Wie Zellen funktionieren
David S. Goodsell
Wie Zellen funktionieren Wirtschaft und Produktion in der molekularen Wel...
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Wie Zellen funktionieren
David S. Goodsell
Wie Zellen funktionieren Wirtschaft und Produktion in der molekularen Welt Mit einem Vorwort Reinhard Renneberg 2. Auflage Aus dem Englischen übersetzt von Isolde Hummel
Titel der Originalausgabe: The Machinery of Life Aus dem Englischen übersetzt von Isolde Hummel Translation from the English language edition: The Machinery of Life by David S. Goodsell Copyright © Springer Science+Business Media, LLC 2009 All Rights Reserved Wichtiger Hinweis für den Benutzer Der Verlag, der Herausgeber und die Autoren haben alle Sorgfalt walten lassen, um vollständige und akkurate Informationen in diesem Buch zu publizieren. Der Verlag übernimmt weder Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für die Nutzung dieser Informationen, für deren Wirtschaftlichkeit oder fehlerfreie Funktion für einen bestimmten Zweck. Der Verlag übernimmt keine Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren, Programme usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar gezahlt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de 2. Auflage 2010 © Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2010 Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint von Springer 10 11 12 13 14
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Planung und Lektorat: Merlet Behncke-Braunbeck, Dr. Meike Barth Redaktion: Dr. Birgit Jarosch Herstellung und Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd, Pune, Maharashtra, India Umschlaggestaltung: wsp design Werbeagentur GmbH, Heidelberg ISBN 978-3-8274-2453-2
Das Immunsystem durchdringt die Zellwand eines Bakteriums Unser Blut enthält Proteine, die eindringende Zellen und Viren erkennen und zerstören. Diese Abbildung zeigt eine Bakterienzelle im Querschnitt (untere Bildhälfte; in Grün-, Blau- und Violetttönen dargestellt) während eines Angriffs durch Proteine des Blutserums (oben; gelb und orange). Y-förmige Antikörpermoleküle lösen den Prozess aus, indem sie an die ZelloberÀäche binden; die Antikörper werden wiederum von dem sechsarmigen Protein in der oberen Bildmitte erkannt. Damit beginnt eine Reaktionskaskade, in deren Verlauf ein Membranangriffskomplex gebildet wird, der die Zellwand des Bakteriums durchdringt (1 000 000 ×).
Vorwort zur deutschen Ausgabe
„Kreativität ist ALLES“ zitiert David Goodsell auf seiner Website den Künstler Pablo Picasso. Ich bin David nie persönlich begegnet, aber wir arbeiten über das Internet bestens kreativ zusammen. Gefunden habe ich ihn, als ich auf der Suche war nach anschaulichen Bildern für meine Bücher bei Spektrum Akademischer Verlag. Eines meiner Hobbies ist es dabei, in das Suchprogramm „Google Images“ meines Computers den Namen eines Biomoleküls einzutippen und dann zu klicken. Macht man das beispielsweise für das Enzym Glucoseoxidase, fallen unter den 29 500 Abbildungen, die man erhält, sofort die klaren pastellfarbenen Molekülstrukturen von David Goodsell auf. Klickt man weiter, landet man auf seiner Website. David ist Associate Professor am Scripps Research Institute im zauberhaften La Jolla in Kalifornien, einem Mekka der modernen Biologie. Er entwickelt Methoden für Computer-Aided Drug Design, z. B. sucht er mit dem Computer neue Arzneimittelstrukturen, um die Resistenz des Humanimmunschwächevirus (HIV) gegen chemische Hemmstoffe zu überlisten. Seine Liebe und Leidenschaft gilt den Protein- und Zellstrukturen. Er schreibt monatlich einen Steckbrief über Proteine in Molecule of the Month der Protein Data Bank (PDB). Seitdem ich das entdeckt habe, ¿ebere ich seinen neuen Steckbriefen entgegen. Sie sind populär geschrieben, und ich weiß selbst, das ist Schwerstarbeit… und sie zeigen stets neue Strukturen in sehr klaren Formen und Farben. Meine chinesischen Studenten benutzen für ihre Kurz-Vorträge bei mir sehr gern David Goodsells Bilder. Warum? Sie zeigen das Wesentliche – sehr wichtig für Lernende! Die Molekülbilder, selbst in so beliebten Lehrbüchern wie Stryers Biochemie, sind ansonsten verwirrend detailliert dargestellt. Davids Moleküle kann man sich dagegen plastisch vorstellen. Und sie sind ästhetisch einfach „schön“! Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass David bekennender Yoga-Praktiker ist. Er sieht unsere Welt in Harmonie.
