeiten zusammen.“ „Spiel nicht die Naive! Glaub ja nicht, er würde dich protegieren, wenn du alt und häßlich wärst. Er ist auch nur ein Mann und erwartet eine Gegenleistung.“ „Du solltest nicht immer von dir auf andere schließen“, entgegnete sie scharf. „Er ist der Meinung, daß ich einen guten Geschmack habe.“ „Von wegen guter Geschmack! Da kann ich ja nur lachen! Es schmeichelt ihm, daß du ihm zu Füßen liegst. Wenn du nicht hart arbeitest, werden dir alle Verbindungen der Welt nichts nützen. Du hast doch bis jetzt noch nicht einen Auftrag für ihn vollständig erledigt. Ich weiß gar nicht, welche Talente er an dir überhaupt schätzt?“ „Er hat Probearbeiten von mir gesehen. Außerdem brauchst du keine Angst zu haben. Das Apartment für deine Vicky wird schon rechtzeitig fertig.“ Kim sah John wutentbrannt an. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion. „Das möchte ich auch hoffen.“ Nach diesem Wortwechsel entstand ein unangenehmes Schweigen. John brach es schließlich. „Ich möchte nicht, daß du dich mit Neil DeWitt triffst, aus welchem Grund auch immer.“ „Du willst mir etwas verbieten? Du bist doch nicht für mich verantwortlich, John! Verdammt noch mal, ich suche mir meine Freunde selbst aus, ob es dir nun paßt oder nicht. Neil hilft mir beruflich weiter, das ist alles, und wenn du mir nicht traust, dann…“ „Dir soll ich trauen? Ich würde eher mit einer notorischen Diebin zu Tiffany's gehen“, lachte John ironisch. „Ich konnte dich doch nicht einmal eine Woche allein lassen.“ „Warum bist du dann heute abend gekommen? Du hättest nur anzurufen brauchen.“ Kim war bitter enttäuscht. „Ich war neugierig und wollte gern mal sehen, wie du sonst deine Freunde bezahlst. Du verstehst schon, was ich meine.“ John musterte sie mit geradezu gierigem Blick, und Kim hätte vor Scham im Erdboden versinken mögen. „Ich bin bereit, die Hälfte der Rechnung für unser Abendessen zu bezahlen“, ließ sie ihn wissen. „Das ist aber auch die einzige Bezahlung, die du erwarten kannst. Deine Lust auf Sex mußt du woanders befriedigen. Wo die Tür ist, weißt du ja, John.“ Sie blickte ihn abweisend an. „Ich werde schon jemanden finden“, antwortete er böse, ging langsam zur Tür und schloß sie leise hinter sich. Kim verzichtete darauf, die Kette vorzulegen. So brauchte sie Fannie nicht hereinzulassen. Auf keinen Fall sollte die Freundin sie mit rotgeweinten Augen sehen. Denn die Tränen waren ihr schon in die Augen gestiegen, und sie sehnte sich danach, sich ihrem Schmerz in ihrem Bett zu überlassen. Wie konnte John nur so schlecht von ihr denken! Das war wirklich nicht nett von ihm! Kim versuchte krampfhaft, sich all die schönen Dinge vorzustellen, die sie mit John erlebt hatte. Das alles sollte nur ein Test gewesen sein? Sie konnte es einfach nicht glauben. Wie sollte sie John jetzt beweisen, daß sie die Ausflüge mit ihm viel schöner gefunden hatte als die mit Neil? Konnte er denn gar nicht verstehen, daß sie auch an ihre berufliche Zukunft dachte? Er selbst machte es doch genauso! Es war wirklich nicht fair, ihr das Treffen mit Neil vorzuwerfen. John besaß Geld und kannte Parties dieser Art zur Genüge, für sie war das aber alles neu. Wie konnte er sie nur so schlecht behandeln?
8. KAPITEL „Fannie, was habt ihr John nur am Samstagabend erzählt, als ich mit Neil DeWitt unterwegs war?“ fragte Kim die Freundin am nächsten Morgen. „Wir sagten ihm nur, mit wem und wohin du ausgegangen warst“, antwortete Fannie und goß sich Kaffee ein. „Joe hat ihm von deiner Liste erzählt, nicht wahr?“ fragte Kim und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Ach ja. Joe machte bloß Spaß. Er erklärte John, daß er sich um Neil DeWitt keine Sorgen zu machen brauchte, denn nicht Neil, sondern er wäre die Nummer eins auf unserer Liste. John wollte dann natürlich gleich wissen, um welche, Liste es sich handelt.“ „Nicht unsere Liste, Fannie, das war ganz allein deine Idee.“ „Joe wußte es nicht“, lächelte Fannie unschuldig. „Warum fragst du? Erzähl mir bloß nicht, John war böse. Er lachte nämlich lauter als wir beide zusammen.“ „Gestern abend hat er sich aber anders verhalten. Er fand das gar nicht mehr lustig. Wir haben uns gestritten.“ „Er wird sich schon wieder melden“, versicherte Fannie sorglos. „Wenn nicht, ruf ihn doch einfach an. Bei mir hat es ja schließlich auch funktioniert.“ Glücklich deutete sie auf ihren Verlobungsring. Tag für Tag frühstückten Kim und Fannie sehr hastig. Kim war froh, daß Fannie auch heute im Laufschritt die Wohnung verlassen mußte, weil sie ziemlich spät dran war und den Bus noch erreichen wollte. So konnte sie in aller Ruhe über ihr Problem nachdenken. Sollte sie John wirklich anrufen? Nein, jetzt war er am Zug. Er mußte sich bei ihr entschuldigen. Aber eine innere Stimme sagte ihr, daß er gerade das nicht tun würde. Am Mittwoch kam Vicky Laker zurück. Kim hatte noch die Schlüssel in Gewahrsam und wußte nicht, ob sie sie John zurückgeben oder daraufwarten sollte, bis sich jemand meldete. Unschlüssig hielt sie sie in der Hand, packte sie dann jedoch wieder in die Handtasche. Erst am Mittwochmorgen fiel ihr ein, sie könne sie dem Hausmeister übergeben. Vorher aber machte sie noch einen letzten Rundgang durch das Apartment. Als Kim durch die Zimmer ging, stellte sie fest, daß die impressionistischen Bilder bereits an den Wänden hingen. Sicher hatte John sie angebracht. Das Apartment sah wunderschön aus, sie hatte gute Arbeit geleistet. Die Ausstattung war für ihren Geschmack zwar etwas zu elegant, aber zu einer jungen Frau aus der High Society paßte sie hervorragend. Kim betrat endlich das Badezimmer und war darauf stolz, daß sie sogar an Seife und Handtücher gedacht hatte. Die Kacheln hatte sie allerdings nicht auswechseln lassen, dafür war die Zeit zu kurz gewesen. Wie diese Mrs. Laker wohl sein würde. Ob sie ihrer Vorstellung entsprach? Sie ging weiter ins Schlafzimmer. Dort saß jetzt ein kuscheliger Teddybär mit braunem Fell mitten auf dem Bett. Er sah neu aus. Hatte John ihn für Vicky gekauft? Eigentlich war es ein seltsames Geschenk. Kim sah sich genauer um und entdeckte ein Rosenbukett auf dem Nachttisch. Zwischen den Rosen steckte ein Zettel. Neugierig las Kim Johns Worte: „Herzlich willkommen zu Hause. In Liebe, John.“ Das war alles, aber Kims Gedanken überschlugen sich. Sie nahm den Teddybär in den Arm, wie sie es auch schon als kleines Kind getan hatte. Auf einmal empfand sie ein schreckliches Gefühl von Leere und Verlassenheit. John und Vicky. Über ihr Verhältnis zueinander hatte sie sich schon immer Gedanken gemacht. Jetzt ging ihr plötzlich ein Licht auf. John suchte einen
Vorwand, um sie loszuwerden! Jetzt kehrte ja Vicky wieder aus Europa zurück. Sie, Kim, war also nur ein Zeitvertreib für ihn gewesen. Vielleicht plante er sogar, hier auch einzuziehen. Kim saß lange auf dem Bett, bevor sie den Teddybären zurücklegte und in die Küche ging. Sie hatten Geschirr, Töpfe und Pfannen besorgt, aber eine gute Fee war inzwischen dagewesen und hatte auch alle Schränke mit Lebensmitteln gefüllt. Ob das auch auf Johns Konto ging? Im Kühlschrank fand Kim eine Flasche Champagner, Milch, Butter, Eier, kurz alles, was in einem Haushalt so gebraucht wird. Was für eine Rolle spielte diese Vicky in Johns Leben? Sehr wahrscheinlich würde sie heute nacht nicht nur den Teddybären zur Gesellschaft haben. Auf einmal fiel Kim etwas ein. Hatte John ihr nicht versprochen, einen Teddybären von seiner Geschäftsreise mitzubringen? Dieses Versprechen hatte er nicht gehalten… Bevor Kim nach Hause fuhr, ging sie noch einmal in ihr Büro, um den Anrufbeantworter abzuhören. Sie hatte gerade ihren Schreibtisch aufgeräumt und wollte gehen, als das Telefon klingelte. „Spricht dort Miss Monk?“ fragte eine sehr angenehm klingende Frauenstimme. „Am Apparat. Kann ich Ihnen helfen?“ „Das haben Sie bereits. Mein Name ist Vicky Laker. Ich wollte mich bei Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit bedanken. Das Apartment ist wundervoll.“ „Oh, vielen Dank für das Kompliment“, antwortete Kim und war erleichtert und erfreut zugleich. „Sie haben tatsächlich an alles gedacht“, fuhr Mrs. Laker fort. „Ich fühle mich hier wirklich heimisch.“ Sofort wurde Kim wieder an den Teddybären und das Rosenbukett erinnert. „Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie mich jederzeit an. Ich kann fast alles umtauschen, falls Ihnen etwas nicht gefällt. Sie müßten sich eben nur schnell entscheiden“, mahnte Kim. „Nein, die Einrichtung ist perfekt. Na ja, vielleicht lasse ich den Spiegel im Wohnzimmer herausnehmen. Ich habe da ein altes Erbstück, das ich gern anbringen lassen würde. Dieser Spiegel ist mein Glücksbringer, wissen Sie.“ „Leider reichte die Zeit nicht aus, um das Badezimmer neu zu verkacheln. Es sieht ziemlich dunkel aus. Wenn Sie möchten, können wir später darüber reden“, schlug Kim vor. „Wir sollten uns bald treffen und könnten dann auch über das Badezimmer sprechen. Haben Sie morgen abend Zeit, Miss Monk?“ „Ja, das würde gehen.“ „Sehr gut. Kommen Sie dann doch bitte um halb neun vorbei. Heute bin ich zu zerschlagen, um wichtige Probleme zu diskutieren. Diese entsetzliche Fliegerei.“ Kim lächelte ironisch. Wahrscheinlich war sie nicht zu müde, um noch jemand ganz Bestimmtes zu treffen. Sie wollte den ersten Abend in New York mit John wohl gern verbringen. Wozu hatte er sonst eine Flasche Champagner gekauft? „Ich freue mich schon darauf, Sie endlich einmal kennenzulernen“, sagte Kim und verabschiedete sich. Danach saß sie noch eine ganze Weile in ihrem Büro und dachte über den Anruf nach. Natürlich war sie froh, daß Mrs. Laker die Einrichtung mochte. Trotzdem konnte sie ein gewisses Gefühl von Traurigkeit nicht unterdrücken. Am nächsten Abend begann Kim rechtzeitig, sich für den Besuch bei Mrs. Laker umzuziehen. Sie wollte natürlich neben Vicky bestehen können. Endlich wählte sie eine helle Leinenhose und dazu einen selbstgestrickten roten Pullover. Fannie lieh ihr eine passende Kette und überredete Kim, die braunen Lederstiefel anzuziehen.
