Windkraft: Eine Alternative, die keine ist Herausgegeben von Otfried Wolfrum Mit Beiträgen von Hans Ernst Ulrich Filbra...
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Windkraft: Eine Alternative, die keine ist Herausgegeben von Otfried Wolfrum Mit Beiträgen von Hans Ernst Ulrich Filbrandt Thomas Mock Walter Niemand und Otfried Wolfrum
Zweitausendeins
Inhalt
Originalausgabe. 1. Auflage, August 1997. Copyright © 1997 by Zweitausendeins, Postfach, D-60381 Frankfurt am Main. Fotos (in Reihenfolge): Copyright Michael Meerpohl, Inge Gehm, Süddeutscher Verlag/Hans-Günther Oed, dpa/Stefan Hesse, Inge Lemken (zwei Bilder). Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile. Der gewerbliche Weiterverkauf und der gewerbliche Verleih von Büchern, Platten, Videos oder anderen Sachen aus der Zweitausendeins-Produktion bedürfen in jedem Fall der schriftlichen Genehmigung durch die Geschäftsleitung vom Zweitausendeins Versand in Frankfurt. Lektorat: Ekkehard Kunze und Martin Weinmann, (Büro W), Wiesbaden. Umschlaggestaltung: Sabine Kauf &Fritz Fischer. Satz und Herstellung: Dieter Kohler & Bernd Leberfinger, Nördlingen. Reproarbeiten: Repro-Technik G. Mayr, Donauwörth. Druck: Wagner GmbH, Nördlingen. Einband: G. Lachenmaier, Reutlingen. Printed in Germany. Dieses Buch gibt es nur bei Zweitausendeins im Versand (Postfach, D-60381 Frankfurt am Main, Telefon 01805-23 2001, Fax 01805-24 2001) oder in den Zweitausendeins-Läden in Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Köln, München, Nürnberg, Saarbrücken, Stuttgart.
Vorwort des Herausgebers
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Einleitung: Windenergie - ein trügerisches Symbol der Hoffnung
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1. Was kann die Windenergie zur Energieversorgung der Bundesrepublik beitragen? 2. Was kann die Windenergie zur Vermeidung einer Klimakatastrophe beitragen? 3. Was kostet uns der Strom aus Windkraftanlagen und was wäre sein Marktwert? 4. Welche Lärmbelastungen gehen von Windkraftanlagen aus? 5. Wie verträgt sich der Schutz der Natur mit der Nutzung der Windenergie? 6. Wie können sich Kommunen und Betroffene auf dem Rechtsweg gegen Windkraftanlagen zur Wehr setzen?
31 56 68 83 111
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Ausblick und Zusammenfassung
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Anmerkungen Glossar Abkürzungsverzeichnis Die Autoren
223 235 239 241
In der Schweiz über buch 2000, Postfach 89, CH-8910 Affoltern a.A. ISBN 3-86150-238-0
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Vorwort des Herausgebers
Umweltschutz ist ein hochrangiges Politikfeld, und zwar zu Recht, da es um die Sicherung einer lebenswerten Zukunft geht. Um so unerträglicher ist es, wenn die hohe gesellschaftliche Akzeptanz in dieser existentiell wichtigen Aufgabe kollaborierend von Umweltpolitikern und Kapitalanlegern zum Machterhalt und zur Profitmaximierung mißbraucht wird. Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, den Komplex Windenergienutzung vom Ballast der Ideologie, des Wunschdenkens und des materiellen Mißbrauchs zu befreien. Um zu einer objektiven - das heißt nur an technischen, ökologischen und ökonomischen Tatbeständen orientierten - Bewertung zu gelangen, bedarf es Autoren, die dazu über die notwendige persönliche Unabhängigkeit verfügen. Dies ist für diese Studie durch die Gewinnung kompetenter Fachleute gelungen, bei denen jeglicher Verdacht, sie könnten den Energieversorgungsunternehmen oder anderen Interessengruppen irgendwie nahestehen, völlig ausgeschlossen ist. Die Autoren fühlen sich allein der Vernunft, der Wahrheit und dem Erhalt der Natur verpflichtet. Das vorliegende Buch ist aus den Fragen und Antworten zur Windenergienutzung in Deutschland entstanden, einer Schrift des Herausgebers, und wurde auf den neuesten
Stand gebracht. Lediglich die Fragen einer Offshore-Aufstellung wie auch der neuen Megawatt-Turbinengenera11
tion sind nur am Rande berücksichtigt, weil dazu noch keine hinreichenden Erfahrungen und Daten vorliegen. Jedoch wurden die baurechtlichen Probleme aufgrund der veränderten Gesetzeslage ausführlich dargestellt. Gleiches gilt für die Wirtschaftlichkeit der Windenergienutzung, weil die Einspeisungsvergütung gesetzlich neu gestaltet werden soll. Was diese Technologie für Mensch und Natur bedeuten kann, wird hier erstmals umfassend gezeigt. Dieses Buch wendet sich an Bürgerinitiativen sowie einzelne Betroffene, die - von Politik und Verwaltung meist alleingelassen - sich von den Nachteilen und Gefahren der Windturbinen ein Bild machen möchten, und den Gemeinden bietet es argumentative Hilfestellung, ihre Planungshoheit zum Wohle ihrer Bürger und Bürgerinnen zu verteidigen. Dem Verlag Zweitausendeins sei für die Aufgeschlossenheit gedankt, die er diesem so aktuellen wie dringenden Problem entgegenbringt.
Modautal, Juni 1997
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Einleitung: Windenergie - ein trügerisches Symbol der Hoffnung
Die angeblichen Vorteile der Windenergie sind dem Bürger leicht zu vermitteln. Denn es liegt auf der Hand: Die fossilen Energieträger werden eines Tages verbraucht sein, und wie sollen dann spätere Generationen überleben, wenn wir nicht heute schon verantwortungsvoll und weitschauend Techniken entwickeln, um diejenigen Kräfte zu nutzen, die uns die Natur »kostenlos« und unerschöpflich bietet. Wenn dann auch noch versichert wird, daß es sich um eine »saubere« Energie handele, deren Gewinnung ohne Risiken und schädliche Folgen im Einklang mit der Natur geschehe, so erscheint die Nutzung der Windenergie als die ideale Lösung. Die Nutzung der Wasserkraft ist in Deutschland weitgehend ausgebaut; man ist daher dem Beispiel der Vereinigten Staaten und Dänemarks gefolgt und hat politisch auf die Windkraft als Hoffnungsträger gesetzt. Damit hatte man Erfolg, zumindest was die technische Realisierung anging. Heute steht Deutschland in der Erzeugung von Windstrom weltweit an der Spitze. Möglich wurde dies einmal durch eine beispiellose Subventionierung, andererseits durch eine Politik der Entwarnung, die im Prinzip von allen Parteien getragen wird: Die Windenergie sei die Energie der Zukunft. Daß der weltweit steigende Energieverbrauch gestoppt werden müsse, daß Einschränkungen wie das Tempolimit auf Autobahnen notwendig 13
seien, all das sei panisches Gerede. Mit der landesweiten Begeisterung für die Windkraft wird die Botschaft verkauft: Wir können weitermachen wie bisher. Einschränkungen im Energieverbrauch werden zwar angemahnt, ordnungspolitisch jedoch nicht durchgesetzt. Also geht die Energieverschwendung mit steigender Tendenz weiter, während die sich lustig drehenden »Windmühlen« weithin sichtbar signalisieren, daß die Zukunft gesichert sei. Die Akzeptanz seitens der Bevölkerung ist dementsprechend hoch, sie ist fast einmütig oder war es zumindest, solange Windturbinen nur Einzelerscheinungen in der Landschaft waren. Dies beweisen auch die gerne zitierten Umfragen bei Badegästen in Schleswig-Holstein in den Jahren 1990/91. Wird aber die Turbine zu einer Massenerscheinung, rückt sie an die Wohnhäuser heran oder etabliert sie sich in den Landschaftsschutzgebieten, verflüchtigt sich die Illusion, der Blick der Betroffenen wird schärfer, der Widerstand der Bürger und Bürgerinnen formiert sich. Von ökonomischen und ökologischen Fragestellungen einmal abgesehen, lautet die entscheidende Frage: Kann in Zukunft mit der Windenergie ein nennenswerter Anteil unseres Energiebedarfs gedeckt werden? Die Antwort ist eindeutig nein: Mit der Windenergie wird dies niemals erreicht werden, weil naturgesetzliche Gegebenheiten dagegenstehen, auf die der Mensch keinen Einfluß hat. Es ist vor allem die geringe Energiedichte der bewegten Luft, die bei der Höhe des Energiebedarfs einer modernen Industriegesellschaft die Windenergie als Alternative zur konventionellen Versorgung grundsätzlich ausschließt. Diese geringe Energiedichte zwingt die Konstrukteure zu 14
extrem großen Rotorflächen und Turmhöhen. Trotzdem ist die durchschnittlich abgegebene Leistung einer Turbine - und hier lassen sich viele durch die gigantischen Abmessungen täuschen - außerordentlich gering. Eine moderne Windkraftanlage von 600 Kilowatt (kW) Nennleistung ( Maximalleistung) hat eine Höhe von über 70 Metern (die Siegessäule in Berlin ist 68 Meter hoch) und belastet die Landschaft und die Menschen mit den Bewegungen eines Rotors, der eine Fläche fast halb so groß wie ein Fußballfeld überstreicht. Im Binnenland produziert eine solche Maschine pro Stunde durchschnittlich etwa 100 Kilowattstunden (kWh), was einer Leistung von etwa 140 PS entspricht. An der Küste ist es etwa die Hälfte mehr. Um eine einzige Standardlok der Deutschen Bahn AG mit Strom zu versorgen, werden mindestens 34 dieser Turbinen im Binnenland oder 24 an der Küste benötigt. Mit einer solchen Technologie läßt sich natürlich keine Wende in der Energiewirtschaft herbeiführen. Hinzu kommt, daß der Flächenverbrauch für die Windenergienutzung immens ist. Zwischen den Turbinen eines »Windparks« müssen Mindestabstände eingehalten werden, damit sie sich nicht gegenseitig den Wind »wegnehmen«. Man rechnet bei der jüngsten Turbinengeneration mit Mindestabständen von 170 bis 350 Metern. Dazu kommen nach außen vor allem Sicherheitsabstände zu Verkehrswegen und als Lärmschutzmaßnahme Mindestabstände zu Wohngebäuden. Eine 600-Kilowatt-Anlage beansprucht damit eine Fläche von mindestens 15 Hektar, eine Fläche, die dann nur noch sehr eingeschränkt und allenfalls für die Landwirtschaft nutzbar ist. Eine Flächenausweisung für Windkraftanlagen (WKA) kann auch aus diesem Grund sehr problematisch für eine Gemeinde sein, 15
weil sie sich für künftige Baulandausweisungen selbst blockiert; sogar Aufforstungen sind dann innerhalb eines Abstands von rund 300 Metern nicht mehr möglich. Deutschland ist ein dichtbesiedeltes Land mit einer engmaschigen Infrastruktur, und freie Flächen, groß genug für die erforderlichen Mindestabstände, sind knapp. Würde man alle geeigneten Flächen so dicht wie möglich mit Windkraftanlagen besetzen, könnte man nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) etwa 60 Milliarden Kilowattstunden Windstrom pro Jahr erzeugen. Dies wären rund 12 Prozent des Stromverbrauchs der BRD mit 500 Milliarden Kilowattstunden. Aber dieser Anteil ist niemals zu realisieren, weil keine Kommune bereit wäre, ihren gesamten beplanbaren Außenbereich der Windindustrie zu überlassen. Trotzdem verkünden unsere Politiker, daß diese 12 Prozent, zumindest längerfristig erreichbar wären. Diese Behauptung ist gleichermaßen dumm wie irreführend; es wird nämlich dabei das technische Potential der Windstromerzeugung, das heißt das maximal technisch Machbare, mit dem realisierbaren Potential, also dem, was später von der Bevölkerung toleriert wird, gleichgesetzt. Die Absurdität dieser Gleichsetzung wird durch folgende einfache Überlegung deutlich: Im vergangenen Jahr wurden 2,1 Milliarden Kilowattstunden Windstrom in die öffentlichen Netze eingespeist. Im gleichen Zeitraum betrug jedoch in Deutschland der Stromverbrauch rund 502 Milliarden Kilowattstunden. Die stolze Bilanz einer Energiepolitik, die für sich Weitblick und Verantwortung reklamiert, lautet damit: Nach sechs Jahren eines in der Welt einmalig forcierten Ausbaus der Windenergienutzung liefert der Windstrom ganze 4 Promille un16
seres Strombedarfs. Um das gesteckte Ziel von 12 Prozent zu erreichen, wäre das 30fache an Turbinen erforderlich. Niedrige Energiepreise: die heilige Kuh, die keiner schlachten will
»Während der Weltklimakonferenz in Berlin wurde laut > Frankfurter Allgemeine< ein Horrorszenarium bekannt: Wollte man auch nur die Hauptstadt einzig mit Windenergie versorgen, müßte man die ganze Ostseeküste von Flensburg bis Ahlbeck auf einer Länge von 550 Kilometern mit Windmühlen im Abstand von jeweils 50 Metern bestücken, zweireihig und 400 Meter tief ins Landesinnere gestaffelt. Um die -Jahrtausendwende sollen ähnliche Generatorenansammlungen 5 (in Worten: fünf) Prozent des niedersächsischen Strombedarfs decken. Zum Vergleich: Die EnqueteKommission des Deutschen Bundestages zum Schutz der Erdatmosphäre rechnet mit unausgeschöpften Stromsparpotentialen von 70 (I) Prozent allein bei Elektrogeräten und 10 i n der Industrie. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des derzeit nur 0,3 Prozent ausmachenden Anteils der Windkraft an der Netto-Stromerzeugung in der Bundesrepublik erweist sich das Öko-Argument der hoch subventionierten Windkraftbetreiber als Bastard aus Politik und Wirtschaft. Längst ist die Einspeisung des Stromüberschusses der privaten Windkraftnutzer in die Leitungen der Energiekonzerne zum Geschäft geworden. Das, nicht die Ökologie, ist der Motor des Booms. Statt dessen: die Energie verteuern, um wenigstens ihre Verschwendung einzudämmen? Ein Gedanke dies >aus dem Gruselkabinett der Weltverbesserer<, höhnte kürzlich Theo Waigel im Bundestag - darin eines Sinnes mit Frau Griefahns Chef Gerhard Schröder. Dem ist anzuraten, die Mahnung des Amateur-Ornithologen Helmut' Schmidt zu beherzigen, der zu Zeiten, als Schröder noch ein Juso war, ihm und seinen Junggenossen auf den Weg mitgab, sich lieber um die Vögel zu kümmern, als eine unausgegorene Politik zu betreiben.« Auszug aus: Die Woche, 22.9.1995, von Horst Stern 17
Nach den Vorstellungen unserer Energiepolitiker ist also erst ein ganz bescheidener Anfang gemacht, wir stehen demnach erst am Beginn des eigentlichen Ausbaus der Windindustrie. Doch heute schon sind ganze Regionen im Norden Deutschlands verschandelt und hoch belastet, mit einer Aufstellungsdichte, die nirgends in der Welt erreicht wird, selbst in Dänemark nicht. Aber die Argumentation der Politiker ist noch viel haarsträubender - und dümmer. Es geht ja gar nicht um eine Stromkrise, sondern um eine Energiekrise. Kohlen zur Erzeugung von Strom wird es noch eine Weile geben, bei gleichbleibendem Verbrauch mindestens 200 Jahre. Manche Experten schätzen sogar 800 bis 1600 Jahre. Die eigentliche Krise kommt mit dem Erdöl, das selbst nach Einschätzung der Bundesregierung in 43 Jahren verbraucht sein wird. Aber das Katastrophenszenario wird eben nicht auf den Treibstoff- und Heizölverbrauch, sondern auf die Stromerzeugung fixiert. Vielleicht ist die Vorstellung, das Auto einmal endgültig stehenlassen zu müssen, so unerträglich, daß man sich lieber mit dem Hoffnungsträger WKA etwas vormacht. Doch in der Gesamtenergiebilanz sieht es ganz anders aus, denn in den modernen Industriegesellschaften wird Energie hauptsächlich in Form von Öl und Gas verbraucht; Strom spielt nur eine Nebenrolle. Gerade 19,7 Prozent der in Deutschland verbrauchten Endenergie entfallen auf Strom, 72 Prozent hingegen auf Öl und Gas. Der argumentative Bezug allein auf die Bilanzgröße Strom verzerrt die Bedeutung des Windstroms, sowohl qualitativ wie quantitativ. Soweit wir heute absehen können, wird Windstrom aus grundsätzlichen technischen Gründen nichts Wesentliches zur Substitution von Treibstoff, dem Mangelprodukt der 18
Zukunft, beitragen. - Aber auch als Bilanzgröße wird Windstrom vernachlässigbar bleiben: Der Windstromerzeugung von 2,1 Milliarden Kilowattstunden im vergangenen Jahr steht ein Gesamtenergieverbrauch von rund 2500 Milliarden Kilowattstunden gegenüber. Ganze 0,8 Promille der konventionell erzeugten Endenergie wurden also 1996 durch Windkraft substituiert. Nach Adam Riese müßte das 100fache an Windturbinen installiert werden, um bescheidene 8 Prozent unseres Energiebedarfs abzudecken, aber dazu haben wir weder die Flächen, noch würden wir damit einen Beitrag zur Lösung der drohenden Energiekrise leisten, denn diese liegt wie gesagt primär beim Erdöl. Betrachtet man die Entwicklung beim Ausbau der Windenergienutzung, wird die Zukunftsvision noch phantastischer. Während 1994 noch 0,9 Milliarden Kilowattstunden Windstrom erzeugt wurden, steigerte sich 1995 in einem weltweit einzigartigen Boom die Produktion in Deutschland um 0,6 Milliarden Kilowattstunden, das heißt um über 60 Prozent, auf 1,5 Milliarden Kilowattstunden. Aber in der gleichen Zeit ist der Stromverbrauch in Deutschland um 9 Milliarden Kilowattstunden gestiegen, also um das 15fache der Produktionssteigerung beim Windstrom. Das ist ein verlorenes Rennen, bei dem ein von Ökobegeisterung beflügelter Radfahrer (20 km/h) siegesgewiß in die Pedale tritt und damit prahlt, einen Formel-1-Rennwagen (300 km/h) überholen zu können. Doch Strom ist auch hier die falsche Bilanzgröße; das richtige Bild ergibt sich erst im Vergleich mit dem gesamten Endenergieverbrauch. Dieser stieg 1995 um 47 Milliarden Kilowattstunden, was das 78fache dessen ist, was im Boomjahr 1995 an Windstrom hinzukam. Um im Bild zu 19
bleiben, müßte unser Radfahrer nun behaupten, er könne es mit einem Starfighter aufnehmen. Große Worte - und nicht mehr steckt hinter der versprochenen Wende durch Windenergie. Unsere Energiepolitiker - Windindustrie und Betreiberverbände natürlich auch - zeigen sich von konkreten Zahlen völlig unbeeindruckt. Nach ihrer Überzeugung (?) rechtfertigt sich die Nutzung bilanzmäßig gleich dreifach. Erstens, es sei ja nicht so, daß der Wind allein der Energieträger der Zukunft sein wird, es sei vielmehr der Mix der regenerativen Energien. Im Zusammenwirken mit Solarenergie, Biomasse, Geothermik usw. müsse der Stellenwert der Windkraft gesehen werden. - Nun, anders als bei Medikamenten, wo häufig erst die Kombination mehrerer Wirkstoffe die heilsame Wirkung entfaltet, haben wir es bei der Energieversorgung mit einem rein additiven Sachverhalt zu tun. Wenn es noch andere regenerative Energieträger gibt, erhöht sich ja deshalb nicht der Anteil des Windstroms. Man wird zwar, soweit es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, die anderen regenerativen Energieträger nutzen, der Anteil der Windenergie wird aber davon unabhängig schlimmstenfalls zwei bis drei Promille beitragen - auf die getrost verzichtet werden kann. Ein zweites Argument, das immer wieder vorgetragen wird, ist die angeblich positive Signalwirkung, die von den weit sichtbaren Rotoren ausginge. Die rotierenden Windräder würden ein Zeichen setzen und bewirken, daß die Menschen umdenken, weniger Energie verbrauchen und erkennen, daß nur im Einklang mit der Natur unser Überleben gesichert werden kann. - Wenn dem so wäre, wie erklärt es sich dann, daß nach sechs Jahren Windindustrie der private Energieverbrauch mehr denn je steigt, im Jahr 20
1995 allein um 6,5 Prozent? Stützt die Windenergie nicht umgekehrt die fatale Illusion, daß man die Warnungen und Appelle zum Energiesparen mit gutem Gewissen in den Wind schlagen kann? Das dritte Argument, das in Versammlungen mit Landwirten und potentiellen Betreibern sogar Begeisterungsstürme hervorruft, lautet ungefähr so: In 50 Jahren werden alle fossilen Ressourcen aufgebraucht sein. Dann müßten wir, ob wir wollen oder nicht, von den regenerativen Energien leben. - Hinsichtlich der Kohlevorräte und des realisierbaren Windstrompotentials ist dies, wie wir gesehen haben, barer Unsinn. Ernstzunehmende Alternativen - ohne die risikoreiche Kernspaltung - gibt es durchaus. Hierüber werden intensive Fachdiskussionen geführt, über die in der Öffentlichkeit bereits häufig berichtet wurde und die hoffnungsvolle Perspektiven erkennen lassen. Aber Grundlagenforschung in der Energietechnik ist teuer. Das Gebot der Stunde ist daher, wirkliche Alternativen zu erforschen und nicht Milliardenbeträge bei einer Technik ohne Zukunft zu verschleudern.
Windkraft gegen Klimakatastrophe? Auch hinsichtlich der Bedeutung der Windenergie für den Klimaschutz sind Politiker und Betreiber mit großen Worten nicht zimperlich. Es wird behauptet, freilich ohne dies weiter zu belegen, daß die Windenergie wesentlich zur Minderung der Treibhauseffekte beitragen könne. Mit dieser ungeprüften Behauptung rechtfertigt man die zahllosen Eingriffe in die Natur, die Subventionen in Milliardenhöhe, selbst gravierende Baurechtsänderungen. 21
Durch die Windstromerzeugung konnten 1996 nur 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxyd (CO 2) vermieden werden. Bei einer deutschen Gesamtemission von 900 Millionen Tonnen CO 2 sind dies weniger als 1,5 Promille. Nimmt man die übrigen Treibhausgase hinzu, wurde im vergangenen Jahr der vermutete anthropogene Klimaeffekt sogar nur um 0,97 Promille durch die Windenergie verringert, ein verschwindend kleiner Anteil. Das kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Das Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth II gibt mit einer Leistung von 135 000 PS rund 84 Tonnen Schadstoffe pro Stunde Fahrtzeit an die Atmosphäre ab. 1996 vermied die gesamte deutsche Windindustrie im Durchschnitt 162 Tonnen Schadstoffe pro Stunde. - Die stolze Bilanz dieser angeblich so fortschrittlichen Energiepolitik: Im sechsten Boomjahr der Windenergienutzung, nachdem sie schon ganze Regionen ruiniert hat, langte der gesamte deutsche Windstrom noch nicht einmal zur Kompensation der Schadstoffemissionen von zwei größeren Luxuslinern! Doch damit nicht genug. Unsere Kraftwerke belasten die Atmosphäre fast ausschließlich mit C02, die anderen Treibhausgase wie Methan, Lachgas, Stickoxide u. a. m. entstehen bei der Stromerzeugung so gut wie gar nicht. Nun ist jedoch in jüngster Zeit stark bezweifelt worden, ob CO 2 überhaupt an der Temperaturerhöhung der Erdatmosphäre einen nennenswerten Anteil hat (siehe Seite 56 ff.). Die Klimaforscher sind in dieser Frage sehr zerstritten, und für manche wird es sicherlich peinlich sein, zu revidieren, was sie jahrzehntelang vertreten haben. Für die Windenergie kann es bedeuten, daß sich auch das letzte Promille verflüchtigt.
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Die Argumente Tschernobyl und Windturbine Ein Industrieland mit entwickelter Hochtechnologie stellt hohe Anforderungen an die öffentliche Stromversorgung. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) sind nach dem Energiewirtschaftsgesetz vom Jahre 1935 dazu verpflichtet, jederzeit genügend elektrische Energie mit konstanter Spannung und Frequenz verfügbar zu halten. Das technische Problem ist dabei weniger die Erzeugung der Strommenge, das heißt die elektrische Arbeit, sondern deren Bereitstellung, also die elektrische Leistung. In den Lieferverträgen der Stromwirtschaft wird daher in der Regel die Vergütung sowohl mit einem Arbeitspreis wie zusätzlich mit einem Leistungspreis für die bereitzustellende Reserveleistung vereinbart. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen müssen also nach Bedarf der Kunden liefern. Bei der Einspeisung von Windstrom ist es jedoch gerade umgekehrt; das Einspeisungsgesetz von 1991 legt eine Abnahmeverpflichtung für die Elektrizitätsversorgungsunternehmen fest, wobei die Abnahme zeitlich und der Höhe nach nicht begrenzt ist! Hier wirkt nun eine weitere negative Eigenschaft der Windenergie hinein: Meteorologisch bedingt, also vom Menschen nicht beeinflußbar, ändert sich das Energieangebot sehr stark. Windstärken wechseln bei uns häufig und schnell, andererseits kann ihre geographische Verteilung, besonders bei Schwachwindwetterlagen, durchaus großräumig sein. Dies hat zwei wichtige Konsequenzen. Windenergie wird niemals konventionelle Kraftwerke ersetzen können, auch wenn dies von den Befürwortern der Windenergie ständig behauptet wird. So trat zum Beispiel im Versorgungsbereich der PreussenElektra AG am 11. Dezember 1995 ein histo23
rischer Höchstlastbedarf von 9110 Megawatt auf. Zu diesem Zeitpunkt haben die Windkraftanlagen des Versorgungsbereiches mit einer Gesamtnennleistung von etwa 500 Megawatt, das war etwa die Hälfte der gesamten in Deutschland installierten Windkraftleistung, praktisch nichts in die Netze eingespeist. - Es ist Ignoranz oder Infamie, wenn dann potentielle Betreiber von Windturbinen Tschernobyl ins Spiel bringen, um mit der berechtigten Furcht vor Reaktorunfällen ihre »windigen« Geschäfte zu machen. Geringe Energiedichte und mangelnde Verfügbarkeit stehen dagegen, daß jemals in Deutschland auch nur ein einziges Atomkraftwerk durch Windenergie ersetzt werden könnte. Die zweite Konsequenz fehlender Verfügbarkeit ist ökonomischer Art, indem sie wesentlich den Marktwert des Windstroms bestimmt. Professor H.-J. Wagner, Direktor des Instituts für ökologisch verträgliche Energiewirtschaft an der Gesamthochschule Essen, schreibt hierzu in der Frankfurter Allgemeinen vom 22.7.96: »Die betriebswirtschaftlich angemessene Vergütung wäre somit nur die Erstattung der vermiedenen Brennstoffkosten.« Die Brennstoffkosten betragen rund 40 Prozent der Erzeugungskosten, die Fixkosten der Kraftwerke machen etwa 60 Prozent aus, so daß, günstig gerechnet, der Windstrom einen Wert von 5 Pfennig je Kilowattstunde hat. - Vergütet werden jedoch nach dem Stromeinspeisungsgesetz zur Zeit mindestens 17,2 Pfennig. (Manche Stromversorger zahlen freiwillig mehr, die Stadtwerke Schwäbisch Hall beispielsweise vergüten die Kilowattstunde mit 29 Pfennig.) Das heißt, jede Kilowattstunde Windstrom wird schon über den Strompreis mit mindestens 12,2 Pfennig subventioniert. 24
Geht der Windsubventionierung die Luft aus?
»Zur Zeit beträgt die Vergütung für Strom aus Windkraft bei Einspeisung in die Netze der Versorgungsunternehmen 17,3 Pfennige je Kilowattstunde. Die Bundesregierung erwägt allerdings, so die Darstellung in Stromthemen, die Vergütung auf 12 Pfennige zu senken. Die Senkung der Vergütung (von derzeit 17,3 Pfennig je kWh Windstrom auf 12 Pfennig) habe Bundeswirtschaftsminister Rexrodt dem EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert zugesagt, der die Subventionierung der Windenergie gerügt habe. Das deutsche Einspeisungsgesetz werde von Brüssel seit einiger Zeit auf seine Vereinbarkeit mit EU-Recht überprüft. Bei Genehmigung der Beihilfen im Jahr 1990 sei die Kommission von 20 Megawatt Windkraftkapazität und jährlichen Mehrkosten von bis zu einer Million DM für alle Stromversorger ausgegangen. Bis 1 995 habe sich aber die Zahl der Windkonverter von 500 auf fast 4000 erhöht, und allein die Stromversorger an der Küste bezifferten ihre Mehrkosten auf 150 Millionen jährlich. (...) Die Firma Enercon will laut Branchendienst jetzt mit der Serienproduktion von 1,5 Megawatt-Anlagen beginnen. Die bisher größten Serienanlagen schaffen 500 bis 600 kW. Sie seien derzeit am wirtschaftlichsten und kämen an Küstenstandorten auf Stromerzeugungskosten von etwa 12 bis 14 Pfennig je kWh.« Auszug aus: Süddeutsche Zeitung, 4.-6.1.1997
Weitere Subventionen für die Windenergienutzung kommen hinzu: Es gibt Bundeszuschüsse, die Länder (besonders die süd- und ostdeutschen) bezuschussen die Baukosten, zur Imagepflege zeigen sich sogar die Stromversorger (etwa bei den Anschlußkosten) kulant, bis zu 75 Prozent der Finanzierungskosten können durch subventionierte Darlehen des Bundes vorgeschossen werden. Aus einem hochdefizitären Unterfangen mit Erzeugungskosten in der Tilgungsphase (die je nach Standort zwischen 10 25
und 25 Pfennig je Kilowattstunde betragen, also zwei- bis fünfmal höher liegen als der reale Marktwert) wird auf diese Weise ein lukratives Geschäft. Dabei bedarf es noch nicht einmal besonderer unternehmerischer Fähigkeiten, und das Geschäftsrisiko mit Maschinenbruch- und Produktionsausfallversicherung ist bei gesetzlich garantierter Abnahme und Vergütung denkbar gering. Außerdem können alle einschlägigen steuerlichen Abschreibungen geltend gemacht werden. Wen wundert es dann, daß in manchen Regionen geradezu eine Goldgräberstimmung herrscht. Es ist ja auch ein selten günstiges Zusammentreffen: sich das gute Gewissen, etwas für die Umwelt und für kommende Generationen zu tun, mit Renditen vergolden zu lassen, die sonst nirgendwo zu erzielen sind und von der Allgemeinheit bezahlt werden. Im Ausbau der Windenergie hält Deutschland nunmehr weltweit die einsame Spitzenposition. Allein 1995 kamen 505 Megawatt Nennleistung hinzu, fast soviel wie Dänemark, die Nummer zwei in Europa, in 15 Jahren seit 1980 insgesamt installiert hatte. - Jede neue WKA bedeutet einen weiteren Wechsel auf die Zukunft. In diesem Jahr werden die Stromkunden etwa 350 Millionen DM für den Windstrom zuzahlen, und ein Ende der Subventionslawine ist nicht abzusehen; man rechnet mit einer Milliarde zur Jahrtausendwende. Als das Stromeinspeisungsgesetz 1990 vom Bundestag verabschiedet wurde, hätte man eigentlich von Amerika lernen können. Die kalifornischen Einspeisungsrichtlinien von 1982, die zehn Jahre lang feste Abnahme und Vergütung garantierten, wurden bereits 1985 wieder außer Kraft gesetzt. Sie waren volkswirtschaftlich auf Dauer 26
nicht zu verkraften und widersprechen ja auch einer freien Wirtschaftsordnung. Heute, nachdem auch die großzügigen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten wieder abgeschafft wurden, ist die kalifornische Windindustrie zusammengebrochen. Es hat sich ein realistischer Marktpreis von 3 Cents pro Kilowattstunde herausgebildet. Mit diesem Preis kann man zwar noch ein abgeschriebenes Braunkohlekraftwerk betreiben, jedoch keine teuren Windturbinen warten oder gar reparieren. Die Turbinen in Kalifornien laufen so lange, wie es geht, dann stehen sie als Investitionsruinen in der Landschaft.
Für den Export zu teuer Ein Argument fehlt nie, wenn es darum geht, die Windenergienutzung angesichts der immensen Landschaftsverluste zu rechtfertigen: Sie sei eine zukunftsorientierte, besonders intelligente und innovative Technologie, die Deutschlands international führende Position in der Umwelttechnik maßgeblich sichern helfe. Man brauche Referenzanlagen in Deutschland, um diese Technik zu entwickeln; das sei der Preis, der von einer Industrienation zu zahlen ist. - Aber dieser Preis ist viel zu hoch, und er steht in keinem rationalen Verhältnis zum Nutzen. Gleiches gilt für das Argument Arbeitsplätze, deren Zahl in dieser Branche stets viel zu hoch angegeben wird. Der Marktführer Enercon zum Beispiel - mit einem Anteil von 47 Prozent der in Deutschland produzierten Anlagen - beschäftigte 1995 nur 620 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Firma Tacke, der zweitgrößte Hersteller, zählte 150 Beschäftigte. Die deutschen Anlagenbauer installierten 1995 27
Windkraftanlagen mit insgesamt 360 Megawatt Nennleistung. Bei einem Anlagenpreis von 1500 DM pro Megawatt betrug der Branchenumsatz damit rund 540 Millionen DM. Die jährliche Arbeitsproduktivität eines Beschäftigten im deutschen Maschinenbau liegt bei 230000 DM. Dies bedeutet für die Branche (einschließlich Zulieferer) etwa 2 350 Arbeitsplätze. Rechnet man noch 50 Prozent für Nebenarbeiten (Fundamente, Planungen etc.) hinzu, beschäftigt die deutsche Windindustrie rund 3500 Menschen. Und selbst dies ist nur möglich, weil die Windenergienutzung derzeit mit rund 400 Millionen DM subventioniert wird, was pro Beschäftigten und Jahr mehr als 100 000 DM bedeutet. Noch schlechter sieht es mit dem Export aus. Trotz massiver Förderung durch EU, Bund und Länder sind Windturbinen im Ausland praktisch unverkäuflich. Nicht nur die extrem hohen Baukosten, sondern auch die anspruchsvolle Logistik und Wartung sowie das Erfordernis eines leistungsfähigen Verbundnetzes machen die Windenergienutzung - gerade in den Ländern der Dritten Welt - technisch und wirtschaftlich unpraktikabel. Einen größeren Markt für Windkraftanlagen gibt es derzeit nur in einem einzigen Land, und das ist Deutschland. Entsprechend bescheiden nimmt sich der deutsche Export aus; ganze 36 Megawatt Windkraftleistung konnten 1995 hochsubventioniert - ins Ausland verkauft werden. Nach sechs Jahren staatlicher Förderung: 235 Arbeitsplätze für den Export von (zu Dreiviertel verschenkten) Windturbinen! Bislang bestand bei uns ein gesellschaftlicher Konsens, unsere von Natur und Landwirtschaft geprägten »Außenbereiche« zu schützen, um sie in ihrer Schönheit und
Eigenart für die Allgemeinheit und künftige Generationen zu bewahren. Es geht hierbei um viel mehr als bloß um Fragen der Landschaftsästhetik - auch das Design einer Bürolampe oder eines PC-Gehäuses kann als ästhetisch empfunden werden -, es geht um den Erhalt von lebender Natur, auf die der Mensch mit seiner genetischen Prägung nicht verzichten kann, ohne auf Dauer Schaden zu nehmen. Mit der großflächigen Etablierung der Windindustrie auch in unseren wertvollsten Landschaftsräumen, in Naturparks und Landschaftsschutzgebieten, verlieren wir die kostbarste Ressource, die wir als dichtbesiedeltes Industrieland überhaupt besitzen. Einer Koalition aus verantwortungsloser, populistischer Politik und den materiellen Interessen von Windindustrie und Betreibern ist es gelungen, unsere Gesellschaft so zu desorientieren, daß sie sich nun, im guten Glauben, richtig zu handeln, gegen ihre eigenen fundamentalen Belange wendet. Über alten Wipfeln WKAs
»Dabei geht es keineswegs nur um den Schutz besonders ausgezeichneter Naturschutzgebiete, Naturschönheiten und historischer Ortsbilder, die ja ausgespart werden könnten, sondern um die grundsätzliche Erhaltung der durch die Landwirtschaft und insbesondere die Weidelandwirtschaft geprägten Kulturlandschaft. Da alle Städte der Welt sich in ihrem Charakter zunehmend einander angleichen, werden Kulturlandschaften immer wichtiger als Orientierungshilfen für den Menschen, der sich i rgendwo zu Hause fühlen muß. Das kann er nur in einer unverwechselbaren Umgebung. Diesem Bedürfnis ist die Raumplanung nach dem Zweiten Weltkrieg dadurch entgegengekommen, daß sie Siedlungsgebiete und Außenberei-
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che in den Gemeinden getrennt hat und so trotz ständiger Ausweitung der Baugebiete die Kulturlandschaft im wesentlichen in ihrer Eigenheit bewahren konnte. Dieser Landschaftsschutz fällt dahin, wenn Außenbereiche den >Monokulturen< der WKA geöffnet und so die Kulturlandschaften großflächig in Technoparks verwandelt werden. Man muß sich vor Augen halten, daß die modernen WKA nichts mehr mit den romantischen Windmühlen früherer Zeiten zu tun haben. Sie haben inklusive Rotoren eine Höhe von 1 00 bis 120 Metern; die Rotoren umkreisen eine fußballfeldgroße Fläche. Die wertvollsten Kulturlandschaften befinden sich in den Küstengebieten und in den Alpen, also gerade dort, wo am meisten Windenergie zu holen ist. Diese Landschaften, die wegen i hrer Schönheit vor allem auch von Touristen aufgesucht werden, sind daher besonders attraktiv für den Bau von WKA. Förderung der Windenergie heißt in Zukunft, daß auf der Mehrzahl aller Hügel- und Bergketten WKA-Türme erstellt werden.« Auszug aus: Süddeutsche Zeitung, 8.8.1995, von Hans Christoph Binswanger
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1. Was kann die Windenergie zur Energieversorgung der Bundesrepublik beitragen?
Eine Antwort auf diese Frage muß differenzierter ausfallen, als sie gestellt ist, denn der Stromertrag von Windturbinen hängt von vielen Faktoren ab, die zum Teil schwer abzuschätzen sind. Da ist zunächst die Größe einer Anlage, die - abhängig von ihren geometrischen Abmessungen und der elektrischen Auslegung - mit der Nennleistung beschrieben wird. Als Nennleistung bezeichnet man die maximal mögliche Leistung im Dauerbetrieb. Im Gegensatz zu konventionellen Kraftwerken schwankt die Leistungsabgabe ständig mit dem wechselnden Windangebot zwischen 100 Prozent der Nennleistung und negativen Werten (Hilfsaggregate). Als direkte Kenngröße für die Effektivität einer Windkraftanlage (WKA) ist die Nennleistung daher nicht geeignet. Es ist sinnvoll, statt dessen den durchschnittlichen Energieertrag pro Jahr als Bemessungsgrundlage zu verwenden. Damit sind neben den elektrischen Eigenschaften des Anlagentyps auch die Windverhältnisse des Standorts wie auch die Ausfallzeiten wegen Reparatur und Wartung (technische Verfügbarkeit) erfaßt. Dividiert man den jährlichen Energieertrag durch die 8760 Stunden des Normaljahres (8760 = 365 x 24), ergibt sich die mittlere Leistung: 31
mittlere Leistung =
Jahresenergieertrag 8760 Stunden
Setzt man diese Größe noch ins Verhältnis zur Nennleistung, erhält man schließlich den Ausnutzungsgrad: Ausnutzungsgrad[%] =
mittlere Leistung x 100 Nennleistung
Je nach Anlagentyp, Standort und technischer Verfügbarkeit differieren mittlere Leistungen bzw. Ausnutzungsgrade ganz erheblich. Bei günstigen Bedingungen kann die mittlere Leistung über 30 Prozent, bei ungünstigen Bedingungen unter 10 Prozent der Nennleistung liegen. Für die Ermittlung der Jahreserträge gibt es in den Monatsinfo umfangreiche Tabellen mit den Betriebsergebnissen von Windkraftanlagen in Deutschland.` , ` Die Auswertung für die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen ergaben in den Anlagenklassen 200 bis 400 Kilowatt und 400 bis 600 Kilowatt Nennleistung folgende durchschnittliche Ausnutzungsgrade: Anlageklasse
200-400 kW
400-600 kW
M' el
Schleswig-Holstein
27,2%
24,5%
25 8%
Niedersachsen
26,8%
24,6%
257%
Der Ausnutzungsgrad an Windkraftanlagen hat sich in den letzten Jahren nicht weiter verbessert. Im Gegenteil: Die Anlagen in der 400- bis 600-Kilowatt-Klasse, die die jüngere Turbinengeneration repräsentieren, zeigen einen geringeren Ausnutzungsgrad als die älteren Windkraftanlagen. Für die deutschen Küstenländer kann folglich das heißt auch für die kommende Megawatt-Klasse und damit langfristig - ein realistischer Durchschnittswert von 25 Prozent Ausnutzungsgrad angesetzt werden. Bei den Binnenländern ist die Bestimmung des durchschnittlichen Ausnutzungsgrades schwieriger, weil die Windverhältnisse infolge der stark gegliederten Topogra67 phie und Bodenbedeckung auch lokal stark variieren ' und überhaupt noch relativ wenig Datenmaterial vorliegt. Jedenfalls ergibt die Auswertung mehrerer Monatstabellen der Monatsinfo, daß ein Ausnutzungsgrad von 20 Prozent eine nicht zu niedrige Schätzung sein dürfte. Für die in größeren Stückzahlen serienmäßig gefertigten Turbinen der 600-Kilowatt-Klasse erhält man somit folgende Durchschnittswerte:
Küstenländer Binnenländer
Ausnutzungsgrad
mittlere Leistung
Energieertrag
25%
150 kW
1,3 Mio. kWh/a
20%
120 kW
1,0 Mio. kWh/a
Tabelle 1: Ausnutzungsgrad verschiedener WKA-Klassen
Tabelle 2: Mittlere Leistungen und Energieerträge der 600-kWAnlagen nach Regionen
Diese Werte, die jeweils auf langjährige Jahresmittel reduziert sind, müssen als optimistische Werte angesehen werden, da die in den Tabellen zugrunde gelegten Jahresproduktionsindizes sehr günstig eingeschätzt wurden."
Wenn es um die Leistungsfähigkeit von Windkraftanlagen geht, sprechen Vertreter der Windenergieindustrie in der Regel von Generatorleistung, installierter Leistung
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oder einfach nur von Leistung. Dabei bezeichnen die angegebenen Zahlen in Wirklichkeit die Nennleistung. Die breite Öffentlichkeit versteht die Zahlen natürlich in dem Sinne, als handele es sich um die tatsächlich erbringbaren Leistungen. Viele wissen nicht, daß die erbringbare mittlere Leistung in Wirklichkeit nur 1/10 bis 1/3 des von den Betreibern angegebenen Nennwerts erreicht. Noch beeindruckender erscheinen dem Laien Stromerträge in Höhe von über einer Million Kilowattstunden (Tabelle 2), die eine einzige Anlage pro Jahr, angeblich »ohne schädliche Emissionen und ohne Verbrauch knapper Energieressourcen«, produzieren kann. Diese Ertragszahlen ergeben jedoch für sich allein als Absolutgrößen wenig Sinn, denn für durchschnittlich vorgebildete Leserinnen ist nicht erkennbar, welcher ökologische Wert oder welcher Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung hinter diesen Zahlen steht. Eine richtige Interpretation kann nur im Vergleich geschehen: Die Windenergiegewinnung muß ins Verhältnis gesetzt werden zu anderen Energieproduktionen und den Schadstoffemissionen unserer Industriegesellschaft.
Wieviel Strom könnte die Windenergie in Deutschland maximal liefern? Dies ist eine der Kernfragen in der Diskussion darüber, welchen Anteil die Windenergie in der künftigen Energieversorgung für den Fall übernehmen kann, wenn sich einmal die fossilen Brennstoffe dramatisch verknappen. Es geht hierbei zunächst um das sogenannte technische Erzeugungspotential, eine Größe, die das maximale 34
»technisch Machbare« angibt. Es geht keineswegs um tatsächlich realisierbare Stromerzeugung. Dieser Unterschied wird in der öffentlichen Diskussion häufig absichtlich verwischt. Zur Ermittlung des technischen Erzeugungspotentials muß zuerst das meteorologische Flächenpotential bestimmt werden. Es wird allgemein akzeptiert (auch von Vertretern der Windenergienutzung), daß zum Betrieb einer WKA als untere Grenze eine mittlere Windgeschwindigkeit von 4 Metern pro Sekunde bei 10 Metern über Grund (v,o = 4,0 m/s) gegeben sein muß. Diese untere Begrenzung wird auch langfristig gelten, das heißt auch bei stärkerer Erhöhung der Subventionen und Einspeisungsvergütungen, denn die Windenergiegewinnung ist dem physikalischen Gesetz der Energieflußdichte unterworfen, wonach diese mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit abnimmt. Beispiel: Bei halber Windgeschwindigkeit beträgt die Energieflußdichte nur noch ein Achtel. Aus den Isotachenkarten des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach' - sie geben die Linien gleicher mittlerer Windgeschwindigkeit v, o an - können die zur Windenergienutzung meteorologisch geeigneten Flächen ausgemessen werden. Hiernach kämen - unter der genannten Voraussetzung 56 Prozent der Landfläche von Schleswig-Holstein, 54 Prozent von Mecklenburg-Vorpommern und 35 Prozent von Niedersachsen meteorologisch für die Windenergienutzung in Frage. In den Binnenländern sind nur 6 Prozent der Landfläche meteorologisch geeignet.' Als nächstes müssen die technischen Flächenpotentiale bestimmt werden. Dies geschieht, indem von den me35
Was ist ein Windkonverter?
