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Text Rückseite: Am 14. März des Jahres 2387 entdeckt der Astronom Giovanni Vesuv unbekannte Flugobjekte. Sie starten vom blauen Planelen und nehmen Kurs auf den kleinen unbewohnten Planeten Tommy- Dort verbringt der Astronom seinen Urlaub. Vorbei ist es nun mit der Ruhe und Erholung. Die Familie Schieberbein — Spezialisten für außerirdisches Leben und Raketenflug — nimmt Giovanni mit auf die abenteuerliche Expedition zum unheimlichen blauen Planeten Auch die Kinder Tobias und Sabine Schieberbein-dürfen an diesem gefährlichen Unternehmen teilnehmen — aber nur deshalb, weil sie von Wilhelmine, dem kuriosen Uraltsicherheitsroboter, beschützt werden. Wie gut für alle, daß es Wilhelmine gibt!
Konrad Potthoff
Wilhelmine und der
unheimliche PLANET
Der Kinderbuchverlag Berlin
3.Auflage 1981 © DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN - DDR 1978 Lizenz-Nr. 304-270/269/81-(60) Fotosatzherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin Repro, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Karl-Marx-Werk Pößneck LSV7513 Für Leser von 10 Jahren an Bestell-Nr.6303154 DDR 4,50 M
I Für Giovanni Vesuv beginnt der 14. März 2387, nach irdischem Kalender, wie jeder andere Tag auch. Der dicke Astronom verläßt den Schlafraum und versucht, zu dem Küchenroboter Willy zu schleichen, ohne daß es seine Frau bemerkt. Aber wie jeden Morgen, so ist er auch heute erfolglos. Seine Frau hat ihn gehört. Die Station auf dem Planeten Tommy ist zu klein. „Giovanni, aber nicht schon wieder Fettschnitten einpacken", ruft sie. „Komm, wir wollen zusammen frühstücken." „Keine Zeit!" ruft Giovanni zurück. „Gerade heute könnte ein neuer Komet auftauchen." „Das behauptest du jeden Morgen", sagt Frau Vesuv, in die Küche eintretend. „Das ist doch nur eine Ausrede." „Gib mir schon die Fettschnitten", knurrt Giovanni den Küchenroboter Willy an. „Und eine Thermosflasche mit Kaffee dazu." „Bitte, nicht schon wieder Fettschnitten", jammert der Roboter. „Ich bin in letzter Zeit total unterfordert. Soll ich vielleicht ein Frühstücksei legen, ein weichgekochtes?" fragt Willy hoffnungsvoll. „Recht hat er", mischt sieh Frau Vesuv in das Gespräch. „Etwas Abwechslung könnte dir wirklich nicht schaden. Und Fett liegt schwer im Magen. Denk an deine schwachen Nerven." „Mir liegt etwas ganz anderes schwer im Magen", murrt Giovanni. „Eben wegen meiner Nerven bin ich hier zur Erholung. Also?" sagt er drohend zu dem Roboter, der wie ein kleiner beleidigter Grabstein aussieht, den man mit Silberbronze gestrichen hat. Willy öffnet mit einem seiner Metallarme eine Klappe an seiner Vorderseite, holt einen Beutel mit Fettschnitten und eine Thermosflasche mit Kaffee heraus und gibt sie dem Astronomen. „In der Sternwarte habe ich wenigstens meine Ruhe. Amüsiert euch gut." Giovanni verläßt durch einen Gang den Wohnteil der astronomischen Station. Er hört gerade noch, wie seine Frau zu Willy sagt: „Ich weiß nicht, fünf Monate sind wir schon hier, aber seine Nerven sind noch immer nicht die besten." Willy knurrt: „Wenn er wenigstens einmal weichgekochte Eier..." Giovanni hält sich die Ohren zu und betritt das Observatorium. Dort setzt er sich in den Sessel an dem riesigen Spiegelteleskop und frühstückt erst mal. Denn nun hat er Ruhe. Giovanni Vesuv und seine Frau sind nämlich die einzigen Menschen auf dem Tommy. Der Tommy ist ein kleiner Planet in einem weit von der Erde entfernten Sonnensystem. Normalerweise gibt es keine Menschen dort. Nur irdische Roboter, die mit Hilfe großer Maschinen Erz abbauen, seltene Metalle gewinnen und sie mit riesigen Transportraketen zur Erde bringen. Nach dem Frühstück hat sich Giovannis Laune so weit gebessert, daß er sich in der Lage fühlt, sein allmorgendliches Schwätzchen mit Argus, dem Beobachtungsroboter der Sternwarte, zu halten. Giovanni schaltet den Roboter auf Sprachkontakt um. „Guten Morgen, Argus. Es gibt doch hoffentlich nichts Neues im Weltraum?" „Guten Morgen", antwortet Argus. „Alle von mir beobachteten Sonnen und Planeten sind an dem Platz, den ich vorausberechnet habe. Kein besonderes Vorkommnis, das mir entgehen könnte." „Eingebildeter Blechkasten!" Giovanni lacht. „Aber um so besser, mir ist absolut nicht nach Abwechslung zumute."
Argus ist der eigentliche Chef der Sternwarte. Er ist für die Beobachtung dieses Weltraumabschnittes verantwortlich. Entdeckt er etwas Besonderes, meldet er es an die oberste Weltraumfahrtbehörde, die ihren Sitz auf dem Erdmond hat.
„Ärger mit Frau Vesuv gehabt?" erkundigt sich Argus höflich. „Was verstehst du schon davon, du Roboter." Giovanni betrachtet mißmutig das Mikrophon. Der Nachteil solcher Gespräche mit Argus ist es, daß man den Roboter nicht sieht. Argus ist ein kleiner viereckiger Kasten, der sich irgendwo im Spiegelteleskop befindet. „Ich schaue mich mal ein bißchen im Weltraum um." „Bitte sehr", antwortet Argus gelangweilt. „Aber wie ich bereits betonte: Es gibt nichts Neues zu sehen. Nur Sonnen, Planeten und anderes Gerumpel." „Ich hatte auch nichts anderes erwartet." Giovanni schaltet den Roboter aus und das Spiegelteleskop auf Handbetrieb um. Er weiß genau, was er sich betrachten wird. Aber das kann er dem Roboter nicht erzählen, und der würde es auch nicht verstehen. Immer wenn Giovanni sich ärgert, und das tut er häufig, schaut er sich durch das Spiegelteleskop den blauen Planeten an, weil der ihn an die Erde erinnert. Nur daß er etwas kleiner ist.
Langsam läßt Giovanni seine noch müden, aber nun mit ungeheurer Vergrößerung ausgestatteten Augen durch das Weltall schweifen. Bis sich der Rand des blauen Planeten in sein Blickfeld schiebt. Gerührt betrachtet er die Wolken und die Oberfläche des Planeten, die er durch die Wolkendecke schimmern sieht. Plötzlich erstarrt er, aber dann dreht er aufgeregt am Okular, um eine größere Schärfe zu erreichen. „Was ist denn das?" ruft er laut. „Oh, ihr müden Augen, wollt ihr mich belügen?" Er hat sechs kleine helle Punkte über dem Horizont des blauen Planeten entdeckt, die sich offensichtlich bewegen. Schnell schaltet er Argus wieder auf Sprachkontakt um. „Argus, eine Frage sei mir erlaubt", sagt er betont liebenswürdig. „Sagtest du nicht vorhin, es gäbe nichts Besonderes zu sehen?" „Stimmt", erwidert der Roboter. „Hast du auch zum blauen Planeten hinübergeschaut?" „Das gehört nicht zu meinem heutigen Programm. Der blaue Planet wird nur aller zwei Monate einmal von mir routinemäßig betrachtet." „Was würdest du dazu sagen, wenn es dort eine nette kleine Überraschung gäbe? Zum Beispiel sechs kleine leuchtende Punkte, die sich bewegen." „So etwas gibt es gar nicht", ist die erstaunliche Antwort. „Du Roboter, du!" brüllt Giovanni. Er kann sich nicht mehr beherrschen. „Überzeuge dich gefälligst selber, bevor du so etwas behauptest!" „Den blauen Planeten beobachte ich erst planmäßig wieder in zwanzig Tagen, sechs Stunden, fünf Minuten und sieben Sekunden", antwortet Argus gelassen. Jetzt erweist es sich als Vorteil, daß Giovanni nicht weiß, wo sich der Roboter befindet. Sonst hätte er ihn sicher in seine Einzelteile zerlegt. „Was ist denn los?" fragt Frau Vesuv besorgt, in die Sternwarte eintretend. „Dein Geschrei hört man sicher bis zur Erde." „Unbekannte Flugobjekte in der Nähe des blauen Planeten", ächzt Giovanni. „Und dieser blödsinnige Roboter weigert sich, sie zu beobachten." „Aber Giovanni, dein Jähzorn. Vielleicht bittest du ihn mal nett..." „Liebe Frau", flötet Argus, „das würde auch nichts nützen. Um mein Programm zu unterbrechen, muß man mir einen Befehl der Dringlichkeitsstufe eins geben." Giovanni schluckt, holt tief Luft und sagt dann gefährlich leise: „Befehl der Dringlichkeitsstufe eins! Sofort beobachtest du den blauen Planeten!" „Tatsächlich, sechs leuchtende Punkte!" reagiert der Roboter im selben Augenblick. „Bahnberechnung durchführen!" ordnet Giovanni an. Dann wendet er sich seiner Frau zu: „Ich werde mich bei meinem Arzt beschweren. Er hat behauptet, dies wäre ein ruhiger, erholsamer Planet." „Chef, ich fürchte um Ihre Nerven", unterbricht ihn Argus. „Die sechs Flugobjekte müssen einen eigenen Antrieb besitzen. Das läßt sich aus ihrem Kurs klar ablesen. Sie kommen offensichtlich vom blauen Planeten." Giovanni springt erregt aus dem Sessel. „Ganz ruhig!" mahnt Frau Vesuv besorgt. „Ich bin ganz ruhig", antwortet Argus erstaunt. „Idiot!" ruft Giovanni. „Du bist doch nicht gemeint, überprüf sofort, ob sich zur Zeit eine irdische Expedition auf dem blauen Planeten befindet." „Nein." Argus sammelt auch alle Informationen über Raumschiffbewegungen in diesem Teil des Weltraumes. „Auf dem blauen Planeten ist noch nie ein irdisches Raumschiff gelandet." „Das bedeutet ja...", murmelt Frau Vesuv und schaut ängstlich ihren Mann an. „Das bedeutet", beendet Giovanni den Satz und läßt sich in den Sessel fallen, „daß wir es mit außerirdischen Lebewesen zu tun haben. Träume ich?" „Nein", sagt Argus, „ich habe sie auch gesehen und träume nie." „Du mußt sofort die Erde informieren", ruft Frau Vesuv. Giovanni sitzt bereits am Funkgerät.
Das Wichtigste habe ich überhaupt noch nicht gemeldet", sagt Argus. „Wenn sich der Kurs nicht ändert, sind wir das Ziel der unbekannten Flugobjekte. Sie steuern den Tommy an." Nun muß sich Frau Vesuv vor Schreck setzen. „Wann werden sie den Tommy erreichen?" fragt Giovanni. „Wenn sie weiter so langsam fliegen, in frühestens vierzehn Tagen." „Dann ist kein Grund zur Aufregung", beruhigt Giovanni seine Frau. Er schaltet das Funkgerät ein, und getragen von einem ungeheuren Energiestrahl, gelangt die sensationelle Meldung zur Erde.
II Die bekannte Wissenschaftlerin Mathilde Schieberbein ist vor wenigen Stunden von einer Dienstreise zurückgekehrt. Drei Monate war die Spezialistin für außerirdisches Leben auf dem Planeten Pluto, wo ein Kongreß stattfand. Jetzt beobachtet sie ihren Mann und meint: „Daß du dir ausgerechnet in dieser abgelegenen Unterwasserstation eine Arbeit suchen mußtest, werde ich nie verstehen." Hannibal Schieberbein sitzt mit hochgekrempelten Hosenbeinen am Rande eines Wasserbeckens, die Beine läßt er in das Wasser baumeln und versucht, dem Delphin Julia Schach beizubringen. Seit der Ankunft der Mutter sind drei Stunden vergangen. Gleich nach ihrer Begrüßung mußten die Kinder, die Zwillinge Tobias und Sabine, in die Schule der Unterwasserstation „Ostsee VII". Die Mutter wartet ungeduldig darauf, daß sie nach Hause kommen, und läuft nervös umher. „Es wird dir hier wohl schon wieder langweilig?" fragt Hannibal seine Frau. „Ich kann mir zumindest Interessanteres vorstellen als den Versuch, diesem Delphin Schach beizubringen." „Sag das nicht", erwidert Hannibal. „Aber ehe die Kinder kommen, noch eine andere Frage: Wie lange bleibst du denn diesmal bei uns?" Die Mutter schweigt eine Weile. „Ich weiß es noch nicht. Ein, zwei Monate vielleicht... In jedem Falle etwas länger als das letzte Mal." „Du willst jedesmal etwas länger bleiben", meint Hannibal. „Aber dann fliegst du bei der erstbesten Gelegenheit wieder weg und überläßt es mir, die Kinder zu erziehen." „Du wolltest hierher in diese Station, nicht ich", braust die Mutter auf. „Du warst es, der damals nach dem Unglück mit dem Weltraumschiff aufgehört hat zu fliegen. Und dann diese Idee, ausgerechnet hier Meereszoologe zu werden!" „Was du nur gegen die Unterwasserstation hast? Auf dem Festland leben so viele Menschen. Die Kinder fühlen sich hier wohl, und ich kann mit ihnen immer zusammen sein. Durch deine vielen Reisen merkst du gar nicht, daß sie größer geworden sind." „Jetzt übertreibst du." Mathilde spricht nicht weiter, denn die Kinder kommen. Mit ihnen der Dackel Cäsar. „Wascht euch bitte die Hände! Sagt bloß, der Hund war mit in der Schule. Ich verbiete euch das. Kommt, wir wollen jetzt essen", sagt sie nach der Begrüßung zu den Zwillingen. Sabine will etwas erwidern, doch Tobias grinst und winkt mit der Hand ab. „Wir möchten bitte die Weltnachrichten hören", wendet er sich an Hannibal. „Hast du nicht verstanden? Wir wollen jetzt essen." Mathilde steht auf und geht zum Küchenroboter. „Weshalb möchtet ihr denn die Weltnachrichten hören?" fragt Hannibal. Tobias geht zu ihm hin und flüstert ihm etwas ins Ohr. „Essen wird verschoben", entscheidet Hannibal und setzt sich in einen Sessel, der gegenüber dem noch leeren Rahmen des Bildtelefons steht und in dem gleich das Gesicht des Sprechers der Weltnachrichten zu sehen sein wird. „Ich werde hier wohl überhaupt nicht mehr gefragt!" Mathilde ist empört. Sie will den Raum verlassen.
„Warte!" ruft Hannibal. „Es ist eine Überraschung. Sie wird dich auch interessieren." Mathilde bleibt stehen und seufzt. „Was ist denn mit ihr?" fragt Sabine leise ihren Vater und deutet mit dem Kopf zur Mutter. „Eure Mutter ist hier nicht sehr glücklich. Jedesmal, wenn sie zu uns kommt, fühlt sie sich wie zu Besuch und nicht wie zu Hause. Ist das richtig so?" fragt Hannibal seine Frau. „So ungefähr", schluchzt diese nun. „Deshalb bist du wohl manchmal auch so unausstehlich", fragt Tobias freundlich seine Mutter. „Du behandelst uns, als wären wir Kleinkinder. Jedesmal, wenn du für ein paar Tage hier bist, versuchst du uns mit aller Gewalt zu erziehen. Gibst Verbote und Anordnungen, die völlig überflüssig sind, weil du unser Leben hier gar nicht kennst." „Offenheit, milde ausgedrückt, scheint ihr ja bei eurem Vater gelernt zu haben", meint die Mutter. „Hoffentlich sieht es auf allen anderen Gebieten ähnlich aus." „Das wird sich gleich herausstellen", antwortet Hannibal und" steht interessiert auf, denn eben ist das Gesicht des Sprechers der Weltnachrichten im Bildtelefon erschienen. „Seid ihr euch auch wirklich sicher, daß etwas für euch Interessantes gemeldet werden wird?" fragt Hannibal die Kinder mit einem Seitenblick zur Mutter. „Vielleicht solltet ihr doch schon vorher andeuten, worum es eigentlich geht." Tobias druckst herum. „Weißt du, es gibt doch diesen Forschungswettstreit für die Kinder aller Planeten." „Und da haben wir teilgenommen", ergänzt Sabine, „und heute werden die zehn Preisträger bekanntgegeben." Die Mutter ist überrascht. „Und ihr meint wirklich, ihr könntet zu den Preisträgern gehören? Aber das ist doch unmöglich! Millionen Kinder beteiligen sich an diesem Wettstreit." „So völlig hoffnungslos ist es gar nicht für unsere Kinder", meint Hannibal. „Ihre Arbeit wurde bereits als eine der fünfzig besten bestätigt." „Dann könnt ihr wirklich sehr zufrieden sein. Das habe ich nicht erwartet." „Unsere Arbeit wird bestimmt eine der zehn bestensein", erklärt Tobias. „Junge, woher nimmst du bloß das Selbstvertrauen?" Mathilde Schieberbein wundert sich. Der Sprecher der Weltnachrichten meldet jetzt ein neuentdecktes Uranvorkommen auf dem Mars. Danach beginnt er mit der Bekanntgabe der Preisträger des diesjährigen Forschungswettstreites für Kinder. Zuerst nennt er den Platz Nummer 10, Namen und Wohnort des Preisträgers und das Thema der Arbeit. Die Zwillinge werden immer nervöser. Als der Sprecher bei Platz Nr. 3 angelangt ist, wird Sabine mutlos, und Tobias beginnt sich seiner großen Worte von vorhin zu schämen. Der Sprecher sagt jetzt: „Und nun zu den ersten Preisträgern: Tobias und Sabine Schieberbein vom Erdplaneten, Unterwasserstation Ostsee VII, erhalten den ersten Preis für ihre Arbeit ..." Die nächsten Worte gehen in Lärm unter. „Wir haben gewonnen!" ruft Tobias überglücklich. „Wir haben gewonnen!" Und Sabine quietscht laut vor Freude. Der Dackel bellt, und der Delphin, nervös geworden, springt gewaltig und spritzt das halbe Zimmer naß. „Seid doch mal still!" ruft Hannibal. „...Sabine und Tobias Schieberbein dürfen sich ihr nächstes Forschungsobjekt aussuchen. Sie erhalten jede Unterstützung, bekommen alles, was sie brauchen, ob es nun ein Computer oder ein Raumschiff ist..." Der Sprecher lächelt wohlwollend, als wäre er es, der hier Raumschiffe zu vergeben hat. Die Eltern gratulieren Sabine und Tobias. „Das ist ja ein tolles Ding", sagt die Mutter. „Davon hättet ihr mir doch mal was erzählen können. Ich wäre euch sicherlich eine gute Hilfe gewesen."
Sabine sieht ziemlich skeptisch aus. „Unter deiner Anleitung hätten wir nie selbständig arbeiten können." „Hört auf!" Hannibal wird böse. „Jetzt übertreibt ihr! Eure Mutter meint es gut mit euch." „Komm", sagt Tobias zu Sabine. „Wir erzählen es den anderen Kindern aus unserer Schule." Als die beiden den Raum verlassen haben, sagt Mathilde Schieberbein traurig: „Ob es mir jemals gelingen wird, wieder ein gutes Verhältnis zu unseren Kindern zu bekommen?" „Eben waren sie ungerecht zu dir", versucht Hannibal sie zu trösten. „Ich werde mit ihnen reden. So geht das nicht." „Dabei kann ich es ihnen nicht einmal verdenken. Ich glaube nun auch, daß ich für sie allmählich eine Fremde bin, die sich in eure Angelegenheiten einmischt." Mutlos läßt sich Mathilde in einen der Sessel am Rande des Beckens fallen. „Wenn ich nur einen Ausweg wüßte." „Alles wäre einfacher, wenn du dich mit unserem Leben hier in dieser Station abfinden könntest." „Ich werde es wohl versuchen müssen..."
Beide sitzen ratlos und ein bißchen traurig in den Sesseln und betrachten den Delphin, der ruhelos im Kreis herumschwimmt. Plötzlich, zu einer völlig ungewohnten Zeit, erscheint nochmals im Rahmen des Bildtelefons das Gesicht des Sprechers der Weltnachrichten. „Achtung, Achtung, eine Sondermeldung..." Seine sonst so monotone Stimme klingt erregt. Doch das ist alles, was er sagt, dann ist er nicht mehr zu sehen. Hannibal und Mathilde blicken sich verwundert an. In dem Augenblick kommen die Zwillinge in den Raum gelaufen. „Was ist denn los? Klang das nicht eben wie ,Sondermeldung?" „Still!" ruft Hannibal. Wieder sieht man das Gesicht des Sprechers. Wieder ruft er: „Achtung, Achtung, eine sensationelle Sondermeldung!" Dann erzählt er von der Entdeckung, die Giovanni Vesuv gemacht hat. Und davon, daß erstmals in der Geschichte der Menschheit Raumflugkörper beobachtet wurden, die wahrscheinlich von vernunftbegabten Wesen gelenkt werden, die nicht von der Erde stammen. Nach dieser Meldung ist es sehr still bei den Schieberbeins. Hannibal beobachtet seine Frau. Die schaut gespannt auf das Bildtelefon, als erwarte sie weitere Meldungen. Und tatsächlich, nur wenige Minuten später ist das Gesicht eines der Sprecher der obersten Weltraumfahrtbehörde zu sehen. Er bittet Mathilde, sofort auf den Mond zu kommen. Dort wird eine Sondersitzung der obersten Weltraumfahrtbehörde stattfinden. Mathilde soll als Spezialistin für außerirdisches Leben daran teilnehmen. Hannibal blickt erwartungsvoll auf seine Frau. „Ich fliege nicht!" ruft diese entschlossen, als sie es bemerkt. „Natürlich wirst du fliegen", sagt Hannibal langsam. „Was wir vorhin besprochen haben, ist jetzt gegenstandslos. Dort, bei dieser Sitzung, wirst du gebraucht. Da geht es schließlich um mehr, als es die Probleme unserer Familie sein können." „Meinst du wirklich?" fragt Mathilde mißtrauisch. „Ist das wirklich deine Meinung? Oder willst du mich nur schnell wieder loswerden?" „Rede keinen Unsinn." Hannibal ist ärgerlich. „Da geschieht das Interessanteste, was dir überhaupt in deinem Beruf passieren kann. Fremde vernunftbegabte Lebewesen wurden entdeckt. Und da ausgerechnet willst du hierbleiben und Quallen beobachten? Daß ich nicht lache!" „Ich gehe und rufe ein U-Boot!" Tobias rennt zum Funkgerät. „Ich wünschte, ich könnte auf dieser Sitzung Mäuschen sein." Plötzlich bleibt Tobias stehen, dreht sich zu Sabine um, geht dann aber zu dem Funkgerät, sehr nachdenklich. „Gut." Die Mutter steht entschlossen auf. „Wenn das eure ehrliche Meinung ist, werde ich fliegen. Lange wird die Sitzung sicher nicht dauern. Wenn sie beendet ist, komme ich sofort zu euch zurück." Sie packt ein paar Sachen zusammen, verabschiedet sieh von den Kindern und wird von Hannibal zum U-Boot gebracht. Die Zwillinge bleiben allein zurück. Tobias starrt auf den Rahmen des Bildtelefons. „Was ist denn mit dir los?" fragt Sabine neugierig. „Nichts", antwortet Tobias, lacht plötzlich und läßt sich kopfüber in das Becken fallen, so daß der Delphin Julia vor Schreck bis zur Decke springt. „Ich glaube, ich habe eine fabelhafte Idee", sagt er, als er pudelnaß aus dem Becken steigt.
III Drei Stunden später beginnt die Sondersitzung in einem unterirdischen Gebäude auf dem Mond, der Zentrale der obersten Weltraumfahrtbehörde.
Alle Mitglieder, die auf der Erde oder dem Mond leben, sind angereist. Jene Mitglieder, die gerade unterwegs im Weltraum sind, stehen in direktem Funkkontakt mit dem Raum, in dem die Besprechung stattfindet. Zeus, der Chef der obersten Weltraumfahrtbehörde, eröffnet die Sitzung. Danach beginnt die Diskussion. „Wer ist Giovanni Vesuv, inwieweit sind seine Informationen zuverlässig?" fragt ein Astronom aus Afrika. „Giovanni Vesuv ist ein Sonderling. Aber das steht in keiner Beziehung zu der Tatsache, daß die fremden Flugobjekte von ihm tatsächlich beobachtet worden sind. Eine weitere Außenstation hat sie ebenfalls gesichtet und die Beobachtungen von Giovanni bestätigt." „Was wird für die Sicherheit der beiden Vesuvs getan?" „Frau Vesuv wurde aufgefordert, sofort den Tommy zu verlassen", erklärt Zeus lächelnd, denn er kennt sie ziemlich gut. „Sie hat sich erst geweigert. Giovanni Vesuv konnte sie dann schließlich doch überreden. Sie befindet sich bereits in einem Erztransporter auf der Reise in Richtung Erde. Giovanni möchte auf dem Tommy bleiben. Zur Zeit sehen wir keine unmittelbare Gefahr für ihn. Die fremden Objekte fliegen relativ langsam. Er kann jederzeit mit einem Erztransporter rechtzeitig ausweichen, falls es notwendig sein wird." „Und woher kommen diese rätselhaften Objekte?" fragt ein ehemaliger Raumschiffpilot aus Amerika. „Wir wissen es nicht", antwortet Zeus zögernd. „Vieles spricht dafür, daß sie direkt vom blauen Planeten kommen, den wir bisher für unbewohnt hielten. Kämen sie von weiter her, wären sie sicher bereits irgendwann früher beobachtet worden. Mathilde Schieberbein, was ist denn deine Meinung?" „Das ist alles sehr rätselhaft", antwortet Mathilde. „Theoretisch könnte es höheres Leben auf dem blauen Planeten geben. Der blaue Planet ist ein ähnlicher Planet wie die Erde. Aber noch nie wurde irgend etwas beobachtet. Keine Funksignale, keine Flugobjekte, nichts!" Nachdem man noch eine Stunde lang über diese Frage ohne ein Ergebnis diskutiert hat, sagt Zeus: „So geht das nicht weiter! Wir müssen eine Entscheidung darüber treffen, was wir unternehmen." „Schicken wir doch einfach eine Raumflotte zum blauen Planeten." „Das wird nicht möglich sein", antwortet Nikolai, der Stellvertreter von Zeus. „Jene fremden Wesen könnten das als Agression verstehen." „Unser Vorschlag ist", sagt Zeus, „ein kleines, gutausgerüstetes Forschungsraumschiff hinzuschicken mit nicht mehr als drei bis vier Personen an Bord. Sie sollen sich mal den blauen Planeten etwas genauer betrachten. Die sechs fremden Raumschiffe lassen wir erst einmal unbehelligt. Wir werden ja sehen, was sie vorhaben. Man wird sie ständig beobachten. Natürlich bleiben alle Raumflotten in höchster Alarmbereitschaft und sind ständig startbereit. Hat jemand eine andere Idee?" Nach einer weiteren halben Stunde Diskussion stellt sich heraus, daß der Vorschlag von Zeus die besten Voraussetzungen hat. „Und wer soll die Expedition leiten?" fragt der Astronom aus Afrika. „Es kommen doch ungefähr einhundert Personen in Frage." Nach längerem Abwägen, wer am geeignetsten dafür ist, fragt Zeus: „Mathilde Schieberbein, wärest du einverstanden, die Leitung der Expedition zu übernehmen?" Frau Schieberbein ist anfangs ein wenig bestürzt, überlegt eine Weile und sagt dann: „Muß ich mich gleich entscheiden? Ich hätte gern ein wenig Bedenkzeit." „Nein, Mathilde, das geht nicht. Wir brauchen deine Antwort. Das Raumschiff muß möglichst bald starten." „Also gut, ich werde fliegen." Mathilde sieht bei dieser Antwort nicht so aus, als würde sie sich sehr darüber freuen, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. „Wir brauchen noch einen erfahrenen Raumschiffpiloten", flüstert Nikolai Zeus zu.