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Vorwort zur deutschen Ausgabe
Drei illustrierte Bücher hat David bisher verfasst: The Machinery of Life, deren deutsche Übersetzung Sie hier in Händen halten, Our Molecular Nature, the Body’s Motors, Machines and Messages und Bionanotechnology, Lessons from Nature. Sie zieren alle meinen Bücherschrank. Wo kommt das meiner Meinung nach einzigartige Talent Davids her? Sein Großvater war ein begeisterter Aquarellist. Er zeigte David in der Kindheit das Malen mit Wasserfarben. An der Universität von Kalifornien in Los Angeles hatte er das Glück, bei Richard Dickerson zu studieren. Er spezialisierte sich auf Röntgenkristallogra¿e, womit sich Biomoleküle auf dem atomaren Niveau erforschen und darstellen lassen. Natürlich wollte David diese Moleküle möglichst anschaulich darstellen. Als Postdoc bei Arthur Olson in Scripps konnte er sich auf die Darstellung von Molekülen mit Computergra¿k konzentrieren. „Wie wirken alle diese phantastischen Strukturen in der Zelle, in Aktion?“, fragte sich Goodsell in dieser Zeit. Er nahm seine Wasserfarben und simulierte einen Teil einer Zelle. Das gelang ihm so gut, dass er daraus den ihm eigenen Stil, man könnte es als „Goodsell-Stil“ bezeichnen, entwickelte. David nutzt zwei Grundtechniken: Bei individuellen Molekülen startet er mit den Atomkoordinaten und nutzt die Computergra¿k. Man kann so im Prinzip die Position jedes Atoms darstellen. Für die exakten Zellbilder benutzt er Wasserfarben und zeichnet mit Hand. Dabei beruhen Größe und Form der individuellen Moleküle auf deren Atomstrukturen. Ihre Lokalisierung dagegen basiert auf elektronenmikroskopischen Aufnahmen. David Goodsell hat meine Vorstellungen von lebenden Zellen verändert. Sein Schnitt durch eine Zelle von Escherichia coli beÀügelt Tausende Biofachleute, sein HI-Virus umgeben von Antikörpern ist bereits jetzt schon ein Klassiker. Zellen sind tatsächlich mit Biomolekülen extrem prall gefüllte Räume. Im futuristischen Singapurer Forschungszentrum Biopolis kann man eine ganze Gebäudewand mit Goodsells Zellstrukturen bewundern. Fast erinnern sie mich an mein prall gefülltes quirliges Hongkong. Dem Spektrum Akademischer Verlag ist sehr zu danken, dass er Wie Zellen funktionieren. Wirtschaft und Produktion in der molekularen Welt auf Deutsch herausgebracht hat. Eine Lücke ist nun geschlossen! Das Buch wird auch deutschsprachigen Studierenden und Bio-Interessierten phantastische Vorstellungen der Biowelt vermitteln und sie beÀügeln, sich auch weiter dafür zu interessieren. Bon voyage, Goodsell-Buch! Im Winter 2009, Hongkong
Prof. Reinhard Renneberg
Vorwort des Autors
Stellen Sie sich einmal vor, wir könnten einen direkten Blick auf die Moleküle in einem lebenden Organismus werfen. Ein Röntgenmikroskop wäre dafür eine praktische Sache oder, wenn wir unserer Phantasie freien Lauf lassen, vielleicht ein Nanounterseeboot à la Asimov (leider ist beides nach dem heutigen Stand der Technik nicht realisierbar). All die Wunder, die wir aus erster Hand miterleben könnten: Antikörper, die ein Virus angreifen; elektrische Signale, die an Nervenfasern entlangjagen; Proteine, die neue DNA-Stränge herstellen. Viele Fragen, über die sich die Biochemiker heute noch den Kopf zerbrechen, könnten auf einen Blick beantwortet werden. Doch die im Nanobereich angesiedelte Welt der Moleküle ist von unserer vertrauten Welt durch einen schier unüberwindlichen, millionenfachen Größenunterschied getrennt, sodass sie für uns vollkommen unsichtbar ist. Ich möchte mit den Illustrationen in diesem Buch dazu beitragen, diese Kluft zu überbrücken, und uns einen Blick auf die molekulare Struktur von Zellen ermöglichen; es ist kein direkter Blick, sondern eine künstlerische Interpretation