»Die im Wind enthaltene kinetische Energie entsteht aus der bewegten Luftmasse. Ihre Leistung wird durch die Dichte der Luft, die Winddurchtrittsfläche (durchströmter Querschnitt) und von der Geschwindigkeit in der dritten Potenz determiniert. Eine Windkraftanlage entzieht dem Wind einen Teil dieser Strömungsleistung. Somit stellt eine WKA einen Konverter dar, der die kinetische Energie des Winds in mechanische Energie wandelt. Da die Masse der Luft, die die Rotorebene durchströmt, wieder abgeführt werden muß, kann ihre Geschwindigkeit nicht vollständig abgebremst werden. Albert Betz hat als erster nachgewiesen, daß dem Wind theoretisch höchstens 60 Prozent seiner Leistung entzogen werden kann. (...) Das Verhältnis der real entziehbaren mechanischen Leistung zur Windleistung wird als Leistungsbeiwert (cp) bezeichnet. (...) Die Leistung aus dem Wind läßt sich mit zwei unterschiedlichen physikalischen Prinzipien umwandeln. Das weniger effektive Widerstandsprinzip wurde historisch zuerst realisiert. Die damit gewonnene mechanische Leistung entsteht aus der Bewegungsgeschwindigkeit eines angeströmten Körpers und der sich aus dem Formwiderstand einstellenden Kraft. Mit den sogenannten Widerstandsläufern werden Leistungsbeiwerte unter 0,2 erzielt. Das aerodynamische Prinzip i st die vorherrschende mechanische Methode der Windkonvertierung. Der Vorteil dieses Prinzips ist auch aus der Segelschiffahrt bekannt. Im Gegensatz zum vordem Wind bewegten Objekt, das seine Vortriebskraft nach dem Widerstandsprinzip erhält, besitzt das nach dem aerodynamischen Prinzip, quer zum Wind bewegte Boot (halber Wind, am Wind) eine deutlich höhere Fahrleistung. Das in der Praxis seit vielen Jahrhunderten benutzte aerodynamische Prinzip wurde erst im vergangenen Jahrhundert analytisch untersucht.« Auszug aus: Wechselwirkung, April-Mai 1997, von Klaus Kehl
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teorologisch geeigneten Flächen Ausschlußflächen, auf denen windtechnische Nutzung nicht möglich ist, abgezogen werden. Die wichtigsten Restriktionsflächen - mit entsprechenden Mindest- und Sicherheitsabständen sind: - Städte, Dörfer, Einzelhäuser - Verkehrsflächen, Flugplätze - militärische Anlagen - Wald (wegen zu hoher Bodenrauhigkeit) - Naturschutzgebiete, Nationalparks, Gewässer Über die Größe dieser Flächen gibt es bisher nur eine einzige umfassende und hinreichend verläßliche Untersuchung in Deutschland, denn die exakte Bestimmung der Ausschlußflächen ist eine sehr aufwendige und damit teure Angelegenheit. Es müssen dabei explizit im gesamten Bereich der meteorologisch geeigneten Flächen alle Restriktionsgebiete und Sicherheitsgrenzen erfaßt, in großmaßstäbige Karten eingetragen und die verbleibenden, nunmehr windtechnisch geeigneten Flächen, kartometrisch ausgemessen werden. Im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) wurde diese Arbeit von Lahmeyer International3 für die alten Bundesländer und von Fichtner Development Engineering 4 für die neuen Bundesländer ausgeführt. Die so ermittelten technischen Flächenpotentiale sind in Spalte 2 der Tabelle 4 aufgeführt. Die Bin4 nenländer müssen gesondert behandelt werden , für diese wird in Tabelle 4 keine Flächenangabe gemacht. Neben den BMFT-Studien gibt es für Schleswig-Holstein 15 und Mecklenburg-Vorpommern 2b sowie Niedersachsen weitere Potentialuntersuchungen, die jedoch nur für spe37
zielle Teilgebiete von den Landesregierungen in Auftrag gegeben wurden und deshalb hier nicht berücksichtigt werden. Flächenpotentiale in Hektar
Zahl der Nenn jährl. Stromertrag in Standorte leas uns in MW Mrd. kWh
Schleswig-Holstein
206 000
20000
12000
23,4
Niedersachsen
132 000
12 900
7 700
15,1
MecklenburgVorpommern
110 000
10 700
6 400
12,5
7 700
4 600
7,7
51 300
30 700
58,7
Binnenländer Bundesrepublik
Tabelle 4: Technische Potentiale Im nächsten Schritt werden die technischen Standortpotentiale ermittelt. Gemeint ist hiermit jeweils die Zahl der Windkraftanlagen, die auf den zuvor ermittelten technisch nutzbaren Flächen maximal errichtet werden können. Für diese Berechnung muß man einen Mindestabstand zwischen den einzelnen Windkraftanlagen festlegen; der Flächenbedarf der einzelnen Installationen darf nicht zu eng bemessen sein, damit die Anlagen sich nicht gegenseitig den Wind übermäßig »wegnehmen«. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Windabschattungsfaktor oder Parkwirkungsgrad. Er ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen dem Energieertrag eines Windparks und dem Ertrag der gleichen Zahl von ungestörten Einzelanlagen und hängt von verschiedenen Faktoren wie Größe des Windparks, Anlagentyp, Bodenrauhigkeit (Bewuchs), örtliche Windverhältnisse usw. ab. 38
Es ist derzeit noch sehr unsicher, wie weit die verschiedenen theoretischen Ansätze zur Berechnung der Parkwirkungsgrade die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln', denn es gibt noch zu wenige empirische Untersuchungen, insbesondere für große Windparks bei geringeren mittleren Windgeschwindigkeiten, was für die Bestimmung der Standortpotentiale in Deutschland besonders wichtig wäre. Die Festlegungen gehen deshalb auch stark auseinander. Während in den BMFT-Studien ein Mindestabstand von 10 Rotordurchmessern (10 D) gefordert wird, um den Parkwirkungsgrad auf 90 Prozent nach unten zu begrenzen, glaubt man in der Niedersachsen-Studie, den gleichen Wirkungsgrad für Windparks an der Nordseeküste auch bei Abständen von 6 D einhalten zu können. 14 Im Durchschnitt müßten jedoch eher 10-D-Abstände eingehalten werden; darauf weist das theoretische Modell von Best hin.' 6-D-Abstände können danach in großen Parks einen Parkwirkungsgrad von nur 65 Prozent ergeben.' Ähnliches zeigten Messungen von Lynette (zitiert bei Molly8), wonach in einem Windpark mit 8-D-Reihenabständen ein Wirkungsgrad von 80 Prozent in der siebten Reihe festgestellt wurde. Es erscheint daher als eine durchaus optimistische Annahme, unter den meteorologischen Bedingungen in Deutschland den 8fachen Rotordurchmesser als Mindestabstand anzusetzen, um mittlere Parkwirkungsgrade von mindestens 90 Prozent zu gewährleisten. Unter dieser Annahme hat eine 600-Kilowatt-Referenzanlage (Rotordurchmesser: D = 43 m) bei rasterförmiger 8D x 8DParkgeometrie einen Flächenbedarf von 10,2 Hektar (F = 10,2 ha). Die gesuchten technischen Standortpotentiale (Zahl der 39
installierbaren Turbinen) erhält man also, indem die Flächenpotentiale in Spalte 2 der Tabelle 4 durch den Flächenbedarf (F = 10,2 ha) geteilt werden. Diese sind in Spalte 3 aufgeführt. Aus der so ermittelten Zahl der Standorte ergeben sich schließlich durch Multiplikation mit 600 kW die technisch installierbaren Nennleistungen, die in Spalte 4 angegeben sind, und durch Multiplikation mit den Jahreserträgen pro Anlage aus Tabelle 2 - abzüglich 10 Prozent für Windabschattung - die technischen Ertragspotentiale (pro Jahr) in Spalte 5. Für die Binnenländer Deutschlands sind Potentialschätzungen auf diese Weise nicht möglich, da kaum verläßliche Flächenerhebungen vorliegen. Generell werden wohl nur kleinere Gruppen von Windkraftanlagen in den Höhenlagen der Mittelgebirge errichtet werden können, wobei es gerade dort wegen der starken Bewaldung häufig schwierig ist, überhaupt Standorte zu finden. Dies gilt insbesondere für die südlichen Mittelgebirge Odenwald, Spessart, Taunus, Bayerischer Wald und Schwarzwald. Insgesamt muß der Anteil der Binnenländer zur Windkraftnutzung als gering eingeschätzt werden.' Als optimistische Schätzung kann ein Anteil von 15 Prozent der Standorte der Bundesrepublik gelten'. Bei diesem Anteil erhält man ein Potential von 7700 Standorten, bzw. 4600 Megawatt installierbarer Nennleistung. Daraus folgt ein Ertragspotential der Binnenländer von 7,7 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr (vgl. Tabelle 4). Insgesamt verfügt Deutschland damit für die 600-Kilowatt-Klasse über ein technisches Ertragspotential der Windenergie von maximal 59 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. 40
Zu einem etwa gleichen Ergebnis mit 69 Milliarden Kilowattstunden jährlich kommt eine Studie im Rahmen 29 des IKARUS-Projekts des Forschungszentrums Jülich. Diese vielleicht eindrucksvoll erscheinende Zahl beruht auf mehrfachen optimistischen Annahmen und stellt somit die absolute obere Grenze für das technische Ertragspotential dar, andererseits bedeutet diese Zahl nur eine hypothetische Zwischengröße. Von den Vertretern der Windenergie wird jedoch immer wieder dieses technische Potential als Größe benutzt, um vorzugeben, welche gewaltigen Potentiale an »sauberer, umweltschonender Energie« brachliegen. Den meisten Leserinnen besagt die Zahl von 59 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr nicht viel - eben bloß, daß es eine beeindruckende Größe ist. Es sei daher daran erinnert, daß der Gesamtendenergieverbrauch der Bundesrepublik 2550 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr beträgt27 , so daß das windtechnische Energiepotential nur maximal 2,3 Prozent des Energiebedarfs decken könnte.
Wieviel Strom könnte in Deutschland aus der Windenergie wirklich gewonnen werden? Oder wieviele Windturbinen kann der Mensch ertragen? Die erste Frage bezieht sich auf die realisierbaren Potentiale. Eine Antwort wäre wichtig, da sie über Sinn und Unsinn, über Zustimmung oder Ablehnung des Ausbaus der Windenergienutzung maßgeblich entscheiden würde. Während bei der Abschätzung der hier schon behandelten 41
technischen Potentiale noch hinreichend verläßliche Werte bestimmt werden konnten, ist dies bei den realisierbaren Potentialen nicht möglich. Denn nun geht es nicht mehr um physikalische, technische oder konkret vorliegende wirtschaftliche Rahmenbedingungen, sondern um schwierige und strittige Prognosen, besonders wenn diese langfristig sind. Kein Mensch weiß zum Beispiel, wie hoch in fünfzig Jahren die Energiepreise sein werden oder wann neue Energiequellen erschlossen werden können. Die entscheidende Größe wird das soziale Potential sein, worauf die zweite Frage hinweist: In welchem Maße ist die Bevölkerung bereit, den weiteren Ausbau der Windenergie zu akzeptieren? In welchem Umfang werden die Gemeinden, als Träger der Planungshoheit, ihre Außenbereichsflächen für die Windenergienutzung bereitstellen? Es liegt auf der Hand, daß hier die Einstellung der Bevölkerung und damit auch der gemeindlichen Gremien, die sich von heute auf morgen ändern kann, wenn ein erträgliches Maß überschritten ist (vgl. Holland), nicht langfristig prognostiziert werden kann. Die Frage nach dem realisierbaren Potential muß unbeantwortet bleiben, einfach weil sie nicht beantwortbar ist. Es soll daher ein anderer Weg beschritten werden. Zunächst wird die gegenwärtige Situation beschrieben, das heißt der bereits realisierte Ausbau der Windenergienutzung. Diesem Ist-Stand des Ausbaus Mitte 1996 wird ein Vergleichsmodell gegenübergestellt, bei dem das Fünffache dieses Ist-Standes als Bezugsgröße exemplarisch gewählt wird. Der Vergleich zwischen dem Ist-Stand und dem Modellbeispiel erlaubt dann einerseits eine Vorstellung von dem, was auf die Menschen in den betroffenen 42
Regionen möglicherweise zukommt, andererseits zeigt er den entsprechenden potentiellen Betrag an »emissionsarmer und ressourcenschonender« Energieerzeugung. Zunächst zum Ist-Stand: Auch 1996 war ein Boomjahr für die deutsche Windindustrie. Mit einer Neuinstallation von 840 Anlagen mit insgesamt 441 Megawatt Nennleistung hat sich die gesamte installierte Leistung zum Jahresende 12 in Deutschland auf 1550 Megawatt erhöht. Der Jahresertrag an Windstrom belief sich 1996 auf insgesamt 2,1 Milliarden Kilowattstunden. Hiervon wurden in Schleswig-Holstein 0,96 Milliarden Kilowattstunden erzeugt, gefolgt von Niedersachsen mit 0,60 Milliarden Kilowattstunden. Die Binnenländer erreichten zusammen 0,43 Milliarden Kilowattstunden (vgl. Spalte 3 von Tabelle 5). Bezogen auf den Gesamtendenergieverbrauch der Bundesrepublik von 2550 Milliarden Kilowattstunden für 1995, bedeutet dies jedoch, daß der Anteil des Windenergieaufkommens immer noch weniger als ein Promille, nämlich 0,08 Prozent ausmacht! Stand 1996
Modell 5: in 10 Jahren Jahresertrag install. Leistung in MW in Mrd. kWh
install. Leistung 30.6.96 in MW
Jahresertrag in ' Mrd. kWh
SchleswigHolstein
453
0,96
1920
4,2
Niedersachsen
383
0,60
1230
2,7
MecklenburgVorpommern
75
0,11
1000
2,2
373
0,43
800
1,4
1284
2,10
4750
10,5
Binnenländer Bundesrepublik
Tabelle 5: Tatsächliche Erträge für 1996, und hochgerechnete Erträge für 2006 43
Nun zur Modellrechnung: Im Modell 5 wird also angenommen, daß insgesamt ein Ertragspotential von 10,5 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr realisiert werden könnte. Verteilt man diese Summe proportional auf die Flächenpotentiale der Tabelle 4, so ergeben sich die Ertragspotentiale der Länder (Spalte 5 der Tabelle 5). Daraus lassen sich die jeweils zu installierenden Leistungen zurückrechnen (Spalte 4). Für die Bundesrepublik ergibt sich nach diesem Modell eine zu installierende Gesamtleistung von 4750 Megawatt. Für die nahe Zukunft heißt das: Zehn Jahre lang müßten Jahr für Jahr Neuinstallierungen von mindestens 350 Megawatt - das ist mehr als der Zubau des Boomjahres 1994 - erfolgen, um das Ziel entsprechend der Modellvorgabe von 4750 Megawatt zu erreichen. In zehn Jahren würden sich damit die schon heute erreichten Belastungen der Landschaften verfünffachen. Sicherlich würde die Zahl der Turbinen nicht das Fünffache betragen, aber dafür wären ihre Abmessungen (Scheitelhöhe, Rotorfläche) entsprechend größer, was auf dasselbe herauskommt. Wo heute noch eine Einzelanlage steht, würde sich in zehn Jahren ein Windpark gebildet haben; wo heute ein Windpark steht, lägen dann drei oder vier Windparks nebeneinander mit doppelt so großen Rotorflächen und Scheitelhöhen bis über 100 Meter. Das Modell 5 kann also als die maximal realisierbare Endausbaustufe betrachtet werden. Und ihre Realisierung muß jedoch mit allen legalen Mitteln verhindert werden, zumal ohnehin nur 2 Prozent des Strombedarfs und 0,4 Prozent des Energiebedarfs bei diesem Modell gedeckt würden, die - als Substitutionsgröße zur konventionellen Energie-
gewinnung - in keinem Verhältnis zu den neuerlichen Belastungen stehen (wie noch zu zeigen sein wird). Jede über das Modell 5 hinausgehende Leistungsangabe entbehrt jeglicher realistischen Grundlage. Es ist daher unverantwortlich, der Öffentlichkeit zu suggerieren, man könne - wenn man nur wolle - 20 Prozent (oder mehr) des benötigten Stroms oder gar der benötigten Gesamtendenergie aus der Windkraft gewinnen. Selbst wenn jede Kommune in den windtechnisch geeigneten Gebieten ihren gesamten beplanbaren Außenbereich (technisches Flächenpotential) der Windindustrie überlassen würde, könnten in Deutschland maximal 12 Prozent des Stroms oder 2 Prozent der gesamten benötigten Energie durch Windstrom abgedeckt werden. Aber dann wäre jede weitere Ausweisung neuer Siedlungsflächen (oder Aufforstungen) den Gemeinden unmöglich. Hierauf wird sich wohl keine Kommune einlassen.
Wieviele Haushalte kann eine Windkraftanlage mit Strom versorgen? - Oder was leistet eine Windkraftanlage im Vergleich? Wenn Antragsteller ihr Windkraftprojekt gegen die berechtigten Bedenken des Naturschutzes und der unmittelbar Betroffenen durchsetzen wollen, fehlt nie das Argument, wieviele Haushalte sie mit Strom versorgen könnten. Die genannten Zahlen sind meistens beeindruckend - und meistens falsch. Abgesehen davon ist der Vergleich mit dem Haushaltsstrom ungeeignet, denn es provoziert Mißverständnisse und desinformiert. 45
44
Beim gesamten Energieverbrauch stellt der Haushaltsstrom nämlich einen der kleinsten Posten dar, der gegenüber den großen Verbrauchssektoren - Industrie, Verkehr, Handel und Gewerbe, Heizung, Warmwasser u. a. m. - nur mit 4,9 Prozent zu Buche schlägt. Der Vergleich mit einem sehr kleinen Verbrauchssektor gibt natürlich ein schiefes Bild, das im Folgenden gradegerückt werden soll. Im Jahr 1992 haben 80,4 Millionen BundesbürgerInnen in 35,7 Millionen Haushalten 123 Milliarden Kilowattstunden Strom verbraucht. Pro Durchschnittshaushalt (2,25 Personen) ergibt sich ein Stromverbrauch von 3160 Kilowattstunden. Ein 4-Personen-Haushalt verbrauchte 4470 Kilowattstunden; die Betreiber rechnen gerne mit 2300 Kilowattstunden oder gar nur mit 2000 Kilowattstunden. 17,18 Anteil am GesamtBundesrepublik" pro Durchschnittshaushalt verbrauch in % Haushaltsstrom
123 Mrd. kWh
3 160 kWh
4,9
Energieverbr. i m Haushalt
664 Mrd. kWh
18 600 kWh
26,3
2550 Mrd. kWh
70 700 kWh
100,0
Gesamtend27 energieverbr.
Tabelle 6: Strom- und Energieverbrauch der Haushalte j Wenn es bei den angeblichen Vorzügen der Windenergiegewinnung auch um die Vermeidung von Emissionen und die Schonung fossiler Ressourcen gehen soll, kann bei den Vergleichsrechnungen nicht nur auf die elektrische Energie abgestellt werden; es müssen natürlich auch alle anderen Energiesektoren eines Haushalts in die Rechnung einbezogen werden. Heizung und Warmwasser haben dabei 46
den überwiegenden Anteil von 88 Prozent der verbrauch17 ten Haushaltsenergie. - Insgesamt betrug 1992 der Energieverbrauch eines Durchschnittshaushalts (ohne PKW) 18600 Kilowattstunden, der Stromverbrauch hatte lediglich einen Anteil von 3160 Kilowattstunden (Tabelle 6). Natürlich verbrauchen die Menschen nicht nur zu Hause Energie, sondern etwa das Vierfache an Energie verbraucht die Gesellschaft im öffentlichen und privaten Verkehr, bei den Industriegütern, Dienstleistungen usw. Der gesamte Endenergieverbrauch in Deutschland beträgt 2550 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr (Stand 1995). Auf einen Durchschnittshaushalt (2,25 Personen) umgerechnet, sind dies 70700 Kilowattstunden pro Jahr. Dies ist die »wirkliche« Bezugsgröße, wenn man berechnen will, wieviele Menschen bzw. Haushalte mit der tatsächlich benötigten Energie durch WKAs versorgt werden können. Ein Beispiel: Eine Betreibergruppe hat im Kreis Darmstadt (im Landschaftsschutzgebiet Odenwald) einen Windpark errichtet. Man rechnet mit einem Jahresertrag von 2,5 Millionen Kilowattstunden. Die Betreiber behaupten, damit den Strombedarf von 1100 Haushalten vollständig decken zu können (FAZ vom 17.10.1994). Wir behaupten dagegen: Das deckt nur den Strombedarf von knapp 800 Haushalten (mit tatsächlich benötigten 3100 Kilowattstunden pro Jahr). Und wenn man sich auf den gesamten Energiebedarf bezieht, dann gibt es nur die eine realistische Aussage: Der Windpark deckt den Energiebedarf von 80 Menschen oder 35 Haushalten. (Diese Zahl ergibt sich, indem 2,5 Millionen Kilowattstunden durch 70700 Kilowattstunden geteilt werden, vergleiche Tabelle 6.) 47
Der Energiebedarf von Stadt und Kreis Darmstadt wird damit zu 0,02 Prozent gedeckt. Weitere 1000 Windparks (besser: Turbinenfelder) gleicher Größe müßten im Kreis Darmstadt errichtet werden, um 20 Prozent der hier benötigten Energie regenerativ bereitzustellen. Nun zur zweiten Frage: Was leistet eine Windkraftanlage im Vergleich?
Nennleistung in MW
Wind
0,6
Ausnutzungsgrad/ 20 Verfügbarkeit in %
möglicher Jahresertrag absolut in Mrd. kWh
im Verhältnis
25
0,0013
Steinkohle
600
84
4,4
3300
1
Kernkraft
1300
81
9,2
7000
Braunkohle
1400
87
10,7
8100
Tabelle 7: Windenergie im Vergleich zu konventionellen Energieträgern Der Vergleich soll zunächst am Beispiel konventioneller Kraftwerke vorgenommen werden. Die Nennleistungen (Spalte 2 in Tabelle 7) sind Durchschnittswerte der Kraftwerke mit einer Leistung von über 200 Megawatt und gelten für moderne, mittelgroße Anlagen 21, 2t Konventionelle Kraftwerke kann man - im Gegensatz zu WKAs - im Bedarfsfalle mit Nennleistung fahren, es braucht also nur die Arbeitsverfügbarkeit berücksichtigt werden. Diese beträgt bei konventionellen Kraftwerken im langjährigen Mittel je nach Befeuerungsart zwischen 81 Prozent und 87 Prozent. 20 Für den Vergleich werden wie48
der die 600-Kilowatt-Referenzanlagen mit dem mittleren Ausnutzungsgrad in Küstenländern von 25 Prozent zugrunde gelegt. Mit 8760 Jahresstunden erhält man aus den Spalten 2 und 3 die möglichen Jahreserträge in Spalte 4 (Tabelle 7). In Spalte 5 sind diese ins Verhältnis gesetzt zum Ertrag einer Referenzanlage. Als Ergebnis läßt sich daraus folgendes ablesen: 8100 WKAs mit 600 Kilowatt Nennleistung sind erforderlich, um ein mittelgroßes Braunkohlekraftwerk zu ersetzen, 3300 bzw. 7000 WKAs bräuchte man für ein mittelgroßes Steinkohle- bzw. Kernkraftwerk. Mitte 1996 betrug das gesamte jährliche Ertragspotential der Windenergiegewinnung in Deutschland 2,1 Milliarden Kilowattstunden (Tabelle 5). Dies ist weniger als die Hälfte des möglichen Jahresertrags eines mittleren Steinkohlekraftwerks (4,4 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr) oder als ein Fünftel eines mittleren Braunkohlekraftwerkes (10,7 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr). Dabei bedeutet Windenergiegewinnung nicht etwa, daß konventionelle Kraftwerkskapazitäten abgebaut werden könnten, denn Strom muß stets verfügbar sein, auch bei Schwachwindwetterlagen. Außerdem verteuert sich der konventionell erzeugte Strom, da die Kapazitäten konventioneller Stromerzeugung je nach Windstromangebot weniger stark ausgelastet sind. Diese Mehrkosten stehen der Modernisierung älterer Kraftwerke nicht zur Verfügung und verhindern dadurch eine wirklich effektive Entlastung der Umwelt. Auf diese ökologische Negativbilanz der Windenergienutzung hat Meier-Ewert in seiner wichtigen Studie 19 eindringlich hingewiesen. 49
Die gigantischen Abmessungen moderner Windkraftanlagen stehen in keinem Verhältnis zu ihrer vergleichsweise mageren Energieausbeute. Zur Illustration noch ein abschließendes Beispiel zum Strombedarf einer Lokomotive. Die Bundesbahn setzt im Intercity-Verkehr E-Loks mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 23 Kilowattstunden pro Kilometer ein.25 Für die Strecke Hamburg-Frankfurt (519 km, 3 Std. 30 Min) bedeutet dies eine mittlere Leistungsaufnahme von 3410 Kilowatt. Man würde also 24 Windkraftanlagen (600 Kilowatt, 25 Prozent Ausnutzungsgrad, 5 Prozent Leitungsverluste) benötigen, um eine einzige ICE-Lok mit elektrischer Energie zu versorgen. 1996 wurden in Niedersachsen 602 Millionen Kilowattstunden Windstrom erzeugt.` Dies entspricht einer mittleren Leistung von 68,7 Megawatt. Das heißt, im sechsten Jahr einer boomenden Windindustrie produzierte das Land Niedersachsen Windstrom, der nicht einmal zum Betrieb von zwanzig Bundesbahnlokomotiven langt.
Was kann die Windenergienutzung zur Energieversorgung der Bundesrepublik beitragen? Für die Vertreter der Windenergie ist die Frage nach dem derzeitigen Anteil der erzeugten Windenergie am Energieverbrauch der Bundesrepublik eine sehr kritische Frage, eine Antwort wird daher weitgehend vermieden. Die mehr oder weniger einzige Bilanzgröße, die immer wieder angeführt wird, ist der erreichte Anteil des Wind50
stroms am Stromverbrauch in Schleswig-Holstein, der 1996 etwa 7,6 Prozent betrug (0,96 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr, vgl. Tabelle 5, von 12,7 Milliarden Kilo23 wattstunden pro Jahr ). Wie im Fall des Haushaltsstroms hängt natürlich auch hier das Bild schief. Unter den alten Bundesländern hat Schleswig-Holstein - als industriearme Region - den 23 kleinsten Pro-Kopf-Verbrauch an elektrischer Energie und hat außerdem noch (nach dem Saarland) die geringste Einwohnerzahl. 18 Andererseits ist es das Bundesland, das wegen der vergleichsweise günstigen Windverhältnisse mit Abstand die meiste Windenergie erzeugt. Das geschönte Bild relativiert sich schon im Fall Niedersachsen, dem Land mit der zweithöchsten Windstromerzeugung. Dort aber beträgt der Windstromanteil nur noch 1,2 Prozent. Für die gesamte Bundesrepublik betrug der Anteil der Windstromerzeugung im Jahre 1996 rund vier Promille (0,42 %) des Gesamtstromverbrauchs (vergleiche Tabelle 8). Der Stromverbrauch macht jedoch nur einen kleinen Teil, nämlich 19,7 Prozent (vgl. Tabelle 8) des gesamten Endenergieverbrauchs aus: Dreiviertel der in Deutschland verbrauchten Endenergie entfallen auf Öl und Gas. Es ist daher in hohem Maße unseriös, nur gegen die Endenergie Strom aufzurechnen. Die »tatsächliche« Bezugsgröße muß hier der Gesamtendenergieverbrauch sein. Und hier sieht es nicht gut aus für die Windindustrie. Nach sechs Jahren eines forcierten Ausbaus vermag die Windenergienutzung in der Bundesrepublik lediglich einen Anteil von weniger als einem Promille (0,082%) zu der Energieversorgung beizusteuern.
51
in Mrd. kWh
Gesamtendenergie27 verbrauch 1995 Gesamtstromver9.28 brauch 1996
Anteil am Anteil am GesamtGesamtstrom- endenergieverbrauch in % verbrauch in %
2550 502
19,7
Windstromerzeugung Modell 5 (Tabelle 5)
10,5
2,1
0,41
Windstromerzeugung 12 1996
2,1
0,42
0,082
Tabelle 8: Anteil der Windstromerzeugung im Vergleich Dieser minimale Anteil verschwindet völlig unter dem langfristig (je nach Konjunktur mal mehr, mal weniger) steigenden Bedarf an Energie: In den zehn Jahren von 1983 bis 1993 stieg der Energieverbrauch jährlich um durchschnittlich 1,3 Prozent oder 25 Milliarden Kilo22 wattstunden, allein in den alten Bundesländern. Hierzu einige Beispiele: Im Rezessionsjahr 1993 hat in Deutschland der Bestand an Kraftfahrzeugen um 1,09 Millionen zugenommen. Außerdem stieg die durchschnittliche Jahresfahrleistung um 22 2,4 Prozent auf 12700 Kilometer. Dadurch erhöhte sich der Energieverbrauch im Straßenverkehr um 23,6 Milliarden Kilowattstunden. 22 Dieser Zunahme innerhalb eines Jahres stehen nach sechs Jahren Ausbau der Windenergie ein Windstromertrag 1996 von 2,1 Milliarden Kilowattstunden gegenüber: Allein die Zunahme des Straßenverkehrs im Rezessionsjahr 1993 hat mehr als 10fach das zunichte gemacht, 52
was die Windindustrie an Stromerzeugungspotentialen (unter immensen Landschaftsverlusten) bis Mitte 1996 zustande gebracht hat. Oder anders ausgedrückt: Innerhalb von nur 32 Tagen hat allein die Zunahme des Straßenverkehrs - nicht etwa dieser selbst, sondern nur dessen Zunahme - die gesamte in den vergangenen sechs Jahren installierte Windturbinenleistung »überrollt«. Oder bezogen auf die Neuinstallierungen des Jahres 1996: Die hinzugekommenen 840 Anlagen mit 441 Megawatt Leistung und 0,88 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr 12 Ertragspotential waren bereits nach dreizehn Tagen durch die Zunahme des Autoverkehrs in ihrer Wirkung verpufft. Schließlich zum Modell 5: Unter der Annahme, daß der maximale Ertrag des Endausbaus das Fünffache von Mitte 1996 betragen könnte, wären gleichwohl weniger als ein halbes Prozent des Gesamtendenergiebedarfs durch Windstrom gedeckt. In einer Wirtschaftsordnung, die auf Wachstum programmiert ist, steigt natürlich auch der Energiebedarf. Wenn der Wohnungsbestand jährlich um eine halbe Million und der Fahrzeugbestand jährlich um eine Million zunimmt, werden alle bisherigen Einsparbemühungen nicht verhindern können, daß der Energieverbrauch weiterhin steigt. Nach Schätzung der Internationalen Energie Agentur (IEA) ist nach derzeitigem Stand für Westeuropa mittelfristig mit einem jährlichen Anstieg des Energieverbrauchs von 1,5 Prozent zu rechnen. Dies bedeutet, daß bei »normaler« Entwicklung des Energieverbrauchs das Ertragspotential selbst eines extrem hoch angesetzten Windenergieausbaus in nur wenigen Monaten verpufft sein würde. 53
Einsparungen in einem Umfang von nur 5 Prozent des Energieverbrauchs, die ohne große Opfer allein durch Tempolimit und 5-Liter-Autos erreichbar wären, könnten - wirklich umweltschonend (!) - das Fünfzigfache des derzeitigen Windstromertrages und das Zehnfache eines extremen Windenergieausbaus erbringen. Nur weil unsere Gesellschaft hierzu nicht bereit ist, maßt sie sich das Recht an, ganze Regionen unter dem Vorwand des Umweltschutzes zu zerstören.
Da wir hier nur mit gesicherten Daten arbeiten wollen, sollen diese beiden Aspekte nicht weiter rechnerisch berücksichtigt werden. Es sei jedoch betont, daß sich durch Amortisationszeit und Arbeitsverfügbarkeit die Gesamtbilanz der Windenergienutzung in Wirklichkeit noch wesentlich schlechter ausnimmt als in dieser Analyse dargestellt.
Bei allen bisherigen Überlegungen haben wir zwei Dinge vorläufig ausgeklammert: Das eine ist die energetische Amortisationszeit. Gemeint ist damit die Zeit, die ein Kraftwerk arbeiten muß, um die Energie zu erzeugen, die für seine eigene Installation erforderlich war. Dieser Zeitraum ist bei Windkraftanlagen um ein Mehrfaches länger als bei konventionellen Kraftwerken. Das andere ist.der Parallelbetrieb. Weil das Windangebot unsicher ist, müssen konventionelle Kraftwerke (vorgeheizt) betriebsbereit sein, um dann, wenn der Wind nachläßt oder ausbleibt, sofort »einspringen« zu können. Der Fixkostenanteil eines fossil befeuerten Kraftwerks beträgt etwa 60 Prozent der Gesamtkosten.30 Es entstehen also zusätzliche Kosten, aber auch zusätzlicher Energieverbrauch. Beide Faktoren lassen sich derzeit noch nicht hinreichend genau ermitteln. Festzustellen bleibt: Längere energetische Amortisationszeit und geringe Arbeitsverfügbarkeit verringern den ohnehin bescheidenen Ertrag einer Windkraftanlage noch mehr. Eine weitere Reduktion um bis zu 40 Prozent scheint uns nicht zu hoch geschätzt. 54
55
2. Was kann die Windenergie zur Vermeidung einer Klimakatastrophe beitragen?
Hierin sind sich alle einig: Der Kohlendioxidgehalt der Luft hat sich seit 1900 um etwa ein Viertel erhöht. Doch mit dieser Feststellung hört die Übereinstimmung zwischen den Fachwissenschaftlern schon auf. Viele Klimaforscher machen für den C0 -Anstieg die Verbrennung 2 fossiler Brennstoffe verantwortlich, was zu einer globalen Erwärmung der Erdatmosphäre führen würde. Seit einigen Jahren mehren sich jedoch die Stimmen, die von einer anderen Wechselwirkung ausgehen: Bedingt durch eine veränderte Sonneneinstrahlung (Sonnenflekkentätigkeit u. a.) hat sich die globale Lufttemperatur erhöht, mit der Folge, daß die Weltmeere vermehrt CO 2 an die Atmosphäre abgeben. Man argumentiert auch, daß das Klimageschehen viel zu kompliziert sei, um Prognosen über Temperaturerhöhungen von ein oder zwei Grad für einen Zeitraum von 100 Jahren überhaupt machen zu können. Wir vermögen ja noch nicht einmal sicher vorauszusagen, wie das Wetter in der nächsten Woche sein wird. Die neueste Literatur läßt auf jeden Fall erkennen, daß derzeit keine auch nur einigermaßen gesicherte Aussage darüber gemacht werden kann, ob der von Menschen verursachte C02Anstieg eine Klimaveränderung bewirkt, und schon gar nicht, wie groß dieser eventuelle Einfluß langfristig auf das Klima sein könnte.',',' 56
In der Öffentlichkeit glaubt man jedoch - dafür sorgen besonders Umweltpolitiker und eine Anzahl regierungsabhängiger Meteorologen -, daß eine drohende Klimakatastrophe infolge der anthropogenen CO 2-Emissionen als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis gilt. Dieser Auffassung schließen sich natürlich die Vertreter der Windenergienutzung an, lassen sich doch so ihre materiellen Interessen argumentativ besser durchsetzen. Vertreter der Windenergienutzung behaupten, für den globalen Klimaschutz einen wesentlichen Beitrag leisten zu können. Sie wollen der Bevölkerung sogar weismachen, daß die Windenergienutzung bei der Meisterung der ökologischen Herausforderungen eine Vorreiterrolle übernehmen könne. Die Windenergie kann dies - sofern es eine solche Herausforderung überhaupt gibt - natürlich nicht leisten, ebensowenig wie sie einen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung und Ressourcenschonung erbringen kann. Gleichwohl soll im Folgenden ihr wenn auch geringer Anteil an der Schadstoffvermeidung eingehend untersucht werden. Betrachten wir zunächst einmal die Schadstoffbilanzen der Luft: Beim sogenannten Treibhauseffekt, für den es noch keine überzeugenden Beweise gibt, handelt es sich um sehr komplizierte Vorgänge, an denen viele Faktoren direkt oder indirekt beteiligt sind und die - besonders was die verschiedenen Anteile der chemischen Verbindungen mit ihren Wechselwirkungen angeht - alles andere als geklärt sind. Hauptverursacher der globalen Erwärmung soll das durch die Aktivitäten der Menschen verursachte Kohlendioxid 57
sein. Weltweit beträgt der Ausstoß dieses anthropogenen CO 2 jährlich etwa 23 Milliarden Tonnen, wobei die Bundesrepublik Deutschland mit 900 Millionen Tonnen beteiligt ist. Trotz der vielen Maßnahmen und Mahnungen nehmen die C0 2 -Emissionen nicht etwa ab, sondern weltweit pro Jahr um 1,9 Prozent zu. Im Jahre 2010 werden die Emissionen um die Hälfte höher sein als heute. Laut Beschluß der Bundesregierung vom 29.9.1994 sollen aber in Deutschland die C0 2 -Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 bis 30 Prozent reduziert werden (bezogen auf 1987). Wenn man den Wählern nichts zumuten will, macht man natürlich leere Versprechungen, die nicht eingehalten werden. Zwar haben sich die Schadstoffemissionen wegen des Wirtschaftszusammenbruchs im Osten seit 1989 insgesamt verringert, sie stiegen jedoch in den alten Bundesländern allein in den 5 Jahren zwischen 1989 und 1994 um 36 Millionen Tonnen. 4 Bei jährlich einer Million Fahrzeugen mehr auf den Straßen und 500000 neuen Wohnungen pro Jahr wird sich dieser Trend - trotz aller gegenteiliger Beteuerungen - verstärken und weiter fortsetzen. So hat der deutsche Stromverbrauch 1996 um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen."
Welchen Anteil kann die Windenergie also zur Minderung der CO 2 -Emission leisten? Ein nennenswerter Betrag wird es nicht sein. Dies ergibt sich, wie gesagt, schon daraus, daß ihr Anteil am gesamten Energieaufkommen, selbst bei extremem Ausbau, verschwindend gering bleiben wird. Jedoch wollen wir dieser 58
Fragestellung hier einmal Schritt für Schritt nachgehen, weil der Öffentlichkeit pausenlos suggeriert wird, daß die Windenergie ein beachtliches Minderungspotential darstellen würde. Da ist zunächst zu fragen, wieviel CO 2 durch eine Kilowattstunde Windstrom vermieden wird. Die Betreiber rechnen in der Regel mit 1,114 Kilogramm CO 2 pro Kilowattstunde; das ist ein oberer Grenzwert, den die Großfeuerungsanlagen-Verordnung vorschreibt. Die Realität in der deutschen Stromversorgung hingegen sieht anders aus. Von den insgesamt 901 Millionen Tonnen C02 , die in Deutschland emittiert werden, entfallen 39,7 Prozent auf Kraft- und Fernheizwerke (Stand 1994). 1 Zieht man den Anteil der Fernwärme von etwa einem Zehntel ab, verbleibt für die Stromerzeugung eine Emission von 322 Millionen Tonnen CO 2 jährlich (siehe Tabelle 9, Seite 62). Bezogen auf 485 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr Gesamtstromverbrauch6 sind dies 0,66 Kilogramm C02 -Emission pro Kilowattstunde. Dieser Wert ist sehr hoch angesetzt, da sich die ostdeutsche Stromwirtschaft im Jahre 1994 immer noch in der Umstrukturierung befand. Schon kurzfristig rechnet man mit einer Emission von nur 0,54 Kilogramm CO 2 pro Kilowattstunde, also mit weniger als der Hälfte des von den Betreibern angegebenen Wertes. Die Betreiber rechnen den Windstrom dem Mittellastbereich zu, und damit behaupten sie, daß ausschließlich Steinkohlestrom ersetzt werde. Auch dies ist falsch: Denn einerseits fällt der Windstrom unregelmäßig und ungesteuert in allen Lastbereichen an, andererseits werden auch Kernkraftwerke - besonders in Norddeutschland i m Lastfolgebetrieb gefahren, was seit 1988 insbesondere 59
aus den Differenzen von Arbeitsverfügbarkeit und Arbeitsausnutzung der Kernkraftwerke deutlich erkennbar ist.' Mit einem Anteil von 0,42 Prozent im Jahr 1996 am Gesamtstromverbrauch (siehe Tabelle 8, Seite 52) hat der Windstrom lediglich 1,35 Millionen Tonnen CO 2 vermieden (siehe Tabelle 9). Dies sind nur 1,5 Promille der Gesamtemission von 901 Millionen Tonnen CO 2 . Die C02-Verminderung durch Windstrom ist so gering, daß sie bezüglich des Klimaschutzes überhaupt keine Bedeutung hat. Aber selbst diese 1,5 Promille sind nur die halbe Wahrheit, denn Kohlendioxid ist nur eines der vermuteten Treibhausgase unter vielen. Der Promilleanteil verringert sich noch beträchtlich, wenn die wichtigsten anderen Gase in die Bilanz mit einbezogen werden. Kohlendioxid (CO 2 ) und Lachgas (N 2 0) werden als direkt wirkende Treibhausgase bezeichnet, weil sie das Sonnenlicht unmittelbar absorbieren und damit die Temperatur der Atmosphäre erhöhen. Daneben kennt man noch indirekt wirkende Treibhausgase, die als Vorläufersubstanzen erst andere Treibhausgase wie Ozon (0 3 ) und Wasserdampf bilden. Zu diesen gehören Methan (CH 4 ), Stickoxide (NO x ), Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe (NMVOC) und andere. Um nun berechnen zu können, welchen Anteil die verschiedenen Gase am vermuteten Treibhauseffekt haben, hat man für jedes Treibhausgas einen Äquivalenzfaktor bestimmt. CO 2 hat den Faktor 1, Methan den Faktor 62 usw. (siehe die Werte in Spalte 2, Tabelle 9). Multipliziert man den Gewichtsanteil eines Gases mit seinem Äquivalenzfaktor, erhält man seinen Anteil am (vermuteten) 60
Treibhauseffekt im Vergleich zum Kohlendioxid. Diesen Anteil nennt man CO2 -Äquivalent. Es ist sehr schwierig - besonders bei den indirekt wirkenden Treibhausgasen -, Werte für die Äquivalenzfaktoren zu bestimmen. Schätzungen für Methan (CH 4 ) und Lachgas (N2 0) liegen seit 1994 vor.' Aber bei Stickoxid (NO x), Kohlenmonoxid (CO) und Nichtmethan-Kohlenwasserstoff (NM-VOC) müssen ältere und noch unsicherere Werte verwendet werden.' Für die Abschätzung des Minderungspotentials der Windenergie mögen sie jedoch ausreichen. Aus den Emissionsdaten des Umweltbundesamtes für das Jahr 1994 4 ergeben sich damit die CO2 -ÄquivalentdrDschmitenTrbausg in Spalte 3 der Tabelle 9. Die Gesamtemission beträgt danach 1457 Millionen Tonnen C0 2-Äquivalente, woran Kohlendioxid mit »nur« 901 Millionen Tonnen, das heißt 62 Prozent beteiligt ist. Bei den übrigen Treibhausgasen hat Methan mit 323 Millionen Tonnen den überwiegenden Anteil, und zwar aufgrund der Tierhaltung mit 106 Millionen Tonnen und der Abfallwirtschaft mit 125 Millionen Tonnen. In Spalte 4 der Tabelle 9 sind die entsprechenden CO,Äquivalente für den Emissionssektor Stromerzeugung aufgeführt. Es ist offensichtlich, daß hier allein die C0 2 In-EmisonvBedutg.MianrWote: Deutschland ist die Stromerzeugung nur mit 23,3 Prozent am Treibhauseffekt beteiligt. Dies ist halb so viel, als man der Öffentlichkeit weiszumachen versucht. Und entsprechend halbiert sich auch das Minderungspotential der Windenergie.
61
Äquivalenzfaktor
Ein s sionen Deusch land
Emissionen Stromerzeugung
MindeMinderung rungsdurch potentiale Wind(Modell 5) strom 1996
CO 2
1
901
322
6,8
1,35
CH,
62
323
0
0,0
0,00
N20
290
54
3
0,1
0,01
NO,
30
66
13
0,3
0,05
CO
7
47
1
0,1
0,01
31
66
0
0,0
0,00
Summe
1457
339
7,3
1,42
Anteil
100%
0 , 50%
0,097%
NM-VOC
23,3%
Tabelle 9: Treibhausgasemissionen und Kompensationsmengen durch Windstrom in Millionen Tonnen C0 2 -Äquivalente Es läßt sich jetzt auf einfache Weise ermitteln, in welchem Umfang die Windenergie die Emission von Treibhausgasen in Deutschland verringern kann: Bei einem extrem forcierten Ausbau der Windenergie (Modell 5) würden 2,1 Prozent des Stromverbrauchs durch Windkraft ersetzt werden können (siehe Tabelle 8, Seite 52). Die Minderungspotentiale für das Modell 5 ergeben sich aus Spalte 4 der Tabelle 9 multipliziert jeweils mit 2,1 Prozent. Sie sind in Spalte 5 aufgeführt. Selbst wenn der Ausbau der Windenergienutzung gegenüber der Mitte 1996 erreichten Kapazität auf das Fünffache gesteigert würde, könnte nur ein C0 -Äquiva2 lent von 7,3 Millionen Tonnen pro Jahr vermieden oder kompensiert werden. Dies sind ganze 0,5 Prozent der in Deutschland produzierten Treibhausgase, ein Betrag, der für den Klimaschutz völlig unbedeutend ist. Aber dieser fünffache Ausbau würde unvorstellbare Schäden 62
für die betroffenen Regionen bedeuten und für die dort lebenden Menschen gänzlich unerträglich sein. Übrigens basiert das Modell 5 mit einem CO 2 -Minderungspotential von 6,8 Millionen Tonnen pro Jahr auf einer sehr großzügigen Schätzung zugunsten der Windenergie. Nach verschiedenen Untersuchungen im Auftrag des Bundesumweltministeriums werden bis zum Jahr 2005 C02- Minderungspotentiale der Windenergie nur von 2,3 bis 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr erwartet. 10 Legt man schließlich den 1996 tatsächlich erzeugten Windstrom (0,42 Prozent des gesamten Stromverbrauchs, Tabelle 8, Seite 52) zugrunde, dann hat die deutsche Windenergienutzung im sechsten Boomjahr mit einer Vermeidung von 1,42 Millionen Tonnen C0 2Äquivalenten (siehe Spalte 6, Tabelle 9) den in Deutschland verursachten Treibhauseffekt um ganze 0,97 Promille verringert. Noch nicht einmal um 1 Promille vermochte der 1996 produzierte Windstrom den Treibhauseffekt zu dämpfen. Ein geradezu lächerlicher Betrag. Allein die Methanemissionen aus der Tierhaltung haben diesen Kompensationsanteil der Windkraftnutzung 75fach zunichte gemacht, und schon eine Verringerung des Viehbestandes um 1,5 Prozent hätte für das gleiche Minderungspotential ausgereicht, für das durch den bisherigen Ausbau der Windenergie mit schweren Schäden für Mensch und Natur teuer bezahlt wurde. Und wenn man es genau nimmt, dann sind selbst diese 0,97 Promille noch zu hoch gegriffen; denn auch hier (wie bei der Energiebilanz) sind hinsichtlich der Schadstoffemissionen die Effekte des Parallelbetriebs und des Vorhaltens konventioneller Kraftwerke noch nicht berücksichtigt. 63
Außerdem: Windstrom ist durchaus keine »saubere« Energie, wie dies immer wieder behauptet wird. Bei der Herstellung der WKAs werden erhebliche Mengen an Energie verbraucht und an Schadstoffen emittiert: Die Stahltürme wiegen über 60 Tonnen, und die 10 Tonnen schweren Rotoren sind aus Glasfiber und Kunststoff. Die Anlagen müssen herbeigeschafft, installiert und gewartet, Rotorblätter müssen ausgetauscht und entsorgt werden; zusätzliche Hochspannungsleitungen müssen aufgestellt werden. Nach Berechnungen des Öko-Instituts 11 ergibt sich für eine mittelgroße Windkraftanlage ein CO 2Äquivalent von 19 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde, die indirekt wirkenden Treibhausgase noch nicht einmal gerechnet. Immerhin sind das schon 15 Prozent der Emission eines gasbefeuerten Heizkraftwerkes." Der Parallelbetrieb konventioneller Kraftwerke einerseits und die windenergiebedingte Treibhausgasemission andererseits verringern das bescheidene Minderungspotential nochmals um schätzungsweise rund die Hälfte. Schlußfolgerung: Die Möglichkeit, mit dem Ausbau der Windenergienutzung einen vermuteten Treibhauseffekt zu verringern, wird in unverantwortlicher Weise überschätzt. Selbst bei einem extrem forcierten Ausbau auf die fünffache Kapazität von Mitte 1996 könnten in Deutschland nur wenige Promille der Treibhausgase vermieden werden. Dieser Betrag ist so gering, daß er für den Klimaschutz ohne jede Relevanz ist. Zur Verdeutlichung zwei Rechenexempel: Erstes Beispiel: Nach Berechnungen des Öko-Instituts Darmstadt emittieren Lastkraftwagen (Diesel) pro Kilo11 meter und Tonne Nutzlast 109 Gramm 00 2 oder (wenn die übrigen Treibhausgase mit den Äquivalenzfaktoren der 64
Tabelle 9 hinzugerechnet werden) ein C02 Äquivalent von 172 Gramm. Wenn man für LKW in Deutschland eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 87,5 Kilometer pro Stunde 12 zugrunde legt, so ergibt sich bei einer Nutzlast von 15 Tonnen pro Stunde Fahrtzeit ein C0 2 Äquivalent von 226 Kilogramm. In der gleichen Zeit vermeidet eine 600-Kilowatt-Anlage ein CO2 Äquivalent von nur 104 Kilogramm an der Küste oder 83 Kilogramm im Binnenland. Dies ergibt sich daraus, daß sich für den deutschen Strommix von 1996 ein CO2Äquivalent von 0,702 Kilogramm/Kilowattstunde berechnet: 339 Millionen Tonnen (in Tabelle 9) dividiert durch den Gesamtstromverbrauch von 483 Milliarden Kilowattstunden. 6 Dies bedeutet: Zwei bis drei 600-Kilowatt-Anlagen sind erforderlich, um die Schadstoffabgabe eines einzigen (fahrenden) Lastwagens (mit 15 Tonnen Nutzlast) zu kompensieren. Oder anders gerechnet: Der gesamte Zubau von 840 Anlagen mit 441 Megawatt Nennleistung des Boomjahres 1996 vermeidet im Mittel gerade so viel, wie etwa 310 (fahrende) Lastwagen mit 15 Tonnen Nutzlast emittieren. Zweites Beispiel: Beim Verbrennen von Dieselkraftstoff in größeren Motoren wird ein CO 2 Äquivalent von 5,4 Kilogramm pro Kilogramm Kraftstoff freigesetzt. Dies ergibt sich aus dem Heizwert von 48,8 Megajoule pro Kilogramm (MJ/kg) und den mittleren Emissionswerten 11 für größere Dieselmotoren. Das Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth II verfügt über eine Gesamtleistung von 90 Megawatt. Bei einem stündlichen Verbrauch von 0,173 Tonnen Dieselkraftstoff pro Mega13 watt Leistung gibt dieser Luxusliner pro Stunde Fahrtzeit 65
ein CO 2Äquivalent von 84 Tonnen ab. Insgesamt 1,42 Millionen Tonnen hat die gesamte deutsche Windenergienutzung im Jahre 1996 vermieden (siehe Tabelle 9), was einer stündlichen Vermeidung von 162 Tonnen entspricht. Die Erfolgsbilanz dieser verantwortungslosen Energiepolitik, die die Stromkunden und die steuerzahlenden BürgerInnen Milliarden gekostet hat und weiter kosten wird, lautet: Nach sechs Jahren Subvention und Steuerbegünstigung langte der gesamte deutsche Windstrom nicht, um die Emissionen von zwei größeren Schiffen zu kompensieren. Aber diese vielgepriesene Minderungskapazität des deutschen Windstroms reichte aus, um ganze Landschaften zu verschandeln und die in ihrer Gesundheit bedrohten und in ihrem Eigentum verletzten betroffenen Bürgerinnen auf die Barrikaden zu treiben. Und noch ein Wort zum Waldsterben: Seit 1983 sind die Schwefeldioxidemissionen der westdeutschen Kohlekraftwerke um etwa 90 Prozent zurückgegangen, so daß heute vor allem Stickoxide und Ammoniak die Waldökosysteme belasten. An diesen Schadstoffemissionen sind die Kraftwerke kaum beteiligt. Hauptverursacher sind hier der Verkehr (bei den Stickoxiden zu zwei Dritteln) und die Landwirtschaft mit der Massentierhaltung (Ammoniak)". Die Windenergie kann so gut wie nichts zur Erhaltung der Wälder beitragen, und zwar unabhängig davon, ob man die derzeitige Kapazität verfünffacht oder verzehnfacht. Ganz im Gegenteil: Da, wo Windparks installiert sind, ist eine Wiederaufforstung nicht möglich, und ein extrem forcierter Ausbau fordert logischerweise waldfreie Flächen. 66
Was ist also zu tun, um die Emissionen von Schadstoffen zu verringern? Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten - das Bundesumweltministerium hat 109 Optionen erarbeitet," - die, wenn wirklich ein politischer Wille vorhanden wäre, in der Summe viel bewirken könnten. Es sollten jedoch jene Maßnahmen vorrangig in Angriff genommen werden, die mit einem relativ geringen Mitteleinsatz einen maximalen Minderungseffekt haben. Nach der wichtigen Untersuchung 16 des Instituts für Industriebetriebslehre und industrielle Produktion der Universität Karlsruhe gehören dazu in erster Linie die verschiedenen Verfahren der Kraft-Wärme-Kopplung, die längerfristig kaum Kosten verursachen, das heißt auch volkswirtschaftlich eine zum Teil stark positive Bilanz haben und dabei unsere Natur nicht weiter belasten. Die Windenergienutzung in Deutschland dagegen zeigt sowohl ökologisch wie auch volkswirtschaftlich stark negative Bilanzen. Es muß daher alles unternommen werden, um ihren weiteren Ausbau zu unterbinden! Das Ergebnis einer Studie' von Professor J. Weigl (Institut für Botanik, TH Darmstadt) lautet: »Es sind keinerlei wissenschaftliche Begründungen erkennbar, daß man befürchteten, für die Menschheit nachteiligen klimatischen Abläufen mit dem Unterfangen der Windkraftnutzung vorbeugen könnte. Zur Verhinderung dieser >Klimakatastrophe< leistet der Einsatz von Windenergieanlagen nicht den geringsten Beitrag.«
67
3. Was kostet uns der Strom aus Windkraftanlagen und was wäre sein Marktwert?
Kostenangaben liegen. Dabei ist anzumerken, daß lediglich die Kosten der Windkraftanlage nach den Verkaufslisten der Hersteller einigermaßen festliegen, die übrigen Errichtungskosten jedoch nur auf der Grundlage differenzierter Angaben, bezogen auf ein Kilowatt Nennleistung, aufgeführt werden können. Die Erzeugungskosten gliedern sich in die
Die Kosten einer WKA hängen von zahlreichen Einflußgrößen ab, die erheblich breiter streuen als bei konventionellen Wärmekraftwerken. Hinzu kommt, daß die Kostenangaben der Betreiber von Windkraftanlagen offenbar nicht auf einer einheitlichen und betriebswirtschaftlich einwandfreien Kalkulationsgrundlage beruhen, was zu verwirrenden Aussagen in der Öffentlichkeit führt. Zu unterscheiden sind die Errichtungskosten (Investition) und Erzeugungskosten. Zu den Errichtungskosten zählen die
- Kapitalkosten, das sind Abschreibungen für den Werteverzehr der Anlage und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals, - Kosten für die Betriebsausfallversicherung und die Haftpflichtversicherung, - Pacht für das Betriebsgelände, - Kosten für Instandhaltung und Reparaturen sowie für Betriebsmittel, z. B. Schmiermittel, - Rücklagen für die Demontage der Anlage, - Kosten der Geschäftsführung und Verwaltung, - Abgaben und Steuern, insbesondere kommunale Belastungen.