„Natürlich", meint Zeus und stellt diesen Hinweis den Anwesenden vor. Gleich darauf wendet er sich an Mathilde Schieberbein: „Wäre es nicht am besten, wenn Hannibal Schieberbein ..." „Ihr wißt genau, daß Hannibal nicht mehr fliegt", unterbricht ihn Mathilde. „Seit dem Unglück damals..." „Ich weiß, ich weiß", fällt ihr Zeus ins Wort. „Aber es hätte ja sein können... Nun gut, ein Raumschiffpilot wird sich sicher finden. Mathilde, dein Raumschiff steht startbereit auf dem Mond. Es ist die ,Wilde Hilde'." „Ich muß vor dem Start aber wenigstens noch meiner Familie Bescheid geben." „Natürlich", sagt Zeus. „Dann erfolgt der Start in zwölf Stunden. Hiermit ist die Sitzung beendet." Zeus geht zurück in sein Büro, er wird von Nikolai begleitet. „Wen nehmen wir nur als Piloten?" fragt Zeus seufzend, als sie in seinem Büro angelangt sind. Da meldet sich der Robotersekretär: „Chef, hier sind zwei Kinder. Tobias und Sabine Schieberbein. Die wollen Sie unbedingt sprechen." Die beiden Männer sehen sich verwundert an. „Laß sie rein", fordert Zeus den Roboter auf. „Guten Tag", sagt Tobias. „Wir sind Tobias und Sabine Schieberbein. Wir sind hier soeben mit der Erd-Mond-Verbindungsrakete angekommen und möchten den Chef der obersten Weltraumbehörde sprechen." „Der bin ich", sagt Zeus. „Was habt ihr auf dem Herzen? Ah, ich ahne, weshalb ihr gekommen seid. Ihr habt in den Weltnachrichten gehört, daß eure Mutter zum blauen Planeten fliegen wird. Seid ihr deshalb hier? Soll sie bei euch bleiben?" „Wer fliegt zum blauen Planeten?" fragt Sabine ungläubig, „Wir haben keine Nachrichten gehört." „Also, was wollt ihr dann?" will Zeus wissen, der schon ungeduldig wird. Tobias tritt entschlossen einen Schritt vor. „Wir sind Gewinner des diesjährigen Forschungswettstreites für Kinder. Vom obersten Rat der Menschheit wurde uns zugesichert, daß wir uns selber aussuchen dürfen, was wir als nächstes erforschen wollen. Wir wollen zum blauen Planeten fliegen." Eine Weile ist es still im Raum; dann telefoniert Zeus mit dem obersten Rat der Menschheit, den Abteilungen Forschung und Erziehung. Danach sagt er: „Ja, warum eigentlich nicht!" Sehr glücklich sieht er jedoch bei diesen Worten nicht aus. „Da kommen allerdings einige Probleme auf uns zu", wendet er sich an Nikolai. „Unsere Mutter wird Schwierigkeiten machen", platzt Sabine dazwischen. „Das nehme ich auch an", meint Zeus. „Und mit Recht. Wir müssen uns etwas einfallen lassen." „Wie wäre es mit einem Sicherheitsroboter für die Kinder?" schlägt Nikolai vor. „Gibt es die alten Kämpfer überhaupt noch?" fragt Zeus. „Erkundige dich mal." Nikolai ruft in der Roboterverleihzentrale des Mondes an. Als er damit fertig ist, schmunzelt er vergnügt. „Die gute alte Wilhelmine stände zur Verfügung!" „Wilhelmine", ruft Zeus überrascht, „die existiert noch? Ich glaube, für die Kinder wäre Wilhelmine wirklich nicht schlecht..." „Übrigens", unterbricht ihn Nikolai, „wegen des fehlenden Raumschiffpiloten sehe ich jetzt eine Möglichkeit. Ich glaube, dieses Problem wird sich nun auch lösen." „Gut", ruft Zeus erleichtert. „Kläre du das. Am besten, ihr holt sofort Wilhelmine und fliegt dann schnellstens zur Erde. Eure Mutter wird sich sicher Sorgen machen, wenn sie euch nicht in Ostsee VII antrifft." „Das kann ja heiter werden", flüstert Sabine ihrem Bruder zu.
IV Nikolai und die Zwillinge gehen los, um den Roboter Wilhelmine aus der Roboterverleihzentrale abzuholen. Sie steigen in ein kleines, elektrisch betriebenes Auto und fahren eine der unterirdischen Straßen entlang, die es überall auf dem Mond gibt. „Wozu brauchen wir eigentlich diesen Roboter?" fragt Tobias. „Er soll euch helfen und im Notfall beschützen", erwidert Nikolai. „Was ist das eigentlich: ein Sicherheitsroboter. Ich bin so einem Typ noch nie begegnet", meint Sabine. „Die werden heute auch nicht mehr eingesetzt und schon seit langer Zeit nicht mehr gebaut", erzählt Nikolai. „Man brauchte sie, als die großen Entdeckungsreisen in den Weltraum begannen. Damals waren die Raumschiffe klein und langsam. Oft konnte nur ein einziger Kosmonaut in ihnen fliegen. Ihnen wurden solche Sicherheitsroboter mitgegeben. Sie sind sehr kräftig. Was sie am meisten von anderen Robotern unterscheidet: Ihnen wurde ein Selbsterhaltungstrieb einprogrammiert. Sie sind listig und tapfer. Sogar lustig, denn die Kosmonauten brauchten auf ihren langen, einsamen Flügen auch Unterhaltung." Fünf Minuten später sind sie am Ziel. Zehn Etagen tief unter der Mondoberfläche ist die Roboterverleihzentrale. Nikolai erläutert dem Pförtnerroboter ihren Wunsch, und sie fahren hinab. Wilhelmine zu holen. Sie laufen durch lange Gänge. Rechts und links von ihnen in den Boxen stehen die abgestellten Roboter. Manche sehen wie Spinnen aus, andere wie Schildkröten. Die Kinder können sie in allen Größen und Formen bewundern. Ihr Aussehen entspricht ihrem ehemaligen Verwendungszweck. Dann stehen sie vor Wilhelmine. Der Roboter ist ungefähr 2,20 Meter groß, hat Arme und Beine und einen Kopf mit Objektivaugen und Lautsprecher. Sogar eine Nase ist angedeutet. Auf dem Kopf befindet sich ein kleiner Radarschirm. Nikolai tritt an ihn heran und schaltet ihn ein.
„Guten Tag, Nikolai!" ruft Wilhelmine. „Ich lach mir einen Schaltfehler, wenn das nicht der Nikolai ist." „Guten Tag, Wilhelmine", sagt Nikolai lächelnd. „Woher kennt sie dich denn?" fragt Tobias erstaunt. „Sie war mal mein Begleiter", antwortet Nikolai, „als ich noch jung und selber Raumschiffpilot war. Außerdem ist Wilhelmine ziemlich bekannt. Eben, weil sie so alt ist. Sie hat schon eine Menge Abenteuer erlebt. Fast alle älteren Kosmonauten sind gemeinsam mit ihr geflogen... „Und niemand hat es bereut", fällt Wilhelmine ihm ins Wort. „Wilhelmine", wendet sich Nikolai an den Roboter, „dies sind Tobias und Sabine Schieberbein. Du wirst sie begleiten auf einer nicht ungefährlichen Expedition. Du kannst es noch nicht wissen. Unbekannte Flugobjekte sind beim blauen Planeten aufgetaucht. Die Menschheit wird erstmalig Kontakt zu außerirdischem Leben haben." „Und zu diesem Treffen schickt man Kinder?" fragt Wilhelmine. „Die älteren Menschen haben wohl Angst?" „Das erkläre ich dir nachher", antwortet Nikolai. „Außerdem bist du ja dabei. Und du bist der älteste und zuverlässigste Roboter, den wir finden konnten." „Stimmt", erklärt Wilhelmine. „Ich erweitere meine Frage: Einen jüngeren Roboter und ältere Kosmonauten konntet ihr wohl nicht finden?" „Hör schon auf mit deinen Witzen. Komm jetzt", erwidert Nikolai. Gemeinsam begeben sie sich hinauf zu dem unterirdischen Ausgang der Verleihzentrale. Dann fahren sie in die Passagierraketenabfertigungszentrale, kurz „Parakazent" genannt.
So eine Parakazent sieht wie eine riesige Käseglocke aus. Sie hat eine durchsichtige Decke, durch die man die Sterne funkeln sieht. Kleine Roboter mit Raupenketten fahren auf der Mondoberfläche herum, verbinden die Raketen und die Parakazent mit riesigen Plasteschläuchen, die mit Luft gefüllt werden. Durch die laufen die Passagiere und besteigen die kleinen Raketen, die im Abstand von 15 Minuten zum Flug vom Mond zur Erde starten. Für Tobias und Sabine ist das alles natürlich nichts Neues, denn auf dem Mond waren sie schon oft. Am Eingang der Rakete steht ein diensthabender Aufsichtsroboter, der beim Anblick Wilhelmines erstaunt pfeift und dann empört befiehlt: „Kehrt marsch! Ab in den Laderaum!" Dort befindet sich nämlich ein Aufenthaltsraum für Roboter. Wilhelmine bleibt verdutzt stehen und mustert den unbeweglichen, viereckigen Kasten mit Objektivaugen und Lautsprecher. „Du häßlicher Zwerg!" ruft sie nur und will weiterlaufen. Da sendet der Aufsichtsroboter einen Funkstrahl, der jeden anderen Roboter aktionsunfähig gemacht hätte; aber nicht den alten Sicherheitsroboter Wilhelmine. Natürlich fühlt Wilhelmine den Strahl und hebt ihre stählerne Faust. Sie hätte den kleinen Kollegen bestimmt zertrümmert. Doch Nikolai kennt sie gut. „Wilhelmine!" ruft er streng. Da läßt Wilhelmine die Faust wieder sinken und beginnt furchtbar zu schimpfen: „Ha, das mir, Wilhelmine, die tätig war in siebzehn Berufen. Paß nur auf, daß ich dir nicht deine Atombatterie ausblase, du Wicht, du! Ich habe schon Sternschnuppen mit dem Lasso gefangen und Planeten in die Pfanne gehauen, da kannte man von dir häßlichem Roboter noch keine Schraube, du primitive Kröte! Ich bin das Ei der Weisen und der Stein des Kolumbus..." „Umgekehrt!" ruft der Aufsichtsroboter verzweifelt. „Was ist hier umgekehrt?" fragt Wilhelmine. „Schluß!" ruft Nikolai dazwischen, sonst würde der Streit der Roboter sicher noch Stunden dauern. „Wilhelmine, du gehst jetzt sofort in den Aufenthaltsraum für Roboter!" Knurrend marschiert Wilhelmine davon. „Hast du das gehört!" Sabine strahlt über das ganze Gesicht. „Die knurrt ja richtig. So einen verrückten Roboter habe ich noch nie erlebt." „Wir nehmen Wilhelmine auf jeden Fall mit." Auch Tobias ist von Wilhelmine begeistert. „Ich habe es euch jagesagt." Nikolai grinst. „Die Roboterbauer von damals waren humorvolle Leute. Kein Vergleich zu diesen nüchternen, langweiligen Robotern heutzutage. Aber wie ich euch schon erklärte, die Aufgaben, die diese Robotergeneration zu erfüllen hatte, waren ganz andere." Sie sitzen in bequemen Sesseln in der Erd-Mond-Rakete, die inzwischen gestartet ist. Eine halbe Stunde brauchen sie, um zur Erde zu fliegen. Dort müssen sie nochmals in einen Frosch (Personenraketen, die Städte und Kontinente verbinden) umsteigen und gelangen so in eine große Stadt an der Ostsee. Dort setzen sie sich in eines der kleinen U-Boote, das sie zur Unterwasserstation bringt. „Hier war ich noch nie." Nikolai blickt interessiert durch das Bullauge in das klare Wasser. „Wie lange lebt ihr denn schon in der Station Ostsee VII?" „Fünf Jahre", antwortet Sabine. „Und ist es dort langweilig? Eure Mutter war doch ständig unterwegs..." „Na ja", sagt Tobias, „dort leben etwa 250 Menschen. Davon sind sechzig Kinder. Viel Abwechslung gibt es nicht, das Stimmt schon. Aber so konnten wir wenigstens in Ruhe arbeiten." „Wenn wir irgendwo anders gewohnt hätten, wären wir jetzt sicher nicht Preisträger", ergänzt Sabine. „Das ist auch ein Standpunkt", gibt Nikolai zu. „Ich könnte mir aber trotzdem vorstellen, daß es ohne eure Mutter hier in der Station manchmal recht einsam war. Aber nach dem Unglück damals wollte euer Vater von der Weltraumforschung nicht mehr viel wissen..." - „Wir
würden gern mal erfahren, was damals eigentlich geschehen ist. Unsere Eltern sprechen nie darüber. Weißt du Genaueres?" fragt Sabine. »Natürlich. Aber das wird euch euer Vater schon einmal selbst erzählen. Im übrigen steht es ihm frei, wo und wann er arbeitet, wie jedem Menschen. Es ist nur schade, daß dadurch eure Familie getrennt ist." „Mutter kann Fische nun einmal nicht ausstehen", sagt Sabine. „Unser Küchenroboter darf kein Fischfilet künstlich herstellen, wenn Mutter zufällig bei uns ist." „In Zukunft werdet ihr also ebenfalls auf Fisch verzichten müssen", stellt Nikolai fest. „Weshalb?" fragt Tobias. „Glaubt ihr denn, wir schicken zwei Raumschiffe los? Eins mit Sabine und Tobias Schieberbein und eins mit eurer Mutter?" „Ach so." Tobias wird sehr nachdenklich. „Was ist?" fragt Nikolai. „Uns wurde zugesichert, daß wir selbständig forschen dürfen. Wenn du glaubst, unsere Mutter läßt uns auch nur einen Meter ohne ihre Aufsicht auf dem blauen Planeten laufen, dann hast du dich getäuscht." „Das kann ja heiter werden", sagt Nikolai. „Eure Mutter wird auch nicht erfreut sein, gemeinsam mit euch zu fliegen. Wilhelmine!" ruft er. „Komm, wir sind am Ziel." Wilhelmine poltert aus ihrer Ecke, wo sie die ganze Zeit schweigend gestanden hat. „Ist sie eingeschnappt?" fragt Sabine. ,,Zuzutrauen wäre es ihr." Das kleine, von einem Roboter gesteuerte U-Boot schwimmt in die Schleuse der Unterwasserstation, die wie ein riesiger Kreisel über dem Meeresgrund schwebt. Kurze Zeit später können Nikolai, die Zwillinge und Wilhelmine aussteigen. Sie laufen an Laboratorien vorbei, Aufenthaltsräumen, Wohnungen. Überall begegnen sie Kolleginnen und Kollegen des Vaters, die den Kindern zu ihrem Erfolg gratulieren. „Wo wart ihr denn?" fragt ein Meereszoologe, als er die Zwillinge sieht. Er ist ein Freund ihres Vaters. „Kein Mensch wußte, wo ihr hingefahren seid. Hannibal macht sich schon große Sorgen. Und eure Mutter hat überall nach euch gesucht. Sie scheint es sehr eilig zu haben." Interessiert betrachtet er Wilhelmine. „Wozu habt ihr denn diesen Schrotthaufen auf Beinen mitgebracht? Wollt ihr in der Schule ein Robotermuseum einrichten? Funktioniert der überhaupt noch? Wozu war der mal gut?" Ehe die Kinder Wilhelmine verteidigen können, antwortet sie: „Sie sollten sich mal im Spiegel ansehen. In aller Ruhe. Zum Beispiel haben Sie eine im hohen Maße häßliche, rote, knollige Nase..." Der Meereszoologe schluckt und faßt sich an die Nase. „Entschuldigung", sagt Nikolai rasch. „Kommt, Kinder, los, Wilhelmine, wir müssen weiter." Sie betreten die Wohneinheit der Schieberbeins. Hannibal sitzt an einem Tisch inmitten von astronomischen Tabellen, Fotos, Büchern und einem kleinen Rechenautomaten. Solche Arbeitsgeräte bei ihrem Vater zu sehen, sind die Kinder nicht gewohnt. Hannibal schichtet alles schnell übereinander, als er Sabine und Tobias erblickt. „Wo wart ihr denn?" fragt er die Kinder, betrachtet erstaunt den Roboter und begrüßt Nikolai, der sich ihm vorstellt. „Meine Frau ist dort drüben im Nachbarraum", sagt Hannibal, „zu der willst du ja sicher." „Wie man es nimmt...", antwortet Nikolai, nachdenklich den Bücherstapel betrachtend. „Kinder, wo seid ihr gewesen?" Mathilde Schieberbein hat die Stimmen gehört und kommt in Hannibals Zimmer, mit ihr der Dackel Cäsar.
Wilhelmine bezieht die Frage der Mutter auf sich. „Ich war bisher in der Roboterverleihzentrale auf dem Mond. Mein Name ist Wilhelmine, und ich kann alles. Ich stehe unter Denkmalsschutz. Guten Tag, gnädige Frau!" Der große Roboter verbeugt sich höflich vor dem Dackel. Herr und Frau Schieberbein betrachten stumm Wilhelmine. „Ich bitte um eine Erklärung", sagt Mathilde Schieberbein dann streng zu Nikolai. Nach der ersten Freude kommt ihr das alles nicht geheuer vor. „Frag doch deine Kinder", antwortet Nikolai. „Ich bin unschuldig. Zeus hat mich nur mitgeschickt, um einige kleinere Nebenfragen zu klären." „Und was ist die Hauptfrage?" erkundigt sich Hannibal. „Wieviel Raumschiffe, die zum blauen Planeten fliegen, benötigt werden", antwortet Nikolai. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr." Mutter Schieberbein ist ratlos. „Diese Fragen wurden von der obersten Weltraumfahrtbehörde entschieden: Ein Raumschiff wird fliegen." „Gut, Mathilde. Das ist auch meine Meinung. Ein Raumschiff. Alles andere wäre ja albern. Schließlich sind es deine Kinder." „Waaas!" ruft Mutter Schieberbein. „Soll das etwa heißen, daß die Kinder mitfliegen?" „Wie bitte", verbessert Wilhelmine. „Was soll das bedeuten?" will Hannibal wissen. „Jetzt möchte ich endlich eine Antwort auf meine Fragen erhalten", fordert die Mutter energisch. Nikolai erzählt, was geschehen ist, nachdem Mathilde Schieberbein den Mond verlassen hat. Danach ist es eine Weile still. Dann plötzlich jault es verzweifelt, der Delphin Julia schwimmt erschrocken im Kreis herum. Wilhelmine hat Cäsar ins Wasser geworfen. „Er stinkt", behauptet sie. „Hol ihn sofort wieder heraus!" befiehlt Tobias. Aber man merkt ihm an, daß ihm diese Unterbrechung eigentlich sehr willkommen ist. „In Ordnung." Wilhelmine springt ebenfalls ins Wasser und spritzt bei ihrem Versuch, den Dackel aus dem Wasser zu fischen, alle naß. Doch in der Aufregung schimpft niemand. „Die Kinder bleiben hier", sagt Frau Schieberbein entschlossen, nachdem sie sich mit Hannibals Handtuch etwas abgetrocknet hat. „Wir fliegen", antwortet Tobias fest. „Wir haben den ersten Preis gewonnen." „Und wenn du uns nicht mitnimmst, fliegen wir allein. Wir bekommen bestimmt ein Raumschiff", trumpft Sabine auf. Doch dann versteckt sie sich schnell hinter Tobias Rücken. „So kommen wir nicht weiter", meint Nikolai. „Die Kinder haben nachgewiesen, daß sie selbständig wissenschaftlich arbeiten können. Sie haben die nötige Reife dazu. Dies wurde vom obersten Rat der Menschheit durch den Hauptpreis anerkannt. Daran läßt sich nichts ändern! Wenn die Kinder den blauen Planeten erforschen wollen, werden sie dort hinfliegen." Frau Schieberbein setzt sich in einen Sessel. „Es sind Kinder..." „Ihr wißt", wendet sich Hannibal bedächtig an Tobias und Sabine, „daß eure geplante Reise nicht ungefährlich ist." „Selbstverständlich", antwortet Sabine. „Auf dem Flug werden wir alle Varianten möglicher Gefahren mit einem Computer durchrechnen, damit wir uns auf jede Situation richtig einstellen können." „Da hörst du es", sagt Hannibal zu seiner Frau. „Sie wissen sich zu helfen." „Du hast gut lachen", murmelt Mathilde. „Du sitzt hier mit deinem Delphin, während ich die ganze Verantwortung allein tragen muß." „Du scheinst zu vergessen, daß ich fünf Jahre lang diese Verantwortung, von der du sprichst, allein getragen habe", erinnert Hannibal. „Das war etwas ganz anderes", entgegnet Mathilde Schieberbein.
»Da sich hier offensichtlich jeder um die Verantwortung für die Kinder drücken will, zumindest habe ich. Sicherheitsroboter Wilhelmine, diesen Eindruck, werde ich sie übernehmen." Wilhelmine steht inmitten einer großen Pfütze und trägt den Dackel auf dem Arm. „Hier drückt sich niemand", antworten Hannibal und Mathilde Schieberbein im Chor und sehen sich danach erstaunt an. „Soll das heißen...?" Mathilde schaut ihren Mann fragend an. „Das heißt, daß ich keine Lust habe, allein hierzubleiben, während ihr Abenteuer im Weltraum erlebt. Ihr sucht doch einen Raumschiffpiloten. Ich fliege mit."
V Mutter Schieberbein übernimmt nun das Kommando über die Vorbereitungsarbeiten. Sie tobt wie ein mittlerer kosmischer Sturm durch die Unterwasserstation. Nikolai und Wilhelmine helfen ihr. Hannibal hat das Treiben erst eine Weile beobachtet und ist dann mit dem Hinweis verschwunden, daß er unbedingt seine Delphinzucht einem Vertreter übergeben muß. „Sie wird uns nie einen Schritt allein gehen lassen", prophezeit Tobias, mißmutig seine Mutter beobachtend. ,,Wollen wir nicht lieber versuchen, doch noch ein eigenes Raumschiff zu bekommen?" fragt Sabine. „Dazu ist es zu spät", meint Tobias. „Hast es doch vorhin gehört. Selbst in den Weltnachrichten wurde bereits gemeldet, daß wir mit unseren Eltern zusammen fliegen werden." „Nur Mut!" ruft Wilhelmine, die gerade einen riesigen Container vorüberträgt. „Müßt ihr nicht auch einige Vorbereitungen treffen?" fragt die Mutter, als sie das nächste Mal an den Kindern vorüberläuft. „Du wirst schon an alles denken", sagt Sabine. „Wir haben ein festes Vertrauen zu dir und deinen Erfahrungen", ergänzt Tobias. „Nun nehmt euch mal zusammen", ermahnt Nikolai die Kinder, nachdem die Mutter den Raum wieder verlassen hat. „Ihr benehmt euch wirklich unmöglich. Seid froh, daß alles so gekommen ist. Ich bin mir nicht so sicher, ob der oberste Rat der Menschheit seine Einwilligung zu eurer Expedition aufrechterhalten hätte, wenn eure Mutter nicht die Leitung der Expedition übertragen bekommen hätte." „So ist das also", ruft Tobias entrüstet. „Das war also ein abgekartetes Spiel." „Wozu waren dann all diese Versprechungen? Zum Beispiel, daß wir uns den Ort für unsere nächste Forschungsarbeit selbst aussuchen könnten?" fragt Sabine. Nikolai schüttelt den Kopf. „Ihr vergeßt, daß bei der Ausschreibung des Wettbewerbes noch keiner ahnen konnte, daß ausgerechnet jetzt fremde Lebewesen beim blauen Planeten entdeckt werden. Und daß ausgerechnet ihr auf die verrückte Idee kommt, euch auf den Kriegspfad dorthin zu begeben. Ihr scheint es nicht begreifen zu wollen: die Expedition ist wirklich nicht ungefährlich, solange wir nicht wissen, was diese fremden Raumschiffe, die Kurs auf den Tommy nehmen, wollen und woher sie kommen. Und was das für Wesen sind, die da die Raumschiffe lenken. Keiner kennt sie. Ihr werdet die ersten sein, die mit ihnen Kontakt aufnehmen." „Wir nehmen Cäsar mit." Sabine tut so, als wäre sie von Nikolais Worten überhaupt nicht beeindruckt. „Dann haben wir wenigstens etwas Abwechslung, wenn uns unsere Eltern allein im Raumschiff zurücklassen." Nikolai sieht aus, als wolle er eine heftige Antwort geben, winkt dann jedoch ab. „Bitte sehr, nehmt den Hund mit. Ich werde gleich mit eurer Mutter darüber reden." Er geht, um Mathilde zu suchen. „Na, ihr Helden, was ist denn mit euch los?" fragt Hannibal, als er den Raum betritt. Die Kinder schweigen.