Kim nahm ein Taxi, hatte aber ein schlechtes Gewissen, weil sie an die Ausgabe dachte. Aber sie wollte unbedingt als erfolgreiche Innenarchitektin auftreten. Das Apartmenthaus war inzwischen fast so etwas wie ein zweites Heim für sie geworden, soviel Zeit hatte Kim dort verbracht. Sie stieg zusammen mit einem auffällig gekleideten jungen Paar in den Lift. Die Frau trug zu ihrem einfarbigen Kostüm eine Diamantenbrosche, die bestimmt sehr teuer gewesen war. Beide sahen aus, als ob sie zu einer Party eingeladen waren. Kim kam nicht darum herum, ihre Unterhaltung mit zu verfolgen. „Ich möchte wissen, welchen katastrophalen Fehler sie als nächstes begeht“, sagte die Frau mit gelangweilter Stimme. „Schlimmer als der Playboy, den sie sich in Paris gesucht hat, kann es wohl nicht mehr werden“, antwortete der Mann. Der Lift hielt, und alle stiegen aus. Das Paar steuerte zielsicher auf Vickys Apartment zu, und Kim folgte ihnen zögernd. „Wir gehen anscheinend zur selben Party“, lachte der Mann und betätigte die Türklingel. Party? Irritiert sah Kim an sich herunter. Von einer Party war nicht die Rede gewesen, und jetzt stand sie da mit ihrer einfachen Hose und den Stiefeln. Sie wollte gerade kehrtmachen, als Mrs. Laker die Tür öffnete. Vicky sah eigentlich gar nicht so gut aus, wie Kim es sich immer vorgestellt hatte. Zugegeben, sie war schlank und besaß wunderschöne braune Augen, aber ihr schmallippiger Mund gab ihr ein etwas mürrisches Aussehen. Hinter Vicky stand John. Seine Hand ruhte auf ihrer Schulter. Die beiden geben wirklich ein gutes Paar ab, dachte Kim ironisch. „Meine Lieben! Wie freue ich mich, daß Ihr gekommen seid. Ich weiß, die Einladung war ein wenig kurzfristig.“ Vicky begrüßte ihre Freunde überschwenglich und sah Kim dabei fragend an. „Das ist Kim Monk“, stellte John sie vor. „Sie hat dein Apartment eingerichtet. Hallo, Kim. Komm doch herein.“ „Oh, Sie sind es. Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie nicht gleich erkannt habe. Aber wie sollte ich auch?“ lachte Vicky und beugte sich zu Kim, um ihr einen Kuß auf die Wange zu geben. Dann besann sie sich jedoch anders und gab Kim die Hand. „Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Laker. Ich wußte nicht, daß hier eine Party stattfinden würde.“ „Wieso Party? Ich bat nur ein paar Freunde, vorbeizuschauen. Nennen Sie mich doch bitte Vicky. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. John erzählt mir schon seit Wochen, was für eine fähige Innenarchitektin Sie sind.“ Wieder läutete es. Vicky und John begrüßten weitere Ankömmlinge und benahmen sich dabei fast wie ein Ehepaar, das einen Empfang gibt. Sie schienen sich schon lange zu kennen. Kim ging ins Wohnzimmer und stellte fest, daß trotz aller gegenteiligen Behauptungen eine Party in vollem Gange war. Überall standen Weingläser, Schalen mit Gebäck und Teller mit kleinen Partyschnitten. Die „paar“ Freunde machten ungefähr fünfzig Personen aus. Die Frauen trugen Abendkleider, und die meisten Männer waren im Smoking erschienen. Kim kannte keinen der Anwesenden und stand ziemlich verlassen in der Mitte des Raumes. Sie holte tief Luft, ging zu einem Tablett und nahm sich ein Glas Wein. Vielleicht gab es hier ja noch jemanden, der sich ebenso verlassen fühlte wie sie. Sobald alle Gäste eingetroffen waren und Vicky und John ihren Platz an der Tür aufgaben, würde sie gehen. Bei diesem Trubel ergab sich ohnehin keine Gelegenheit, privat mit Vicky zu sprechen.
Während sie sich umsah und völlig fehl am Platze vorkam, trat der schlanke dunkelhaarige Mann auf sie zu, mit dem sie bereits im Lift gefahren war. „Hallo, ich bin Steward Marlin. Wir haben uns vorhin im Fahrstuhl getroffen. Ich wußte nicht, daß Sie auch zu Vickys Freunden gehören“, sagte er freundlich lächelnd. Er schien sehr sympathisch zu sein. „Sehr erfreut. Mein Name ist Kim Monk. Eigentlich gehöre ich auch gar nicht dazu. Ich habe aber Vickys Apartment eingerichtet. Ich wußte nicht, daß hier heute eine Party stattfindet“, erklärte Kim, froh, sich mit jemandem unterhalten zu können. „Das ist typisch Vicky. Sie gibt eine Party nach der anderen. Seit ihre Eltern vor zehn Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, braucht sie viele Menschen um sich. Es hilft ihr, die Einsamkeit zu überwinden.“ „Wirklich? Alles, was ich von ihr wußte, war, daß sie sich nach ihrer Scheidung in Europa aufgehalten hat“, sagte Kim voller Interesse. „Diese Heirat war ein tragischer Fehler“, antwortete er und schüttelte den Kopf. „Sie heiratete einen Playboy, den sie gerade erst einen Monat kannte. Die Hochzeit fand sehr überstürzt statt. Er wollte nur ihr Geld, und ich glaube, das hat er auch bekommen. Sie mußte ein Vermögen zahlen, nur um ihn wieder loszuwerden.“ „Wie schrecklich“, rief Kim aus. „Na ja, sie kann es sich leisten. Das Schlimme ist nur, daß sie einem anderen, viel sympathischeren Mann den Laufpaß gab, um Jules zu heiraten. Aber anscheinend hat sie wieder zu ihm zurückgefunden.“ Er nickte bedeutungsvoll in Richtung Tür. Kim folgte seinem Blick. „Also ging sie vorher mit John Balfour?“ fragte sie mit bemerkenswert fester Stimme, obwohl ihr diese Worte sehr weh taten. „Ja, das stimmt. Kennen Sie John?“ „Nicht näher.“ Kim nippte an ihrem Glas, um ihre Unsicherheit zu verbergen. „Ich arbeite für ihn“, erzählte Steward. „Ich bin Chefredakteur seiner Motorsport Zeitschrift, die er vor ein paar Jahren gekauft hat. Der Start war schwierig, aber jetzt läuft es sehr gut. John hat sich schon immer für schnelle Autos interessiert.“ „Das hat er mal erwähnt. Waren er und Vicky verlobt?“ Kim bereitete sich auf das Schlimmste vor. „Ich weiß nicht, ob ihre Beziehung so offiziell war. Auf jeden Fall unternahmen sie viel zusammen, und John wurde fast wahnsinnig, als er hörte, daß sie diesen Mitgiftjäger heiraten wollte. Er versuchte, ihr die Sache auszureden, aber Vicky war zu verliebt, und so war alle Mühe vergebens. Sie selbst merkte erst viel zu spät, daß er nur hinter ihrem Geld her war. Na, so ein Problem kann bei mir gar nicht auftauchen.“ „Das trifft auch auf mich zu“, antwortete Kim und trank aus. „Soll ich Ihnen noch ein Glas holen?“ fragte Steward. Da Vicky und John noch immer neben der Tür standen, nahm sie sein Angebot an. Steward unterhielt sich noch ein paar Minuten über die Einrichtung des Apartments mit ihr, bevor er weiterging, um mit anderen Leuten zu sprechen. Wieder stand Kim allein da. Sie hätte am liebsten fluchtartig die Wohnung verlassen. Ihre Vermutung stimmte also: Vicky und John waren ein Liebespaar. Die kurze Episode mit ihr hatte für John nur eine kleine Abwechslung bedeutet. Sie war bitter enttäuscht. Einige Minuten später, die Kim wie eine Ewigkeit vorkamen, hatte sie Gelegenheit, ungesehen das Apartment zu verlassen. Sie nahm ihre Handtasche und ging hinaus, ohne irgendjemand auf Wiedersehen zu sagen. Sie wollte nur in Ruhe gelassen werden und vor allem nichts mehr von John Balfour hören.
Am nächsten Morgen rief Vicky in Kims Büro an. Kim seufzte. So einfach
verschwanden die beiden also doch nicht aus ihrem Leben.
„Es handelt sich um den Spiegel, Kim. Ich habe es ja schon erwähnt. Wann kann
er umgetauscht werden?“
„Ich werde gleich heute anrufen. Es kann allerdings noch ein paar Tage dauern,
bis er abgeholt wird. Gefällt Ihnen der Rest der Einrichtung?“
„Ich bin begeistert. Allerdings, die Beistelltische im Wohnzimmer sind etwas
groß, finden Sie nicht?“
„Nein, ganz und gar nicht, sonst hätte ich sie ja nicht ausgesucht.“
„Natürlich, Sie wußten ja auch nicht, daß ich mein Klavier ins Wohnzimmer
stellen werde. Es steht im Augenblick noch in Connecticut, wird aber in den
nächsten Tagen gebracht. Die Beistelltische müssen also weg. Auch die Anrichte,
die unter den impressionistischen Bildern steht, ist nicht ganz mein Geschmack.
Diese Sachen können doch noch umgetauscht werden, nicht wahr?“
„Ich werde mein möglichstes tun, nur die Polstermöbel, die speziell für Ihr
Apartment bezogen werden, die kann ich natürlich nicht zurückgeben“, sagte Kim
vorsichtig.
„Das ist auch nicht nötig. Ich habe mich in das Sofa verliebt. Auch die Gardinen
passen gut. Wahrscheinlich werde ich sie nur etwas dunkler färben lassen.“
„Möchten Sie noch etwas mit mir besprechen?“ fragte Kim und bemühte sich,
nicht ungeduldig zu werden.
„Das ist im Augenblick alles. Sie kümmern sich doch um den Spiegel und die
anderen kleinen Sachen, nicht wahr?“
Kim versprach es und legte erleichtert auf.
Am nächsten Tag waren es die Korbmöbel im Schlafzimmer, die angeblich nicht
paßten.
„Ich hätte lieber einen Messingtisch mit Glasregalen“, beschwerte sich Vicky.
Allmählich verlor Kim die Geduld. „Sind Sie da ganz sicher? Neil DeWitt, mein
Geschäftspartner, und ich, kreieren gerade eine neue Mode mit diesen
Korbmöbeln.“
„Was, Sie arbeiten mit Neil zusammen? Das hat John nicht erwähnt. Es wunderte
mich sowieso, warum er nicht Neil den Auftrag gab. Das soll natürlich nicht
bedeuten, daß ich Ihre Arbeit nicht schätze, Kim.“
„Es freut mich, daß Ihnen mein Stil gefällt. Neil sah sich das Apartment an und
war besonders vom Schlafzimmer begeistert.“
„Ach so. Naja, vielleicht haben Sie recht mit den Korbmöbeln. Sie sehen
eigentlich ganz nett aus.“
„Neil will sie auch für das Solarium der Contessa Scarlatti kaufen“, erklärte Kim,
um Vicky endgültig zu überzeugen. Sie hatte erkannt, daß Mrs. Laker nur an der
allerneuesten Mode interessiert war und nicht an stilvoller Einrichtung. Kein
Wunder, daß Neil manche seiner Kunden verachtete.
„Ich werde die Contessa in den nächsten Tagen anrufen. Sie ist eine sehr gute
Freundin von mir. Also gut, lassen wir die Korbmöbel im Schlafzimmer. Wir
sollten uns bald einmal zum Essen treffen, Kim. Haben Sie Freitag frei?“
„Tut mir leid, aber diese Woche habe ich sehr viele Termine. Freitag paßt
überhaupt nicht“, sagte Kim mit fester Stimme.
Kim hatte diese Vicky Laker gehörig satt. Sie verachtete ihre Unentschlossenheit,
sowohl was Möbel als auch Männer anging. Diese Einladung hatte sie ja doch nur
ausgesprochen, weil sie mit Neil in Verbindung stand. Seine Freunde waren eben
auch Vickys Freunde.