- Kosten für die Windkraftanlage einschließlich Montage und Anlieferung, - Kosten der Fundamentierung, - Infrastrukturkosten: Kosten für die Wege zur Anlage u. a., - Kosten für den Netzanschluß, gegebenenfalls für den Netztransformator, - Planungs- und sonstige Errichtungskosten, z. B. Genehmigungsgebühren.
Die Kapitalkosten werden auf der Grundlage der Annuitätenformel A = K q" (q - l) /q" - 1 ermittelt, wobei K das eingesetzte Kapital (Errichtungskosten) ist, q der Zinsfaktor 1 + p/100, p der Zinsfuß und n die voraussichtliche Nutzungsdauer des Kapitals.
In der Tabelle 10 wird von einer Anlage mit 1000 Kilowatt (1 Megawatt) Nennleistung ausgegangen, bei der die Errichtungskosten etwa im mittleren Bereich vorliegender 68
69
ERRICHTUNGSKOSTEN (pro kW)
DM
Windanlage einschl. Anlieferung
1900
Fundamentierung
110
Infrastruktur
140
Netzanschluß, Netztrafo
330
Planungs- und sonstige Kosten Gesamte Errichtungskosten ERZEUGUNGSKOSTEN (pro kW und Jahr) Kapitalkosten
95 2575 DM 358,20
Versicherungskosten
17,90
Pacht
20,00
Instandhaltungs- und Reparaturkosten
5,40
Rücklagen für Demontage der Anlage
17,90
Geschäftsführung und Verwaltung Abgaben und Steuern Gesamte Erzeugungskosten
3,60 1,80 424,80
aus variablen Kosten, die - wie die Kosten der erzeugungsbedingten Anwendung von' Schmiermitteln - produktionsabhängig sind. Wegen ihrer Geringfügigkeit werden die variablen Kosten hier den fixen zugeschlagen. Die in Tabelle 10 aufgeführten Erzeugungskosten lassen Aussagen über die spezifischen Kosten bei verschiedenen Jahresvollaststunden zu. Sie betragen bei - 3200 Jahresvollaststunden in sehr günstigen Windregionen an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins 13,3 Pfennig pro Kilowattstunde, - 2500 Jahresvollaststunden in mittleren Windregionen an den Küsten 17,0 Pfennig pro Kilowattstunde, - 2000 Jahresvollaststunden in günstigen Windregionen der Mittelgebirge 21,2 Pfennig pro Kilowattstunde. Die Werte entsprechen den Angaben in der Fachliteratur. t, z
Tabelle 10: Errichtungs- und Erzeugungskosten einer 1-Megawatt-Windkraftanlage pro Kilowatt Nennleistung
Im vorliegenden Beispiel wird von einer Nutzungsdauer von nur 10 Jahren ausgegangen (für eine längere Nutzungszeit von Windkraftanlagen gibt es derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse). Ein Zinsfuß von 6,5 v. H. entspricht den gegenwärtig günstigen Konditionen auf dem Kapitalmarkt. In diesem realistischen Beispiel ergibt sich damit pro Kilowatt Nennleistung eine Annuität von 358,20 DM bezogen auf die Errichtungskosten. Personalkosten sind nur in den Positionen Wartung und Reparatur, Demontage, Geschäftsführung und Verwaltung enthalten. Die Erzeugungskosten bei Windkraftanlagen bestehen zu etwa 95 Prozent aus fixen und nur zu etwa 5 Prozent 70
Wie hoch sind die effektiven Vergütungen für elektrische Energie auf Windbasis? Den Erzeugungskosten sind die Erträge gegenüberzustellen, die WKA-Betreiber für elektrische Energie erzielen können, die in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist wird. Seit 1991 erfolgt die Vergütung auf der Grundlage des Stromeinspeisungsgesetzes, das mindestens einen Betrag von 90 Prozent des Durchschnittserlöses je Kilowattstunde aus der Stromabgabe der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) an alle Endverbraucher vorsieht.' Im Jahr 1997 beträgt die staatlich festgesetzte, jedoch nicht vom Staat selbst, sondern von den Beziehern elek71
trischer Energie indirekt bezahlte Mindestvergütung 17,15 Pfennig pro Kilowattstunde (17,21 Pfennig pro Kilowattstunde waren es im Jahr 1996). Sie übersteigt damit deutlich die Kosten der Windstromerzeugung in mittleren bis sehr günstigen Windregionen an der Küste. Damit nicht genug: Kostenentlastungen bzw. Ertragssteigerungen ergeben sich darüber hinaus aus den Errichtungs- bzw. den Investitionssubventionen der Bundesländer. Ein ganzer Katalog von Beihilfen, Zinsvergünstigungen, Zuschüssen usw. trägt zur »Wirtschaftlichkeit« von Investitionen in Windkraftanlagen in der Weise bei, daß die Kapitalkosten erheblich sinken - um 30 bis 50 Prozent. Auf unser Beispiel bezogen sind das Einsparungen für den WKA-Betreiber zwischen 107,46 und 179,10 DM pro Jahr und Kilowattstunde. Die effektiven Erzeugungskosten liegen damit in einer Größenordnung von - 7,8 bis 9,9 Pfennig pro Kilowattstunde in sehr günstigen Windregionen an der Küste bei 3200 Jahresvollaststunden, - 12,3 bis 15,9 Pfennig pro Kilowattstunde in günstigen Windregionen der Mittelgebirge bei 2000 Jahresvollaststunden. Bei der staatlich festgesetzten und garantierten, jedoch von den Kunden bezahlten Einspeisungsvergütung von 17 Pfennig pro Kilowattstunde sind also Renditen bis zu 9 Pfennig pro Kilowattstunde zu erzielen. Diese glänzenden und kaum zu überbietenden Ertragsaussichten bei Kapitalanlagen in Windkraftwerken zeigen sich in Prospekten, Zeitschriften- und Zeitungsanzeigen sowie in entsprechenden Angeboten bei Banken und Sparkassen, die leicht Gewinnausschüttungen bis zu 25 Prozent zu72
sagen können. Die aus politischen und ideologischen Gründen staatlich erzwungene Finanzierung zu Lasten der Steuerzahler und Strombezieher ist ein beispielloser Mit Wind ist viel Kohle zu machen »Geschäftsführer Dieter Schaarschmidt: >Wenn es bei der L ..) Einspeisevergütung von 17,21 Pfennig pro Kilowattstunde bleibt, können wir langfristig mit einer Kapitalverzinsung von
zehn Prozent rechnen.> Solche Zuwachsraten elektrisieren nun auch Stromkonzerne. Nachdem der Bundesgerichtshof die Klage der Energie-Multis gegen das Einspeisungsgesetz abgewiesen hatte, will die Hannoversche PreussenElektra mit dem Auricher Windmühlenproduzenten Enercon ins Geschäft einsteigen. Der Hamburger Energieversorger HEW bietet seinen Kunden für 2500 Mark 1-kW-Anteilscheine an einem Windpark und garantiert eine steuerfreie Rendite von 7,5 Prozent. Der Gewinn aus dem Wind funktioniert über Verlustzuweisungen. Weil Mühlen schon im ersten Jahr mit 30 Prozent (im Osten sogar mit 50 Prozent) abgeschrieben werden können und daher anfangs steuerlich keinen Gewinn machen, verdienen die Kommanditisten zunächst durch Steuerersparnisse.
Wer bei einem Steuersatz von 35 Prozent 10000 Mark anlegt, muß effektiv nur 6500 Mark aufbringen. Die meisten Betreibermodelle prognostizieren bei einer Laufzeit von 20 Jahren i n diesem Fall eine Rendite nach Steuern von rund 10 Prozent. Um das Geschäft mit dem Wind weiter anzukurbeln, haben die Hersteller die Preise kräftig gesenkt. Bezogen auf eine Finanzierungszeit von 15 Jahren, produziert die Anlage die
Kilowattstunde nun für etwa 12 Pfennig. Da die Mühlen nach einer aus Rücklagen bezahlten Überholung von Flügel und Generator weitere 15 Jahre arbeiten können, wird die Rendite der Anteilseigner im Laufe der Jahre i mmer höher.«
Auszug aus: Stern, 2 ,10.1996, von Nobert Thomas
73
Skandal - insbesondere auch angesichts der höchst mangelhaften Effizienz des Einsatzes von Windkraftanlagen bei der Ressourcenschonung und beim Klimaschutz.
Können Windkraftanlagen konventionelle Kraftwerke ersetzen? Die Einspeisungsvergütung verstößt auch eklatant gegen das Gebot einer betriebswirtschaftlich einwandfreien Bewertung. Dabei ist auf die unterschiedliche Verfügbarkeit von Windkraftanlagen im Vergleich zu konventionellen Wärmekraftwerken einzugehen. Letztere können unabhängig von natürlichen Einflüssen »nach Fahrplan« eingesetzt werden. Einzige Störfaktoren, die die Verfügbarkeit des einzelnen Kraftwerks schmälern können, sind Brennstoffmangel und/oder Betriebsausfälle. Der Brennstoffmangel ist durch organisatorische Maßnahmen beherrschbar, Betriebsausfälle werden durch ausreichende Wartung und Kontrolle minimiert. Demgegenüber ist die Verfügbarkeit von Windkraftanlagen nicht überwiegend von organisatorischen und technischen, sondern von natürlichen Einflüssen abhängig, nämlich dem Winddargebot, und zwar in zeitlicher Hinsicht sowie der Stärke nach. Können Wärmekraftwerke während ihrer Nutzungszeit fast durchweg mit voller Leistung betrieben werden, hängen Windkraftanlagen vollständig von der gerade herrschenden Windstärke ab. Zum Anfahren der Anlage muß die Windgeschwindigkeit mindestens 3,5 Meter pro Sekunde betragen; erst bei 11 bis 13 Meter pro Sekunde wird die Nennleistung erreicht.' Die höheren Windstärken werden an der Küste und nur während weniger Jahresstun74
den erreicht, selten einmal in den Mittelgebirgen. Das Winddargebot ist während vieler Jahresstunden leicht bis schwer böig. Diskontinuierliches Winddargebot läßt sich zwar mit moderner Technik in weiten Bereichen ausregeln, mindert jedoch das Leistungsangebot über das gesamte Jahr erheblich. Windkraftanlagen erreichen pro Jahr in - sehr günstigen Windregionen 3200 Vollaststunden, - günstigen Mittelgebirgsregionen 2200 Vollaststunden. Die Jahreswerte für konventionelle Wärmekraftwerke betragen bei - Steinkohle etwa 6000 Vollaststunden, - Braunkohle etwa 6500 Vollaststunden, - Kernbrennstoff etwa 7500 Vollaststunden. Wärmekraftwerke können wegen ihrer hohen Verfügbarkeit, die für die Gesamtheit der Anlagen und für jedes einzelne Kraftwerk in einer Störstatistik erfaßt ist, untereinander zum Ersatz bei Ausfällen (Revisionen, Betriebsstörungen) herangezogen werden. Gleiches ist mit Windkraftanlagen wegen ihres diskontinuierlichen Leistungsangebots und auch aufgrund ihrer geringen Kapazität (bis 1,5 Megawatt gegenüber 600 Megawatt in Wärmekraftwerken und sogar 1300 Megawatt in AKWs) nicht möglich. Im Gegenteil: Windkraftanlagen sind darauf angewiesen, daß ihr diskontinuierliches Leistungsangebot ständig durch die Leistung aus konventionellen Kraftwerken ausgeglichen wird, wenn die nach dem Energiewirtschaftsgesetz geforderte Sicherheit der Energieversorgung erfüllt werden soll.' Keine WKA kann Leistung in einem konventionellen Wärmekraftwerk, ja, nicht einmal die einer anderen WKA ersetzen. Es handelt sich hier von Natur aus um unsichere, ungesicherte Leistung. 75
Die häufig in Pressemeldungen verbreitete Behauptung, daß eine Windanlage mit einer bestimmten Leistung die Versorgung von soundsoviel Haushalten mit elektrischer Energie sicherstellen könne, ist irreführend und schlichtweg falsch. Eine Windanlage kann keinen einzigen Haushalt, erst recht keinen Betrieb nach mitteleuropäischem Standard versorgen, sie ist stets auf den Versorgungsausgleich durch konventionelle Kraftwerke angewiesen.
Welche Kosten werden durch Windstrom vermieden? Weil Windkraftanlagen keine Leistung in konventionellen Wärmekraftwerken ersetzen können, werden in letzteren auch keine leistungsbezogenen fixen Kosten eingespart. Der Wert einer in einer WKA erzeugten Kilowattstunde entspricht folglich nur den variablen Kosten, die in einem Wärmekraftwerk durch Einspeisung der »Wind«-Kilowattstunde eingespart werden. Diese erzeugungsabhängigen variablen Kosten im Wärmekraftwerk sind die Kosten für Brennstoff, Speisewasser einschließlich Aufbereitung und Wartung. Den bei weitem größten Posten machen die Brennstoffkosten aus. Bei einem Preis von 80 DM pro Tonne Kesselkohle und einem Umwandlungswirkungsgrad von 42 Prozent im Kondensationskraftwerk liegen die Brennstoffkosten bei etwa 2,35 Pfennig pro Kilowattstunde. Entsprechendes gilt im Kraftwerk auf Braunkohlebasis mit 2,1 Pfennig pro Kilowattstunde und im AKW mit etwa 1,5 Pfennig pro Kilowattstunde. Wenn man der Einfachheit halber die bei Wärmekraftwerken vermiedenen 76
Erzeugungskosten bei der Einspeisung einer »Wind«Kilowattstunde mit 4 Pfennig ansetzt, hat man großzügig zugunsten der Erzeugung in Windkraftanlagen bewertet und damit die Speisewasserkosten, die erzeugungsbedingten Wartungskosten und auch noch die Übertragungsverluste der Einspeisung in das öffentliche Versorgungsnetz mit berücksichtigt. Nun besteht hinsichtlich der Vergütung vermiedener Kosten ein Unterschied, ob auf Windbasis erzeugte elektrische Energie in das Netz eines Versorgungsunternehmens mit eigenen Kraftwerken eingespeist wird (z. B. die Verbundunternehmen RWE, VEW, PreussenElektra, Bayernwerk, EVS, VEAG u. a.) oder in das Netz eines sogenannten weiterverteilenden Unternehmens (überwiegend die Versorgungsunternehmen der Regional- und Kommunalstufe), das seine weiter zu verteilende elektrische Energie von einem Vorlieferanten auf der Grundlage eines Vertrags bezieht. Derartige Verträge enthalten Leistungs- und Arbeitspreise. Leistungspreise repräsentieren die fixen Kosten im Vertragssystem, die Arbeitspreise die variablen Kosten. Letztere sind in der Regel höher als die variablen Erzeugungskosten in Kraftwerken, weil über sie noch Kosten für Übertragungsverluste, Kosten der Energieverteilung u. a. abgedeckt werden. Wie in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeiste elektrische Energie bewertet wird, zeigen die Modalitäten bei der Einspeisung sogenannter Überschußenergie aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen der Industrie. Versorgungswirtschaft und Industrie haben ihre diesbezüglichen Regeln und Modelle in eine Vereinbarung gefaßt und veröffentlicht.' Danach ist die Vergütung für die Einspeisung grundsätzlich an den vermiedenen Kosten orientiert, wenn 77
auch nicht gleichgesetzt. Sie liegen in der Größenordnung von - 5 bis 7 Pfennig pro Kilowattstunde bei Verbundunternehmen und - in einem breiten Spektrum bis zu etwa 9 Pfennig pro Kilowattstunde bei Unternehmen der Regional- und Kommunalstufe. Die Vergütung kann bis zu 4 Pfennig pro Kilowattstunde höher liegen, wenn eine bestimmte Leistungsbereitstellung garantiert werden kann. 7 Elektrische Energie aus Windkraftanlagen wird auf der Grundlage des Stromeinspeisungsgesetzes um mindestens 8 Pfennig pro Kilowattstunde (im Durchschnitt um 9,5 Pfennig pro Kilowattstunde) zu hoch bewertet und entgolten. In einer Pressemeldung der PreussenElektra von Anfang März 1996 wurde mitgeteilt, daß in den norddeutschen Versorgungsgebieten bis dahin bereits 400 Millionen DM für die Nutzung der Windkraft gemäß Stromeinspeisungsgesetz aufgebracht wurden.' Angaben der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) für das gesamte Bundesgebiet bestätigen diese Meldung. 9 Danach haben die Subventionen zugunsten der Nutzung erneuerbarer Energien bereits 1996 die Milliardengrenze überschritten. Sie dürften allein für die Nutzung der Windenergie zur Jahrtausendwende mehr als eine Milliarde DM im Jahr betragen, wenn die Vergütungsregelung des Stromeinspeisungsgesetzes nicht aufgehoben oder zumindest drastisch eingeschränkt wird.
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Kann es bei der derzeitigen Einspeisungsvergütung bleiben? Der Gesetzgeber ist gefordert, das Stromeinspeisungsgesetz zu überprüfen und zu novellieren. Beitragen werden dazu: - eine Gesetzesinitiative des Bundesrats, die vor allem darauf abzielt, die Belastungen aus der Subventionierung der erneuerbaren Energien möglichst gleichmäßig auf die Bundesländer zu verteilen 10, - ein Schreiben des EU-Wettbewerbskommissars Karel van Miert vom 25. Oktober 1996 an den Bundeswirtschaftsminister, in dem im Zusammenhang mit dem Stromeinspeisungsgesetz die Einhaltung der europäischen Wettbewerbsregeln angemahnt wird, - die laufende Erörterung in den parlamentarischen Gremien und in der Öffentlichkeit über die Novellierung des Energie- und Kartellrechts für die leitungsgebundene Energiewirtschaft." Ein deutscher Sonderweg: mit Spitzentempo ...
»Deutschland ist dabei, bei der Stromerzeugung aus Windkraft weltweit die Nummer eins zu werden. Nach den Planzahlen (...), die jährlich von der Uni Münster erhoben werden (...), waren hierzulande Ende 1996 etwa 4500 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 1600 Megawatt installiert. Deutschland dürfte in diesem Jahr die mit 1650 Megawatt Leistung bisher führenden USA überholen, weil in den Vereinigten Staaten derzeit kaum noch Windkonverter errichtet werden. Weltweit waren Anfang 1996 rund 5000 Megawatt Windkraftleistung installiert.« Auszug aus: Süddeutsche Zeitung, 4.1.1997
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... i n die Sackgasse »Dunkle Wolken sieht Jens Peter Molly über den deutschen Windenergierotoren heraufziehen. Vorbei die Zeiten, in denen sich die verwöhnten Hersteller der schlanken Spargel über alljährlich steigende Absatzzahlen freuen konnten. Jetzt malt der Leiter des Deutschen Windenergie-Instituts (Dewi) in Wilhelmshaven ein schmähliches Ende der noch j ungen Branche an die Wand. >Der Industriestandort Deutschland,< so Molly, >sei möglicherweise bald um eine Episode reicher.< (...) Ende Oktober (1996) reagierte EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert auf die Beschwerden von PreussenElektra und Co. In einem Schreiben an Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) schlägt der Kommissar als Sofortmaßnahme vor, die Vergütung für Windstrom - sie beträgt derzeit 90 Prozent der Durchschnittserlöse der Stromunternehmen für die Kilowattstunde - auf 75 Prozent abzusenken. Alternativ sei eine zeitli che oder produktionsbezogene Begrenzung der Vergütung möglich. Sogar eine Absenkung auf die durch die Einspeisung bei den Stromunternehmen >vermiedenen Kosten< (die von i hnen selber ermittelt und äußerst umstritten sind) hält van Miert für denkbar. I n diesem Fall blieben den Windmüllern von derzeit garantierten gut 17 Pfennig nur noch etwa 8,5 Pfennig pro Kilowattstunde. (...) I nzwischen erinnern sich manche in der Zunft an das Schicksal der Windbranche in den USA. Nach dem Boom in den achtziger Jahren dreht sich inzwischen jenseits des Atlantiks nichts mehr. Die neuinstallierte Windenergieleistung im Jahr 1 995 betrug exakt null Megawatt.« Auszug aus: Der Spiegel, 9.12.1996
für Gas durch Aufhebung des Schutzes der Gebietsschutzverträge (Demarkations- und Konzessionsverträge) in der Versorgungswirtschaft und das grundsätzliche Recht für jeden Kunden von elektrischer Energie und Gas, bei dem jeweils günstigst anbietenden Lieferanten Energie zu beziehen. Dazu sollen die Kunden die Berechtigung auf Durchleitung der günstigst eingekauften Energie durch vorgelagerte Netze erlangen, alternativ das Recht auf Leitungsbau zum Lieferanten. Das Stromeinspeisungsgesetz mit der Aufrechterhaltung überhöhter, nicht marktgerechter Zwangsentgelte, die der Steuerzahler und der Bezieher elektrischer Energie aufbringen muß, steht in krassem Widerspruch zu diesem Reformvorhaben. Dieser Widerspruch ist Bundesregierung und Bundestag durchaus bewußt, wird aber derzeit noch mit dem - im Fall Windenergie unzutreffenden - Argument der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes überspielt. Im Zuge der bevorstehenden Energie- und Kartellrechtsreform wäre eine ersatzlose Streichung zumindest der Vergütungsregelung im Stromeinspeisungsgesetz eine ordnungspolitisch einwandfreie und logische Maßnahme. Bislang ist offensichtlich nur folgendes vorgesehen: - Die Abnahmepflicht für elektrische Energie aus Windkraftanlagen wird für die einzelnen Versorgungsunternehmen auf einen bestimmten Prozentsatz (z. B. 5 Prozent des eigenen Aufkommens an elektrischer Energie) begrenzt. - Die erhöhte Einspeisungsvergütung wird nur noch für
Die Novellierung des Energie- und Kartellrechts bezweckt unter Beachtung der EU-Stromrichtlinie
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eine
Liberalisierung der Märkte für elektrische Energie und 80
einen Teil der Einspeisung gezahlt. Die Restzahlung erfolgt nach dem Grundsatz der beim aufnehmenden Versorgungsunternehmen vermiedenen Kosten. 81
- Die erhöhte Einspeisungsvergütung wird zeitlich befristet; die Befristung soll sich an der Abschreibungsdauer der Anlagen für die Nutzung der erneuerbaren Energien ausrichten (Vertrauensschutz der Betreiber). Diese - wenn auch noch unverbindlichen - Vorstellungen der gesetzgebenden Gremien sind nur unzulängliche, kosmetische Korrekturen.
4. Welche Lärmbelastungen gehen von Windkraftanlagen aus?
Der Beitrag der durch Windkraft erzeugten elektrischen Energie ist vernachlässigbar gering, aber Windkraftanlagen führen mit ihrer mächtigen optischen Präsenz zu dem Eindruck: Da tut sich etwas für die Umwelt. Unzweifelhaft ist es aber ein Beitrag zur weiteren Belastung der Umwelt, den die Windkraftnutzung beisteuert. Ganze Landschaften der Küstenregion und zunehmend auch Bereiche des Binnenlandes werden in ihrem Charakter entstellt. Diese Landschaftsverschandelung wird von den Menschen unterschiedlich empfunden und registriertund mag für einen Außenstehenden bloß Geschmackssache sein. Aber für die Menschen vor Ort kommt zu der optischen Verschandelung noch die akustische Belastung durch Lärm hinzu. Den Versuchen, eine Minderung der Lärmemission von Windkraftanlagen zu erreichen, sind technische Grenzen gesetzt. Was bisher an Lärmminderung erzielt wurde, wird durch die Leistungssteigerung der Anlagen wieder kompensiert. Der Schutz der im Umfeld der Windenergieanlagen lebenden Menschen ist durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend gewährleistet. Außerdem werden die Richtlinien in einer Weise angewendet, die den Schutzanspruch der betroffenen Bürgerinnen hinter die Interessen der Betreiber der Windenergieanlagen stellt. 82
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Hier zeigt sich der parteiübergreifend vorherrschende Wille, die Windkraftnutzung zu fördern. Weithin sichtbar signalisieren die Windkraftanlagen mit ihren Rotoren umweltpolitisch verantwortungsvolles Handeln. Ein kurzer Aufenthalt in der Nähe einer Windkraftanlage wird in der Regel zu der Äußerung führen: »So laut sind die Dinger doch gar nicht!« Fehlender Sachverstand für die Lärmproblematik und die damit verbundenen Gefahren führt zu diesem ersten oberflächlichen Eindruck. Unsere Sinnesorgane an sich sind belastbar. Erst eine Dauerbelastung mit der Überfülle der Sinneseindrücke kann zu einer oft schleichend eintretenden Schädigung führen. Der von den Windkraftanlagen ausgehende Lärm führt nicht zu direkten Gesundheitsschäden. Dazu sind die auf den Menschen einwirkenden Schalldrücke und Schalleistungen bei den bestehenden Abständen zu gering. Schädigungen durch Lärmbelästigung dieser Art sind vielmehr psycho-vegetativer Natur. Die Belastung kann mit der Störung der Kommunikation beginnen; das Gespräch, der Unterricht, das Telefonat oder das bewußte Hören von Musik werden beeinträchtigt. Auch Kreativität und Konzentration werden durch diese Lärmbelästigung herabgesetzt. Schlaf, Erholung und Entspannung sind nicht in der gewohnten Intensität möglich. 1, 1,2,1 Diesen Aspekt werden vermehrt jene Gebiete zu spüren bekommen, die vom Tourismus leben. Feriengäste, die feststellen, daß ihr Urlaub nicht die erhoffte Erholung und Entspannung gebracht hat, werden künftig woanders Ferien machen. Bei stärkerer Belastung oder bei sensibleren Menschen kommt es zu Schlafstörungen und allgemeiner Müdig84
keit, ja, selbst zu Angstzuständen, was sich schließlich in Streß und Aggressionen äußert .4, .4,1,6 Bei länger anhaltender Lärmeinwirkung - und das ist die Situation für die im Umfeld von Windenergieanlagen lebenden Menschen - kann es auch zu diagnostizierbaren gesundheitlichen Schäden kommen, zum Beispiel zu Magengeschwüren und Depressionen. Die durch Lärmbelastung hervorgerufenen Auswirkungen mindern die Wohnqualität und den Freizeitwert erheblich. Die Ursachenbeziehung zwischen der Lärmbelastung von WKAs einerseits und der gesundheitlichen Schädigung der Nachbarn solcher Anlagen andererseits ist natürlich nicht so klar, wie sie es für die Lärmschwerhörigkeit ist. Man bräuchte Langzeitstudien, um hier eine Kausalität klar aufzeigen zu können. Aber zu unfreiwilligen »Langzeit-Versuchskaninchen« werden schon genug Menschen gemacht. Wie in anderen Bereichen des Umweltschutzes ist es auch beim Lärmschutz schwierig, Zumutbarkeitsgrenzen festzulegen. Zur Regelung unseres Zusammenlebens müssen aber Grenzwerte gefunden werden, um Wirtschaft, Verkehr, Freizeit usw. in einem vertretbaren und notwendigen Maße Raum zu geben. Dabei kommt es aber zu teilweise unverständlichen Kompromissen. So werden manchen Lärmquellen aus überwiegend wirtschaftlichen Zwängen vergleichsweise hohe Lärmraten zugestanden. Dies gilt insbesondere für den Verkehrslärm. Ebenso unverständlich ist, daß den verschiedenen Klassifizierungen der Wohngebiete ein unterschiedlicher Schutzanspruch zugestanden wird. Hat denn ein Bewohner in einem Mischgebiet oder im Außenbereich ein geringeres Schutzbedürfnis als der Bewohner eines reinen Wohn85
gebietes? Häufig müssen eben wirtschaftliche Zwänge entscheiden, wenn andernfalls eine gewerbliche und landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen wäre.' , ' Aber nicht einzusehen ist die Einräumung einer Vorzugsstellung für die Windkraftnutzung. Wenn Kühe im Nachbarstall auch nachts hin und wieder muhen oder wenn ein Mähdrescher in der Haupterntezeit auch einmal in den späten Abendstunden im Einsatz ist oder wenn ein Kühlaggregat gelegentlich anspringt, um die Lebensmittel des nachbarlichen Ladens zu kühlen, dann ist das doch etwas völlig anderes, als wenn der Dauerlärm einer Windenergieanlage die Nachbarschaft drangsaliert. Sicher gibt es viele Menschen, die unter starker Belastung durch Verkehrslärm und andere Lärmquellen leben. Hieraus kann jedoch keinesfalls das Argument hergeleitet werden, daß man eine Dauerlärmbelastung auch allen anderen Mitbürgern zumuten dürfe. Gerade in den nun von der Lärmbelastung durch die Windenergienutzung betroffenen Räumen leben häufig Menschen, die hier eigentlich Ruhe gesucht hatten. Für diesen Vorteil haben sie gewisse Nachteile bewußt in Kauf genommen. Die angewandten Verfahren zur Festlegung und Überprüfung der Zumutbarkeitsgrenzen sind nur von begrenztem Aussagewert. Die Schallenergie oder Lautstärke läßt sich zwar meßtechnisch erfassen, für den Menschen wesentlich ist aber die Bewertung des Schallereignisses, und hier spielen psychologische und soziale Komponenten eine wichtige Rolle. Der rein akustischen Meßtechnik fehlen einfach die Mittel, um diese Faktoren mit zu berücksichtigen. Das Dezibel (dB) ist nicht das geeignete Maß, um 86
Schon bei 45 Dezibel »Anders als der Nikotin- und Teergehalt in Zigaretten hingegen ist Lärm keine physikalisch meßbare Größe, weil das persönliche Verhältnis zur Geräuschquelle von Bedeutung ist. Gemessen werden kann nur der Schalldruckpegel mit der Maßeinheit Dezibel. Trotzdem sind sich Fachwissenschaftler seit Jahren einig: Lärm ist Streß. (...) Eine meßbare Erhöhung des Blutdrucks sowie die Steigerung der Herz- und Atemfrequenz sind die Folge. Mediziner sprechen hier von einer typischen Lärm-StreßReaktion. (...) Labormessungen ergaben, daß schon relativ niedrige Schallpegel in der Größenordnung von 45 Dezibel, das entspricht dem Gebrumm eines älteren Kühlschranks, eine konzentrierte geistige Arbeit auf Dauer beeinträchtigen können. Bei jahrel anger Lärmbelästigung kann es auch zu Magen-Darm- oder Herz-Kreislauf-Problemen kommen.« Auszug aus: Berliner Zeitung, 31.10.1995, von Eric Risch
eine Zumutbarkeit festzulegen. In Ermangelung einer Methodik zur Erfassung des komplexen Vorgangs der Schallempfindung muß notgedrungen mit der verfügbaren akustischen Meßtechnik gearbeitet werden; dabei sollte man aber immer im Gedächtnis behalten, daß es eben nur eine Notlösung ist. Berücksichtigt man diese Einschränkung, kann die akustische Meßtechnik durchaus hilfreich sein. Bedeutsame Werte, besonders für die Bestimmung von Grenzwerten, sind der energieäquivalente Dauerschallpegel (L eq ) oder der Mittelungspegel (L M ). Wird das Schallereignis allein mit diesen Meßwerten beschrieben und fehlt jede weitere Angabe über die Quelle des Schalls und die Eigenarten des Schallereignisses, dann entspricht 87
dies etwa der Aussage: »Hier sind 45 kg« - ohne eine Angabe, ob es sich um Gold, Obst, Sand oder Abfall handelt.
Wie werden Schallmessungen vorgenommen? Bis zum Meßergebnis wird das Schallereignis verschiedenen Manipulationen unterzogen. Üblich ist die Angabe des Mittelungspegels in dB(A). Der Anhang (A) an die Bezeichnung Dezibel (dB) weist auf eine Frequenzmanipulation (Frequenzbewertung) hin. Durch einen Filter werden die tiefen und hohen Frequenzen des Schallereignisses heruntergewertet. Diese »Abwertung« geschieht in Anlehnung an die Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs. Das Hörempfinden ist in einem Bereich um 2000 Hertz (Hz) am ausgeprägtesten. Der Tonanteil im Bereich von 50 Hertz wird um 30 Dezibel heruntergewertet. Diese »Abwertung« ist an der Hörschwelle orientiert. Da der Hörbereich des menschlichen Ohrs aber kein homogener Bereich ist, entsprechen die durch den A-Filter vorgenommenen Anpassungen nicht dem Hörempfinden. Die Nachbildung des Hörempfindens des menschlichen Ohrs in Form eines gleichartig wirkenden meßtechnischen Filters erfordert eine weit über den A-Filter hinausgehende Technik. Da diese Technik noch nicht für den Feldeinsatz verfügbar ist, behilft man sich mit dem A-Filter. Aber Schall, der von Windkraftanlagen ausgeht, hat einen hohen Anteil an tieffrequentem Schall; und deshalb ist eine Frequenzbewertung mittels A-Filter in diesem Fall besonders ungeeignet. Hinzu kommt, daß sich tieffrequente Schallanteile weiter ausbreiten und durch die Windrichtung in ihrer Ausbreitung weniger beeinflußt werden. 88
Die nächste Manipulation ist die Schnelligkeitsmanipulation. Trotz der durch die heutige Elektronik nicht mehr erforderlichen Dämpfung, um zu ablesbaren Ergebnissen zu kommen, ist noch immer die Möglichkeit der Manipulation durch Filterung über ein Zeitglied gegeben. Bei Schallpegelmessungen arbeitet man mit den Einstellungen »slow« (stark bedämpft), »fast« (schwach bedämpft) und »impuls«; das Hörverhalten des menschlichen Ohrs liegt zwischen den Einstellungen »fast« und »impuls«. Üblich ist die Meßeinstellung »fast«, dabei gehen einige i mpulsartige Schallmerkmale verloren. Eine weitere und vom Hörempfinden am stärksten abweichende Manipulation ist die Mittelung. Schallberge und -täler werden gewissermaßen einplaniert zu einem Mittelungspegel. Welchen Verlust an Aussagewert dieses bedeutet, wird vielleicht deutlich, wenn man zur Beschreibung einer Landschaft Höhenunterschiede nicht mehr berücksichtigen würde. Zu dem Mittelungspegel kommen bei besonderen Situationen noch Zuschläge, mit denen sich dann der Beurteilungspegel ergibt.' Dieser Wert ist die Größe, die gegenüber den Vorschrifts-, Verordnungs- und Rechtsgrenzen eingehalten werden muß. Der wesentlichste Zuschlag ist der für Impulshaltigkeit. Zeichnet sich das Schallereignis durch bedeutsame Impulsanteile aus, so ist bei Überschreitung eines bestimmten Wertes (3 dB) ein Zuschlag von bis zu 6 dB zum Mittelungspegel hinzuzurechnen. Bei Unterschreitung dieser Impulshaltigkeitsgrenze wird ein Zuschlag zwar nicht berücksichtigt, aber das Ohr hört die Impulsanteile des Schallereignisses.' Der auf diese Weise manipulierte und vom ursprünglichen Schallereignis total entfremdete Meßwert kann jetzt mit 89
anderen Meßwerten verrechnet werden, nach dem Motto: Äpfel und Birnen, beides ist Obst. So erlauben es Verwaltungsvorschriften, den Lärm der Windkraftanlagen gegen die Belastungen durch Verkehrs- oder anderen Gewerbelärm aus den Schutzansprüchen der Bürgerinnen herauszurechnen. 10 Da für Verkehrslärm die Zumutbarkeitsgrenzen höher liegen, verschwindet der Windkraftlärm in der bloßen dB(A)-Verrechnung. Aber der hörende Mensch unterscheidet sehr wohl zwischen dem sporadisch auftretenden Verkehrslärm einer wenig befahrenen Landstraße und dem Dauerlärm einer Windkraftanlage, ersterer ist vorübergehend und erträglich, letzterer ist lästig. Durch die meßtechnische Reduzierung auf den Mittelungspegel bzw. Beurteilungspegel ist für die Verwaltungsvorschrift diese Unterscheidung verschwunden.
Welchen seelischen und sozialen Schaden kann der Lärm von Windturbinen anrichten? Bei der Überflutung mit Sinneseindrücken, die ständig auf uns einwirken, kommt den ruhigen Zeiten, die unsere Sinne weniger beanspruchen, zunehmende Bedeutung zu. Die Notwendigkeit für dieses Atemschöpfen unserer Sinne wird nicht von allen Menschen erkannt, teilweise sind wir es selbst, die sich einer Dauerberieselung oder Reizüberflutung aussetzen. Da spielt ständig das Radio oder Fernsehgerät im Hintergrund, jegliche Freizeit muß mit multimedialer Unterhaltung gefüllt werden. Die Wohltat, eine alle Sinne betreffende Ruhe zu genießen, diese Fähigkeit ist weitgehend verlorengegangen und muß wieder erlernt werden. Nicht ohne Grund finden wir Streß90
erkrankungen, psychische Leiden und Konzentrationsschwäche bei immer mehr Menschen, zunehmend auch bei jungen Leuten. Die Notwendigkeit einer »Sinnespause« ist zur Schöpfung neuer geistiger Kräfte unabdingbar. Wie häufig man eine solche Sinnespause braucht, hängt von dem individuellen Bedürfnis ab. Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus. Braucht der eine täglich sein Stündchen zum Abschalten, so reichen dem anderen ein ruhiger Urlaub einmal im Jahr. Bei der heutigen Reizüberflutung wird es immer schwerer, eine Gelegenheit zur Sinnespause zu finden. Dabei ist unter Ruhe nicht das Fehlen aller Sinneseindrücke zu verstehen, vielmehr müssen diese nur natürlicher, unbeängstigender Art sein. Ein Spaziergang am Strand mit rauschender Brandung wirkt auf den entspannten Menschen als Ruhe. Ein Blick über eine reizvolle (also durchaus viele Sinneseindrücke vermittelnde) Landschaft wirkt als optische Ruhe. Stammen die Sinneseindrücke aber aus einer technischen Quelle, wie der Schall von Windenergieanlagen, oder wird eine Landschaft durch unnatürliche rotierende Bewegungen verfremdet, ist die Ruhe gestört. Der Mensch ist trotz aller ihn umgebender Technik ein mit Instinkten ausgestattetes Lebewesen, das technisch bedingte Sinneswahrnehmungen anders bewertet als natürliche. Windkraftanlagen geben Schall ab zu allen Tageszeiten; davon betroffen ist das Wohlbefinden der Menschen in der Nachbarschaft. Abstellen kann sie nur der Betreiber, und in dessen Ohren klingelt das Geld lauter als das Laufgeräusch. Windkraftanlagen stehen im ländlichen Raum, in der Nähe von Streusiedlungen und Dörfern. Mit der Wind91
Überall wird heftig über WKAs diskutiert ...
... erbittert gestritten ...
»Heftige Diskussionen löste auf der letzten Versammlung des Holtriemer Landvolkvereins das Thema >Windkraftanlagen< aus. Der Disput gipfelte darin, daß der Vorsitzende des Landvolkvereins, W., seinen Posten niederlegte. W. ist Mitglied der neugegründeten Bürgerinitiative gegen Windparks und macht auch keinen Hehl daraus, öffentlich gegen den Bau der geplanten 35 Mühlen in Holtriem vorzugehen. >Ich stelle meine Flächen nicht zur Verfügung<, so W., der auch fordert, daß beim Mühlenbau der Mindestabstand zu seinen Ländereien eingehalten wird. Um eine Mühle errichten zu können, muß ein Teil seiner >Flächen< überquert werden. >Ein Überwegungsrecht wird es nicht geben. Ich gebe keinen Quadratmeter meiner Ländereien her.< An dieser Argumentation erhitzten sich die Gemüter der anderen Mitglieder des Landvolkvereins - Stimmen wurden laut, daß W. als Vorsitzender nicht mehr tragbar sei. >Da habe ich eben meinen Vorsitz abgegeben<, erklärte der Landwirt. Etliche Bauern hätten daraufhin den Saal verlassen. Früher habe er zwischen den Stühlen gesessen, so Willms. Doch nun habe er den Rücken frei, sich in der Bürgerinitiative zu engagieren.« Auszug aus: Anzeiger für das Harlingerland, 10.4.1996
»Fast immer sitzen potentielle Windkraftbetreiber oder -investoren und Windkraftgegner gemeinsam im Gemeinderat. An der geforderten Entscheidung zur Ausweisung von Windkraftflächen zerbrechen auch langjährige Nachbar- und Freundschaften; nach einer Entscheidung, wie auch immer sie ausfiel, >kennt man sich nicht mehr<.« Auszug aus: Schleswiger Nachrichten, 19.2.1996
Infraschall - unhörbar und doch ein gesundheitliches Gefahrenpotential? Eine viel zu wenig beachtete Gefahr geht vom Infraschall aus. Als Infraschall bezeichnet man Schall mit einer Frequenz unterhalb von 20 Hertz. Für diese extrem tiefen Töne ist das menschliche Ohr unempfindlich, und es bedarf schon sehr hoher Schalldrücke, um ein Hörempfinden auszulösen. Ist aber deshalb Infraschall auch wirkungslos oder unschädlich? Beim Ultraschall jedenfalls (Schall oberhalb von 20000 Hertz) beweisen ja seine medi-
kraftnutzung kommt eine neue Dimension in die dörfliche
zinischen Anwendungsmöglichkeiten, daß er wirksam, obwohl nicht hörbar ist. Also nicht nur das, was unsere
Struktur. Einige Mitglieder der Dorfgemeinschaft berei-
Sinne wahrnehmen, hat Wirkungen. Und so ist es auch mit
chern sich unter Inkaufnahme einer Dauerbelastung der anderen Mitglieder. Eine Abstimmung findet nicht statt,
dem Infraschall.
11-14
die Belästigung wird nicht abgestellt. Die vormals intakte
Es gibt Körperteile, die von Schallwellen im Infraschallbereich angeregt und in Resonanz versetzt werden können;
Dorfgemeinschaft zerbricht. Aus ist es mit der Toleranz,
das hängt von den Abmessungen der Organe, ihrem Auf-
dem gegenseitigen Helfen, der Gemeinschaft im Verein
bau, der Frequenz der Schallwellen und ihrer Intensität ab.
und bei Dorffesten. Ein wichtiges soziales Gut geht verloren.
Körperteile, die angeregt werden können, sind: Augen,
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Gehirn, Magen-Darm-Bereich, Herz. Die Anregung dieser Organe durch Infraschall wird vom Menschen nicht wahr93
... und neuerdings auch demokratisch abgestimmt.
»Bürgerentscheid über Großprojekt an der deutsch-dänischen Grenze. In dem gestrigen Bürgerentscheid votierte eine deutliche Mehrheit gegen den Grenzlandwindpark auf Weesbyer Gebiet. Die auf dem Stimmzettel gestellte Frage >Sind Sie dafür, daß die Gemeinde Weesby den sogenannten deutschdänischen Grenzlandwindpark auf dem Gemeindegebiet abl ehnt?< beantworteten 169 der Stimmberechtigten mit Ja und 135 mit Nein. Da die Ja-Stimmen außerdem mehr als 25% der 357 stimmberechtigten Bürger entsprechen, gilt der Grenzlandwindpark in Weesby als abgelehnt. (...) Nachdem die Gemeindevertretung im vergangenen Jahr die Aufnahme in das Projekt )Grenzlandwindpark( beantragt hatte, brachte die >Bürgerinitiative gegen Windkraft< ein Bürgerbegehren auf den Weg. Nach dem positiven Bescheid der Kommunalaufsicht des Kreises stand einem Bürgerentscheid nichts mehr im Wege. Dieses Abstimmungsergebnis in Weesby, auf dessen Gemeindegebiet allein 30 Windkraftanlagen aufgestellt werden sollten, bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit das Aus für den gesamten Windpark.« Auszug aus: Flensburger Tageblatt, 2.6.1997
genommen, es stellen sich nur die Symptome ein. Woher zum Beispiel die eintretende Sehschwäche kommt, bleibt ungeklärt. Daß als Verursacher auch eine Windkraftanlage in Frage kommt, ist nicht ausgeschlossen; das gilt auch bei Auftreten mangelnder Konzentrationsfähigkeit, bei Herzrhythmusstörungen, häufigem Unwohlsein, Schlafstörungen und unerklärlichen Angstzuständen. 11-11 Windkraftanlagen sind nicht die einzigen Quellen von Infraschall. Auch große Gebäude, Schornsteine, Großventilatoren und andere entsprechende Einrichtungen erzeugen unter bestimmten Bedingungen Infraschall. Aber mit den 94
Windkraftanlagen werden erstmalig ganze Landschaften mit planmäßig errichteten Infraschallquellen belastet. Auf diese Weise kommt es auf dem noch wenig erforschten Gebiet sozusagen unfreiwillig zu einem großen Feldversuch. 2a23 Die Erforschung der Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen steckt noch in den Anfängen. Grenzwerte für die Beeinträchtigung können also noch nicht definiert werden. Die im militärischen Bereich durchgeführten Forschungen mit Schalldrücken, die sogar zur Tötung von Versuchstieren geführt haben, geben hier nur unzureichend Hinweise. Im zivilen Bereich liegen mehrere Untersuchungen vor, bei denen ein individuell stark schwankender Sensibilitätsgrad für die Wirkung von Infraschall festgestellt wurde. Bei den Schalldrücken, denen die Versuchspersonen ausgesetzt waren, handelt es sich um Werte, die weit unterhalb der Hörschwelle lagen. Eine Wirkung von Schalldrücken unterhalb der Hörschwelle im Infraschallbereich ist unter den Fachmedizinern unstrittig. Mit den immer größer werdenden Windkraftanlagen der neuen Megawatt-Klasse wird die Intensität der Schallabstrahlung im Infraschallbereich erheblich erhöht. Diese Tatsache ist physikalisch bedingt und kann durch alle 24 Ingenieurskunst nicht verhindert werden. Erfolge, wie sie bei Verminderung der Schallemission im hörbaren Bereich erzielt werden, gibt es im Infraschallbereich nicht. Die größeren Abmessungen der Rotorblätter, die kleinere Drehzahl der Rotoren und die größere Fläche bei der Passage von Rotorblatt und Mast sind verantwortlich für die höhere Intensität und die weitere Verschiebung des Gesamtspektrums in den Infraschallbereich. Durch den geringen Energieverlust des Infraschalls bei seiner Ausbreitung 95
in Luft ist sein Wirkbereich weit größer als der des hör25,26 baren Schalls. Kontrollmessungen beschränken sich aber fast ausschließlich auf die Erfassung von Meßwerten im hörbaren Bereich, und nur für diesen Bereich gibt es auch rechtlich fixierte Grenzwerte. Für Infraschall besteht . 27,21,2' Handlungsbedarf Gegen Infraschall kann man sich nicht schützen, indem man sich in Gebäuden aufhält. Im Gegenteil, amerikanische Untersuchungen haben gezeigt, daß Infraschall zu Vibrationen in soliden Gebäudestrukturen und an Fenstern führt. Diese Vibrationen werden von den Menschen in den Gebäuden unterschwellig wahrgenommen. 20 So erklären sich auch die Angaben vieler Betroffener, daß sie die Vibrationen in der Wohnung stärker wahrnehmen als im Freien. Vor Infraschall gibt es also nicht einmal die Schutzmöglichkeit, die man gegenüber dem hörbaren Lärm der WKAs hat, wenn man in die Wohnung flüchtet.