„Habt ihr euch mit eurer Mutter darüber gestritten, was ihr auf der Expedition tun dürft und was nicht?" „Nicht nötig", antwortet Tobias. „Wir wissen auch so, was uns erwartet. Wir werden der erste fliegende Kindergarten sein." „Das hängt von euch ab", meint Hannibal. „Jetzt benehmt ihr euch wirklich wie trotzige kleine Kinder. Eure Mutter glaubt, daß es eine Fehlentscheidung war, euch mitfliegen zu lassen. Jetzt bestärkt ihr sie in ihrer Meinung, so wie ihr euch hier aufführt. Packt eure Sachen zusammen, nehmt die Dinge mit, die ihr gebrauchen könnt." Die Kinder erheben sich langsam von ihren Plätzen. „Meinst du wirklich, daß es gefährlich werden könnte?" fragt Sabine ihren Vater. Hannibal schweigt eine Weile nachdenklich. Die Zwillinge sehen ihn gespannt an. „Ihr wißt doch, daß vor fünf Jahren etwas geschehen ist, weshalb ich nicht mehr fliege." Es ist das erste Mal, daß der Vater mit ihnen darüber spricht. „Ich habe ein Raumschiff verloren. Es wurde auf rätselhafte Weise zerstört. Bisher konnte nicht geklärt werden, was die Ursache dafür war. Eure Mutter und ich sind mit dem Leben davongekommen, weil wir nicht an Bord waren. Wir erforschten gerade einen Planeten, auf dem auch unser Raumschiff stand. Soll ich euch sagen, welcher Planet dies war: es war der Tommy. Jener Planet, der jetzt das Ziel der unbekannten Raumschiffe ist." „Gibt es da einen Zusammenhang?" fragt Tobias. Hannibal zuckt mit den Achseln. „Eben habe ich einige interessante Berechnungen mit einem Automaten durchgeführt." „Und was ist das Ergebnis?" fragt Mathilde. Unbemerkt sind sie und Nikolai in den Raum gekommen, und sie haben die Worte von Hannibal gehört. „Eines ist seltsam", antwortet Hannibal. „Aller fünf Jahre sind sich der blaue Planet und der Tommy sehr nahe." „Und das war vor fünf Jahren der Fall, als das Unglück geschah und ist jetzt so, wo die Raumschiffe beobachtet wurden", sagt Tobias aufgeregt. Hannibal lächelt und fragt: „Habt ihr nun noch Lust mitzufliegen?" „Komm, Sabine, wir packen." Tobias und Sabine verlassen das Zimmer. „Meinst du wirklich, daß es da einen Zusammenhang gibt?" fragt Nikolai gespannt. „Möglich wäre es schon. Damals gab es noch keine Sternwarte auf dem Tommy", sagt Mathilde nachdenklich. „Daß Giovanni Vesuv die sechs Raumschiffe entdeckt hat, war auch nur ein Zufall." „Ich möchte die Herrschaften darauf aufmerksam machen, daß wir dringend auf den Mond müssen. Uns bleibt nicht viel Zeit", ruft Wilhelmine. Vier Stunden später sind sie auf dem Mond. Von der Parakazent fahren sie zum Startplatz der kosmischen Raumschiffe, wo auch die „Wilde Hilde" startbereit steht. Die Reise kann beginnen. Am Startplatz für kosmische Raumschiffe werden sie von Zeus und einigen anderen Mitgliedern der obersten Weltraumfahrtbehörde im Flugleitzentrum erwartet. Außer ihnen sind hier noch eine Menge Neugierige und natürlich Berichterstatter. Der Start der „Wilden Hilde" wird in den Weltnachrichten original übertragen. „Hannibal Schieberbein, es ist für mich eine große Freude, zu wissen, daß du deinen eigentlichen Beruf als Raumschiffpilot wieder ausüben willst", sagt Zeus nach der Begrüßung. „Wie oft soll ich denn noch sagen, daß ich ebenso gern Meereszoologe bin", antwortet Hannibal ärgerlich. „Und unter anderen Umständen", er sieht zu den Kindern, „wäre ich auch nicht geflogen."
»Reg dich nicht auf", lenkt Zeus ein. „Mich beruhigt nur der Gedanke, daß ein so erfahrener Pilot das Kommando über die ,Wilde Hilde' übernehmen wird. Wenn ihr zurückkommt, kannst du ja zu deinen geliebten Fischen zurückkehren." „Delphine sind Säugetiere", murmelt Hannibal. „Wer ist denn der Chefroboter der ,Wilden Hilde'?" „Ein Roboter der Baureihe .Baldur'. Dieser hier wird ,Baldur, der Unbestechliche' genannt." „Ich fliege nicht mit. Ich bleibe hier", ruft Wilhelmine. Sie rennt weg. „Wilhelmine, komm sofort zurück!" ruft Tobias. „Du wirst doch vor diesem Baldur keine Angst haben." „Angst?" Wilhelmine bleibt stehen und kommt langsam zurück. „Angst habe ich keine, aber ich mache mir Sorgen um Baldur..." „Wilhelmine, du alter Kometenschreck, ich freue mich, dich einmal wiederzusehen. Was soll der Unsinn? Ich warne dich, laß Baldur in Ruhe", begrüßt Zeus den alten Roboter. „Das wird mir schwerfallen: Dieser Sicherungsdurchbrenner, total humorlos, dieser Blechkasten. Nach dieser Expedition wird man mich wegen Verblödung verschrotten können." „Schalte doch deine Mikrophone aus, wenn du in seiner Nähe bist, dann kannst du ihn nicht hören." „Genau das werde ich tun müssen", antwortet Wilhelmine. „Ist das unser Raumschiff?" fragt Sabine und zeigt durch das große Fenster auf den Startplatz. „Ja", antwortet Zeus. „Gefällt sie dir, die Wilde Hilde?" Tobias und Sabine betrachten das Raumschiff. Es kann auf Planeten ohne Atmosphäre nicht landen. Es setzt sich aus verschiedenen Segmenten zusammen, in denen die Antriebssysteme gelagert sind. An der Spitze befindet sich eine riesige Kugel. Sie wird der Aufenthaltsraum der Schieberbeins sein. In einem der Segmente sind die Gleitflieger untergebracht, mit denen die Schieberbeins auf dem blauen Planeten landen werden. Aber noch steht die ,,Wilde Hilde" sicher auf ihren vier großen Beinen auf dem Mond. Gerade soll die große Abschiedszeremonie beginnen, als eine Durchsage Zeus an ein Funkgerät bittet. Als er zurückkommt, hat er eine Menge Falten im Gesicht - Sorgenfalten. „Was ist los?" fragt Nikolai leise. Zeus tritt möglichst nahe an die Schieberbeins heran, damit seine Worte von den Berichterstattern nicht gehört werden. „Die fremden Raumschiffe sind doch schneller, als wir erwartet hatten. Sie werden den Tommy eher erreichen, als wir glaubten. Das könnte unter Umständen bedeuten, daß ihr auf dem Tommy zwischenlanden müßt." „Was ist mit dem Astronomen, dem Giovanni Vesuv?" fragt Mathilde. „Er hat den Befehl bekommen, sich in den nächsten Erztransporter zu setzen und in Richtung Erde zu fliegen." „Na und?" fragt Hannibal. „Er will nicht. Er beruft sich auf seinen Arzt, der ihm den Tommy empfohlen hat." Zeus tippt sich an die Stirn. „Ihr müßt starten", mahnt Nikolai. „Wir müssen uns verabschieden." Schnell werden noch einige Reden gehalten, bei denen kaum einer hinhört, Hände geschüttelt, die Schieberbeins steigen in ein Auto und fahren hinüber zum Raumschiff. Mit ihnen Wilhelmine und der Dackel Cäsar. Sie steigen in einen Aufzug, der sie in den Aufenthaltsraum des Raumschiffes bringt. Sie betreten die Kommandozentrale. „Ich begrüße die Mannschaft der ,Wilden Hilde' und wünsche der Expedition ,Blauer Planet' einen guten Verlauf", tönt es ihnen entgegen.
„Klack" - Wilhelmine hat ihre Mikrophone ausgeschaltet. „Das war sicher Baldur", sagt Tobias lachend. ,,Still!" befiehlt Hannibal. Laut antwortet er: „Auch wir begrüßen dich, Baldur, du Unbestechlicher, und hoffen auf gute Zusammenarbeit." „Ich bin jederzeit dazu bereit", sagt der Roboter grämlich. „Wer ist dieser unhöfliche Klotz dort in der Ecke?" „Bloß gut, daß Wilhelmine nichts hört", flüstert Sabine, „sonst müßten wir den Start sicher verschieben." „Das ist Wilhelmine", antwortet Hannibal. Baldur schweigt eine Weile. Dann sagt er: „Entweder ich fliege mit oder Wilhelmine. Da ich mit dem Raumschiff fest verbunden bin, muß ich mitfliegen." „Ein Satz mit einer zwingenden Logik." Tobias kichert. „Schluß jetzt!" Mathilde Schieberbein ist ungeduldig. „Der Start erfolgt in zwei Minuten. Wir haben keine Zeit für solche Albernheiten." „Wilhelmine ist nicht mehr die alte Wilhelmine", versichert Hannibal dem Chefroboter. „Ihr Elektronengehirn wurde erneuert. Denn wenn Wilhelmine wie früher wäre, hätte sie dich wegen deiner Worte schon zertrümmert. Außerdem hat sie ihre Mikrophone abgeschaltet und kann dich nicht hören." „Na, ich lasse mich überraschen. Also fliegen wir. Bitte setzen. Ich werde den Start dem Programm entsprechend durchführen. 33... 32... 31...", beginnt Baldur zu zählen. Wilhelmine hat die Diskussion mit den Augen verfolgt, schaltet nun wieder die Mikrophone ein und fragt: „Was plappert diese alte Hutschachtel eigentlich die ganze Zeit?" Die Zwillinge geben dem Roboter verzweifelt Zeichen, daß er schweigen soll. Wilhelmine versteht, und Baldur hat die respektlose Bemerkung nicht gehört, denn er ist mit dem Start beschäftigt und zählt: „15...14... 13...!" „Setzt den Dackel in einen Sessel!" ruft die Mutter. „Guten Start!" tönt es über Funk. „Und keine Angst, wir werden euren Flug beobachten. Im Notfall helfen wir euch natürlich." „Danke", antwortet Mathilde. „Zwei... eins... Start!" Die „Wilde Hilde" hebt sich vom Mond ab.
VI Nach drei Wochen Flug in unvorstellbarer Geschwindigkeit erreicht die „Wilde Hilde" das Sonnensystem, zu dessen Planeten auch der Tommy und der blaue Planet gehören. Sabine und Tobias haben sich während dieser Zeit nicht gelangweilt. Sie mußten natürlich ihre Lehrerroboter mitnehmen und bekamen im Raumschiff Unterricht. In ihrer Freizeit informierten sie sich über alles, was über den blauen Planeten bekannt ist. Und wenn dann noch Zeit blieb, erzählte Wilhelmine Geschichten, die sie angeblich alle selbst erlebt hatte. Es ist am zweiundzwanzigsten Tag ihrer Reise. Wie jeden Morgen haben sich alle in der Kommandozentrale versammelt. „Heute werden wir mit Giovanni Vesuv Funkverbindung aufnehmen", verkündet Mathilde Schieberbein. Sie geht zum Funkgerät und stellt die Frequenz der Station Tommy ein. „Hier Expedition .Blauer Planet'!" beginnt sie. „Wir rufen Giovanni Vesuv. Hier Raumschiff ,Wilde Hilde'." Nach einer Weile ertönt die Antwort. „Na endlich! Hier spricht Giovanni Vesuv. Ich erwarte euch sehnsüchtig. Aber was heißt: Raumschiff Wilde Hilde? Soll das heißen, ihr seid nur ein Raumschiff? Ich erwarte die Hilfe einer Raumschiffflotte!" Giovannis Stimme klingt sehr aufgeregt. „Was ist denn los?" fragt die Mutter. „Ist irgend etwas Besonderes geschehen?"
„Ob etwas Besonderes geschehen ist?" Man hört Giovanni nach Luft schnappen. „Das kann man wohl sagen. Der Planet steht auf dem Kopf. Hier herrscht ein Chaos." „Wie lange schimpft der denn noch", murmelt Hannibal. „Er soll endlich berichten, was los ist." Giovanni hat Hannibals Bemerkung verstanden. „Die fremden Raumschiffe sind gelandet", ruft er. „Das ist los. Aber jetzt sage ich nichts mehr. Landet erst einmal und überzeugt euch selber. Ihr habt gut reden, dort oben in eurem sicheren Raumschiff. Aber ich. Ich bin hier an vorderster Front und befinde mich in Auseinandersetzung mit fremden Lebewesen." Knack. Giovanni hat den Funkverkehr unterbrochen. Er ist offensichtlich beleidigt. „Und was nun?" fragt Hannibal. „Wollen wir landen?" „Nein", antwortet Mathilde. „Das Raumschiff bleibt im Weltraum zurück. Hier ist es sicherer." „Gut." Hannibal ist offensichtlich erleichtert. „Und ihr bleibt ebenfalls im Raumschiff." Die Mutter blickt die Kinder streng an. Die Zwillinge sind sprachlos. Dann sagt Tobias: „Das ist doch nicht dein Ernst." „Wir protestieren!" ruft Sabine. „Wir sind gleichberechtigte Mitglieder der Expedition." „Ihr seid meine Kinder, und ich trage die Verantwortung. Außerdem wolltet ihr den blauen Planeten erforschen. Vom Tommy war nicht die Rede." „Ich kenne sehr gut das Raumrecht", mischt sich da Wilhelmine in das Gespräch. „In Situationen, in denen fünfzig Prozent der Mannschaft nicht mit der Entscheidung des Chefs einverstanden sind, kommt es zu einer Abstimmung. Dann entscheidet die Mehrheit." Mathilde blickt unruhig ihren Mann an. Der lacht und meint: „Der Roboter hat recht." „Gut, stimmen wir ab", sagt Mathilde und betrachtet mißtrauisch ihren Mann. „Ich bin dagegen, daß die Kinder den Tommy betreten, weil es überflüssig und gefährlich ist." „Wir sind dafür", sagen die Zwillinge wie aus einem Munde. Alle schauen gespannt Hannibal an. Der grinst, lehnt sich in seinem Sessel zurück, schließt die Augen. „Stimmenthaltung!" „Sieg!" brüllt Tobias. „Zwei zu eins für uns bei einer Enthaltung." ,,Möchte einer von euch vielleicht Expeditionsleiter werden?" fragt die Mutter böse. „Warum nicht!" ruft Wilhelmine. „Zur Abwahl des Expeditionsleiters sind 75 % aller Stimmen notwendig." „Der Roboter geht mir auf die Nerven", sagt die Mutter. „Ganz meiner Meinung", läßt sich Baldur vernehmen. „Ich möchte nur melden, daß wir uns inzwischen auf der Umlaufbahn des Tommy befinden." „Zieht euch die Raumanzüge an", fordert die Mutter die Kinder auf. „Bei euren Studien dürfte euch nicht entgangen sein, daß der Tommy keine Atmosphäre besitzt." „Keine Angst, machen wir", meint Tobias freundlich. „Cäsar hat bereits seinen Anzug an." Die Mutter schluckt. Hannibal geht schnell aus der Zentrale und bereitet das Landegerät vor. Als er damit fertig ist, steigen die anderen in den Fahrstuhl, natürlich auch Wilhelmine, und sie fahren hinab in den Geräteteil des Raumschiffes, in dem sich die Landegeräte befinden. Wenige Minuten später bleibt die „Wilde Hilde" verlassen zurück. Baldur hat den Befehl bekommen, den Weltraum genau zu überwachen. Das kleine Landegerät fliegt langsam auf die Oberfläche des Tommy zu. „Er ist dem Mond sehr ähnlich", stellt Tobias fest. „Nur daß er dunkler aussieht und seltsam glänzt", sagt Sabine. „Das kommt durch das Erz." Hannibal betrachtet aufmerksam die Oberfläche. „Glaubst du, von hier aus irgend etwas entdecken zu können?" fragt die Mutter.
„Ich lege keinen Wert darauf", antwortet Hannibal. „Seht mal, dort sind Arbeitsroboter, die das Erz abtransportieren, und dort ist die Station." Sie landen auf einem kleinen erleuchteten Platz vor dem grauen, flachen, bunkerartigen Gebäude. Die Schleuse ist geöffnet, Giovanni erwartet sie offensichtlich bereits. Sie steigen aus, betreten die Schleuse der Station, und das schwere Tor schließt sich hinter ihnen. Auf den Barometern an ihren Handgelenken können sie erkennen, daß Luft in die Kammer einströmt. Sie können die Helme abnehmen. Das Tor zur Station hin öffnet sich, und sie können in einen Gang hineinsehen. An dessen Ende steht Giovanni Vesuv. Klein, etwas dicklich, mit Glatze. Er kommt ihnen entgegengelaufen, dann bleibt er aber wie erstarrt stehen. Er hebt die Hand, zeigt erst auf den Hund und dann auf die Kinder. Fassungslos öffnet er ein paarmal den Mund, ehe er ächzend fragt: „Ist in der obersten Weltraumfahrtbehörde der kollektive Wahnsinn ausgebrochen?" Die Mutter ist verlegen. „Beruhige dich, ich werde dir alles erklären." Und dann berichtet sie, wie es kommt, daß die Kinder und der Hund an der Expedition teilnehmen. Giovanni schüttelt nur den Kopf. „Nicht daß ich irgend etwas gegen Kinder hätte. Im Gegenteil. Entschuldige bitte, aber ich muß mich erst mal auf diese neue Situation einstellen. Ich war darauf nicht vorbereitet. Ich dachte, es käme eine ganze Raumflotte." „Die oberste Weltraumfahrtbehörde entscheidet", erklärt Wilhelmine. „Das heißt noch lange nicht, daß sie auch denkt." „Dieser Roboter ist herrlich unverschämt." Giovanni betrachtet interessiert Wilhelmine. „Aber kommt jetzt mit, ich möchte euch etwas vorführen." Sie laufen durch mehrere Gänge in einen Raum, dessen Wände mit Anzeigetafeln bedeckt sind. „Wir sind hier in der Arbeitszentrale des Planeten", erläutert Giovanni. „Was ihr hier seht, sind die Anzeigetafeln eines Computers, der alle Arbeiten der Roboter auf dem Planeten lenkt. Die fremden Raumschiffe sind im Planquadrat 17 gelandet." Er schaltet auf Verbindung mit diesem Planquadrat und zeigt auf die Anzeigetafeln. „Nichts. Keine Antwort mehr. Alle Roboter dort schweigen. Um den Landeplatz der fremden Raumschiffe herum sind entweder alle Roboter gestört oder vernichtet." „Gibt es hier keine Sicherheitsroboter?" fragt Mathilde. Giovanni zuckt mit den Achseln. „Wozu?" Mathilde ist erstaunt. „Kennst du die Art von Robotern, die hier arbeiten?" wendet sie sich an Hannibal. „Es sind ziemlich einfache Typen", antwortet er. „Viel gehört nicht dazu, sie zu zerstören." „Eine unangenehme Situation." Giovanni blickt düster auf die Tafel. „Irgendwelche Wesen treiben sich hier auf dem Planeten herum, man weiß nicht, was sie wollen. Man merkt nur, daß sie sich immer mehr nähern." „Hier Baldur, hier Baldur! Ich rufe Mathilde Schieberbein!" tönt es aus dem Funkgerät. „Was ist denn los?" fragt Mathilde. „Die sechs fremden Raumschiffe sind wieder vom Tommy gestartet." „Wohin fliegen sie?" fragt Mathilde aufgeregt. „Wahrscheinlich zurück zum blauen Planeten." „Uff!" ruft Giovanni und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Dieser Alptraum ist zu Ende. Und was nun?" „Wir sehen uns mal den Platz an, wo die fremden Raumschiffe gelandet und nun wieder gestartet sind", entscheidet Frau Schieberbein. Giovanni holt sich schnell einen Raumanzug; dann steigen alle in das Landegerät und fliegen los.
„Dort müßten die Roboter zerstört sein." Giovanni zeigt nach unten. „Das ist eines der Planquadrate, von denen keine Antwort mehr kommt. Wollen wir uns das mal ansehen?" Hannibal läßt das Gerät landen. Vorsichtig steigen alle aus. „Ihr bleibt immer nahe bei uns", befiehlt Mathilde den Kindern. Tobias sieht seine Schwester an, die verdreht die Augen. Sich vorsichtig umsehend, laufen sie einige Meter. Überall stehen auf dem schwarzen, glänzenden Gestein abgestellte, schwere Maschinen. Riesige Lastwagen, Schiebegeräte, aber nirgendwo können sie einen Roboter entdecken, die normalerweise die Maschinen bedienen. „Seht mal, der Bagger!" ruft Tobias plötzlich. Einer der Bagger scheint von einem Roboter gelenkt zu werden. Langsam fährt er auf den Rand einer Schlucht zu. „Weshalb bremst er nicht? Halt!" schreit Tobias. Aber es ist schon zu spät. Mit gewaltigem Gepolter fällt der Bagger in die Schlucht. „Eine ganz schöne Vergeudung an Maschinen", meint Sabine. „Ein ungewöhnliches Verhalten für einen Roboter." „Da, ein Roboter, er kommt direkt auf uns zu", warnt Wilhelmine. Langsam schlendert einer der kleinen Roboter heran, aber er läuft vorbei, prallt gegen einen Felsvorsprung und fällt um. „Ich glaube, die Diagnose ist eindeutig", meint Hannibal. „Die Elektronengehirne der Roboter scheinen durch äußeren Einfluß einen Schaden davongetragen zu haben." „Sieht so aus", bestätigt Mathilde. „Kommt, wir fliegen weiter, hier haben wir genug gesehen." Sie steigen wieder ein. „Dort irgendwo müßte sich der Platz befinden, wo die fremden Raumschiffe gelandet sind", sagt nach einer Weile Giovanni. „Wir müssen runter." „Diesmal bleibt ihr hier", entscheidet die Mutter und schaut die Kinder streng an. Als Sabine und Tobias murren, sagt sie: „In Gefahrensituationen ist allein der Expeditionsleiter dafür verantwortlich, was zu geschehen hat." „Stimmt", bestätigt Wilhelmine, ehe die Kinder Einwände gegen diese Anordnung vorbringen können. Hannibal, Mathilde und Giovanni steigen aus. Die Zwillinge bleiben im Landegerät. Mathilde kommt nochmals zurück.
„Wilhelmine, mitkommen! Vielleicht brauchen wir dich." Als sie allein sind, stöhnt Sabine: „Warum sind wir nur mitgeflogen. Ich ahne, was auf dem blauen Planeten geschehen wird. Nirgends werden wir mitgenommen." Tobias nickt düster mit dem Kopf und sagt entschlossen: „Wir müssen uns selber etwas ausdenken, wenn wir irgend etwas selbständig tun wollen." „Hätten wir doch nur auf ein eigenes Raumschiff bestanden", jammert Sabine. „Vieleicht ist es noch nicht zu spät." Tobias betrachtet nachdenklich das Bedienungspult des Landegerätes. „Was hast du vor?" „Das sage ich dir nachher im Raumschiff. Die Eltern und Giovanni kommen schon zurück. Aber beobachte genau Hannibal. Wir müssen lernen, das Landegerät zu bedienen." „Habt ihr irgendwelche Spuren der fremden Raumschiffe entdeckt?" fragt Sabine ihren Vater, als er und die anderen in das Landegerät klettern. „Nichts Besonderes. Den Lande- und Startplatz haben wir gefunden. Es müssen sehr einfache Raketen gewesen sein, wie es sie auf der Erde vor einigen hundert Jahren gegeben hat. Das
Metall ist durch die Hitze des Triebwerkes aus dem Gestein herausgetreten und nun wieder erstarrt." „Aber was wollten die Fremden denn auf dem Tommy?" Die Eltern schweigen ratlos. „Eine Antwort darauf werden wir wohl erst auf dem blauen Planeten bekommen", meint Mathilde nach einer Weile. „Ich frage mich nur, weshalb die Roboter zerstört wurden." Giovanni blickt nachdenklich über die dunkelglänzenden Hügel und Täler. „Wie ich bereits vorhin sagte: Das zu beantworten ist nicht sehr schwer", erklärt Hannibal. „Die Fremden brauchen nur Funksignale gesendet zu haben, die denen unserer Roboter ähnlich sind. Das hat sie durcheinandergebracht. Vielleicht ist etwas Derartiges auch vor fünf Jahren mit dem Chefroboter unseres Raumschiffes geschehen..." „Das wäre eine Möglichkeit...", murmelt die Mutter. „Die Schleuse des Raumschiffes war offen. Vielleicht sind die fremden Wesen eingedrungen." „Was ist denn damals mit dem Raumschiff passiert?" erkundigt sich Giovanni neugierig. „Es startete selbständig, ohne daß wir an Bord waren, und fiel dann auf den Tommy zurück. Es wurde dabei vollständig zerstört. Bis jetzt gab es hierfür keine Erklärung", erwidert Frau Schieberbein und sieht dabei Hannibal an. Der nickt zögernd. „Aber leider ist unsere Theorie auch nur eine Möglichkeit unter vielen." „Deshalb fliegen wir ja auch zum blauen Planeten." Die Mutter wird ungeduldig. „Dort werden wir hoffentlich auf alle diese Fragen eine Antwort bekommen. Starte jetzt endlich. Wir müssen Giovanni noch zurückbringen." Als sie sich der Station nähern, zappelt der Astronom nervös auf seinem Platz herum. „Der Vulkan möchte etwas sagen", verkündet Wilhelmine. „Ich bitte um Ruhe." Giovanni räuspert sich und wird rot. „Ja wißt ihr, wenn ich euch so reden höre... Schließlich haben diese Wilden meine Kur unterbrochen... Könntet ihr mich vielleicht mitnehmen?" „Das wäre vernünftig, wenn Sie sich unter meinen Schutz stellen", prahlt Wilhelmine, ehe jemand antworten kann. „Das kannst du nicht entscheiden", weist Mathilde den Roboter zurecht. „Ich werde mit der obersten Weltraumfahrtbehörde sprechen. Die soll entscheiden." Sie gibt Baldur den Auftrag, sich mit der obersten Weltraumfahrtbehörde in Verbindung zu setzen. Nach einigen Minuten bereits wissen sie die Antwort. Die oberste Weltraumfahrtbehörde erlaubt es, obwohl Frau Vesuv dagegen ist. Also wird Giovanni mit zum blauen Planeten fliegen.
VII Die „Wilde Hilde" umfliegt bereits den dritten Tag auf einer Kreisbahn den blauen Planeten. Giovanni, Hannibal und Mathilde Schieberbein sitzen in der Kommandozentrale und betrachten die Oberfläche des Planeten. Wilhelmine steht untätig in einer Ecke. Baldur hat nämlich mit der Zeit doch mitbekommen, daß Wilhelmine die alte geblieben ist. Seitdem stritten sich die zwei Roboter ständig. Da aber Wilhelmine im Augenblick weniger als Baldur gebraucht wird, hat man ihr den Befehl gegeben, ihre Mikrophone auszuschalten. „Wo sind denn eigentlich die Kinder?" Hannibal blickt sich suchend um. „Wahrscheinlich in ihrer Schlafkabine", antwortet Mathilde. „Junge Frau, weshalb landen wir eigentlich nicht?"
Giovanni fragt das bereits zum dritten Mal. Seit jene Fremden seine Ruhe auf dem Tommy gestört haben, drängt es ihn, sie kennenzulernen. Mathilde antwortet nicht. Auch Hannibal wird ungeduldig. „Weshalb zögerst du so lange?" „Mir ist dieser Planet unheimlich. Hier gibt es vernunftbegabte Wesen, die Raketen bauen. Sie müßten uns doch längst bemerkt haben. Im Funkgerät ist es völlig still. Der ganze Planet wirkt wie tot." „Um das zu behaupten, müßten wir doch erst mal landen", protestiert Giovanni. „Auf dem Tommy waren doch keine Gespenster." „Also gut." Mathilde steht entschlossen auf. „Wir landen heute. Beginnen wir mit den Vorbereitungen. Hannibal, sage bitte den Kindern, daß sie herkommen sollen." Hannibal geht zu dem Sprechgerät, das alle Räume verbindet, und ruft Sabine und Tobias. „Sie melden sich nicht. Wo können sie denn nur sein? Cäsar ist allerdings da. Ich höre ihn winseln." Er gibt Wilhelmine ein Zeichen, die Mikrophone einzuschalten. „Wilhelmine, wo sind die Kinder?" „Woher soll ich das wissen? Ich bin doch seit Tagen ein abgestelltes Möbelstück." „Hier fliegt irgend etwas in der Nähe der Wilden Hilde", meldet sich Baldur. „Ich habe es eben auf dem Radargerät entdeckt." Die Eltern und Giovanni gehen schnell zum Sichtschirm. Mathilde dreht an der Fernbedienung der Außenkamera. Und plötzlich sehen sie etwas, das alle außer Fassung bringt: einen flachen Flugkörper, der wie ein Pfannkuchen mit vier Beinen aussieht. „Das ist ja eines unserer Landegeräte", ruft die Mutter erstaunt. „Das können nur die Kinder sein." Hannibal springt erregt zum Funkgerät und schaltet die Funkfrequenz für die Landegeräte ein. Doch niemand antwortet. „Die sind wohl verrückt geworden", ruft die Mutter entsetzt, als sie begreift, was geschehen ist. „Wilhelmine, wußtest du von diesem Plan?" „Nein!" brüllt Wilhelmine. Anklagend zeigt der Roboter auf den viereckigen Kasten, der Baldurs Elektronengehirn beherbergt. ,,Wieso bemerkt dieses Ausschußfabrikat nicht, wenn ein Landegerät das Raumschiff verläßt?" Noch ehe Baldur sich verteidigen kann, dreht Wilhelmine sich um und rennt zum Aufzug. „Wohin willst du?" „Den Kindern folgen. Das ist doch klar." „Du bleibst hier und fliegst mit uns! Das ist ein Befehl." „Ich habe von der Weltraumfahrtbehörde den Befehl erhalten, die Kinder zu beschützen", antwortet Wilhelmine. „Es war von euch ein Fehler, meine Mikrophone auszuschalten. Jetzt darf ich die Suppe auslöffeln." Wilhelmine schließt hinter sich die Tür, und weg ist sie. „Ein unverschämter Roboter", kommentiert Baldur. „Er hat leider recht." Hannibal schaut fragend seine Frau an. „Und was tun wir?" „Wir müssen zu den Kindern", ruft Mathilde und geht zum Fahrstuhl. „Ich habe es ja von Anfang an gesagt. Nichts als Ärger werden wir mit den beiden haben. Nehmt den Dackel mit, er verhungert uns sonst hier im Raumschiff." Wenige Minuten später haben alle Besatzungsmitglieder die „Wilde Hilde" in einem Landegerät verlassen. Fast im Sturzflug nähern sich die Eltern und Giovanni der Oberfläche des blauen Planeten. Weit entfernt von ihnen fliegt mit einem Landegerät Wilhelmine. „Die Kinder sind wahrscheinlich schon auf dem Planeten. Wie wollt ihr sie denn finden?" fragt Giovanni.