Am nächsten Tag rief das Teppichgeschäft an. Der Berberteppich für die Folkers
sollte noch am gleichen Nachmittag geliefert werden. Kim fuhr zum Apartment,
um den Teppich zu inspizieren. Er paßte hervorragend in den Raum. Sie rief Neil an und fragte ihn, ob er den Teppich noch sehen wollte, bevor er am Wochenende abreisen würde. Er hielt das jedoch nicht für nötig. „Wie gefällt Vicky das Apartment?“ wollte er wissen. „Sie will ein paar Sachen umtauschen.“ „Das lassen Sie sich gefallen?“ tadelte er. „Sie müssen selbstbewußter auftreten. Niemand darf wagen, Ihre Auswahl auch nur im entferntesten anzuzweifeln. Dieses dumme Ding wußte noch nie, was sie wollte, und sie wird es wohl auch in Zukunft nie wissen. Ich werde in einem Monat zurücksein, dann brauche ich dringend eine Assistentin. Ich habe dabei an Sie gedacht, Kim. Lassen Sie uns nach meiner Rückkehr alles besprechen, natürlich nur, wenn Sie möchten.“ Kim glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Als Neils Assistentin zu arbeiten, das bedeutete den endgültigen Durchbruch. John wäre natürlich dagegen, aber was kümmerte sie das! Vor Freude war sie außer sich. „Ich bin sehr an Ihrem Angebot interessiert, Neil. Rufen Sie mich gleich an, wenn Sie wieder zurück sind. Und ich wünsche Ihnen noch viel Spaß auf Sardinien.“ „Danke, ich werde mich dort bestimmt erholen. Das bißchen Arbeit nebenbei macht mir nichts aus. Übrigens, mein Büro wird Ihnen für Ihre Mühe einen Scheck schicken. Ich habe schon alles arrangiert.“ „Das geht in Ordnung, ich vertraue Ihnen“, lachte Kim. „Würden Sie das bitte noch einmal sagen? So etwas habe ich seit zehn Jahren nicht mehr gehört“, rief er überschwenglich aus. „Ich sagte, daß ich großes Vertrauen zu Ihnen habe. Warum sind Sie so ironisch?“ „Vielen Dank für Ihr Vertrauen.“ Neil wurde ernst. „Sie werden es nicht bereuen. Ich werde Sie sehr vermissen, meine Liebe.“ Nachdenklich sah er sie an. „Ich Sie auch“, antwortete Kim überrascht. Da lernte sie Neil ja einmal von einer neuen Seite kennen. „Ich bin versucht, meinen Auftrag in Sardinien sausen zu lassen“, sagte er sofort. „Tun Sie das bloß nicht!“ „Ach, das habe ich nur wissen wollen. Sie werden mich also bloß ein wenig vermissen. Aus den Augen, aus dem Sinn“, meinte er scherzhaft. „Nun, dann bis bald, Kim.“ Es machte Kim traurig, daß Neil New York verließ. Jetzt hatte sie hier noch einen Freund weniger. Erst hatte sie John verloren, dann ihn. Bald würde zudem Fannie ihren Joe heiraten. Das waren ja trübe Aussichten! Aber am schlimmsten war, daß sie John nicht so schnell vergessen konnte. Dazu war die Zeit mit ihm viel zu schön gewesen. Sie schloß die Tür zum Apartment hinter sich und stieg mürrisch in den Lift. Als sich die Türen des Fahrstuhls in der Eingangshalle aber wieder öffneten, erschrak sie: Vor ihr stand plötzlich John. Kim schloß für einen Moment die Augen. Auf keinen Fall sollte er sehen, wie sehr sein Anblick sie durcheinanderbrachte. Sie liebte ihn noch immer, und es wurde ihr schwer ums Herz, weil sie ihn so unvermittelt wiedersah. So blieb sie wie angewurzelt stehen, und beinahe hätten sich die Türen des Fahrstuhls zwischen ihnen wieder geschlossen, wenn John nicht geistesgegenwärtig dazwischen getreten wäre. Blitzschnell faßte sich Kim. „Danke“, sagte sie und ging an ihm vorbei. Sie hörte, daß sich die Fahrstuhltür schloß, und drehte sich um. John stand immer noch an derselben Stelle und starrte hinter ihr her. Er biß sich unschlüssig auf die Lippen, kam dann aber doch mit einem verkrampften Lächeln auf Kim zu. „Ich nehme an, du hast Vicky besucht“, sagte er.
„Nein, ich habe hier noch einen anderen Kunden. Die Folkers im Penthouse.“
„Ach so. Es tut mir leid, daß Vicky dir soviel Schwierigkeiten macht. Jedesmal,
wenn ich bei ihr bin, hat sie irgend etwas verändert. Allerdings besuche ich sie
nicht oft“, erklärte John und sah Kim zögernd an.
„Ein paar Dinge wurden geändert, das stimmt“, antwortete Kim, wobei sie
versuchte, ihren Ärger darüber zu verbergen.
„Du hast wirklich erstklassige Arbeit geleistet. Meine Mutter ist begeistert. Vor
Vickys Ankunft war sie nämlich im Apartment, um Nahrungsmittel hinzubringen.“
Er schüttelte den Kopf. „Meine Mutter fühlt sich für Vicky verantwortlich. In
Connecticut waren wir nämlich Nachbarn.“ Kim wunderte sich, warum John ihr all
dies erzählte. Die Rosen, der Teddy und der Champagner waren nun bestimmt
nicht das Werk seiner Mutter gewesen.
„Ein Mann namens Steward hat mir auf ihrer Party von dem Unfall ihrer Eltern
berichtet. Ich glaube, er arbeitet für dich.“
„Das war Steward Marlin.“
„Ja, genauso heißt er.“
„Es tut mir leid, daß ich dir eine so unzufriedene Kundin verschafft habe. Du
bedauerst es wohl, mich jemals kennengelernt zu haben?“
Die scheinbar harmlose Unterhaltung stand in auffallendem Gegensatz zu der
starken Spannung, die zwischen den beiden wuchs.
„Überhaupt, nicht. Du hast mir schließlich meinen ersten großen Auftrag
verschafft.“
„Du hast mich nie gefragt, warum ich soviel für Vicky tue. Ich werde es dir aber
trotzdem erzählen. Nach dem Tode ihrer Eltern war mein Vater Vickys
Vermögensverwalter. Später habe ich diese Aufgabe übernommen. Es ist gut,
daß sie wieder zurückgekommen ist. So können wir etwas besser auf sie
aufpassen.“
Kim staunte. Einen Monat lang hatte sie nun versucht, hinter dieses Geheimnis
zu kommen. Jetzt erzählte er es hier ausgerechnet in der Eingangshalle, wo zur
Zeit ein Kommen und Gehen herrschte.
„Warum trinken wir nicht einen Kaffee zusammen?“ schlug John vor.
„Wolltest du nicht Vicky besuchen?“ fragte sie überrascht.
„Sie weiß nicht, daß ich komme. Vielleicht ist sie überhaupt nicht zu Hause. Ich
kann sie später besuchen“, sagte er nervös, und Kim spürte Schadenfreude, ihn
so aus der Fassung gebracht zu haben.
„Es ist schon ziemlich spät. Ich werde nach Hause gehen“, meinte sie
entschlossen.
„Ich nehme an, du hast eine Verabredung?“
„Ja, mein Abendessen wartet zu Hause auf mich“, wich sie aus.
„Neil ist nach Sardinien gefahren, nicht wahr?“ Kim spürte, daß ihm das Wort
Neil nur mühsam über die Lippen kam.
„Er fliegt erst morgen“, antwortete sie. Gut, daß sie ihm zeigen konnte, daß sie
über Neils Pläne genauestens Bescheid wußte.
„Vicky erzählte mir, daß er ihr Apartment gesehen und deine Arbeit für gut
befunden hat.“
„Das stimmt gar nicht. Aber nur so konnte ich sie davon abhalten, die Korbmöbel
wieder umzutauschen.“
„Sie gefallen mir sehr.“ Er brach ab und sah auf einmal schuldbewußt aus.
Offenbar wollte er ihr nicht zeigen, wie gut er mit der Einrichtung des
Schlafzimmers vertraut war.
„Arbeitest du weiter für Kismet, während Neil auf Sardinien ist?“ fragte er und
versuchte, dabei sein Interesse zu verbergen.
„Ich werde noch einige Arbeiten erledigen. Die Verbindung zu Neils Firma ist sehr locker, aber von irgendwas muß man ja leben.“ „Ist das wirklich alles, habt ihr nur eine lose Geschäftsverbindung?“ „Nun, ich glaube, das geht dich nichts an. Ich kann dir nur sagen, daß Neil meinen guten Geschmack schätzt. So, jetzt muß ich wirklich los. Es war nett, dich zu treffen.“ Sie winkte ihm noch einmal zu und verließ dann entschlossen das Gebäude. Draußen blieb Kim einen Augenblick stehen, um sich zu beruhigen. Ihr Herz klopfte wild, und die Beine versagten ihr fast den Dienst. John reagierte auf Neils Namen ja wirklich äußerst empfindlich. Vielleicht hatte Fannie recht, und er war wirklich eifersüchtig? Aber dazu bestand ja gar kein Grund, schließlich war er mit Vicky liiert. Seine Eifersucht würde Kim ihm ja noch vergeben können, aber sein Vorwurf, sie wäre nur auf sein Geld aus, hatte sie sehr getroffen. Dafür mußte er sich entschuldigen. Zwei Monate lang sah Kim John Balfour nicht wieder. Der Juni kam ins Land und mit ihm schönes warmes Wetter. Die Blumen blühten, und Kim nahm jede Gelegenheit wahr, in den Parks spazieren zu gehen. Joe hatte einige Geldgeber gefunden für seinen Plan, ein Kaufhaus in New Jersey zu eröffnen. Er steckte mitten in den Vorbereitungen. Inzwischen hielt er sich täglich bei Kim und Fannie auf. Kim war heilfroh, als die beiden beschlossen, schon früher als geplant zu heiraten. Leider würde sie an der Hochzeitsfeier nicht teilnehmen können, dafür lag Quebec zu weit von New York entfernt. Dafür ging sie mit Fannie und Joe zum Essen und half ihnen beim Umzug in Joes Wohnung. Die Tage im Büro kamen ihr endlos vor. Alle Arbeitsfreude war dahin. Sie schaffte es gerade eben, die billigen Drucke gegen andere Bilder zu ersetzen. Ihr kurzer Ausflug in die HighSociety hatte ihr leider keine weiteren Aufträge eingebracht. Sogar von Vicky Laker hörte sie nichts mehr. Allmählich begannen dadurch natürlich wieder ihre finanziellen Sorgen. Hinzu kam, daß Fannie sich nun nicht mehr an der Miete beteiligte, so entstanden weitere Kosten für sie. Am Wochenende fuhr Kim meistens nach New Jersey, aber eines Tages brauchte auch Betty sie nicht mehr. Sie zog mit einem Mann zusammen, dessen Frau kürzlich gestorben war. Er liebte Kinder, hatte aber selbst keine. Betty meinte scherzhaft, er sei nur wegen der Kinder eingezogen, aber ihr Lächeln widerlegte ihre Worte. Kim fühlte sich bei allen ihren Besuchen wie das fünfte Rad am Wagen und beschloß, Betty von nun an nicht mehr so oft zu besuchen. Sie war sicher, daß auch Neil DeWitt sie inzwischen vergessen hatte, aber da hatte sie sich gründlich in ihm getäuscht. Gleich am Tag seiner Rückkehr nach New York rief er sie an und lud sie in ein sehr teures Restaurant ein. „Hier ist mein Vorschlag“, sagte er, nachdem sie sich begrüßt und er etwas von Sardinien erzählt hatte. „Sie geben Ihr Büro auf und arbeiten für Kismet auf Honorarbasis. Ich brauche nämlich dringend Unterstützung, denn ich bin es leid, tagein, tagaus herumzulaufen und mich mit Lieferanten und Handwerkern zu streiten. Sie werden überall von mir eingeführt und bekommen so auch die nötigen Beziehungen, um sich später einmal wieder selbständig zu machen. In vielleicht zehn Jahren werde ich mich vollständig zurückziehen, Sie könnten dann eventuell sogar mein Geschäft übernehmen.“ Kim überlegte. Dies war ein verlockendes Angebot. Allerdings würde sie nicht mehr selbständig sein. Der Gedanke behagte ihr wiederum nicht. Neil schien ihre Gedanken lesen zu können. „Sehen Sie, Kim, Sie wollen gleich alles auf einmal erreichen, aber das geht
meistens nicht. Sie brauchen Erfahrung und Beziehungen. Beides bekommen Sie bei mir. Ich bin ein ungemütlicher, aber fairer Lehrmeister. Kim, das ist die Chance Ihres Lebens. Sie ahnen gar nicht, wie viele Leute schon bei mir einsteigen wollten. Na, was sagen Sie zu meinem Angebot?“ Die einzig mögliche Antwort war natürlich ja. Sie sagte es nur einmal, aber das mit voller Überzeugung. Sie würde ihre Entscheidung bestimmt nicht bereuen.