Kann mit der weitgehend angewandten Auslegung der Schutzvorschriften eine Sicherung der Rechte der Betroffenen gewährleistet werden? Menschen, die in der Nähe von Windenergieanlagen wohnen, sind natürlich nicht ständig unzumutbarem Lärm ausgesetzt. Windarme und stürmische Tage verschaffen sozusagen »Verschnaufpausen«. Dazwischen gibt es je nach Windrichtung für einzelne Betroffene immer wieder mal Zeiten mit geringerer Belastung. Es wirken also viele Faktoren zusammen, hinzu kommen Luftfeuchte, Temperatur, Luftdruck und gelegentliche Inversionswetterlage. Dadurch wird es aber auch möglich, Ortstermine für Nach96
messungen, beispielsweise auf Einhaltung der Grenzwerte nach der Technischen Anleitung Lärm, zeitlich und örtlich so geschickt zu wählen, daß die durch solche Manipulationen gewonnenen Meßwerte den berechtigten Schutzansprüchen der Betroffenen scheinbar genügen. Aber selbst wenn einmal Verstöße gegen die Vorschriften dokumentiert werden, haben nur wenige Gerichte den Mut, Investitionen in Millionenhöhe mit Betriebsverbot oder Abbauverfügung zu belegen. Da läßt man lieber einmal fünfe gerade sein, zumal die wenigsten die Bedeutung einer Überschreitung der Schalldruckwerte im dB-Bereich richtig einschätzen können. Um so wichtiger ist daher die Wahrung der Schutzansprüche schon in der Planungsphase. Hier liefert die 25 VDI-Richtlinie 2714 »Schallausbreitung im Freien« die wichtigsten Berechnungsgrundlagen für Schallprognosen bzw. Lärmschutzgutachten. Die Ausgestaltung der Anwendung dieser im Grundsatz richtigen Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) liegt aber im Ermessen einseitig interessierter Institute. Die VDI-Richtlinie 2714 basiert auf umfangreichen Untersuchungen zur Schallausbreitung. Studien der Universität Oldenburg (u. a. im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 1989) zeigen zwar einige meteorologische Zustände auf, die zu Schallausbreitungen führen, die über die von der VDI-Richtlinie genannten hinausgehen, im Kern wird die Richtlinie aber durch diese Untersuchungen bestätigt. " Die VDI-Richtlinie bietet die nach heutiger Erkenntnis beste Voraussetzung zur theoretischen Ermittlung von Schallimmissionen, verursacht durch Schallquellen mit bekanntem Schalleistungspegel. Bei der 97
Schallausbreitung im Freien müssen einige Annahmen gemacht werden, die zu gewissen Unschärfen im Rechenergebnis führen können. Die Auswirkungen der getroffenen Annahmen auf die zu erwartende Genauigkeit des prognostizierten Immissionswertes werden in der VDI-Richtlinie 2714 einwandfrei dargelegt. Auch gibt die Richtlinie, wie es sich für professionelle Ingenieurarbeit gehört, eine Standardabweichung an. Diese Richtlinie bietet also gute Voraussetzungen für die Erstellung einer Schallprognose. Wird die Schallprognose im Rahmen von Lärmschutzmaßnahmen vorgenommen (Prognostizierung der Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm), so muß bei der Anwendung der VDI-Richtlinie 2714 mit den maximal möglichen Immissionswerten gerechnet werden. Und gerade in diesem Punkt sind die üblichen Schallprognosen, die in der Planungsphase von Windenergieanlagen normalerweise erarbeitet werden, zu kritisieren: Die VDI-Richtlinie setzt nämlich für die Berechnung einen genau bestimmten Schalleistungspegel der Schallquelle voraus. Bei Windenergieanlagen werden aber in den Schallprognosen nur die bei einem Richtwert (8 Meter/Sekunde Windgeschwindigkeit in 10 Meter Höhe) ermittelten sogenannten immissionsrelevanten Schalleistungspegel eingesetzt. Die Emission der Windturbinen steigt aber mit der Windgeschwindigkeit; das ist unbestritten. Der Forderung zur Einführung von Schalleistungspegeln, die durch die Windturbinen bei höheren Windgeschwindigkeiten erzeugt werden, treten die »Schallprognostiker« in der Regel mit dem Argument entgegen, bei höheren Windgeschwindigkeiten würde der durch die Windturbinen erzeugte Schall durch die Hintergrundgeräusche überdeckt. Das ist nach98
weislich falsch. Es liegen Messungen (im Auftrag der WKA-Hersteller) vor, die selbst bei einer Windgeschwindigkeit von 11 Meter/Sekunde (gemessen in 10 Meter Höhe) noch eine Differenz von über 10 Dezibel zwischen Hintergrundschall und dem von Windkraftanlagen ausgehenden Schall ergeben haben. Eine Ermittlung des immissionsrelevanten Schalleistungspegels bei höheren Windgeschwindigkeiten ist also möglich. Und wenn man sich schon im Feld theoretischer Ermittlung (Prognose) bewegt, warum rechnet man dann die im Bereich bis zumindest 8 Meter/Sekunde Windgeschwindigkeit ermittelten Werte nicht auf die höheren Windstärken hoch? Auch das Windpause-Verfahren (Messung zwischen Böen) ist zur Ermittlung der Schallemission bei höheren Windgeschwindigkeiten geeignet. Windenergieanlagen schalten in der Regel erst bei Windgeschwindigkeiten von 25 Meter/Sekunde ab. Der »magische« Wert für die Windgeschwindigkeit (8 Meter/Sekunde in 10 Meter Höhe) entspricht einer Empfehlung der Internationalen Energie-Agentur (IEA). 39 Um eine Vergleichbarkeit der Kennwerte von Windenergieanlagen zu ermöglichen, wurde dieser Wert als Bezugsgröße festgelegt. Ein weiterer Grund für eine Begrenzung von schalltechnischen Freilandmessungen liegt in den windinduzierten Hintergrundgeräuschen am Meßmikro-42 fon. ist grundsätzlich falsch, die Geräuschent0Es stehungen am Meßmikrofon mit vom Ohr wahrgenommenen Hintergrundgeräuschen gleichzusetzen. Wie bereits oben beschrieben, hört das Ohr anders. Der Charakter der Geräusche ist auch zu unterschiedlich, um vom Ohr (und interpretiert vom Gehirn) als von den Windgeräuschen verdeckt wahrgenommen zu werden. 99
Wie können Windkraftanlagen für das Schallgutachten »frisiert« werden?
Eine Windenergieanlage, an der die Ermittlung des immissionsrelevanten Schalleistungspegels durchgeführt werden soll, wird in der Regel durch den Hersteller ausgesucht, und der Hersteller ist meist auch Auftraggeber des Schallgutachtens. Was unterscheidet nun eine Windturbine, an der ein schalltechnisches Gutachten zur Ermittlung des immissionsrelevanten Schalleistungspegels durchgeführt wird, von einer normalen Windturbine aus der Serienfertigung? Werden irgendwelche Geräte von einem x-beliebigen Hersteller für Gutachten zur Verfügung gestellt, so kann man davon ausgehen, daß diese Geräte besonders sorgfältig hergestellt, geprüft oder sogar besonders behandelt werden. Die Windenergieanlagen, an denen die Hersteller ein schalltechnisches Gutachten zur Ermittlung des immissionsrelevanten Schalleistungspegels erstellen lassen, sind wahrscheinlich ebenfalls mit besonderer Sorgfalt ausgewählt und einer vorherigen Sonderbehandlung unterzogen worden. Dabei kann in langfristig und kurzfristig wirksame Maßnahmen unterschieden werden. Langfristig wirksam sind Sonderausstattungen, die Serienanlagen nicht besitzen. Hier sind zu nennen: akustisch wirksame Entkoppelungsmaßnahmen zwischen Getriebe und Gehäuse sowie zwischen Gondel und Turm, Ausschäumung der Gondelinnenwände mit schallabsorbierenden Materialien, Verwendung von Getrieben mit geschliffenen Zahnflanken sowie von Getriebelagern aus besonderen Auswahlreihen, 100
ferner Auswuchtmaßnahmen an den schnellaufenden Teilen. Vorkehrungen dieser Art wirken sich natürlich auf den Gesamtwert der Schallemission aus und können - ähnlich wie bei der schon beschriebenen Impulshaltigkeit - insbesondere die Vermeidung eines Tonhaltigkeitszuschlages bewirken. Kurzfristig wirksame Manipulationsmaßnahmen sind: Waschen der Rotoren zur Vermeidung von aerodynamischen Geräuschen, die durch Profilveränderungen und höhere Rauhigkeit ausgelöst werden, Verkleben oder Verkitten der Spalten im Rotorenbereich, Ölwechsel auf Öl mit günstiger Viskosität, Veränderung der Steuerelektronik zur Vermeidung von Geräuschen durch die Turmnachführung, Bremsen etc., Betrieb nur in der kleinen Generatorstufe. Die mit der Erstellung der Gutachten beauftragten Institute stehen mit dem Hersteller gewöhnlich in gutem Kontakt. Wenn der Hersteller auch noch ihr Auftraggeber ist, werden sie bemüht sein, den immissionsrelevanten Schallleistungspegel möglichst klein ausfallen zu lassen. Als Beispiele für unabsichtliche oder absichtliche Meßfehler sind zu nennen: Verwendung von Mikrofonen mit Kugelcharakteristik in der Mitwindmessung (hierdurch werden die windinduzierten Geräusche übermäßig betont), Messung ohne oder mit nicht geeigneten Windschirmen, Durchführung der Messung bei begünstigenden Witterungsbedingungen. Hinzu kommt die subjektive Beurteilung zur Verneinung der Erteilung eines Tonhaltigkeitszuschlages, gleiches gilt für den Impulszuschlag. Die absichtlich hoch gemessenen Hintergrundgeräusche werden zur Abwertung der Messung herangezogen. In101
konsequent oder paradox ist es jedenfalls, wenn dieselben Institute, die die Addition von Schallquellen bei der Erstellung von Schallprognosen mit dem Hinweis auf die entsprechende DIN-Norm bei Pegelunterschieden von über 3 Dezibel ablehnen, die Subtraktion der Hintergrundgeräusche bei einer Differenz über 3 Dezibel jedoch durchführen. Mit allen diesen Maßnahmen gelingt es, einen so niedrigen immissionsrelevanten Schalleistungspegel zu ermitteln, der von einer normal betriebenen Serienturbine gar nicht eingehalten werden kann. Kommen dann noch Getriebealterungen, Eisbildung an den Rotoren, Getriebelagerschäden usw. hinzu, haben die mit den niedrigen Werten erstellten Schallprognosen mit der wirklichen Praxis keine Ähnlichkeit mehr. Daher ist die bloße Angabe des ermittelten immissionsrelevanten Schalleistungspegels nicht ausreichend. Es bedarf der genauen Analyse des schalltechnischen Gutachtens. Nicht jedes Institut, auch wenn es zertifiziert ist, arbeitet sauber, und nicht jeder Hersteller läßt sich in die Karten schauen, auch nicht von dem die Messung durchführenden Institut.
Wie kommen WKA-Betreiber zu günstigen Schallprognosen? Schon die Wahl des Aufstellungsortes der zu vermessenden Anlage kann dem Ziel eines geschönten Ergebnisses bei der Ermittlung des Schalleistungspegels dienen. Man bevorzugt Meßorte, wo die Windgeschwindigkeit mit zunehmender Höhe nicht wesentlich stärker wird. Der Kennwert für diese Abhängigkeit heißt Rauhigkeitslänge, 102
und die gewünschten kleinen Rauhigkeitslängen finden sich besonders in der Küstenregion. Für eine Aufstellung im Binnenland heißt das, daß die durch eine größere Rauhigkeitslänge bedingte höhere Windgeschwindigkeit wiederum eine stärkere Schallabstrahlung bewirkt. Häufig werden die ermittelten Schalleistungspegel ohne Berücksichtigung der Nabenhöhe eingesetzt. Wurde der Wert beispielsweise an einer Windenergieanlage mit 40 Meter Nabenhöhe ermittelt, so muß für eine größere Nabenhöhe der Schalleistungspegel mit Berücksichtigung der Rauhigkeitslänge am Standort hochgerechnet werden. Die Höhenunterschiede zwischen Aufstellungsort und Immissionspunkt dürfen eben nicht vergessen werden. Die VDI-Richtlinie 2714 geht von einer mittleren Mitwindwetterlage aus (das sind Windgeschwindigkeiten von 1 bis 3 m/s in 5 Meter Höhe). Durch die Wahl der Mitwindwetterlage wird zwar die Schallausbreitung schon höher angesetzt als bei Quer- oder Gegenwindrichtung, die VDI-Richtlinie 2714 macht aber auch deutlich, daß bei höheren Windgeschwindigkeiten und anderen Wetterkonstellationen mit um bis zu 3 Dezibel höheren Werten gerechnet werden muß. Diese Werterhöhung setzt bei einem Abstand von etwa 100 Metern zur Schallquelle ein, erreicht bei 500 Meter etwa 2,5 Dezibel und pendelt sich bei 1000 Meter Abstand bei etwa 3 Dezibel ein. Obwohl man in den üblichen Schallprognosen für Windparks den Schalleistungspegel der Windturbinen nur auf den beim Richtwert 8 Meter pro Sekunde ermittelten Wert begrenzt, wird der bei 8 Meter pro Sekunde entstehende erhöhte Schalldruckpegel in Mitwindlage nach VDI-Richtlinie 2714 nicht in den Schallprognosen berücksichtigt. 103
Das Raumwinkelmaß (K 0 ), welches additiv in die Rechnung eingeht, wird bestimmt durch die Schallreflexion, die von den der Schallquelle benachbarten Flächen ausgeht. Hierbei ist unter »Fläche« auch eine nicht geschlossene Festkörperstruktur oder eine Schicht mit veränderter Luftdichte zu verstehen. Je nach Charakter der Fläche ist diese mehr oder weniger »schallhart« und trägt dementsprechend zur Reflexion des Schalls bei. In den Schallprognosen wird der K öWert mit + 3 Dezibel eingesetzt, weil der Boden als benachbarte reflektierende Fläche gilt. Masten und Rotorflächen eines Turbinenfeldes sind aber für die vorgelagerten Turbinen eine weitere, wenn auch nicht sehr schallharte, benachbarte Fläche mit Reflexion. Und bei Inversionswetterlagen stellt sich mit der Luftdichtenschichtung noch eine, wiederum nicht sehr schallharte, benachbarte Fläche mit Reflexion ein. Der K öWert ist zwar nicht gleich auf + 6 oder gar + 9 Dezibel nach VDI-Richtlinie 2714 zu setzen, ein Wert über + 3 Dezibel ist aber zumindest für Turbinenfelder berechtigt. Die Luftabsorption hat einen lärmdämpfenden Effekt. Das Luftabsorptionsmaß (D L ) geht linear in die Berechnung ein. In den Schallprognosen wird in der Regel ein Wert von 0,002 Dezibel pro Meter mit dem Abstandsmaß vom Immissionsort zur Schallquelle multipliziert. Dieser Wert ist jedoch nur für eine Oktavmittenfrequenz von 500 Hertz bei einer Lufttemperatur von + 10 °Celsius und einer relativen Luftfeuchte von 70 Prozent nach VDI-Richtlinie 2714 richtig. Die Windenergieanlagen zeichnen sich aber durch hohe Schalleistungspegel in den unteren Frequenzen aus. Bei einer Oktavmittenfrequenz von 250 Hertz und gleichen Luftbedingungen beträgt der Faktor bereits nur noch 0,001 Dezibel pro Meter, das heißt, die Dämp104
fung durch die Luftabsorption ist nur noch halb so groß. Für den Frequenzbereich um 63 Hertz tritt eine weitere Halbierung der Absorptionswerte (D L ) ein. Die Auswirkung von Temperatur und relativer Luftfeuchte ist im Anhang C der VDI-Richtlinie 2714 dargestellt. Niedrigere Temperaturen bedeuten im Bereich der niedrigen Frequenzen auch eine geringere Absorption; der D L Wert muß also weiter heruntergesetzt werden. Höhere relative Luftfeuchten führen ebenfalls zu einer Verminderung der Luftabsorption im Bereich niedriger Frequenzen. Reduziert man den Faktor für die Ermittlung des D,-Wertes von den üblichen 0,002 Dezibel pro Meter auf einen berechtigten Wert von 0,001 Dezibel pro Meter, so bedeutet das in der allgemein kritischen Zone von 300 bis 800 Meter Abstand einen Immissionszuwachs von 0,3 bis 0,8 Dezibel. Die Dämpfungswerte für Bewuchs und Bebauung werden in der Regel bei Schallprognosen fairerweise zu 0 gesetzt. Sollten in Schallprognosen hier Werte eingesetzt sein, so sind sie sehr kritisch zu betrachten. Generell kann davon ausgegangen werden, daß sich bei der Größe der Turbinenfelder nur Objekte mit entsprechend großen Abmessungen (große Wälder, große Bauwerke) als Dämpfungsfaktoren bemerkbar machen. Zu den Schallreflexionen, die an den Immissionsstandorten auftreten, zählen Hauswände, Hecken usw. Entsprechend dem Charakter der reflektierenden Fläche kommt es zu einer mehr oder weniger spürbaren Dämpfung. Im schlimmsten Fall (gerade Wand, Auftreffwinkel 0 Grad) ist die Dämpfung jedoch nur 0 Dezibel. Bedenkt man das hohe Schallpotential in den niedrigen Frequenzen, so ist die stets vorausgesetzte Annahme von nichtkohärenter 105
Reflexion nicht in jedem Fall aufrechtzuerhalten. In bestimmten Abständen zur reflektierenden Wand kann es zu einer Aufschaukelung bestimmter Frequenzen kommen. Die Summe aus direktem Schall und reflektiertem Schall kann also um bis zu 3 Dezibel höher als der ursprüngliche Schall sein. Gravierende Fehler bei der Erstellung von Schallprognosen ergeben sich, wenn bereits bestehende oder geplante Schallquellen nicht mit berücksichtigt werden. Hier sind Gewerbebetriebe, Straßen und natürlich auch Windenergieanlagen im Umfeld zu nennen. Der Beitrag dieser Schallquellen ist häufig sehr beträchtlich. In vielen Fällen wird durch die bereits bestehende Schallbelastung der Grenzwert nach TA Lärm schon erreicht. Hier arbeitet die Musterverwaltungsvorschrift Lärm dem Schutz der Betroffenen sogar entgegen, indem diese Vorschrift eine Mitbewertung von Lärmvorbelastungen stark einschränkt.` Völlig unberücksichtigt in den Prognosen bleiben Effekte, die besonders in Turbinenfeldern mit baugleichen Windenergieanlagen auftreten. Bei Anlagen der getriebelosen Bauart kommt es durch geringe Differenzen bei der Drehzahl der einzelnen Rotoren (bedingt durch die Windverhältnisse) zu Schwebungen. Wie bei dem einstimmigen Zusammenspiel mehrerer ungestimmter Musikinstrumente führen die geringen Tondifferenzen zu unangenehmen Schallerscheinungen. Bei den Windenergieanlagen mit fester Drehzahl ist für gleichartige Schallerscheinungen die nichtsynchrone Passage der Rotorblätter an den Masten oder Türmen verantwortlich. Die VDI-Richtlinie 2714 ist ein gutes Instrument zur Erstellung einer Schallprognose. Wegen der Komple106
xität der notwendigen Berechnung werden jedoch häufig unzulässige Vereinfachungen für die Schallprognosen vorgenommen und falsche Annahmen getroffen. Zur Erstellung werden in der Regel Softwareprogramme benutzt, die eine Berücksichtigung aller Komponenten nicht erlauben. Die teuren Schallprognosen können von den Nichtfachleuten in den Entscheidungsgremien und den Verwaltungsstellen nur dann richtig bewertet werden, wenn sie korrekt erstellt sind und auf einen effektiven Lärmschutz abzielen. Häufig wird behauptet, daß die Prognosen nach der VDIRichtlinie 2714 erstellt worden seien; in Wirklichkeit sind sie nur an diese angelehnt. Zwischen einer sauber und einer schlampig erstellten Schallprognose kann die Summe der Fehler an den Immissionspunkten bis 10 Dezibel betragen. So wird auch verständlich, daß im Umfeld vieler nach solchen Schallprognosen errichteter Turbinenfelder die betroffenen Bürgerinnen zum Protest und Widerstand aufrufen. Exkurs: Leben in der Nachbarschaft großer Windenergieanlagen - Ein Erfahrungsbericht von Frithjof Eckstein, Rastdorf, 1997. Seit 15 Jahren lebe ich mit meiner Familie in der Hümmlinggemeinde Rastdorf mit etwa 900 Einwohnern. Insbesondere in jüngster Zeit ist diese Gemeinde durch den forcierten Ausbau der Windenergienutzung auf engstem Raum bekannt geworden. Inzwischen werden in Rastdorf insgesamt 19 Anlagen mit einer Leistung von etwa 6000 Kilowatt betrieben. Da ich seit Beginn meines Physikstudiums vor 22 Jahren die Windenergienutzung positiv sehe und mich in der Ver107
gangenheit immer für ihren sinnvollen Ausbau eingesetzt habe, begrüßte ich die Aufstellung der ersten 80-KilowattAnlagen in Rastdorf vor nun fünf Jahren. Aufgrund der großzügigen Bezuschussungspolitik sowie der schnellen Genehmigungserteilung zur Errichtung der Windkraftanlagen seitens des Landkreises Emsland wuchsen die Anlagen seit 1995 (mittlerweile durchweg alles Typen der 500-Kilowatt-Generation) in Rastdorf wie Spargel aus der Erde. Während wir im Sommer 1995 noch dachten, mit den Geräuschemissionen der ersten drei Enercon E-40 bei unserem Haus leben zu können, stellte sich in den folgenden Wintermonaten heraus, daß das ein Irrtum war. Denn der Generator dieser vielgepriesenen (weil getriebelosen) Maschine erzeugt einen Ton, der bei stundenlanger Einwirkung auf den menschlichen Organismus nicht ohne Folgen bleibt, wie wir heute nach fast zwei Jahren wissen. Es handelt sich dabei um eine Frequenz im Bereich von 300 bis 330 Hertz, die sich drehzahlabhängig ständig geringfügig nach oben oder unten verändert. Dieses »Heulen« ist zwar relativ leise, und ein Außenstehender wird möglicherweise wenig Verständnis dafür haben, daß man dieses Geräusch als störend empfinden kann. Jedes vorbeifahrende Auto ist ungleich lauter. Es ist aber ein unangenehmes und lästiges Geräusch, das bei ungünstigen Windverhältnissen ständig im Hintergrund zu hören ist und insbesondere dann dominiert, wenn der Verkehrslärm in den Abend- und Nachtstunden oder das Rauschen der Bäume in den Wintermonaten fehlen und sich der Schall bei gefrorenem Boden außerordentlich intensivieren kann. 108
Die Probleme werden jedoch dadurch noch größer, daß gleich mehrere WKAs an einem Standort aufgestellt werden, wie es bei uns der Fall ist. Denn nur selten laufen alle Generatoren mit exakt derselben Drehzahl. In diesem Fall hätte man »nur« eine Verstärkung des oben beschriebenen Geräusches. Sowie aber nur einer der Generatoren mit seiner Drehzahl von den anderen minimal abweicht (und das geschieht aufgrund der sich verändernden Winde ständig), entstehen Frequenzen von beispielsweise 310, 315 und 320 Herz gleichzeitig. Es kommt zu sogenannten Schwebungen, die für das Ohr unerträglich werden, da sie sich ständig verändern, die den Organismus belasten und sich in ihrer Lautstärke kurzzeitig enorm verstärken können. Dieser Effekt ist vergleichbar mit zwei Flötenspielern, die zwar denselben Ton spielen wollen, aber mit leicht verstimmten Flöten spielen. Diese Schwebungen erzeugen wechselnde niederfrequente Schwingungen von teilweise starker Intensität, die auch im Inneren unseres Hauses zu hören sind und Auswirkungen auf unser Wohlbefinden haben. Diese Geräusche sind - bei entsprechender Witterung - allgegenwärtig; man kann sich ihnen praktisch nicht entziehen. Sie treten selbst bei geringer Windstärke auf, besonders in den Abendstunden aufgrund des Rückganges der Nebengeräusche, und sind eine nervliche Dauerbelastung. Daß es sich hier um ein ernstzunehmendes Phänomen handelt, habe ich vor wenigen Wochen bei einem Sonntagsspaziergang auf einem Feldweg zwischen Rastdorf und dem benachbarten Gehlenberg feststellen müssen. Alle WKAs waren in drei bis fünf Kilometer Entfernung zu sehen. Das oben geschilderte Geräusch »stand« über dem Dorf, durchdrang unsere Unterhaltung, unsere Kapu109
zen, alles. Ein Zustand, der uns nachdenklich stimmte bei der gegenwärtigen geplanten Abstandsbemessung von Windparks zu bewohnten Gebieten von teilweise nur 1500 Metern. Die vier großen Windenergieanlagen in der Nähe unseres Hauses sind zu einer fast unerträglichen Belastung für uns geworden. Die Geräusche sind auch innerhalb des Hauses zu hören. Erste gesundheitliche Beeinträchtigungen wie häufige Schlaflosigkeit, Nervosität und Kopfschmerzen mit ihren psychosomatischen Folgeerscheinungen sind bei uns bereits erkennbar. Als Konsequenz daraus ergibt sich, daß es für die Gemeinde Rastdorf und das gesamte angrenzende Gebiet keine sozialverträglichen Standorte für die Errichtung weiterer Anlagen gibt. Ferner sollten in anderen Gemeinden bei der Planung von Einzelanlagen oder Windparks sehr viel größere Abstände zum bewohnten Gebiet eingeplant werden. Von einer Sozialverträglichkeit dieser Technologie kann heute wohl kaum noch die Rede sein.
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5. Wie verträgt sich der Schutz der Natur mit der Nutzung der Windenergie?
Der Beginn der bundesdeutschen Windkraftära liegt eine gute Dekade zurück. Unauffällige Generatoren mit bescheidener Leistung, überwiegend zur Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe oder kleiner Siedlungen gedacht, bestimmten anfänglich das Bild. Welche Entwicklung die Nutzung der Windenergie an der Küste nehmen würde, ahnte damals wohl niemand, und die wenigsten rechneten mit negativen Begleiterscheinungen für Natur, Landschaft und betroffene Bevölkerung. 1987 standen in Niedersachsen gerade 15, in SchleswigHolstein waren es ein Jahr später 30 kleine Windräder. Anfang der neunziger Jahre ließen landespolitische Ziele, hohe Investitionsförderung von Bund und Land und vor allem die Stromeinspeisungsvergütung den Markt für Windenergieanlagen geradezu explodieren. Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes konnten nun Hersteller und Betreiber von Windenergieanlagen prosperieren. Neben Einzelanlagen entstanden sogenannte Windparks. Schon bald war absehbar, daß die modernen und immer größeren Generatoren wegen der Windverhältnisse an der Küste dieselben Flächen beanspruchen würden, die seltene Vogelarten zum Lebensraum hatten, und historische Kulturlandschaften. Aus Naturschutzverwaltung , und -verbänden kamen deshalb frühzeitig Bedenken.' " Man regte an, zur Konfliktvermeidung die Anlagenstand111
zen, alles. Ein Zustand, der uns nachdenklich stimmte bei der gegenwärtigen geplanten Abstandsbemessung von Windparks zu bewohnten Gebieten von teilweise nur 1500 Metern. Die vier großen Windenergieanlagen in der Nähe unseres Hauses sind zu einer fast unerträglichen Belastung für uns geworden. Die Geräusche sind auch innerhalb des Hauses zu hören. Erste gesundheitliche Beeinträchtigungen wie häufige Schlaflosigkeit, Nervosität und Kopfschmerzen mit ihren psychosomatischen Folgeerscheinungen sind bei uns bereits erkennbar. Als Konsequenz daraus ergibt sich, daß es für die Gemeinde Rastdorf und das gesamte angrenzende Gebiet keine sozialverträglichen Standorte für die Errichtung weiterer Anlagen gibt. Ferner sollten in anderen Gemeinden bei der Planung von Einzelanlagen oder Windparks sehr viel größere Abstände zum bewohnten Gebiet eingeplant werden. Von einer Sozialverträglichkeit dieser Technologie kann heute wohl kaum noch die Rede sein.
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5. Wie verträgt sich der Schutz der Natur mit der Nutzung der Windenergie?
Der Beginn der bundesdeutschen Windkraftära liegt eine gute Dekade zurück. Unauffällige Generatoren mit bescheidener Leistung, überwiegend zur Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe oder kleiner Siedlungen gedacht, bestimmten anfänglich das Bild. Welche Entwicklung die Nutzung der Windenergie an der Küste nehmen würde, ahnte damals wohl niemand, und die wenigsten rechneten mit negativen Begleiterscheinungen für Natur, Landschaft und betroffene Bevölkerung. 1987 standen in Niedersachsen gerade 15, in SchleswigHolstein waren es ein Jahr später 30 kleine Windräder. Anfang der neunziger Jahre ließen landespolitische Ziele, hohe Investitionsförderung von Bund und Land und vor allem die Stromeinspeisungsvergütung den Markt für Windenergieanlagen geradezu explodieren. Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes konnten nun Hersteller und Betreiber von Windenergieanlagen prosperieren. Neben Einzelanlagen entstanden sogenannte Windparks. Schon bald war absehbar, daß die modernen und i mmer größeren Generatoren wegen der Windverhältnisse an der Küste dieselben Flächen beanspruchen würden, die seltene Vogelarten zum Lebensraum hatten, und historische Kulturlandschaften. Aus Naturschutzverwaltung , und -verbänden kamen deshalb frühzeitig Bedenken.' ` Man regte an, zur Konfliktvermeidung die Anlagenstand111
orte und Schutzgebiete auseinanderzuhalten und die Turbinen an bereits belasteten Stellen, etwa an Industrie- und Hafenstandorten oder Verkehrsstraßen, zu bündeln. In Niedersachsen, aber auch in anderen Bundesländern, fehlten der Landespolitik und dem Umweltministerium Einsicht und Mut zur Interessensteuerung. Es ging vielmehr darum, »den Einsatz regenerativer Energien wie Windkraftanlagen schnell und in großem Umfang voranzubringen«?' So kam zum Beispiel in Niedersachsen eine einheitliche, landesweite und mit dem Naturschutz abgestimmte Standortplanung bislang nicht zustande.' , " Naturschutz und Landschaftspflege fanden sich nur in kleinmütigen und zögerlichen Naturschutzempfehlungen 29 wieder. Zwar bestritt kaum jemand die negativen Einflüsse von Windenergieanlagen auf die Vogelwelt (Avifauna) und das Landschaftsbild, doch im Zweifel fiel die Entscheidung meist für die Anlagen. Planungsbüros bemühten sich dann mehr oder weniger erfolgreich um die Kompensation des Eingriffes in Natur und Landschaft. Noch immer kursierte das Gerücht, die »positiven Umwelteffekte« von Windenergieanlagen seien per se Ausgleich genug für mögliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, eine besondere Kompensation sei somit nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, daß der Anlagenboom nahezu unvermindert anhält.',"," Doch Mängel bei der Planung, Genehmigung und Ausführung von Windenergieanlagen, der Verzicht auf Vermeidungsstrategien und halbherzige Kompensationsversuche blieben nicht ohne Folgen: Innerhalb weniger Jahre hat sich der Charakter der norddeutschen Küstenlandschaft radi112
kal verändert.` , 17 Auch im Binnenland, vor allem in den Mittelgebirgslagen, werden zunehmend landschaftlich schützenswerte und windexponierte Flächen mit Generatoren zugestellt. Die ersten Gemeinden in Niedersachsen und SchleswigHolstein erkennen nun, daß diesem Wachstum Grenzen gesetzt werden müssen. Sie befürchten Identitätsverluste und Einbußen im Fremdenverkehr. Anfang 1997 liefen in Niedersachsen 1259 Windturbinen mit einer installierten Leistung von 426,5 Megawatt. In Schleswig-Holstein sind es 1351 Anlagen mit 540 Megawatt. 12 Die derzeit größten Windparks Deutschlands stehen mit 41 Anlagen von jeweils 600 Kilowatt in der 35 Gemeinde Utgast, Landkreis Wittmund, und mit 44 Anlagen von jeweils 500 Kilowatt auf der Ostseeinsel Fehmarn. 14 Was diese Zahlen nicht wiedergeben, sind die Dimensionen der Anlagen. Betrug die Nennleistung einer WKA Anfang der neunziger Jahre durchschnittlich 125 Kilowatt, hat heute ein gängiges Modell - bei einer Nabenhöhe von 42 bis 65 Metern und einem Rotordurchmesser von 40 Metern - eine Nennleistung von 500 Kilowatt. Der Trend: Erste 1,5-Megawatt-Anlagen (einschließlich Rotor über 100 Meter hoch) sind bereits im Einsatz und als Elemente künftiger Windparks vorgesehen. Im Januar 1997 wurde Deutschland von der Windkraftlobby zum »Weltmeister« proklamiert. Mit 1650 Megawatt installierter Leistung habe man sogar die Vereinigten Staaten deklassiert. 34 Ein zweifelhafter Sieg, bei dem Naturschutz und Landschaftspflege auf den hinteren Rängen landen.
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Welche Folgen hat die Windenergienutzung für den Naturhaushalt? Hohe Windgeschwindigkeiten und entsprechende Windenergiepotentiale sind vor allem in der Küstenregion Norddeutschlands anzutreffen. Aber diese Gebiete haben gleichzeitig für die Vogelwelt eine Bedeutung, die weit über die Grenzen Deutschlands hinausreicht. Der größte Teil des Wattenmeeres ist nicht zuletzt aus diesem Grund Nationalpark. Zahlreiche Areale im angrenzenden Binnenland haben ebenfalls nationale oder landesweite Bedeutung für die Avifauna und stellen essentielle Komplementärflächen für die Vögel des Wattenmeeres dar .2o, 21 Die Nutzung eines Schutzgebietes als Windpark ist jedoch nicht ohne nachteilige Folgen für die Vogelwelt möglich. Wenn Anlagenstandorte und für die Avifauna bedeutende Flächen nicht räumlich voneinander getrennt sind, werden das Flug- und Zug- sowie das Brut- und Rastverhalten der 4,43 Vögel negativ beeinflußt. Das gilt insbesondere für Bereiche mit hohen Dichten und Beständen, etwa an den Küsten. Nach Untersuchungen in den Niederlanden, Dänemark, den Vereinigten Staaten und Deutschland kommen vergleichsweise wenige Vögel an den Anlagen direkt zu Schaden (Vogelschlag). Die Umsetzung des niederländischen 1000-Megawatt-Programms wird Schätzungen zufolge jährlich 21000 bis 46000 Vögeln das Leben kosten. Die Verluste liegen damit in der Größenordnung von einem Prozent der jährlich dem Straßenverkehr zum Opfer 43 fallenden Vögel. In den Bereichen, wo Rotoren an den Zugwegen der Vögel stehen, und in Zeiten ungünstiger Sicht- und Witterungsbedingungen (Dunkelheit, Wind, Regen, Nebel) massieren sich die Verluste. 114
30000 Windmühlenmonster gegen 12 Millionen Vögel
»So einfach ist das: Wenn eine Fabrik in einem für den Schutz der Natur wichtigen Bereich gebaut werden soll, dann darf nicht nur, dann muß der Naturschutz dies verhindern - sofern i n dieser Fabrik Automobile gebaut werden sollen. Ist aber am selben Standort eine Fahrradfabrik geplant, darf der Naturschutz keine Einwände erheben: Fahrradfahren ist schließlich umweltfreundlich. So einfach, sagen die amtierenden Vogelschützer in Ostfriesl and, sieht Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) die von ihr betriebene >Verspargelung< der Nordseeküste mit Windkraftanlagen. Sie hält es für möglich, 15 000 Megawatt Strom aus Windenergie zu gewinnen. Dazu bräuchte sie 30000 dieser Windmühlenmonster. Und als deren Standort die Küstenregion, weil dort der Wind so schön bläst. Wenn er bläst. Dummerweise ist diese Region der Lebensraum von 12 Milli onen Vögeln - Drehscheibe des ostatlantischen Vogelzuges zwischen Afrika und Arktis und zugleich Brutraum vieler hochgefährdeter Arten. Zu deren aller Schutz ging die Bundesrepublik gegenüber der europäischen Union rechtswirksame Verpflichtungen ein. Er wäre in großen Teilen dahin, käme es zur Verwirklichung dieser ohnehin schon weit gediehenen Verspargelung. Untersuchungen zeigen, daß die in Reihe stehenden Generatoren mit einer Nabenhöhe von bis zu 60 und einem Propellerradius von 33 Metern nebst ihren Lichtreflexen und dem Lärm der Rotoren wahre Schreckenszäune für die Vögel sind, zu denen sie bis zu einem halben Kilometer Abstand halten und die sie daran hindern, bei Hochwasser das Hinterland zur Nahrungssuche zu erreichen. Aber für Frau Greifahn scheinen diese Vogelscheuchen der besonderen Art die besagte Fahrradfabrik zu sein, gegen die der Naturschutz doch im Ernst nichts haben kann, schließlich will Niedersachsen mit der Windkraft einen Schrittweiterkommen auf dem Weg heraus aus der Kernenergie. Sie ließ erklären, die NPartuoscheüzgdniwePläsnihr
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>lästig<. Und eine Karte ihres eigenen Landesamtes für Ökol ogie, in der die für unverzichtbar gehaltenen Lebensräume der Vögel ausgewiesen worden waren, ließ sie, bevor sie sie den Kommunen als Arbeitsgrundlage für 1000 anstehende neue Genehmigungsverfahren zuleitete, >überarbeiten<. Aus der frisierten Karte - mit dem Datum der alten (!) - war eine ornithologisch bedeutsame Schutzzone klammheimlich getilgt worden, eine Zone, die sich von der Küste bis zu zehn Kilometer binnenwärts erstreckt - entlang den Grenzen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer! Als die Naturschützer daraufhin >Fälschung< riefen, verlautbarte Monika Griefahn indigniert, ihr Haus habe lediglich die Daten ihres Landesamtes mit denen des Wilhelmshavener Deutschen Windenergie-Institutes >zusammengeführt<. Der Euphemismus >Windpark< für eine Ansammlung dieser Goliaths an einem Ort läßt grüßen.« Auszug aus: Die Woche, 22.9.1995, von Horst Stern
Als insgesamt gravierender sind jedoch die subletalen Beeinträchtigungen einzustufen. Die Vögel müssen ihre Flugroute ändern, sie müssen die Anlagen weiträumig umfliegen oder über sie hinwegfliegen. Das wirkt sich besonders dann ungünstig auf die körperliche Verfassung aus, wenn die Tiere durch Wanderung, Mauser oder Reproduktion geschwächt sind oder wegen widriger Witterungsbedingungen (hohe Fluten, Stürme, Kälte, Schnee, Eis) ihren Nahrungsbedarf nur mit Mühe decken können. Bekanntlich sinkt die Flug- und Zughöhe der Vögel bei starkem Wind. Beobachtungen aus Schleswig-Holstein ergaben eine mittlere Zughöhe zwischen 50 und 90 Meter über Land, das heißt exakt im Rotorbereich gängiger 23 Windenergieanlagen. Besonders scheu reagieren offenbar Limikolen (Watvögel) und Gänse auf Windenergieanlagen und umfliegen Windparks großräumig.', 23 116
Die niedrigen Flughöhen von Wasservögeln über dem Meer' und die international bedeutenden marinen Rast-, Nahtangs- und Mausergebiete in Nord- und Ostsee (z. B. für Seetaucher, Brandgans, Trauer-, Eis-, Eiderente)13, 42 zeigen, wie problematisch das Wattenmeer im Hinblick auf die Installation von Windenergieanlagen im OffshoreBereich ist. Bau, Betrieb und Unterhaltung von OffshoreWindenergieanlagen werden auch mit erheblichen Störungen benachbarter Rast- und Setzgebiete von Seehunden in Zusammenhang gebracht.19 ' Wat- und Wasservögel überqueren die Deiche ebenfalls oft in geringer Höhe, wenn sie zwischen den Nahrungsgründen im Wattenmeer und den (Hochwasser-)Rastplätzen im Binnenland wechseln. Angestammte Brutplätze werden von den Vögeln gemieden, wenn in der Nähe Windenergieanlagen installiert werden. Den Störungen in der Bauphase folgen dann durch den Betrieb akustische und optische Effekte (Schattenwurf der Rotoren). So haben zum Beispiel Kiebitze nach der Errichtung einer Großanlage (2 Megawatt) ihr Brutgebiet nicht wieder aufgesucht. 37 ' Rast- und Nahrungsplätze, die in Windparks oder in deren Nähe liegen, werden gemieden. Große Brachvögel und Goldregenpfeifer rasten vor allem auf Äckern im küstennahen Binnenland. Ihre Nahrungsgebiete liegen zum Teil im Wattenmeer. Diese Vogelarten meiden Windparks nachweislich: Die Hälfte der beobachteten Goldregenpfeifer hielt eine Distanz zwischen 400 und 500 Meter, der entsprechende Anteil der Brachvögel blieb den Anlagen gut 400 bis 450 Meter fern .41 Zu den direkten Folgen der Windenergienutzung kommen noch die Erschließung abgelegener und wenig besiedelter Gebiete (Wegebau) und die Unterhaltung und Wartung der 117
Anlagen hinzu. Und daß Windenergieanlagen als »ein Zeichen für direkte und umweltfreundliche Energienutzung« angeblich keine Überlandleitungen benötigen, ist schlichtweg falsch.` Das bestehende Leitungsnetz ist nicht auf die Anbindung (größerer) peripherer Stromerzeuger wie die Windparks ausgelegt. Der Bau neuer Freileitungen - mit den bekannten Folgen für die Vogelwelt - ist absehbar, so zum Beispiel für den seit Jahren mit Hinweis auf eine modellhafte Umweltverträglichkeitsstudie immer wieder angekündigten Windpark im Wybelsumer Polder bei Emden (50 Anlagen der 500-Kilowatt-Klasse).
Was passiert mit dem Landschaftsbild? Anders als die Verluste für den Naturhaushalt erschließen sich die Veränderungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen dem Betrachter unmittelbar und ohne naturwissenschaftliche Vorkenntnisse. Die gewachsene historische Kulturlandschaft wird schon an vielen Stellen von Einzelanlagen oder Windparks geprägt. Die Weite der Watten und Marschen erhält eine neue, industrielle Dimension." Windräder kann man hier noch aus 20 Kilometer Entfernung deutlich erkennen: vereinzelt, etwa mit Blick vom Festland auf die Ostfriesischen Inseln, oder - von See her - als optisch geschlossener Anlagenriegel entlang der Küste. Windenergieanlagen konkurrieren nun optisch mit den Leuchttürmen und Kirchen und dominieren diese traditionellen Wahrzeichen norddeutscher Kulturlandschaft. Die Anlagenhersteller preisen die Errichtung ihrer gigantischen Konstruktionen »in Harmonie mit der Landschaft« 118
an und suggerieren, »die farblich abgestuften Türme lassen sich ästhetisch in das jeweilige Landschaftsbild integrie14 ren«. Auch die »Leitlinie zur Anwendung der Eingriffsregelung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes bei 29 der Errichtung von Windenergieanlagen« (im folgenden kurz: Leitlinie) ist von dem Gedanken beseelt, die »Farbgebung der Windenergieanlagen« so zu halten, daß »sie sich in den Naturraum möglichst unauffällig einordnen«. Eigentümer und Betreiber meinen gar, ein landschaftsgestalterisches Gutachten garantiere »die angemessene 35 Einbindung des Windparks in die Natur«. Ein Landschaftsgutachten zu Beginn der Windkraftnutzung hätte durchaus dazu beitragen können, daß sich die Konflikte gar nicht erst derart zuspitzen. Eine solche Ex pertise, im Auftrag des Landkreises Aurich und in der Hoffnung erstellt, »einen Beitrag zur Verbindung von Windenergienutzung und behutsamem Umgang mit der gerade in der Küstenregion besonders wertvollen und schönen Landschaft leisten zu können«, kommt um Jahre zu spät.` Als das Gutachten Ende 1995 erschien, drehten sich allein in der Krummhörn, der historischen Kulturlandschaft zwischen Emden und Norddeich, schon 120 Windräder; 80 weitere sind genehmigt und 75 geplant. Zumindest kommen die Gutachter zu der Erkenntnis, daß Baugenehmigungen erteilt wurden, »wo dies aus ästhetischen Überlegungen eigentlich nicht hätte geschehen dürfen«, und fordern sogar den Rückbau fehlplazierter Altanlagen. Solche Einsicht hätte man sich auch für den Naturhaushalt gewünscht, aber der spielt offenbar keine Rolle. So findet die »landschaftsästhetische« Studie neue »Suchräume« für Windparks selbst in geschützten und schutzwürdigen Gebieten! Sogar im Nationalpark »Nie119
dersächsisches Wattenmeer« sind Windenergieanlagen angeblich denkbar, außerhalb der Schutzgebiete zwar, doch in nächster Nähe der dazugehörigen Ruhezone."
Was nützt das Naturschutzgesetz? Das Beispiel Niedersachsen Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege hat 7 der Gesetzgeber im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wie folgt definiert: »Natur und Landschaft sind im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß 1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, 2. die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, 3. die Pflanzen und Tierwelt sowie 4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind« (§ 1 Abs. 1 BNatSchG). Diesem Paragraphen unmittelbar nachgeschaltet ist ein Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 2 BNatSchG; § 1 Abs. Niedersächsisches Naturschutzgesetz 28 ), das »sonstige Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft« den im Gesetz zuvor genannten Zielen gegenüberstellt. Als »Anforderung der Allgemeinheit« konkurriert zum Beispiel die Nutzung der Windenergie mit den Zielen von Naturschutz und Landschaftspflege. Sie beeinträchtigt nicht nur die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, son120
dern auch die Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft.' Erst langsam erkennt die Gesellschaft die Auswirkungen der Windkrafteuphorie. Bei der Abwägung der Ziele von Naturschutz und Windkraftlobby wird aber bis heute meist und im Zweifel für die Windkraftnutzung entschieden. Anfang 1993 veröffentlichte das Deutsche WindenergieInstitut (DEWI) im Auftrag des Umweltministeriums einen Katalog »geeigneter Flächen als Grundlage der Standortsicherung von Windparks« auf der Basis der Windgeschwindigkeiten. Die Flächenanalyse wurde unter Berücksichtigung der Schutzgebiete (einschließlich Landschaftsschutzgebiete) und Vorranggebiete für Natur und Landschaft vorgenommen. So verblieb ein Standortpotential von durchschnittlich 15 Prozent der Landkreisflächen von Leer bis Stade, Platz genug für mehr als 12000 Megawatt installierter Leistung oder über 24000 Anlagen der 11 500-Kilowatt-Klasse. Damit war die Marschrichtung für die Nutzung der Windenergie bereits abgesprochen, bevor die Naturschutzverwaltung überhaupt zu Wort gekommen war. Aufgrund der Lektüre der »Windkraft-Bibel« des DEWI hatten viele Grundeigentümer, Planer und potentielle Betreiber ihre Claims schon abgesteckt, als im Juni 1993 das Umweltministerium endlich seine Leitlinie 29 präsentierte. Ein weiteres Jahr verstrich, bis das entscheidende Fachgutachten zur Abgrenzung »avifaunistisch wertvoller Bereiche von lokaler und höherer Bedeutung« erschien. Im Herbst 1993 hatten erste Entwürfe einer Karte der »avifaunistisch wertvollen Gebiete« noch Ausschlußgebiete und eine Pufferzone entlang der Küste vorgesehen. Dort sollten vorsorglich »zusammenhängende Feuchtgrünlandbereiche, 121
Lebensräume für Wiesenbrüter und Weißstorch, küstennahe Hochwasserfluchtplätze« und die »Küstenlinie und Wasserläufe mit Leitlinienfunktion« von Windenergieanlagen freibleiben. Die vorbildliche Vermeidungsstrategie des Landesamtes für Ökologie ging der obersten Naturschutzbehörde, dem Umweltministerium, zu weit. Es wies 28 seine Fachbehörde für Naturschutz (gemäß § 57 NNatG) an, diese »wahrscheinlichen Ausschlußgebiete« zu streichen und von dem Terminus »Ausschlußgebiet« gänzlich 30 abzusehen. Im August 1994 erschien die offizielle Kartenversion. Erleichtert registrierte die Windkraftlobby die Signale aus Hannover: »Von großer Bedeutung für die Windkraft war ferner der Abbau administrativer Hemmnisse. In den Genehmigungsverfahren haben die Belange des Naturschutzes in der Vergangenheit häufig zu einer Ablehnung von Bauanträgen für Windkraftanlagen geführt«?' Das sollte sich ändern. Die flächenhaften Vorsorgegebiete zerfielen zu einem Flickenteppich küstennaher Brut- und Rastgebiete. Dabei schnitten die Landkreise Leer und Friesland noch am besten ab. In Aurich und Wittmund verschwanden faunistisch wertvolle Bereiche - bei vergleichbarem Landschaftsinventar - fast vollständig von der Karte. Die Vermutung lag nahe, daß bestimmte, für den Natur- und Vogelschutz wertvolle Flächen für Windenergieanlagen freigehalten werden sollten. Heute stehen Windparks selbst in avifaunistisch national bedeutenden Rastgebieten (Westermarsch, Georgshof/Dornum, Landkreis Aurich). Auch mit strengen Schutzgebieten geht die Leitlinie nicht gerade rücksichtsvoll um. Selbst in Nationalparks und Naturschutzgebieten ist die Zulassung von Windenergie122
anlagen im Einzelfall möglich. Dabei beträgt der Flächenanteil von Naturschutzgebieten in den Küstenlandkreisen gerade zwischen 1,1 Prozent (Wittmund) und 4,2 Prozent (Cuxhaven)." Die gleiche Ausnahmeregelung gilt im Grundsatz für die »avifaunistisch wertvollen Bereiche von lokaler und höherer Bedeutung«. Schutzwürdige Gebiete, Vorranggebiete für Natur und Landschaft (gemäß Raumordnungsprogramm) sowie die nach internationalen Richtlinien und Übereinkommen (EU-Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien; Ramsar-Konvention, Bonner und Berner Konventionen) geschützten Gebiete ohne konkreten landesgesetzlichen Schutz konnten sich nicht als Ausschlußgebiete für Windenergieanlagen qualifizieren. Das betrifft auch die bereits genannten Vorsorgeflächen. In Landschaftsschutzgebieten, wo laut Gesetz »Natur und Landschaft ganz oder teilweise besonderen Schutzes bedürfen« (§ 26 Abs. 1 NNatG), wird für Windparks »im Regelfall eine Entlassung der betreffenden Fläche aus 29 dem Schutz erforderlich werden«. Damit steht dem Abbau von Landschaftsschutzgebieten, deren Flächenanteil an der Küste bestenfalls 6,5 Prozent erreicht (Landkreis Friesland), 39 nichts mehr im Wege.