„Wir können nur hoffen, daß es Bewohner auf dem Planeten gibt. Wir müssen schnellstens mit ihnen Kontakt aufnehmen. Sie werden sicher beobachtet haben, wo die Kinder gelandet sind, und uns zu ihnen führen." „Wenn das nur gut geht", murmelt Giovanni. „Einladend finde ich es hier wirklich nicht." Sie sehen nur wenige Flüsse, einige kümmerliche Wälder, nackte Felsen und wenige mit Pflanzenwuchs bedeckte Flächen. „Allmählich zweifle ich, daß der Planet bewohnt ist", meint Giovanni besorgt. „Da!" ruft Hannibal. „Eine Stadt!" „Also leben hier doch menschenähnliche Wesen." Die Mutter ist beruhigt. „Wir werden bestimmt jemanden treffen, mit dem wir uns unterhalten können." „Ich weiß nicht...", Hannibal bleibt mißtrauisch. „Das sieht mir sehr nach einer Geisterstadt aus." Stumm blicken die drei auf die Straße herab. Eingestürzte Dächer von Wohnblocks, zerfallene Fassaden. „Wollen wir wirklich landen?" „Ja", ruft die Mutter entschlossen. „Das ist die einzige Chance, unsere Kinder wiederzufinden." Das Landegerät setzt auf einer freien Fläche neben der Stadt auf. Eine Menge Staub wird aufgewirbelt, mehrere Minuten kann keiner etwas erkennen. Sie warten. „Die Luft hat etwa dieselbe Zusammensetzung wie auf der Erde." Hannibal betrachtet die Meßinstrumente. „Von dieser Seite droht den Kindern keine Gefahr." „Ich glaube, ich sehe etwas." Giovanni starrt in den Staub, der sich allmählich setzt. „Ja, da bewegt sich etwas", flüstert Mathilde aufgeregt. Jetzt erkennen sie es alle. Seltsame Gestalten kommen auf sie zu, umkreisen das Landegerät. Sie sehen aus wie halbe Eier mit einer Spiralfeder, auf der sie sich springend fortbewegen. Sie sind etwa 1,60 m hoch und haben lange Arme. Der obere Teil ist einem Gesicht ähnlich. „Ich möchte sagen", flüstert Giovanni, „auf dem Tommy war es doch recht gemütlich..." Mathilde starrt die fremden Wesen an. „Wir steigen aus", entscheidet sie und öffnet entschlossen den Ausstieg. Die beiden Männer folgen ihr zögernd. Die seltsamen Wesen springen ein paar Meter zurück. Mathilde Schieberbein läuft ihnen nach und redet auf sie ein. Ohne Erfolg. Die beiden Männer stellen sich hinter sie. Langsam kommen die halben Eier wieder näher. Plötzlich springt Cäsar aus der Kabine. Die fremden Wesen drehen sich um und fliehen. „Sie haben vor dem Dackel Angst, vor uns aber nicht", sagt Giovanni erstaunt.
„Bring den Dackel in die Kabine zurück und hole einen Übersetzungsautomaten", fordert Mathilde den Astronomen auf. Giovanni nimmt den Dackel auf den Arm und geht zum Landegerät. Plötzlich hört er, wie Mathilde Schieberbein aufschreit. Geistesgegenwärtig läßt Giovanni den knurrenden und bellenden Dackel fallen. Doch als er sich umdreht, sieht er, daß es zu spät war. Je ein Eierkopf hat Mathilde und Hannibal gepackt und springt in gewaltigen Sätzen der Stadt entgegen, verfolgt von Cäsar. „Wenn ich nur das verflixte Landegerät bedienen könnte", ruft Giovanni. Verzweifelt setzt er sich auf einen Stein. Nach einer halben Stunde kommt Cäsar zurück. Allein, müde und dreckig.
VIII
Den Kindern ist es ähnlich ergangen wie den Eltern. Nur daß sie später entdeckt worden sind. Sie hatten sich bereits ziemlich weit von dem Landegerät entfernt, als Sabine plötzlich rief: „Sieh mal, Tobias, was kommen denn dort für lustige Kerle. Richtige Eierköpfe!" Gleich darauf wurden sie von den „lustigen Kerlen" emporgehoben und davongetragen. „Weißt du", sagte Tobias nach einer Weile stöhnend; denn die Eierköpfe haben einen ziemlich derben Griff, „so lustig finde ich sie gar nicht." Vor einer Art offenem Auto machen die Eierköpfe halt. Die Schieberbeinkinder werden hineingeladen, ein Eierkopf lenkt, zwei hocken den Kindern gegenüber. „Findest du deine Idee, allein auf dem blauen Planeten zu landen, immer noch so gut?" fragt Sabine ihren Bruder. Der antwortet nicht. „Wenn wir wenigstens Wilhelmine mitgenommen hätten..." „Meinst du, der Roboter wäre mitgeflogen? Das ist ein Sicherheitsroboter. Er hätte bestimmt alles unserer Mutter erzählt." „Wenn er es doch nur getan hätte", schluchzt Sabine. „Heule nicht", sagt ihr Bruder böse. „Nun sind wir in dieser Situation und müssen uns mit ihr abfinden. Jetzt hilft nur, alles scharf zu beobachten und darüber nachzudenken, damit wir einen Ausweg finden." „Ob unsere Eltern schon bemerkt haben, daß wir nicht mehr im Raumschiff sind?" „Ich glaube nicht", meint Tobias. „Sie werden sich sicher durch die Anwesenheit des Dackels eine Weile täuschen lassen. Weil wir ihn sonst überallhin mitnehmen." Allmählich wird es Abend. Noch immer fahren sie durch eine trostlose Landschaft. Rotbraune, trockene Erde, Steine, wenige Pflanzen, sonst nichts. Alle Versuche, mit den Eierköpfen zu reden, mißlingen. Sie schweigen und sprechen auch nicht miteinander. „Sieh mal!" ruft plötzlich Sabine. . Ihre scharfen Augen haben am Horizont einen in geringer Höhe fliegenden schwarzen Punkt entdeckt. Rasch kommt er näher. Die Eierköpfe stehen unruhig auf. „Es ist eines unserer Landegeräte", jubelt Tobias. Schon ist es so nahe, daß die Kinder in das durchsichtige Oberteil schauen können. Wilhelmine sitzt darin. „Weshalb landet sie nicht", schimpft Sabine, „und befreit uns." „Endlich weiß ich, weshalb Sicherheitsroboter Sicherheitsroboter heißen", sagt Tobias fröhlich. Seit er das Landegerät entdeckt hat, fühlt er sich wieder besser. „Weshalb?" „Diese Sorte Roboter befindet sich immer in Sicherheit." „Bitte keine Beleidigungen", tönt es von oben. Wilhelmine fliegt nur drei Meter über ihnen, mit geöffnetem Ausstieg. „Hol uns hier heraus!" ruft Sabine. „Ihr Helden. Erst in aller Stille ausreißen, und dann muß die alte Wilhelmine kommen und euch heraushauen. Aber ihr täuscht euch. Ich werde jetzt gar nichts tun. Allerdings bleibe ich in eurer Nähe. Ich muß erst herausfinden, was das für Kameraden sind, die euch da herumkutschieren. Zum Beispiel, wie stark sie sind. Ich schlage mich nämlich nur mit Schwächeren. Da hat man die größeren Erfolgschancen." „Feigling!" ruft Tobias. „Wir kommen auch ohne dich zurecht." „Wenn das so ist...", meint Wilhelmine, „dann kann ich ja beruhigt den größeren Teil unserer Mannschaft suchen. Das sind nämlich immerhin drei, und ihr seid nur zwei." Die Kinder stehen erschrocken auf. „Was ist passiert, sag schon."
„Nachdem wir eure Heldentat bemerkt hatten, bin ich euch nachgeflogen. Und eure Eltern und der Fettschnittenesser haben sich ebenfalls ein Landegerät gegriffen, um euch zu suchen. Sie sind wie ihr, unvorsichtigerweise, gelandet. Seitdem habe ich sie mehrmals über Funk gerufen. Keine Antwort." „Verflixt", sagt Tobias. „Ich verlasse euch erst mal", ruft Wilhelmine. „Ich sehe, eure Begleiter werden immer nervöser. Außerdem ist dort vorn eine Stadt." Inzwischen ist es dunkel. Vor einem der Häuser, das noch einigermaßen gepflegt aussieht, bleibt der Wagen stehen. Zwei Eierköpfe steigen aus und heben die Kinder heraus. Sie tragen die Zwillinge in das Haus. Dort ist es stockdunkel. Die Kinder fühlen, wie sie auf einer Liege abgesetzt werden. „Tobias, wo bist du?" flüstert Sabine. „Gleich neben dir." „Ob Wilhelmine uns tatsächlich verlassen hat?" „Ich weiß es nicht..." Das klingt recht kläglich. „Mir ist unheimlich", flüstert Sabine. „Ich glaube, wir sind nicht allein im Raum. Ich höre Geräusche. So ähnlich, als würden sich hier noch andere Menschen aufhalten." Tobias lauscht. „Stimmt", antwortet er nach einer Weile. „Aber versuche jetzt zu schlafen. Sonst sind wir morgen zu unausgeruht." Die Kinder sind von den Aufregungen so erschöpft, daß sie sofort einschlafen. Plötzlich hört Sabine ihren Namen. Davon wird sie wach. Tobias hat gerufen. Es ist heller Morgen. Tobias sitzt auf seiner Liege mit weit aufgerissenen Augen. Sabine blickt um sich. „Träume ich?" flüstert sie erschüttert. Sie sind in einem riesigen Raum, in dem in langen Reihen Liegen aufgestellt sind. Und darauf schlafen - Kinder. „Woher kommen nur die vielen Mädchen und Jungen?" fragt Sabine fassungslos. „Wenn ich das wüßte", meint Tobias ratlos. Da bewegt sich eine der Türen. „Schnell wieder hinlegen", flüstert Sabine. Die Tür öffnet sich ganz, und Wilhelmine tritt herein. „Wilhelmine", ruft Sabine glücklich. „Da bist du ja endlich. Was bedeutet das alles?" Sie zeigt auf die schlafenden Kinder. „Weiß ich nicht. Ich habe für euch wichtige Neuigkeiten." „Befinden sich die Eltern und Giovanni in Sicherheit?" „Nein, ich konnte über sie nichts erfahren. Aber ich habe mit einem Eierkopf gerungen. Ich bin stärker." „Ist das alles?" „Was soll das heißen, ist das alles", schimpft Wilhelmine. „Bei Robotern weiß man schließlich nie vorher, wie stark sie sind." Eine Weile ist es still. „Du sagst Roboter?" flüstert dann Tobias. „Ja", antwortet Wilhelmine. „Es sind ziemlich dumme Roboter. Ich verstehe jetzt ihre Sprache. Schließlich bin ich Universalroboter und sehr klug. Nicht immer sind sie so schweigsam wie gestern auf der Fahrt hierher." „Seltsam", sagt Sabine. „Das ist alles sehr seltsam." Sie zeigt auf die Kinder, von denen inzwischen einige die Augen geöffnet haben und teilnahmslos vor sich hin starren. „Keines der Kinder hier reagiert, wenn wir uns unterhalten. Sie haben doch aber einen Mund und Ohren." „Still!" ruft Wilhelmine. „Ich höre die Eierköpfe kommen."
Drei Eierköpfe erscheinen, mit Wassereimern und Lappen bewaffnet. Sie waschen allen Kindern die Gesichter ab und verschwinden wieder. „Weshalb beachten sie dich nicht?" fragt Tobias Wilhelmine. „Ich weiß es nicht. Ich sagte es ja bereits, sie sind ziemlich dumm. Als ich mich gestern mit ihnen unterhielt, redeten alle von einem schrecklichen vierbeinigen Wesen, das mit einem Fluggerät gekommen ist und Xeniten rauben wollte." „Sollten sie mit dem vierbeinigen Wesen vielleicht Cäsar meinen!?" fragt Sabine gespannt. „Aber wer sind die Xeniten, und weshalb sollte Cäsar irgend jemand entführen?" „Sollte das eine Spur von unseren Eltern sein?" „Vielleicht", meint Wilhelmine, „aber erst müssen wir hier einiges klären." „Möglicherweise ist das hier so eine Art Kinderkrankenhaus." Tobias blickt um sich. „Das wäre doch immerhin eine Erklärung, weshalb alle hier so krank und schwach aussehen." „Versuchen wir doch, die Eierköpfe zum Sprechen zu bringen", schlägt Sabine vor. „Wilhelmine übersetzt es uns. Vielleicht erfahren wir irgend etwas." „Und wie willst du das anstellen?" „Wir spielen ein bißchen verrückt. Ich glaube kaum, daß sie sich das so einfach ansehen..." „Das ist zu gefährlich..." „Ich bin ja auch noch da", beruhigt Wilhelmine Tobias. „Im Notfall verforme ich die Kollegen zu handlichen Paketen." „Einverstanden", sagt Tobias. „Sie müßten ja nun bald mit dem Frühstück kommen." Ungeduldig erwarten die Kinder die Rückkehr der drei Eierköpfe. Nach etwa einer Viertelstunde öffnet sich die Tür. „Fangt an", ruft Wilhelmine leise den Zwillingen zu. „Ich werde euch das Gespräch der Eierköpfe genau wiedergeben." Zwei Eierköpfe tragen diesmal einen Eimer, in dem Essen zu sein scheint. Der dritte bringt Teller und Bestecke. Er verteilt sie an die Kinder, und die anderen füllen etwas auf die Teller, das wie Brei aussieht. „Pfui Spinne!" ruft Tobias laut, nachdem er gekostet hat. Er steht von seiner Liege auf, geht zu einem der Eierköpfe mit dem Eimer und schüttet das Essen zurück. Dann läuft er von Bett zu Bett und beobachtet aufmerksam die fremden Kinder, die langsam und mühselig essen. Einen blassen kleinen Jungen, der nicht essen mag, füttert er. „Ich verstehe gut, daß dir dieses Zeug nicht schmeckt, aber du bist schon so schwach und wirst bestimmt krank, wenn du nicht ißt", ermuntert Tobias den Kleinen. Sabine hat es auf die Eierköpfe abgesehen. Sie geht zu ihnen, klopft an einem herum und beginnt ihn abzutasten. Der Eierkopf wird sichtlich nervös und versucht Sabine abzuwehren. „Ganz ruhig", sagt Sabine, „ich suche doch nur den Hauptschalter." Aber der Eierkopf ist gar nicht ruhig. Er brabbelt heftig. Die beiden anderen reden nun auch. Wilhelmine ruft aus ihrer Ecke: „Vorsicht! Übertreibe es nicht." Dann sammeln die Roboter die Schüsseln wieder ein und verlassen den Raum. Die Zwillinge laufen hinüber zu Wilhelmine. „Los, Wilhelmine, was haben sie gesagt?" „Das ist gar nicht so leicht zu übersetzen", brummt Wilhelmine, „einige Worte sind sehr schlecht zu verstehen." Wilhelmine konzentriert sich eine Weile. „Also, ich beginne: ,Diese schwarze Maschine ist ja immer noch hier.' ,Sie ist lästig. Woher mag sie bloß kommen?' ,Sie könnte die Ruhe unserer kleinen Xeniten stören.' ,Nanu, was ruft der Junge dort?' ,Ich verstehe ihn nicht.'
,Seit fünfzig Jahren hat hier doch keiner mehr so laut gesprochen. Sie sollen sich doch alle ausruhen.' ,Du vergißt Nummer 28. Der war wochenlang unruhig, nachdem wir ihn gefunden hatten.' ,Und jetzt schüttet der neue Junge das Essen zurück.' ,Das ist uns noch nie passiert. Alle Xeniten' sind glücklich; keiner hat so etwas je getan.' ,Und was tut der Neue denn nun? Er füttert einen anderen. Er arbeitet, er tut Dinge, die nur uns vorbehalten sind.' »Vielleicht ist er einer von den Unzufriedenen?' ,Sicher, wo sollte er sonst dieses ungewöhnliche Verhalten gelernt haben.' ,Durch unsere aufmerksame Pflege wird er sich bald beruhigen.' ,Das Mädchen. Was will sie von mir? Sie stört mich.' ,Wir sollten sie vielleicht festbinden, bis sie sich auch beruhigt haben und das schöne Leben unserer anderen Kinder nicht beeinträchtigen...' Als die Eierköpfe androhten, euch festzubinden, habe ich Sabine gewarnt. Ihr habt es ja gehört, danach haben sie nicht mehr miteinander gesprochen und den Raum verlassen." Tobias und Sabine überlegen. Dann bittet Tobias Wilhelmine, das Gespräch zu wiederholen. Sie tut es. „Eines ist mir klar", meint Sabine, angestrengt nachdenkend, „die schwarze Maschine ist Wilhelmine." „Das bedeutet, daß sie wirklich langsame Denker sind. Sie erkennen sie nicht als fremden Roboter. Wiederhole nochmals das Gespräch." Wilhelmine hebt entsetzt die Arme, doch dann rattert sie den Dialog noch mal herunter. Danach versucht Tobias den Sinn herauszufinden. „Wir wissen, daß diese Wesen hier Kinder sind. Aber keine Menschenkinder. Sie sehen uns nur sehr ähnlich. Sie sind die Kinder jener Wesen, die von den Eierköpfen Xeniten genannt werden oder sich selbst so nennen. Was für uns sehr wichtig ist: Sie scheinen uns ebenfalls für Xeniten zu halten." „Das ist gut." Sabine springt von der Liege. „Wilhelmine erzählte vorhin, daß die Eierköpfe davon gesprochen hatten, ein vierbeiniges Wesen, also Cäsar, hätte versucht, Xeniten zu entführen. Unsere Eltern und Giovanni halten die Eierköpfe also auch für Xeniten. Ihnen droht damit sicher keine unmittelbare Gefahr." „Mir gefallen diese Eierköpfe überhaupt nicht. Zum Beispiel seht euch doch diese Wesen an", sagt Tobias, auf die Kinder zeigend. „Sie sind krank und halb verhungert." „Und wer sind die ,Unzufriedenen'?" fragt Wilhelmine. Tobias und Sabine schweigen ratlos. „Alles können wir ja nicht auf Anhieb rausbekommen", meint Tobias. „Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß die Xenitenkinder die Gefangenen der Eierköpfe sind", sagt Sabine nachdenklich. „Aber woher kommen dann diese seltsamen Roboter, und wer hat sie gebaut?" „Vielleicht die .Unzufriedenen", sagt Wilhelmine. „Ihr habt doch gehört, daß die arbeiten. Oder meint ihr diese hier", Wilhelmine zeigt in den Raum, „haben Roboter gebaut." „Das ist doch Unsinn, Wilhelmine." Tobias überlegt angestrengt. „Diese sogenannten .Unzufriedenen' haben doch diese Bezeichnung von den Eierköpfen erhalten. Würdest du so über deinen Erbauer reden?" „Nein", brummt Wilhelmine. „Das würde ich nur tun, wenn ich das Bedürfnis hätte, verschrottet zu werden." „Wir sollten die Unzufriedenen suchen", schlägt Sabine vor. „Vielleicht können die uns eine Antwort geben..." Sie schweigt plötzlich. „Was ist los?" fragt Tobias. „Ach nichts", antwortet Sabine. „Ich mußte eben nur an Mutter denken, die vorausgesagt hat, daß wir in jedem Fall mit den Bewohnern des blauen Planeten Kontakt bekommen werden.
Weil nur denkende Wesen Raketen bauen können. Und mit intelligenten Lebewesen kann man, nach Mutters Ansicht, auch reden. Ob sie noch immer dieser Meinung ist? Sollten wir nicht alles daransetzen, unsere Eltern und Giovanni zu finden? Ich mache mir solche Sorgen." Tobias schüttelt den Kopf und streichelt die Hand seiner Schwester, die traurig zu Boden starrt. „Wo sollten wir denn mit unserer Suche beginnen? Wir wissen viel zuwenig von den Verhältnissen hier auf diesem Planeten. Noch einen Fehler können wir uns nicht erlauben. Einmal unüberlegt gehandelt, reicht völlig. Außerdem hast du vorhin selbst gesagt, daß den Eltern wahrscheinlich keine unmittelbare Gefahr droht, weil die Eierköpfe sie für Xeniten halten." „Kein Wunder, daß die Kinder so ungesund aussehen. Die Ernährung ist miserabel. Ihr dürft von diesem Zeug höchstens einen Tag essen, dann braucht ihr etwas anderes", unterbricht Wilhelmine das Gespräch der Zwillinge. Sie hat sich einen der Eimer mit Essenresten gegriffen und prüft den Inhalt. Die beiden anderen lassen sich jedoch nicht ablenken. „Aber wer sagt uns, wo die ,Unzufriedenen' leben?" Sabine schaut sich ratlos im Raum um. „Denn zu ihnen müßten wir ja, wenn wir mehr über diesen Planeten erfahren wollen." „Von den Kindern hier wird keines den Weg wissen", meint Tobias.„Sieh mal, der Junge dort", sagt Sabine überrascht.
Tobias bemerkt auch, daß einer der kleinen Jungen anders aussieht als alle anderen. Seine Augen blicken nicht so leer. Er beobachtet die Zwillinge und Wilhelmine. „Er hat Angst", flüstert Tobias. „Natürlich", ruft Sabine, „das wird es sein. Wilhelmine, wiederhole aus dem Gespräch der Eierköpfe die Stelle, wo sie von der Nummer 28 reden." „Sie haben gesagt, ,Nummer 28 war wochenlang unruhig, nachdem wir ihn gefunden haben'", rattert Wilhelmine los. „Was bedeuten die Schilder über den Betten, Wilhelmine?" Wilhelmine geht von einem Bett zum anderen und überprüft mit ihrem Elektronengehirn blitzschnell die Kombinationen der Zeichen, die dort zu sehen sind. „Es sind Zahlen", sagt sie nach einer Weile. „Und welche Nummer trägt das Bett, in dem der Junge liegt?" fragt Sabine gespannt. „Achtundzwanzig", antwortet Wilhelmine. „Kompliment, meine Dame, du bist wirklich ein kluges Mädchen." „Kommt!" Tobias geht langsam zu dem Bett „Nummer 28".
Der Junge sieht ihnen ängstlich entgegen. „Übersetze", flüstert Tobias Wilhelmine zu, „sag ihm, wir wollen ihm helfen. Er soll auf unsere Fragen antworten." „Ich bin ein Universal- und Sicherheitsroboter und kein Übersetzungsautomat", murrt Wilhelmine. Doch dann beginnt sie in der seltsamen Sprache, die die Kinder zuerst bei den Eierköpfen gehört haben, langsam zu reden. Und plötzlich antwortet „Nummer 28". „Was hat er gesagt?" fragt Sabine aufgeregt. „Nicht so hastig", erwidert Wilhelmine. „Er hat nicht viel gesagt, nur: Kommt ihr aus dem Tal? Ich bin Xeno."
IX „Habe ich einen Durst", klagt Giovanni. Er sitzt vor dem Gleitflieger. Der Dackel Cäsar liegt neben ihm. „Ich weiß gar nicht, was eigentlich schlimmer ist, der Hunger oder der Durst." Traurig betrachtet er den Dackel, der auch schon ziemlich schwach ist. Giovanni befindet sich in einer bösen Situation. Er ist zwar frei, aber da er nicht weiß, wie das Landegerät bedient wird, kann er diesen Ort nicht verlassen und auch nicht um Hilfe funken. Nach einem Versuch zu starten, der beinahe unglücklich verlaufen wäre, hat Giovanni es aufgegeben. Aber er traut sich auch nicht, sich vom Landegerät zu entfernen, um Wasser zu suchen. „Hätte ich doch nur auf meine Frau gehört", klagt er. „Die war von Anfang an dagegen, daß ich mich auf dieses Abenteuer einlasse. Ob man mir wohl mal an dieser Stelle ein Denkmal setzt, wenn ich verhungert und verdurstet bin?" fragt er den Dackel. Der wird plötzlich sehr munter, spitzt die Ohren und beginnt zu bellen. „Greifen die Eierköpfe etwa an?" fragt Giovanni entsetzt. Er steht auf und sieht sich um. „Meine Rettung naht!" jubelt er. Denn es sind nicht die Eierköpfe, die angreifen, es ist eines der Landegeräte, das mit unglaublicher Geschwindigkeit herangeflogen kommt. „Herrlicher Roboter, kommst du, um mich zu retten?" fragt Giovanni begeistert, als Wilhelmine aussteigt. „Sie hier?" fragt der Roboter erstaunt. „Wir vermuteten Sie halb verhungert in den Händen der Eierköpfe." „Ich bin fast verhungert", klagt Giovanni. „Dafür sehen Sie aber noch recht munter aus." Wilhelmine betrachtet abschätzend den dicken Astronomen. „Weshalb sind Sie denn nicht zur .Wilden Hilde' geflogen?" „Wenn ich könnte", antwortet der Astronom. „Ich beschäftigte mich mehr mit geistigen Dingen und großen Entdeckungen. Für praktische Tätigkeiten bin ich nicht geschaffen." „Und wo sind Herr und Frau Schieberbein?" „Gefangen", klagt Giovanni. „Ich konnte sie nicht aus der Gewalt der Eierköpfe retten." „Und weshalb hat man Sie verschmäht?" „Der Dackel hat mich gerettet." „Aha", sagt Wilhelmine. „Ähnliches ahnte ich bereits. Aber jetzt muß ich mich um meinen Auftrag kümmern. Ich fliege zur ,Wilden Hilde'. Kommen Sie mit?" „Welche Frage", ruft der Astronom. „Komm, Cäsar!" Wilhelmine startet, daß Giovanni Hören und Sehen vergeht und zu Boden geworfen wird und Cäsar auf den Rücken fällt. „Roboter, bist du verrückt geworden?" Während sich Giovanni mühsam wieder aufrappelt, fragt er: „Hast du die Kinder gefunden?" Wilhelmine erzählt, wo die Kinder sind und was geschehen ist.