9. KAPITEL Kims Leben veränderte sich durch die Mitarbeit bei Kismet völlig. Neil ließ sie an Besprechungen mit seinen Kunden teilnehmen, stellte sie überall vor, besprach mit ihr seine Pläne und hörte sich auch ihre Ideen an. Kim lernte jeden Tag dazu, und als es Juli wurde, hatte sie so viel um die Ohren, daß Langeweile zu einem Fremdwort geworden war. Die Folkers waren aus Europa zurückgekehrt und gaben eine große Party, um ihre Ankunft gebührend zu feiern. „Sie begleiten mich natürlich“, sagte Neil zu Kim. „Sie haben bei diesem Auftrag ja assistiert. Außerdem werden Sie dort viele wichtige Leute treffen. Das kann nur gut für Ihre Karriere sein.“ „Ich freue mich schon sehr“, antwortete Kim spontan. Normalerweise verbrachte sie die Abende allein zu Hause, somit würde die Party eine willkommene Abwechslung sein. Kim und Neil verband herzliche Freundschaft. Kim wäre nie auf die Idee gekommen, Neil könne eine andere Art von Beziehung zu ihr suchen. Einmal sprach er über sein Verhältnis zu Frauen. „Die arme Mrs. Staynor will schon wieder einen Raum neu eingerichtet haben. Sie hegt immer noch die Hoffnung, daß ich sie eines Tages heirate. Jemand sollte so nett sein und ihr erzählen, daß ich für das Zusammenleben mit einer Frau viel zu egoistisch bin. Ich habe schließlich einen Sohn und eine Tochter, was soll ich da jetzt noch mit einer Ehefrau?“ „Sie waren verheiratet?“ fragte Kim erstaunt. „Hat nicht jeder einmal den Fehler gemacht, als er jung und unerfahren war? Mir passierte es in Kalifornien. Erst als ich mich von meiner Frau trennte, kehrte ich nach New York zurück. Mit ihr konnte man es wirklich nicht aushalten. Ab und zu sehe ich meine Kinder noch. Mein Sohn studiert Medizin, er ist ein ganzer Kerl, aber meine Tochter ist von ihrer Mutter sehr verzogen worden. Ich habe sie auf ein Schweizer Internat geschickt, um sie dem Einfluß meiner geschiedenen Frau zu entziehen. Fragen Sie mich nicht, was mich das kostet! Jetzt wissen Sie, warum ich Tag und Nacht arbeite. Geben Sie mir doch bitte die Zeichnung, die da hinten auf dem Tisch liegt, Kim.“ Kim gab sie ihm, und er seufzte. „Da haben wir noch eine Kundin, die Korbmöbel in ihr Sommerhaus haben möchte. Wir werden den Tag noch verfluchen, an dem wir auf diese Idee gekommen sind, ich meine, an dem Sie daraufgekommen sind, Kim.“ Er lächelte sie an. „Denken Sie sich etwas Neues aus. Dieser Stil ist langsam überholt, er wurde in diesem Sommer schon in mindestens drei Magazinen vorgestellt.“ „Das stimmt, alle Welt nimmt diese Idee auf“, gab Kim ihm recht. „Wir müssen der Konkurrenz immer einen Schritt voraus sein, denn wir haben einen guten Ruf zu verlieren, vergessen Sie das nie. Immer neue Ideen brauchen wir, um die HighSociety zu begeistern und aus ihrer Lethargie herauszureißen. Verfallen Sie bloß nicht in den Irrtum, wir seien Künstler. Dazu fehlt uns die Unabhängigkeit. Wir sind auf die Gunst des Publikums angewiesen. Das darf man den Kunden allerdings nicht zeigen. Vor allen Dingen dürfen wir uns deshalb nichts von ihnen gefallen lassen.“ Kim dachte über all das nach, als sie sich für die Party bei den Folkers anzog. Sie hätte glücklich sein können, wäre da nicht die Erinnerung an den Frühling mit John. Beruflich hatte sie alles erreicht, was man erreichen konnte. Innerhalb weniger Monate hatte sie sich in New York etabliert, verdiente recht gut und
besaß viele neue Bekannte und Verbindungen. Aber, wenn sie abends ins Bett ging, fühlte sie sich allein und unzufrieden. Sie beneidete Betty und Fannie, die mit ihren Männern glücklich waren. Kim zog das blaßblaue, rückenfreie Baumwollkleid mit Spitzenbesatz an. Das Kleid war zwar unverschämt teuer gewesen, aber in ihrer jetzigen Position konnte und mußte sie es sich leisten, einmal etwas mehr Geld für Bekleidung auszugeben. Kim blickte in den Spiegel. Die letzten Wochenenden hatte sie bei den Stevensons in deren Sommerhaus verbracht. Sie waren mit Neil gut bekannt. Durch die Sonne war ihr Haar gebleicht, ihre blauen Augen kamen dadurch sehr gut zur Geltung. Sie steckte sich heute das Haar hoch, um erwachsener zu wirken, und nickte dann zufrieden. Sie wollte nicht mit ihren reichen Kunden konkurrieren, aber sie war dabei, ihren eigenen Stil zu entwickeln. Neil holte sie nicht mehr zu Hause ab, wenn sie ausgingen. Sie verabredeten sich am jeweiligen Treffpunkt, dort wartete er jedesmal auf sie zur angegebenen Zeit. Er war geradezu ein Pünktlichkeitsfanatiker. „Nur so kann man Karriere machen“, war sein Wahlspruch. Er ließ ihn bei jeder passenden Gelegenheit hören. So bemühte sich auch Kim, pünktlich zu sein. Sie würde Neil in der Eingangshalle treffen. Dort wartete er in einem schicken hellen Anzug auf sie. „Auf geht's, stürzen wir uns ins Getümmel“, sagte er und nahm ihren Arm, um sie zum Fahrstuhl zu begleiten. Es machte sie ganz wehmütig, in diesem Haus zu sein. Wie oft war sie mit John hiergewesen! Die Erinnerungen ließen sich nicht einfach verscheuchen, auch die Zeit schien die Wunden nicht zu heilen. Das Apartment der Folkers wirkte trotz des Teppichs noch genauso düster, wie es Kim in Erinnerung hatte. Gleich als sie es betraten, erspähte sie John. Als hätte er ihren Blick im Rücken gespürt, drehte er sich um und erstarrte. Vicky Laker sah Kim erst, als sie auf John einsprach und seinen Arm berührte, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Da legte sich Kims Aufregung. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, John hier zu treffen. Immerhin waren Vicky und die Folkers Nachbarn. Neil flüsterte ihr zu: „Was trägt Sandra Folkers denn für ein häßliches Kleid? Sie sollte sich einmal von einem ordentlichen Schneider beraten lassen. Das sieht ja aus wie ein Sack.“ Dann trat er einen Schritt vor, lächelte und machte der Gastgeberin ein Kompliment über ihr schönes braunes Abendkleid. Kim hörte ihm kopfschüttelnd dabei zu. Auch sie gab Sandra Folkers die Hand und wechselte ein paar Worte mit ihr. Als sie sich erneut nach John umblickte, war er verschwunden. Aber Vicky stand noch am gleichen Platz. Sie ließ sich wortreich über ihre neue Diät aus. Kim schüttelte verwundert den Kopf. Da war sie doch die reinste Bohnenstange und machte eine Diät. Das schien ihr unfaßbar. „Lassen Sie sich sehen, Kim“, mahnte Neil sie mit sanfter Stimme. „Sprechen Sie vor allen Dingen mit Hilda van Buren. Sie hat sich gerade ein Haus in Westchester gekauft. Geben Sie vor Katzen zu mögen, diese gräßlichen Dinger.“ Er schüttelte sich bei dem Gedanken. „Sie hat mindestens sechs Stück.“ Neil kniff ein Auge zu und lächelte ihr aufmunternd zu. Kim konnte ihn nur bewundern. Er wußte, wie man sich verkaufte. Solche Parties dienten ihm nicht zur Erholung, sie waren einzig wichtig für das Geschäft. Ja, von Neil konnte man nicht nur in fachlicher Hinsicht einiges lernen. Bald hatte Kim Mrs. van Buren gefunden, und sie sprachen über die geplante Einrichtung ihres neuen Hauses. „Es gibt dort ein wunderschönes helles
Arbeitszimmer, das ich gern mit Korbmöbeln einrichten lassen möchte. Kismet ist ja Spezialist dafür, nicht wahr?“ „Da haben Sie recht, am besten rufen Sie Neil nächste Woche an und sprechen mit ihm darüber“, schlug Kim vor. „Das werde ich ganz sicher tun.“ Als Kim zur nächsten Gästegruppe schlenderte, fing sie Neils Blick auf. Sie formte mit Mittel und Zeigefinger das Victoryzeichen, um ihm zu zeigen, daß alles klappen würde. Er nickte zustimmend und ging zu Mrs. van Buren hinüber, um sich das Vorhaben noch einmal bestätigen zu lassen. Kim unterhielt sich noch einige Zeit mit anderen Gästen, sah sich aber immer wieder suchend nach John und Vicky um. Beide gingen ruhelos auf und ab, und als Kim sich wieder einmal umsah, verließen sie gerade die Party. Kims Stimmung sank sofort auf den Nullpunkt. Schade, daß er ging. Ob er gesehen hatte, was aus ihr geworden war? Sie wurde nun in den Kreisen, in denen auch er verkehrte, mit offenen Armen aufgenommen. Kim verspürte auf einmal kein Verlangen mehr, noch länger zu bleiben. Der geschäftliche Teil war ohnehin erledigt, also hielt sie hier nichts mehr. Sie ging deshalb zu Neil und sagte: „Mehr läßt sich heute wohl nicht machen. Ich gehe nach Hause, Neil. Es macht Ihnen doch nichts aus, nicht wahr?“ „Sie haben wohl etwas Interessanteres vor? Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“ „Danke, das mache ich schon selbst. Wir sehen uns dann im Büro.“ Kim telefonierte nach einem Taxi und suchte dann die Gastgeberin auf, um sich für die Einladung zu bedanken. Danach verließ sie das Apartment und fuhr mit dem Lift hinunter. Langsam zählte sie die Etagen mit. Neun, acht, sieben. Das war Vickys Etage. Hier hielt der Lift. Die Tür öffnete sich, und bevor sie Zeit fand, überrascht zu sein, stieg John ein. Es wunderte sie nur, daß er nicht in Begleitung war. Da der Fahrstuhl ziemlich geräumig war und sich mehrere Leute außer ihr darin befanden, bemerkte John sie zuerst nicht. Kim trat zurück, machte sich noch kleiner, vor ihr stand ein Paar, und hoffte inständig, daß er sie nicht sehen möge. Aber als der Fahrstuhl im Erdgeschoß anhielt, stieg John nicht aus. Er ließ alle an sich vorbeigehen und sagte: „Eigentlich wollte ich ja nach oben.“ Kim blieb keine andere Wahl, sie mußte Farbe bekennen und an ihm vorbeigehen. „Kim!“ rief John überrascht. „Ich habe dich gar nicht bemerkt.“ „Hallo, John“, murmelte sie nervös und drängte sich an ihm vorbei. John stand einen Moment fassungslos da, aber dann fing er sich wieder und lief schnell hinter Kim her. „Du verpaßt deinen Fahrstuhl, John.“ Warum hatte er wohl wieder zu den Folkers gewollt? „Ich brauche jetzt nicht mehr zu der Party zurück.“ Er lächelte nervös und fügte leise hinzu: „Ich wollte noch mal hinauf, um dich dort zu treffen. Vicky ist heute abend verabredet und mußte früher gehen. Kann ich dich irgendwohin fahren?“ „Das ist nett gemeint, aber ich habe mir schon ein Taxi gerufen“, beschied sie ihn kühl. Daß sie die letzten zwei Monate unablässig an ihn gedacht hatte, brauchte er ja nicht zu wissen. So bot sie ihre ganze Selbstbeherrschung auf, um ihm nicht zu zeigen, wie es in ihrem Inneren aussah. „Wir schicken es einfach wieder fort. Es ist doch noch gar nicht so spät – oder hast du auch noch eine andere Verabredung?“ fragte John unsicher. „Nein, ich möchte nur nach Hause“, gab sie offen zu. Es war schön zu hören, daß John nur auf die Party hatte zurückkehren wollen, um sie zu treffen. Vielleicht hatte auch er große Schwierigkeiten, ihre Romanze zu vergessen?