Greift die naturschutzgesetzliche Eingriffsregelung? Eingriffe im Sinne des Niedersächsischen Naturschutz-
gesetzes (NNatG) sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 7 NNatG). Die Eingriffsrege123
lung ist nicht auf Schutzgebiete beschränkt. Sie verpflichtet den Verursacher zum schonenden Umgang mit der Natur und Landschaft und zu deren Wiederherstellung bei Eingriffen. Bau und Betrieb von Windenergieanlagen unterliegen unbestritten der Eingriffsregelung. Ihre Auswirkungen sind zu minimieren (§ 8 NNatG) und auszugleichen. Die betroffenen Strukturen und Funktionen von Natur und Landschaft sind also wertgleich, raum- und zeitnah wiederherzustellen (§ 10 NNatG). In Anbetracht der erheblichen Probleme bei Verminderung, Ausgleich und Ersatz von Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes hat die Vermeidung dieser Eingriffe höchste Priorität. Eine Vermeidung oder Minimierung der Eingriffsfolgen von Windenergieanlagen ist am ehesten durch Konzentration an wenig sensiblen und an konfliktarmen Standorten zu erzielen. Die »farbliche Gestaltung« der Anlagen dürfte sich hingegen kaum als seriöse Vermeidung oder Verringerung der Eingriffsfolgen bewähren. Die Eingriffsregelung erfordert eine qualifizierte Erfassung und Bewertung der betroffenen Elemente des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes. Nur so sind sinnvolle und angemessene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu entwickeln. Dennoch gibt es Ansätze, die Verpflichtung zur konkreten Kompensation pauschal mit 25 10 DM" oder 10 Quadratmetern »Ausgleichsfläche« pro installiertem Kilowatt zu umgehen. Die Leitlinie des niedersächsischen Umweltministeriums schlägt für das beeinträchtigte Landschaftsbild die Kaschierung anderer, landschaftsuntypischer Bauwerke oder die Wiederherstellung »naturraumtypischer vertikaler 2 Strukturen« vor. ' Sinnvoll erscheint tatsächlich die Be124
seitigung landschaftsfremder Strukturen, etwa die von Fichtenforsten in der Marsch. Unter Umständen würden dann aber die Windenergieanlagen noch mehr auffallen. In jedem Fall ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit Ausgleichsmaßnahmen geboten, 15 um nicht - nach Abwägung - zu Ersatzmaßnahmen zu kommen, die möglicherweise unter die »5-Mühlen-Regelung« 28, 21,19 fallen das heißt schlichtweg entfallen. Als Ausgleich für den Eingriff in den Naturhaushalt sind zum Beispiel verlorengegangene Rast- oder Brutplätze gleichwertig, das heißt nach Arten, Bestandsgrößen und Funktionen identisch wiederherzustellen. Ist ein Eingriff nicht vermeidbar und auch nicht ausgleichbar, dann muß über seine Zulässigkeit entschieden werden. Dabei werden alle Anforderungen an Natur und Landschaft untereinander abgewogen. Nur wenn dabei die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege vorgehen, ist der Eingriff unzulässig. Einen solchen Vorrang billigt die Leitlinie »unter Zulassungsmöglichkeiten im Einzelfall« nur den streng geschützten und avifaunistisch wertvollen Gebieten zu." Verfechter der Windenergienutzung wollen nun glauben machen, jeder mögliche Beitrag zur Verringerung der C0 2 -AnreichugdEatmospäreizuglchnBta zum Naturschutz." Daß die Nutzung der Windkraft »weder Luftschadstoffe, Reststoffe, Abfälle, Abwärme abgibt noch ein atomares Risiko mit sich bringt«, müsse bereits in der Abwägung berücksichtigt werden, meint das niedersächsische Umweltministerium und stellt diese »positiven Umwelteffekte« den Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen gegenüber." In diesem Sinne wurde sogar das Niedersächsische 125
Naturschutzgesetz geändert. Seit 1993 sind Gruppen von weniger als sechs Windenergieanlagen von Ersatzmaßnahmen für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes be28 freit (5-Mühlen-Regelung) . Das klingt verdächtig nach einer »Windwirtschaftsklausel«, die offenbar analog zur berüchtigten Landwirtschaftsklausel die Nutzung einer Ressource zu Lasten von Natur und Landschaft begünstigen soll. Auf diese Weise wird der Irrglaube genährt, der Schutz von Natur und Landschaft habe im Zweifelsfall hinter dem Klimaschutz (durch Windenergieanlagen) zurückzustehen. Goldregenpfeifer, Große Brachvögel und andere Vogelarten werden den verminderten CO, -Anteil in der Atmosphäre indes kaum zu schätzen wissen, wenn ihre Flugwege versperrt und ihre Brut-, Rast- und Nahrungsplätze unter Windparks verschwunden sind. Fällt eine Abwägung zugunsten von Windenergieanlagen aus, dann kommen Ersatzmaßnahmen zum Zuge, die zerstörte Funktionen oder Werte an anderer Stelle des betroffenen Raumes in ähnlicher Weise wiederherstellen sollen (§ 12 NNatG). Der Schwierigkeit, bei Hunderten von Anlagen Ersatz zu leisten, ist der niedersächsische Gesetzgeber mit einer Sonderregelung aus dem Weg gegangen: für bis zu fünf Windenergieanlagen können Ersatzmaßnahmen entfallen. Auch für größere Anlagenkomplexe unterbleibt häufig eine adäquate Kompensation für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Problematisch - auch für den Naturhaushalt - gestaltet sich allenthalben die Suche nach geeigneten Ersatzflächen. Zusammenhängende, störungsarme Gebiete vergleichbarer Ausdehnung und Wertigkeit sind längst Mangelware. So müht man sich um eine 126
»Wertsteigerung« auf kleinsten Flächen - etwa in Form extensiver Bodennutzung. 38 Signifikante Verbesserungen zum Beispiel von Grünlandhabitaten für Wiesenvögel sind jedoch nur mit großflächigem Ersatz erreichbar. Die Liste der Antragsunterlagen zur Eingriffsbeurteilung bei Windenergieanlagen enthält übrigens keinen Hinweis auf eine qualifizierte Beschreibung des Naturhaushaltes in 29 dem betroffenen Gebiet. So entstehen Gutachten, die völlig ohne quantitative Basis auskommen und entscheidende Daten, beispielsweise zum Rastvogelbestand, überhaupt nicht erfassen .17, 38 Entsprechend dürftig fallen dann die Kompensationsvorschläge aus.
Helfen Nationalparks und internationale Vereinbarungen? Wegen seiner weltweit einzigartigen Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt stehen weite Teile des Wattenmeeres an der Nordseeküste als Nationalparks unter Naturschutz. Diese Großschutzgebiete sollen die Gesamtheit des Lebensraumes Wattenmeer, dessen Dynamik und ungestörte Entwicklung sicherstellen. Viele menschliche Aktivitäten sind dort verboten. Auch von Windenergieanlagen ist der Nationalpark (vorbehaltlich der Einzelfallprüfung!) freizuhalten. Bislang existieren nur wenige Einzelanlagen. Doch mit zunehmender Nutzung der Windenergie im Küstenraum wächst die Sorge um die Schutzziele im Wattenmeer. 1991 vereinbarten deshalb die Teilnehmer der 6. Trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres (Esbjerg) als gemeinsames Ziel, »den grundsätzlich positiven Bei127
trag der Windenergie in bezug auf die Umwelt und den Naturschutz und außerdem den Schutz der Vögel und den Erhalt der Schönheit der Landschaft bei der Erzeugung von Windenergie anzuerkennen. Zu diesem Zweck verbieten sie den Bau von Windkraftanlagen im Wattenmeer auf der dem Meer zugewandten Seite der Deiche und der Küste.« Außerdem »berücksichtigen sie beim Bau von Windenergieanlagen auf den Inseln und in einer an das Wattenmeer angrenzenden Zone im Rahmen von Einzelfallprüfungen insbesondere den Erhalt und den Schutz des Gesamtcharakters des Wattenmeeres hinsichtlich Öko8 logie und landschaftlicher Schönheit«. Wie weit die Wirklichkeit von diesen Zielen entfernt ist, läßt der Auswertungsbericht 1994 erahnen, wenn er »erhebliche Unterschiede bei der Umsetzung solcher Regelungen« feststellt.' Restriktionen der Windenergienutzung ergeben sich weiterhin aus den EU-Vogelschutz- und Flora-Fauna-HabitatRichtlinien und den Konventionen von Ramsar, Bonn und Bern. Diese Regelwerke befassen sich mit dem Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräumen im internationalen Kontext. An dieser Stelle sei kurz auf die EU-Vogelschutzrichtlinie 10 eingegangen. Der Anhang 1 der Richtlinie listet beispielsweise Arten auf, die vom Aussterben bedroht oder gegen bestimmte Veränderungen ihrer Lebensräume empfindlich sind. »Die Mitgliedsstaaten erklären insbesondere die für die Erhaltung dieser Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten ...« (Art. 4 Abs. 1). Solche »Besonderen Schutzgebiete« erstrecken sich in Deutschland zum Beispiel entlang der Küsten und Flüsse. Zu möglichen Nutzungsansprüchen 128
in derart geschützten Gebieten hatte der Europäische Gerichtshof 1991 in seinem »Leybucht-Urteil« ausgeführt: Für die Verkleinerung eines »Besonderen Schutzgebietes« können »wirtschaftliche und freizeitbedingte Erfordernisse nicht in Betracht kommen«.'$ Was für den Gebietsverlust bei Eindeichungen (Leybucht) gilt, dürfte auch für die Flächenreduktion durch Windenergieanlagen gelten. Heute stehen Windenergieanlagen auch in Vogellebensräumen, die als »Besonderes Schutzgebiet« ausgewiesen sind. Aus diesem Grund erwägen Naturschützer eine entsprechende Beschwerde bei der EU-Kommission.
Gibt es Versuche, das Naturschutzgesetz zu umgehen? Beispiel Windpark Leyhörn An der ostfriesischen Leybucht läuft seit 1985 das gegenwärtig größte deutsche Küstenschutzprojekt. Ein neuer Deich ragt nun wie eine Landzunge weit ins Wattenmeer hinein. In dem eingedeichten »Leyhörn« sollen strenge Naturschutzmaßnahmen greifen. Seit Planungsbeginn gilt dem exponierten Bauwerk aber auch das besondere Augenmerk der Windkraftlobby. Zunächst verweigerte der Landkreis Aurich in seinem »Regionalen Raumordnungsprogramm« die Einstufung des Leyhörns als Vorranggebiet für Natur und Landschaft. 24 Um die Chancen für einen Windpark auszuloten, ließ der Kreis 1991 und 1992 Zugphänologie und Flugverhalten der Vögel untersuchen.32 Die Ergebnisse der Studie hält die Verwaltung bis heute unter Verschluß. Wenn man weiß, welche herausragende Bedeutung die 129
Leybucht für die Vogelwelt hat, dann liegt die Vermutung nahe, daß der Untersuchungsbericht eben diese Tatsache unterstreicht und deshalb potentiellen WKA-Betreibern kaum Argumente liefert. Den nächsten Vorstoß ins Leyhörn wagte der Auricher WindenergieanlagenherstelElnerco.193wtdasGebivomLnpcht, um 50 Turbinen mit jeweils 1 Megawatt Leistung auf dem Deich zu errichten. Ein entsprechender Antrag lag schon auf dem Tisch des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums. Der Kritik der Naturschutzverbände folgte umgehend das Enercon-Dementi: Man habe gehofft, »den Standort Leybucht aus der öffentlichen Diskussion herausgenommen zu haben«. Wenn schon nicht Enercon, dann sollte auch niemand anders dort bauen dürfen. Auf dem Markt herrsche nämlich »eine geradezu aggressive Vorgehensweise unter einigen Windparkinteressenten und Anlagenherstellern, in bester Goldgräbermanier günstiges Gelände für weitere Windparks an sich zu reißen. Eines der Ziele ist 33 u. a. auch die Leybucht ...«, so der Anlagenbauer. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Im Herbst 1995 qualifizierte ein Gutachten zum Landschaftsbild das Leyhörn als »unmaßstäbliche Kunstlandschaft ohne kulturraumtypischen Charakter« und nahm es in eine Liste von »Suchräumen« für weitere Windparks auf. Zwar sei dort eine »Nutzung für Windenergieparks« wegen des Status Naturschutzgebiet »ungewiß«, allein die Darstellung in Text und Karte weckt alte Hoffnungen» Gerade die Eindeichung der Leybucht hatte die Grenzen von Eingriffen im Wattenmeer aufgezeigt. Selbst der Europäische Gerichtshof kritisierte 1991 die Maßnahme i m Grundsatz und erlaubte ihre Ausführung nur wegen der 130
angekündigten Kompensation und strenger Naturschutzmaßnahmen.' Auf die Windparkpläne und deren Auswirkungen reagierte die EU-Kommission bereits im Januar 1994 mit dem Hinweis, daß auch ein Windpark das »Besondere Schutzgebiet« nicht erheblich beeinträchtigen dürfe.
Beispiel Georgshof Seit 1994 steht der Windpark Georgshof bei Dornum. Dort läßt sich der Landkreis Aurich vom Betreiber 10 DM pro Kilowatt installierter Leistung für das beeinträchtigte Landschaftsbild bezahlen. Die 18 Anlagen mit je 500 Kilowatt kosten den Georgshof-Betreiber 90000 DM, ein Taschengeld im Vergleich zu den Anschaffungskosten von rund 1 Million DM pro Turbine." Mit diesem Geld sollen Grundstücke für den Naturschutz erworben werden. Quadratmeterpreise um 1,80 DM erlauben gerade einmal den Ankauf von 500 mal 100 Quadratmetern, wenn diese überhaupt, geschweige denn zusammenhängend zu bekommen sind. Eine etwa gleichgroße Fläche soll als Ersatz für die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes hergerichtet werden. Diese Praxis ist höchst zweifelhaft, weil ein qualifizierter Bebauungsplan die Ersatzmaßnahmen im voraus und konkret festlegen muß. Die Möglichkeit des Freikaufs von naturschutzgesetzlichen Pflichten, eine moderne Form des Ablaßhandels, sieht das Naturschutzgesetz Niedersachsens nicht vor. Die Bereitstellung von 10 Hektar für einen Windpark, der 60 Hektar (mit Pufferzone etwa 300 Hektar) beansprucht, widerspricht eklatant der Eingriffs131
regelung. Bleibt zu ergänzen, daß der Windpark Georgshof mitten in einem Vogelrastgebiet von nationaler Bedeutung steht, das laut Leitlinie des niedersächsischen Umweltministeriums von Windenergieanlagen freibleiben sollte."
Beispiel Utgast Alles hatte ganz harmlos angefangen. Der Windpark Utgast 1 im Landkreis Wittmund mit 7 Anlagen wurde 1993 ohne große Hürden genehmigt. Das ökologische Begleitgutachten war mager. Zahlenmaterial für die Avi3 fauna fehlte, Rastbestände wurden nicht berücksichtigt. Dennoch passierte diese Planung die Aufsichtsbehörde in Oldenburg. Die Hoffnung, mit dem Verfahren den Bau von Windenergieanlagen auf der restlichen Gemeindefläche auszuschließen, erwies sich als trügerisch. Ein riesiger Windpark mit 100 Anlagen der 300-Kilowatt-Klasse (Utgast II) sollte folgen. Das gigantische Projekt reduzierte sich im Laufe der Zeit auf 41 Anlagen mit je 600 Kilowatt. Der »bisher größte Windpark Europas« ging im Herbst 1996 in Betrieb." Auch bei Utgast II taugte das ökologische Gutachten gar nichts. Das Ingenieurbüro nannte im Bauantrag keine einzige konkrete Ausgleichs38 und Ersatzmaßnahme, zeichnete aber gleichzeitig für Projektplanung und Bauleitung des Windparks verantwortlich. Utgast II beansprucht eine Fläche von etwa 400 Hektar einschließlich Pufferzone. Nach Auskunft des Landkreises Wittmund soll der Eingriff nun mit extensiver Landwirtschaft (verminderte Weideviehdichte, verzögerte Mahd) auf insgesamt 100 Hektar verstreuter Par132
zellen erreicht werden, während das Gutachten immerhin 175 Hektar als erforderlich errechnet hatte." Wesentliche Verbesserungen der Lebensbedingungen der betroffenen Avifauna, wie die Anhebung der Grund- und Grabenwasserstände, lassen sich auf diese Weise nicht realisieren. Für vier weitere Windparkstandorte im Landkreis Wittmund, die einschließlich Pufferzone etwa 500 Hektar beanspruchen, sind auf 70 Hektar undifferenzierte Kompensationsmaßnahmen vorgesehen. Hier war dasselbe Planungsbüro wie bei Utgast II tätig.
Beispiel Elbe-Leitdamm Große Teile des Küstenvorlandes gehören zu den Nationalparks und genießen insofern einen weitreichenden Schutz - auch in bezug auf den Bau von Windenergieanlagen. Mit Rücksicht auf den Schiffsverkehr blieb der überwiegende Teil der Flußmündungen von den Schutzbestimmungen ausgeklammert. Und genau dort setzten Planungen für Offshore-Windparks an. Frühe Pläne von 1991 sahen Anlagen auf Leitdämmen vor (Norddeich, Rysum), wurden jedoch mit Blick auf den Nationalpark abgelehnt. Im Verfahren befindet sich der Jadewindpark bei Wilhelmshaven (27 Anlagen mit jeweils 1,5 Megawatt). Ein weiteres Vorhaben dieser Art betrifft den Elbe-Leitdamm bei Cuxhaven. Nach Vorstellung eines Hamburger Unternehmers sollen dort 13 Anlagen der 1,5-Megawatt-Klasse entstehen. Der Leitdamm verläuft in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nationalpark »Niedersächsisches Wattenmeer« und im Einzugsbereich der Nationalparks »Ham133
burgisches Wattenmeer« und »Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer«. Bei ersten Sondierungsgesprächen im niedersächsischen Umweltministerium wurden 1995 die Bedenken der Naturschutzfraktion vorgetragen. Die Leiter der drei betroffenen Wattenmeer-Nationalparks sprachen sich einhellig gegen das Vorhaben aus und wiesen auf nationale und internationale Naturschutzverpflichtungen hin. Vor allem befürchtete man Störungen der Vogelwelt, zum Beispiel für den weltweit größten Mauserplatz der Brandgans mit 100000 bis 150000 Tieren in der Außenelbe, aber auch die Seehundbestände wären von dem Vorhaben betroffen.` Die Niedersächsische Energie-Agentur versuchte gleichwohl, die Naturschutzverbände für das Vorhaben zu gewinnen und zwischen den Fronten zu vermitteln. Sie plädiert übrigens auch für die Ausdehnung 22 der Einspeisungsvergütung auf Offshore-Anlagen. Die Vogelwarte Helgoland (Wilhelmshaven) sollte ein avifaunistisches Gutachten erstellen. Doch dazu kam es nicht: Zu groß war der Erwartungsdruck der Auftraggeber und zu gering die Chance für eine objektive Darstellung der Avifauna in der Elbemündung. Aber das Projekt scheint immer noch nicht vom Tisch. Darauf deuten zumindest Untersuchungen hin, die sich mit den Auswirkungen der Cuxhavener Offshore-Anlagen auf das Schiffsradar befassen. Nach den begrenzten Vorstößen im küstennahen Raum nimmt nun der Druck der Windenergielobby auf den Offshore-Bereich zu. In der offenen See scheint es aber noch erhebliche technische Schwierigkeiten zu geben, was Material, Bau, Stromabführung und vor allem die Unterhaltung solcher Windenergieanlagen betrifft. Das wird sich sicherlich ändern. Welche Probleme dann aber für den 134
Naturhaushalt entstehen können, läßt sich für einige Vogelarten bereits heute absehen: Bestimmte marine Bereiche sind als Rast- und Nahrungsgebiet für Seevögel von 11, 42 existentieller Bedeutung. Und Seevögel überfliegen das Wasser in sehr geringer Höhe (oft unter 20 Meter)'. Auf europäischer Ebene ist man derzeit um die Umsetzung der EU-Vogelschutz- und Habitatrichtlinien innerhalb der Hoheitsgewässer bemüht. Forschungsvorhaben befassen sich - vor dem Hintergrund der Überfischung mit der Einrichtung störungsfreier Zonen in der Nordsee. 26 Eine Entlastung des Naturhaushaltes ist deshalb von einer Verlagerung der Windenergienutzung in den Offshore-Bereich kaum zu erwarten.
Schlußbetrachtung Am Ende des ersten Jahrzehnts boomender Windkraftnutzung bleiben Natur und Landschaft auf der Strecke. Politische Rahmenbedingungen, Landesprogramme und finanzielle Anreize zugunsten der Windenergienutzung haben in den kommunalen Entscheidungsgremien zu einem Realisierungsdruck geführt, dem Naturschutz und Landschaftspflege kaum standhalten können. Der Bau von Windenergieanlagen - so die landläufige Meinung - diene automatisch entweder dem Naturschutz oder aber dem Umweltschutz; gegebenenfalls müsse der Schutz von Arten und Lebensräumen dabei zurückstehen. In dieser Auffassung zeigt sich das mangelnde Verständnis für die ökologische Komponente des Umweltschutzes. Nicht die Einsicht in tiefere ökologische Zusammenhänge ist es also, sondern die Aussicht auf schnellen Profit, die 135
das Windmühlengeschäft katalysiert. Das Geschäft mit der Entlastung der Umwelt geht dann auf Kosten von Naturschutz und Landschaftspflege. Flächen mit herausragender faunistischer und landschaftlicher Bedeutung können nicht Windenergieanlagen aufnehmen, ohne daß Naturhaushalt und Landschaftsbild erheblich darunter leiden. Eine Suche nach konfliktfreien oder konfliktarmen Turbinen-Standorten hat es weder landesweit noch für naturräumliche Regionen gegeben. Die Instrumente der räumlichen Gesamtplanung haben hinsichtlich der Vermeidung bzw. Lösung des Konfliktes weitgehend versagt. Die Privilegierung von Windenergieanlagen im Baugesetzbuch dürfte die Lage weiter verschärfen. Für grundlegende Gestaltungsansätze ist es heute zumindest an der Nordseeküste zu spät. Dort hat der Windmühlenboom unübersehbare Tatsachen geschaffen, bloß deren endgültige Dimensionen sind noch nicht abzusehen. Wie die Praxis zeigt, verträgt sich der Naturschutz nicht mit der Windenergienutzung. In Deutschland, beim Windkraft-Weltmeister, ist ein Modus vivendi von Windenergienutzung und Naturschutz nicht in Sicht.
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6. Wie können sich Kommunen und Betroffene auf dem Rechtsweg gegen Windkraftanlagen zur Wehr setzen?
Überblick Da die Windkraftnutzung in Deutschland längst über die Planungs- und Experimentierphase hinaus ist und flächendeckende Programme vor der unmittelbaren Realisierung stehen, möchten wir im folgenden Kapitel vergleichsweise ausführlich erörtern, mit welchen Rechtsmitteln betroffene Einzelpersonen, Bürgerinitiativen und Gemeinden dem Bau von Windkraftanlagen entgegentreten können. Anders als beim Widerstand gegen den Bau von Atomreaktoren und Lagerstätten für Atomabfälle wird sich die politische Entscheidung über die Windenergie nicht an einigen Großprojekten wie Kalkar, Wackersdorf oder Gorleben zuspitzen: Hier geht es nicht um einige Dutzend hoch gefährlicher Atomfabriken, sondern um Zehntausende von WKAs, mit denen die Republik überzogen werden soll und die die ganze Landschaft verändern. Hunderttausende von Bürgerinnen und Bürgern werden direkt, täglich und jahrzehntelang mit diesen Anlagen konfrontiert sein. Die Rechtslage darzustellen und für Laien nachvollziehbar zu erklären, ist nicht ganz einfach. Es geht um gesetzliche Bestimmungen auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene. Außerdem sind in bezug auf den Ausbau der Windenergie in jüngster Zeit eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen modifiziert oder neu erlassen worden. 137
Wir konzentrieren uns auf zwei Komplexe. Im folgenden erörtern wir zunächst die Rechtsmittel von Gemeinden, hernach die Rechtsmittel, die betroffene Einzelpersonen einlegen können. Um einen Überblick zu geben, listen wir kurz auf, um welche Fragen es dabei im einzelnen gehen wird: Welche Rechtsmittel können Kommunen gegen den Bau einer Windkraftanlage einlegen? Die Raumordnungsplanung liegt in der Kompetenz der Bundesländer, als übergeordnetes landespolitisches Planungsinstrument kann sie mit der Planungshoheit und kommunalen Selbstbestimmung der Gemeinden kollidieren. Nach dem aktuellen Baugesetzbuch wird die Planung von Windenergieanlagen im sogenannten Außenbereich der Gemeinden vereinfacht (»privilegiert«). - Wie kann eine Gemeinde trotz der sogenannten Privi-
- Wie kann die Gemeinde Schadensersatzansprüche vermeiden?
Die immer größer dimensionierten und leistungsfähigeren Windkraftanlagen der 1,5-Megawatt-Klasse sind von der hinterherhinkenden Gesetzgebung noch gar nicht wahrgenommen worden. Wo immer solche Giganten in Natur- und Landschaftsschutzgebiete gestellt und dafür Ausgleichsmaßnahmen gefunden werden sollen, ist grundsätzlich zu fragen: - Wann muß eine Genehmigung aufgrund des geltenden Naturschutzes versagt werden?
Um den schnelleren und reibungsloseren Bau von Windkraftanlagen voranzutreiben, ist nicht nur deren baugesetzliche Privilegierung verfügt worden, auch die vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfungen für eine solche Anlage sind entschärft worden. - Warum gibt es nur noch eingeschränkte Umweltver-
legierung ihre Planungshoheit ausschöpfen, und den Bau von Windkraftanlagen verhindern, insofern sie zum
träglichkeitsprüfungen vor Errichtung einer Windkraftanlage und was bedeutet dies für den Einzelfall?
Beispiel Bestimmungen des Natur- und Landschaftsschutzes, des Lärmschutzes sowie bestimmte Grundrechte der Bürger verletzt sieht?
Kommunen, die sich gegen den Bau von WKAs wehren, sollten ferner generell prüfen, - ob Landespolitik oder WKA-Betreiber gegen das kom-
- Verstößt die Privilegierung gegen das Grundgesetz und wäre sie damit verfassungswidrig? - Als Übergangsregelung gibt es in bestimmten Fällen auch die Möglichkeit, daß eine Gemeinde einen Genehmigungsantrag zurückstellen kann. - Trotz Privilegierung kann eine Gemeinde durch einen kommunalen Bebauungs- und Flächennutzungsplan die Genehmigung von Windkraftanlagen in bestimmten aus-
gewiesenen Gebieten blockieren oder auf ihrem Gebiet generell verhindern. 138
munale Selbstbestimmungsrecht verstoßen.
Welche Rechtsmittel können Individuen gegen den Bau einer Windkraftanlage einlegen? Betroffene Anwohner sind gut beraten, sich zunächst über Planungsstand und -bedingungen zu informieren. Oft müssen die schweigsamen Amtsstuben zum Reden gebracht werden, dabei können Sie sich - auf das Umweltinformationsgesetz stützen. Sind Sie in Ihren Rechten beeinträchtigt, können Sie sich 139
- mit einem Normenkontrollverfahren gemäß der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Ausweisung und Planung von Flächenfür Windkraftanlagen - oder unter Rückgriff auf das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zur Wehr setzen.
Um Ihre Chancen vor Gericht zu verbessern und besser abwägen zu können, sollten Sie sich mit den Präzedenzfällen vertraut machen: - Wie haben die Gerichte bislang entschieden, was ist die neueste Rechtsprechung?
Windkraftwerke sind Lärmquellen. Ein prozeßrelevanter Text ist bei diesen Auseinandersetzungen - die Technische Anleitung Lärm. Bundeseinheitliche Abstandsregelungen, die bei der Genehmigung und Errichtung von WKAs verbindlich sind, gibt es (bislang) nicht. Deshalb muß immer wieder festgestellt und erstritten werden, - welche Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen einzuhalten sind. Beim Bau von WKAs werden die Betroffenen häufig vor vollendete Tatsachen gestellt. Wenn Sie bei Genehmigungsverfahren übergangen werden, - können Sie sich auf die Verwaltungsgerichtsordnung stützen. Sich gemeinsam zu wehren, Bürgerinitiativen, Einwohnerversammlungen, ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid zu organisieren, kann auch juristisch mehr bewegen als eine einzelne Stimme. Hier ist es nützlich, zu erfahren, - welche Hilfe die Bürgerbeteiligung gemäß Gemeindeordnung bietet. Wenn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor Ihrer Haustür 140
eine Windkraftanlage installiert wird, die Ihnen für die nächsten Jahrzehnte die Sicht versperrt, ist das ein enteignungsgleicher Eingriff, der nach Entschädigung verlangt: - Mit welchen Immobilienwertverlusten muß in der Nachbarschaft geplanter oder errichteter WKAs gerechnet werden?
Mit der Windkraft sind in den letzten Jahren Geschäfte gemacht worden, die zumal bei der Kapitalbeschaffung durch Anlagefirmen nicht koscher sind. Deshalb ist es durchaus nicht unangebracht, zu prüfen, ob unlauterer Wettbewerb im Spiel ist: - Wie kann Anlegerschutz geltend gemacht werden? Schließlich werden WKAs oft auch in Gebieten installiert, wo das Wild vertrieben wird. Warum sollten sich Jagdpächter, deren Interessen verletzt werden, nicht am Schutz der Natur und der Landschaft beteiligen? Deshalb ist zu prüfen, - inwiefern werden durch die Errichtung einer Windkraftanlage die Rechte von Jagdpächtern verletzt?
Welche rechtlichen Wege hat die Kommune, den Bau von Windkraftanlagen einzuschränken oder zu untersagen? Die Vermeidung von Windkraftanlagen durch § 35 Baugesetzbuch Seit dem 1.1.1997 sind mit dem neu ins Baugesetzbuch (BauGB) eingefügten § 35 Abs. 1 Nr. 7 Windkraftanlagen privilegiert. Durch eine andere Einstufung sollen die sonst für den Außenbereich notwendigen Verfahren ver141
einfacht werden, andererseits kann den Gemeinden aber auch eine bessere Handhabe gegeben werden, solche Anlagen im Gemeindegebiet einzugrenzen oder sogar zu unterbinden. Hintergrund für die vermeintlich notwendige Einführung des Gesetzes war eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 16.6.1994. Dieses bestätigte die bisherige Beschränkung auch für Windkraftanlagen im Außenbereich, da solche Anlagen die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen. 50 Jahre lang war der Außenbereich eine »heilige Kuh«. In unserem dichtbesiedelten Land galt es, einen Rest von natürlichen Landschaften durch eine knappe und planerische Begrenzung von Bebauungen im Außenbereich zu erhalten. Aber mit dem Aufkommen der Windkraftanlagen sollte das alles plötzlich nicht mehr gelten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde zum Anlaß genommen, ohne Not eine Gesetzesänderung herbeizuführen, u. a. mit der bis heute nicht nachgewiesenen Behauptung, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts würde ein weiteres Wachstum von Windenergieanlagen behindern. Daß dem nie so war, belegen die Genehmigungszahlen von 1995. In diesem Jahr wuchs die Anzahl der Windkraftanlagen sowohl prozentual wie auch absolut überproportional stark, trotz des angeblich hinderlichen Genehmigungsverfahrens nach altem Recht. Selbst 1996 wurden nur 15,6 Prozent weniger Nennleistung als im Rekordjahr 1995 installiert. Damit lagen die Zahlen noch erheblich über denen des Jahres 1994. Dieser Rückgang, der in Wirklichkeit erheblich geringer war, als er an die Wand gemalt wurde, läßt sich ebenfalls nicht auf die bisherige restriktive Rechtsprechung zur Einstufung von 142
Windkraftanlagen im Außenbereich zurückführen. Auch der angebliche Genehmigungsstau solcher Anlagen bei den Behörden aus dem Jahr 1996 läßt eher darauf schließen: - daß die Unsicherheit über den Fortbestand des Stromeinspeisungsgesetzes weiterwirkte, - daß aus Sorge um eine Änderung dieses Gesetzes besonders viele Anträge gestellt wurden, um möglichst noch unter die alte, geltende Regelung zu fallen und Ansprüche auf die Stromeinspeisungsvergütung nach heutiger Höhe sicherzustellen (im Vertrauen auf gesetzlichen Bestandsschutz für bereits errichtete oder genehmigte Altanlagen), - daß sich 1996 die ausgeprägte Schwäche der wirtschaftlichen Lage in Deutschland auch im investiven Bereich auswirkte und - daß auf das vereinfachte Genehmigungsverfahren (gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) ab dem 1.1.1997 bewußt gewartet wurde, um Kosten zu sparen. Dabei können sich einzelne Gesichtspunkte durchaus widersprechen, da jeder Investor unterschiedliche Interessen verfolgt. Obwohl die Zahlen von 1995 bekannt waren, wurde das Gesetzgebungsverfahren weiter vorangetrieben. Hier scheint es sich um ein klassisches Beispiel für die Unumkehrbarkeit von einmal laufenden (Gesetzgebungs-)Verfahren zu handeln. Statt aufgrund neuer oder aktueller Erkenntnisse das Verfahren zu bremsen, ließ man es weiterlaufen, um sich keine Blößen zu geben, und zeigte sich gegenüber drängenden Interessengruppen sehr nachgiebig. Es ist kaum von der Hand zu weisen, daß auch und gerade mit diesem Gesetz einmal wieder für anderweitiges 143
Entgegenkommen gezahlt wurde. Alle Parteien glaubten, mit diesem Mainstream-Thema nichts falsch zu machen und zugleich ihre Klientel beruhigen zu können. Windkraft entpuppt sich bei näherer Betrachtung einmal mehr als kapitalistisches Anlage- und Spekulationsobjekt privater Interessenten zwecks Steigerung überwiegend privater Renditen auf Kosten des Steuerzahlers und zu Lasten von Natur, Landschaft, Heimat und der Bevölkerung vor Ort. Um solchen Interessen Grenzen zu setzen, bietet dieses Gesetz allerdings verschiedene Möglichkeiten. Diese sind abhängig vom jeweiligen Vorgehen der Bundesländer betreffend das vorangehende Raumordnungsverfahren bzw. den Regional- und/oder Raumordnungsplan. Das Problem einer einheitlichen Bewertung ist die in den Ländern ausgesprochen unterschiedliche Handhabe dieser Raumordnungsplanung. Sie führt schon jetzt zu einer bundesweiten Rechtszersplitterung. In Schleswig-Holstein zum Beispiel werden für die einzelnen Kreise sogar Megawatt-Leistungen vorgegeben (wobei hierin verfassungsrechtliche Vorbehalte evident scheinen), in RheinlandPfalz wird eine sehr eingehende und bemüht behutsame, aber politischen Vorgaben ausgelieferte Regionalplanung bei den zuständigen Bezirksregierungen vorangetrieben, und in Nordrhein-Westfalen wird einerseits durch das »Koordinationsbüro für Zukunftsenergien« und andererseits durch das Nordrhein-Westfälische Bauministerium noch vor Verabschiedung von Raumordnungsplänen nachhaltig auf die Kommunen eingewirkt, Flächen für Windkraftanlagen durch die Bauleitplanung bereitzustellen. (Flächen sind auszuweisen, Vorbehalte und Probleme werden zugunsten von Windkraftanlagen gelöst!) Die grund144
in Nordfriesland brodelt es
»Als besonders windstarke Region erhielt der Kreis Nordfriesland von Kiel die Auflage, bis zum Jahr 2010 Anlagen für die Produktion von 300 Megawatt pro Jahr zu installieren. (...) Dafür sind auf den rund 2000 Quadratkilometern Nordfriesslands über 400 Windmühlen aufgestellt worden, angetrieben
nicht so sehr durch den Wind oder die besonders ökologische
Einstellung der Bewohner, sondern durch Geld. > Hier herrscht Wildwest<, berichtet (Landrat) Bastian, gebaut wurde querbeet, jedenfalls planlos, wo immer es ging. Eine
wahre Wind-Goldgräberstimmung habe die Region erfaßt und das ursprünglich reine Agrarland streckenweise in eine Industrielandschaft verwandelt >Das geht an den Bauch<, sagt Bastian, >es entfremdet die Menschen ihrer Heimat<. Bürgermeister Udo Reichert (...): >Noch mehr Windmühlen akzeptieren unsere Leute nicht.< (...) Motor für den Windboom an der Küste, der nur zu oft das Kri-
minelle streifte, Gemeinden spaltete, Nachbarn entzweite, war und ist das deutsche Stromeinspeisungsgesetz von 1990, das die Stromgesellschaften dazu verpflichtet, aus Wind gewonnenen Strom zu einem viel höheren Preis i ns Netz zu
speisen als üblich. (...) Dank Stromsubvention und Steuerabschreibung sind die Anlagen zu hoch profitablen Betrieben geworden. Bei versprochenen, von Kritikern für realistisch gehaltenen Renditen von rund 20 Prozent stellen WKA für Bauern, die das Land zur Verfügung stellen, längst die >vierte Ernte< dar. >Eine WKA ist wie ein Sechser im Lotto.(« Auszug aus: Züricher Tages-Anzeiger 28.10.1996, von Emanuel La Roche
gesetzlich verankerte kommunale Selbstverwaltung wird auf dem Gebiet der kommunalen Gebietsplanung für Landesinteressen »benutzt« bzw. zur Erreichung landespolitischer Ziele instrumentalisiert, soweit sich Kommunen dazu hergeben und benutzen lassen. 145
Die Landesregierung zieht die Notbremse
»Verkehrte Welt in der Energiepolitik in Schleswig-Holstein: Ausgerechnet die rot-grüne Landesregierung hat der Windenergie vorübergehend eine Flaute beschert. (...) Ein Erlaß der Kieler Regierung verhindert vorerst die Genehmigung weiterer Windmühlen. Regierungssprecher Gerhard Hildenbrand begründete den Schritt mit dem Wildwuchs der Stromspargel vor allem an der Nordsee.(...) Bundestag und Bundesrat hatten im Sommer 1996 die Privilegierung der Windenergie beschlossen. Danach dürfen seit dem 1. Januar 1997 Windanlagen dort errichtet werden, wo die Gemeinde es im Außenbezirk zuläßt. Von 1999 an darf generell gebaut werden, wenn Gemeinden es nicht ausdrücklich in ihren Flächennutzungsplänen ausschließen. Die Akzeptanz der Windmühlen ist aber vor allem an der Westküste immer geringer geworden. (...) Die Gemeinden könnten sich zwar mit Flächennutzungsplänen wehren, aber deren Aufstellung ist teuer. (...) Mit dem jetzt bekannt gewordenen Erlaß schiebt die Regierung der Privilegierung einen Riegel vor. Danach sollen die Bauämter neue Windmühlen bis 1998 nur genehmigen, wenn deren Standort als >Windenergie-Eignungsraum< in einem sogenannten Regionalplan vorgesehen ist.« Auszug aus: Süddeutsche Zeitung 11./12.1.1997
Zwischen den Zeilen: geordneter Rückzug?
»Die Umweltminister der norddeutschen Länder wollen einheitliche Voraussetzungen für die Aufstellung von Windkraftanlagen. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sich die Ressortchefs von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gestern in Schwerin für eine kontrollierte Nutzung und den weiteren Ausbau der alternativen Energiequelle aus. >Die Phase naiver Befürwortung liegt aber hinter uns<, sagte der Schweriner Staatssekretär Ulrich Mann (CDU). In allen Küstenländern gibt es gegenwärtig Antragsstaus für die Errichtung solcher Anlagen. Schleswig-Holstein plant mit einer Kapazität von 2300 Megawatt, Niedersachsen strebt 1300 Megawatt bis zum Jahr 2005 an. In Hamburg sollen derartige Anlagen nur noch in Hafen- und Industriegebieten errichtet werden. (...) Die Genehmigung sogenannter 0ffshore-Anlagen vor den Küsten stoße bei den Umweltministern eher auf Ablehnung, meinte der Umweltminister von Schleswig-Holstein.« Auszug aus: Ostfriesenzeitung, 18.4.1997
3. Die Errichtung einer größeren Anzahl von Windkraftanlagen ist nur durch vorangegangene Planung kon-
Besonders deutlich wird die Problematik in der - im Rahmen der Anhörung des Ausschusses zur Privilegierung er-
folgten - ablehnenden Stellungnahme des Landrats des
Kreises Nordfriesland' vom 25.10.1995. Diese beinhaltet sechs Thesen: 1. Windkraftanlagen sind ein Massenphänomen und deshalb nicht für eine Privilegierung geeignet.
2. Der Ausbau der Windkraft bedarf keiner Privilegierung. 146
trollierbar.
4. Die Privilegierung von Windkraftanlagen gefährdet andere zukunftsträchtige Wirtschaftszweige.
5. Die Privilegierung von Windkraftanlagen untergräbt die Planungshoheit der Gemeinden.
6. Die Privilegierung von Windkraftanlagen reduziert ihre Akzeptanz in der Bevölkerung.
Als traurige Gegenposition kann die Zielvorgabe des nordrhein-westfälischen Bauministers Vesper gelten. Daß
Anlagenbetreiber diese Zielvorgabe in den »Amtsstuben« 147
gerne zitieren oder sogar unter Bezugnahme als überzeugendes Druckmittel nutzen, um möglichst viele der windgünstigen Flächen von den »Amtstuben« ausgewiesen zu bekommen, liegt auf der Hand. Die Raumordnungsplanung ist deshalb stark von den politischen Vorgaben abhängig, wie auch davon, mit welcher Zielsetzung sie normativ ernstgenommen oder mit Leben erfüllt wird. Dabei birgt die politische oder gar ideologische Vereinnahmung eine nicht hoch genug zu veranschlagende Gefahr, der sich die Raumordnungsplaner ohne Rückendeckung nur schwer entziehen können. So überlagert in NordrheinWestfalen die politische Zielvorgabe die fachlichen Argumente eindeutig.' Das wiederum wissen die Wind-Investoren nur zu genau und scheuen sich nicht, diese Situation auszunutzen. Um so wichtiger ist es gerade für die Gemeinden, die Besonderheiten und Gefahren dieser verzwickten Gesetzeslage zu kennen, um selbständig abwägen zu können. Hier sollten die Kommunen, die schließlich die örtliche Bevölkerung vertreten, dieser gegenüber verantwortlich sind und die Folgen als erste durch den Unmut der Bürger spüren, keine voreiligen Entscheidungen treffen und sich im Zweifelsfall gegen solche Anlagen entscheiden. Denn einmal getroffene Entscheidungen, mit allen daraus folgenden Konsequenzen, sind in der Regel nicht mehr rückgängig zu machen.
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Wie kann eine Gemeinde trotz der Privilegierung (gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) ihre Planungshoheit ausschöpfen, um den Bau von Windkraftanlagen zu untersagen?
Der neue Privilegierungsparagraph (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) und seine Ziele wie auch Ermessensspielräume bewegen sich im Rahmen der im Baugesetz vorgenommenen gesetzlichen Veränderungen (§§ 35, 36 und 245b BauGB). Speziell zur Privilegierung sind inzwischen zahlreiche juristische Aufsätze und Erläuterungen ver3 öffentlicht worden. Und wenn sich bisher vor allem an der Gesetzgebung Beteiligte dazu schriftlich geäußert haben, kann man von einer Diskussion oder gar von einer herrschenden Meinung nicht sprechen. § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB ist durch die Behörden zu beachten und abzuwägen. Er gibt den Bürgerinnen als Betroffenen keinen Rechtsanspruch. Privilegierung im Außenbereich (§35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) Hiernach sind Windkraftanlagen im gemeindlichen Außenbereich privilegiert, das heißt, sie bedürfen gegebenenfalls weniger genehmigungsrechtlicher Schritte als bisher. Grundsätzlich sind dies jetzt noch - die Raumordnungs- oder Regionalplanung durch die Länder bzw. Bezirksregierungen, - die Flächennutzungsplanung durch einen Entscheid der jeweiligen Gemeinde und - die Baugenehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde. 149
Je nach Raumordnungsplan ist ein Flächennutzungsplan nicht mehr erforderlich, jedoch sinnvoll. Ein nicht mehr notwendiger Bebauungsplan gibt Gemeinden verschiedene Möglichkeiten, die Errichtung von Windkraftanlagen zu planen und zu steuern. Planvorbehalt der Gemeinde (§ 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB) Dieser Paragraph wurde in das Baugesetz aufgenommen, um den Bau von Windkraftanlagen zu kontrollieren. Der dort eingefügte Planvorbehalt ermöglicht es der jeweiligen Gemeinde unter Einbezug/Berücksichtigung der jeweiligen Regionalplanung sowohl - im Gemeindegebiet positive Standortzuweisungen (durch Darstellung in einem Flächennutzungsplan) an einer oder sogar mehreren Stellen des im Regionalplan vorgesehenen Gebiets für Windenergieanlagen auszuweisen und die restlichen Flächen von solchen Anlagen freizuhalten oder - im Gemeindegebiet keine Standortzuweisungen für Windenergieanlagen auszuweisen (§ 36 Abs. 1 BauGB), - keine Gebiete für Windkraftanlagen ausweisen zu müssen, wenn der Regionalplan im Gemeindegebiet keine Eignungs- oder Vorranggebiete für solche Anlagen vorsieht (Ausschlußprinzip). Ein Regionalplan kann also schon für sich Ausschließungsgrund für WKA-Standorte außerhalb der durch diesen Plan festgelegten Fläche sein. Eine Bindungswirkung ist um so strikter, je umfassender alle maßgeblichen Gesichtspunkte des jeweiligen Standorts berücksichtigt wurden. Die durch einen Regionalplan vorgesehene Fläche für Windkraftanlagen kann wiederum durch einen gemeindlichen Flächennutzungsplan verkleinert werden. Wichtig 150
ist hierbei die je nach Bundesland unterschiedliche Ausschlußfunktion für Windkraftanlagen durch die Funktion des jeweiligen Regional- bzw. Raumordnungsplans. Es ist ratsam, einen derzeit gültigen Flächennutzungsplan zu ändern. Denn Untätigkeit kann zu unerwünschten Genehmigungen führen, insbesondere dann, wenn die Raumordnungsbehörde im jeweiligen Gemeindegebiet Flächen als für Windkraftanlagen geeignet ausgewiesen und einen Raumordnungsplan/Regionalplan verabschiedet hat. Dann könnte ein Windanlagenbetreiber womöglich trotz (überholten) Flächennutzungsplans einen Baugenehmigungsantrag bei der zuständigen Baubehörde einreichen und hätte unter Bezugnahme auf den Raumordnungsplan sogar einen weitgehenden Anspruch auf Genehmigung! Deshalb ist neben dem Raumordnungsplan ein Flächennutzungsplan durch die Gemeinde unerläßliche Voraussetzung, um durch den Flächennutzungsplan den Raumordnungsplan für Windkraftanlagen einzugrenzen bzw. solche Anlagen vollständig auszuschließen, sofern örtliche städtebauliche Belange dies rechtfertigen. Dazu genügt keine lediglich Windenergieanlagen ausschließende Entscheidung. Vielmehr ist eine sogenannte Städtebauliche Begründung (Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan) unerläßlich. Andernfalls müßten möglicherweise auch dann Genehmigungen erteilt oder könnten sogar erklagt werden. Argumente für eine solche Begründung sind: - Landschaftsschutz, - Schutz des Fremdenverkehrs (Tourismus), - Anwohnerschutz/Gesundheitsschutz, - Lärmschutz (insbesondere Impulsgeräusche), 151
- Naturschutz, - Schutz von Baudenkmälern, - Schutz öffentlicher Belange. Solche Gründe können einer Planung von Windenergieanlagen (gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB) entgegenstehen. Sie können gegebenenfalls bereits vollständig oder in Teilen im Raumordnungsplan berücksichtigt worden sein. Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Landschaftsbildes und der natürlichen Eigenart der Landschaft werden in Verbindung mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG) im sogenannten Huckepackverfahren von der Baugenehmigungsbehörde mit geprüft (siehe unten). Die Gemeinde bzw. zuständige Baubehörde kann (gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 BauGB) ihr im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erforderliches Einvernehmen bereits von sich aus aus vorgenannten Gründen verweigern, unabhängig von einer »positiven« oder »negativen« Darstellung von Vorrangflächen für bzw. gegen Windkraftanlagen. Eine Versagung kommt erst recht in Betracht, wenn ein Antrag dem Raumordnungsplan oder dem verabschiedeten Flächennutzungsplan widerspricht. Weiterhin können Nachbargemeinden für alle gemeinsam planenden Gemeinden einen speziellen Standort für alle Gemeinden zusammen ausweisen und alle anderen Gebiete der gemeinsam planenden Gemeinden für Windkraftanlagen ausschließen (§ 204 BauGB), soweit dies nicht bereits durch die Raumordnungsbehörde entschieden wurde. So können zwei, drei, vier oder gar fünf Gemeinden sich zusammenschließen und sich gemeinsam auf eine Fläche einigen, auf der ausschließlich Windkraft152
anlagen zur Genehmigung in Betracht kommen, selbst wenn in diesem Gebiet aufgrund der Fläche zum Beispiel nur drei Anlagen oder gar nur eine installiert werden können. Auch besteht so die Möglichkeit, großzügiger geplante Flächen der Raumordnungsplanung durch einen gemeinsamen Flächennutzungsplan entschieden zu verkleinern. Allerdings ist auch hier eine umfassende Begründung unerläßlich. Soweit die Gemeinden bereits vor der Verabschiedung durch die Raumordnungsbehörden auf öffentliche Belange hin gehört wurden, sind die zwischenzeitlich neu oder zusätzlich gewonnenen Erkenntnisse besonders herauszustellen. Die Neuregelung beinhaltet auch die planerische Steuerungsmöglichkeit, daß bei »raumbedeutsamen Windenergieparks« (in der Regel zwei/fünf Windanlagen und mehr mit verpflichtendem Einbezug von Nachbargemeinden) die Regionalplanung (zuständig ist in der Regel die Bezirksregierung) Gebiete für solche »Windenergieparks« ausweist bzw. ausweisen kann. Da der neue Privilegierungsparagraph zum Ziel hat, Einzelanlagen in Zukunft zu vermeiden (und Windparks trotz ihrer unverhältnismäßig größeren Beeinträchtigungen zu begünstigen), und da Windparks in der Regel aus vielerlei taktischen Gründen häufig in mehreren Schritten durchgeführt werden, ist jede Planung von mehr als fünf Windenergieanlagen unabhängig von der Größe der geplanten Anlagen als »raumbedeutsam« einzustufen. Dieses Kriterium sollte jedoch auch schon bei einer geringeren Anzahl der inzwischen überdimensionierten Windkraftanlagen der neuen Generation (Gesamthöhe von 100 Metern und mehr) anzuwenden sein. Je nach Größe und örtlicher Situation kann 153
schon eine Anlage raumbedeutsam sein. Auch dies gibt den Gemeinden, in deren Gebiet die Regionalplanung Flächen als »positiv« für »Windenergieanlagen« ausgewiesen hat, die Möglichkeit, unter anderem aus oben genannten Gründen und unter Bezug auf die Regionalplanung, kleinere Flächen auszuweisen, als durch den Raumordnungs- oder Regionalplan als geeignet ausgewiesen wurden. Um sich die gesetzlich gesicherte Planungshoheit über das Gemeindegebiet uneingeschränkt zu sichern, sollten die Gemeinden im eigenen Interesse frühestmöglich ihre Vorbehalte bzw. Interessen der Landesplanungs- bzw. Raumordnungsbehörde gegenüber deutlich anmelden. In der Regel werden die Gemeinden im Laufe der Planungen angehört. Allerdings sind sich viele Gemeinden oft nicht völlig im Klaren über die Folgen und Konsequenzen von Windkraftanlagen wie auch deren Planung in ihrem Gemeindegebiet und aller damit einhergehenden Probleme. Häufig wurde aus diesem Grund im Vorfeld den Raumordnungsbehörden durch die Gemeinden lediglich mitgeteilt, daß sie der Windenergie aufgeschlossen gegenüberstünden. Damit »mußten« die Raumordnungsbehörden Eignungs- bzw. Vorranggebiete umfangreicher planen, als ihnen womöglich lieb war und ist. Da sich manche Erkenntnisse erst später ergeben, sollten und können Gemeinden auch nachträglich, allerdings unverzüglich, noch vor oder nach Verabschiedung des Raumordnungsplans, jedenfalls aus Gründen »öffentlicher Belange«, Vorbehalte gegen Windkraftanlagen deutlich artikulieren. Denn eine Genehmigung von Windkraftanlagen kann möglicherweise dann nicht mehr (gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz BauGB) versagt werden, wenn »die 154
bekannten Belange« der Gemeinde bereits bei der Darstellung der Vorhaben als Ziele der Raumordnung umfassend abgewogen und zwischenzeitlich eingetretene weitere Belange nicht angemeldet wurden. Sind dann keine oder kaum wesentliche Belange vorgetragen worden oder ist ein Flächennutzungsplan im Hinblick auf Paragraph 35 Baugesetzbuch nicht geändert worden, gilt der verabschiedete Raumordnungsplan als Baugenehmigungsgrundlage. Das gilt unter Umständen auch dann, wenn der Flächennutzungsplan ohne weitere Begründung anderweitige (kleinere) Gebiete ausweist, als nach der Raumordnungsplanung vorgesehen. Ein dennoch entsprechend dem Raumordnungsplan gestellter Bauantrag eines WKA-Investors muß dann möglicherweise genehmigt werden, auch außerhalb des durch einen Flächennutzungsplan eingegrenzten Gebietes, wenn auch innerhalb des durch den Raumordnungsplan vorgesehenen Eignungsbereichs für Windkraftanlagen. Der Privilegierungsparagraph (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) spart den Investoren in Zukunft erhebliche Planungskosten. Erbracht und ermöglicht wird das alles durch die Planungsvorleistungen und Gesetze der öffentlichen Hand und auf deren Kosten. Und so werden den Investoren die ohnehin schon hohen Renditen noch schmackhafter gemacht! Was gibt es für einen Investor schöneres als ein subventioniertes Tischleindeckdich - und das in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und mit steuerbegünstigten Investitionen, die nicht einen Arbeitsplatz in der betroffenen Region schaffen.