„Was hat der kleine Junge ,Nummer 28' gesagt?" fragt Giovanni aufgeregt, als Wilhelmine schweigt. „Das ist gerade das Problem. Nicht viel. Und das wenige ist sehr unverständlich. Entweder er war schon immer etwas...", Wilhelmine tippt sich an die Stirn, „oder aber, und das ist wahrscheinlicher, die Pflege der Eierköpfe ist so miserabel, daß sie nach einiger Zeit grauenvolle Folgen hat. Wir müssen ihn erst mal füttern." „Gehört er zu den Unzufriedenen'?" „Wir wissen es nicht, aber wir werden ihn bald genauer befragen. Das werden dann Sabine und Tobias tun. Der Junge hat nämlich Angst vor mir. Vor mir!" Wilhelmine wackelt entrüstet mit dem Kopf. „Jetzt hole ich Nahrungspillen, damit die Zwillinge bei Kräften bleiben. Übersetzungsautomaten und Funkgeräte." „Nahrung, welch herrliches Wort. Damit ich meinen Hunger vergesse, zeige mir, wie man das Landegerät bedient." Als sie das Raumschiff „Wilde Hilde" erreichen, weiß Giovanni, wie man mit Landegeräten umgeht. Nach der Landung bringt Wilhelmine ihn und den Dackel Cäsar zum Küchenroboter, damit sie essen können. Dann fährt Wilhelmine hinauf in die Kommandozentrale. „Aufwachen!" ruft sie Baidur zu. „Ich schlafe nie", sagt dieser grämlich. „Wo befindet sich denn der restliche Teil der Mannschaft?" „Teils verschleppt, zum Teil vermißt", sagt Wilhelmine dramatisch. „Giovanni und den Dackel Cäsar konnte ich gerade noch vor dem Hungertod retten." „Diese aufregenden Ereignisse müssen wir sofort der Erde melden", ruft Baidur. „Deshalb bin ich ja hier", sagt Wilhelmine und geht zum Funkgerät. „Und wo ist Giovanni jetzt?" fragt Baidur. „Er beschäftigt die Küchenroboter des Raumschiffes... Hallo Erde, hallo Erde, ich rufe die oberste Weltraumfahrtbehörde. Hier spricht Wilhelmine, Sicherheitsroboter der Expedition Blauer Planet!" „Hier oberste Weltraumfahrtbehörde", ertönt die Antwort. „Einen Augenblick bitte, der Chef möchte selber mit euch sprechen." Wenige Augenblicke später meldet sich Zeus. Wilhelmine berichtet, was vorgefallen ist, und von dem Plan der Kinder, die Unzufriedenen zu suchen. Zeus ist besorgt. „Sollten wir nicht lieber unsere Raumschiffflotte schicken?" fragt er. „Nein", ruft Giovanni, in die Zentrale eintretend, mit vollem Munde, ehe Wilhelmine antworten kann, und stellt sich vor das Mikrophon. „Hier spricht Giovanni. Wir schaffen es auch alleine. Unmittelbare Lebensgefahr besteht für die Schieberbeins nicht. Ihr könnt später immer noch eingreifen, falls sich die Situation verschlechtert. Wann könnte denn die Raumflotte frühestens hier sein, wenn wir sie anfordern?" „Innerhalb einer Woche", sagt Zeus. „Wenn es notwendig sein wird, melden wir uns", erklärt Giovanni. „Gut", sagt Zeus nach einer Weile. „Wir unternehmen nichts. Aber eine Bedingung muß ich stellen. Von nun an sendet ihr stündlich einen Lagebericht." „Machen wir", muffelt Giovanni fast fröhlich mit vollem Mund. Seit er gegessen hat, ist er wieder sehr mutig. „Viel Glück euch allen", ruft Zeus. „Giovanni, bleib am Funkgerät. Deine Frau möchte dich sprechen." „O nein", flüstert der dicke Astronom. „Wenn mich doch nur die Eierköpfe gefangen hätten." „Giovanni, Giovanni! Hallo! Hättest du nur auf mich gehört. Wie geht es dir?" „Gut", sagt Giovanni. Aber mehr Zeit läßt sie ihm nicht. Dann tönt ihr Redeschwall schon wieder aus dem Lautsprecher. „Paß auf dich auf, hörst du? Warum bist du nicht mit mir zur Erde geflogen.
Das ist ja furchtbar, was ich da höre! Du bist von einem Dackel überfallen worden, der Eierkopf heißt?" „Nein", antwortet Giovanni. „Was heißt hier nein! Und iß nicht soviel! Du weißt, das bekommt dir nicht..." Giovanni wischt sich den Schweiß von der Stirn und bekommt kleine rote Flecken im Gesicht. Er hält die Hand auf das Mikrophon und flüstert Wilhelmine zu: „Funkstörung." Wilhelmine versteht. Sie nimmt das Mikrophon in die Stahlpranke und beginnt zu jaulen. Giovannis Frau ruft: „Hallo, hallo, Wilde Hilde! Bitte melden! Ich verstehe nichts." Wilhelmine pfeift ins Mikrophon und säuselt: „Funkstörung." Und Giovanni schaltet das Gerät aus. „Jetzt aber schnell zurück zu den Kindern", ruft Wilhelmine. „Sie werden mich bereits sehnsüchtig erwarten." Giovanni holt Ernährungspillen, die sich für besondere Fälle als eiserne Reserve in jedem Raumschiff befinden, dazu Vitaminpräparate und Medikamente. Wilhelmine bringt fünf würfelgroße Übersetzungsautomaten und sechs kleine, aber leistungsstarke Funkgeräte. Baldur erhält den Befehl, aller sechzig Minuten Verbindung mit der obersten Weltraumfahrtbehörde aufzunehmen und außerdem ständig den Funkverkehr auf dem blauen Planeten abzuhören und, falls es Neuigkeiten gibt, diese zum Erdmond zu senden. Wilhelmine packt alles, bis auf ein Funkgerät, das sie Giovanni gibt, in einen Metallbehälter, den sie auf ihrem Rücken befestigt. „Halt", ruft Giovanni, „wir nehmen noch einen Küchenroboter mit. Schließlich können wir den Dackel nicht mit Pillen ernähren." „Den Dackel schon", sagt Wilhelmine, mit einem Blick auf Giovannis Bauch. „Schade, Sie waren auf dem besten Wege, schlankzuwerden." Sie steigen wieder in das Landegerät und fliegen zurück zum blauen Planeten. „Und wann habe ich Gelegenheit; in die Kämpfe mit jenen unheimlichen Robotern einzugreifen?" will Giovanni wissen. „Sie passen auf den Dackel auf", antwortet Wilhelmine. „Denn wenn der Dackel den Raumkoller bekommt und ausreißt, werden Sie von den Eierköpfen blitzschnell auf Diät gesetzt." „Alles, nur das nicht", ruft Giovanni und streichelt den Dackel. „Aber was soll ich weiter tun? Ich fühle mich bei dieser Aufgabe unterfordert." „Wenn ich bei den Kindern bin, fliegen Sie mit dem Landegerät herum und fertigen eine notdürftige Karte über die Lage der Städte an. Versuchen Sie herauszubekommen, welche Städte bewohnt und welche verlassen sind. Finden Sie den Raketenstartplatz. Dann warten Sie, bis Sie von Tobias und Sabine gerufen werden." „Der Aufgaben sind genug, auch wenn sie von Kindern und einem Roboter vergeben werden, was mir seltsam erscheint. Nun ja, ich beuge mich den neuen Moden in der Weltraumforschung", seufzt Giovanni ergeben. Kurze Zeit später landen sie. Wilhelmine klettert in das andere Landegerät. „Viel Glück", wünscht Wilhelmine dem dicken Astronomen. Giovanni startet und prallt dabei fast an das Landegerät von Wilhelmine. „Katastrophenflieger", knurrt Wilhelmine und startet ebenfalls. Sie fliegt zur Stadt zurück, in der Tobias und Sabine zurückgehalten sind und sie bereits sehnsüchtig erwarten. „Schön, daß du uns nicht im Stich gelassen hast", sagt Sabine zur Begrüßung. „Ich bin sehr anhänglich, habt ihr das noch immer nicht bemerkt?" „Konntest du alles erledigen?" „Alles. Und mehr. Ich habe den Astronomen vor dem Hungertod gerettet." „Und unsere Eltern?" „Sie sind in der Gewalt der Eierköpfe."
Wilhelmine erzählt, wie sie Giovanni entdeckt und von ihm erfahren hat, was passiert ist. Auch von dem Gespräch mit der obersten Weltraumfahrtbehörde unterrichtet sie die Kinder. „Und was ist hier inzwischen geschehen?" erkundigt sie sich zum Schluß. „Nichts", sagt Tobias achselzuckend. „Hier passiert überhaupt nichts.'" „Bitte sehr." Wilhelmine packt den Behälter aus. „Für jeden von euch einen Übersetzungsautomaten und Ernährungspillen." Tobias und Sabine schlucken jeder eine Pille, und dann verfüttern sie gleich zwei und einige Vitamintabletten an den kleinen, abgemagerten Xeno. Jede Tablette enthält eine Mahlzeit. „Nun wollen wir mal mit der Arbeit beginnen", sagt Tobias. „Wir werden jetzt mit Xeno sprechen und ihm alles entlocken, was er über diesen Planeten weiß." „Viel wird dabei nicht herauskommen. Ehe wir ihn total verwirren, sollten wir versuchen zu erfahren, wer die Unzufriedenen' sind und wo sie leben." Sabine stellt den kleinen Übersetzungsautomaten zwischen sich und Xeno, der bereits sichtbar kräftiger wird. „Verstehst du mich?" Der Übersetzungsautomat schweigt. „Als euer Lehrroboter euch das Prinzip der Übersetzungsautomaten zu erklären versuchte, wart ihr wohl krank?" meint Wilhelmine, nimmt den würfelförmigen Automaten, stellt ihn neben die anderen vor sich hin und beginnt zu reden: „Ich bin Wilhelmine. Ich bin der größte und schönste Sicherheitsroboter, den es auf der Erde gibt. Raumschiffe sind keine Vogeleier. Der Mond ist grünlichblau gesprenkelt. Der Vesuv ist ein Vulkan auf der Erde und manchmal ein Astronom." Dann wiederholt sie die Sätze auf xenitisch. Danach sagt sie viele neue Sätze. „Programmieren nennt man das", erklärt sie. Tobias und Sabine sehen sich an, dann halten sie sich die Ohren zu. Nach zehn Minuten ist Wilhelmine fertig. Der Automat kennt nun eine Menge Vokabeln der ihm bisher unbekannten Sprache und kann sich verständigen. „Jetzt kannst du es nochmals versuchen", sagt Wilhelmine freundlich zu Sabine. Die nimmt schweigend einen der Würfel und stellt ihn wieder zwischen sich und den Jungen. „Verstehst du mich?" fragt sie nochmals. Im selben Augenblick übersetzt der Automat. Xeno, der völlig verdattert den seltsamen Sätzen von Wilhelmine gelauscht hatte, blickt erschrocken auf den Würfel. Dann antwortet er: „Ja." „Wo sind die Xeniten?" Xeno antwortet: „Alle sind Xeniten." Sabine zeigt in den Raum. „Sind diese Kinder Xeniten?" „Ja." „So kommen wir nicht weiter." Tobias setzt sich vor den Würfel. „Laß mich mal fragen." Er steht wieder auf und hüpft wie ein Eierkopf durch den Raum. „Sind das auch Xeniten?" Xeno wehrt erschrocken mit der Hand ab. „Das sind Maschinen", übersetzt der Automat. „Hast du Angst vor den Maschinen?" „Ja." „Lebst du seit deiner Geburt bei den Maschinen?" Xeno versteht ihn nicht. Er sitzt verstört auf seiner Liege, sieht die Zwillinge abwechselnd an und starrt auf den Würfel. Tobias stellt die Frage mehrmals, immer mit anderen Worten, Wilhelmine unterstützt ihn. Endlich sagt Xeno: „Ich bin ein freier Xenit. Ich war spielen, habe mich verlaufen. Maschinen haben mich gefunden und hierhergebracht. Hier muß ich immer nur essen und schlafen. Darf nicht lernen und spielen."
„Die freien Xeniten..." Sabine blickt ihren Bruder nachdenklich an. „Das müssen die sogenannten Unzufriedenen sein. Also sind diese Xeniten hier tatsächlich Gefangene der Eierköpfe?" „Wo leben die freien Xeniten?" fragt Tobias. „Im grünen Tal. Im Tal der Arbeit." „Wo ist das?" „Das Tal der Arbeit ist schön..." „Wo ist es?" drängt Sabine. „Irgendwo dort." Xeno zeigt eine Himmelsrichtung. „Gar nicht weit." „Das ist Südwesten, wohin der Junge zeigt", unterbricht Wilhelmine das Gespräch. Tobias nimmt sein kleines Funkgerät in die Hand und schaltet es ein. „Giovanni", ruft er. „Hier bin ich", trällert der Astronom. „Flieg bitte senkrecht über unser Haus und dann südwestlich. Dort muß sich ein Gebirge befinden. Suche ein grünes Tal, in ihm leben die freien Xeniten." „Jawohl", ruft Giovanni. „Ich werde sofort losfliegen. Aber erst muß ich euer Haus finden." „Das klang so, als hätte ich ihn beim Essen gestört", sagt Tobias. „Wir senden Peilzeichen", ruft er ins Funkgerät. Sabine hat sich einen der Würfel genommen und geht von einem Kind zum anderen und versucht, mit jedem zu reden. Aber sie antworten nicht. „Sie sind krank", sagt Xeno. „Weißt du, woher die Maschinen kommen?" fragt Tobias den kleinen Xeniten. „Nein", sagt der. „Sie waren schon immer da. Fragt den alten « Janus." „Wer ist Janus?" Aber Xeno ist wieder eingeschlafen. Obwohl er nur langsam und wenig sprach, hat ihn das sehr mitgenommen. „Die Eierköpfe werden mir immer unsympathischer", erklärt Wilhelmine. „Du vergißt, die Eierköpfe sind Roboter. Sie führen nur irgendwelche Befehle aus. Die Frage ist: Woher kommen sie, wer hat sie gebaut, und wo befinden sich diejenigen, die sie gebaut haben und ihnen diese Befehle gaben?" „Dann sind mir eben ihre Erbauer unsympathisch. Immer diese kleinlichen Unterschiede." Etwa eine halbe Stunde müssen sie warten. „Hallo, hallo", ertönt es dann aus den Funkgeräten. „Hier spricht Giovanni Vesuv." „Hallo, Giovanni", ruft Tobias aufgeregt. „Konntest du irgend etwas entdecken?" „Es gibt nichts, was meinem Astronomenauge verborgen bliebe", antwortet Giovanni. „Etwa 50 Kilometer von euch entfernt befindet sich ein kleines, aber steiles Gebirge. Mitten darin ist ein wunderschönes Tal mit einem Bach. Ich sah Hütten um menschenähnliche Wesen, die offensichtlich Angst vor der Landegerät hatten." „Das müssen die Unzufriedenen sein", ruft Sabine. „Danke. Giovanni, bleibe bitte in der Nähe, vielleicht brauchen wir dich bald." „Immer noch keine Spur von euren Eltern?" will der Astronom noch wissen." „Dumme Frage", sagt Sabine. „Wir können von hier aus doch nichts unternehmen." „Melde deine Entdeckung Baldur", ruft Tobias. „Er soll sich weiter an die Erde geben. Ende." „Habe verstanden. Ende." „So", sagt Tobias. „Jetzt müssen wir uns mit einer äußerst wichtigen Frage befassen. Wie kommen wir aus diesem Haus heraus." „Wenn wir versuchen, mit Gewalt auszubrechen, fallen sofort alle Eierköpfe dieses Planeten über uns her", überlegt Sabine laut.
„Wie willst du denn sonst hier herauskommen?" fragt Tobias „Natürlich müssen wir Gewalt anwenden. Das beste wäre, wir überlisten erst einmal unsere drei Spezialbewacher, und dann lassen wir uns von Cäsar entführen. Ist das eine Idee?" „Das kann ja lustig werden", sagt Sabine. „Bloß gut, daß Mutter nichts davon weiß. Wilhelmine, durchstreife mal die Ruinen versuche, ein Springseil oder einen festen Draht oder so etwas Ähnliches zu finden. Irgend etwas, was ausreicht, die Sprung federn der Eierköpfe zu umschlingen." „Klasse", ruft Tobias. „Das ist sehr gut. Los, Wilhelmine." „Zu Befehl." Der Roboter verläßt den Raum. „Wir werden uns jetzt befreien", erklärt Tobias Xeno. „Wir werden die Eierköpfe überlisten." „Ich habe Angst", antwortet Xeno. „Die Maschinen sind stark, sie hören nicht auf uns, lassen uns nicht heraus aus diesem Raum." „Weshalb sollten wir vor Maschinen Angst haben?" fragt Sabine verwundert. „Wilhelmine ist doch auch eine Maschine. Wir sagen ihr, was sie tun soll. Und sie gehorcht." „Wilhelmine kann keine Maschine sein", antwortet Xeno, „denn sie ist gut." „Hör auf", flüstert Tobias Sabine zu, „er regt sich nur auf." Tobias greift nach dem Funkgerät. „Giovanni, bitte melden!" „Braucht ihr meine Hilfe?" ertönt die Stimme Giovannis. „Ja. Deine große Stunde ist gekommen. Du kannst uns jetzt aus der Gewalt der Eierköpfe befreien." „Oh", antwortet Giovanni, „sind sie nicht unheimlich stark?" Tobias lacht und sagt: „Beruhige dich, du brauchst nicht mit ihnen zu kämpfen. Hör zu. Du wirst jetzt in 50 m Höhe über dem Eingang des Hauses, in dem wir sind, schweben. Aber paß auf, daß du nicht zuviel Aufsehen erregst. Wenn ich rufe: Landen!, mußt du es sofort tun. Aber bitte keine Bruchlandung. Du öffnest den Einstieg und läßt den Dackel heraus. Das ist deine ganze Aufgabe. Wir kommen dann, und du startest sofort wieder." „In Ordnung", ruft Giovanni. „Wenn es weiter nichts ist." „Hoffentlich ist Wilhelmine bald zurück", seufzt Sabine. Kurz darauf öffnet sich die Tür, und Wilhelmine tritt ein: „Das hier wird wohl reichen, denke ich", sagt sie und gibt Tobias ein langes starkes Seil. „Jetzt können wir die Eierköpfe an die Leine nehmen", jubelt Sabine. „Und wie dachtest du es dir weiter?" fragt Tobias seine Schwester. „Ganz einfach, wir legen das Seil hier auf den Boden. Gleich hinter die Tür, die sich nach außen öffnet. Wir beide nehmen jeder ein Ende des Seiles in die Hand und stellen uns so, daß die Eierköpfe uns nicht sehen. Wilhelmine baut sich gegenüber der Tür auf. Wenn die Eierköpfe hereinstürmen und Wilhelmine sehen, bleiben sie hoffentlich einen Augenblick stehen. Wir rennen schnell um die Eierköpfe herum und geben Wilhelmine die Seilenden. Der Rest ist Wilhelmines Aufgabe. Wir rufen Cäsar, und gemeinsam mit ihm und Xeno verlassen wir den Raum." „Gut", sagt Tobias. „Also beginnen wir." „Giovanni, bist du auf deinem Posten?" „Ja", kommt die Antwort aus dem Funkgerät. „Dann los! Wilhelmine, hast du alles verstanden?" „Ich bin doch nicht Baldur", brummelt Wilhelmine. Sie sucht etwas im Raum, findet einen Eimer und wirft ihn mit aller Kraft gegen die Tür, so daß er mit riesigem Gepolter zu Boden fällt. „Sie kommen!" ruft sie und breitet die Arme aus. „Giovanni, landen!" flüstert Tobias in das Funkgerät. Nun geht alles blitzschnell. Die Tür öffnet sich, und die Eierköpfe kommen hereingestürmt. Wilhelmine brüllt auf xenitisch: „Kommt in meine Arme, ihr Lieben!" Die Eierköpfe bleiben - wie erwartet - verblüfft stehen. In dem Augenblick rennen Sabine und Tobias los. Das Seil schlingt sich um die Sprungfedern der Eierköpfe. Die Kinder laufen um die Roboter herum und geben die Enden des Seiles Wilhelmine. Die zieht das Seil mit gewaltiger Kraft zusammen. Mit lautem Getöse fallen die Eierköpfe um. Wilhelmine beginnt das Seil zu verknoten. „Cäsar, Cäsar!" rufen Sabine und
Tobias. Und da kommt auch schon Cäsar mit fliegenden Ohren um die Ecke gerannt und springt begeistert an den Kindern hoch. Die vielen Kinder in dem Raum liegen bei all diesem Lärm teilnahmslos da. Nur Xeno beobachtet verstört die Vorgänge. „Keine Angst", beruhigt ihn Tobias. Vorsichtig führen die Zwillinge den kleinen Jungen hinaus. Auf der Treppe begegnen ihnen einige Eierköpfe, die aber bei dem Anblick Cäsars erschrocken fliehen. „Komm schnell, Wilhelmine", ruft Tobias. „Gleich. Ich zerbeule den Kollegen nur noch ein wenig die Karosse." Vor der Tür steht das Landegerät startbereit. Als Giovanni die Kinder sieht, öffnet er schnell den Einstieg. „Haben wir das nicht großartig gemacht?" fragt er strahlend und hilft den Zwillingen, Xeno hineinzuheben. „So, das hätten wir geschafft", sagt Tobias zufrieden. „Wo nur Wilhelmine bleibt?" Da ertönt ein furchtbares Poltern im Haus. Wilhelmine kommt aus der Haustür und zieht an der Leine die drei Eierköpfe hinter sich her. „Kann ich die als Andenken mitnehmen?" fragt Wilhelmine. „Komm jetzt endlich", schimpft Tobias, „laß den Unfug." „Dann eben nicht." Wilhelmine läßt das Seil los. „Starten", sagt sie lässig zu Giovanni, während sie in das andere Landegerät steigt. Giovanni tippt sich an die Stirn. „Die ist wohl übergeschnappt", schimpft er, startet dann aber. „Soll ich euch im Tal absetzen?" fragt Giovanni die Kinder. „Nein", antwortet Tobias. „Du hast doch vorhin selbst gesagt, daß du die freien Xeniten erschreckt hast. Setze uns irgendwo in der Nähe des Tals ab. Wir gehen dann zu Fuß dorthin." Sabine nimmt ihr Funkgerät und gibt die entsprechende Anweisung auch Wilhelmine. Die Kinder schauen hinab in die Trostlosigkeit der Landschaft. Manchmal sehen sie verlassene Häuser und Maschinen, die bestimmt einmal Feldmaschinen gewesen sind, nun aber nur noch als Trümmerhaufen herumstehen. „Ich habe mir einige Städte genauer angesehen", erzählt Giovanni. „In den meisten gibt es kein Haus, das noch ein Dach besitzt. Aber überall wimmelt es von Eierköpfen. Die Suche nach euren Eltern wird nicht leicht werden. Ich fotografiere alles und fertige nach den Aufnahmen die Karte an. Ihr seht, auf mich könnt ihr euch verlassen." Giovanni sitzt stolz am Steuerpult und übersieht fast einen Fernleitungsmast, an dem sich keine Leitungen mehr befinden. „Verzeihung", sagt er und steuert das Landegerät steil nach oben. „Seid ihr unter die Kunstflieger gegangen?" ruft Wilhelmine über Funk. „Dort vorn, das kleine Gebirge, ist das unser Ziel?" „Ja", antwortet Giovanni und steuert nun ruhig und sicher das Landegerät auf das Gebirge zu. Sie umfliegen langsam und lautlos einige Berge, kurven durch tiefe Schluchten und pirschen sich so langsam an das „grüne Tal" heran. Aber noch ist nichts Grünes zu sehen. Kein Gras wächst auf dem Boden, keine Bäume stehen an den Hängen, dicker Staub und große Felsbrocken von herabgestürzten Steinlawinen bedecken den Boden der Täler. Hier und dort sehen sie zwischen den Steinen Baumstümpfe, die Wurzeln in die Luft gestreckt, uraltes, zersplittertes Holz. „Hoffentlich haben wir uns nicht verirrt." Giovanni sieht besorgt nach unten. „Vorhin bin ich viel höher geflogen, da habe ich das Tal gleich entdeckt. Aber jetzt..." Vorsichtig läßt er das Landegerät etwas steigen. Vor ihnen erhebt sich eine gewaltige Geröllhalde. Als sie über deren Kamm hinwegsehen können, ruft Tobias: „Hinunter! Schnell, zurück!" Giovanni läßt das Landegerät zurückfallen, bremst nicht rechtzeitig, und unsanft setzen sie am Fuße des Walles auf. „Das Tal", flüstert Sabine. „Wie schön, endlich ein grünes Tal in dieser Einöde zu sehen."
Genaueres konnten sie natürlich nicht erkennen. Zu schnell hatten Tobias und Giovanni reagiert. „Was ist denn mit euch los?" Wilhelmine ist ebenfalls gelandet und hat von außen den Ausstieg geöffnet. Tobias zeigt auf die Geröllhalde. „Dahinter befindet sich unser Ziel, das grüne Tal." Wilhelmine betrachtet abschätzend die Halde. „Sieht aus wie eine Verteidigungsanlage. Dort hinauf schaffen es die lieben Kollegen Eierköpfe ohne technische Hilfsmittel nicht." „Kommt", sagt Tobias, „wir haben wenig Zeit. Wir trennen uns jetzt. Giovanni, du vervollständigst die Karte über die Lage der Städte." Sie steigen aus und heben den schlafenden Xeno heraus und legen ihn vorsichtig auf den Boden. Sabine setzt sich neben ihn und nimmt seinen Kopf auf ihren Schoß. „Ich sehe die Notwendigkeit ein", antwortet der Astronom. „Auch wenn ich euch gern begleiten und helfend zur Seite stehen möchte." „Du nimmst den Dackel mit", tröstet Sabine ihn. „Er wird dir die Zeit vertreiben, und wir wissen nicht, wie die freien Xeniten auf ihn reagieren." „Viel Glück dann!" ruft Giovanni, steigt mit dem Dackel ins Landegerät und fliegt los. Da wacht Xeno auf. Erstaunt betrachtet er seine Umgebung und den Wall. „Ob wir schon bemerkt worden sind?" flüstert Sabine. „Wenn das eine Verteidigungsanlage ist, gibt es auch Wächter." „Hallo!" ruft Tobias. Xeno wird immer unruhiger. „Sicher erkennt er, wo wir uns befinden", meint Sabine. Plötzlich erscheint eine mit einem grauen Umhang bekleidete Gestalt auf dem Wall. Der Mann ruft etwas. „Wer seid ihr?" übersetzt der Automat. Da schreit Xeno auf und beginnt den Wall zu erklettern. Der Mann dort oben betrachtet verwundert den kleinen Jungen. „Xeno", ruft er plötzlich und steigt, so schnell er kann, den Geröllberg hinab, dem Jungen entgegen. Er nimmt Xeno auf den Arm und verschwindet mit ihm aus dem Sichtfeld der Zwillinge. „Hier auf diesem Planeten gibt es wohl niemanden, der nicht wenigstens einen kleinen Gehirnschaden hat", meint Wilhelmine. Eben will Tobias nach dem Funkgerät greifen, um Giovanni über den seltsamen Empfang zu berichten, als zwei Männer und eine Frau auf dem Wall erscheinen. „Kommt zu uns herauf, ihr seid uns willkommen!" ruft einer der Männer. Tobias unterrichtet Giovanni darüber, was geschehen ist, dann klettern sie vorsichtig auf den Wall. Als auch Wilhelmine sich anschickt hinunterzuklettern, werden die Xeniten unruhig. „Wer ist das?" fragen sie die Zwillinge. „Das ist unser Roboter", sagt Tobias. „Ist das eine Maschine?" „Ja, das ist eine Maschine", antwortet Tobias. „Schnell, kommt herauf! Rettet euch vor der Maschine!" „Aber, das ist eine gute Maschine." „Es gibt keine guten Maschinen. Maschinen bringen nur Unglück." „Ich sagte es doch, die spinnen." Wilhelmine klopft mit ihrem mächtigen Metallfinger an den Teil ihrer Karosse, der einen Kopf darstellt. Genau zwischen den Objektivaugen. „Wilhelmine, bleib hier", entscheidet Tobias. „Offensichtlich werden wir wieder einmal für Xeniten gehalten."