dessen, was wir sehen würden. Zu diesem Zweck habe ich in dieses Buch zwei Arten von Abbildungen aufgenommen: mit Wasserfarben gemalte Bilder, die einen kleinen Ausschnitt aus einer lebenden Zelle in einmillionenfacher Vergrößerung zeigen und die Anordnung der Moleküle in ihrem Inneren wiedergeben, sowie Computermodelle, die den genauen atomaren Aufbau einzelner Moleküle erkennen lassen. In der zweiten AuÀage sind diese Abbildungen nun ganz in Farbe zu sehen; sie geben einen Einblick in die aufregenden Fortschritte, die die Wissenschaft in den 15 Jahren seit Erscheinen der ersten AuÀage gemacht hat. Wie schon in der ersten AuÀage habe ich die Bilder unter verschiedenen thematischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Da ist zum einen das Problem des Maßstabs. Die meisten von uns haben nur eine verschwommene Vorstellung davon, in welchem Größenverhältnis Wassermoleküle, Proteine, Ribosomen, Bakterien und Menschen zueinander stehen. Um ein
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Vorwort
besseres Verständnis von ihrer relativen Größe zu vermitteln, habe ich bei allen Abbildungen mit wenigen, einheitlichen Vergrößerungsfaktoren gearbeitet. Den Bildern, die einen Einblick ins Innere lebender Zellen bieten (so wie die Abbildung vor dem Vorwort und auch die über die zweite Hälfte des Buches verteilten Wasserfarbbilder) liegt eine einmillionenfache Vergrößerung zugrunde. Ihr einheitlicher Maßstab erlaubt es, durch Hin- und Herblättern innerhalb der Kapitel die Größe von DNA, Lipidmembranen, Kernporen und all den anderen molekularen Maschinen in lebenden Zellen zu vergleichen. Bei den Computermodellen einzelner Moleküle habe ich ebenfalls nur wenige, einheitliche Vergrößerungsmaßstäbe verwendet, um den Vergleich zwischen ihnen zu erleichtern. Ich habe für die Abbildungen auch eine einheitliche Darstellungsform gewählt; wiederum, um den direkten Vergleich zu ermöglichen. Für alle Moleküle wurde ein Raummodell verwendet, bei dem jedes einzelne Atom als Kugel dargestellt ist. Bei den Bildern, auf denen Zellen zu sehen sind, ist die Form der Moleküle jeweils eine vereinfachte Version dieses Raummodells; gezeigt wird die äußere Form des Moleküls, ohne die Lage jedes einzelnen Atoms wiederzugeben. Die Farben sind selbstverständlich ganz und gar willkürlich gewählt, da die meisten dieser Moleküle farblos sind. Die Farbgebung soll dazu dienen, die Funktionsmerkmale der Moleküle und ihrer Zellumgebungen noch besser hervorzuheben. Bei den Abbildungen, die das Innere von Zellen darstellen, habe ich mich bemüht, jeweils an der richtigen Stelle eine realistische Menge von Molekülen einzuzeichnen, und auf die richtige Größe und Form geachtet. In den 15 Jahren seit Erscheinen der ErstauÀage ist eine beträchtliche Menge neuer Daten hinzugekommen, die diese Bilder stützen; die bis heute veröffentlichten Daten über die Verteilung und Konzentration von Molekülen sind jedoch bei weitem noch nicht vollständig. Deshalb unterliegen die Bilder von Zellen einer gewissen persönlichen Interpretation, insbesondere die Abbildungen der menschlichen Zellen in den Kapiteln 5 und 6. Wie bereits in der ersten AuÀage habe ich den Text für Leser ohne wissenschaftliche Vorkenntnisse geschrieben; der Grad von wissenschaftlicher Genauigkeit bei den Abbildungen sollte jedoch auch die Naturwissenschaftler unter meinen Lesern zufriedenstellen. Dem Laien bietet das Buch eine Einführung in die Molekularbiologie – eine reich bebilderte Übersicht über die Moleküle, die für den Ablauf der lebenswichtigen Prozesse im Körper sorgen. In die NeuauÀage wurden viele neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Molekularbiologie aufgenommen; sie enthält auch ein neues Kapitel über Leben, Altern und Tod.