„Dann schicke ich das Taxi also fort?“ „Ja, das ist in Ordnung“, sagte sie und lächelte ihn an. Gemeinsam verließen sie das Haus. Sie sahen gerade noch, wie ein älteres Ehepaar vor der Haustür in ein Taxi stieg. Da Kim annahm, daß die beiden ihr Taxi genommen hatten, gingen sie gleich weiter zu Johns Wagen. Bald fuhren sie durch die Stadt, und Kims Unsicherheit verlor sich. Sie unterhielt sich lebhaft mit John, es war, als hätte sie einen alten Freund durch Zufall wiedergetroffen. „Was hältst du davon, wenn wir das so mühsam zustande gebrachte Treffen mit einem Drink feiern?“ „Wieso ist es mühsam geplant?“ „Na ja, ich bin doch nur mit Vicky zu der Party gegangen, weil ich hoffte, dich mal zu treffen. Sie wollte eigentlich nicht dort hingehen, weil sie deshalb ihre eigene Verabredung um eine Weile verschieben mußte. Vicky ist seit neuestem mit einem Bankier zusammen. Ich wollte nur zu den Folkers zurück, um dich Neil zu entführen“, gab John zu. „Wie du mir, so ich dir, das könnte doch auch für Neil und mich gelten, nicht wahr?“ Kim schlug das Herz bis zum Hals, als sie John so sprechen hörte. „Neil hätte es gewiß nichts ausgemacht. Wir gehen zu solchen Parties nur, um für unser Geschäft Aufträge hereinzuholen“, erklärte sie. „Das habe ich mir schon gedacht, denn ich sah, daß du Neil hinter Hilda van Burens Rücken ein Zeichen gegeben hast. Ihr beide seid ein gutes Team. Ist wirklich nur alles rein geschäftlich?“ „Nein“, antwortete Kim und bemerkte amüsiert, daß er erblaßte. „Wir sind auch noch gute Freunde, nur Liebe ist es nicht, wenn du das meinst. Ich treffe durch Neil sehr viele interessante Menschen, werde überall eingeladen und habe viel gelernt. Sein Angebot war die Chance meines Lebens.“ „Du hast dich sehr verändert. Du wirkst viel reifer und fühlst dich anscheinend in deinem neuen Leben ganz wie zu Hause.“ Kim bemerkte, daß John seine Worte sehr sorgfältig wählte. Sie sah ihn nachdenklich an, konnte aber nicht erkennen, wie er ihre Veränderung bewertete. Aber da er ihr nachgekommen war, schien sie ihm nichts auszumachen. Nach einer Weile hielt John an. Sie betraten bald darauf eine kleine ruhige Bar. „Sollen wir unser Treffen mit Champagner feiern?“ fragte er. „Für mich bitte lieber einen Scotch mit Soda“, antwortete sie, um ihm zu zeigen, wie sehr sich auch ihre Trinkgewohnheiten geändert hatten. Auch John bestellte sich daraufhin einen Whisky. „Seit wann magst du denn Scotch?“ „Neil trinkt immer Scotch, es ist sein Lieblingsgetränk. Dadurch bin ich auf den Geschmack gekommen. Allerdings nimmt er grundsätzlich nur Chivas Regal. Aber halte ihn deshalb nur nicht für einen Snob. Im Büro trinkt er übrigens Mineralwasser.“ „Du scheinst ihn ja wirklich gern zu mögen, wenn du ihn so in Schutz nimmst.“ „Wieso nehme ich ihn in Schutz? Ich wollte dir damit nur erklären, daß er ein liebenswerter Mensch ist. Wie geht es übrigens Vicky?“ fragte Kim. Sie hoffte, auf diese Weise etwas über Johns Privatleben herauszubekommen. „Sie bricht bald zu einer Kreuzfahrt in die Ägäis auf“, sagte John gleichmütig. „Ist deine Mutter in New York?“ „Nein, ihr gefällt es hier im Sommer nicht, deshalb bleibt sie während dieser Jahreszeit immer in Connecticut. Dachtest du an mein Apartment?“ fragte er und blickte sie fest an.
„Was meinst du damit?“ antwortete Kim entrüstet. Sie fühlte, wie sie errötete.
„Denkst du etwa, daß ich zu dir fahren will?“
„Das habe ich nicht gemeint. Ich dachte, du möchtest es vielleicht neu
einrichten.“
„Kismet hat genug Aufträge. Ich habe es nicht mehr nötig, hinter Kunden
herzulaufen“, ärgerte sich Kim.
„Geht ihr beide nicht gerade aus diesem Grund auf Partys?“
„Wir müssen eben ständig etwas für unser Geschäft tun. Ich bin nicht mit dir
mitgegangen, um dich als Kunden zu gewinnen.“ Kim war jetzt ernstlich
beleidigt.
„Sehr gut. Dann bist du also aus persönlichen Gründen mitgekommen?“
„Du bist ein Ekel“, lachte Kim. „Willst du es so genau wissen? Ich habe dir doch
früher schon mal gesagt, daß ich Arbeit und Vergnügen streng trenne.“
„Nur bei Neil DeWitt gelingt dir das nicht ganz, nicht wahr?“
„Ich hätte dann besser Liebe und Arbeit sagen sollen“, gab sie nach.
„Was verstehst du denn unter Liebe?“
„Ich stelle nur eine einzige Anforderung.“
„Und erfülle ich diese?“
Kim hatte nur einen Wunsch: Sie wollte lieben und geliebt werden. Die
glücklichen Abende mit John fielen ihr ein, die Fahrt nach Staten Island und ihre
gemeinsamen Spaziergänge. „Ja, du erfüllst sie“, gab sie schließlich zu.
John schien erleichtert, und er leerte sein Glas. „Warum fahren wir nicht zu mir,
und du erklärst mir dort genau, welche Anforderungen du meinst?“ Er sah sie mit
einem zärtlichen Blick an, und Kim merkte, wie ihr Herz schneller schlug.
„Warum hast du es so eilig? Mein Glas ist doch noch fast voll?“
„Warum läßt du es nicht einfach stehen? Der Whisky schmeckt sowieso nicht
besonders gut“, meinte John, nahm ihr das Glas aus der Hand und legte seine
Hand auf ihre.
„Ich habe zu Hause einen besseren. Du wirst begeistert sein.“ Daß seine
Einladung nichts mit dem Whisky zu tun hatte, wußte Kim natürlich. Aber irgend
etwas trieb sie dazu, sich auf das Spiel einzulassen.
„Weißt du, eigentlich mag ich gar keinen Scotch.“
„Dann trinken wir eben Champagner.“
Eigentlich fühlte Kim sich müde, aber da sie diese Chance zur Versöhnung nicht
so einfach ausschlagen wollte, stimmte sie seufzend zu.
Sie verließen also die Bar und fuhren direkt zu Johns Wohnung. „Mach es dir
gemütlich, ich werde nur schnell eine Platte auflegen und eine Flasche ins Eisfach
legen, dann bin ich wieder hier.“
„Warum nehmen wir nicht einfach Eiswürfel?“
„Weil wir Champagner trinken. Hast du schon jemals Champagner mit Eis
getrunken?“
Geschäftig verschwand John in der Küche.
Als John zurückkam, zog er sein Jackett aus und setzte sich neben Kim. „Ich
glaube, daß wir beide uns viel zu erzählen haben.“
„Ja, das stimmt. Erzähl mir, was du in den letzten Monaten so getrieben hast“,
bat sie, zog die Schuhe aus und machte es sich in der Sofaecke bequem.
„Ich habe dich vermißt.“
Kim sah ihn prüfend an. Sein Blick sagte ihr, daß er es ernst meinte. Er nahm
ihre Hand und hielt sie fest umschlossen. „Das waren die schlimmsten Wochen
meines Lebens“, fügte er hinzu.