„Das kann ich nicht verantworten", antwortet der Sicherheitsroboter. „Wenn die oberste Weltraumfahrtbehörde erfährt, daß ich euch in einer solchen Situation allein gelassen habe, schickt sie mich in den Roboterschrotthimmel." „Wilhelmine, daß du hierbleibst, ist ein Befehl", bekräftigt Sabine. „Wie oft soll ich denn noch sagen, ich habe bereits meine Befehle erhalten." Wilhelmine zeigt mit dem Daumen nach oben. Wahrscheinlich meint sie mit dieser Geste die oberste Weltraumfahrtbehörde. „Nimm ein Funkgerät", schlägt Tobias vor. „Bleibe hier stehen, wir versprechen dir, uns nur wenige Meter von dem Wall zu entfernen. Sobald irgend etwas verdächtig erscheint, rufen wir dich." Wilhelmine überlegt. Sie schätzt den Wall ab. „Nun gut. Geht hinüber. Aber wenn es diesen Spaßvögeln einfallen sollte, euch auch nur ein Härchen zu krümmen, wandle ich diesen Planeten endgültig in eine Wüste um. Er geht mir nämlich schon eine ganze Weile auf die Halbleiter." „In Ordnung", antwortet Tobias. „Das ist doch ein Wort. Komm, Sabine, wir klettern hinüber."
X Als die Zwillinge den Wall erklommen haben, übertrifft der Anblick, der sich ihnen bietet, das, was sie vermutet haben. Es ist ein langes Tal, eingerahmt von steilen Berghängen. Sie sehen Felder, Wiesen, Wälder und einen kleinen Fluß, der durch das Tal fließt. Dicht an den Felswänden stehen etwa sechzig Hütten. Auf den Feldern arbeiten erwachsene Xeniten, die, wie die Kinder, den Menschen ähnlich sind. Sabine und Tobias werden freundlich empfangen. Man will sie in eine der Hütten tragen, da die Xeniten offensichtlich annehmen, daß die Zwillinge, ebenso wie Xeno, entkräftet sein müßten. Aber dann betrachten sie Sabine und Tobias genauer und wundern sich über die kräftigen Körper und über die elastischen Anzüge, die sie tragen. Tobias spricht die Xeniten an, staunend lauschen sie der unbekannten Sprache und springen entsetzt zurück, als der kleine Würfel die Übersetzung liefert. Fast eine Stunde brauchen die Kinder, um die Xeniten davon zu überzeugen, daß sie von einem Planeten eines weit entfernten Sonnensystems kommen und nichts Böses im Sinn haben.
Und eine weitere Stunde benötigen sie, um den Xeniten zu erklären, daß Wilhelmine zwar eine Maschine ist, aber ungefährlich, sie zu ihrem Schutz begleitet und jeden Befehl befolgt. Dann endlich darf Wilhelmine über den Wall klettern. Die Xeniten beobachten sie mißtrauisch. Auch an die Übersetzungsautomaten müssen sie sich erst gewöhnen. Besonders einer der Xeniten bemüht sich, den Kindern dabei zu helfen, das Vertrauen der Bewohner des Tales zu finden. Er ist der Wächter vom Wall. Und nun stellt sich heraus, daß er der Vater von Xeno ist. „Nun, haben sich die Herrschaften endlich beruhigt?" fragt Wilhelmine, als sie bei den Kindern eintrifft. „Ein bißchen", antwortet Tobias. „Du mußt weiter ihr Vertrauen gewinnen." „Da bin ich aber gespannt, wie ich das anstellen soll." „Du wirst es gleich sehen." Tobias holt den Übersetzungsautomaten aus der Tasche und sagt zu den Xeniten: „Wir führen euch jetzt unsere Maschine vor. Ihr werdet sehen, sie befolgt jeden Befehl. Wilhelmine, leg dich hin!"
„Soll das ein Witz sein?" fragt der Roboter. „Nun tu es schon", flüstert Sabine. Krachend läßt sich der Roboter auf den Boden fallen. Die Xeniten springen erschrocken zurück. „Steh wieder auf!" „Das ist aber nett von euch", knurrt Wilhelmine und erhebt sich quietschend. „Möchte einer von euch dem Roboter eine Aufgabe stellen?" fragt Tobias die Xeniten. „Hebe den rechten Arm", befiehlt Xenos Vater. Wilhelmine hebt aus Protest gegen die Examination den linken Arm, aber das merkt außer den Zwillingen zum Glück keiner. Sie sagen auch nichts zu Wilhelmine, denn sie sind froh, daß sie mit dieser Prüfung ihr Ziel erreicht haben und die Xeniten den Roboter mit weniger Mißtrauen betrachten. „Nun geht aber in die Hütte und ruht euch aus", fordert Xenos Vater die Zwillinge auf. „Ihr seid doch sicher müde." „Aber wir haben eine Menge Fragen..." Xenos Vater schüttelt bedauernd den Kopf. „Das geht jetzt nicht, wir müssen zurück zur Arbeit. Eure Fragen werden wir später beantworten." Er führt die Kinder in eine der Hütten. Dort treffen sie auch Xeno wieder, der bereits tief und fest schläft. Xenos Vater streichelt ihn zärtlich, deckt ihn mit einer grobgewebten Decke zu und geht dann mit den anderen Erwachsenen aufs nahe Feld. Nur einige kleine Kinder bleiben zurück. Oben auf dem Wall steht nun ein anderer Wächter. „Die freien Xeniten scheinen überhaupt nicht neugierig zu sein", meint Tobias nach einer Weile. „Hast du bemerkt, nur die Bewohner dieser Hütte haben uns empfangen, alle anderen haben ihre Feldarbeit nicht unterbrochen. Höchstens mal herübergeschaut." „Oder die Arbeit ist so wichtig für sie", meint Sabine. „Das wäre auch eine Erklärung. Was machen die denn da?" „Sie pflügen." Schweigend beobachten die Zwillinge und Wilhelmine, wie sich sechs Xeniten vor einen Pflug spannen, während ihn zwei in den Boden drücken, und dann laut singend den Pflug über den Acker ziehen. In dreihundert Meter Entfernung wird ein Haus gebaut. Etwa zwanzig Erwachsene arbeiten dort. Sie tragen Stämme herbei, entrinden sie, zersägen sie in Balken und fügen alles sorgfältig zu einer neuen Hütte zusammen. Die größeren Kinder und die Halbwüchsigen beseitigen Unkraut auf den Äckern und sammeln Früchte. Einige Mädchen bewachen Vögel, die Hühnern ähnlich sind. Es sind die ersten Tiere, die Sabine und Tobias auf dem Planeten sehen. Nirgendwo können sie einen Xeniten entdecken, der nicht arbeitet. Nur die Kleinkinder spielen vor den Hütten. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr", sagt Tobias kopfschüttelnd. „Das paßt doch alles nicht zueinander. Die freien Xeniten haben die Eierköpfe nicht gebaut. Soviel ist sicher. Das hier sind Ackerbauer und Viehzüchter, die nur über primitivste Hilfsmittel verfügen. Wer sind dann aber die Erbauer der Eierköpfe?" „Vielleicht sind sie von einem anderen Planeten gekommen?" meint Sabine. „Und wenn es so wäre. Wer hat dann die Städte errichtet? Es muß auch Fabriken und Elektrizitätswerke gegeben haben. Leitungsmasten haben wir ja gesehen." „Einfach fragen", schlägt Wilhelmine vor. ,,Fragen bildet." Ungeduldig erwarten die Zwillinge die Rückkehr der Xeniten. Sabine spielt mit den kleinen Kindern. Sie bauen aus hölzernen Bausteinen ein Haus. „Was ist denn das?" Sabine hebt einen der Bausteine hoch, der aus Metall ist.
Wilhelmine nimmt ihn ihr ab. Aufmerksam betrachtet sie ihn. „Ein Universalroboter weiß alles", sagt sie nach einer Weile. „Und was ist es?" „Ein kleiner Taschenrechner. So ähnlich sahen die Rechner aus, die vor einigen hundert Jahren auf der Erde verwendet wurden." Sabine fragt ein kleines Mädchen: „Weißt du, was das ist?". Der Automat übersetzt. „Ein Baustein", sagt die Kleine und nimmt ihn in die Hand. „Das ist eine Maschine", erklärt Sabine. Entsetzt läßt das Mädchen den Rechner fallen. „Keine Angst", beruhigt Sabine das Kind. „Das war einmal eine Maschine. Jetzt ist sie kaputt. Du kannst weiter damit spielen." Trotzdem berühren die Kinder den Rechner nicht mehr. Spät am Abend kehren die Erwachsenen müde von der Arbeit zurück. Zwei Frauen, ein Mann und Xenos Vater kommen in die Hütte, in der auch die Zwillinge untergebracht sind. Sie bereiten ein schmackhaftes Abendessen, das zwar einfach, aber gut ist. Nach dem Essen fordert Xenos Vater die Zwillinge auf, ihnen von der Erde zu erzählen. Schweigend hören die Xeniten zu. Auch was auf der Expedition geschehen ist, berichten die beiden. „Und wo sind eure Eltern jetzt?" fragt Xenos Vater. „In irgendeiner der Städte hier. In der Gewalt der Eierköpfe. Könnt ihr uns nicht helfen?" Traurig schüttelt der Vater den Kopf. „Wir verlassen nie das Tal. Wir fürchten die Maschinen. Die Maschinen bringen uns in die Häuser. Dort werden wir krank. Dort dürfen wir nicht arbeiten, und es gibt nur schlechtes Essen." „Meinst du alle Maschinen oder nur jene, die wir die Eierköpfe nennen?" „Alle Maschinen bringen Unglück. Wenn wir leben wollen, wenn wir essen wollen, müssen wir mit unseren Händen arbeiten." „Aber das ist doch Unsinn", ereifert sich Sabine. „Maschinen könnten euch eure Arbeit erleichtern." „Dann werden wir faul. Und Faulheit würde uns töten." „Bei uns auf der Erde arbeiten doch auch Maschinen, und trotzdem sind wir nicht faul. Jeder Mensch arbeitet, jeder denkt und sorgt dafür, daß die Maschinen keine Fehler machen." „Auf eurem Planeten ist das so, bei uns ist das anders." „Wenn ihr Maschinen hättet, die euch helfen, würdet ihr so viel Nahrungsmittel erzeugen, daß ihr den Xeniten in den Städten, den Gefangenen der Eierköpfe, helfen könntet. Ihr wißt doch, daß sie sonst verhungern." „Es gibt zu viele Eierköpfe." Erregt springt Xenos Vater auf. »Niemals dürfen Maschinen wieder für uns arbeiten. Nur so haben wir die Möglichkeit zu überleben." Tobias schaltet den Übersetzungsautomaten aus und flüstert: »Das klingt ja so, als hätten die freien Xeniten früher Maschinen besessen." „Die spinnen." Wilhelmines Urteil steht fest. Xenos Vater hat bemerkt, welchen Eindruck seine letzten Worte bei den Kindern hinterlassen haben. Nachdenklich sagt er: „Der alte Janus ist auch der Meinung. Er gehört zu jenen, die uns gerettet haben. Er allein kennt das Geheimnis der Maschinen." „Wir müssen unbedingt mit dem alten Janus sprechen", ruft Tobias. „Aber erst, nachdem wir unsere Eltern gefunden haben", mahnt Sabine. „Vielleicht kann ich euch helfen", mischt sich da plötzlich der zweite Mann ins Gespräch, der bisher geschwiegen hat.
„Mein Name ist Xantus. Ich war kurze Zeit in der Gewalt der Eierköpfe. Es gibt nur drei Städte, in denen noch erwachsene Xeniten leben. Wo ihr wart, sind nur Kinder untergebracht." „Würdest du die Städte finden?" fragt Sabine gespannt. „Ich weiß nicht...", ist die zögernde Antwort. „Darf Giovanni zu uns kommen?" fragt Tobias. „Wir haben euch ja von ihm erzählt. Er könnte uns nützlich sein." „Ja, er darf kommen", antwortet Xenos Vater. „Aber er soll sein Fluggerät außerhalb des Tales abstellen." Tobias geht zum Funkgerät und spricht mit Giovanni. Eine halbe Stunde später ist er da. Er bringt Luftaufnahmen von Städten mit und eine übersichtliche Karte. Natürlich ist auch Cäsar mitgekommen. „Ein Tier", ruft eine der Frauen mit leuchtenden Augen. „Seht nur, Kinder. Ein richtiges Tier. Auf unserem Planeten sind nämlich fast alle Tiere ausgestorben", erklärt sie Giovanni und den Zwillingen, die den Freudenausbruch verwundert beobachten. „Vor diesem Tier hatten die Maschinen Angst?" fragt Xantus. „Ja, das ist Cäsar. Wir haben euch ja erzählt, was geschehen ist, als die Eierköpfe ihn sahen." Xantus lacht. „Die Maschinen sind dumm!" Giovanni begrüßt feierlich alle Xeniten in der Hütte, dann breitet er die Karte auf dem Tisch aus. Ungefähr einhundert Städte sind zu sehen. „Wo ist unser Tal?" fragt Xantus. Giovanni zeigt es. Xantus tippt auf die Städte. „Hier gibt es noch einige erwachsene Xeniten. Zumindest lebten sie vor ein paar Jahren noch dort." „Kommt!" Tobias springt auf. „Fliegen wir los. Jetzt befreien wir unsere Eltern. In einer dieser Städte werden wir sie finden." ,,Schön langsam", bremst Wilhelmine ihn. „Jetzt schlaft ihr erst mal. Und morgen früh erledigen Giovanni und ich diese Aufgabe. Ihr bleibt hier. Wir werden auch allein mit den Eierköpfen fertig. Stimmt's?" wendet sie sich an den Astronomen. „Stimmt", antwortet der fröhlich. „Ich brenne darauf, wieder in die Kämpfe einzugreifen." „Aber wir sind schuld, daß unsere Eltern Gefangene sind." „Für euch ist diese Befreiungsaktion zu gefährlich", erwidert Wilhelmine. „Jetzt kommt allmählich wieder Ordnung in die Expedition. Und ich lasse nicht zu, daß ihr sie nochmals durch Eigenmächtigkeiten stört. Im Notfall binden wir euch hier fest." „Du Maschine", sagt Sabine zu Wilhelmine. „Du erinnerst mich an die Eierköpfe." „Ich protestiere", ruft der alte Sicherheitsroboter erbost. „Ihr geht jetzt schlafen", entscheidet auch Giovanni. „Ihr könnt ja morgen den alten Janus suchen", versucht Wilhelmine die Kinder zu trösten. „Vielleicht lüftet ihr so das Geheimnis des blauen Planeten." „Darf ich euch morgen begleiten?" fragt Xantus zur Überraschung aller Giovanni. „Ich möchte erleben, wie ihr mit den Maschinen fertig werdet." Giovanni sieht die Zwillinge fragend an. „Das ist keine schlechte Idee...", meint Tobias nachdenklich. „In Ordnung." Giovanni schlägt Xahtus auf die Schulter. „Du kommst mit." Eine der Frauen bereitet den Kindern und Giovanni ein Lager. Sie sind sehr müde und legen sich sofort hin. „Morgen werden die Eltern hoffentlich frei sein...", murmelt Sabine, halb schlafend. „Hast du gemerkt, was die Xeniten alles für Wörter kennen, die sie, wenn sie wirklich Ackerbauer und Viehzüchter wären, gar nicht kennen dürften?" fragt Tobias und gähnt: „Planeten, Sonnen, Raumschiffe, Fotografieren, Maschinen, Städte... Ich glaube, wir sind dem Geheimnis auf der Spur." Dann schläft auch er ein. Bald schlafen alle in der Hütte. Nur Wilhelmine steht in der Ecke und träumt. Können Maschinen träumen?
XI Die Vermutung der Kinder war richtig. Den Eltern droht keine unmittelbare Gefahr. Die Eierköpfe haben sie in eine der drei Städte verschleppt, in der erwachsene Xeniten leben. Die Schieberbeins haben inzwischen bemerkt, daß die Eierköpfe Roboter sind und die erwachsenen, kranken und entkräfteten Xeniten sich als Gefangene in der Gewalt der Eierköpfe befinden. Hannibal und Mathilde sehen keine Möglichkeit, sich zu befreien, und warten auf Hilfe von der Erde. „Nur Fehler habe ich gemacht", flüstert Frau Schieberbein. „Überstürzt sind wir gelandet, sinnlos haben wir uns in Gefahr begeben. Nicht mal einen Übersetzungsautomaten und ein Funkgerät trugen wir bei uns, als wir aus dem Landegerät stiegen." Hannibal weiß, diese Selbstvorwürfe seiner Frau sind berechtigt, und versucht sie zu beruhigen. „Das wäre doch alles nicht so gekommen, wenn die Kinder vernünftiger gewesen wären, jeder wird deine Reaktion verstehen. Und ich habe dich ja auch nicht daran gehindert." „Trotzdem." Die Mutter ist verzweifelt. „Hätte ich die Kinder ernster genommen, mich mit ihnen beraten, dann hätten sie niemals diesen Unsinn gemacht. Ich war zu streng zu ihnen." „Vielleicht, aber doch nur deshalb, weil du um ihre Sicherheit besorgt warst." Beide schweigen eine Weile. Drei Eierköpfe kommen und teilen Essen aus. Die Schieberbeins wollen nicht unnötig auffallen und nehmen es ohne Widerspruch. Außerdem wissen sie, es ist notwendig, diesen fürchterlichen Brei zu schlucken, denn durch die schlechte Ernährung in diesen Tagen sind sie schon ziemlich schwach geworden. „Sollten wir alle jemals gesund von diesem Planeten herunterkommen, wechsle ich den Beruf", sagt Mathilde, als die Roboter den Raum wieder verlassen haben. Hannibal lächelt. „Willst du vielleicht Meereszoologe werden?" Mathilde zuckt mit den Schultern. „Vielleicht." „Hör doch mit diesem Blödsinn auf", schimpft Hannibal. „Das sagst du doch alles nur, weil es uns zur Zeit nicht sonderlich gut geht." Mathilde beginnt zu weinen. „Ich meine es ernst", schluchzt sie. „Wenn nur den Kindern nichts passiert." Sie trocknet sich die Augen und fragt: „Wann, meinst du, können die Raumschiffe von der Erde eintreffen? Giovanni wird doch gleich um Hilfe gefunkt haben?" Hannibal hat seine Bedenken und meint: „Weißt du, ich bezweifle, daß Giovanni überhaupt ein Landegerät bedienen kann. Ich rechne mehr mit Wilhelmine." Mutlos läßt sich Mathilde zurück auf die Liege sinken. Die Sorge von Hannibal Schieberbein war grundlos. Giovanni
kann inzwischen vorzüglich ein Landegerät bedienen. Er fliegt gemeinsam mit Xantus; bei Wilhelmine, in dem zweiten Landegerät, befindet sich Cäsar. Sie sind unterwegs, um die Schieberbeins zu suchen. Bald haben sie eine der von Xantus bezeichneten Städte erreicht. Sie nehmen wenig Rücksicht auf die schwachen Nerven der Eierköpfe, die beim Anblick der Landegeräte wie verrückt davonhüpfen. Langsam und sehr niedrig fliegen sie zwischen den grauen Häuserblocks entlang. Die Eierköpfe ergreifen die Flucht, wo die Landegeräte auftauchen. Dann zeigt Xantus auf ein Haus, und sie landen davor. Es ist so ähnlich wie das, in dem sich die Kinder einige Stunden unfreiwillig aufhalten mußten, doch dieses sieht noch einigermaßen gepflegt aus. Wilhelmine steigt aus, geht zu den beiden Männern und sagt: „Ich werde mich erst einmal umsehen. Wartet hier auf mich." Dann holt sie den Dackel, nimmt ihn an die Leine und geht einfach in das Haus hinein. Kurze Zeit später kehrt sie zu Giovanni und Xantus zurück.
„Ich schätze, hier leben noch etwa 70 erwachsene Xeniten", sagt Wilhelmine. „Aber Schieberbeins sind nicht hier." Der Würfel in Xantus Hand übersetzt es. Xantus senkt den Kopf. „Als ich hier gefangen war, gab es noch etwa einhundert Xeniten", sagt er leise. „Die anderen sind wahrscheinlich am Hunger und an Krankheiten gestorben." Sie fliegen weiter. Am Rande der Stadt stehen einige Fabriken. „Darf ich mir die Gebäude mal ansehen?" fragt Wilhelmine über Funk Giovanni. „Aber nur kurze Zeit", antwortet der, „wir müssen die Schieberbeins finden." Wilhelmine landet und geht in eine Fabrik hinein. Nach einer Weile meldet sie sich wieder. „Das war mal eine Fabrik, in der Medikamente hergestellt wurden. Es wimmelt darin von Eierköpfen. Alles ist kaputt, und die meisten Eierköpfe stehen herum. Nur noch eine Produktion funktioniert. Soll ich euch sagen, was das ist?" „Rede schon", ruft Giovanni. „Die Eierköpfe, die arbeiten, stellen nur noch Verschlüsse von Medikamentenflaschen her. Nur Verschlüsse! Es gibt keine Medikamente, dafür wird die Fabrik aber bald in Verschlüssen versinken." Sie fliegen weiter. Überall erleben sie dasselbe. Entweder sind die Fabriken total kaputt oder nur noch Teilbereiche in Ordnung, wo unsinnige Dinge produziert werden. Eine Schuhfabrik stellt nur noch Schnürsenkel und Ösen her und keine Schuhe, ein Fahrzeugwerk Lenkräder, aber keine Fahrzeuge. Doch dann finden sie eine große Fabrik, die zu funktionieren scheint. Die Dächer sind aus Glas, so daß die drei aus ihren Landegeräten alles beobachten können. Die Hallen sehen sauber und gepflegt aus. Es wimmelt auch hier von Eierköpfen. Sie sehen das Feuer von Schmelzöfen, Werkstätten für Elektronik - und alles scheint in Ordnung zu sein. Verwundert betrachten Giovanni, Wilhelmine und Xantus den ungewohnten Anblick. „Ich möchte nur wissen, was hier hergestellt wird", sagt Giovanni nach einer Weile. „Ich ahne Schlimmes", antwortet Wilhelmine. „Bleibt hier oben, ich halte es für vernünftiger, wenn nur ich lande und mich umsehe." Sie senkt langsam ihr Gerät und landet vor dem Eingang. Vorsichtig läuft sie in das große Werk hinein. Nach einer Weile kommt sie in großen Sprüngen wieder herausgerannt. Hastig steigt sie in ihr Landegerät, startet im Steilflug und überschlägt sich in der Luft. „Ist dieser Roboter nun völlig übergeschnappt?" flüstert Giovanni verwundert. Laut ruft er über Funk: „Nun sprich schon, was ist denn passiert, du bist ja ganz durcheinander." „Ich habe sensationelle Dinge entdeckt", brüllt Wilhelmine. „Erstens: Ich habe Erz gefunden, das es in dieser Qualität nur auf dem Tommy gibt." „Also waren die ungebetenen Besucher auf dem Tommy tatsächlich Eierköpfe", murmelt Giovanni grimmig. „Zweitens", ruft Wilhelmine, „die Eierköpfe kommen von keinem anderen Planeten. Es sind Eingeborene, wenn ich diesen Ausdruck mal verwenden darf. Unter uns befindet sich die Geburtsstätte. In diesem Werk werden Eierköpfe von Eierköpfen hergestellt. Die Frage ist nur, wer hat dieses Werk errichtet und die ersten Eierköpfe gebaut." „Das ist wirklich ein tolles Ding", ächzt Giovanni. „Angriff, Attacke! Den ganzen Bau in die Luft sprengen, die Eierköpfe in ihre Einzelteile zerlegen..." „Immer mit der Ruhe", ermahnt Wilhelmine den temperamentvollen Astronomen. „Erst suchen wir die Schieberbeins."
XII „Wenn sich herausstellen sollte, daß es die Eierköpfe waren, durch die wir vor fünf Jahren unser Raumschiff verloren haben, arbeitest du dann wieder als Raumschiffpilot? Es wäre doch dann erwiesen, daß dich keine Schuld an dem Unglück trifft", fragt Mathilde ihren Mann. „Nein." „Schade", sagt die Mutter leise. „Ich würde nämlich sehr gern wieder mit dir zusammen arbeiten und leben. Falls wir von diesem Planeten heil herunterkommen ...", setzt sie schnell hinzu.