Vorwort
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Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt – ich habe eine Reihe von Themen ausgewählt, die jene Aspekte der Molekularbiologie behandeln, die ich als besonders spektakulär und faszinierend emp¿nde. Wer detailliertere und umfassendere Informationen sucht, sei auf die hervorragenden Lehrbücher verwiesen, die am Ende des Buches aufgelistet sind. Insbesondere die Molekularbiologie der Zelle erleichtert den Zugang zum weiteren Studium fast aller Bereiche der Zell- oder Molekularbiologie. Was die Wissenschaftler unter meinen Lesern betrifft, so hoffe ich, dass das Buch ihre Vorstellungskraft weiter beÀügeln wird. Die Abbildungen sollen ihnen helfen – so wie sie mir selbst geholfen haben – sich biologische Moleküle in ihrer natürlichen Umgebung vorzustellen: dicht gedrängt im Inneren von lebenden Zellen. Ich danke all denen, die dieses Projekt von Anfang bis Ende begleitet haben. Arthur Olson hat mir wieder in jedem Stadium hilfreiche Anregungen gegeben und mir im Molecular Graphics Laboratory am Scripps Research Institute in La Jolla eine wunderbare Arbeitsumgebung geboten. Ein Großteil des Materials zu diesem Buch wurde im Rahmen meiner Serie Molecule of the Month an der RCSB Protein Data Bank erstellt, mit deren freundlicher Unterstützung ich die letzten acht Jahre lang Bildmaterial entwickeln und schreiben durfte. Mein Dank geht ebenfalls an die Fondation Scienti¿que Fourmentin-Guilbert für ihre freundliche Unterstützung dieses Projekts. Die Computermodelle wurden mit Methoden erstellt, die ich im Rahmen des Daymon Runyon-Walter Winchell Cancer Research Fund, der National Institutes of Health und der National Science Foundation entwickelt habe. Abschließend möchte ich Bill Grimm für seine Unterstützung und Zuversicht danken. La Jolla, CA (USA)
D.S. Goodsell
Inhalt
Vorwort zur deutschen Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Vorwort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ix 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Frage des Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Welt der Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 5
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Molekulare Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polysaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die seltsame Welt der zellulären Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 13 17 22 24 26
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Prozesse des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung von Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 30 40 47
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Moleküle in Zellen: Escherichia coli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schützende äußere Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese neuer Proteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiegewinnung in der Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Propeller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Kriegsführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54 59 63 66 68
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Die menschliche Zelle – Vorteile der Kompartimente . . . . . . . . 71
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Inhalt
Der menschliche Körper – Vorteile der Spezialisierung. . . . . . . 83 Infrastruktur und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Muskel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Blut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Nervensystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
7 Leben und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Ubiquitin und das Proteasom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 DNA-Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Telomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Programmierter Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Altern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 8 Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Poliovirus und Rhinovirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Grippevirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Menschliches Immunschwächevirus (HIV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Impfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 9 Wir und unsere Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Vitamine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Gifte mit breitem Wirkungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Bakterielle Toxine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Arzneistoffe und Gifte des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Wir und unsere Moleküle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Atomkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Kapitel 1 Einführung
In unserer Welt wimmelt es nur so von vielfältigen Lebensformen. Stellen Sie sich vor, Sie machen einen gemächlichen Spaziergang durch einen bewaldeten Park. In der Mittagssonne tanzen die Schatten von Eichen und Ahornbäumen. Vögel und Schmetterlinge Àattern durch die Luft und ein Eichhörnchen klettert raschelnd einen Baumstamm hoch. In einem typischen Waldgebiet sind Sie von Dutzenden Baum- und anderen PÀanzenarten umgeben, zwischen denen sich noch mehr Vogelarten tummeln. Auf dem Boden krabbeln Insekten herum; sie klettern durchs Laub und summen durch die Luft. Sogar mitten in der Stadt kann man eine Vielzahl an PÀanzen ¿nden – einige sorgsam gepÀegt und einige, die das Augenmerk des Gärtners gerade nicht auf sich lenken wollen. Auch sie beherbergen die verschiedensten Vögel und Insekten, die alle inmitten von Häusern und Beton ihr Dasein fristen. Wenn Sie das nächste Mal durch einen Park schlendern oder eine Waldwanderung unternehmen, wenn Sie irgendwo sind, wo es PÀanzen und Tiere gibt, dann nehmen Sie sich einen Moment Zeit, und betrachten Sie Ihre Umgebung einmal mit dem Auge des Biologen. Vielleicht ist es der Wissenschaft ja möglich, viele Wunder, die uns bei unserer alltäglichen Wahrnehmung verborgen bleiben, zu enthüllen – und in dieser Waldlandschaft verbirgt sich etwas wirklich Außergewöhnliches. Als sie die PÀanzen, Vögel und anderen Tiere, die um uns herum leben, erforschten, haben Ż Abb. 1.1 Labor Zelle Alles Leben auf der Erde besteht aus Zellen, die sich wiederum aus Molekülen zusammensetzen. Hier ist eine einzelne Bakterienzelle im Querschnitt zu sehen. Sie ist von einer mehrschichtigen Zellwand umgeben (hier grün dargestellt). Die langen, korkenzieherförmigen Geißeln werden von Motoren in der Zellwand in eine Drehbewegung versetzt; mit diesem Antrieb bewegt sich die Zelle in ihrer Umgebung fort. Das Innere der Zelle ist gefüllt mit molekularen Maschinen, die Moleküle aufbauen und reparieren, verschiedene Energiequellen nutzbar machen, Gefahren aus der Zellumgebung erkennen und die Zelle vor ihnen schützen (70 000 ×).