„Nicht nur für dich. Auch ich fühlte mich sehr einsam“, sagte Kim leise. „Du hast
mir damals sehr weh getan.“
„Ich weiß, was ich sagte, war nicht fair. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie eifersüchtig und enttäuscht man sein kann. Ich habe vollkommen falsch reagiert, das weiß ich heute. Kim, ich entschuldige mich hiermit in aller Form bei dir für all meine Beschimpfungen und Beleidigungen. Ich werde ab sofort nett zu dir sein.“ John lächelte und drückte ihre Hand noch fester. „Neil ist für mich wirklich nur ein sehr guter Freund. Deine Eifersucht kannst du dir also sparen. Allerdings werde ich auch in Zukunft für ihn arbeiten“, stellte Kim erst einmal klar. „Neil ist für mich nicht mehr so wichtig. Ich verstehe, daß du gern Karriere machen möchtest und daß Neil das Sprungbrett dazu ist. Du besitzt Talent, daß weiß ich. Jeder hat Vickys Apartment gelobt, deine Arbeit war wirklich ausgezeichnet. Ein alter Hase wie Neil kann dir natürlich noch viel beibringen.“ „Hast du Vicky in letzter Zeit oft gesehen?“ „Meine Mutter und ich, wir fühlen uns verpflichtet, ein bißchen auf sie zu achten. Sie ist eigensinnig und verwöhnt. Eigentlich ist sie jetzt alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Aber sie weiß, daß meine Mutter und ich immer für sie da sein werden, wenn sie Probleme hat. Ich hoffe, daß sie bald jemanden findet, den sie liebt und der sie glücklich macht. Dann braucht sie uns nicht mehr.“ John schüttelte den Kopf, und Kim begriff, daß Vicky eine Belastung für ihn darstellte. „Wenn ich ihr das Apartment nicht besorgt hätte, wäre sie zu meiner Mutter nach Connecticut gezogen und die hat Besseres zu tun, als immer auf Vicky aufzupassen.“ Kim nickte verständnisvoll. „Als ich den Teddy auf ihrem Bett sah und die Rosen und den Champagner, war ich richtig eifersüchtig.“ Da der Streit zwischen ihnen endgültig bereinigt war, konnte Kim nun über ihr damaliges Verhalten nur lächeln. „Das war ein Willkommensgruß. Wir sind ihre Familie. Wie du ja weißt, hat sie keine Angehörigen. Was den Teddy angeht, da hattest du schon Grund, dich zu ärgern. Er war nämlich ursprünglich für dich gedacht. Erinnerst du dich noch daran? Ich hatte dir versprochen, einen Teddy aus Kalifornien mitzubringen.“ „Aber sicher weiß ich das noch. Gerade deshalb war ich ja so eifersüchtig.“ „Damals kam mir der Teddy jedoch als ein unpassendes Geschenk vor. Ich dachte, ich müßte ihn dann mit Juwelen behängen.“ „Ja, ich kann mich noch gut an deinen verrückten Test erinnern.“ Kim sah ihn anklagend an. „Vergessen wir es. Es war mein Fehler“, antwortete John kurz. „In den letzten Wochen bin ich auf allen möglichen Parties gewesen, in der Hoffnung, dich dort zu treffen. Ich besuchte sogar die Scarlatti, dort erzählten sie mir, daß du die Wochenenden mit Neil bei den Stevensons verbringst. Du kannst dir sicher denken, wie ich mich da gefühlt habe. Ich ging in teure Bars und Restaurants, nur um dich dort vielleicht zu sehen. Aber New York ist eine große Stadt. Hier jemanden zufällig zu treffen, ist fast unmöglich. Deshalb habe ich Vicky gedrängt, mich zu den Folkers mitzunehmen. Sie fand nämlich heraus, daß ihr auch da sein würdet.“ John schwieg und sah Kim an. „Auch ich habe immer gehofft, dich irgendwo zu treffen. Dich dann in Vickys Begleitung zu sehen, war ziemlich enttäuschend.“ John lächelte und nahm sie in die Arme. „Was hältst du davon, wenn wir doch Eiswürfel in den Champagner tun und ihn jetzt gleich trinken? Er wird uns bestimmt aufheitern.“ Kim erkannte, daß sie doch noch nicht so ganz versöhnt waren. Sie hatten sich zwar ausgesprochen, aber irgendwie fühlte sie sich nicht glücklich. Etwas stand zwischen ihnen. John schien es ähnlich zu gehen, sonst hätte er bestimmt nicht
vom Aufheitern gesprochen. Vielleicht würde der Champagner die Situation retten. „Es wäre einen Versuch wert“, stimmte Kim zu, und John machte sich auf den Weg in die Küche. Als er die kaum gekühlte Flasche öffnete, gab es einen lauten Knall, der Korken sauste an die Decke, und der Champagner spritzte in hohem Bogen aus der Flasche. Darüber mußten sie beide lachen, und eilig goß John den Champagner in die Gläser. „Ach, übrigens“, meinte Kim, „weißt du, daß Fannie Joe geheiratet hat?“ „Joe erzählte es mir. Ich rief ihn an, um mit ihm über einen Wagen zu sprechen, den er verkaufen wollte.“ „Eigentlich tut Fannie mir etwas leid. Nun hat sie immer von einem reichen Mann geträumt und bleibt an Joe Belanger hängen. Aber Joe ist sehr ehrgeizig, er wird sicher eines Tages Karriere machen. Ich war bei ihnen übrigens zum Essen eingeladen. Das Apartment ist ja für zwei Personen viel zu klein. Ich bekam fast Platzangst.“ Kim stellte fest, daß John schon von seinem Champagner nippte. Dabei hatten sie sich gar nicht zugeprostet. „Du hast ja gar nicht gesagt, worauf wir trinken“, sagte Kim etwas enttäuscht. „Auf uns, auf eine lange und glückliche Freundschaft.“ John stieß mit ihr an. Immer noch herrschte dabei diese seltsame Spannung zwischen ihnen. Sie sahen sich in die Augen und tranken. „Wie wäre es mit einem zweiten Toast?“ fragte Kim. „Was schlägst du vor?“ John zwang sich zu einem Lächeln. „Laß uns auf unsere neue Beziehung trinken.“ „Wie nennst du unsere neue Beziehung?“ Sein unglückliches Lächeln erfüllte Kim mit Mitleid. „Liebe“, antwortete sie leise, stieß nochmals mit ihm an und leerte ihr Glas. John hingegen setzte sein Glas nicht an die Lippen, sondern stellte es auf den Tisch zurück. „Laß uns dann unsere Beziehung vertiefen“, schlug er leise vor. John zog Kim in die Arme, und sie blickte ihn zärtlich an. Warum sah er nur so traurig aus? Sie hatten sich doch jetzt versöhnt? Nun, wahrscheinlich bedauerte er den Streit und die sinnlos vertane Zeit. Das war eine logische Erklärung für sein Verhalten. Ihre Gefühle für John waren unverändert stark. Verlangen regte sich in ihr, das Blut rauschte ihr in den Ohren, und das Herz klopfte heftig. Sie spürte seine Hand auf ihrem bloßen Rücken und seine Lippen fordernd auf den ihren. Sanft streichelte sie Johns Gesicht mit den Händen. Er stöhnte leise unter ihrer Berührung und öffnete die Lippen. Sein Kuß war leidenschaftlich, und ein Wonneschauer überlief sie. John drückte sie noch fester an sich, und sie konnte seinen Körper deutlich spüren. Kim hatte nur noch einen Gedanken. Sie wollte mit ihm eins werden. Langsam löste sie sich aus seiner Umarmung und lächelte ihn an. Behutsam begann sie dann, sein Hemd aufzuknöpfen. John half ihr nicht dabei, sondern überließ sich ganz ihren zärtlichen Händen. Einen Moment später lag das Hemd auf dem Boden. John zog Kim auf den Schoß und legte ihr die Arme um den Nacken. Sie lachte glücklich. „Das gefällt mir schon besser. Du sahst so traurig aus“, sagte er, während er zärtlich ihren Hals massierte. „Ich? Ich dachte, du seist traurig“, rief sie erstaunt. „Ich bin nicht enttäuscht. Ich liebe dich doch, John.“ Täuschte sie sich? Besonders erfreut schien er nicht, diese Worte aus ihrem Mund
zu hören. Er legte Kim zart einen Finger auf die Lippen.
„Warum wollen wir traurig sein? Wir werden großen Spaß haben“, sagte er und
drückte sie in die Kissen. Er beobachtete sie genau, während er ihr Gesicht
liebkoste. Sachte strich er ihr über Lippen und Wangen.
„Du bist wundervoll, Kim. Dein Mund ist zum Küssen wie geschaffen.“ Er näherte
sich ihr langsam, und Kim konnte es gar nicht erwarten, wieder von ihm geküßt
zu werden, seine Lippen zu fühlen und diese Wonneschauer zu spüren.
Nun streifte er ihr die Träger des Abendkleides über die Schultern und begann,
zärtlich ihren Busen zu streicheln. Ihre Brustwarzen wurden sofort hart. Kim sah
auf Johns Finger und bewunderte die Zärtlichkeit, mit der er sie berührte. Dann
blickte sie ihm in die Augen. Er sah sie jedoch gar nicht so liebevoll an, sondern
wirkte eher enttäuscht. Was hatte er nur gegen sie?
„Küß mich“, befahl sie leise und umarmte ihn.
Es war ein rücksichtsloser Kuß. John zog Kim so fest an sich, daß es ihr schon
fast weh tat und sie kaum noch atmen konnte. Plötzlich ließ er sie dann wieder
los. Er hob den Kopf, und es schien, als ob er zornig auf sie war.
„Ich habe etwas vergessen“, rief John und sprang auf.
„Was?“
„Doch nicht jetzt“, antwortete Kim ungehalten und versuchte, ihn festzuhalten.
„Es muß sein. Ich möchte wissen, ob es dir gefällt.“
John ging zum Wohnzimmerschrank hinüber, und Kim betrachtete ihn dabei.
Jetzt kam er zurück, kniete sich neben sie und gab ihr eine kleine blaue
Schachtel, die mit einem weißen Dekorband verschnürt war.
„Das ist ja von Tiffany's“, rief Kim erstaunt. „O John, das hättest du doch nicht zu
tun brauchen.“ Ein Verlobungsring konnte es nicht sein, denn die Schachtel war
schmal und lang. Aufgeregt löste sie das Band und öffnete schließlich die
Kassette. Die Überraschung war perfekt. Ein Diamantarmband lag darin und
funkelte und blitzte im Schein des Lampenlichtes. „Sind das echte Diamanten?“
„Da kannst du sicher sein. Gefällt es dir?“
„Es ist wunderschön. Warum hast du es für mich gekauft?“
„Nun, mit Diamanten lassen Frauen sich beeindrucken. Außerdem ist es in
unseren Kreisen üblich, daß der Mann seiner Geliebten Diamanten schenkt.“
Kim glaubte, sich verhört zu haben. Einen Augenblick lang saß sie regungslos da
und blickte auf das Armband.
Dann umschloß sie es fest und versuchte wieder einen klaren Kopf zu
bekommen. Sie fühlte sich wie betäubt. Nur zu gut verstand sie, was John damit
sagen wollte. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen.
„Und wie bist du auf diese großartige Idee gekommen?“ fragte sie zornig und zog
die Träger ihres Kleides energisch hinauf.
„Ich kann eben denken und mich anpassen. So ist es doch langfristig gesehen die
beste Lösung. Ein solches Verhältnis zwischen Mann und Frau ist heute normal.
Die Trennung wird dadurch ja auch wesentlich erleichtert. Ich verspreche dir, daß
ich nicht knauserig sein werde, wenn ich dich später einmal abfinde. Ich kenne ja
deine Vorstellungen.“
„Ich habe nur eine Forderung“, sagte Kim scharf.
„Und ich erfülle sie?“
„Nein, das tust du nicht.“
„Wieso nicht?“ schimpfte er. „Ich habe nicht nur Geld, sondern kann auch noch
für deine Karriere ganz nützlich sein. Neil De Witt ist schließlich nicht der einzige
Mann mit Verbindungen.“
„Du hast mich also nur eingeladen, um dich an mir zu rächen“, meinte Kim
enttäuscht. Ihr größter Ärger war allerdings schon verraucht. So ein Verhalten
konnte ja eigentlich nur Mitleid erregen. „Es ist nicht Rache, Kim, sondern bedingungslose Kapitulation“, antwortete er leise. „Wenn man nicht den ganzen Kuchen haben kann, ist man auch mit einem Stück davon zufrieden. Mein einfacher Lebensstil macht dich ja nicht glücklich, du liebst das Rampenlicht, Parties und Diamanten. Ich verstehe jetzt deine Einstellung und versuche, mich dir anzupassen. Das ist eben der Preis, den ich für deine Gesellschaft bezahlen werde.“ „Und das Diamantarmband ist so eine Art Vorauszahlung?“ fragte Kim mit vernichtendem Blick. „Um so leben zu können, wie du es planst, brauchst du Diamanten. Wenn dir aber jemand Schmuck schenkt, dann möchte ich das sein“, sagte er mit fester Stimme. „Joe erzählte mir, daß du dich über mich beschwert hast. Hot dogs und alte Filme seien nicht das Richtige für dich. Für dich war nur deine Liste interessant. Joe sagte mir, daß ich die Nummer eins auf deiner Liste sei. Aber warum hast du dich gleich einem anderen zugewendet, als ich mal keine Zeit hatte?“ „Es geht, was Neil betrifft, nur um meine Arbeit. Der LakerAuftrag hätte doch wirklich nicht für ein ganzes Leben gereicht. Das mußt du doch einsehen. Ich wäre ja schön dumm gewesen, wenn ich Neils Angebot nicht akzeptiert hätte“, verteidigte sich Kim. „Es ist ja jetzt auch egal“, unterbrach John sie. „Ich weiß, daß du erfolgshungrig bist. Ich habe mich damit abgefunden, daß das zu deinen Eigenschaften gehört. Aber eine karrieresüchtige Frau würde ich nie heiraten.“ „Warum kommst du dann hinter mir hergelaufen? Warum hast du mich nicht in einfach in Ruhe gelassen?“ „Ich konnte nicht anders. Trotz allem möchte ich dich besitzen.“ Er versuchte, sie an sich zu ziehen, aber Kim stieß ihn zurück und schüttelte den Kopf. „Trotz allem: meinst du damit, daß ich mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen muß?“ fragte sie ironisch. „Ich bin im Gegensatz zu dir nicht mit dem berühmten silbernen Löffel im Mund geboren worden. Ich habe bei meiner Schwester gesehen, wie schlimm eine Frau dran ist, deren Mann stirbt und die nicht in der Lage ist, ihre Kinder zu ernähren. Mir soll so etwas nicht passieren.“ „Das bedeutet wohl, daß du keine Kinder haben willst“, stellte John mit bitterem Lachen fest. „Als deine Geliebte bestimmt nicht. Auf diese Probleme kann ich verzichten. Und auf dein Geschenk auch.“ Sie warf ihm das Armband vor die Füße und stand auf. „Du kannst wohl kaum von mir erwarten, daß ich dich heirate, nachdem ich nun weiß, wie du denkst und fühlst“, sagte John böse. „Als du von Fannie erzähltest, hast du dich verraten. Du bedauerst sie, weil sie in einem kleinen Apartment leben muß. Ich dagegen beneide Joe. Er weiß wenigstens, daß er um seiner selbst willen geliebt wird. Du tust mir leid, Kim, denn eines Tages wirst du feststellen, welches die wahren Werte im Leben sind – bestimmt nicht Diamanten.“ „Du bist derjenige, der hier zu bedauern ist“, konterte Kim. „Du siehst immer nur das Schlechte im Menschen und denkst, daß es alle nur auf dein Geld abgesehen haben. Dein schnöder Mammon hat mir aber nie etwas bedeutet. Warum glaubst du wohl, arbeite ich am Aufbau einer eigenen Existenz? Ich kann mich ganz gut selbst versorgen, ich will von niemand abhängig sein. Keine Angst, was du kaufen möchtest, John, gibt es an jeder Straßenecke. Bei dem Preis, den du zu zahlen bereit bist, findest du sicher viele Frauen, denn für Diamanten sind fast alle empfänglich. Aber auf mich mußt du verzichten. Auf Wiedersehen, John. Vielleicht treffen wir uns irgendwann einmal wieder, wenn der Zufall es so will.“
Kim nahm ihre Handtasche und ging entschlossen zur Tür.