„Und wo lassen wir die Kinder?" „Und wenn wir uns beide etwas entgegenkämen?" fragt die Mutter zurück. „Wie meinst du das?" „Ich könnte zum Beispiel in irgendeinem Institut arbeiten. Auf einem anderen Planeten oder in einer Weltraumstation. Dort könnten wir gemeinsam mit den Kindern leben, ohne daß wir
unsere verschiedenen Berufe aufgeben. Auch du könntest dort eine Arbeit finden, die dich interessiert. Es müssen ja nicht unbedingt Delphine sein..." „Vielleicht Mondkälber", schlägt Hannibal vor. Die Mutter lächelt schwach. „Du brauchst gar keine Witze zu machen. Ich meine es ernst. Wir wären alle zusammen. Vielleicht schaffen wir uns auch noch weitere Kinder an..." Hannibal hat sich aufgesetzt und betrachtet verwundert seine Frau. „Das würdest du wirklich wollen?" fragt er. „Ja", antwortet Mathilde. Hannibal läßt sich wieder auf die Liege fallen. „Ich traue dem Frieden noch nicht. Ich mache dir einen Gegenvorschlag. Wir warten mit der Entscheidung, bis wir aus dieser Situation befreit sind, bis du dich völlig erholt hast. Dann reden wir wieder darüber. Mal sehen, was dann von deinen Ideen noch vorhanden ist." „Alles", sagt Mathilde Schieberbein entschlossen. Sie schlafen eine Weile und werden dann plötzlich durch fürchterlichen Lärm geweckt. Die Tür wird aufgerissen, und Wilhelmine steht im Raum. Um sie herum tobt Cäsar und kläfft. „Aufwachen, Frühsport", ruft Wilhelmine und schaut sich suchend im Raum um. „Sind hier nur Xeniten, oder gibt es hier auch Menschen?" Hannibal und Mathilde betrachten Wilhelmine, als wäre sie ein Trugbild. „Niemand hier, den ich kenne", stellt Wilhelmine fest und wendet sich wieder der Tür zu. „Halt!" ruft Hannibal, aber nicht laut genug, daß sie ihn hört. Doch Cäsar hat die Schieberbeins gewittert. Laut bellend, rennt er zu den Liegen der beiden. „Nanu?" brummt Wilhelmine. Da erblickt sie die Schieberbeins. „Sie hier?" wundert sich Wilhelmine. „Ich hätte Sie glatt für Xeniten gehalten." Endlich haben sich Hannibal und Mathilde so weit gefaßt, daß sie wieder reden können. „Wilhelmine", jubelt Mutter Schieberbein, „ich habe geahnt, daß du uns suchen wirst." „Es wurde auch langsam Zeit, daß du kommst. Hast du die Kinder gefunden?" fragt Hannibal schnell. „Natürlich", antwortet Wilhelmine, „aber jetzt ist keine Zeit für Erklärungen." Vorsichtig blickt sie aus der Tür. „Sofort hier heraus! Die Eierköpfe beginnen, sich zusammenzurotten." Hannibal und Mathilde springen von ihren Liegen und laufen etwas taumelig zu Wilhelmine hin. „Vorwärts", ruft der alte Sicherheitsroboter. Cäsar ist inzwischen ein erprobter Ausbruchspezialist und rast bellend voran. Die Eierköpfe springen zur Seite. Mathilde läuft hinter dem Dackel her, dann Hannibal und als letzte Wilhelmine, um den Rückzug zu decken. Vor dem Haus stehen die Landegeräte. Giovanni springt aus dem vorderen heraus und hält die Tür auf. Der Dackel und die Schieberbeins klettern hinein, Giovanni folgt ihnen, und schon starten sie. Wilhelmine steigt in das zweite Landegerät und fliegt in eine andere Richtung. „Wohin will sie nur?" fragt Hannibal verwundert. „Zu den Kindern", antwortet Giovanni, „die warten auf eure Rückkehr. Später werde ich euch Genaueres über die Kinder berichten. Ich möchte euch Xantus vorstellen." Jetzt erst merken die Eltern, daß sie nicht allein sind. Verwundert betrachten sie Xantus, der bescheiden auf seinem Platz sitzt.
„Das sind die Eltern von Tobias und Sabine", erklärt Giovanni. „Xantus gehört zu den vernunftbegabten Lebewesen, mit denen Sie immer reden wollten", sagt Giovanni lachend zu Mathilde Schieberbein. „Bitte sehr, er steht zur Verfügung." „Weshalb fliegen wir nicht zu den Kindern?" fragt Mathilde, nachdem sie und Hannibal Xantus begrüßt haben. „Weil ich Sie erst mal über alles aufklären muß, was inzwischen geschehen ist. Würden wir jetzt gleich in das Tal der Arbeit fliegen, wäre das ungünstig." Hannibal und Mathilde verstehen überhaupt nichts mehr. „Ihre Kinder haben nämlich bereits fast alle Geheimnisse des blauen Planeten gelöst. Dem letzten sind sie auf der Spur. Wir wollen sie nicht stören. Am besten, ich berichte erst mal in aller Ruhe, was inzwischen geschehen ist, während Sie sich bei den lieben Eierköpfen ausgeruht haben." Mathilde wirft Giovanni einen bitterbösen Blick zu, aber er läßt sich nicht beeindrucken und erzählt. Manchmal fügt auch Xantus etwas hinzu. Die Eltern kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie fliegen zur „Wilden Hilde". Und während sich die Schieberbeins erst mal richtig satt essen, geht auch dort das Gespräch weiter. Dann greift die Mutter zum Funkgerät. Sie ruft die Kinder. „Wie schön, daß ihr endlich frei seid", ertönt Tobias Stimme aus dem Funkgerät. Die Mutter merkt, wie froh er ist. „Bitte, seid nicht mehr böse", fügt er leise hinzu. „Darüber unterhalten wir uns später", antwortet die Mutter, „aber ich bin sehr glücklich, daß euch nichts passiert ist. Wie geht es euch?" „Gut, sehr gut", sagt Tobias kleinlaut. „Habt ihr bereits mit Janus gesprochen?" „Nein. Deshalb haben wir Wilhelmine sofort zurückbeordert. Wir brauchen sie für ein Experiment. Der alte Janus wollte bisher nicht mit uns reden. Scheinbar betrachtet er uns als Unruhestifter. Wir wollen ihn dazu bringen, mit uns zu sprechen." Tobias erzählt, was sie vorhaben. Danach schweigt Mathilde eine Weile. „Das ist gar nicht so dumm. Wirklich, was ihr da macht, ist alles gar nicht so dumm... Trotzdem ist es aber keine Entschuldigung für eure Eigenmächtigkeit." Mathilde verabschiedet sich und gibt Hannibal das Mikrophon. Dann verläßt sie die Kommandozentrale. „Hallo, Kinder!" ruft Hannibal. Tobias meldet sich. „Keine Sorge. Eure Mutter ist ziemlich friedlich gestimmt. Sie tut nur so, als ob sie euch sehr böse wäre. Obwohl wir Grund dazu hätten." „Danke für diese Auskunft", sagt Tobias.
XIII In der Nacht, nach dem Gespräch mit den Eltern, schlafen sie zum ersten Mal ruhig. Nur eines bereitet ihnen noch immer etwas Sorge: die erste Begegnung mit ihrer Mutter. Als sie am Morgen erwachen, steht Wilhelmine vor ihnen. Die Zwillinge lassen sich von ihr genau berichten, wie die Befreiung der Eltern vor sich gegangen ist. „War unsere Mutter sehr böse auf uns?" fragt Sabine. Wenn Roboter grinsen könnten, würde Wilhelmine es jetzt sicher tun. „Ich weiß nicht", antwortet sie. „Hauptsächlich hatte eure Mutter wohl Hunger... Was sich später getan hat, nachdem sie satt war, habe ich nicht mehr erleben können..." Die Auskunft ist wenig geeignet, die Sorgen der Kinder zu zerstreuen, die trotz des Gespräches mit dem Vater noch vorhanden sind. Sie sehen sich hilflos an. „Kommt", sagt dann Tobias entschlossen. „Wir werden es ja frühzeitig genug erleben, wie wütend unsere Mutter ist. Vater hat mir gestern allerdings gesagt, es wäre gar nicht so
schlimm. Aber jetzt locken wir erst mal den alten Janus aus der Hütte. Hoffentlich haben wir Erfolg." Die Xeniten arbeiten bereits seit dem frühen Morgen. Kurz nach Sonnenaufgang haben sie ihre Hütten verlassen. Da schliefen Tobias und Sabine noch. Suchend schauen sich die Kinder um. Heute wird auf drei Feldern gepflügt. Sie entscheiden sich für eins, das sich in der Mitte des Tales befindet und auf dem sie auch Xenos Vater erkennen. „Guten Morgen", grüßen die Kinder die Xeniten „Guten Morgen, gute Arbeit", rufen die Xeniten zurück, ohne sich stören zu lassen. „Ich sehe, eure Wilhelmine ist wieder da." Xenos Vater bleibt einen Augenblick stehen. „Ja. Unsere Eltern sind befreit. Jetzt sind sie im Raumschiff, erholen sich und funken wahrscheinlich mit unserem Heimatplaneten." „Das ist ja eine gute Nachricht", ruft Xenos Vater. Er hilft bereits wieder, den Pflug zu ziehen. Die Zwillinge laufen nebenher. „Wir müssen uns mit der Feldbestellung beeilen. Das Wetter auf unserem Planeten ist unberechenbar." „Dürfen wir euch helfen?" „Nein." Xenos Vater lacht. „Diese Arbeit ist für Kinder zu schwer. Außerdem seid ihr unsere Gäste." „Laßt uns einmal pflügen", bettelt Tobias. „Bitte!" „Das ist doch Unsinn, Kinder", sagt ein anderer Xenit. „Ihr schafft es nicht einmal, den Pflug in den schweren Boden zu drücken. Wer sollte ihn denn ziehen?" „Laßt uns nur machen", antwortet Sabine. „Also gut, versucht es, aber ihr werdet euch wundern", stimmt Xenos Vater zu. Die Xeniten legen die Seile ab, bleiben stehen und blicken ihn fragend an. „Das Feld muß heute fertig werden", mahnt einer. Xenos Vater sagt: „Das schaffen wir schon noch. Der Versuch wird ja nicht lange dauern. Kommt her", ermuntert er die Kinder, „zeigt mal, was ihr könnt." „Wilhelmine!" Tobias ruft den Roboter. „Du spannst dich an die Seile, wir drücken den Pflug in den Boden." Wilhelmine kommt näher und betrachtet nachdenklich das Gerät. „Das ist doch Quatsch", sagt sie mürrisch, „denn erstens bin ich kein Pferd, und zweitens schafft ihr es niemals, den Pflug fest genug in den Boden zu drücken." „Laß uns nicht im Stich", flüstert Sabine. „Wenn du arbeitest, wird Janus bestimmt aus seiner Hütte kommen." Wilhelmine schnaubt nur verächtlich. Sie geht zum Pflug, faßt die Haltegriffe, drückt ihn tief in den Boden und schiebt ihn einfach vor sich her, als wäre er ein Kinderspielzeug. „Schnell", flüstert Tobias Sabine zu. „Wir müssen Wilhelmine laut herumkommandieren. Sonst glauben die Xeniten, unsere Maschine hätte einen eigenen Willen." Tobias rennt vor Wilhelmine her. Und ruft: „Etwas mehr nach links... Jaaa! So ist es gut. Nun mehr nach rechts." Der Automat übersetzt, damit die Xeniten alles verstehen können. Sabine läuft hinterher. Sie gibt Anweisungen, wie tief Wilhelmine pflügen muß. Die Xeniten schweigen erst erstaunt, dann sind sie begeistert. „Sagt mal, spinnt ihr?" fragt Wilhelmine die Kinder. „Ich bin doch nicht blind." Tobias schaltet den Übersetzungsautomaten ab und flüstert ihr zu: „Das muß sein. Es muß so aussehen, als müßten wir dich lenken. Du weißt doch, daß wir Menschen den Maschinen unseren Willen aufzwingen, für uns zu arbeiten."
„Wie wahr, wie wahr", brüllt Wilhelmine, „aber nicht mir. Doch jetzt muß ich wohl mitmachen. Soll ich das ganze Tal umbuddeln, oder soll ich wenigstens die Hütte stehenlassen?" Immer mehr Xeniten kommen von den anderen Feldern und aus den Hütten gelaufen und beobachten die Arbeit der Zwillinge und des Roboters. Doch dann werden sie unruhig. Am unteren Ende des Feldes laufen die Xeniten auseinander und bilden eine Gasse. Durch sie läuft ein alter Mann mit langem Bart. Er bleibt stehen und beobachtet den arbeitenden Roboter auf dem Feld. „Sieh mal", ruft Sabine Tobias zu, „das muß der alte Janus sein." „Jetzt wird es interessant. Weiterpflügen!" befiehlt Tobias dem Roboter. „Aufhören! Sofort aufhören", ertont es plötzlich. Der alte Janus hat es gerufen. „Aufhören", sagt auch Tobias zu Wilhelmine. Gemeinsam mit seiner Schwester geht er zu dem alten Mann. Doch der beachtet sie gar nicht. „Schämt ihr euch nicht?" ruft er den versammelten Xeniten zu. „Ihr arbeitet nicht? Steht faul herum. Wißt ihr denn nicht, daß die Maschinen euer aller Unglück sind? Ihr seht es doch selbst. Hier arbeitet eine Maschine, und was tut ihr! Ihr steht da und tut nichts." Einige Xeniten entfernen sich mit gesenkten Köpfen und gehen zu den verlassenen Arbeitsplätzen. „Nur die Arbeit mit den eigenen Händen rettet uns vor den Maschinen. Würden wir es nicht tun, wir wären den Maschinen verfallen, könnten uns nicht vor ihnen retten. Denkt an unsere Brüder und Schwestern in den Städten", mahnt Janus. „Aber gerade denen könntet ihr doch helfen", ruft Tobias dazwischen, „wenn ihr Maschinen einsetzen würdet. Seht dort, unseren Roboter. Er schafft doppelt soviel wie acht Mann von euch. Während er arbeitet, könnten die acht ein neues Feld bestellen. Und ihr würdet dadurch genug ernten, um die Xeniten in den Städten vor dem Hungertod zu bewahren." „Was versteht ihr davon, ihr kleinen Fremden", sagt der alte Janus streng, aber nicht unfreundlich. „Ihr kommt von einem anderen Planeten. Ihr kennt die Xeniten nicht. Die Maschinen sind unser Untergang." Nachdenklich sieht er die Zwillinge an. Dann fordert er die Xeniten auf weiterzuarbeiten. „Kommt", sagt er zu den Kindern. „Ich werde euch etwas erzählen. Nehmt eure Maschine mit." Sie gehen ans andere Ende des Tales. Dort steht, etwas abseits unter hohen Bäumen, eine kleine Hütte - Janus' Wohnung. Janus fordert die Geschwister auf einzutreten. „Setzt euch", sagt er. „Woher, meint ihr, kommen die Maschinen, die ihr Eierköpfe nennt?" fragt er sie dann. Tobias überlegt eine Weile. „Wir wissen es nicht", antwortet er vorsichtig. „Es ist uns ein Rätsel. Die einfachste Erklärung wäre, sie sind von einem anderen Planeten gekommen..." „Ja", sagt Janus, „das wäre die einfachste Erklärung. Doch die Wahrheit ist viel schlimmer. Doch bevor ich alles erkläre, berichtet mir erst mal vom Leben auf eurem Planeten. Arbeiten die Menschen bei euch?" Und Tobias und Sabine erzählen. Von der Schönheit der Erde, von der Geschichte der Menschheit, von der Besiedlung der anderen Planeten. Sie erzählen von sich, von ihren Eltern, davon, daß jeder Mensch arbeitet, daß jedoch jeder sich die Tätigkeit aussuchen kann, die ihm am meisten Spaß macht und die seinem Können und Wissen entspricht. Aber sie erzählen auch, daß es für jeden Menschen Ehrensache und ganz selbstverständlich ist, etwas zu tun, was auch
den anderen Menschen nützt. Und dabei helfen ihnen die Roboter, die Computer und die vollautomatischen Fabriken. Als die Kinder mit ihrem Bericht fertig sind, schweigt Janus eine Weile nachdenklieh. „Theoretisch brauchten die Menschen nicht zu arbeiten", sagt er dann. „Die Roboter könnten euch jede Arbeit abnehmen." Die Kinder sehen den alten Mann verblüfft an. „Aber was sollten die Menschen denn den ganzen Tag tun? Es wäre doch langweilig..." Janus lacht. „Das war nur so ein dummer Gedanke von mir. Natürlich habt ihr recht. Aber mich würde noch etwas anderes interessieren. Was passiert, wenn zum Beispiel ein Roboter kaputtgeht?" „Wenn es ein kleiner, einfacher Roboter ist, dann wird er von klügeren, dazu ausgebildeten Robotern repariert." „Aha", ruft der alte Janus und wird sehr aufmerksam. „Und was passiert, wenn einer dieser klugen Roboter, einer dieser Spezialisten, kaputtgeht?" Die Geschwister sehen verwundert den alten Janus an. Sie verstehen nicht, weshalb Janus sich gerade für diese scheinbar so unwichtige Sache interessiert. „Wilhelmine soll selber antworten", sagt Tobias schließlich. „Also, wenn es bei mir rappelt", Wilhelmine klopft sich bedeutungsvoll an den Kopf, „werde ich in die Verleihzentrale geschickt. Dort gibt es Menschen, denen es Spaß macht. Elektronengehirne berühmter Roboter auseinanderzunehmen. Wenn ich dann die Zentrale verlasse, bin ich wieder in Ordnung." „Das heißt, die Menschen sind immer klüger als ihre Roboter", sagt Janus, zufrieden mit Wilhelmines Auskunft. „Nun gut, ich werde euch nun vom blauen Planeten erzählen." Janus holt tief Luft. „Die Xeniten entwickelten sich ähnlich wie die Menschen auf der Erde. Sie arbeiteten in Fabriken, lebten in Städten und Dörfern, bebauten das Land. Es gab eine hochentwickelte Wissenschaft. Krankheiten waren ihnen unbekannt, und mit Raketen flogen sie zu den Nachbarplaneten. Es waren glückliche Xeniten, die auf einem schönen Planeten lebten. Es gab Wälder, Wiesen, Felder, Flüsse und Seen. In der Luft flogen Vögel, und es gab noch viele andere Tiere. Alles war so, wie ihr eure Erde beschreibt. Und eines Tages war man in der Lage, eine besondere Sorte von Maschinen zu bauen. Ihr nennt sie Roboter." Die Kinder haben dem alten Mann aufmerksam zugehört. Jetzt ruft Sabine: ,,Die Eierköpfe!" Janus nickt bedächtig. „Ja, die Eierköpfe. Nette, freundliche Roboter, die einen Befehl, den man ihnen irgendwann gegeben hat, bis zu ihrer Zerstörung, ohne sich von irgend etwas abhalten zu lassen, ausführen.. Man begann die Eierköpfe in den Fabriken einzusetzen. Erst nur für einfache Arbeiten, doch später wurden die Xeniten überall durch Eierköpfe ersetzt." Janus schweigt wieder. Tobias denkt angestrengt nach. „Was aber taten die Xeniten, nachdem sie nicht mehr unbedingt zu arbeiten brauchten?" ,,Nichts", antwortete Janus. „Jene Generation meinte, nun kommen herrliche Zeiten auf sie zu. Sie baute eine Fabrik, in der Eierköpfe Eierköpfe herstellen. Und danach begann wirklich eine fröhliche Zeit. Jeder Xenit tat, was er wollte. Auch die Kinder. Die Xeniten arbeiteten nicht mehr, folglich meinten sie, daß es auch nicht mehr nötig sei, daß die Kinder etwas lernen. Sie faulenzten wie ihre Eltern. Einige Jahrzehnte ging alles gut, nur war es bereits ein bißchen langweilig. Doch dann geschah es. Die alten Xeniten, jene Generation, die die Fabriken und auch die Eierköpfe erbaut hatte, starben und mit ihnen das Wissen. Neue Krankheiten traten auf. Und da offenbarte sich plötzlich der Mangel dieser Roboter. Sie waren nicht in der Lage, sich auf neue Situationen einzustellen. Und Xeniten mit dem nötigen Wissen gab es nicht mehr. Viele starben durch Epidemien.
Dann gingen die Fabriken allmählich kaputt, die Elektrizitätswerke. Einfache Schäden konnten die Roboter beheben, aber bei größeren versagten sie. Sie konnten die Maschinen bedienen, aber weiter nichts." „Und die Xeniten? Was taten die Xeniten? Konnten sie den Robotern keine neuen Befehle geben?" Janus lächelte traurig. „Der Untergang unseres Planeten ging nicht so schnell, wie ihr euch das vielleicht denkt. Die alten Xeniten, die dazu in der Lage gewesen wären, die Roboter umzuprogrammieren, wie sich das wohl nennt, waren längst tot, als die ersten großen Katastrophen passierten. Und meine Generation konnte nicht einmal mehr lesen und schreiben. Keiner hatte uns dazu angehalten. Doch dann folgte ein Unglück dem anderen. Krankheiten vernichteten auch die Haustiere. Daraufhin jagten die Eierköpfe, die einst den Befehl zur Essenbeschaffung bekommen hatten, die Wildtiere. Sie rotteten sie aus. Auch die Vögel. Dadurch gab es plötzlich Unmassen von Insekten, die Felder und Wälder vernichteten. Die Eierköpfe verbrannten alle Bäume, um die Häuser im Winter zu wärmen, weil es schon längst keine Elektrizität mehr gab. Dann sind selbst die Insekten ausgestorben, weil es nichts zu fressen gab. Unser Planet starb einen langsamen Tod, nur unser Tal ist noch übriggeblieben." Die Zwillinge wagen es nicht, den alten Mann anzusehen, der Tränen in den Augen hat. „Die Eierköpfe wurden arbeitslos, weil es die Fabriken nicht mehr gab und auch keine Felder. Sie tun seitdem die unsinnigsten Dinge, um ihrem ehemaligen Auftrag gerecht zu werden. Nur die sogenannten Pflegeroboter haben noch Arbeit. Denn die überlebenden Xeniten waren krank, schwach und unterernährt. Vor vielen Jahren brachen einige Xeniten, die noch etwas kräftiger waren, aus den Häusern aus, wo sie von den Eierköpfen versorgt wurden, und kamen in dieses Tal. Ich bin der letzte Überlebende von ihnen. Wir haben uns damals geschworen, unseren Kindern nichts von der Herkunft der Eierköpfe zu erzählen. Nur harte, schwere Arbeit konnte uns retten. Wir mußten von Maschinen und Robotern unabhängig werden. Und soll ich euch zum Schluß noch etwas Komisches erzählen?" Janus lacht bitter. „Nur eine einzige Fabrik blieb ganz und produziert weiter. Nämlich jene, in der die Eierköpfe hergestellt werden. Das Material holen sie mit den alten Raketen von einem anderen Planeten." „Von dem Tommy?" fragt Sabine aufgeregt. Ich weiß nicht, wie ihr diesen Planeten nennt. Diese Fabrikation blieb wie durch ein Wunder erhalten. Und so entstehen immer neue Eierköpfe, während die Xeniten langsam aussterben. Die Eierköpfe haben unseren Planeten zerstört." „Das stimmt doch nicht", widerspricht Tobias. „Jene Xeniten haben den Planeten zerstört, die das Wissen nicht an die Jüngeren weitergaben, die Roboter für sich arbeiten ließen, ohne die Kontrolle über sie zu behalten." „Richtig. Aber wem nützt es, die Wahrheit zu kennen?" erwidert Janus. „Den Xeniten hier im Tal? Jetzt glauben sie, die Eierköpfe wären unsere Feinde. Sie wissen nicht, woher sie kommen. Und das ist gut so. Denn was passiert, wenn ich gestorben bin und sie wüßten, daß die Eierköpfe die Produkte ihrer Vorfahren sind? Wenn sie sie ins Tal lassen, wird das Tal durch die Eierköpfe zerstört. Denn keiner kann mit ihnen umgehen. Auch ich nicht." „Aber weshalb läßt du auch keine einzige andere Maschine im Tal arbeiten? Ich meine einfache Maschinen, die euch die Arbeit erleichtern." „Habt ihr euch unseren Planeten genau betrachtet?" fragt Janus. Die Kinder bejahen es.
„Dann wißt ihr auch, wie trostlos er ist. Maschinen im Tal würden dazu führen, daß die Xeniten Freizeit hätten. Doch wozu? Sie würden verzweifeln. Sie würden sich bewußt werden, daß sie in einem Gefängnis leben, bewacht von den Eierköpfen. In einer Oase auf einem sonst wüsten Planeten. Ihr ganzes Leben müssen sie in diesem Tal zubringen. Verlassen sie es, geht es ihnen wie den Xeniten in den Städten. Nur die schwere, harte Arbeit verhindert, daß sie verzweifeln." Es fällt Tobias und Sabine schwer, den alten Mann zu begreifen. Aber irgendwie fühlen sie, daß er wahrscheinlich recht hat. „Und wenn die Menschen euch helfen? Wir könnten zum Beispiel die Eierköpfe zerstören." „Das schafft ihr niemals. Und ich bitte euch dringend: erzählt keinem von dem, was ich euch berichtet habe. Ihr würdet sonst die Xeniten hier im Tal vernichten." „Und wenn wir euch doch von den Eierköpfen befreien?" fragt Tobias hartnäckig. Janus schüttelt den Kopf. „Daran glaube ich nicht. Das ist unmöglich." Sabine gibt ihrem Bruder Zeichen, endlich zu schweigen. Sie verabschieden sich und bedanken sich bei dem alten Mann. Zuvor müssen sie ihm aber nochmals versprechen, nichts von dem, was sie erfahren haben, den anderen Xeniten zu erzählen. „Du bist verrückt", ruft Sabine, als sie mit ihrem Bruder vor der Hütte steht. „Wie kannst du dem alten Mann nur solche Hoffnungen machen. Alle Eierköpfe vernichten, das schaffen wir nie." „Das ist ein Problem für unsere Mutter", ruft Tobias und lacht. „Komm, wir gehen in unsere Hütte und berichten den Eltern, was wir erfahren haben." Wilhelmine folgt wortlos. Sie versteht von dem Ganzen überhaupt nichts. Irdische Roboter haben auch ihre Grenzen.
XIV Eine halbe Stunde nach dem Gespräch mit dem alten Janus haben Tobias und Sabine auch die Eltern von dieser wichtigen Entdeckung informiert. „Nun, bist du mit deinen Mitarbeitern zufrieden?" fragt Han-nibal seine Frau. „Muß ich ja wohl. Die Kinder hatten aber auch eine Menge Glück." „Das Glück des Tüchtigen", berichtigt Giovanni.