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Einführung
die Wissenschaftler entdeckt, dass wir alle, Sie und ich, mit allen anderen Lebewesen auf der Erde verwandt sind. Wenn Sie genau hinsehen, können Sie diese Verwandtschaft selbst erkennen. Schon ein Àüchtiger Blick genügt, um zu zeigen, dass wir eng mit Mutter und Vater verwandt sind, mit unseren Geschwistern und sogar mit den anderen Männern und Frauen, die vielleicht gerade auf einem Waldweg oder einer belebten Einkaufsstraße an uns vorbeigehen. Die Unterschiede zwischen uns sind minimal – leichte Variationen in Körperbau und Hautfarbe. Wir verfügen über die gleichen Sinne; wenn wir gehen und sprechen, erfolgt das gleiche Zusammenspiel von Muskeln und Knochen; wir werden alle auf die gleiche Weise geboren und wir sterben, wenn unsere Körper am Ende einer ähnlich langen Zeitspanne verbraucht sind. Man muss keine Stammbäume zurückverfolgen, um zu beweisen, dass alle Menschen miteinander verwandt sind: Das wird schon beim bloßen Hinsehen klar. Um die Beziehung zu den nächsten biologischen Verwandten des Menschen zu erkennen, ist schon eine genauere Untersuchung erforderlich. Ein Besuch im Zoo führt uns vor Augen, wie nahe wir mit den dort üblicherweise lebenden Tieren verwandt sind. Vögel und Säugetiere, Reptilien, Amphibien und Fische sind alle entfernte Vettern von uns. Wir müssen ihre Anatomie etwas genauer betrachten, um die Familienähnlichkeit zu erkennen. Wir alle haben ein ähnliches Verdauungs- und Nervensystem sowie ein System von Knochen und Muskeln, die Kopf, Torso und vier Gliedmaßen umschließen. Die Unterschiede zwischen uns und einem Elefanten oder einer Eidechse sind eigentlich kaum der Rede wert: Sie haben längere Beine, dichtere Behaarung oder schärfere Zähne. Richtig interessant wird es, wenn wir beginnen, unsere biologische Familie im weiteren Sinne zu betrachten. Dazu gehören alle Lebewesen: PÀanzen, Schwämme, Insekten, Plattwürmer und alle möglichen entfernten und exotischen Verwandten. Um diese Verwandtschaftsbeziehungen aufzudecken, müssen wir tief in die Werkzeugkiste der Biologie greifen. Eine Untersuchung der Anatomie hilft uns nicht viel weiter – wir unterscheiden uns so stark von einem Baum, dass es schwierig ist, sinnvolle Analogien etwa zwischen unserem Magen und einer Baumwurzel herzustellen, die beide der Nahrungsaufnahme dienen. Doch ein Blick durchs Mikroskop zeigt, dass alle lebenden Organismen aus Zellen bestehen und dass sich die Zellen eines Baumes und die Zellen unserer Hand verblüffend ähnlich sehen. Es ist wohl die erstaunlichste Erkenntnis der Biologie, dass sogar die Bakterien ein Teil unserer Familiengeschichte sind. Bakterien bestehen nur aus einer einzigen Zelle (Abb. 1.1) statt den Billionen von Zellen, aus denen sich unser Körper zusammensetzt, und doch verwenden sie weitgehend die gleichen molekularen Maschinen wie die Körperzellen des Menschen. Bei
Eine Frage des Maßstabs
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Abb. 1.2 Molekulare Maschinen Viele molekulare Maschinen sind in allen lebenden Zellen in fast identischer Form vorhanden. Das gilt vor allem für Moleküle, die für die Lebensprozesse von zentraler Bedeutung sind, so zum Beispiel das Enzym Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase, das beim Zuckerstoffwechsel aller drei abgebildeten Organismen eine entscheidende Rolle spielt. Die Abbildung zeigt die ähnliche Struktur eines Enzyms aus einer Bakterienzelle (links), einer PÀanzenzelle (Mitte) und aus menschlichen Zellen (rechts) (5 000 000 ×).