„Warte, Kim“, rief John hinter ihr her. „Geh bitte nicht. Wenn du möchtest, werde
ich dich auch heiraten.“
„Das ist mir zu wenig, und zu spät ist es außerdem, die Chance hast du verpaßt“,
sagte Kim bitter.
„Zu wenig? Mehr kann ich dir nicht bieten.“
„Armer John. Wenn du mich nicht mit einem Armband kaufen kannst, glaubst du,
daß ein goldener Ring den Ausschlag gibt.“
„Aber ich liebe dich doch“, sagte er verwirrt.
„Du nennst das Liebe? Ich nenne es anders. Du begehrst mich nur. Aber am
meisten mißfallen mir deine Tests. Wie kann man nur so mißtrauisch sein!
Schlimm, daß du glaubst, mit Geld alles kaufen zu können. Aber du irrst dich
gewaltig. Meine Liebe ist unverkäuflich. Ich verachte dich für deine Haltung,
damit du es weißt.“
„Ich habe dir doch angeboten, dich zu heiraten. Was soll ich denn noch tun?“
„Ich würde vorschlagen, daß du nächstes Mal erst fragst, ob man dich überhaupt
heiraten will. Es könnte ja durchaus sein, daß deine Auserwählte gar keinen Wert
darauf legt, deine Frau zu werden.“
Kim drehte sich wütend um und ließ einen völlig verwirrten John zurück.
10. KAPITEL „Was ist denn mit Ihnen los, Kim?“ fragte Neil am Montag. „Sie sehen so abgespannt aus. Haben Sie Probleme?“ „Ich bin am Wochenende krank gewesen. Wahrscheinlich bekomme ich eine Grippe“, log sie. Der Streit mit John hatte sie ziemlich mitgenommen, und ihre Enttäuschung war immer noch groß. Den ganzen Sonntag hatte sie in ihrer Wohnung gesessen und über ihr Verhältnis zu John gegrübelt. „Was liegt denn heute an?“ wechselte Kim das Thema und versuchte ein Lächeln. „Ich werde mir am Nachmittag Hilda van Burens Wohnung ansehen. Für ihr Sommerhaus möchte ich ihr nämlich etwas ganz Besonderes vorschlagen. Was halten Sie davon, wenn wir es in eine Grotte verwandeln, mit Steinen, Wasser und Grünpflanzen?“ Kim versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, und fertigte eine Skizze an. Um zwei Uhr nachmittags klingelte das Telefon. Als John sich meldete, legte Kim sofort den Hörer auf. Am Mittwoch rief er sie zu Hause an. „Ich möchte nicht mit dir sprechen. Laß mich bitte in Ruhe“, sagte sie nur und legte wieder auf. Als Fannie eine halbe Stunde später anrief und sie zum Essen einlud, wurde sie mißtrauisch. „Ist noch jemand eingeladen?“ „Warum fragst du?“ meinte Fannie unschuldig. „Wurdest du vielleicht von einem gewissen John Balfour um diesen Gefallen gebeten?“ bohrte Kim weiter. „Woher weißt du das? Ja, er hat sich mit Joe in Verbindung gesetzt. Kim, er liebt dich wirklich.“ „Es tut mir leid, Fannie, aber ich kann nicht kommen. Wie geht es dir eigentlich?“ „Danke gut. Ich habe unser Schlafzimmer tapeziert, es hat jetzt eine weiße Tapete mit kleinen blauen Blümchen. Kannst du uns denn nicht wenigstens morgen abend besuchen?“ „Nicht, wenn John da ist. Welche Vorhänge und welchen Teppich wirst du denn für das Schlafzimmer kaufen?“ Sie unterhielten sich noch eine Weile, aber Kim blieb in der Sache hart. Sie wollte John nicht sehen. Natürlich, sie hatte ihn einmal geliebt, aber jetzt verabscheute sie ihn. Wie konnte ein Mann nur so gemein sein. Typisch, daß er sie dann auf einmal heiraten wollte, ohne sie vorher zu fragen. Seiner Meinung nach war es wohl selbstverständlich, daß sie ja dazu sagte. Er glaubte wohl, die Welt müsse ihm zu Füßen liegen. Am Donnerstag rief Vicky Laker bei Kismet an. Sie wollte Kim sprechen. „Ich werde für einen Monat nach Griechenland reisen und dachte, daß in dieser Zeit mein Badezimmer umgebaut werden könnte. Wir sprachen doch kürzlich über die Kacheln. Einen Katalog habe ich hier, doch die Entscheidung fällt so schwer. Könnten Sie vielleicht vorbeikommen, und wir sprechen dann darüber?“ „Aber natürlich, Vicky. Wann werden Sie abreisen?“ „Am Sonnabend. Paßt es Ihnen nicht vielleicht schon heute? Ich möchte nämlich noch einige andere Dinge mit Ihnen besprechen. Da wären zum Beispiel die Vorhänge, ach ja, und das Badezimmerfenster müßte neu verglast werden. Eigentlich habe ich da an Glasmalereien gedacht, vielleicht die Darstellung einer Szene in einem römischen Bad. Was halten Sie davon?“ „Wir werden sehen, was sich machen läßt. Ich komme heute nachmittag gegen drei Uhr vorbei, paßt Ihnen das?“ Vicky zögerte, und Kim wurde ungeduldig. „Fünf Uhr wäre günstiger“, meinte sie
schließlich. „Ich muß noch ein paar Kleinigkeiten für die Reise einkaufen.“ „Sagen wir also um halb fünf?“ „Ja, das wird gehen. Bis dahin werde ich wohl wieder zurück sein“, erwiderte Vicky nach langem Zögern. Kim verabschiedete sich und legte auf. Da hatte sie sich ja etwas Schönes eingehandelt. Hoffentlich konnte sie Vicky von der Idee mit der römischen Badeszene abbringen. Das würde ja überhaupt nicht zu modernen Kacheln passen. Seufzend griff sie zum Telefon, rief bei einer Glaserei an und bestellte einige Entwürfe, die dann vorbeigebracht werden sollten. Gegen vier Uhr machte sie sich mit dem Taxi auf den Weg zu Vickys Apartment. Vicky begrüßte sie in Jeans und einem weiten weißen BaumwollTShirt. Ihr Gesicht war stark gebräunt, wirkte jedoch ungesund, was Kim dem fehlenden Makeup zuschrieb. In diesem Aufzug konnte sie nicht einkaufen gewesen sein, wahrscheinlich hatte sie geschlafen oder wollte ganz einfach nicht gestört werden. Sie sahen sich zusammen die Kachelmuster an und gingen hinüber ins Badezimmer. Kim schlug ein Motiv mit purpurrotem Klatschmohn vor, das Vicky seltsamerweise akzeptierte. „Passen denn die bunten Fenster überhaupt zu den Kacheln?“ Vicky war nun doch nachdenklich geworden. „Nun ja, man könnte auch nur leicht getöntes Glas benutzen. Ich denke dabei an wohnliche, warme Farben. Mir kommt da übrigens eine Idee, wir könnten ungetöntes Rauhglas nehmen. Das ist zwar nicht farbig, es besitzt aber einen ganz besonderen Schick und würde hervorragend hierher passen. Was halten Sie davon?“ „Das ist eine gute Idee. Dazu werde ich dann rote und weiße Frotteehandtücher kaufen. Ach, da wir gerade von Geld sprechen: wie regeln wir die Bezahlung? Ich werde ja nicht mehr lange hier sein, aber John hat Verfügungsgewalt über mein Konto. Sie kennen sich doch ganz gut, nicht wahr?“ Kim verspannte sich, als sie Johns Namen hörte. Auf einmal kam ihr Vickys Verhalten verdächtig vor. War dies vielleicht einer von Johns Versuchen, sie zu sehen. Zutrauen würde sie es ihm. Während sie mit Vicky ins Wohnzimmer hinüberging, um dort noch einige Einzelheiten zu klären, wuchs ihr Mißtrauen, und sie blickte sich suchend um. Auch hier hatte Vicky einiges verändert. Ein Piano stand jetzt in der Mitte des Raumes. Er erdrückte nach Kims Ansicht die Möbel, aber das schien Vicky nicht zu stören. Die Vorhänge waren allerdings noch nicht gefärbt worden. Das Apartment machte aber immer noch einen hervorragenden Eindruck und ließ die Arbeit eines geschulten Innenarchitekten erkennen. Nachdem alles geregelt war und es keine offenen Fragen mehr gab, nahm Kim ihre Handtasche, um sich zu verabschieden. „Wie wäre es mit einem Drink?“ fragte Vicky und blickte dabei verstohlen auf die Uhr. Wartete Vicky etwa doch auf John? „Ich glaube nicht, daß…“ „Bitte bleiben Sie doch! Wissen Sie, ich könnte jetzt einen Martini vertragen, und allein mag ich nicht trinken.“ Bevor Kim etwas sagen konnte, war Vicky aufgesprungen und in die Küche gelaufen. Kim stellte fest, daß sich alle reichen Leute gleich verhielten: nur ihr Wort galt, die Gefühle und Meinungen anderer interessierten nicht. „Aber nur ein kleines Glas“, rief Kim ihr hinterher. Nervös schaute sie auf die Armbanduhr. Wenn ihre Vermutung stimmte, klingelte es gleich an der Tür. In einem Zug leerte Kim ihr Glas, und als Vicky ihr einen zweiten Martini anbot, lehnte sie höflich, aber bestimmt ab. Sie verabschiedete sich und ging zum
Fahrstuhl, dabei erwartete sie, jeden Augenblick John zu begegnen. Aber weder
im Fahrstuhl noch in der Eingangshalle war eine Spur von ihm zu entdecken.
Vielleicht hatte sie Vicky doch unrecht getan. Erleichtert trat sie auf die Straße
und winkte ein Taxi herbei.
Kim hatte Glück, denn es hielt gerade ein Taxi vor dem Eingang, und ein
Fahrgast stieg aus. Kim wollte gleich hinübergehen, aber da erschrak sie. Der
Mann, der aus dem Taxi stieg, war John. Er sah abgehetzt und müde aus.