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Verstößt die Privilegierung (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) gegen das Grundgesetz und wäre sie damit verfassungswidrig? Die Privilegierung (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Artikel 2, 3, 12, 14 und 20a des Grundgesetzes. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich schon aufgrund der Frage, ob die im Gesetz für Ausnahmefälle vorgesehene »Privilegierung« teleologisch und tatsächlich mit der jetzt entstehenden unüberschaubaren Anzahl von Tausenden von »Privilegierungen« von WKAs in Übereinstimmung gebracht werden kann. Aufgrund der Privilegierung scheinen auch die garantierten Grundrechte nicht mehr für alle Bürgerinnen gleichermaßen zu gelten: - Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) gilt für alle, ausgenommen solche Menschen, die 30 Jahre und länger psychische und physische Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen ertragen müssen. - Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (Art. 3 GG), ausgenommen solche, denen Windkraftanlagen vor die Nase gesetzt werden, ohne sich dagegen wehren zu können. - Die Berufsfreiheit wird garantiert (Art. 12 GG), ausgenommen für solche, die durch Windkraftanlagen daran gehindert werden. - Der Schutz des Eigentums wird gewährleistet und Enteignungen sind nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig (Art. 14 GG), das gilt nicht für BürgerInnen, denen vor die eigene Haustür Windkraftanlagen gesetzt wer156
den und die dadurch eine Wertminderung ihres Eigentums von 50 Prozent und mehr hinnehmen müssen, ohne jeglichen finanziellen Ausgleich, obwohl Windkraftanlagen nicht gemeinwohlpflichtig sind und obwohl die Windanlagenbetreiber mit staatlicher Unterstützung über 20 Prozent Rendite auf Kosten und zu Lasten betroffener Dritter (nämlich der benachbarten Grundstückseigentümer) erwirtschaften können. - Die Staatszielbestimmung zum Schutz der Umwelt (Artikel 20a Grundgesetz) wird durch Windkraftanlagen nachhaltig und massiv verletzt. Ferner kann die Privilegierung in einigen Bundesländern aufgrund landesgesetzlicher Normen zu dem verblüffenden Ergebnis führen, daß bei enger bzw. strikter Gesetzes- und Verfahrensauslegung die Bürgerinnen in keinem Stadium des Verfahrens mehr angehört werden müssen oder Einwendungen machen können und ihnen in dem noch notwendigen Genehmigungsverfahren rechtlich begründete Verhinderungen verwehrt bleiben, da Investoren aufgrund der Raumordnungsplanung gegebenenfalls einen Anspruch auf Genehmigung haben. Ausgenommen und erhalten bleiben die unmittelbaren nachbarschützenden Rechte. Durch die sogenannte Privilegierung der Windkraftanlagen wird aus einer ursprünglich vorgesehenen Ausnahmeregelung die Regel. Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn diese gesetzliche Regelung jegliche Bürgerbeteiligung unberücksichtigt läßt, obwohl bundesweit Bürger und Bürgerinnen in unmittelbarster Weise und nicht selten massiv durch solche Anlagen betroffen sind und sein werden. Besonders bedenklich sind die nicht verfassungskonformen Abstandsregelungen, ge157
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rade im Hinblick auf die immer gigantischeren Windkraftanlagen mit 115 Metern Höhe, in Windparks von zehn solcher Anlagen und mehr. Die zum Teil massiven akustischen und optischen Einwirkungen aufgrund dieser willkürlichen Abstandsregelungen greifen unverhältnismäßig in Leben, Gesundheit und Eigentum der betroffenen Menschen ein. Hier besteht ein gesetzlich nicht geregelter Bereich. Immissionsschutzrechtliche Bestimmungen füllen diese Gesetzeslücken nicht.
Wie kann eine Gemeinde einen Genehmigungsantrag zurückstellen? Mit der ebenfalls neu eingeführten Vorschrift § 245 b Baugesetzbuch erhalten die Gemeinden (gemäß § 245b Satz 1 BauGB) die Möglichkeit zur Zurückstellung von Anträgen über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen bis zum 31.12.1998. Diese Zeit ist den Gemeinden vom Gesetzgeber ausdrücklich zur Planung und Entscheidung für oder gegen Flächen zur Windkraftnutzung eingeräumt worden. Gerade bei widerstreitenden Abwägungen sollte und kann dieser Zeitraum in vollem Umfang genutzt werden. Einem entsprechenden Aussetzungsantrag der Gemeinde bei Vorliegen eines Bauantrags (o. ä.) muß die Baugenehmigungsbehörde entsprechen. Diese Zurückstellung wird (gemäß § 245b Satz 2 BauGB) auch der für Raumordnung zuständigen Landesplanungsbehörde (Bezirksregierung) eingeräumt. Aber leider wird hiervon nicht genügend Gebrauch gemacht. Angesichts der zum Teil erschreckenden Erkenntnisse in Norddeutschland sollte besonders von den mit den massiven 158
negativen Folgewirkungen für Mensch, Natur und Landschaft wenig vertrauten Behörden im Binnenland eine Denkpause eingelegt werden, um zu abgewogeneren Entscheidungen zu kommen. Deshalb sind die Gemeinden derzeit grundsätzlich (je nach Handhabung in den einzelnen Ländern) erst zu einer Entscheidung gefordert, wenn die Landesplanungs- oder Raumordnungsbehörden überhaupt Gebiete zur Windkraftnutzung ausgewiesen haben (etwas anderes gilt neuerdings in Nordrhein-Westfalen). Aufgrund der sich zunehmend schwieriger darstellenden (positiven) Zusammenhänge zwischen vermeintlichen Vorteilen von (immer größeren) Windenergieanlagen und deren erheblichen erfahrungsbedingten Nachteilen sowie den einseitigen, ausschließlich finanziellen Interessen durch die Errichter und Betreiber solcher Anlagen sollte dieser mögliche Zeitraum ausgeschöpft und umfassend für eine in jeder Hinsicht weitgehende und die Folgen bedenkende Entscheidung genutzt werden. Beispielhaft ging - die im übrigen vehement für Windenergie eintretende - Landesregierung von SchleswigHolstein voran. Ein Erlaß der dortigen Landesplanungsbehörde von Anfang 1997 schreibt vor, daß Bauämter bis 1998 neue Windkraftanlagen nur dann genehmigen dürfen, wenn deren Standorte als »Eignungsraum« in einem verabschiedeten, fortgeschriebenen Regionalplan vorgesehen sind, mit gleichzeitigem Ausschluß aller anderen Gebiete. Nordrhein-Westfalen ging mit dem Erlaß vom 29.11.1996 den umgekehrten Weg. Bis verabschiedete Raumordnungspläne/Regionalpläne vorliegen, dürfen/sollen die Gemeinden großzügig selbst entscheiden. Dies führte zu 159
massiver Kritik - auch zwischen den dort regierenden Parteien - wegen der zu erwartenden unkoordinierten Planungen, die durch das Gesetz gerade vermieden werden sollten.
Wie kann eine Gemeinde durch Bebauungs- und Flächennutzungspläne die Genehmigungen von Windkraftanlagen eingrenzen? Wie bereits angeschnitten, haben betroffene Gemeinden in Zukunft die theoretische Möglichkeit, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von WKA durch Festsetzungen im Flächennutzungsplan (gemäß §§ 4ff. BauGB) oder einem späteren (nicht zwingend notwendigen und wegen der Kosten zukünftig vernachlässigbaren) Bebauungsplan (gemäß §§ 14, 15 BauGB) oder gar einem Vorhaben- und Erschließungsplan konkret zu regeln bzw. zu erschweren oder sogar über den Raumordnungsplan/Regionalplan hinaus zu erweitern. Eine Konkretisierung im Flächennutzungsplan kann zum Beispiel durch planerische Festsetzungen erfolgen. Zu nennen sind hier Einschränkungen von Masthöhen (auf z. B. 30 Meter) und Rotordurchmessern, angemessene Abstandsregelungen von 1200 Metern und mehr, niedrigere Grenzen von dB(A)-Lärm-Werten, als es die TA Lärm vorschreibt usw. Die Gemeinden sollten ihre vielfältigen Ermessensmöglichkeiten nicht ungenutzt lassen, wenn denn schon Windanlagen - aus welchen Gründen auch immer - errichtet werden müssen. Die Abhängigkeit des Windanlageninteressenten von den Entscheidungen der Gemeinden sollte in dieser Situation im Interesse und für die einheimische Bevölkerung zur Mini160
mierung aller möglichen Bedenken umfassend genutzt werden. Denn bei Unterlassung einer solchen Berücksichtigung der Bedenken aller Betroffenen droht der genehmigenden Behörde häufig eine Klage mit vielfältigen Folgen, wie jüngst in Sachen Genehmigung des AKW Mülheim-Kärlich (FAZ vom 17.1.1997) geschehen. Die Behörde steht dann schnell allein da. Denn der Investor pocht auf seine Genehmigung und wird der Behörde klarzumachen versuchen, daß er sie haftbar machen wird, wenn die einmal erteilte Genehmigung zurückgezogen werden sollte. Im Zweifelsfalle ist die Gefahr sehr groß, daß die Behörde zwecks Abwendung eines vermeintlich größeren finanziellen Schadens - sich nicht auf die Seite der betroffenen Bürgerinnen und in der Regel schwächeren Partei schlägt, wie es Aufgabe einer pflicht- und verantwortungsbewußten Behörde wäre, sondern auf die des Kapitalinvestors, und dies häufig mit fadenscheinigen Gründen. Bürgerinitiativen oder Einzelpersonen sehen sich nicht abschätzbaren Gerichts- und Rechtsanwaltskosten gegenüber und werden mit Hinweis auf diese Summen durch Investor und Behörde mürbe gemacht. Solche oder ähnliche Situationen hat es bereits zur Genüge gegeben. Daß sogar die Investoren den »kleinen« und von den Behörden im Stich gelassenen Bürger mit Schadensersatzforderungen bedrohen, falls ein Einspruch oder Widerspruch gegen eine Genehmigung nicht zurückgezogen wird, ist auch schon wiederholt passiert, obwohl ein Investor in diesem Fall keine rechtliche Handhabe hat, solche Ansprüche gegen Bürger geltend zu machen. Allein durch derartige Drohungen wird den BürgerInnen ihre »Aufmüpfigkeit« leider nicht selten gründlich ausgetrieben. 161
Bisweilen wird auch das Selbstverständnis einer Gemeindeverwaltung an solchen Entscheidungen deutlich: Ist sie für die Belange ihrer BürgerInnen da oder für die Interessen von Kapitalinvestoren, die vor Ort weder Arbeitsplätze schaffen - sie vielmehr wegen der Beeinträchtigung ihrer Windkraftanlagen im Fremdenverkehrssektor vernichten. Weitergehende ortsbezogene Interessen verfolgen sie nicht. Vielmehr dürfen sie auf Kosten örtlicher Interessen und zu Lasten der einheimischen Bürger ihre Renditeobjekte in die Landschaft setzen und an fremden und weitentfernten Gestaden von den Steuerzahlern erarbeitete Erträge von 20 Prozent und mehr erwarten, mit Rechtsanspruch! Im Rahmen der Flächennutzungsplanung wie auch des Baugenehmigungsverfahrens hat die Gemeinde die Möglichkeit, die betroffenen BürgerInnen umfassend zu informieren, um ihnen die Wahrnehmung nachbarlicher Rechte zu ermöglichen, bevor die Windkraftanlage errichtet ist; bislang hatten die meisten erst durch die Baumaßnahme überhaupt etwas davon erfahren.' Wenn Nachbarn erst durch konkrete Baumaßnahmen, wie Fundamentarbeiten, hiervon erfahren, was in aller Welt kann man dann von WKAs Gutes erwarten! Statt daß Gemeinden in Zusammenarbeit mit den Investoren aus solchem Vorhaben eine geheime Kommandosache machen, sollten sie über solche Pläne offen informieren und die Gemeindemitglieder, wie auch insbesondere Nachbarn, in die Lage versetzen, sich erst einmal in einem angemessenen Zeitraum unter Einladung von Experten ein Bild vom Kommenden machen zu können und für sich eine Entscheidung zu treffen.
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Wie kann die Gemeinde Schadensersatzansprüche vermeiden? Die Gemeinden stehen immer wieder vor einem Problem, wenn nach ersten positiven Gesprächen und Bescheiden die WKA-Errichter oder -Betreiber glauben, von Vor-Genehmigungen ausgehen zu können, und dann die rechtsverbindliche Genehmigung mit der Drohung eines andernfalls geltend zu machenden Schadensersatz erzwingen wollen. Das gilt auch für Bauvoranfragen. Dadurch kann der objektive Handlungsspielraum der Gemeinde wie auch der Baugenehmigungsbehörde erheblich eingeschränkt werden. Das gilt auch bei Bezugnahme des Windanlageninvestors auf Planungen der regionalen Raumplanung und eines daraus herleitbaren vermeintlichen Baugenehmigungsanspruchs. Nicht selten kam es in den neuen Bundesländern vor, daß Investoren sich erboten, auf eigene Kosten beispielsweise noch fehlende Vorhaben- und Erschließungspläne zu erstellen, allerdings unter dem Vorbehalt der Genehmigung eines Windparks in diesem Gebiet - obwohl im Hinblick auf die Privilegierung zum 1.1.1997 für beide Seiten schon im Juni 1996, der Verabschiedung des Gesetzes, klar sein mußte, daß solche Pläne zur Errichtung von Windparks nicht mehr nötig sind. Hier gilt es, die Verträge genau zu prüfen und es gegebenenfalls auf eine Klage des Investors ankommen zu lassen, denn dann muß dieser seine Ansprüche darlegen. Die häufig angedrohten Schadensersatzansprüche werden meistens schon wegen mangelhafter Verträge nicht zugelassen. Außerdem: Wer gegen eine Gemeinde klagt, hat in dieser Gegend als Investor sowieso verspielt. 163
Weil WKA-Errichter bzw. -Betreiber schnell mal auf den Busch zu klopfen versuchen und aufgrund vager Gespräche oft mehr darin sehen (wollen) bzw. hineininterpretieren als von der Gemeinde tatsächlich zugesagt wurde, ist größte Vorsicht immer geboten. Das selbstsichere und forsche Auftreten der Vertriebsleute oder Geschäftsführer solcher hierauf spezialisierter Firmen verunsichert nicht selten den einen oder anderen zuständigen Gemeindevertreter. Hier sollte die Gemeinde einfach auf Zeit setzen und erst einmal umfassenden Rat einholen. Es verwundert nicht, wenn sich Gemeinden nicht selten hinter Ausflüchten verschanzen. In Zweifelsfällen sollten die Bürgerinnen die Gemeindeverwaltung ganz klar um Auskunft bitten, was konkret schon schriftlich zugesagt worden sei, und überprüfen, ob das zu diesem Zeitpunkt überhaupt zulässig oder notwendig war. Hier kann das Umweltinformationsgesetz hilfreich sein (dazu siehe später). So kann man sich schnell einen Überblick über die tatsächlichen bzw. fehlenden Zusagen machen. Um solchen Manövern der WKA-Errichter von vornherein vorzubeugen, sollten Gemeinden stets jeglichen Schriftverkehr unter den Vorbehalt einer endgültigen Genehmigung stellen, verbunden mit dem Hinweis, daß keinerlei Verpflichtungen oder Haftungen seitens der Gemeinde bestehen. Eine weitere Möglichkeit ist, sich von den Investoren schriftlich und rechtsverbindlich bestätigen zu lassen, daß trotz aller gegebenenfalls notwendiger Vorlaufkosten keinerlei Anspruch oder Zusage auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht und bis zur rechtskräftig erteilten Baugenehmigung auch keinerlei Ersatzansprüche wegen 164
eventuell bereits getätigter Investitionen gegen die Gemeinde erhoben werden. Dann sind keine Schadensersatzansprüche durchsetzbar. Es ist nicht einzusehen, warum die Gemeinde für Vorlaufkosten einstehen soll, wenn erst diese eine Realisierung klären sollen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum eine Gemeinde auf eigene Kosten und eigenes Risiko dem Investor zu einer möglichst hohen Rendite helfen soll, zumal sich die Gemeinde, die ja von dem ganzen Projekt keinen Vorteil hat, sich dann möglicherweise eigener Entscheidungsfreiheiten begibt und sich bereits in einem frühen Stadium von Kapitalinteressen zu Lasten der Bürger abhängig macht. Windanlageninvestoren können das schmerzlos tragen, da sie für solche Planvorlaufkosten oft eigene Planungsund/oder Projektgesellschaften in Form einer Kommanditgesellschaft gründen, deren Kommanditisten bis zu 23 Prozent Zinsertrag versprochen wird, die aber die Risiken mit tragen müssen, wenn ein Windpark trotz erheblicher Vorlaufkosten aus welchen Gründen auch immer nicht verwirklicht wird. Wie die hohen Gewinnmöglichkeiten, so sind auch alle Risiken beim Kapitalinvestor zu belassen und nicht auf andere abzuwälzen.
Wann muß eine Genehmigung aufgrund des Naturschutzgesetzes (gemäß §8 BNatSchG) versagt werden? Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind Eingriffe in Natur und Landschaft solche, die bei Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild 165
erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können (§ 8 Abs. 1 BNatSchG). Die folgenden Absätze des Paragraphen 8 beschreiben die sich hieraus ergebenden Konsequenzen. Es gibt noch Sonderregeln im Verhältnis zum Baurecht (§ 8a BNatSchG), zu abweichenden Ländervorschriften (§ 8b BNatSchG, vereinfachte Verfahren befristet bis 30.4.1998) und zu den von Gesetzes wegen grundsätzlich für Windkraftanlagen nicht vorgesehenen Naturschutzgebieten (§ 13), Nationalparks (§ 14), Landschaftsschutzgebieten (§ 15) und Naturparks (§ 16 BNatSchG). Daneben finden grundsätzlich die Vorschriften der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen der Länder Anwendung. Unabhängig von diesen Regelungen bleibt bei beabsichtigter positiver Baugenehmigung stets die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 8a BNatSchG) zu prüfen, wenn das Vorhaben aufgrund der Paragraphen 30, 33 Baugesetzbuch oder aufgrund eines Vorhaben- und Erschließungsplanes zugelassen wird. Trotz Privilegierung im Außenbereich gilt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bei Außenbereichsvorhaben. Baugenehmigungsbehörden können auf Veranlassung durch Naturschutzbehörden aufgrund des Vorrangs der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege eine Genehmigung versagen, soweit unvermeidbare Beeinträchtigungen nicht ausgeglichen werden oder nicht voll ausgleichbar sind. »Die immer größer werdenden Maschinen sind ein enormer Eingriff in das Landschaftsbild. Schattenwurf und Disco-Effekt sind inzwischen weitverbreitete Schlagworte«, räumt selbst der führende Windkraftanlagenhersteller ein.' 166
Wind-Großanlagen (Windparks von mehr als fünf Anlagen) sind nicht ausgleichbar. Es stellt sich deshalb die Frage, wie solche Großanlagen überhaupt einzustufen und zu bewerten sind. Windparks und/oder eine größere Anzahl Windkraftanlagen sind hinsichtlich ihrer Größe, ihrer akustischen Einwirkungen gegenüber Menschen und Tieren sowie ihrer optischen Einwirkungen in der Landschaft ein nachhaltig zum Nachteil von Natur und Landschaft vorgenommener Eingriff durch eine großtechnische Anlage.' Dabei muß berücksichtigt werden, daß jede Windkraftanlage durch Bau, Installation, Wartung während ihres Lebenszyklus sowie die spätere Entsorgung erhebliche Kosten verursacht. Aber die bis zu 600 Kubikmeter mächtigen Beton-Stahl-Fundamente werden in der Regel nachher nicht entfernt, weil ihre Beseitigung angeblich unverhältnismäßig aufwendig und teuer sei. Tatsächlich ersparen sich die Investoren mit den gleichen Argumenten erhebliche Abrißkosten, und zwar auf Kosten von Mensch, Natur und Landschaft. Hier ist der Bodenschutz bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Denn bei einem Windpark mit fünf, zehn oder mehr solch massiver Fundamente, die auf Jahrhunderte im Boden verbleiben sollen, stellt sich die Frage nach der Ausgleichbarkeit bzw. der nachhaltigen Bodenbeeinträchtigung durch eine private Kapitalinvestition. Eine solche besonders nachhaltige Verletzung einer zuvor intakten, durch technische Groß-Eingriffe unberührten Natur und Landschaft macht nachdenklich. Sind nachhaltige Landschaftserhaltung und Ökoeffizienz nur entwickelt worden, um bei der Windenergie schon nicht mehr angewendet zu werden? Erweisen sich denn diese noch recht jungen, aber bereits heftig diskutierten Umweltbe167
wertungsinstrumente für »windige« Anlagen und ihre Betreiber nicht als recht hilfreich und werden sie denn nicht für zweckentfremdete statt ihrer eigentlichen Aufgaben gemäß mißbraucht? Wer bezweifelt angesichts dieser Nachteile, daß Windkraftanlagen zu einer negativen Ökobilanz führen? Dies alles zeigt die ideologische Anfälligkeit solcher Instrumente ebenso wie ihre Unausgereiftheit. Der Eingriff mit modernen Groß-Windkraftanlagen in die Natur und Landschaft kann weit über 30 Jahre betragen. Damit stellt der zeitliche Horizont eines solch gravierenden optischen und akustischen Eingriffs durch solche Anlagen eine neue Dimension dar, die bisher nicht angemessen berücksichtigt wurde. Auch wenn die mechanisch beanspruchten Teile nicht so lange durchhalten werden, so sind doch Nabe und Rotorblätter jederzeit austauschbar. Die Lebensdauer einer Windkraftanlage kann weit über 30 Jahre liegen und womöglich 50 Jahre erreichen. Aber damit gehen gerade unter diesem Gesichtspunkt von anderen Teilen einer Windkraftanlage - und nicht nur von ihrem Fundament erhebliche nachhaltige Beeinträchtigungen zu Lasten von Mensch, Natur und Landschaft aus. Wenn aufgrund der Privilegierung dennoch Baugenehmigungen erteilt werden, stellt sich die Frage nach Ersatzmaßnahmen durch Natur- und/oder Landschaftsausgleich oder nach einer Ersatzmaßnahme in Geld. Ein nicht ausgleichbarer Eingriff kann nur zugelassen werden, wenn eine Güterabwägung zugunsten des widerstreitenden Belangs führt. Diese Entscheidung erfolgt ausschließlich unter naturschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Die bisher vom Gesetzgeber vorgenommenen oder vorgesehenen Ersatzmaßnahmen sind völlig unzureichend 168
und stehen in keinem Verhältnis zu den nachhaltigen Eingriffen durch Windkraftanlagen. Hier existiert eine Regelungslücke, und zwar hinsichtlich der Angemessenheit. In der Regel sollen und werden als Ersatzmaßnahmen Pflanzen auf einer stillzulegenden Fläche o. ä. angepflanzt, um diese zu renaturieren. Häufig werden Hecken bereits als ausreichend angesehen. Solche Maßnahmen kosten den Investor vielleicht pro Windkraftanlage 5000 DM und sind angesichts des massiven Eingriffs durch Windkraftanlagen ein geradezu lächerlicher Ersatz. Anlagen, die heute errichtet werden, haben 65 Meter Nabenhöhe oder 500 Kilowatt Leistung. Künftig werden es 1500-KilowattAnlagen mit fast 85 Metern Nabenhöhe und 70 Metern Rotordurchmesser sein. Solche Anlagen erreichen 120 Meter Gesamthöhe. Windparks mit 5 solcher Großanlagen und den notwendigen Zwischenabständen brauchen schon eine Fläche von 1 Quadratkilometer. Die bisherigen Überlegungen für Ersatzmaßnahmen betrafen praktisch nur kleinere Anlagen. Je größer eine Anlage ist, man denke an die zusammengefaßten Windparks, desto unmöglicher werden Ausgleichsmaßnahmen und desto teurere Ersatzleistungen und/oder -maßnahmen sind aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere in landschaftlich wertvollen Gegenden mit exponierten Lagen, in denen häufig für Ausgleichsmaßnahmen nicht einmal Platz ist. Gerade hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit solcher landschaftlich nachhaltiger Eingriffe. Völlig indiskutabel ist in dieser Hinsicht beispielsweise das Niedersächsische Naturschutzgesetz (§ 12 Abs. 4), wonach für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch nicht mehr als fünf Windkraftanlagen keine Ersatzmaßnahmen durchgeführt werden müssen. 169
Bei Verzinsungsangeboten von durchschnittlich 20 Prozent sollten 10 Prozent der Gesamtinvestition für Ersatzmaßnahmen und/oder -leistungen in etwa angemessen sein. Bei einer 1,5-Megawatt-Windkraftanlage mit Gesamtkosten von 3,3 Millionen DM wären dies also 330000 DM. Alternativ könnte man die durchschnittliche Stromeinspeisungsvergütung eines Jahres in Betracht ziehen. Bei solchen Summen muß man sich stets vor Augen halten, daß ohne den Landschaftsverbrauch überhaupt keine Investition mit Erträgen von 20 Prozent möglich wären. Warum also sollen Landschaft und Natur bluten, damit es sich einige wenige Kapitalinvestoren noch besser gehen lassen können. Insoweit die zuständigen Behörden die Anforderungen an Ersatzmaßnahmen als zu gering einstufen, sind auch hier die Abwägungen gegebenenfalls gerichtlich zu überprüfen. Wesentlich weitergehende und noch höhere Ansprüche sind an Naturschutzgebiete, Nationalparks, Landschaftsschutzgebiete oder Naturparks zu stellen. Eigentlich sollte man glauben, daß solche als besonders wertvoll eingestufte Landschaften für derartige Windkraftanlagen ohnehin nicht in Betracht kommen. Aber was hat gesunder Menschenverstand mit Energiepolitik und Naturschutz zu tun! Im Anschluß an die Privilegierung haben verschiedene Bundesländer, ob durch Raumordnungsplanungen oder durch Erlasse, selbst in solchen Schutzgebieten Windparks grundsätzlich für möglich erachtet. Schon dieser Systembruch macht nachdenklich. Die Begründungen erst recht. Man muß zu dem Ergebnis kommen, daß für Windkraftanlagen keine Regeln oder Gesetze mehr gelten, daß sie quasi überall dort, wo ausreichend Wind weht, errichtet werden dürfen und sollen. Wozu dann noch 170
Naturschutz, wenn sogar - oder gerade - solche Großanlagen ausgerechnet in den oft erst nach vielen Kämpfen unter Schutz gestellten Gebieten installiert werden können? Wenn der Naturschutz den Kapitalinteressen schutzlos ausgeliefert wird, was haben dann solche Schutzgebiete noch für eine Bedeutung - außer einer Alibifunktion? Hier bleiben Bürgerinnen und Gemeinden aufgefordert, sich für ihre schutzwürdigen Naturgebiete besonders einzusetzen und zu kämpfen. Viele Schutzgebiete gibt es in Deutschland sowieso nicht. Ein vieldiskutiertes Abwägungskriterium ist die sogenannte landschaftliche Vorprägung. Hierbei handelt es sich um Verkehrswege, Hochspannungsleitungen, vorhandene Bebauungen aller Art (wie bereits installierte Windanlagen) oder Eingriffe in die Landschaft. Einerseits soll in vorgeprägten Landschaften eine Genehmigung oder Einordnung von Windkraftanlagen eher möglich sein, andererseits sollen technische Überprägungen durch solche Anlagen verhindert werden. Interessanterweise werden diese Vorprägungen in den einzelnen Bestimmungen der Bundesländer sehr undifferenziert erwähnt. Zum Beispiel werden bei Hochspannungsleitungen keinerlei Differenzierungen weder nach deren Größe noch nach deren landschaftsprägender Wirkung getroffen. Aber eine 380-kVLeitung kann in einer weiten Landschaft als noch verträglich eingestuft werden, wohingegen ein danebengestellter Windpark mit fünf Großanlagen, ihren massiven Stahlrohren und den weitausholenden, unentwegt sich drehenden Rotorflügeln, zu einer wesentlich höheren optischen und obendrein akustischen und technischen Überprägung führt - insbesondere in der Nähe einer Siedlung. Unberücksichtigt bleibt auch, daß Hochspannungsleitun171
gen selten höher als 40 Meter sind. Völlig unverständlich ist und bleibt die Undifferenziertheit dieser Definitionen, deren weite Ermessensspielräume als äußerst bedenklich und juristisch anfechtbar erscheinen.' Man hat hierbei eher den Eindruck, daß wirtschaftspolitische Prämissen über den Landschaftsschutz gestellt wurden, um möglichst großzügig Flächen für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen zu können. So verwundert es nicht, wenn erst Anfang 1997, nach Veröffentlichung des unsäglichen Runderlasses zu Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen vom 29.11.1996 die Parlamentarier aufwachten und von »Verschandelung von Landschaften« sprachen, während der nordrhein-westfälische Bauminister Vesper in Windrädern freilich keine ästhetischen Probleme sieht und feststellt: »Die Menschen müssen sich an die Rotoren gewöhnen wie an Strommasten« (Handelsblatt vom 10.2.1997). Der nordrheinwestfälische Finanzminister Schleußer bleibt ergänzend zu zitieren, wonach er sich von »fundamentalistischen Traumtänzern« die Politik nichts diktieren lasse (FAZ vom 14.2.1997). Für den Erhalt der Landschaft entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof,' daß die 25 Meter hohen Gittermasten einer 110-kV-Freileitung das Landschaftsbild des Voralpenlandes mit seiner abwechslungsreichen Hügellandschaft erheblich beeinträchtigen. Das Bauvorhaben widerspreche ganz grundsätzlich dem Zweck, das Landschaftsbild zu schützen. Daher seien der Bau der Leitung und die Enteignung allenfalls gerechtfertigt, wenn vorrangige öffentliche Interessen sie zwingend erforderlich machten. Im vorliegenden Fall mußte die Enteignung eines Grundstücks rückgängig gemacht werden. 172
Da kein nachvollziehbar öffentliches Interesse an einer Energieversorgung durch Windkraftanlagen vorliegt und da Rotorbewegungen von Windkraftanlagen im Gegensatz zu statischen Hochspannungsmasten eine wesentlich schwerwiegendere landschaftliche Beeinträchtigung darstellen, dürften und sollten auf Windkraftanlagen noch schwere Zeiten zukommen. Auf wirtschaftspolitische Prämissen deuten auch die neuesten nordrhein-westfälischen Bestimmungen vom 29.11. 1996 hin,' die in ihrer massiven Unterstützung für die Flächenausweisung zur Errichtung von Windkraftanlagen bisher einmalig in Deutschland dastehen. Selbst Landschaftsschutzgebiete sind vor diesen Anlagen nicht mehr sicher. Wenn man diese Bestimmungen liest, fragt man sich unwillkürlich, was die Politiker in Nordrhein-Westfalen eigentlich unter Natur- und Umweltschutz verstehen. Wohl nur das, was politisch gerade opportun erscheint. Angesichts der zigtausend Wind-Großanlagen, die auf der Grundlage dieser Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen errichtet werden sollen, mit all den negativen Begleitumständen, kann man die Aufregung um das relativ kleine Gebiet des zur Erweiterung geplanten Braunkohletagebaus Garzweiler II kaum mehr verstehen: Schließlich soll dort später einmal ein wunderschöner See entstehen, man ist auch über die in der Welt einmaligen Rekultivierungsmaßnahmen dieses Unternehmens unterrichtet, und außerdem erhalten alle Betroffenen umfangreiche finanzielle Entschädigungen. Die nordrhein-westfälischen Bestimmungen vom 29.11. 1996 erlauben schwerwiegendere Eingriffe in Natur und Landschaft, als es der Braunkohletagebau darstellt, weil von Windkraftanlagen ganze Landschaften und zigtausend 173
Bürger betroffen werden. Und die Kapitalinvestoren können auf Kosten Dritter (Anwohner) solche Anlagen bauen, ohne irgendwelche Entschädigungen an diese zahlen zu müssen. Die Privilegierung wird zudem dafür sorgen, daß landschaftlich schützenswerte Gebiete kaum noch wachsen werden, und außerdem blockieren sich Bundes- und Landesbehörden, wie auch Parteien und Verbände, im Hinblick auf das seit Jahren geplante neue Landschaftsschutzgesetz (vgl. FAZ vom 9.11.1996). Landschaftlich reizvolle Gebiete, die erst in einer unteren Stufe oder noch nicht geschützt sind und die noch wenig technische Prägung aufweisen, könnte man als »ReserveRefugien« für die Zukunft betrachten. Aber es besteht die große Gefahr, daß solche landschaftlichen Auen durch Windparks ein für allemal vernichtet werden. Deutschland hat europaweit die geringste Dichte beim landschaftlichen Naturschutz (vgl. Der Spiegel vom 16.12.1996). Demgegenüber haben die Dänen 21 Prozent ihrer Landesfläche unter strengen Schutz gestellt, die Italiener 11 Prozent und die Briten 5,5 Prozent. Die Deutschen hingegen haben gerade einmal 2,5 Prozent ihres Landes besonders geschützt. Weltweit beträgt der Flächenanteil mit schützenswerter Fauna und Flora etwa 20 Prozent. Der Ausbau der Windenergienutzung ist Raubbau an der in Deutschland wie in sonst fast keinem anderen Land besonders reichen und daher für alle besonders schützenswerten Natur und Landschaft. Dieser Reichtum verpflichtet gegenüber der Welt und darf nicht höchst zweifelhaften C0 2 -Ersparnissen geopfert werden!
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Warum gibt es nur noch eingeschränkt Umweltverträglichkeitsprüfungen vor Errichtung einer Windkraftanlage? Bis April 1993 waren Windkraftanlagen mit einer Leistung von 300 Kilowatt oder mehr genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (4. BImSchV). Folglich mußten bis dahin vor der Genehmigung einer solchen Windkraftanlage Umweltverträglichkeitsprüfungen gemäß dem Gesetz über Umweltverträglichkeitsprüfungen ( UVPG) vorgenommen werden. Durch den Einfluß der Lobby der Windanlagenbetreiber und -hersteller wurde diese Regelung am 22.4.1993 aufgehoben - damals mit ähnlichen Argumenten wie 1996 bei Einführung des Privilegierungsparagraphen (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB). Erfolg regt zur Nachahmung an: Ebenfalls durch den Einfluß dieser Lobby wurde die für den Herbst 1996 als Gegengewicht zur Privilegierung erwartete Änderung der UVPRichtlinie 9 wieder gekippt. Danach sollten nämlich Windparks neuerlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Der vor allem durch Windparks entstehende Lärmteppich, der sich über mehrere Quadratkilometer der umliegenden Landschaft legt, ist an sich schon gewaltig. Gesteigert werden diese Lärm-, Landschafts- und Natureingriffe aber noch in besonders exponierten Landschaften wie der Eifel, dem Westerwald, Siegerland oder Harz. In diesen häufig noch wenig nachhaltig durch Menschenhand veränderten Landschaften sollen solche Windparks in der Regel in den Kammlagen wegen der dort stärkeren Winde errichtet werden. Die riesigen Rotoren haben dann optische Fern175
wirkungen von über 20 Kilometer. In der Eifel zum Beispiel sind derzeit etwa 45 Anlagen installiert, zehnmal soviele befinden sich im Planungsverfahren, und fast 1000 sind für die nächsten Jahre vorgesehen. Bei solchen großen, die Landschaft, Natur und letztlich den Menschen beeinträchtigenden technischen Anlagen kann nicht mehr ernstlich von Anlagen gesprochen werden, die keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterliegen brauchen. Hier ist schleunigst eine Gesetzesnovelle einzuleiten, die solche Großanlagen wieder zu Anlagen 10 erklärt , die eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Windparks etwa ab drei Anlagen und für Einzelanlagen ab 70 Meter Höhe und/oder 1000 Kilowatt Leistung vorschreibt. Grund zur Hoffnung gibt das europäische Naturschutzrecht. Danach muß der deutsche Gesetzgeber bis zum 31.12.1997 festlegen, ab welcher Größe und mit welchen Modalitäten eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Errichtung von Windkraftanlagen durchzuführen ist." Neben diesen bundesgesetzlichen Regelungen gibt es eine Reihe landesgesetzlicher Vorschriften. Hiernach sind je nach Größe der Anlage »Umweltverträglichkeitsprüfungen« bzw. diesem Verfahren angenäherte Prüfungen vorzunehmen. Ein strenger und dem UVPG vergleichbarer Maßstab liegt solchen Prüfungen nicht zugrunde. Denn solche »Umweltverträglichkeitsstudien« werden im Auftrag der Windanlageninvestoren erstellt, die sich den Auftragnehmer sehr genau anschauen. Es ist schon vorgekommen, daß der Geschäftsführer eines Windparks, der auch als Landschaftsarchitekt tätig ist, eine passende Studie zur Umweltverträglichkeit für einen anderen geplanten Windpark erstellt hat. Und wenn die 176
zuständigen Behörden dann dieser Studie folgen, trotz erheblicher und sachlich vorgetragener Bedenken durch betroffene Bürgerinnen, wie in der Verbandsgemeinde Prüm (Eifel), aber auch anderswo geschehen, verwundert es nicht, wenn sich in der Bevölkerung Politikverdrossenheit breit macht, wenn die Betroffenen andere Wege der Konfliktlösung suchen oder alles in langwierige Verwaltungsprozesse mündet.
Wann liegt ein Verstoß gegen das kommunale Selbstbestimmungsrecht vor? Je nach Eingrenzung der Vorgaben der Landesplanungsbehörde gegenüber der Gemeinde könnte ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegen, nämlich (gemäß Art. 28 GG) gegen das kommunale Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden, wie es hinsichtlich der Planung im Außenbereich durch das Baugesetzbuch garantiert ist. Bisher versuchten zum Beispiel Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Flächenausweisungen in Gemeindegebieten regelrecht zu erzwingen, indem ein Ermessen wie auch die Planungshoheit der Gemeinden diesbezüglich bestritten wurde. Ein anderes Beispiel bietet Nordrhein-Westfalen. Dort ist Ende 1996 die »Landesinitiative Zukunftsenergien« gegründet worden. Sie soll ein neuartiges »Public-privatepartnership«-Modell für technologische und wirtschaftliche Impulse im Bereich der Zukunftsenergien sein. Eine Zielsetzung ist der Ausgleich von Nachteilen, die die Nutzung der Windenergie erschweren. Dazu wurde Ende 1996, Anfang 1997 von der Arbeitsgruppe »Windkraft« 177
der Forschungsgruppe Windenergie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Rahmen der Privilegierung eine Umfrage unter nordrhein-westfälischen Städten und Gemeinden durchgeführt, um den aktuellen Planungsstand bei der Nutzung der Windenergie auf kommunaler Ebene zu erfassen und daraus genehmigungsrechtliche Probleme aufgreifen und einer Lösung zuführen zu können. Das klingt zunächst einmal harmlos. Wenn man sich allerdings die Arbeiten dieser Gruppe und das aus ihnen erkennbare Selbstverständnis genauer ansieht, drängt sich der Eindruck auf, daß dort alles getan wird, um genehmigungsrechtliche Probleme zu beseitigen und Windenergieanlagen in Zweifelsfällen dennoch zu einer Genehmigung zu verhelfen. Statt dessen wäre es besser, öfter großzügig Flächen festzustellen, auf denen Windenergieanlagen ausgeschlossen werden können. Aufgrund des in den Kommunen häufig nicht oder noch unzureichend vorhandenen Sachverstandes um die Einschätzung der Gefahren und Probleme, die sich aus Einzelanlagen wie auch Windparks ergeben, sollte auf die vielen negativen Erfahrungen in den nördlichen Bundesländern zurückgegriffen werden. Hier kann sich jede Gemeinde kundig machen oder einen Gedankenaustausch pflegen, wobei eine Kontaktaufnahme zu der direkt neben solchen Anlagen wohnenden Bevölkerung dringend zu empfehlen ist. Konflikte ergeben sich durch die häufig ungeprüfte Übernahme der seitens der Investoren vorgelegten Lärmprognosegutachten. Bei Nachprüfungen haben sich viele solcher Gutachten als fehlerhaft herausgestellt. Die »Landesinitiative Zukunftsenergien« sieht ihre Aufgabe allerdings in anderer Richtung. Schließlich stehen 178
solche Arbeitsgruppen durchaus im Kontakt mit Kapitalanlegern und Planungsgesellschaften, die sich dank solcher Kontakte einen kostenlosen oder preiswerten, jedenfalls schnellen Gesamteindruck darüber verschaffen, was an Windkraftanlagen mit Rücksicht auf die landschaftlichen Rahmenbedingungen sowie den Widerstand in der jeweiligen Gemeinde machbar ist. Kommunen dürfen sich dann nicht wundern, wenn sie überfahren werden. Hier bleibt große Vorsicht angebracht. Die Interessen solcher Institutionen sind selten ganz zu durchschauen. Den legitimen Versuchen der Gemeinden, gegen die Errichtung von Windkraftwerken in rechtlich einwandfreier Weise Hürden zu errichten, steht eine vor allem durch politischen Druck in Nordrhein-Westfalen äußerst enget und vom Gesetz meines Erachtens nicht gedeckte Pflicht zur Ausweisung von Flächen für Windkraftanlagen entgegen. Ist erst jede Gemeinde mit einer oder mehreren Windkraftanlagen »versorgt«, so hat eine Gemeinde gegenüber der anderen keinen Vorteil mehr. Alle sind mehr oder weniger mit Windkraftanlagen und ihren Emissionen und Beeinträchtigungen in ähnlicher Weise geschlagen. Aus Gemeinden, in denen zwar noch keine Windkraftanlagen errichtet, aber geplant sind, haben sich erste sogenannte windkraftfreie Gemeinden gebildet, die mit allen demokratisch möglichen Mitteln gegen die Errichtung weiterer Windkraftanlagen kämpfen. Das spricht für sich. Es ist schon erstaunlich, wie in manchen Bundesländern von den Behörden einfach behauptet wird, daß aufgrund von Regionalplänen Änderungen von Flächennutzungsplänen zum Nachteil von Windkraftanlagen ausgeschlossen werden und Flächen für Windparks auszuweisen seien. 179
Auch bei »Umweltprojekten« wie den Windenergieanlagen steht am Ende doch immer nur das Geld im Mittelpunkt der Überlegungen, und der Umweltgedanke ist leider nur Mittel zum Zweck. Ähnlich verhält es sich bei der Vorgehensweise nach der Raumordnungsplanung. Zwar sind beim Zustandekommen eines Raumordnungsplans die Gemeinden durch ihre Vertreter beteiligt, so daß das Grundgesetz (Art. 28 GG) in der Regel nicht verletzt sein dürfte und die Gemeinden an den Plan gebunden sind. Durch die Privilegierung zum 1.1.1997 sind allerdings die Beteiligungen der Gemeinden im Vorfeld, das heißt sowohl vor dem 1.1.1997 wie auch vor der Verabschiedung des neuen Paragraphen (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) im Juni 1996, unter anderen Prämissen erfolgt. Häufig gingen und gehen die Gemeinden noch von den alten, bis dahin üblichen verwaltungsrechtlichen Regelungen aus und glauben an stärkere. Mitwirkungsrechte, als ihnen jetzt noch offenstehen. Im Einzelfall kommen Verstöße gegen die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 GG) in Betracht. Auch wenn diese keinen absoluten Schutz genießt, so muß doch jedwedes Gesetz den Kerngehalt dieses Selbstverwaltungsrechts unangetastet lassen. Folglich darf die Regionalplanung/Landesplanung mit ihren Zielfestlegungen nicht weiter in den räumlichen Bereich einer Gemeinde hineinwirken, als dies zur Erfüllung des gesetzlichen Planungsauftrags erforderlich ist. Deshalb sollte nur ein zweistufiges Verfahren rechtlich zulässig sein. In einer ersten Stufe könnte die Raumordnungsplanung Gebiete bezeichnen, die aus gesamträumlicher Sicht in Betracht kommen könnten. In der zweiten Stufe ist den betroffenen Gemeinden stets freizustellen, i m Wege von Darstellungen im Flächennutzungsplan die 180
näheren Maßgaben in eigener planerischer Verantwortung abschließend zu entscheiden, auch unter Ausschluß jeglicher Windkraftanlagen. Gleiches gilt für die durch die neue Gesetzeslage weggefallenen Bürgerbeteiligungen, von denen in manchen Gemeinden immer noch geredet wird. (»Es ist noch nichts entschieden, wir werden im Rahmen der Bürgerbeteiligung das letzte Wort haben!«) Deren Gesetzesgrundlage aber ist entfallen. Hier sind diese Bürgerbeteiligungen gesetzlich wieder herzustellen oder andere Formen der Wahrung der demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürger sicherzustellen (z. B. durch öffentliche Beteiligung am Flächennutzungsplanverfahren, das durch die Privilegierung verwaltungsaktähnlichen Charakter bekommt). Deshalb sollten Gemeinden und Bürgerinnen für Aufklärung über geplante Projekte im Interesse des Gemeinwohls sorgen und auch ihre vorhandenen Rechte umfassend wahrnehmen.
Wie kann das Umweltinformationsgesetz helfen? Das Gesetz ist noch recht jung, stammt aus dem Jahr 1994, umfaßt nur 11 Paragraphen und setzt eine Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht um. Aber die hat es in sich. Insbesondere bei der Errichtung von Windkraftanlagen bekommt dieses Gesetz unerwartete Aktualität: Danach hat jeder Bürger das Recht auf Akteneinsicht, betreffend ein die Umwelt beeinträchtigendes Verfahren. 12 Das Gesetz regelt den Zugang zu den bei den Behörden eingehenden Daten über die Umwelt, zum Beispiel konkret die den Behörden vorliegenden Informationen über 181
geplante Windkraftanlagen oder Windparks (etwa Antragsunterlagen für Bauvorhaben), es gewährleistet die Verbreitung dieser Informationen und legt die grundlegenden Voraussetzungen fest, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen. Das Gesetz wird vor allem deshalb hilfreich sein, weil es den Bürgerinnen mehr Transparenz über Verfahren und Vorgänge ermöglicht, bei denen es um die Genehmigung und Errichtung von Windkraftanlagen geht. Häufig sind Nachbarn geplanter Windkraftanlagen weder von den Behörden noch vom Investor richtig informiert worden, wenn sie überhaupt informiert wurden. Eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten hat hierin ihren Grund: Betroffene Nachbarn erfuhren erst durch die Errichtung der Anlagen von der Baugenehmigung, und ihre daraufhin eingereichten Klagen führten bereits zu Erfolgen, in einzelnen Fällen bis zum Abbau der Anlagen." Die Anwendung des Umweltinformationsgesetzes (UIG) ist durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungs14 gerichts erweitert worden. Danach sind den betroffenen Bürgerinnen die gewünschten Unterlagen stets vollständig in schriftlicher Form zu überlassen. Allerdings muß der Interessent die eventuell entstehenden Kopierkosten tragen (§ 10 UIG). Einsichtnahme und Erläuterungen durch Behördenmitarbeiter sind nicht ausreichend. Wäre über diese Möglichkeiten und Informationen offener diskutiert und in den Medien öfter berichtet worden, wäre vielen Bürgerinnen nunmehr viel Ärger durch »heimlich« errichtete Windkraftanlagen erspart worden. Freilich müssen die Betroffenen rechtzeitig von den Plänen erfahren. In der Vergangenheit blockierten Behörden i mmer wieder die Einsichtnahme in einschlägige Unter182
lagen geplanter Windkraftanlagen. Diese Praxis wie auch die offenbar unzureichenden Informationen vor Genehmigungserteilungen lassen den Verdacht aufkommen, daß Windkraft wohl doch nicht so uneingeschränkt umweltfreundlich ist, wie häufig von interessierter Seite propagiert. Wäre Windenergie umweltfreundlich, gäbe es nichts zu »verstecken«; die Investoren und Genehmigungsbehörden hätten offensiver und sogar mit Stolz ihre neuen i m Gemeindegebiet vorgesehenen Errungenschaften präsentieren können!