sehr genauer Betrachtung der Moleküle, deren Zusammenspiel die Lebensfunktionen aufrechterhält, wird diese Ähnlichkeit deutlich (Abb. 1.2). Jedes Lebewesen auf der Erde benutzt ähnliche molekulare Mechanismen, um sich zu ernähren, zu atmen, sich zu bewegen und fortzupÀanzen. Deshalb benötigen Bäume, Frösche und Botulismus-Bakterien allesamt Wasser und Nahrung; sie alle sterben, wenn es für sie zu heiß oder zu kalt wird; und sie können sich vermehren und neue Bäume, Frösche und Botulismus-Bakterien hervorbringen, wenn die äußeren Bedingungen günstig sind. In diesem Buch werden wir unser gemeinsames Erbe, die molekularen Maschinen, erforschen. Wir beginnen mit einer Betrachtung der Maschinen selbst und der seltsamen molekularen Welt, in der sie ihre Aufgaben erfüllen. Danach untersuchen wir ihr Zusammenwirken in lebenden Zellen. Zum Abschluss wird eine Reihe von speziellen Themen rund um den menschlichen Körper mit seinen Molekülen und Zellen behandelt.
Eine Frage des Maßstabs Beinahe alles, wovon in diesem Buch die Rede sein wird, ist für das menschliche Auge zu klein. Zellen sind klein, wenn auch nicht unvorstellbar klein, und Moleküle sind winzig. Zellen sind etwa 1000-mal kleiner als Gegenstände in unserer Alltagswelt. Die größten Zellen, zum Beispiel Protozoen,
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1
Einführung
Abb. 1.3 Moleküle Für die Abbildungen in diesem Buch wurden zwei verschiedene Darstellungsformen verwendet. Um einzelne Moleküle abzubilden, z.B. das Hämoglobinmolekül (rechts), wurde mithilfe eines Computerprogramms für jedes Atom des Moleküls eine Kugel mit dem Kern als Mittelpunkt gezeichnet, etwa in der Größe der Elektronenwolke, die den Kern umhüllt. Auf diesen Abbildungen sind die einzelnen Atome leicht zu erkennen – dieses hier ist mit 5 000 000-facher Vergrößerung gezeichnet. Bei den von Hand gezeichneten Abbildungen, die die Moleküle in den Zellen zeigen, so wie der Ausschnitt aus einem roten Blutkörperchen (links), sind die Umrisse der Moleküle vereinfacht dargestellt und die einzelnen Atome sind so klein, dass man sie nicht sehen kann (sie wären bei dieser Vergrößerung etwa so groß wie ein Salzkorn). Alle von Hand gezeichneten Illustrationen wurden mit 1 000 000-facher Vergrößerung erstellt.
kann man mit einer Lupe erkennen, aber für die meisten Zellen des menschlichen Körpers braucht man ein Mikroskop. Eine typische Zelle in unserem Körper ist etwa 10 ȝm lang – das ist ungefähr 1000-mal kürzer als Ihr letztes Fingerglied. Einen 1000-fachen Größenunterschied kann man sich leicht vorstellen: Ein Reiskorn ist etwa 1000-mal kürzer als das Zimmer, in dem Sie sitzen. Stellen Sie sich vor, Ihr Zimmer wäre mit Reiskörnern gefüllt. So bekommen Sie eine Vorstellung von den etwa eine Milliarde Zellen, die Ihre Fingerspitze bilden. Eine weitere Verkleinerung um den Faktor 1000 bringt uns in die Welt der Moleküle. Moleküle sind so klein, dass sie kürzer sind als die Wellenlänge des Lichts; deshalb ist es nicht möglich, sie direkt mit einem Lichtmikroskop zu „sehen“. Stattdessen verwenden wir Methoden wie Röntgenstrukturanalyse, NMR-Spektroskopie, Elektronenmikroskopie oder Rasterkraftmikroskopie, um die Anordnung der Atome in einem Molekül festzustellen, und erzeugen dann künstliche Bilder von ihnen (Abb. 1.3). Ein durchschnittliches Protein aus einer beliebigen Zelle enthält etwa 5000 Atome; seine Länge beträgt etwa ein Tausendstel der Länge einer typischen Zelle oder ein Millionstel der Breite Ihrer Fingerkuppe. Um sich diese Größenordnung vorstellen zu können, denken Sie auch jetzt wieder
Die Welt der Moleküle
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an ein Zimmer voller Reiskörner. So bekommen Sie eine Vorstellung von der Größe der Proteine, von denen es in jeder einzelnen Ihrer Zellen unzählige gibt.