„Entweder kommst du zu früh oder zu spät“, sagte Kim und trat auf ihn zu. Sie
fragte sich, ob er wohl mit Vicky zum Abendessen verabredet war.
Wahrscheinlich mußten sie vor ihrer Abreise noch ein paar Dinge besprechen.
„Du brauchst dich nicht zu beeilen, Vicky hat sich noch nicht umgezogen.“ Mit
diesen Worten stieg sie in das Taxi ein. Doch John ließ sich neben sie in die
Polster sinken.
„Wolltest du nicht aussteigen?“ meinte Kim verdutzt. „Da es dein Taxi ist, hast du
allerdings ein Anrecht darauf, mitzufahren. Vielleicht sollte ich aussteigen und ein
anderes rufen“, sagte sie verärgert.
John blickte sie nachdenklich an, erwiderte nichts und rief dann dem Fahrer ihre
Adresse zu.
„Ich muß schon sagen, das ist wirklich ein Glück, daß du gerade in dem Moment
auftauchtest, als ich ein Taxi suchte.“
„Glück? Schon seit zehn Minuten warte ich an der Straßenecke. Was habt ihr
beide da oben bloß gemacht?“
„Aha, Vicky war also nur Mittel zum Zweck?“
„Du hast mir ja keine andere Wahl gelassen. Am Telefon wolltest du nie mit mir
sprechen, und Fannies Einladung hast du auch ausgeschlagen.“
„Warum hast du daraus nicht deine Schlüsse gezogen? Offenbar will ich nicht mit
dir reden? Soll Vickys Badezimmer nun neu verkachelt werden, oder war das
alles nur ein Trick?“
„Nun gut, ich habe sie gebeten, das Badezimmer renovieren zu lassen. Den
kleinen Gefallen konnte sie mir wirklich tun. Kim, wir müssen miteinander
reden“, bat John und sah sie eindringlich an.
„Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Rede du, solange und soviel du willst“,
antwortete sie und starrte aus dem Fenster.
„Ich bin ein Esel. Ich bin aufgeblasen, verzogen, arrogant…“
„Wenn du nichts Neues zu erzählen hast, sei lieber still.“ Kim warf ihm einen
verächtlichen Blick zu. „Ich weiß selbst, was du bist: reich! Damit ist alles gesagt,
denn der Rest ergibt sich zwangsläufig.“
„Wie reich sind Sie, junger Mann?“ mischte sich ungefragt der Taxifahrer ein.
„Ich kenne nämlich jemanden, der gern groß rauskommen möchte, es fehlt ihm
dafür aber das nötige Kleingeld.“
„Sehr reich“, antwortete Kim mißmutig mit einem Blick auf John.
„Es geht um folgendes“, fuhr der Fahrer eifrig fort, wobei er Kim und John
wesentlich mehr Beachtung schenkte als der Straße: „Mein Schwager, Charlie
Wampole, ist nämlich Erfinder, wissen Sie.“
„Den Maulkorb hat er aber anscheinend nicht erfunden“, schimpfte John.
„Maulkorb? Nein, er haßt Hunde. Er hat ein neues Raumspray entwickelt. Sie
werden es nicht glauben, aber es stehen schon mehrere Sorten zur Auswahl. Sie
duften nach Roastbeef, Apfelkuchen, frisch gebackenem Brot und, natürlich nur
für den Morgen, nach Kaffee. Der Junge ist ein Genie. Jetzt experimentiert er
gerade mit Knoblauch.“
John schüttelte den Kopf, er hatte offenbar beschlossen, den Fahrer zu
ignorieren.
„Ich verstehe, warum du böse auf mich warst. Es ist alles meine Schuld. Fannie gestand mir, daß die Liste ihre Idee war, und erzählte mir auch von deinen Schwestern. Ich weiß jetzt, daß die eine reich ist und die andere in einer schwierigen finanziellen Situation. Fannie klärte mich auch über Neil auf.“ „Neil? Doch nicht etwa Neil Selman, dieser unmögliche Kerl?“ rief der Fahrer empört dazwischen. Er spitzte die Ohren, damit ihm ja nichts von der äußerst interessanten Unterhaltung entging. „Ich weiß jetzt, daß du dir eine Existenz aufbauen wolltest. Zugegeben: Ich habe mich wie ein Elefant im Porzellanladen benommen. Ich war vollkommen unbeherrscht, und ich habe dich verletzt. Eigentlich wollte ich mich damals mit dir versöhnen, aber ich dachte, du liebst mich nicht mehr, und das war sehr schmerzlich für mich. Ich bin eben ein hoffnungsloser Trottel.“ „Du wolltest mich mit einem Diamantarmband kaufen! Das hast du wohl vergessen. Oder gibt es dafür auch eine Ausrede?“ „Sagen Sie bloß, Sie mögen keine Diamanten, junge Frau.“ Schon wieder mischte sich der Taxifahrer ein. Statt auf den Verkehr zu achten, beobachtete er seine Fahrgäste im Rückspiegel. „Wollen Sie günstig ein goldenes Armband kaufen? Ich kenne da einen Laden – gleich um die Ecke…“ In einem Höllentempo fuhr er um die nächste Kurve. John wurde gegen Kim geschleudert. Verärgert rieb er sich die schmerzende Nase. „Passen Sie doch auf, Sie Rindvieh“, schimpfte er. „Davon stirbt man nicht gleich“, sagte Kim ungerührt. John legte den Arm um sie und hielt sie fest. „Liebling, ich versuche dir gerade beizubringen, daß ich dich von ganzem Herzen liebe“, sagte er eindringlich! Sein bettelnder Blick hätte sie nicht schwach werden lassen, aber daß er gleich darauf das Gesicht vor Schmerzen verzog, rührte sie. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir mein Benehmen tut. Vicky hatte sich gerade mit ihrem Playboy überworfen und rief mich jeden Tag an, um sich zu beklagen, daß alle Welt nur hinter ihrem Geld her sei. Es gibt keine Entschuldigung, ich weiß, aber ich habe viele Frauen getroffen, die tatsächlich darauf aus waren. Allmählich wird man unsicher und mißtrauisch.“ John kam nicht dazu, noch etwas zu sagen, denn der Taxifahrer nahm wieder scharf eine Kurve. Noch einmal prallten John und Kim gegeneinander. „Hoffentlich ist die Nase diesmal nicht gebrochen“, stöhnte John und betastete sie vorsichtig. „Warum benutzen Sie auch nicht die Sicherheitsgurte!“ rief der Taxifahrer. „Wo war ich stehengeblieben?“ fragte John verstört und rieb sich die Stirn. „Sie sprachen gerade von den vielen Frauen, die Ihnen nachlaufen“, erinnerte ihn der Fahrer bereitwillig. „Ach ja. Ich wollte dich nicht mit meinem Geld beeindrucken, Kim, du solltest nur mich lieben und nicht meinen Lebensstil.“ „Ist das Grund genug, mich zu testen?“ Kim war immer noch ernsthaft böse. „Das habe ich doch nur gesagt, weil ich so enttäuscht war. Ich wollte sehen, ob wir beide auch ohne viel Geld auskommen.“ „John, deine Nase blutet ja“, sagte Kim mit sorgenvollem Blick. Er preßte sein Taschentuch auf die schmerzende Nase. „Das ist schon in Ordnung, halb so schlimm“, versuchte er Kim zu beruhigen, aber das Taschentuch färbte sich rot und strafte seine Worte Lügen. „Es gibt keine Entschuldigung dafür, daß du mich mit dem Armband zu deiner Geliebten machen wolltest. Du dachtest doch, mit Speck fängt man Mäuse? Aber so eine bin ich nicht.“ Kim sprach vor Erregung sehr laut. „Kim, ich frage dich, nein, ich bitte dich, hör mich an. Ich will doch nur, daß du
mich um meiner selbst willen liebst. Das Armband habe ich dir aus purer Verzweiflung angeboten. Ich gebe meinen Fehler ja zu, du kannst mir glauben, daß ich genug darunter gelitten habe. Du ahnst gar nicht, wie niedergeschlagen ich in den letzten Wochen war. Da erst erkannte ich, was ich mit dir für immer verloren habe.“ Bittend setzte er hinzu: „Gib mir noch einmal eine Chance, Kim, nur einmal! Ich werde alles tun, was du verlangst.“ Er sah sie so liebevoll an, daß plötzlich aller Ärger verflogen war. Dann beugte er sich vor und holte etwas aus einer braunen Tasche, die neben seinen Füßen stand. Es war ein Teddy! Auf einem seiner Ohren steckte ein goldener Ring mit einem kleinen Diamanten, der matt im Licht glänzte. „Denk bitte nicht, daß ich wieder versuche, dich zu kaufen. Ich glaube nur, daß ich dir das schuldig bin“, sagte er und gab ihr den Bären. „Das ist keine Verpflichtung für dich, Kim, es soll nur ein Beweis meiner Liebe sein.“ „Danke, John“, antwortete Kim gerührt und nahm den Ring vom Ohr. „Er sieht fast so aus wie der von Fannie.“ Kim lächelte John glücklich an und streckte die Arme nach ihm aus. Plötzlich war nur noch eins wichtig: Sie wollte ihm ganz nah sein. So schmiegte sie sich an ihn, und er küßte sie voller Leidenschaft erst auf den Mund, dann auf die Augen und die Wangen. Zwischendurch sagte er immer wieder: „Ich liebe dich, Kim. Es tut mir alles so leid. Ich bin einfach unausstehlich. Jetzt weiß ich, daß du das Wichtigste in meinem Leben bist.“ Kim hörte das natürlich gern. „Ich mag Hot dogs, und die Fahrt nach Staten Island damals war ein schönes Erlebnis“, meinte sie nachdenklich und legte den Kopf an seine Schulter. „Und bei Fannie habe ich mich nie beschwert. Sie machte doch nur Spaß. Übrigens, was Neil betrifft, so kann ich dich gut verstehen, denn auch ich war auf Vicky eifersüchtig.“ „Wir beginnen noch einmal von vorn, Kim.“ John sah ihr liebevoll in die Augen. Er streifte ihr den Goldring über den Finger und küßte sie sanft. Darüber vergaßen sie alles um sich herum. Plötzlich kam das Taxi mit quietschenden Reifen zum Stehen. „Wir sind da“, rief der Fahrer. Kim und John fuhren verstört auseinander und sahen sich verwirrt um. Wieso befanden sie sich hier in diesem verfallenen Stadtteil, den sie beide nicht kannten? „Wo sind wir?“ fragte John irritiert. „Das goldene Armband für die Dame! Ich habe Ihnen doch davon erzählt. Hier können Sie es für den halben Preis kaufen, vielleicht sogar noch billiger.“ Kim und John sahen sich verdutzt an. Der Fahrer griff ins Handschuhfach und holte eine kleine Spraydose hervor. „Hier haben Sie auch eine Probe von Charlies neuer Erfindung“, dabei sprühte er ihnen etwas von dem Inhalt ins Gesicht. Beide begannen zu husten, denn ein unangenehmer Geruch erfüllte im Nu die Luft. „Das ist Kaffee, glaube ich. Wie gesagt, Charlie sucht noch einen Geldgeber. Das ist die Chance Ihres Lebens, Mann! Um dieses Produkt werden sich die Leute noch reißen. Greifen Sie also zu.“ „Er ist scharf auf dein Geld“, sagte Kim lachend und schüttelte den Kopf. „Jetzt verstehe ich deine Probleme. Bloß raus hier, sonst ersticken wir noch.“ John bezahlte den Fahrer, und sie stiegen schnell aus. „Was soll ich nun Charlie erzählen?“ rief der Fahrer hinter ihnen her. Aber Kim und John hörten ihn schon nicht mehr. Arm in Arm gingen sie die dunkle Straße hinunter. Glücklich sahen sie sich in die
Augen, und die Welt um sie herum schien nicht mehr zu existieren. ENDE