Xantus sitzt stumm in einem der Sessel in der Kommandozentrale. Er hat den Bericht der Kinder an ihre Eltern mitgehört und kennt nun den Ursprung der Eierköpfe. „Diese Dummköpfe", sagt er leise. „Soviel Xeniten mußten sterben, weil sie nicht mehr arbeiten wollten. Ihre Dummheit ist nur mit einem Verbrechen zu vergleichen." Er schlägt die Hände vor das Gesicht. „Was machen wir nur mit ihm?" fragt Hannibal flüsternd seine Frau. „Wir konnten ja nicht ahnen, was uns die Kinder erzählen." „Er wird sich schon wieder beruhigen. Aber ich glaube, Janus unterschätzt die Xeniten aus dem Tal. Hast du Xantus Worte gehört? Er hat sofort begriffen, wer die wirklich Schuldigen am Niedergang des blauen Planeten waren." „Wir müssen ihnen helfen", sagt Giovanni. „Und wie?" fragt Hannibal. „Wir können nicht jeden einzelnen Roboter fangen und zerstören. Dann sind wir in zehn Jahren immer noch hier." „Und wenn wir eine Raumflotte anfordern", schlägt Giovanni vor. „Einige hundert irdische Sicherheitsroboter würden genügen..." „Ein Roboterkrieg auf dem blauen Planeten. Nein." Mathilde schüttelt den Kopf. „Außerdem gibt es kaum noch Sicherheitsroboter. Die meisten sind längst verschrottet. Und einfache Roboter können wir nicht verwenden. Denkt an den Tommy. Einfache Roboter werden durch die Funkerei der Eierköpfe so verwirrt, daß sie völlig durchdrehen. Und nach einem Roboter-
krieg würde der Planet noch mehr einem Trümmerhaufen gleichen. Mir schwebt etwas anderes vor. Eine einfache, elegante Lösung, wodurch die Eierköpfe vernichtet werden und die gleichzeitig allen Xeniten, auch denen in den Städten, hilft..." „Ein unlösbares Problem", ruft Giovanni. „Sie kennen meine Frau nicht", sagt Hannibal stolz. „Probleme dieser Größenordnung hat sie bereits gemeistert." Mathilde blickt ihren Mann dankbar an. „Dafür versage ich meistens bei den kleineren, alltäglichen Aufgaben." „Die kann ich lösen, und das tue ich gern." „Dann seid ihr ja eine ideale Familie..." Giovanni staunt. Mathilde und Hannibal sehen sich an und lächeln. „Wenden wir uns erst mal den Problemen des blauen Planeten zu." Mathilde geht zum Funkgerät und ruft Wilhelmine. Sie soll ins Raumschiff kommen, sie wird gebraucht. Dann setzt sich Mathilde Schieberbein in einen Sessel und schließt die Augen. Hannibal läuft nur auf Zehenspitzen, um sie nicht bei ihren Überlegungen zu stören. Giovanni beobachtet ihn eine Weile grinsend, doch dann entschließt er sich auch zu dieser Gangart. Xantus ist eingeschlafen. Nach einer Stunde erscheint Wilhelmine. „Wo brennt es denn?" fragt sie, in den Raum hineinpolternd. „So schlimm kann es ja nicht sein. Die Chefin schläft, wie ich sehe." „Sie denkt", sagt Hannibal streng zu dem Roboter. „Und weshalb schnarcht sie beim Denken?" „Das ist Xantus, der da schnarcht." „Ich habe es!" Mathilde springt aus dem Sessel. „Ich weiß nun, was wir tun müssen. Die Eierköpfe werden nicht vernichtet." „Eine tolle Idee", entfährt es Giovanni. „Aber warum nicht?" Mathilde läßt sich nicht stören. „Wir geben die Eierköpfe den Xeniten zurück." Hannibal blickt seine Frau zweifelnd an. „Du weißt doch, was der alte Janus erzählt hat." Mathilde lacht und sagt: „Laß mich nur alles arrangieren. Mit seiner Hilfe wird es gut gehen", dabei zeigt sie auf Baldur. „Wie bitte?" Baldur hat nicht richtig zugehört. „Ach so, ich werde gebraucht", sagt er triumphierend. „Nun, es gibt Roboter, die sind für grobe, schwere Arbeit geeignet. Ich denke da zum Beispiel an die unförmige Wilhelmine. Und es gibt welche, da denke ich an mich, die greifen ein, wenn die Situation scheinbar ausweglos ist. Entscheidend für den Erfolg einer Expedition." „Wilhelmine, bleib ruhig", warnt Hannibal den Sicherheitsroboter, der bei den Worten Baldurs drohend näher gekommen ist. Wilhelmine winkt verächtlich mit dem stählernen Arm und sagt: „Ich tue diesem Zwerg schon nichts. Ich habe gelernt, mit Eierköpfen umzugehen. Da stört mich dieses Ei ohne Kopf überhaupt nicht mehr." „Ich verstehe deinen Plan noch immer nicht..." Giovanni hat die ganze Zeit angestrengt nachgedacht. „Warte nur ab", erwidert Mathilde und wendet sich an den Sicherheitsroboter: „Wilhelmine, fliege zurück zum blauen Planeten, fange einen Eierkopf und bringe ihn zu uns ins Raumschiff." „Mit dem größten Vergnügen", ruft Wilhelmine. „Wie soll ich ihn denn hier abliefern? Gepreßt, gefaltet, eingewickelt, verschnürt, in Einzelteilen...?" „Möglichst unbeschädigt." Wilhelmine dreht sich um und steigt in den Aufzug. „Jetzt hör aber mit dieser Geheimnistuerei auf." Giovanni wird ernstlich böse. „Es soll immerhin ein fremder, unberechenbarer
Roboter an Bord kommen." Doch Mathilde läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Sieh mal, was ist das?" fragt sie Hannibal, als handle es sich um eine kleine Denksportaufgabe. Sie zeigt auf eine Nische in der Wand, die durch eine Falltür verschließbar ist. Dort sind einige Objektivaugen angebracht, solche, wie sie Roboter besitzen, und sechs bewegliche, dünne Roboterarme und Fächer, mit Werkzeug gefüllt. „Das ist der Prüfstand für Roboter, die gestört sind", sagt Hannibal nachdenklich. „Mit Hilfe dieses Prüfstandes kann Baldur gestörte Roboter untersuchen, sie auseinandernehmen und ihr Elektronengehirn neu programmieren. Ich ahne etwas." Er überlegt eine Weile und sagt: „Also nehmen wir mal an, du willst den von Wilhelmine gefangenen Eierkopf zu einem netten, harmlosen Spiralhopser umwandeln. Dann hast du einen netten Spiralhopser, aber noch immer Tausende Eierköpfe." „Die Eierkopffabrik, denk an die Eierkopffabrik. Denk doch genau nach, Hannibal!" spornt Mathilde ihren Mann an. Er schweigt eine Weile und sagt dann langsam, jedes Wort abwägend: „Ja, wir könnten sie durch den Spiralhopser zerstören lassen. Sozusagen Sabotage." „Nein, nicht zerstören." Mathilde wird ärgerlich. „Denkst du immer so langsam? In der Eierkopffabrik werden doch auch die Elektronengehirne hergestellt. Unser netter Spiralhopser wird sich in die Produktion der Eierkopfgehirne einschalten und dort alles verändern. Die Gehirne werden dann nämlich umprogrammiert. Nach einem Programm, das Baldur unserem Spiralhopser mitgibt. Die Eierköpfe werden nichts merken. Sie werden weiter automatisch an ihren Fließbändern arbeiten. Aber es gibt einen kleinen, doch für uns und diesen Planeten entscheidenden Unterschied. Am Ende werden keine neuen Eierköpfe mehr die Fabrik verlassen, sondern nette Spiralhopser, die wie unsere Roboter jeden Befehl befolgen." Eine Weile ist es in der Kommandozentrale still. „Einfach, aber genial", sagt nach einer Weile Giovanni bewundernd. „Die zweite große Leistung, die wir auf diesem Planeten erleben. Erst die der Kinder bei den Xeniten und dann diese hier." Hannibal freut sich. „Und das sind dann wirklich keine Eierköpfe mehr?" fragt Xantus ängstlich. Mathilde setzt sich neben ihn. „Nein", erklärt sie freundlich. „Sie tun nichts selbständig. Wenn sie für euch arbeiten sollen, müßt ihr es ihnen genau erklären. Jede dieser Arbeiten müßt ihr vorher durchdenken. Das ist der Unterschied. Die Eierköpfe sollten euch einst auch das Denken abnehmen; aber das geht nicht. Ihr mußtet es auf schlimme Art und Weise erfahren. Die Spiralhopser können ohne euch nichts tun. Sie sind hilflos. Sie werden nur dann arbeiten können, wenn ihr klüger seid als sie." Hannibal geht zum Funkgerät. „Ich informiere die Zwillinge." „Nein", ruft die Mutter. „Es soll eine Überraschung für sie werden. Der Spiralhopser, den wir jetzt herstellen werden, nennen wir ihn mal ,Chef, wird den ersten zehn Spiralhopsern den Befehl geben, zum Tal der Arbeit zu hüpfen und sich bei den Xeniten zu melden. Alle anderen neuen Spiralhopser bekommen den Befehl, die Eierköpfe des Planeten außer Betrieb zu setzen." „Ich glaube, Wilhelmine kommt mit dem ,Chef ", sagt Giovanni lachend. Aus dem Fahrstuhl ist ein gewaltiger Lärm zu vernehmen. Die Tür öffnet sich, und Wilhelmine tritt heraus. Vorsichtig trägt sie mit ausgestreckten Armen einen Eierkopf, der sich verzweifelt wehrt und schimpft. „Was sagt er?" fragt Mathilde. „Er protestiert", antwortet Wilhelmine. Der Eierkopf hält eine Weile still und betrachtet verwundert die Menschen. Dann beginnt er wieder zu reden. „Er verspricht allen Anwesenden, mich natürlich ausgenommen, sie sicher in die schönen Zimmer und in die Pflege der Eierköpfe zu bringen."
Da kommt Cäsar aus dem Nebenraum gerannt und bellt. Der Eierkopf erstarrt. Diesen Moment benutzt Wilhelmine, um ihn in den Prüfstand zu zwängen und dort zu befestigen. Sie schließt die Tür des Prüfstandes. „Bitte, Herr Kollege", wendet sie sich an Baldur. „Jetzt sind sie an der Reihe." Etwa eine Stunde braucht Baldur. Dann ist der Chef der Spiralhopser fertig. Er sieht aus wie ein Eierkopf, ist aber ein Roboter wie Wihelmine oder Baldur. Als der Chef aus dem Prüfstand gehopst kommt, sagt Baldur stolz: „Er gleicht mir. Er könnte mein Sohn sein. Dieser Roboter ist viel intelligenter als Wilhelmine." „Und das ist wirklich kein Eierkopf mehr?" fragt Xantus mißtrauisch. „Nein." Mathilde geht zum Chef. „Hast du deinen Auftrag verstanden?" Wilhelmine übersetzt. „Nicht nötig", sagt Baldur überheblich. „Ich habe ihn natürlich so programmiert, daß er von jetzt an beide Sprachen versteht." „Intelligenzbestie", knurrt Wilhelmine. Ich habe meinen Auftrag verstanden", antwortet der Chef. „Wann soll die Aktion beginnen?" „Sofort", antwortet Mutter Schieberbein. „Wilhelmine, du bringst jetzt den Chef zu der Eierkopffabrik. Dort wachst du über seine Sicherheit, bis die Herstellung der umgewandelten Elektronengehirne begonnen hat. Dann begleitest du die ersten zehn Spiralhopser zum Tal der Arbeit." „Verstanden", ruft Wilhelmine. Und gemeinsam begibt sich das seltsame Paar zum Fahrstuhl. Mathilde schaut ihnen stolz hinterher. „Das wäre geschafft", ruft sie. „Du hast eine tolle Leistung vollbracht", meint Hannibal bewundernd. „Sagen wir so", antwortet Mathilde bescheiden, „es ist einer der schönsten Erfolge bisher in meinem Beruf." „Ich weiß, meine Frage ist jetzt nicht besonders angebracht. Aber ich würde doch gerne deine Antwort hören. Erinnere dich mal an unser Gespräch bei den Xeniten in der Stadt. Als du so deprimiert warst. Stehst du noch immer zu dem, was du da gesagt hast?" „Ja", antwortet sie entschlossen. „Das wollte ich nur wissen. Dann kann ich ja beginnen zu überlegen, wem ich meine Delphine übergebe."
XV Die Xeniten im Tal der Arbeit sind unruhig. In den Arbeitspausen stehen sie zusammen und diskutieren erregt. Janus läuft herum und versucht sie zu beruhigen. Doch erfolglos. Auch Tobias und Sabine sind unruhig. Sie wissen nicht, was die Eltern unternommen haben, um den Xeniten zu helfen. Mehrmals versuchen sie, die „Wilde Hilde" über Funk zu erreichen. Doch ergebnislos, keiner meldet sich. Auch Wilhelmine ist noch nicht zurückgekehrt. Am Morgen des dritten Tages sitzen Tobias, Sabine und Xeno auf einer Bank vor der Hütte, in der sie geschlafen haben. Xeno hat sich inzwischen gut erholt und mit den Zwillingen angefreundet. „Worüber unterhalten sie sich eigentlich so erregt?" fragt Tobias und zeigt auf eine Gruppe diskutierender Xeniten am Rande des Feldes.
Xeno lacht. „Vater sagt, ihr habt Unruhe ins Tal gebracht. Sie überlegen, ob es vielleicht doch einen Weg gibt, den Xeniten in den Städten zu helfen. Sie streiten sich darüber, wie man mehr Lebensmittel erzeugen könnte. Und sie fragen sich, woher die Eierköpfe kommen und ob man sie zerstören kann." Plötzlich verstummen alle Gespräche im Tal. Die Xeniten hören auf zu arbeiten. „Dong, dong, dong", tönt es vom Wall herab. Dort steht der Wächter und schlägt mit einer Eisenstange gegen einen großen Kupferkessel. „Die Eierköpfe greifen an", ruft Xeno, springt von seinem Platz und rennt wie alle Xeniten hin zum Wall. Tobias und Sabine klettern ihm keuchend hinterher. Als sie oben angelangt sind, stehen dort schon fast alle Xeniten des Tales versammelt, bewaffnet mit Steinen. „Dort kommen sie", sagt Xenos Vater, als er seinen Sohn und die Geschwister neben sich sieht. Tobias und Sabine schauen in die angegebene Richtung. Tatsächlich, zehn Eierköpfe hüpfen heran. Sie scheinen es nicht sonderlich eilig zu haben. In respektvoller Entfernung vom Wall bleiben sie stehen. „Nanu", sagt Xenos Vater, „sonst versuchten sie immer gleich den Wall zu besteigen."
„Und was habt ihr dann getan?" will Tobias wissen. „Wir haben sie mit Felsbrocken beworfen. Erst wenn sie total verbeult waren, sind sie umgekehrt. Das hier ist ein sehr verdächtiges Verhalten." „Tobias, sieh mal", ruft Sabine plötzlich. Hinter den Eierköpfen ist Wilhelmine aufgetaucht. Wilhelmine kümmert sich überhaupt nicht um die fremden Roboter. Gelassen geht sie an ihnen vorbei und beginnt den Wall zu erklimmen und steuert auf die Zwillinge zu. „Wo kommst du denn her?" fragt Sabine den Roboter. „Direkt aus der Eierkopffabrik. Die dort unten habe ich mitgebracht. Das neueste Modell. Sie heißen ,Spiralhopser'. Niedlich, nicht wahr? Direkt zum Verlieben. Sie sind genauso dämlich wie Baldur der Kometenschreck," Da die Zwillinge wie immer die Übersetzungsautomaten bei sich tragen, haben die Xeniten die Worte des Roboters verstanden und sind nun genauso verblüfft wie die Geschwister. „Du hast sie hierhergebracht?" fragt Tobias. „Was ist denn das wieder für eine dumme Idee. Verjage sie sofort!" „Hallo, Jungs, habt ihr gehört?" ruft Wilhelmine den Robotern zu. „Man braucht uns nicht, wir sollen verschwinden." „Das verstehe ich nicht", antwortet einer der Roboter. „Man hat uns befohlen, uns hier zu melden. Und dann dieser Empfang!" „Wilhelmine, soll das heißen..." Sabine spricht nicht weiter, fragend schaut sie den alten Sicherheitsroboter an. „Genau. Das soll es heißen. Endlich dämmert es bei euch, wurde ja auch langsam Zeit. Ihr seht vor euch die Produkte eines Geistesblitzes eurer Mutter. Die Eierkopffabrik stellt keine Eierköpfe mehr her. Nur noch Spiralhopser. An der Karosse hat sich nichts geändert. Das Elektronengehirn hat Baldur gebastelt. Daher sind die Kollegen etwas dümmlich...", flüstert Wilhelmine. „Das ist ja toll." Tobias und Wilhelmine sind begeistert. Tobias wendet sich an die Xeniten. „Habt ihr gehört? Es sind keine Eierköpfe. Es sind Roboter wie Wilhelmine. Sie sind gekommen, um euch bei der Arbeit zu helfen. Ihr, könnt sie unbesorgt ins Tal lassen..." „Einen Moment." Der alte Janus hat es gerufen. Unbemerkt ist er gekommen und hat alles beobachtet. „Euer Roboter soll erst mal berichten, was geschehen ist. Wieso diese Eierköpfe dort plötzlich harmlose Roboter sein sollen." „Das ist richtig. Los, erzähl uns!" befiehlt Tobias Wilhelmine. Sie berichtet vom Plan der Mutter. Wie sie. Wilhelmine, einen Eierkopf gefangen hat und Baldur ihn zu einem Spiralhopser mit dem Namen „Chef" umwandelte. Wie sie den Chef in die Eierkopffabrik brachte und wie er unbemerkt den Bauplan der Elektronengehirne korrigierte, so daß nun nur noch Spiralhopser die Fabrik verlassen, hergestellt von Eierköpfen. „Und dies hier sind die ersten zehn Spiralhopser", beendet Wilhelmine ihren Bericht. „Und wieviel werden nach dem Plan der Mutter hergestellt?" fragt Sabine. „Fünfhundert. Zweihundert werden hierher ins Tal kommen, die anderen dreihundert sind in Gruppen aufgeteilt und jagen Eierköpfe und zerstören sie", erklärt Wilhelmine. Fassungslos Sehen sich die Xeniten an. Dann jubeln sie, springen herum, tanzen und umarmen sich. Der alte Janus beobachtet sie ernst. „Ruhe!" befiehlt der alte Mann. Langsam tritt wieder Stille ein. „Was werdet ihr tun, wenn wir die Spiralhopser ins Tal lassen?" Alle rufen durcheinander. „Einer soll sprechen, du", sagt der alte Mann zu Xenos Vater. Der überlegt eine Weile. „Als erstes werden wir Hütten bauen. Die Spiralhopser können uns die Feldarbeit abnehmen. Ein Xenit genügt, um sie anzuleiten." „Wozu Hütten?" fragt Janus.
„Nun, wir werden sie brauchen. Denn bald können wir die Kranken aus den Städten holen," „Und was gedenkt ihr zu tun, wenn hier nicht nur zehn, sondern zweihundert Spiralhopser sein werden?" Xenos Vater kommt nicht dazu zu antworten. Alle Xeniten rufen durcheinander. Mit glücklichen Gesichtern. „Wir werden das Land außerhalb des Tales urbar machen." „Wälder pflanzen." „In den Städten aufräumen." Es ist ein gewaltiges Durcheinander. Xeno klammert sich an Tobias. „Wir können aus dem Tal heraus. Ist das nicht herrlich?" Er schluckt und weint ein bißchen. Wieder fordert Janus die Xeniten auf, ruhig zu sein, und sagt bedächtig: „Bevor ihr die Spiralhopser ins Tal laßt, möchte ich euch etwas erzählen." Schon nach den ersten Worten des alten Janus ahnen die Xeniten, daß sie nun das Geheimnis ihrer Herkunft und die der Eierköpfe erfahren werden. Und sie haben sich nicht getäuscht. Betroffen stehen die Xeniten da, manche setzen sich hin und verhüllen die Köpfe mit ihren Gewändern. Als der alte Janus fertig ist, bleibt es lange still. „Nun", fragt Janus, ,,wollt ihr noch immer die Spiralhopser ins Tal holen?" Nach einer Weile antwortet Xenos Vater: „Du hast uns gelehrt zu arbeiten, alter Janus. Wir sind nicht wie unsere Vorfahren. Wir wissen, wie wichtig Arbeit für uns ist. Und wir wissen auch, daß wir nachdenken müssen über Dinge, die wir tun und wie wir sie tun werden. Und auch über das, was einst passiert ist. Wir werden die Maschinen arbeiten lassen, damit alle Xeniten glücklich sein können, damit unser Planet ein so schöner wird, wie es die Erde ist." „Gut", sagt Janus. „Dann laßt die Roboter ins Tal hinein. Du übernimmst gemeinsam mit Xantus, wenn er aus dem Raumschiff zurück ist, die Organisation der Arbeit." Janus klettert langsam zurück ins Tal. Xeno läuft hinter ihm her. Der alte Janus betrachtet ihn lächelnd, als Xeno ihm seine Hilfe anbietet. Doch dann stützt sich der alte Janus auf den Jungen, und gemeinsam gehen sie zu Janus Hütte. „Und was werdet ihr jetzt tun?" fragt Xenos Vater die Geschwister. „Wir würden euch gern helfen", antwortet Tobias und schielt zu Wilhelmine. „Ihr kommt sofort ins Raumschiff", ertönt da plötzlich die Stimme der Mutter. Wilhelmine hat die ganze Zeit unbemerkt ein Funkgerät in der Hand gehalten, und in der „Wilden Hilde" haben sie alles gehört, was auf dem Wall seit Wilhelmines Ankunft gesprochen wurde. „Gut, wir kommen gleich", antwortet Tobias und sieht seine Schwester verzagt an. „Kommst du mit?" fragt Tobias Wilhelmine. „Nein", antwortet diese. „Ich werde euch bis zu dem Landegerät bringen, mit dem ihr aus dem Raumschiff verschwunden seid. Ihr müßt allein zur ,Wilden Hilde' fliegen. Ich habe den Auftrag, mit meinem Landegerät die Xeniten aus den Städten ins Tal zu holen." Xenos Vater verabschiedet sich von den Kindern, die gar nicht mehr so glücklich aussehen wie vor wenigen Minuten. Sie bitten ihn. Grüße an Xeno auszurichten. Wilhelmine bringt noch schnell die Spiralhopser mit dem Landegerät ins Tal. Dann steigen die Zwillinge ein, und Wilhelmine fliegt mit ihnen zu dem Ort, an dem ihr Abenteuer auf dem blauen Planeten begann. Wilhelmine wartet, bis Tobias und Sabine in ihr Landegerät gestiegen sind und starten, um in den Weltraum zur „Wilden Hilde" zu fliegen.
XVI Die Tür des Fahrstuhles öffnet sich, und Tobias und Sabine stehen vor ihren Eltern. Giovanni sitzt in einem Sessel und blickt betont gleichgültig zur Decke der Kommandozentrale.
Xantus lächelt freundlich. Hannibal sitzt am Funkgerät und spielt mit den Tasten. Mathilde Schieberbein jedoch steht mitten im Raum und betrachtet die Zwillinge, die sich ihr mit gesenkten Köpfen nähern. „Guten Tag", sagen Tobias und Sabine vorsichtig. Dann bleiben die Kinder stehen und schweigen. Nur Giovanni beantwortet den Gruß. „Habt ihr uns nichts zu sagen?" fragt die Mutter. „Ja, das schon... Es tut uns leid... Wir werden so etwas nie wieder tun...!" Tobias verstummt. „Das glaube ich euch gern", antwortet die Mutter. „Ihr werdet nämlich nie wieder die Möglichkeit haben, derartiges zu tun. Die oberste Weltraumfahrtbehörde und der Rat der Menschheit haben nämlich beschlossen, in Zukunft vorsichtiger zu sein und niemals wieder Kindern zu gestatten, an solchen gefährlichen Expeditionen teilzunehmen." Die Geschwister blicken zu Boden. „Niemals wieder?" fragt Sabine. „Und wenn wir erwachsen sind...?" Hannibal schmunzelt und nickt. „Dann ist es doch etwas ganz anderes", sagt Mathilde und schaut wütend zu Hannibal. „Ich sprach von Kindern. Weiterhin erteile ich euch als Expeditionsleiterin im Namen der Teilnehmer dieser Expedition einen strengen Tadel." Mathilde macht eine Pause. Die Kinder wissen nicht, wohin sie schauen sollen. Mathilde holt tief Luft. „Und im Namen der Weltraumfahrtbehörde und in unserem Namen gratuliere ich euch zu eurer erfolgreichen Arbeit auf dem Planeten." Die Zwillinge wissen nicht, ob sie ihren Ohren trauen sollen. Vorsichtig schauen sie hoch. Sie sehen nur freundlich lächelnde Gesichter. Und da kommt ihre Mutter auf sie zu und umarmt sie. „Wie konntet ihr nur so leichtsinnig sein? Die Sache hätte böse ausgehen können. Und wie viele Sorgen habt ihr mir und Vater gemacht." Sabine schluchzt, und auch Tobias beginnt zu heulen. Und die Mutter, die so glücklich ist, ihre Kinder gesund vor sich zu haben, schließt sich ihnen an. Hannibal ist ganz gerührt von dem Anblick und meint: „Warum heult ihr hier rum? Wenn mich nicht alles täuscht, werden die Kinder in Zukunft mehr Vertrauen zu uns haben. Denn ein bißchen lag es ja auch an uns, daß sie sich heimlich in das gefährliche Abenteuer stürzten, nicht wahr, Mathilde?" Die Mutter nickt ihm zu und sagt: „Du hast recht, Hannibal. Ich muß mich daran gewöhnen, daß Sabine und Tobias schon große Kinder sind." „Meine Nerven," stöhnt Giovanni. „Die Hälfte der Expedition heult. Das kann man doch nicht aushalten. Ich gehe essen." Er geht schnell zur Fahrstuhltür und schnaubt in ein großes Taschentuch. Eine halbe Stunde später haben sich alle etwas beruhigt. Sie sind in zwei Landegeräte gestiegen und fliegen zum Tal der Arbeit. Xantus kann es nicht erwarten, den anderen Xeniten zu helfen. Im Tal der Arbeit werden sie herzlich empfangen. Weitere Spiralhopser sind inzwischen eingetroffen und haben begonnen, den Wall abzutragen. Andere beginnen bereits vor dem Tal den Boden zu pflügen und zu bewässern. Die Xeniten leiten sie an. Einige neue Hütten sind schon fertig, und gerade kommt Wilhelmine mit dem Landegerät und bringt einige Xeniten aus der Stadt. Vorsichtig werden sie in die Hütten getragen.. „Hallo, schön, daß ihr da seid", ruft Wilhelmine, als sie die Schieberbeins, Giovanni und Xantus entdeckt. „Ihr lebt ja noch", wendet sie sich an die Kinder mit einem Seitenblick auf die Mutter. „Wie ich sehe, hat sie euch nicht den Kopf abgerissen!" „Alles ist geklärt", antwortet Hannibal. für die Kinder. „Das habe ich auch erwartet", meint Wilhelmine und steigt wieder in das Landegerät. „Ihr entschuldigt mich, ich habe keine Zeit."
Und schon startet sie. „Verabschiedet euch jetzt vom alten Janus", fordert Mathilde die Kinder auf. „Wir haben von der obersten Weltraumfahrtbehörde den Befehl bekommen, möglichst bald zurückzufliegen." „Aber Wilhelmine hat doch noch zu tun. Wird sie denn hierbleiben?" fragt Sabine erschrocken. „Ja", antwortet die Mutter. „Sie hat den Auftrag bekommen, für unbestimmte Zeit den Xeniten zu helfen." Tobias und Sabine sind traurig. „Wir dachten, wir könnten sie vielleicht behalten. Wir haben uns so an sie gewöhnt. Manchmal ist es doch recht langweilig in ,0stsee VII'..." „Ihr werdet nicht mehr in ,0stsee VII' leben", sagt Hannibal. Die Kinder schauen verwundert zu ihren Eltern. „Nicht mehr in ,0stsee VII'? Wo willst du denn mit uns hinziehen?" „Wo wir alle hinziehen. So hättest du fragen müssen. Von nun an wird Mutter wieder mit uns zusammen leben." „Stimmt das?" fragt Tobias seine Mutter. „Ja", antwortet Mathilde etwas verlegen. „Und wenn ihr den Roboter so vermißt...! Wir könnten uns ja noch ein kleines Baby anschaffen..." Sabine ist begeistert. Tobias nicht so ganz. „Ein Baby ist doch aber nicht Wilhelmine ...", meint er. Giovanni reißt die Augen auf, haut sich vor Vergnügen auf den Bauch und lacht sich halb tot. „Das stimmt", keucht er. „Die Klugheit dieses Jungen verblüfft mich immer wieder." Tobias ist etwas eingeschnappt, aber da alle lachen, lacht er schließlich auch. Der alte Janus erwartet sie vor seiner Hütte. Freundlich begrüßt er die Kinder, die Eltern und Giovanni. „Schade, daß ihr uns schon verlassen wollt", sagt er zu den Zwillingen. „Irgendwann kommen wir wieder und besuchen euch. Spätestens dann, wenn wir erwachsen sind", verspricht Sabine, zu Boden schauend. „Nanu?" fragt Janus. „Das dauert doch noch einige Zeit." „Sie kommen eher", sagt Mathilde Schieberbein. „Ein Flug zum blauen Planeten ist jetzt nicht mehr gefährlich." Die Geschwister schauen sie dankbar an. „Dann wünsche ich euch allen eine glückliche Heimkehr", sagt der alte Janus. „Die Xeniten werden niemals vergessen, wie ihr ihnen geholfen habt." „Könnten Sie das vielleicht wiederholen?" Giovanni kramt ein kleines Tonbandgerät aus seiner Tasche. „Wenn ich diese Worte meiner Frau vorspiele, wird meine Heimkehr vielleicht auch glücklich sein..."