Die Welt der Moleküle Die Moleküle in unseren Zellen erfüllen ihre Aufgaben in einer fremden, uns nicht vertrauten Welt. Wir müssen also vorsichtig sein: Bei dem Versuch, einen molekularen Ablauf zu verstehen, könnte uns unsere Intuition im Stich lassen. Die Prinzipien, die für Objekte in unserem Alltag bestimmend sind – Schwerkraft, Reibung, Temperatur –, haben auf molekularer Ebene einen vollkommen anderen EinÀuss und sind in ihrer Wirkung oft nicht wiederzuerkennen. Eine grundlegende Eigenschaft bleibt allerdings gleich, egal ob wir bei unserem Körper als Maßstab bleiben oder uns auf molekularer Ebene bewegen: die Festigkeit der Materie. Auf molekularer Ebene müssen wir uns nicht allzu sehr um die seltsamen Dinge kümmern, mit denen sich die Quantenmechanik beschäftigt: In einer ersten Annäherung kann man sagen, dass Moleküle eine bestimmte Größe und eine bestimmte Form haben, und man kann sich vorstellen, wie sie aufeinanderprallen und sich miteinander verbinden, wenn ihre Strukturen zusammenpassen. Wenn wir genau hinschauen, sind sie am Rand vielleicht ein bisschen unscharf, doch für unsere Zwecke können wir sie uns als physische Objekte vorstellen, so wie Tische und Stühle. Andere Eigenschaften sind in der molekularen Welt jedoch vollkommen anders. So sind Moleküle zum Beispiel so klein, dass die Schwerkraft für sie überhaupt keine Rolle spielt. Die Bewegungen und die Wechselwirkungen biologischer Moleküle werden vollständig von den sie umgebenden Wassermolekülen bestimmt. Bei Zimmertemperatur bewegt sich ein mittelgroßes Protein mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Metern pro Sekunde (der Geschwindigkeit eines schnellen Läufers). Könnte man es allein in einen leeren Raum setzen, würde dieses Protein eine Strecke, die seiner eigenen Länge entspricht, in etwa einer Nanosekunde (einem Milliardenbruchteil einer Sekunde) zurücklegen. In der Zelle wird dieses Protein jedoch auf allen Seiten von Wassermolekülen angestoßen. Es springt hin und her, stets mit großer Geschwindigkeit, aber es kommt dabei nur sehr langsam voran (Abb. 1.4). Im Wasser braucht dieses typische Protein nun für eine Strecke von einer Proteinlänge beinahe 1000-mal länger. Stellen Sie sich eine ähnliche Situation in unserer gewohnten Umgebung vor. Sie betreten ein Flughafengebäude und wollen zu einem Schalter auf der anderen Seite der Halle. Der Abstand beträgt einige Meter – eine
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Einführung
Abb. 1.4 Diffusion von Molekülen Moleküle bewegen sich ständig durch das Zellinnere; man bezeichnet dies als Diffusion. Sie werden mal hierhin, mal dorthin gestoßen. Diese Abbildung zeigt mehrere Phasen aus einer Computersimulation, in der sich ein Protein- und ein Zuckermolekül durch eine Bakterienzelle bewegen. Der Weg des Proteins ist blau dargestellt, der Weg des Zuckers rot. Ausgehend von gegenüberliegenden Seiten bewegen sie sich fast durch den gesamten Innenraum der Zelle, bevor sie einander erreichen.