Exkurs: Der Windpark Utgast II Ob allerdings eine Präsentation wie bei der Inbetriebnahme des Windparks Utgast II am 2.10.1996 an der ostfriesischen Nordseeküste ein Grund zum Stolz ist, dürfte fraglich sein. Denn nicht nur der typisch deutsche Wettlauf um »den größten Windpark Deutschlands« schreckt bei näherer Betrachtung der Folgen eher ab, sondern auch die ewig gleichen Argumente und Zahlen. Nicht weniger Skepsis ist geboten, wenn jetzt ausgerechnet bei Paderborn, also im erheblich windschwächeren Binnenland, der »größte Windpark Europas« in mehreren Baustufen errichtet werden soll. Utgast II zeigt exemplarisch, daß die Interessen eines betroffenen Bürgers in einem Rechtsstreit 15 um so weniger wiegen, je größer der Windpark und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Interessen sind. Freilich läuft das dann darauf hinaus, daß aufgrund eigener verbleibender Zweifel des Gerichts einer »gemeinnützigen« Einrichtung (DEWI) und dem politisch im Hinblick auf die Nut183
zung von Windenergie eindeutig identifizierbaren Niedersächsischen Landesamt für Ökologie eher Glauben geschenkt wird als einem unabhängigen Sachverständigen. Eine sachliche Entscheidung, die das Gericht zu überfordern scheint, kann hier nicht mehr erwartet werden. In diesem wie auch in anderen Fällen machen es sich manche Richter mit ihrer Entscheidung eher zu leicht, insoweit auch sie sich gutgläubig und gutmeinend dem Mainstream der vermeintlich positiven Windenergie anschließen und davon ihre Entscheidungen beeinflussen lassen. 16
Wie können sich Bürgerinnen mit einem Normenkontrollverfahren gemäß der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 47 VwGO) gegen die Ausweisung und Planung von Flächen für Windkraftanlagen wehren? Entsprechend den Vorschriften der Bundesländer kommt auch ein Normenkontrollverfahren gegen die einschlägigen Verwaltungsvorschriften unterhalb von Landesgesetzen in Betracht. In der Regel hat diesbezüglich nur die jeweils betroffene Behörde ein Klagerecht. Etwas anderes ergibt sich bei einem Normenkontrollverfahren eines Betroffenen gegen einen Bebauungsplan, in dem Windkraftanlagen vorgesehen sind." Allerdings dürften aufgrund der neuen gesetzlichen »Privilegierungen« Bebauungspläne eher selten werden oder erst nachträglich, das heißt erst nach Genehmigung oder sogar Errichtung der Windkraftanlagen, erstellt werden. Voraussetzung einer Normenkontrollklage sind Beeinträchtigungen rechtlich geschützter Individualinteressen' 8 ,
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wobei von einer weiten Auslegung auszugehen ist. Außerdem müssen die abwägungsrelevanten Belange schutzwürdig sein. Die besondere Form des »Nachteils« wird allerdings nur von natürlichen oder juristischen Personen gefordert, nicht wenn er von einer Behörde stammt. Die Stellung des Normenkontrollantrags ist an keine Frist gebunden. Sollte sie allerdings »illoyal verspätet« sein, kann die Antragsbefugnis verwirkt sein." So liegt die Überlegung nahe, ob denn Flächennutzungspläne, die bisher durch ein Normenkontrollverfahren rechtlich nicht angreifbar sind, durch die »Privilegierung« nicht eine andere und höhere Bedeutung zuwächst und sie deshalb wie Bebauungspläne als Teil der Bauleitplanung durch ein Normenkontrollverfahren angreifbar werden insbesondere dann, wenn ein Flächennutzungsplan hinsichtlich seiner Regelungsdichte (Ausmaß, Standort, Höhe und Leistung von Windkraftanlagen) in die Nähe eines einfachen Bebauungsplans rückt, oder wenn ein Bebauungsplan nicht in zeitlicher Nähe zum Flächennutzungsplan vorgesehen und durchgeführt wird. So wären bisher rechtlich abgesicherte Einspruchsmöglichkeiten der Bürger auch in Zukunft bei »privilegierten« Bauvorhaben wie den Windkraftanlagen verfassungsrechtlich abzusichern, zumal die Anhörungen betroffener Bürger durch die »Privilegierung« radikal beschnitten werden und eine Umgehung der für einen Bebauungsplan notwendigen Verfahren naheliegt. Auch sich hieraus ergebende verfassungsrechtliche Bedenken sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Schließlich könnte das darauf hinauslaufen, daß bei enger Gesetzes- und Verfahrensauslegung die Bürgerinnen in keinem Stadium des Verfahrens mehr angehört werden 185
müssen oder Einwendungen machen können und ihnen selbst im noch notwendigen Genehmigungsverfahren rechtlich begründete Einwendungen verwehrt bleiben könnten, da der Investor aufgrund des verabschiedeten Raumordnungsplans gegebenenfalls einen Anspruch auf Genehmigung hat. Gleiches gilt bei verabschiedetem Raumordnungsplan bzw. Regionalplan durch die zuständige regionale Raumordnungsbehörde als Herrin des jeweiligen Verfahrens. Auch bei solchen Plänen dürfte ein Normenkontrollverfahren möglich und sinnvoll sein, da der Investor aufgrund dieses Planes einen unmittelbaren Anspruch auf Genehmigung herleiten kann und eine Bürgerbeteiligung oder -anhörung aufgrund der Privilegierung nicht mehr notwendig ist. Ein Raumordnungsplan/Regionalplan bedarf keiner öffentlichen Beteiligung, so daß dem betroffenen Bürger nur ein Normenkontrollverfahren verbleibt. Ein solches Verfahren macht allerdings nur Sinn bei frühzeitiger Einleitung. Stehen bereits die Windkraftanlagen, hilft auch dieses Verfahren nicht mehr. Möglich erscheint schließlich auch ein Normenkontrollverfahren gegen die Verwaltungsvorschriften, Bestimmungen und Runderlasse der Länder zum Bau von Windkraftanlagen. Alle diesbezüglichen Erlasse weisen zum Teil gravierende Mängel auf. Dies gilt sowohl für die Einschätzung der Lärmprognosen, der Abstandsregelungen wie auch die Undifferenziertheit der Vorschriften hinsichtlich der Größe geplanter Windkraftanlagen.
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Wie können sich betroffene Bürgerinnen mit dem Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme wehren? Das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme ist nach Einführung der Privilegierung die einzige Möglichkeit, sich als »Nachbar« gegen eine Baugenehmigung einer Windkraftanlage persönlich zu wehren. Unter Berücksichtigung des Grundgesetzes (Art. 14 GG) und des Abwägungsgebots des Baugesetzes (§ 1 Abs. 6 BauGB) wird gewissen Vorschriften in der Rechtsprechung nachbarschützende Funktion zugemessen (z. B. §§ 12 Abs. 2, 14, 23 BauNVO 21 oder § 9 Abs. 1 Nr. 24 in Verbindung mit dem Immissionsschutzrecht 21 ). Dieses als subjektives Recht verstandene Rücksichtnahmegebot fin22 det sich in den vielfältigsten Formen. Ähnlich nachbarschützend ist die Rechtslage im Immissionsschutzrecht, wenn es um den Schutz des gegenüber dem Baurecht weiter verstandenen Nachbarn vor Lärm, Abgasen und anderen Beeinträchtigungen geht (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG.). Unmittelbar aus Artikel 14 Grundgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht Nachbarschutz gegen die Erteilung einer Baugenehmigung angenommen, die »zwar keine nachbarschützende Vorschriften des Baurechts verletzt, jedoch gegen andere materiell-rechtliche Vorschriften des Baurechts verstößt, diese unter Verletzung des Baurechts erteilte Genehmigung die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert und dadurch den Nachbarn schwer und unerträglich trifft« 2 3 Antragsgegner einer solchen Klage ist stets die genehmigende Baubehörde. Voraussetzung hierfür ist, daß der Aus187
gang des vom betroffenen Nachbarn eingeleiteten Widerspruchsverfahrens gegen einen Verwaltungsakt (Baugenehmigung) mit Drittwirkung (gegen einen Nachbarn) allein davon abhängt, ob der Antragsteller (Nachbar) durch die von dem Antragsgegner (genehmigende Baubehörde) dem Beigeladenen (Investor der Windenergieanlagen) erteilte Baugenehmigung in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (siehe §§ 68 Abs. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In einer sich dem Widerspruchsverfahren anschließenden Anfechtungsklage ist vom Gericht nur die Verletzung solcher Vorschriften zu prüfen, die dem Schutz des Antragstellers (Klägers) zu dienen bestimmt sind. Dazu zählen bei Windkraftanlagen besonders der Schutz vor akustischen und optischen Beeinträchtigungen wie auch Gesundheitsgefährdungen und gegebenenfalls Beeinträchtigungen der Wohnqualität. Soweit die genehmigende Baubehörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung der dem Investor erteilten Baugenehmigung vornimmt und (gemäß § 80 Abs. 3 VwGO) schriftlich begründet, kann der betroffene Nachbar durch einen vorläufigen Rechtsschutzantrag die aufschiebende Wirkung des vorhergehenden Widerspruchs (gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO) wiederherstellen. Die Rechtsprechung brauchte sich bisher nur mit den störenden Eingriffen kleiner Windkraftanlagen der 1. und 2. Generation mit durchschnittlich 30 Meter Nabenhöhe und 300 Kilowatt Nennleistung zu befassen. Aufgrund der seit etwa zwei Jahren überwiegend installierten Generation der 500/600-Kilowatt-Anlagen mit durchschnittlich 65 Metern Nabenhöhe wird eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung unumgänglich. Erst recht gilt dies für die seit Ende 1996 begonnene Installation der 1,5-Megawatt188
Generation, mit Nabenhöhen bis zu 85 Metern und Rotordurchmessern bis 70 Meter, die ab Mitte 1997 wohl dominierenden Anlagen in Deutschland, insbesondere im Binnenland. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die Dimensionen dieser Anlagen auch Gerichte nachhaltig beeindrucken werden. Spätestens wenn der erste Verwaltungsrichter eine solche gigantische WKA unerwartet vor der eigenen Haustür hat, wird eine Erweckungswelle durch die Verwaltungsgerichte rollen.
Die frühere Rechtsprechung zu Windkraftanlagen Der Fall Zeiger 24 dürfte wohl der bekannteste Negativ-Fall einer in unmittelbarer Nähe zu einer Wohnbebauung errichteten Windkraftanlage in Deutschland sein. Die »Zeiger-Mühle«, wie sie in über 50 Presse- und TV-Berichten" bekannt wurde, hat zwar der Familie Zeiger seit 1993 zu bundesweiter Popularität verholfen, die ihr jedoch erstaunlicherweise bis heute kaum genutzt hat. Aber der Imageschaden für Windkraftanlagen dürfte dennoch gewaltig sein. Dies zeigt, wie widersprüchlich die ökonomischen und ökologischen Argumente der »Windmüller« sind und daß letztlich nur das eigene Portemonnaie zählt; denn sonst hätte längst eine gemeinsame Lösung gefunden werden können. In der ersten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg konnte sich die 4. Kammer aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht dazu durchringen, eine in einer Nacht-und-Nebel-Aktion errichtete Windkraftanlage mit immerhin 450 Kilowatt für genehmigungswidrig zu erklären. Dabei waren in diesem Fall der Ab189
stand der Anlage von nur 169 Metern und die über 30 Meter hohe Nabenhöhe auf Dauer für jeden erkennbar unzumutbar. Dem Urteil merkt man deutlich an, daß die Richter an optische und akustische Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen nicht glauben mochten. Das lag sicher auch an der damaligen Unerfahrenheit der Gerichte mit dieser neuen Materie. Der sogenannte Diskoeffekt (Reflexionen des Sonnenlichts von den Rotorflächen bis ins Hausinnere) und Schatteneffekte nerven die Familie Zeiger bis heute, und nur ein Blinder wird die lästigen Lichteffekte bestreiten wollen. Hinzu kommen inzwischen eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der Lärmeinwirkung. Der Oberkreisdirektor und verschiedene Behörden, selbst der Ministerpräsident konnten trotz vielfältiger Versprechungen nichts bewirken. Der Windanlagenbetreiber stellte sich stur. Die Familie Zeiger, die ihr Haus und ihre Heimat liebt, brachte es bisher nicht übers Herz, ihr Haus zu verkaufen. Seit Anfang 1996 sollte die Anlage an einen anderen Standort verlegt werden. Bis April 1997 war nichts passiert. Offen war bis zuletzt die Frage, wer die Versetzungskosten von über 50000 DM bezahlt. Dies ist kein Einzelfall, aber er zeigt die Unfähigkeit der Gerichte und wie sich die Windanlagenbetreiber mit dem Argument »Ökologie« gegen betroffene Bürger rücksichtslos durchsetzen - nach dem Motto: Mit Windkraft retten wir die Menschheit vor dem Treibhausklima, weshalb jedweder Nachbar alle Beeinträchtigungen dieser überlebenswichtigen Sache hinnehmen muß, zumal der Windanlagenbetreiber leider kein anderes entlegeneres Grundstück besitzt, seine ökologische Kapitalinvestition sich aber 190
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selbstverständlich rechnen muß; denn schließlich kann er nicht auch noch seine Erträge, geschweige denn sein Kapital, der Menschheit opfern, wo er doch schon das Projekt zu ihrem Wohle installiert hat. Ende 1996 hat dieselbe 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg in einer Entscheidung ausgerechnet der Firma Enercon, dem größten Windkraftanlagenhersteller Deutschlands, der es wissen müßte und selbst in seinen Prospekten auf möglichst großzügig einzuhaltende Abstände stände hinweist, nur den eingeschränkten Betrieb einer Windkraftanlage zugestanden (tagsüber abzuschalten), weil Mitarbeiter einer unmittelbar benachbarten Firma sich durch Schlagschatten und Diskoeffekte dieser 100 Meter entfernten Anlage in ihrer Arbeit gestört sehen. Die Baugenehmigung der Stadt Aurich wurde außer Kraft ge26 setzt. In Sachen Windpark Utgast II bewies die besagte 4. Kammer allerdings weniger Souveränität und versteckte sich hinter zwei stark in die Kritik geratene Lärmgutachten. Eins dieser Gutachten wurde von einer gemeinnützigen Gesellschaft erstellt, die sich in ihrer Satzung der Förderung der Windenergie verschrieben hat. Daß solche Gesellschaften in Gutachten auch einmal fünf gerade sein lassen, um der Windenergie zu helfen, sollte sich inzwischen eigentlich auch bei Verwaltungsgerichten herumgesprochen haben. Zur weiteren Rechtsprechung bis Mitte 1996 und vor Einführung der Privilegierung sei auf einen Aufsatz von W. Ewer27 verwiesen.
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Die neueste Rechtsprechung zu Windkraftantagen 28 Die wichtigsten Bewertungskriterien der Rechtsprechung sind akustische und optische Beeinträchtigungen mit zu erwartenden gesundheitlichen Folgeschäden. Akustische Beeinträchtigungen stellen die schwerwiegendsten Eingriffe dar, und man fragt sich, warum Anlagenbetreiber trotz einer Reihe für sie negativ ausgegangener Urteile immer noch Windkraftanlagen mit etwa 65 Metern Nabenhöhe zum Teil nur 170 Meter von Wohnungen entfernt aufstellen, bzw. warum sie trotz solcher Nähe durch die zuständige Baubehörde eine Genehmigung erhalten (z. B. Windpark Brachelen bei Hückelhoven in Nordrhein-Westfalen 1996). Möglicherweise, weil letztlich die genehmigende Behörde haftet, ohne sich dessen bewußt zu sein. Diesbezüglich werden Haftungsfragen der Gemeinde aufgrund erteilter Baugenehmigung oft sträflich unterschätzt. Bei grober Fahrlässigkeit kann der Bauamtsleiter auch persönlich haften. Es ist zu bezweifeln, daß hieraus entstehende Schäden und Schadensersatzansprüche auf Dauer von Kommunalversicherungen ausgeglichen werden. Jedem Bauamtsleiter sagt bereits der gesunde Menschenverstand, daß ein 170-Meter-Abstand für eine WKA eine Zumutung ist. Auch lediglich zahlenmäßig berechnete Prognosegutachten sind höchst ungenau. Hierbei fragt sich, was Lärmprognosen bei Windkraftanlagen überhaupt taugen und ob es nicht besser wäre, aufgrund der zwischenzeitlichen Erfahrungen die Berechnungsgrundlagen neu festzusetzen und gesetzliche Konsequenzen bezüglich der Abstandsregelungen zu ziehen. 192
Die geltende Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) ist eine der wichtigsten Prüfungsmerkmale bei gerichtlichen Prozessen. Dabei haben sich die folgenden häufig strittigen Schwerpunkte herauskristallisiert: - Einschätzung und Berechnungsschwierigkeiten von Prognosen - erheblich von Prognosen abweichende Meßwerte (wie z. B. begutachtete 55 dB(A) statt prognostizierter 38 dB(A) in einem derzeit schwebenden Verfahren) - Baunachtragsgenehmigungen bei erhöhten Meßergebnissen - Besonderheiten bei Windkraftanlagen (z. B. Impulsgeräusche) - Einbezug anderer Lärmquellen - Prognose und Messung von Windparks als Lärmquellen - Versetzung/Abriß von Windkraftanlagen wegen Überschreitung von dB(A)-Werten - Gewährleistung von unabhängigen Sachverständigen - Nachmessungen, insbesondere bei eintretendem Verschleiß der Mechanik (zu Anfang gemessener Lärm kann nur lauter werden) Generell kann festgestellt werden, daß viele Lärmprognosen bei Windkraftanlagen mit Fehlern behaftet sind. Wenn man bedenkt, daß grundsätzlich alle Windkraftanlagen auf der Basis von Prognosedaten genehmigt und errichtet werden und daß - aus welchen Gründen auch immer - die Prognosen selten oder nie nachträglich überprüft werden, dann sollte ein erstmals mit solchen Zahlen konfrontierter Richter eigentlich stutzig werden. Es ist zumindest befremdlich, daß sich Gerichte im Zweifel meist zugunsten der wirtschaftlich Stärkeren, das heißt 193
für die Windanlageninvestoren, entscheiden, wenn auch nicht ausdrücklich. Wenn die Anlage trotz aller Versuche der Verhinderung (soweit überhaupt Kenntnis über die beantragte Baugenehmigung erlangt wurde) erst einmal errichtet ist, muß der betroffene und finanzschwächere Bürger in der Regel in zahlreiche Messungen und bei konkreteren Anhaltspunkten bis zu 8000 DM in ein möglichst »gerichtsfestes« Gutachten investieren, um vor Gericht beweismäßig überhaupt bestehen zu können. Und selbst dann kommt es auf die Auslegung der Verhältnismäßigkeit durch das Gericht an. Daß durch diese teilweise skandalöse Rechtsprechung, durch ihre Gläubigkeit an »Lärmprognosen« und ihre Unterschätzung gesundheitlicher Folgewirkungen durch Lärmquellen, wie sie insbesondere Windkraftanlagen darstellen, eher Unrecht als Recht in die Welt gelangt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Diese »Rechtsprechung« der Gerichte nutzen die Windanlagenbetreiber für ihre finanziellen Interessen natürlich aus. Den betroffenen Bürgern wird mit Verweis auf die Verfahrenskosten bange gemacht. Die Finanzkraft der Investoren verleiht ihnen einen langen Atem: Siegesgewiß können sie abwarten und zuschauen, wie sich die Betroffenen vergeblich abstrampeln. Das wird sich hoffentlich bald ändern. Jedenfalls muß sich jeder gegen die Kampagnen der Investoren wehren, wonach jeder Mensch für Windkraft sein müsse und Gegner solch »vernünftiger« Anlagen bloß versprengte Einzelgänger seien, die nur »eine freie Aussicht von ihrer Terrasse« haben wollten (Hamburger Abendblatt vom 14.1.1997). Verschiedene Betriebseinschränkungen von Windkraftanlagen sind bereits erreicht worden oder sind erreichbar, 194
je nach (korrigiertem) Lärmgutachten. Vor der Genehmigung der Anlage können größere Abstände erreicht oder sogar der Bau verhindert werden. Wegen dem Risiko der Unwirtschaftlichkeit lassen sich die Betreiber in diesem Stadium des Verfahrens auf anderweitige Risiken ungern ein. Die unten aufgezählten Möglichkeiten nachträglicher Nutzungseinschränkungen zwecks Lärmreduzierung verringern natürlich immer die Wirtschaftlichkeit. Das wollen die Investoren stets vermeiden, und lieber verzichten sie auf den Bau einer Anlage, haben sie doch in der Regel genügend Ausweichaufstellplätze, wo sie keine gewinnschmälernden Auflagen fürchten müssen. Nach rechtswidriger Genehmigung ist zunächst das Ziel: die Rücknahme der Genehmigung durch einen bei der genehmigenden Behörde einzureichenden Widerspruch. Verfahrensgegner ist stets die genehmigende Behörde. Der Anlagenbetreiber ist in der Regel Beigeladener. Als Folge kommen verschiedene Konsequenzen in Betracht: - Bei großer Nähe und Überschreitungen der Lärmgrenzwerte ist der Abbau der Anlagen möglich und erzwingbar. - Weniger weitgehend ist die Einstellung des Betriebs während der Nachtzeit (22.00 Uhr bis 7.00 Uhr). - Als Auflage kann auch die Anzahl der Umdrehungen so gedrosselt werden, daß die Höchstnutzung der Anlage unmöglich und dadurch eine ausreichende Lärmminderung erreicht wird. Allerdings ist der Erfolg solcher Maßnahmen typenabhängig. Davon abzuraten ist insofern, da eine Überprüfung nicht praktikabel ist. Manche betroffene Bürgerinnen haben sich ein eigenes Lärmmeßgerät gekauft und messen 24 Stunden, da auf die Behörden kein Verlaß ist. 195
Sehr vorsichtig muß man bei nachträglichen Baugenehmigungen sein. Nicht selten wurden nach Feststellung der Nichteinhaltung der Lärmgrenzen gemäß TA Lärm entgegen einer berechneten Lärmprognose durch einen Nachtrag zur Baugenehmigung die Grenzwerte einfach höher gesetzt. Aufgrund der inzwischen allgemein bekannten Lärmproblematik und ihrer zweifelhaften Prognosebegutachtung kann von vorsätzlichem Zusammenwirken zwecks Akzeptanz »prognostizierter dB (A)-Werte« - häufig knapp unter den Grenzwerten - zur Erreichung einer Baugenehmigung gesprochen werden. Oft arbeiten in solchen Fällen Behörde und Investor zusammen, zu Lasten des betroffenen Bürgers, der schnell zum Nörgler abgestempelt wird. Tatsächlich disqualifiziert sich die Behörde durch bürgerfeindliches Verhalten. Probleme für die Zukunft ergeben sich im Hinblick auf die neue WKA-Generation von 1,5 Megawatt und bis zu 85 Meter Nabenhöhe. Eine solche Einzelanlage kostet etwa 3,3 Millionen DM. Es steht zu befürchten, daß Behörden und Gerichte wegen der Höhe der Investition diese Anlagen rechtfertigen und trotz erheblicher Verstöße seitens des Investors wider besseren Wissens nur unbefriedigende Auflagen vorschreiben. Im Zweifelsfall wird selbst eine »dreiste« Vorgehensweise der Investoren nachträglich sanktioniert, was dann bundesweit Schule machen kann. Hier sind die Gerichte aufgefordert, den Anfängen zu wehren. Daß Lärm ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko ist, macht eine Lärmstudie des Umweltbundesamtes in Berlin, Ende 1996 vorgestellt, deutlich; sie kommt zu dem Schluß, daß Lärm die Ursache für jährlich 3000 Herzinfarkttote ist. Sehr viele Menschen leiden unter Herzrhythmusstörun196
gen, Kreislaufbeschwerden und ähnlichen durch Lärm hervorgerufenen oder verstärkten Krankheiten. Folgerungen für den Lärm durch Windkraftanlagen liegen auf der Hand und werden sicher bald wissenschaftlich untersucht ( UmweltMagazin 10/96). Alle diese lärmbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurden erst im Laufe der Erfahrung mit Windkraftanlagen richtig erkannt. So sind bei einer Standdauer solcher Anlagen von 30 Jahren gesundheitliche Langzeitschäden für alle Nachbarn in einem Umkreis von 1,5 Kilometern zu erwarten. Wenn diese Probleme selbst in aktuellen Runderlassen nur sehr vage und als zumutbar hingestellt werden, fragt man sich, wo die politische Verantwortung bleibt. Die neue TA Lärm bringt zum Teil Verbesserungen (Handelsblatt vom 28.10.1996). Ihre Verabschiedung bleibt jedoch abzuwarten. Auch die Europäische Union will zur Lärmbekämpfung EU-weite Richtlinien erlassen. Optische Beeinträchtigungen stellen ebenfalls zum Teil schwerwiegende Eingriffe dar; bei Windkraftanlagen entstehen sie durch: - die (je nach Größe der Anlage) bis zu mehrere hundert Meter streuenden Lichtreflexionen der Rotorflächen (Disco-Effekte); - die je nach Windstärke und Rotorgeschwindigkeit schnellschlagenden Verschattungen, die bei hohen Anlagen und tiefstehender Sonne über 1000 Meter weit reichen; - die Rotorbewegung als permanente Blickunterbrechung des optischen Horizonts bzw. des Blickfeldes und Störung des Landschaftsbildes. Sehr kurze und sehr rasch aufeinanderfolgende Bild197
Sequenzen, wie bei Actionfilmen oder Werbespots, kann das Auge nicht lange ertragen. Der Blick in die Landschaft, der dauernd durch das Hindurchschlagen eines Rotorflügels geschnitten wird, ist ähnlich unangenehm wie eine Autofahrt durch einen winterlichen Laubwald bei tiefstehender Sonne, wenn das Sonnenlicht ständig zwischen den einzelnen Stämmen durchblitzt. Andererseits kann man sich der »Anziehungskraft« solcher Kreisbewegungen durch die Rotoren nicht entziehen, da unsere Aufmerksamkeit automatisch auf solche Bewegungen gelenkt wird. Diese Tatsache wird in der Werbung häufig genutzt. Wenn der Mensch solchen visuellen Einflüssen längere Zeit ausgesetzt ist, führt das zu einer Überreizung der Augen und zu Kopfschmerzen als erstem Symptom. Weitere gesundheitliche Schäden verursachen die WKAs durch die monotonen Impulsgeräusche, ihren fließenden Übergang zu einem Dauerton, sowie Infraschall und niederfrequente Geräusche (vgl. den Abschnitt über Lärmbelastungen). Bei konkreteren Erfahrungswerten, die bislang leider noch nicht vorliegen, könnte sogar eine Risikovorsorgeklage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Betracht gezogen werden. Zusammenfassend kann jedenfalls festgehalten werden, daß die Berücksichtigung gesundheitlicher Belange bisher völlig unzureichend ist. Abnehmende Akzeptanz in immer größeren Teilen der Bevölkerung ist die natürliche Folge. Immobilienverluste aus dem Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme heraus sind bisher noch von keinem Gericht ausdrücklich entschieden worden, obwohl sie auf der Hand liegen. Dieser Komplex soll deshalb gesondert weiter unten behandelt werden. 198
Welche Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen müssen eingehalten werden? Abstandsregelungen finden sich in allen landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften zur Errichtung von Windkraftanlagen. Dort wird ohne nähere Begründungen einfach zwischen den verschiedenen Arten der Bebauungen unterschieden, scheinbar in Anlehnung an die TA Lärm. Es wird also zwischen den Größen der Anlagen nicht unterschieden, und optische Beeinträchtigungen werden zwar erwähnt, aber in den Regelungen nicht berücksichtigt; insofern sind sie letztlich willkürlich. Ihre gerichtliche Einklagbarkeit erscheint fraglich. Es gibt sogenannte Mindestabstände und Abstandsempfehlungen. Man fragt sich, wozu es überhaupt solche Abstandsregelungen gibt. Sie werden regelmäßig unterlaufen und zum Nachteil betroffener Bürger interpretiert. Dabei sollte »Mindestabstand« ein klarer Begriff sein: Unter diesem Abstand läuft nichts, er sollte möglichst größer sein, und nur in Ausnahmefällen sollte bis an den »Mindestabstand« herangegangen werden. Bezeichnenderweise findet sich in dem Erlaß von Schleswig-Holstein der größte Abstand zur Wohnbebauung mit 1000 Metern. Die negativen Erfahrungen scheinen sich hier niedergeschlagen zu haben. Dies ist für künftige Verfahren wegen zu geringer Abstände von Bedeutung, da man darauf Bezug nehmen kann, mit dem Verweis, daß auch andere genehmigende Behörden dies hätten wissen und berücksichtigen müssen. Wie schnell diese Mindestabstandsregelungen zu ärgerlich teuren Folgen führen können, zeigt ein Fall aus dem Kreis 199
Die Zahl der Klagen nimmt zu
»Energie-Erzeugung aus Wind erfährt zunehmend kräftigen Gegenwind: Gegen bestehende und geplante Windkraftanlagen (WKA) häufen sich die Klagen vor Gerichten. Insgesamt sind bundesweit mindestens 26 Verfahren anhängig.« Auszug aus: EckernförderZeitung, 27.3.1997
Wittmund. Hier war eine 600-Kilowatt-Windturbine mit 71 Metern Höhe in der Einflugschneise des Jagdbombergeschwaders 38 »Friesland« errichtet worden. Erst nach Aufstellung der Windanlage fiel auf, daß der Mindestabstand für diese Anlagengröße unzureichend war. Daraufhin mußte für 700000 DM ein Umzug zu einem anderen Aufstellort durchgeführt werden, selbstverständlich auf Kosten der genehmigenden Behörde. Allerdings soll der Kommunale Schadensausgleich die Umzugskosten übernehmen (Anzeiger für das Harlingerland vom 28.11.96). In einigen Runderlassen wird ausdrücklich zwischen Einzel- und Gesamtanlagen (Windparks) unterschieden, aber ohne Auswirkung auf die Abstandsregelungen. Es macht allerdings einen erheblichen Unterschied, ob in 500 Metern Entfernung eine Einzelanlage oder ein Windpark steht. Hingegen werden zur Vermeidung sogenannter (landschaftlicher) Überprägungen Abstände zwischen Windparks von 3 bis 5 Kilometern festgelegt, oder sollen zumindest verwaltungsintern beachtet werden. Warum aber werden in den Erlassen nicht ähnlich großzügige Abstände zu Wohnbebauungen festgeschrieben oder beachtet? Schließlich sollte die gesundheitliche Beeinträchtigung der Menschen durch optische und akustische Auswirkungen von Windparks mit gleicher Rücksicht bedacht, 200
Klage beim OVG Oldenburg
»Seit Dezember 1993 lärmt - 170 Meter vom Haus der Zeigers entfernt - die Windmühle des Nachbarn. Mit den (ärztlichen) Attesten hofft das Ehepaar nun, den Terror endlich per Klage beenden zu können. Dabei geht es nicht nur um die unerträgliche Lärmbelästigung. (...) Bei Sonnenschein kommt es zu Schattenwürfen und ständigen Hell-dunkel-Blitzen in ihrer Wohnung, dem gefürchteten >Disco-Effekt<. Noch nicht abzuschätzen sind Folgeschäden durch Infraschall: Schwingungen der Anlage lassen Ohr oder Lunge vibrieren, es kann zu Atembeschwerden oder Angstzuständen kommen. Die Klageschrift der Zeigers liegt beim Oberlandesgericht Oldenburg.« Auszug aus: Bild am Sonntag, 23.3.1997
wenn nicht sogar höher bewertet werden als Überprägungen von Landschaften. Aber wenn dann einmal zwei Windparks nur etwa 1 bis 2 Kilometer auseinanderliegen, dann werden sie zum Teil einfach als »ein Windpark« betrachtet. Selbst in Naturparks geht die Ausbeutung guter Windlagen über alles. Es zeigt sich immer wieder, daß letztlich allein die wirtschaftlichen Interessen der Windanlageninvestoren zählen, bei denen sich die Politik ohne Veranlassung willfährig lieb Kind macht. Zu den weiteren Folgen wegen geringer Abstände gehören Verletzungsgefahren durch abgebrochene und herumwirbelnde Rotorblätter aufgrund von Sturmböen (bereits zahlreiche Vorkommnisse in Norddeutschland), durch Eisschlag und Blitzeinschlag. Den mittlerweile zahlreichen Unfällen mit Sachschäden folgte Anfang April 1997 der erste tödliche Unfall. Die aktuelle Rechtsprechung hat Abstände unter 500 bzw. 300 Meter (je nach Abstandserlaß) als »rücksichtslos« 201
Das OVG Münster verfügt die Stillegung...
»Störende Brummgeräusche, aber insgesamt der nervtötende Disco-Effekt (...) haben dazu geführt, daß sich ein Windrad in Haan bei Düsseldorf ab sofort nicht mehr drehen darf. Die Stilll egung verfügte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, da in diesem Fall Belästigungen für knapp 200 Meter entfernt wohnende Nachbarn unerträglich seien. Sobald die Sonne scheint, beginnt auch für die Bürger in einem dicht besiedelten Wohngebiet eine ungewollte Lasershow. (...) Ein Entrinnen gibt es nur, wenn sich die Bewohner ins Haus zurückziehen und die Rolläden herunterlassen, so die Feststellung des Berichtserstatters des Zehnten Senats nach einer Ortsbesichtigung. Auch die >Allgegenwärtigkeit< der Windenergie-Anlage spricht nach Ansicht des OVG mit hoher Wahrscheinlichkeit für die >Rücksichtslosigkeit des Vorhabens(. Ob die WindradNachbarn im Wohnzimmer, in der Küche oder auf der Terrasse sitzen, stets haben sie die Anlage im Blick. Dabei nutzt es auch wenig, dem Windrad den Rücken zu kehren, es spiegelt sich dann in den Fenstern des eigenen Hauses oder benachbarter Häuser. Zum Schutz der Bevölkerung verbot das OVG im Eilverfahren den weiteren Betrieb der Windkraft-Anlage. Den Nachbarn sei nicht zuzumuten, bis zum Abschluß des Verfahrens in der Hauptsache zu warten, auch wenn das Windrad von der Stadt Haan offiziell genehmigt sei.« Auszug aus: Frankfurter Rundschau, 7.11.1996 eingestuft. Anhaltspunkte waren Verwaltungsrichtlinien. Auf Fehmarn mußte nach sechsjährigem Prozeß im April 1997 eine 30 Meter hohe Windkraftanlage von etwa 160
Meter Entfernung auf 560 Meter versetzt werden. Hier
haben Gerichte einen Ermessensspielraum, der aufgrund des unstreitig hohen Gutes der Gesundheit in Zukunft zu Regeln mit größeren Abständen führen müßte. 202
... und das OVG Schleswig eine Verlegung
In einem jüngst durch Vergleich entschiedenen Prozeß verpflichtet sich ein WKA-Betreiber in Püttsee auf Fehmarn, seine Anlage ... rund 400 Meter vom bisherigen Standort weg zu verlegen. Ein Sprecher des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Schleswig bestätigt den Vergleichsbeschluß vom 25. Februar (Az.: 1 M 55/96), dem ein mehrjähriges Verfahren vorausging. Danach war der Kreis Ostholstein wegen der 1991 genehmigten WKA beklagt worden. Der Kläger erreicht die Versetzung der 30 Meter hohen Strommühle, die nur 155 Meter von seinem Haus entfernt steht. ... Der Kläger hatte sich vor allem an erheblichen Geräuschemissionen sowie einem Schattenflattern (>Disco-Effekt<) gestört.... In Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit dem höchsten Anteil an Windenergie, liegen zur Zeit die meisten Planungen auf Eis. Bis Mitte nächsten Jahres werden für alle Kreise WindkraftRegionalpläne mit ausgewiesenen Eignungsräumen erstellt sein. Erst dann wird der Netzausbau fortgesetzt. Auszug aus: EckernförderZeitung, 27.3.1997 Wie kann die Verwaltungsgerichtsordnung helfen? Das Genehmigungsverfahren sieht den Einbezug der
Öffentlichkeit nicht vor. So erfahren Betroffene häufig erst durch die Errichtung der Windkraftanlagen von der Genehmigung derselben. In solchen Fällen kann die Ver-
waltungsgerichtsordnung (§ 58 VwGO) helfen, um den Widerspruch bei der zuständigen Baubehörde aus Gründen eines Verstoßes gegen das nachbarliche Rücksicht-
nahmegebot fristwahrend einzulegen. Die Besonderheit dieses Paragraphen liegt darin, daß er die Einlegung des
Widerspruchs eines Betroffenen gegen eine Baugeneh-
migung noch innerhalb eines Jahres nach Genehmigungserteilung ermöglicht, soweit dem Betroffenen diese nicht
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bekannt war. Nach Bekanntwerden muß der Betroffene allerdings innerhalb von längstens 4 Wochen den Widerspruch einlegen, um sein Recht nicht endgültig zu verlieren. Dies dürfte mit Baubeginn angenommen werden können, denn von diesem Zeitpunkt an konnte der Betroffene von einer Baugenehmigung ausgehen und hätte sich danach erkundigen müssen. Großzügige Fristauslegungen bei Gutgläubigkeit des Betroffenen oder durch Behörden zuvor falsch erteilten Informationen liegen auf der Hand. Rechtsmittel der Betroffenen gegen Baugenehmigungen der Behörden lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Widerspruch der Betroffenen gegen eine Baugenehmigung - Widerspruchsbescheid der Behörde - Klage der Betroffenen vor dem Verwaltungsgericht (da es hier keinen Anwaltszwang gibt, sind die Kosten überschaubar) - Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (Anwaltszwang) Verfahrensgegenstand können nur die Gebote der nachbarlichen Rücksichtnahme durch Verletzung aufgrund akustischer und optischer Beeinträchtigungen zum Nachteil der Gesundheit, der Wohnqualität usw. sein. Wenn die Baubehörde auf Antrag des Investors die sofortige Vollziehung der erteilten Baugenehmigung anordnet, besteht (gemäß § 80 Abs. 5 VwGO) die besondere Möglichkeit, vor Erhebung einer Verwaltungsklage (die lange dauert) durch ein Schnellverfahren den Beginn des Baus oder die Inbetriebnahme zu verhindern. Dies ist der sogenannte einstweilige Rechtsschutz, bei dem das Gericht nur eine summarische Prüfung der Abwägungskriterien 204
vornimmt. Auch und gerade in solchen Verfahren sind bestens begründete Schriftsätze und auch eine gewisse Aussicht auf Erfolg unerläßlich. Außerdem sollte das Gericht den anstehenden Problemen gegenüber aufgeschlossen sein. Das ist leider nicht immer der Fall, man kann aber durch einen gut begründeten Schriftsatz eine Menge Überzeugungsarbeit leisten.
Welche Hilfe bietet die Bürgerbeteiligung gemäß Gemeindeordnung? Die Gemeindeordnungen eröffnen erst seit wenigen Jahren eine Reihe von Möglichkeiten der Beteiligung von Bürgerinnen am kommunalen Geschehen. Diese sind ausgebaut worden, um die Unmittelbarkeit der Demokratie zu stärken, und reichen von Informationsveranstaltungen bis zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Aber in der Praxis wurden und werden die Bürgerinnen über geplante oder bereits beschlossene Windparks nicht oder nicht ausreichend oder viel zu spät durch die Ortsgemeinde informiert. Dies verwundert außerordentlich. Denn in der Regel werden solche Windparks in ländlichen Gemeinden geplant, in denen derartige Großinvestitionen von 10 bis 15 Millionen DM nicht alltäglich sind. Frühzeitige und ausführliche Informationen wie auch Informationsveranstaltungen der Gemeinde mit widerstreitenden Experten sollten in einem solchen Falle den Entscheidungen und Beschlüssen eigentlich vorausgehen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wenn überhaupt, werden die Gemeindemitglieder erst unterrichtet, wenn unwiderrufliche Beschlüsse getroffen und Tatsachen geschaffen wurden. 205
Windenergie kann so positiv also gar nicht sein, wenn schon von Anfang an ausgerechnet durch die Gemeinderäte »gemauert« wird. Was gibt es zu verstecken, statt offen die angeblich umweltschonenden Windkraftwerke vor- und zur Diskussion zu stellen? Ebenso zufällig wie häufig sind Gemeinderäte mit Grundstücken im geplanten Windparkgebiet beteiligt und beabsichtigen natürlich die Realisierung erklecklicher Pachterträge. Unter dem Deckmantel der Umwelt wird Eigennutz betrieben. Grundsätzlich müssen sich Gemeinderatsmitglieder bei Abstimmungen enthalten, aus denen sie persönlichen Nutzen ziehen. Der diesbezügliche Begriff der Unmittelbarkeit wird allerdings zum Teil sehr eng ausgelegt. Bei zu Verbandsgemeinden gehörenden selbständigen Ortsgemeinden (wie in Rheinland-Pfalz) wird demgegenüber eingewandt, daß ein vom Gemeinderat verabschiedeter Flächennutzungsplan grundsätzlich nur durch die Verbandsgemeinde beschlossen wird und es deshalb an der Unmittelbarkeit fehle. Der Beschluß der Verbandsgemeinde stehe der Unmittelbarkeit entgegen. Das dürfte zumindest fraglich sein, weil aufgrund der Privilegierung durch einen Raumordnungsplan bereits ein Anspruch auf die Genehmigung einer Windkraftanlage besteht, vorbehaltlich der Baugenehmigung. Ein Flächennutzungsplan kann allenfalls eine Konkretisierung oder Eingrenzung bewirken, er wird durch die Ortsgemeinde entwickelt und von der Verbandsgemeinde ohne Änderung beschlossen. Das Korrektiv des Bebauungsplans fehlt bei der Privilegierung. Der Beschluß der Verbandsgemeinde über den Flächennutzungsplan hat aber aufgrund der Privilegierung nur eine allenfalls rechtseinschränkende Auswirkung, da 206
für eine Baugenehmigung ein Flächennutzungsplan nicht notwendig ist. Folglich entscheiden die Gemeinderatsmitglieder über die Grundstücke, die ihnen nicht selten selbst gehören, unmittelbar. Ein Beschluß einer Verbandsgemeinde ist demnach nur förmlich und stellt keine neue originäre, die Unmittelbarkeit ausschließende Entscheidung dar. In einer Gemeinde in der Eifel haben sich fünf (von sieben) Gemeinderäte bzw. deren Verwandte aufgrund eines solchen zweifelhaften Beschlusses mit Rückendeckung der Verbandsgemeinde und des Kreises Daun für die nächsten 30 Jahre bis zu 240000 DM Pachteinnahmen verschafft (mit Zins und Zinseszins über 1,5 Millionen DM), wenn auf ihrem Grundstück eine Windanlage errichtet wird. Dafür, ist zu befürchten, werden sie schon sorgen. Allein ein betroffenes Ratsmitglied hat sich davon distanziert. Ebenso skandalös sind die um sich greifenden »Schenkungen« von Investoren an Gemeinden bzw. Gemeinderäte. Aufgrund eines solchen Falls in Niedersachsen wandte sich die Fraktion der Grünen mit Schreiben vom 23.10.96 an den niedersächsischen Innenminister Gerhard Glogowski; das Antwortschreiben vom 24.1.1997 kommt zu dem Fazit: Schenkungen im Anschluß an Genehmigungsverfahren seien unbedenklich. Folglich sind solche Angebote im Vorfeld gesetzeswidrig und nichtig. Wie soll die Korruption im öffentlichen Dienst verhindert werden, wenn durch solch weite Auslegung der Korruption Tür und Tor geöffnet werden? Wer weiß denn und kann beweisen, daß nicht schon vor den Genehmigungsverfahren mündliche Zusagen gemacht wurden (Anzeiger für das Harlingerland vom 1.2.1997)? Auf diese Weise können sich Gemeinderäte billige Wohltaten mit großen 207
Denkmälern verschaffen, und das nicht nur guten Gewissens, sondern geradezu durch die Kommunalaufsichtbehörden ermuntert! Unserer Meinung nach wäre erst einmal § 331 Strafgesetzbuch über unerlaubte Vorteilsannahme zu prüfen. Denn schnell liegen verdeckte »Vorteile« vor, die schon von der Natur der Sache nach auf »Gegenleistungen« beruhen. Warum sonst werden solche »Vorteile« hingegeben. Einwohnerversammlungen sollten bei größeren Investitionen die Regel sein, und zwar so frühzeitig, daß sich die Bürgerinnen eine Meinung bilden können, und nicht erst dann, wenn sie durch den Gemeinderat vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Denn wenn Windkraftanlagen eine zukunftsweisende Technologie sind, wie propagiert wird, dann dürfte es dem Gemeinderat nicht schwerfallen, die Mehrheit der Einwohner dafür zu gewinnen. Diese aber einfach mit geschaffenen Fakten zu konfrontieren, ohne sie vorher um ihre Meinung zu bitten, offenbart hinsichtlich solcher Großprojekte undemokratisches bzw. autoritäres Politikverständnis, das sich mehr an Macht und obrigkeitsstaatlichem Bürgerverhalten orientiert. So wird allenfalls Politikverdrossenheit gefördert und dem Ansehen gewählter Bürgervertreter geschadet. Bürgerinitiativen sind ein legitimes und wichtiges demokratisches Instrument, den Widerstand gegen Windkraftanlagen zu organisieren, und sie sollten politisch genutzt werden. Die Gründung kann durch eine einfache Sammlung von Unterschriften erfolgen, die zu einem bestimmten Ziel abgegeben wurden. Allein die Existenz einer solchen Initiative kann manche aufgeschlossenen Gemeinderäte dazu motivieren, sich gegen Windkraftanlagen zu entscheiden. Bezeichnenderweise gibt es noch keine Bürger208
initiative für Windkraftanlagen. Aber das ist aufmerksam zu beobachten, denn das kann sich ja auch ändern, insoweit angeblich Gemeinden, die im Raumordnungsplan nicht für Windkraftanlagen vorgesehen sind, solche anstreben. Bürgerbegehren sind ein weiteres Mittel, den Widerstand gegen Windkraftanlagen politisch zu artikulieren. Wichtig und zu beachten sind die einzuhaltenden Formalien der jeweiligen Gemeindeordnung sowie die Voraussetzung, daß es sich um eine »wichtige« Angelegenheit handelt. Wegen der Größe der Investition und der akustischen und optischen Eingriffe in das Gemeindegebiet ist das bei Windkraftanlagen stets der Fall. Ein Problem war bisher der sogenannte Negativ-Katalog der Gemeindeordnungen. Dieser besagt, daß Bürgerbegehren nicht zulässig seien, wenn im Rahmen des Genehmigungs- oder eines ähnlichen Verfahrens ein Verwaltungsverfahren mit öffentlicher Beteiligung durchgeführt werden muß. Aufgrund der Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich (gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) ist das nicht mehr der Fall. Denn hier sind üblicherweise durchzuführende Bebauungsplanverfahren oder Planfeststellungsverfahren nicht mehr notwendig. Dies gilt auch bei den sonst einem Flächennutzungsplan nachfolgenden Verfahren. Damit entfallen sonst übliche Verfahren mit Bürgerbeteiligung, denen ein Bürgerbegehren nicht vorhergehen durfte. Die rechtliche Zulässigkeit ist hiernach gegeben. Diese neue Situation wird in der Praxis zu verschiedenen Ergebnissen führen, je nach Bundesland und Situation vor Ort. Ein Versuch dürfte sich lohnen. Nach erfolgreichem Entscheid wäre durch die Gemeinde i m Rahmen des Planungsvorbehalts der Ausschluß von Windkraftanlagen im Gemeindegebiet zu beschließen. 209
Ein Bürgerbegehren hat grundsätzlich keine aufschiebende Bedingung gegenüber Entscheidungen, die das Bürgerbegehren unterlaufen können. Das gilt auch bei erfolgten oder gerade in der Durchführung befindlichen Ratsbeschlüssen. Hier ist der Einzelfall genau zu betrachten. Im Zweifelsfall besteht die Möglichkeit, sich das Initiativrecht eines Bürgerbegehrens durch einen Antrag bei Gericht (gemäß § 123 VwGO) zu sichern. Dabei ist auf die Glaubhaftmachung gegenüber der unmittelbar bevorstehenden Durchführung eines Ratsbeschlusses für ein solches besonderes Verfahren zu achten. Ein Bürgerentscheid ist in der Gemeinde durchzuführen, in der genügend Stimmen der wahlberechtigten Bevölkerung (je nach Bundesland 10-15 Prozent) für das Bürgerbegehren votiert haben. Der Entscheid ist angenommen, wenn über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen dem Antrag entsprechen. Danach hat sich der Gemeinderat mindestens drei Jahre an diese Entscheidung zu halten, da ein Bürgerentscheid einen Gemeinderatsbeschluß ersetzt.
Mit welchen Immobilienwertverlusten muß in der Nachbarschaft geplanter oder errichteter WKAs gerechnet werden?
Rechtliche Möglichkeiten, Immobilienwertverluste durch Windenergieanlagen zu verhindern oder gegenüber den Behörden und Investoren geltend zu machen, können sich aus folgenden Anspruchsgrundlagen ergeben: Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Bundesi mmissionsschutzgesetz ergibt sich ein Anspruch auf Entschädigung in Geld 29 (gemäß §§ 1004, 906 BGB i.V. m. § 14 BImSchG). In diesem Fall muß die verwaltungsrechtliche Genehmigung unanfechtbar geworden sein. Auch hier wird in der Regel als Grundlage eines Ersatzanspruchs ein Lärmgutachten über die nachzuweisenden Lärmgrenzüberschreitungen gefordert. Dies wird vor einer Klage sorgfältig abzuwägen sein. Im Zuge weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse werden andere Wertminderungsgründe sicherlich noch anerkannt werden. Erste Klagen sind anhängig. Ein Anspruch auf Entschädigung aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff ist dem Grunde nach in der
Rechtsprechung anerkannt. Ob er auch eine Klage wegen Wertverfalls einer Wohnimmobilie aufgrund erheblicher Lärmemissionen und mittelfristig zu erwartender gesundheitlicher sowie optischer Beeinträchtigungen trägt, wird vom Einzelfall abhängen.
Wie kann Anlegerschutz geltend gemacht werden? In der Nähe von Windenergieanlagen oder Windparks gelegene Wohnimmobilien leiden in der Wohnqualität und fallen damit im Wert erheblich. Je nach Nähe und Größe solcher Einzel- oder Gesamtanlagen (Windparks) kann von bis zu 40 Prozent Wertverlust ausgegangen werden (Nordfriesland-Zeitung vom 4.1.1997). 210
Aufgrund der allgemein erwarteten Strompreisentwicklung und der erwarteten Deregulierung des Marktes für Strom in Europa wird in den nächsten Jahren mit einem weiteren, zum Teil erheblichen Rückgang der Strompreise gerechnet. Nach einer Untersuchung der Dresdner-Bank211
Tochter Kleinwort-Benson (1996) wird für einen längeren Zeitraum ein Preisrückgang um bis zu 40 Prozent erwartet. Die Stromeinspeisungsvergütung wird 1998 von 17,15 Pfennig pro Kilowattstunde auf etwa 16,5 Pfennig pro Kilowattstunde fallen. Dennoch legen Windanlagenbetreiber bei ihren Angebotsberechnungen für Kapitalanleger häufig immer noch jährlich steigende Strompreise (z. B. um 1,5 %) und folglich um diese Höhe steigende Stromeinspeisungsvergütungen zugrunde. Wie unrealistisch diese Schätzung ist, zeigt die aktuelle Wirtschaftsdiskussion über die Liberalisierung des Strommarktes in den Medien. Realistisch und wegweisend in dieser Hinsicht ist die Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Az.: 312 0 163/96) von Ende 1996. Danach haben Anlagegesellschaften ausdrücklich auf die Gefahren einer Kapitalbeteiligung hinzuweisen, insoweit bei Windkraftanlagen auf der Grundlage der lediglich prognostizierten, aber noch in keinem Fall erbrachten Gewinne über die jeweilige Laufzeit von 10 bis 30 Jahren am Geldmarkt unübliche Erträge versprochen werden. Mit ähnlicher Vorsicht sind die derzeitigen Abschreibungsmöglichkeiten für WKAs zu beachten. Mit der bevorstehenden Steuerreform und begleitenden Gesetzesänderungen können so manchem Investor noch einige Überraschungen ins Haus stehen. Im übrigen kann vor den Versprechungen solcher Anlagefirmen nur gewarnt werden. Die meisten dieser Firmen locken mit außerordentlich günstigen Zinsen, wobei das Geld für die ersten zehn Jahre fest gebunden ist. Spätere Rückzahlungen des einmal eingezahlten Kapitals hängen vom Erfolg der Anlagen in zehn Jahren ab. Außerdem ist fraglich, wie es dann mit der Stromeinspeisungsvergütung 212
steht und ob ein zweifelhafter Bestandsschutz eine weitere lukrative Vergütung sicherstellt. Weil das nicht zu erwarten ist, bleibt vom eingesetzten Kapital womöglich nur noch der »ökologische« Idealismus übrig, der bei der Investition vermeintlich vertreten wurde. Auf einen Bestandsschutz einmal errichteter Anlagen zu hoffen, erscheint eher wagemutig. Des weiteren eröffnet das Gebiet der Prospekthaftung zu Lasten der Prospektherausgeber (das heißt hier der WKA-Betreiber) Möglichkeiten für Ersatzansprüche. Häufig werden Kapitalanleger durch die Werbung zu Investitionen in Windkraftanlagen überredet, wegen deren vermeintlich großer Emissionsvermeidung. Diese solle greifen, wenn Strom durch Windenergie gewonnen wird. Fast durchweg geben diese Firmen falsche oder schöngerechnete Werte für die Emissionsmengen an, die durch Windenergienutzung angeblich kompensiert werden. Zum Beispiel werden hohe Werte aufgrund der Windstetigkeit i m Norden auch für das Binnenland zugrunde gelegt. Auf diese Weise soll beim potentiellen Kapitalanleger der Eindruck einer sauberen und ökologischen Stromgewinnung erweckt und er zur Kapitalanlage gewonnen werden. Verletzungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (gemäß §§ 3, 4 UWG) können vorliegen, wenn bei den beworbenen Verbrauchern der irreführende Eindruck einer umweltfreundlichen Investition erzeugt wird, und zwar aufgrund falscher Angaben von Emissionsersparnissen, die diese Anlagen nicht erbringen können.` Konkret sind die einzelnen Prospekte auf diese Emissionsangaben hin zu untersuchen. Klagen können primär Verbraucherverbände.
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Kann die Verletzung von Jagdpachten (Hochwild) durch die Errichtung von Windkraftanlagen entstehen?
Jagdpachten für Hochwild sind in Norddeutschland selten, so daß dieses mit der Fragestellung angeschnittene Problem erst seit kurzem mit der Errichtung von Windkraftanlagen im Binnenland akut wird. Windkraftanlagen können eine Jagdpacht durch Veränderungen der Wildwechsel sowie des Landschaftsbildes des Jagdpachtgebietes beeinträchtigen. Langzeituntersuchungen über das Wildverhalten bei Windparks gibt es noch nicht. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß sich das Wild zumindest vorübergehend, für ein bis zwei Jahre, anders verhält und die Nähe zu den Anlagen meidet. Inwieweit eine Gewöhnung eintritt, muß derzeit offen bleiben. Wenn ein Windpark allerdings mitten in einer Pacht entsteht und die Tiere sich bisher gerade in dem dann bebauten Bereich aufhielten, könnte ihr Abwandern in ein Nachbarrevier ein erheblicher Schaden sein. Schließlich weiß man, daß die Mehrzahl der Jagdpächter ihre Jagd auch deshalb pachten, um Ruhe und Erholung zu finden und um »ein Stück unberührter Natur« zu genießen. Auch insoweit können sich Wertminderungen ergeben. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich bei Aufstellung eines Windparks Jagdpachtminderungen ergeben, die im Anschluß an die letzte Rechtsprechung des 31 Bundesgerichtshofs zu Jagdpachtminderungen geltend gemacht werden können. 214
Ausblick und Zusammenfassung
Nachdem die uneingeschränkte Privilegierung von Windkraftanlagen verhindert wurde, können nun die Bürgerinnen in einer Übergangsphase von zwei Jahren an den Planungen ihrer Gemeinden mitwirken, mit dem Ziel, den Schaden an Natur, Landschaft und Lebensqualität auf ein Minimum zu reduzieren oder durch Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten, die durch § 36 Baugesetzbuch gegeben sind, die Errichtung von Windkraftanlagen in einer Gemeinde völlig auszuschließen. Hier wird es auf das Engagement verantwortungsbewußter Bürgerinnen ankommen, die für sich und ihre Nachkommen eine lebenswerte Umwelt erhalten wollen. Unsere Landschaften und Lebensräume sollen flächendeckend mit einer Technik überzogen werden, bei der uns Hören und Sehen vergehen wird. Man möchte uns weismachen, das sei ein Opfer, das wir der Umwelt zuliebe zu bringen hätten. Prüft man mit kühlem Kopf die Argumente, rechnet man die Zahlen nach, macht man sich die Größenordnungen der ökologischen »Vorteile« klar, entpuppt sich die Windenergie als illusionärer Schwindel. Die ökologischen Begründungen erweisen sich als Vorwände: Man packt die Bürgerinnen und Bürger bei ihrem schlechten ökologischen Gewissen, um Geschäfte machen zu können. Hinter dem brachialen Raubbau an der Natur und der geplanten rabiaten Umformung unserer Lebensräume 215
und Landschaften steckt kein Konzept, sondern Profitsucht, die naives Wunschdenken auf Kosten der Allgemeinheit zu Geld machen will. Das muß verhindert werden. Deshalb ist es dringend erforderlich, daß der Gesetzgeber bei kommenden Novellierungen des Einspeisungsgesetzes die Vergütungen zumindest auf das Niveau der sogenannten Verbändevereinbarungen zurücknimmt. Der Windstrom würde damit immer noch doppelt so hoch vergütet, wie die Kilowattstunde Strom auf dem Markt gegenwärtig kostet.
Fassen wir zusammen Aus physikalischen Gründen (Energieflußdichte, Windabschattung) besteht ein sehr großer Flächenbedarf: Mindestens 15 Hektar für eine 600-Kilowatt-Anlage. Windverhältnisse, die wenigstens das ökonomisch und technisch notwendige Minimum garantieren, gibt es nur in den küstennahen Regionen Norddeutschlands und in den wenigen freien Hochlagen der Mittelgebirge. Bei Zuweisung des gesamten Außenbereichs »bis zum letzten Quadratmeter« an die Windindustrie könnten dann maximal 12 Prozent - und nicht ein Prozent mehr - des Strombedarfs aus Windenergie gewonnen werden. Dies wären jedoch nur 2,5 Prozent des Gesamtbedarfs an Endenergie. Und diese rein hypothetische Prozentangabe könnte in der Praxis nur zu einem Bruchteil wirklich realisiert werden. Deutschland ist ein hochindustrialisiertes Land und hat nach den Beneluxländern die größte Bevölkerungsdichte in Europa. Wir müssen zu unserem eigenen Wohl die Reste von Natur und Landschaft schützen. Mit der flächen216
deckenden Etablierung der Windindustrie, bis zur gesetzlich zulässigen Lärmgrenze an die Wohnungen heran, wird, wenn die Pläne von Politik und Windindustrie Wirklichkeit würden, das Leben in diesen Regionen für ein Großteil der Bevölkerung unerträglich. Wir hätten dann in Deutschland einen Strom von Umweltflüchtlingen von Nord nach Süd. Heute schon haben Eigentümer - wie von Bürgerinitiativen berichtet wird - ihr Feriendomizil in Norddeutschland aufgeben müssen, da es ihnen keine Erholung mehr bietet. Gerade in den Feriengebieten, also in den Landschaften, die für die Allgemeinheit besonders wertvoll sind (nicht etwa in vorbelasteten Industrieregionen), beansprucht die Windindustrie absolute Priorität. Auf diejenigen, die in ihrer Existenz vom Fremdenverkehr abhängig sind, wird da keine Rücksicht genommen. Politiker und Unternehmer wollen der Bevölkerung weismachen: machen: Es ginge um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkel. Wir würden nur mit Hilfe der regenerativen Energien eine Überlebenschance haben. Es ginge um das Ende der fossilen Brennstoffe, um eine Klimakatastrophe und um die Gefahren, die von der Atomenergie ausgehen (Tschernobyl). Vor diesen existentiellen Bedrohungen müßten andere Bedenken, wie Naturschutz und Landschaftsästhetik, zurücktreten, und Klagen wegen privater Beeinträchtigungen von Eigentum und Gesundheit natürlich auch. In einer Art konzertierten Aktion von (im Prinzip: allen) politischen Parteien, Windindustrie und Betreiberverbänden wird eine umfassende Desorientierung der deutschen Öffentlichkeit betrieben. Diese Desorientierung hat Erfolg, weil es natürlich das Bequemste ist, mit der verant217
wortungslosen Energieverschwendung weiterzumachen. Jeder läßt sich bereitwillig davon überzeugen, daß es so wie bisher weitergehen kann. Wenn sich alle in diesem illusionären Wunschdenken einig sind, verschließt man sich nur allzugern den unangenehmen Tatsachen. Deshalb seien diese Tatsachen nochmals wiederholt: Auch bei einem fünffachen Ausbau der Kapazität der Windenergienutzung (Mitte 1996) würden nur wenige Promille des gesamten Energiebedarfs gedeckt werden. In Nordfriesland sagen aber die Menschen schon lange: »Die Landschaft hat sich so verändert, daß man sie nicht wiedererkennt« (Landrat Bastian, Interview vom 20.1.1995, FAZ-Magazin). Beim fünffachen Ausbau der Windenergienutzung würde weniger Windstrom produziert, als ein mittelgroßes Braunkohlekraftwerk leistet. Auch könnte dieses Braunkohlekraftwerk schon deshalb nicht durch WKAs ersetzt werden, weil der Strom immer verfügbar sein muß: Der Wind weht aber auch in Norddeutschland nicht immer. Andererseits aber könnte das Fünfzigfache des heutigen Windstromertrags ohne große Opfer allein auf dem Verkehrssektor eingespart werden. - Man tut es nicht, sondern ruiniert lieber unsere Landschaften. Die gigantischen Abmessungen moderner Windkraftanlagen täuschen etwas vor, was sie nicht zu leisten vermögen: Zwei bis drei 600-Kilowatt-Windkraftanlagen sind erforderlich, um die Treibhausgasabgabe eines einzigen LKW zu kompensieren. Die gesamte durchschnittliche Windstromerzeugung aller Windkraftanlagen in Deutschland reichte 1996 nicht aus, um die Emissionen von zwei größeren (fahrenden) Schiffen, zum Beispiel des Typs Queen Elizabeth II, wettzumachen. 218
Was ist zu tun? Wenn die Windenergie also nicht das zu leisten vermag, was den Bürgerinnen unermüdlich vorgegaukelt wird, bleibt doch die Frage: Wie steht es um die langfristige Perspektive für unsere Energieversorgung? Ständige Entnahme aus fossilen Vorräten führt unausweichlich zu deren Erschöpfung, und ohne Energiebereitstellung in erforderlichem Umfang ist ein Leben auf unserem hochindustrialisierten und dichtbevölkerten Planeten nicht mehr denkbar. Da die Frage nicht Thema dieses Buches ist, soll hier nur kurz darauf eingegangen werden: Für eine nachhaltige Entwicklung (sustainable development) im Bereich der Energieversorgung ist zunächst die Photovoltaik (Solarkraftwerke) eine ernstzunehmende Möglichkeit. Es ist heute jedoch noch nicht zu entscheiden, ob die Photovoltaik zukünftig großtechnisch angewendet werden kann, zumal die dazu zugleich erforderliche Stromspeicherung technisch-wirtschaftlich realisiert werden müßte. Auf jeden Fall ist bei dem heutigen Stand der Technik eine breite Markteinführung noch stark verfrüht. Vielmehr bedarf es zuvor erheblicher Grundlagenforschung auf diesem Gebiet, für die entsprechende Mittel benötigt werden und die nicht durch „kostendeckende Vergütungen" verschleudert werden dürfen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Fusionstechnik. Ethisch vertretbar ist sie nur, wenn Strahlungsrisiken weitestgehend auszuschließen sind, und darüber gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Auch ist ihre Realisierung - das dichte räumliche Nebeneinander von Temperaturen am absoluten Nullpunkt und von mehreren 219
Millionen Grad Celsius - eine technische Zukunftsaufgabe, von der man nicht weiß, wann sie gelöst sein wird. In einigen Ländern (USA, Japan u. a.) stellt man bereits Überlegungen zur sogenannten Vakuumfeldtechnologie an. Das ist der Versuch, (planetarische) Gravitationskräfte anzuzapfen. Eine solche Technologie erscheint aus heutiger Sicht als Utopie, wird es vielleicht auch bleiben, aber man sollte wegen der überragenden Bedeutung der Energiefrage unorthodoxe Forschungsansätze nicht von vornherein ausschließen. Andere Methoden der alternativen Energiegewinnung Nutzung der Umgebungswärme durch Wärmepumpen, Sonnenkollektoren, Nutzung von Biomasse in Braunkohlekraftwerken, Geothermik oder Nutzung von Gezeitenkräften und Wellenenergie - sollten entwickelt und angewendet werden, soweit es ökologisch und unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vertretbar ist. Denn es gibt grundsätzlich keine Energieerzeugung, die gänzlich ohne Schäden für Mensch und Umwelt zu praktizieren ist. Vor allem aber wäre es falsch, allzu übertriebene Erwartungen an die zuletzt genannten Formen der Energiegewinnung zu knüpfen. Der Energiebedarf in unserer Welt ist einfach zu groß, als daß mit Biomasse, Sonnenkollektoren oder Wärmepumpen entscheidende Prozentanteile erreicht werden könnten. Nach unserer Einschätzung müssen vorrangig und mit allem Nachdruck zwei Handlungsziele verfolgt werden: einmal die Förderung der Grundlagenforschung für Technologien, die eine wirklich nachhaltige Sicherung im Umfang des globalen Energiebedarfs erwarten lassen, zum anderen die Mobilisierung aller Einsparungsmöglichkeiten, um die vorhandenen fossilen Energiereserven zu strecken. 220
Hier sollte man in der Verantwortung für nachfolgende Generationen auch vor ordnungspolitischen Maßnahmen nicht zurückweichen, zum Beispiel dem Verbot von Standby-Schaltungen (derselbe Effekt ist durch einfache Zusatzgeräte erreichbar). Die Liberalität unserer Staatsordnung gerät nicht in Gefahr, wenn das Privatflugzeug (mit steuerfreiem Benzin) abgeschafft wird. Klassenfahrten nach Hongkong sind ebenso überflüssig wie der private Paketdienst. Nur darf man nicht allzuviel von freiwilligen Einschränkungen bei der Bevölkerung erwarten - die anhaltende Steigerung des privaten Energieverbrauchs spricht dagegen. Neben den ordnungspolitischen Maßnahmen wäre daher auch eine höhere Besteuerung des (privaten) Energieverbrauchs das beste Mittel, Energie einzusparen. Dies wäre zwar nicht populär, doch für das Ziel einer verantwortungsbewußten Vorsorge das Gebot der Stunde, zumindest so lange, bis neue, nachhaltige Energiequellen erschlossen sind. Dabei ist noch zu differenzieren, denn die Perspektiven für Primärenergieträger für die Stromerzeugung sind auch längerfristig gar nicht so schlecht: Neue Lagerstättenuntersuchungen haben ergeben, daß wirtschaftlich abbaubare Braunkohlevorräte mit Sicherheit noch für mindestens fünfhundert Jahre vorhanden sind. Vordringlich hingegen wäre die Substitution von Treibstoff. Hier ist wirklich dringender Handlungsbedarf gegeben.
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Schlußbemerkung Es gibt also nicht die geringste Rechtfertigung dafür, daß mit der großräumigen Installierung von Windturbinen dazu mit hohen Subventionen auf Kosten der Volkswirtschaft - Mensch und Umwelt belastet werden. Die Erträge an Windstrom sind - auch bei dem äußersten Ausbau - innerhalb der Energiebilanz unseres Landes vernachlässigbar gering. Dabei besteht, wie gesagt, nicht einmal - auch nicht längerfristig - das Erfordernis, die Primärenergieträger der Stromerzeugung, Braun- und Steinkohle, zu substituieren. Ihre Vorräte reichen noch für mehrere Jahrhunderte. Auch die Gefahr einer Klimakatastrophe infolge von C02Emissionen ist ungeklärter denn je. Die Hoffnung, daß mit der Windenergie eine umweltfreundliche Technologie gefunden ist, hat sich als falsch erwiesen: Windturbinen bedeuten in unserem dichtbevölkerten Land eine sozial unverträgliche, umweltfeindliche und damit auch menschenfeindliche Technik. Aus Gewinnsucht und politischem Machterhalt werden unsere Landschaften geplündert, und ein kostbares Gut, die Beziehung der Menschen zu der sie umgebenden Natur wird tiefgreifend gestört.
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Anmerkungen
Kapitel 1 1 Deutscher Wetterdienst: Karte der Windgeschwindigkeitsverteilung in der Bundesrepublik Deutschland. Offenbach a. M., 1991 2 Kaltschmitt, M., und A. Wiese: Erneuerbare Energieträger in Deutschland - Potentiale und Kosten. Berlin 1993 3 Bierbrauer, H. et. al.: Darstellung realistischer Regionen für die Errichtung insbesondere großer Windenergieanlagen in der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsbericht BMFT-FB-T 85-053 Frankfurt a. M., 1985 4 Maier, W.: Nutzung der Windenergie in Deutschland - Potential und erwartbare Realisierung. Gräfelfing, 1992 5 Best, R.W.B.: Wind Engineering 5, 1, 1981, zitiert in 3 6 Albiger, J. et. al.: Bestimmung der windtechnischen Potentiale auf der Schwäbischen Alb. Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung. Universität Stuttgart, 1994 7 Albiger, J. et. al.: Windkraftnutzung im Binnenland. Potential- und Standortevaluierung. Energiewirtschaftliche Tagesfragen 44 (10), S.669-675,1994 8 Molly, J.-P.: Windenergie. Karlsruhe 1990 9 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Stromzahlen 1995, Frankfurt a. M. 1996 10 Spreng, D.: Graue Energie. Stuttgart, 1995 11 Molly, J.-P.: Windenergie in Deutschland. DEWI-Magazin, Nr.5, 1994 12 Häuser, H., und J. Keiler: Monatsinfo 9 (12), Ingenieurwerkstatt Energietechnik Hamburg, Januar 1997 13 Häuser, H., und J. Keiler: Monatsinfo 7 (10), Ingenieurwerkstatt Energietechnik Hamburg, Dezember 1994 14 Gerdes, G., und Th. Pahlke: Wind- und Flächenpotentialstudie für die niedersächsische Küste. DEWI-Magazin, Nr. 3, 1993 15 Niedersächsisches Umweltministerium: Wind- und Flächenpotentialstudie für die niedersächsische Küste, 1993 16 Keuper, A.: Windenergienutzung in der Bundesrepublik Deutschland, Status 31.12.1994. DEWI-Magazin Nr. 6, Februar 1995
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17 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Datenkatalog zum Haushaltsstromverbrauch 1992. VDEW-Materialien, Frankfurt a. M., Juni 1994 18 Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 1994. Wiesbaden, September 1994 19 Meier-Ewert, K.: Über die Effizienz der Windkraftnutzung - Argumente und Fakten. Bordelum 1994 20 Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber: Verfügbarkeit von Wärmekraftwerken 1981-1990. Technisch-wissenschaftliche Berichte. VGB Essen 1991 21 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Jahresstatistik 1993. Brutto-Engpaßleistungen nach Leistungsgruppen und Ausnutzungsdauer.Frankfurt 1994 22 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Verkehr in Zahlen 1994. Berlin, September 1994 23 Bundesministerium für Wirtschaft: Öffentliche Elektrizitätsversorgung der Bundesrepublik Deutschland. Vorabdruck April 1995 24 RWE: Energieflußbild der Bundesrepublik Deutschland 1992 25 Jänsch, E.: Energieverbrauch und klimarelevante Emissionen: Der ICE im ökologischen Wettbewerb. Die Deutsche Bahn 9 (10), S. 661-666, 1993 26 Glocker, St., B. Richter und G. Schwabe: Ermittlung von Potentialen und Flächen (in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommem), Sonnenenergie, 2/1992 27 AG Energiebilanzen: Auswertungstabellen zur Energiebilanz für die Bundesrepublik Deutschland 1993 bis 1995. Stand Juni 1996. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin 28 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Monatliche Schnellstatistik vom 15.l.1997 29 Diekmann, J.: Kosten und Potentiale der Nutzung von Windenergie in der Bundesrepublik Deutschland. IKARUS, Projekt B »Primärenergie«. Forschungszentrum Jülich 30 Grünberg, P.: Segen oder Flop? Regenerative Energien, ihre Nutzungsmöglichkeiten und ihre Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft. Versorgungswirtschaft, 1995, Heft 6, S. 125-130 Kapitel 2 1 Emsley, J.: The Global Warming Debate. The Report of the European Science and Environment Forum (ESEF). Boumemouth 1996
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2 Weigl, J.: Windenergienutzung und Klima. Institut für Botanik. TH Darmstadt, 1996 3 Küppers, B.: Das Ende des Treibhauseffektes. Naturwissenschaftliche Rundschau, Februar 1997 4 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sechster Emissionsschutzbericht der Bundesregierung, Mai 1996 5 Umweltbundesamt: Umweltdaten Deutschland 1995, Berlin Januar 1995 6 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Stromzahlen 1995, Frankfurt a. M. 1996 7 Peter, M.: Betriebsergebnisse der Kernkraftwerke 1994. Elektrizitätswirtschaft 94 (5), S. 255, 1995 8 Intergovernmental Panel an Climate Change (IPCC): Radiative Forcing of Climat Change. The 1994 Report of the Scientific Assessment Working Group 9 Gesamt-Emissions-Modell Integrierter Systeme, GEMIS: Version 2.0, ÖKO-Institut Darmstadt und GH Kassel, Forschungsgruppe Umweltanalyse, Oktober 1992 10 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sypnose von CO 2- Minderungs-Maßnahmen und -Potentialen in Deutschland, Bonn, Dezember 1993 11 Gesamt-Emissions-Modell Integrierter Systeme, GEMIS: Version 2.1, ÖKO-Institut Darmstadt, Freiburg, Berlin/Kassel, April 1995 12 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Verkehr in Zahlen 1994, Berlin, September 1994 13 MAN: mündl. Mitteilung aus der Entwicklungsabteilung Großdiesel, MAN Nürnberg 14 Umweltbundesamt: Jahresbericht 1994, Berlin 1995 15 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Umweltpolitik, Bonn, September 1994 16 Ardone, A. et. al.: Beitrag der Kraft-Wärme-Kopplung zur CO,Minderung im Vergleich mit anderen Optionen 47 (6), S. 247 bis 254 17 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: Monatliche Schnellstatistik vom 15.1.1997 Kapitel 3 1 M. Kaltschmitt, A. Wiese: Erneuerbare Energien, Berlin - Heidelberg 1995, S. 278f.
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2 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie 1996: Gestehungskosten von Windstrom 3 Gesetz über die Einspeisung von Strom aus Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) vom 7. Dezember 1990 (BGBl.1, S.2633), geändert durch Gesetz vom 19. Juli 1994 (BGBl.1, S. 1618) 4 Günter Dröge: Neuentwicklungen von Windenergieanlagen der 1-MW-Klasse; Der Elektromeister (de), 71. Jg., 24/96, S.2252ff. 5 Präambel zum Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz) vom 13. Dezember 1935, (RGBI.1, S. 1451) 6 BDI/VIK/VDEW: Grundsätze über die Intensivierung der stromwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Versorgung und industrieller Kraftwirtschaft, Fassung vom 27. September 1994 (abgedruckt in VIK-Mitteilungen 5/1994) 7 Vereinigung Industrielle Kraftwerkschaft: VIK-Tätigkeitsbericht 1995/96, S. 54 8 PreussenElektra: Politische Lösung der Stromeinspeisungsproblematik gefordert; Pressemeldung vom 6. März 1996 9 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke: VDEW-Pressekonferenz Bonn am 2. September 1996: Daten und Fakten 10 Bundesrat: Gesetzesinitiative zum Stromeinspeisungsgesetz, Bundestags-Drucksache 13/5357 11 Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts in der Fassung der Kabinettsvorlage vom 13. Oktober 1996 12 Energieministerrat der Europäischen Union: Binnenmarktrichtlinie Strom vom 20. Juni 1996 Kapitel 4 1 Fleischer, G.: Lärm - der tägliche Terror, Georg Thieme Verlag 1990 2 Guski, R.: Lärm - Wirkung unerwünschter Geräusche, H. Huber Verlag, Bern 1987 3 Rohrmann, B.: Psychologische Forschung und umweltpolitische Entscheidungen: das Beispiel Lärm, Westdeutscher Verlag, Opladen 1984 4 Eiff, A. W. von: Seelische und körperliche Störungen durch Streß, G. Fischer Verlag, Stuttgart 1976 5 Glass, D. C., Singer, J. E.: Urban stress: Experiments an noise and social stressors, Academic Press, New York 1972 6 Benton, S., Leventhall, H. G.: The Rule of »Background Stressors« in the Formation of Annoyance and Stress Responses, Journal of
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1
Low Frequency Noise and Vibration. Vol 13 (1994), No. 3, S.95-102 7 Fleischer, G.: Meßverfahren kontra Ruhe, Z. f. Lärmbekämpfung, 27,1979,5.153-159 8 DIN 45645, Teil 1 »Einheitliche Ermittlung des Beurteilungspegels für Geräuschimmissionen«, April 1977 9 DIN-Entwurf 45681, »Bestimmung der Tonhaltigkeit von Geräuschen und Ermittlung eines Tonzuschlages für die Beurteilung von Geräuschimmissionen«, Januar 1992 10 LAI MusterVwVLärm, Musterverwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemissionen, Länderausschuß für Immissionsschutz nach Beteiligung der Unterausschüsse »Lärmbekämpfung« und »Recht«, Weimar, Mai 1995 11 Kubicek, R.: Vorkommen, Messung, Wirkung und Bewertung von extrem tieffrequentem Schall einschließlich Infraschall in der kommunalen Umwelt, Dissertation, Zwickau 1989 12 Swedish Defence Material Administration (Hrsg.): Infrasound, Stockholm 1985 13 Gavreau, U., Condat, R., Saul, H.: Acustica 17, 1966, S. 1-10 14 Vercammen, M. L. S.: Setting limits for low frequency noise, Journal of Low Frequency Noise and Vibration. Vol. 8 No.4, 1989, S.105-109 15 Ising, H., Schwarze, C.: Infraschallwirkungen auf den Menschen, Z. f. Lärmbekämpfung 29, 1982, S. 79-82 16 Ising, H., Markert, B., Shenoda, F. B., Schwarze, C.: Infraschallwirkungen auf den Menschen, HdA-Reihe, VDI-Verlag 1982 17 Leventhall, H. G.: Annoyance caused by low frequency / low level noise. In: Proceedings of the Conference an Low Frequency Noise and Hearing. Hrsg. Möller und Rubak, Aalborg University Press 1980 18 BS (British Standard) 6472, »Evaluation of human exposure to vibration in buildings« (1 Hz bis 80 Hz) 19 Ising, H.: Effects of 8 hours exposure to infrasound in man, Proceedings of the Fourth International Congress an Noise as a Public Health Problem, Turin 1983 20 Shepherd, K. P., Hubbard, H. H.: Physical characteristics and perception of low frequency noise from wind turbines, Noise Control Engineering Vol. 36, 1991, S. 5-15 21 Manley, Styles: Infrasound generated by large sources, Proceedings of the Institute of Acoustics, Vol. 17 Part 4, 1995, S. 239-246
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22 Berglund, B., Hassmen, P.: Sources and effects of low-frequency noise, J. Acoustical Society of America 99 (5) May 1996, 5.2985-3002 23 Gavreau, V.: Infrasound, Science Journal, Januar 1968, S. 33-37 24 Dr. Schewe, deBAKOM GmbH, Odenthal, Schlußbericht »Schalltechnische Untersuchungen an Windenergieanlagen«, im Auftrag des Umweltministeriums des Landes Niedersachsen, Aktenzeichen 305-40500/4.02 (1991) 25 VDI-Richtlinien 2714, »Schallausbreitung im Freien«, Januar 1988 26 DIN-Entwurf 45680, »Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft«, Januar 1992 27 BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz 28 BImSchV Bundesimmissionsschutzverordnungen 29 TA Lärm, »Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm« 30 Klug, H., Mellert, V, Radek, U.: Zuverlässigkeit von Geräuschprognosen bei gewerblichen Anlagen, Forschungsbericht 89-10502-702, Umweltbundesamt 1989 31 Claußen, M.: Wind- und Temperaturfelder in der bodennahen Grenzschicht der Atmosphäre, Schriftenreihe der Universität Oldenburg »Meteorologische Einflüsse auf die Schallausbreitung«, 1988 32 Kühner, D.: Meteorologische Einflüsse auf die Schallimmission und meßtechnische Konsequenzen, Schriftenreihe der Universität Oldenburg »Meteorologische Einflüsse auf die Schallausbreitung«, 1988 33 Klug, H., Mellert, V, Radek, U.: »Impulsmeßmethode zum Nachweis von Fokussierung und Mehrfachreflexionen und zur Bestimmung der dabei auftretenden Temperatur- und Windprofile, Fortschritte der Akustik, DAGA '88, Braunschweig 1988, S. 363-366 34 Daigle, G. A., Embleton, T. F. W., Pierce, J. E.: Propagation of sound in the presence of gradients and turbulance near the ground, J. Acoust. Soc. Am., 79, 1986, S. 613-627 35 Thomassen, H. G., Casanovas-Martinez, S.: Berücksichtigung von meteorologischen Einflüssen auf die Schallausbreitung bei der Beurteilung von Schallpegelmessungen, TÜ 16 (1975) Nr. 2, S. 45 bis 48 36 LIS-Berichte Nr. 42; Klein, M.: Untersuchung zur Schallausbreitung im Freien, Landesanstalt für Immissionsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen 1983 37 Schreiber, L., v. Sazenhoven, C. J.: Untersuchungen über die Genauigkeit von Schallimmissionsberechnungen bei gewerblichen
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Anlagen, Forschungsbericht Nr. 79-105-29-701 des Umweltbundesamtes Berlin 1979 38 Thomassen, H. G.: Berechnungsgrundlagen für Geräuschimmissionen in der Umgebung gewerblicher Anlagen, VDI-Bericht 476, 1983,S.47-55 39 IEA-Empfehlung: Recommended Practices for Wind Turbine Testing, 4. Acoustics. Measurement of Noise Emission from Wind Turbines, IEA-Expert Group Study, 3. Edition, Stockholm 1994 40 Brüel & Kjaer: Condenser microphones and microphon preamplifier, theory and application handbook, 1977 41 Meyer, E., Neumann, E.-G.: Physikalische und technische Akustik, Vieweg & Sohn 42 Kraak, W., Weißling, H.: Schallpegelmeßtechnik, Verlag Technik Berlin Kapitel 5 1 Andresen (Tgb.), in: Berndt, R. K. u. G. Busche: Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Bd. 4.: 67, 87. Wachholtz, Neumünster 1993 2 Bezirksregierung Weser-Ems: Windenergieanlagen im Regierungsbezirk Weser-Ems. Statistik. Stand: 31.12.1996, 1997 3 BioTec (1992): Ökologisches Gutachten zum geplanten Windpark Utgast 1. (unveröff.) 4 Böttger, M., T. Clemens, G. Grote, G. Hartmann, E. Hartwig, C. Lammen und E. Vauk-Hentzelt: Biologisch-ökologische Begleituntersuchungen zum Bau und Betrieb von Windkraftanlagen Endbericht. NNA-Berichte 3/1990, Sonderheft 5 Breuer, W.: Windkraftanlagen und Eingriffsregelung oder: Kann denn Windkraft Sünde sein? Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 13, Nr. 5, 1993, S. 161-169 6 Breuer, W.: Planungsgrundsätze für die Integration der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Ausbau der Windenergienutzung. NNA-Berichte 3/96, S. 39-45 7 Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 12. März 1987 (BGBI. 1, S. 889), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.8.1993 (BGBI. 1, S. 1458) 8 Common Wadden Sea Secretariat (Hrsg.): Ministererklärung der sechsten trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres, Esbjerg, 13. November 1991, 1992 9 Common Wadden Sea Secretariat (Hrsg.): Ministerial Declaration
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f of the 7th Trilateral Govemmental Conference an the Protection of the Wadden Sea. Leeuwarden, 30.11.1994 10 Der Rat der Europäischen Gemeinschaften: Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten. ABI. Nr. L 115 vom 08.05.1979 11 Deutsches Windenergie-Institut: Feststellung geeigneter Flächen als Grundlage für die Standortsicherung von Windparks im nördlichen Niedersachsen, 1993 12 Deutsches Windenergie-Institut: Pressemitteilung vom 13.01.1997 13 Durinck, J., H. Skov, F. P. Jensen und S. Pihl: Important marine areas for wintering birds in the Baltic Sea. Omis Consult report, Kopenhagen 1994 14 Enercon: Div. Produktinformationen. Aurich o. J. 15 Faida, 1.: Beurteilung von Windkraftanlagen aus Sicht der Niedersächsischen Naturschutzverwaltung. NNA-Berichte 3/96, S. 14-15 16 Filbrandt, U.: Naturschutz vom Winde verweht? Naturschutz heute 24, Nr. 4 (1992), S. 36-37 17 Filbrandt, U.: Im Rausch der Windenergie: Subventionen, Chaos und Ablaßhandel. Naturschutz heute 27, Nr. 2 (1995), S. 50-51 18 Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften: Urteil vom 28.2.1991 in der Rechtssache C-57/87, Luxemburg 1991 19 Hartwig, E. und Clemens, T. (Hrsg.): Offshore-Windpark: Planungen auf dem Elbe-Leitdamm. Seevögel 16, Nr. 4 (1995), S. 33-35 20 Heckenroth, H.: Avifaunistisch wertvolle Bereiche in Niedersachsen, Brutvögel, 1986-1992. Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 12, Nr. 6, 1994, S. 185-188 21 Heckenroth, H.: Avifaunistisch wertvolle Bereiche in Niedersachsen, Gastvögel, 1986-1992. Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 12, Nr. 7; 1994, S. 189-192 22 Kohler, S.: Windenergie - eine ökologische und energiepolitische Notwendigkeit. NNA-Berichte 3/96; S.6-8 23 Koop, B.: Ornithologische Untersuchungen zum Windenergiekonzept des Kreises Plön, 1996 (unveröff.) 24 Landkreis Aurich: Regionales Raumordnungsprogramm für den Landkreis Aurich. Amtsbl. Lkr. Aurich Nr. 26 vom 02.07.1993 25 Minister für Finanzen und Energie des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.): Die neue Energiepolitik - Windkraft. Kiel 1995 26 Ministry of Environment and Energy, Danish Environmental Protection Agency: Esbjerg Declaration. 4th International Conference an the Protection of the North Sea, Esbjerg, Dänemark, B.-9. Juni 1995
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27 Niedersächsisches Innenministerium: Niedersächsisches Landesraumordnungsprogramm. Hannover 1994 28 Niedersächsisches Naturschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. April 1994 (Nieders. GVB1. S. 156, her. am 17.6.1994, GVBL. S. 267) 29 Niedersächsisches Umweltministerium: Leitlinie zur Anwendung der Eingriffsregelung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes bei der Errichtung von Windenergieanlagen. - Bek. d. MU v. 21.6.1993, Nds. MBI. S. 923 30 Niedersächsisches Umweltministerium: Erlaß vom 06.06.1994: Fachgutachten »Avifaunistisch wertvoller Bereiche von lokaler und höherer Bedeutung« entspr. Punkt 6.2 der Leitlinie zur Anwendung der Eingriffsregelung bei der Errichtung von Windkraftanlagen 31 Niedersächsisches Umweltministerium: Brief an die Landkreise und kreisfreien Städte an der Küste vom 25.10.1994: Nutzung der Windkraft in Niedersachsen 32 Ostfriesen-Zeitung vom 03.11.1992 33 Ostfriesen-Zeitung vom 01.09.1993 34 Ostfriesen-Zeitung vom 11.01.1997 35 Ostwind Verwaltungsgesellschaft & Tacke Windtechnik (Hrsg.): Windpark Utgast II. Eröffnungsbroschüre, 1996 36 Otzen, C.: Anspruch und Wirklichkeit der Nutzung der Windenergie in der Bundesrepublik Deutschland. NABU Schleswig-Holstein 1995 (unveröff.) 37 Pedersen M. B. und E. Poulsen: Impact of a 90m/2 MW wind turbine an birds. Avian responses of the Tjaereborg Wind turbine at the Danish Wadden Sea. Danske Vildtundersogelser 47. Kalö 1991 38 Plenum: Errichtung von 47 Windkraftanlagen ä 600 kW im Bereich Utgast (Windpark Utgast II). Bauantrag und ökologisches Gutachten, 1994 (unveröff.) 39 Pohl, D.: Stand der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten in Niedersachsen. Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 12, Nr.7, 1992,S.217-300 40 Pohl, D.: Stand der Ausweisung von Naturschutzgebieten in Niedersachsen. dersachsen. Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 16, Nr. 2, 1996, S.65-80 41 Schreiber, M.: Zum Einfluß von Störungen auf die Rastplatzwahl von Watvögeln. Inform. d. Naturschutz Niedersachsen 13, Nr. 5, 1993,5.161-169 42 Skov, H., J. Durinck, M. F. Leopold und M. L. Tasker: Important
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Bird Areas for seabirds in the North Sea. BirdLife International, Cambridge, 1995 43 Winkelman, J. E.: Bird/Wind Turbine Investigations in Europe. In: LGL Ltd. Environmental Research Associates (Hrsg.): Proceedings of National Avian-Wind Power Planning Meeting, S. 110-121, Denver, Colorado, 20. bis 21. Juli 1994 44 Wöbse, H.H. und A.J.Ackermann: Der Einfluß von Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild im Landkreis Aurich. Institut f. Landschaftspflege und Naturschutz der Universität Hannover, 1995 (unveröff.) Kapitel 6 1 Bastian, Olaf.: Stellungnahme für die Anhörung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau am 25. Oktober 1995, 6 Thesen gegen die Privilegierung von Windkraftanlagen 2 Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 85, vom 20.12.1996, 5.1864 ff.; Handelsblatt vom 10.2.1997, S. 6 3 M. Krautzberger: Neuregelung der baurechtlichen Zulässigkeit von Windenergieanlagen zum 1.1.1997, in NVwZ 1996, S. 847 ff.; Jörg Wagner: Bau von Windkraftanlagen erleichtert, in BBauBI. 11/96, S. 833 ff.; Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich und ihre planerische Steuerung durch die Gemeinde, in UPR 10/1996, S. 370 ff. mwN.; Hartwig Lüers: Windkraftanlagen im Außenbereich - zur Änderung des § 35 BauGB -, in ZfBR 11/96, S. 297 ff. 4 Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Az.: 1 L 181/94 vom 20.7.1995 und Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Münster) Az.: 10 B 2385/96 vom 22.10.1996 5 Aloys Wobben, Inhaber der Fa. Enercon, in Ostfriesische Nachrichten vom 20.1.1997 6 Breuer: Planungsgrundsätze für die Integration der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Ausbau der Windenergienutzung, in NNA-Berichte 3/96, S. 39 ff., sowie frühere Veröffentlichung zum Thema: Windkraftanlagen und Eingriffsregelung oder: Kann denn Windkraft Sünde sein?, in Inform. d. Naturschutz Niedersachsen, 13. Jg., Nr. 5, 1993, S. 152 ff. 7 Autorenteam: Empfehlungen zur Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Ausbau der Windkraftnutzung, Natur und Landschaft, 71. Jg. (1996) Heft 9, S. 381 ff.
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8 Bayr. Verwaltungsgerichtshof: Urteil vom 21.06.1995, Az.: 22 A 24.40095 9 Entwurf vom 20.5.1996 der Richtlinie zur Änderung der UVPRichtlinie, Anlage 11 3 i 10 Vierte Osnabrücker Gespräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht vom 19.-21.6.1996, in NVwZ 1996, S. 873 ff., insb. S. 874 unter VI 11 Wagner: Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich und ihre planerische Steuerung durch die Gemeinde, UPR 10/1996, S. 370, 376 (am Ende) 12 Schomerus/Schrader/Wegener: Umweltinformationsgesetz (UIG), Kommentar, Baden-Baden, Nomos-Verlag 1995 13 Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.7.1995, Az.: 1 L 181/94 14 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Az.: 7 C 64.95 15 Verwaltungsgericht Oldenburg Az.: 4 B 2811/96 und 4 B 4794/95 16 Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 10.10.1996, Az.: 7 L 2965/96 17 Hansjochen Dürr: Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle von Bebauungsplänen, NVwZ 1996, S. 105 ff. 18 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 56, 165; 64, 80; 81, 128; 91, 320; DVB1. 1994, 701 19 Oberverwaltungsgericht Koblenz, NJW 1984, 444f.; Blümel, VerwArch 1983, S. 153ff. mwN. 20 Bundesverwaltungsgericht, NJW 1994, 1546; Verwaltungsgerichtshof Mannheim, NJW 1992, 1060 21 Bundesverwaltungsgericht, NJW 1989, 467 22 Hufen: Verwaltungsprozeßrecht, 1994, § 14 Rdn 101 ff. 23 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 44, 244; Bönker, DVB1. 1994, 506 24 Verwaltungsgericht Oldenburg, AZ.: 4 B 5018/93 25 Spiegel-TV am 02.02.1997 (RTL) und 03.02.1997 (VOX) 26 Verwaltungsgericht Oldenburg, 4 B 5374/96 27 Wolfgang Ewer: Bauplanungsrechtliche Voraussetzungen für die Errichtung von Windenergieanlagen unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts, Sch1HA VII/1996, S.192 ff. 28 Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Az: 1 L 181/94 vom 20.7.95 und 1 L 128/94 v. 15.9.94
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Glossar
Oberverwaltungsgericht Münster, Az. 10 B 2385/96 vom 22.10.1996. Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Az: 8 A 35/92 vom 29.5.1996 29 Vergl. Herrmann, NJW 1997, 153ff. mwN. 30 Bundesgerichtshof, Urteil v. 23.5.1996, Az.: 1 ZR 76/94 31 Bundesgerichtshof, Urteil v. 12.3.1992, in NJW 1992, 2078 ff. mwN.
I I.
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i i
Amortisationszeit, energetische Zeit, die ein neues Kraftwerk arbeiten muß, um die zu seiner Installation verbrauchte Energie wieder zu erzeugen. Annuität Jährliche Rückzahlungsrate (Zinsen und Tilgung) einer Kapitalschuld. Äquivalenzfaktor Faktor zur Gewichtung der verschiedenen Gas- und Schadstoffmengen hinsichtlich ihres Anteils (C02 -Äquivalent)mTrbhsfk(ezognauKhldix mit dem Äquivalenzfaktor l). Avifauna Vogelwelt einer bestimmten Region. Bodenrauhigkeit Die bodennahe Windgeschwindigkeit bremsenden Faktoren: Wald, Bewuchs, Bebauung usw. C02-Äquivalent Anteil der Gas- und Schadstoffmengen am Treibhauseffekt im Vergleich zur Kohlendioxidemission. Dauerschallpegel, energieäquivalenter Ein dem betrachteten Schallereignis in der Wirkung gleicher konstanter Schalldruck. Einspeisungsvergütung Vergütung für den in das Netz der zuständigen Elektrizitätsversorgungsuntemehmen (EVU) eingespeisten Strom seitens der WKA-Betreiber. Energieflußdichte Nach diesem physikalischen Gesetz nimmt die Energieflußdichte mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit ab. Fällt z. B. die Windgeschwindigkeit (Windstärke) um die Hälfte ab, dann reduziert sich die Energieflußdichte auf 1/8. Erzeugungspotential, technisches Das maximale technisch Machbare. Flächenpotential, meteorologisches Flächen, die sich wetterbedingt zur Windenergienutzung eignen. Flächenpotential, technisches Zur Windenergienutzung technisch geeignete Flächen ohne Restriktionsflächen und unter Berücksichtigung der Sicherheitsabstände. 235
Frequenzbewertungsfilter (Ohrkurvenfilter) Für Geräuschmessungen wird die (international vereinbarte) Frequenzbewertung A angewendet, die der subjektiven Beurteilung der Lästigkeit bedingt Rechnung trägt. Impulshaltigkeit Kurzzeitig auftretende wiederkehrende Schalldruckspitzen. Isotache Verbindungslinie zwischen Orten gleicher Fließgeschwindigkeit (hier: Linien gleicher Windgeschwindigkeit). Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Gleichzeitige Gewinnung von mechanischer Energie, die in Elektrizität umgewandelt wird, sowie von Wärme für die Fernheizung. Lärmschwerhörigkeit Schädigung des Hörvermögens aufgrund dauerhafter Lärmeinwirkung von über 85-90 dB(A). Luftabsorptionsmaß Maß für die vom Schall auf dem Luftweg verbrauchte Energie. Mittelungspegel Quadratischer Mittelwert der Schalldrücke in der Zeiteinheit. Mitwindwetterlage Die die Schallausbreitung begünstigende Windrichtung. Offshore (»von der Küste entfernt«) Im Bereich der Energiewirtschaft verwendete Bezeichnung für die Gewinnung (fossiler) Energieträger von in Meer verankerten Plattformen aus. Hier: Die Installation von Windkraftanlagen auf offener See. Oktavmittenfrequenz Mittlere Frequenz des in Oktaven aufgeteilten Frequenzspektrums. Parallelbetrieb Betriebsbereitschaft und Ersatzbetrieb konventioneller Kraftwerke bei witterungsbedingtem Ausfall der Windenergie. Parkwirkungsgrad siehe Windabschattungsfaktor Potential, soziales Maß für die gesellschaftliche Akzeptanz der Windenergienutzung Raumwinkelmaß Rechengröße in der Berechnung der Schallausbreitung zur Berücksichtigung der Reflexion. Restriktionsflächen Ausschlußflächen des meteorologischen Flächenpotentials: Wohngebiete, Verkehrswege, Flughäfen, Wälder, Naturschutzgebiete, Gewässer etc. 236
Rotordurchmesser (D) Maßeinheit für den Mindestabstand zwischen den WKAs innerhalb eines Windparks. Schalleistungspegel, immissionsrelevanter Für die Schallausbreitungsberechnung eingesetzter Wert der Schalleistung. Standortpotential, technisches maximale Zahl der WKAs auf einem technischen Flächenpotential. Stromeinspeisungsgesetz Gesetz, wonach EVU bei entsprechender Vergütung angebotenen Windstrom in ihre Netze einspeisen müssen. Tonhaltigkeitszuschlag Erhöhung des Bewertungspegels zur Berücksichtigung lästig wirkender Einzeltöne im Gesamtschallereignis. Vorprägung Der durch bereits vorhandene Bebauung und Infrastruktur geprägte Charakter einer Landschaft als Entscheidungskriterium scheidungskriterium für weitere Eingriffe. Windabschattungfaktor (Parkwirkungsgrad) Vergleichsgröße zwischen dem Energieertrag eines Windparks und demjenigen von einzeln installierten, ungestörten WKAs gleicher Zahl. Winddargebot Die einer WKA zur Verfügung stehende Windenergiemenge.
I
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i Abkürzungsverzeichnis
AKW BAG BauGB
Atomkraftwerk Bayernwerk AG, München Baugesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BMFT Bundesministerium für Forschung und Technologie BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts CO2 Kohlendioxid D Rotordurchmesser dB Dezibel dB/m Dezibel pro Meter DEWI Deutsches Windenergie-Institut DGW Deutsche Gesellschaft für Windenergie DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DWD Deutscher Wetterdienst EVS Energieversorgung Schwaben, Stuttgart EVU Elektrizitätsversorgungsuntemehmen GEMIS Gesamtemissionsmodell integrierter Systeme GG Grundgesetz Hz Hertz IEA Internationale Energie-Agentur kW Kilowatt kWh Kilowattstunde kWh/a Kilowattstunden pro Jahr 239
Meter pro Sekunde Megawatt (1 Million Watt) Lachgas Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe Niedersächsisches Naturschutzgesetz Stickoxide Nordrhein-Westfalen Oberverwaltungsgericht Pfennig pro Kilowattstunde RGBl. Reichsgesetzblatt RWE Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk, Essen TA LÄRM Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm UBA Umweltbundesamt UIG Umweltinformationsgesetz UVP Umweltverträglichkeitsprüfung VDEW Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke VDI Verein deutscher Ingenieure VEW Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen, Dortmund VG Verwaltungsgericht VIK Vereinigung Industrielle Kraftwirtschaft VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WEA Windenergieanlage WKA Windkraftanlage WTG Windkrafttechnische Gesellschaft
Die Autoren
m/s MW N 20 NM-VOC NNatG NO x NRW OVG Pf/kWh
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Dipl.-Ing., Dipl.-Volkswirt, Dr. techn. Hans Ernst (Kapitel 3) Habichtstr. 79, 45527 Hattingen Dipl.-Biologe Ulrich Filbrandt (Kapitel 5) Stettiner Str. 21, 26603 Aurich
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Rechtsanwalt Thomas Mock (Kapitel 6) Deichweg 8, 53424 Remagen Dipl.-Ing. Walter Niemand ( Kapitel 4) Gartenstr. l, 26434 Waddewarden Prof. Dr.-Ing. Otfried Wolfrum, Herausgeber ( Vorwort, Einleitung, Kapitel 1 und 2, Ausblick) Neutsch 72, 64397 Modautal
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