Entfernung, die in Relation zu Ihrer Körpergröße steht. Wenn die Halle leer ist, sind Sie in wenigen Sekunden hinübergegangen. Doch stellen Sie sich vor, die Halle wäre stattdessen zum Bersten voll mit anderen Menschen, die versuchen, sich zu ihrem jeweiligen AbÀugschalter durchzukämpfen. Bei all dem Drängeln und Schubsen brauchen Sie nun 15 Minuten, um auf die andere Seite der Halle zu gelangen. Während dieser Zeit werden Sie vermutlich überall im Raum herumgeschubst, vielleicht sogar ein paar Mal an Ihren Ausgangspunkt zurückgedrängt. Dies ähnelt dem Zickzackkurs, den Moleküle in der Zelle einschlagen (allerdings mit dem Unterschied, dass Moleküle kein bestimmtes Ziel haben). Jetzt können Sie sich natürlich fragen, wie in dieser chaotischen Welt überhaupt etwas erledigt werden kann. Es stimmt, dass die Bewegung willkürlich ist; es stimmt jedoch auch, dass sie im Vergleich zu Bewegungen in unserer vertrauten Umgebung sehr schnell erfolgt. Zufällige, diffuse Bewegungen sind für die meisten Funktionen innerhalb der Zelle ausreichend. Jedes Molekül wird einfach herumgestoßen, bis es den richtigen Platz gefunden hat. Um eine Vorstellung von der Geschwindigkeit dieser Bewegung zu bekommen, kann man sich eine typische Bakterienzelle – wie die in Abbildung 1.1 gezeigte – vorstellen und auf eine Seite der Zelle ein Enzym und auf die andere Seite ein Zuckermolekül plazieren. Die beiden werden
Die Welt der Moleküle
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herumgestoßen und wandern dabei durch die ganze Zelle. Unterwegs begegnen sie zahlreichen anderen Molekülen. Im Durchschnitt dauert es jedoch nur eine Sekunde, bis unsere beiden Moleküle das erste Mal aufeinandertreffen. Das ist wirklich erstaunlich: Es bedeutet, dass jedes Molekül in einer typischen Bakterienzelle während seiner chaotischen Reise durch die Zelle innerhalb von Sekunden mit beinahe jedem anderen Molekül in Berührung kommt. Denken Sie also beim Betrachten der Abbildungen in diesem Buch daran, dass es sich immer nur um eine Momentaufnahme, einen einzelnen Schnappschuss des Gewimmels in dieser molekularen Welt handelt.
Kapitel 2 Molekulare Maschinen
Der menschliche Körper ist ein lebendes, atmendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Nanotechnologie. Beinahe alles geschieht auf atomarer Ebene. Einzelne Moleküle werden eingefangen und sortiert; einzelne Atome dieser Moleküle werden von einer Stelle an eine andere verschoben, sodass völlig neue Moleküle entstehen. Einzelne Photonen werden eingefangen und dazu verwendet, Elektronen durch Kreisläufe zu schicken. Moleküle werden gebündelt und zielgerichtet über Entfernungen von mehreren Nanometern transportiert. Winzige molekulare Maschinen – wie die in Abbildung 2.1 dargestellte – halten all diese im Nanobereich angesiedelten Lebensprozesse in Gang. Genau wie die Maschinen in unserer modernen Welt sind auch diese Maschinen dafür konstruiert, spezielle Funktionen ef¿zient und präzise zu erfüllen. Diese Funktionen laufen allerdings auf Molekülebene ab, und die molekularen Maschinen in den Zellen sind perfekt auf die Arbeit in dieser Dimension abgestimmt. Wie wir noch sehen werden, haben molekulare Maschinen viel mit alltäglichen Geräten und Maschinen wie Scheren oder Autos gemeinsam. Die ungewohnten organischen Formen molekularer Maschinen mögen einschüchtern und unverständlich erscheinen, doch ihre Arbeitsweise ist in vielerlei Hinsicht ähnlich: Es ist ein Mechanismus, bei dem Einzelteile ineinanderpassen, sich bewegen und zusammenspielen, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Allerdings gibt es einige grundsätzliche Unterschiede zwischen den molekularen und den vom Menschen geschaffenen Maschinen, und über diese Unterschiede müssen wir uns zumindest ein wenig im
Ż Abb. 2.1 ATP-Synthase Die ATP-Synthase ist eine molekulare Maschine zur Erzeugung chemischer Energie. Sie wird aus über 40 000 Atomen gebildet, von denen jedes seinen ganz bestimmten Platz hat und eine spezi¿sche Funktion wahrnimmt (8 000 000 ×).
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Klaren sein, um die wunderbaren Dinge, die da auf molekularer Ebene geschehen, auch entsprechend würdigen zu können. Schon die Tatsache, dass molekulare Maschinen aus Atomen bestehen müssen, stellt uns vor eine Herausforderung. Es erscheint nahe liegend, ist aber in Wahrheit höchst problematisch. Atome gibt es nur in wenigen Formen und Größen. Die Zelle erledigt ihre Arbeit weitgehend mithilfe von sechs Arten von Atomen – Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor und Wasserstoff –; ausgefallenere Atome kommen nur dann hinzu, wenn sie für spezielle Aufgaben gebraucht werden. Diese Atome können nur ganz bestimmte Verbindungen eingehen; welche das jeweils sind, hängt von ihrem chemischen Pro¿l ab. Der Aufbau der molekularen Maschinen muss innerhalb dieser festen Vorgaben erfolgen. Es ist fast so, als wollte man versuchen, Maschinen mit einem Baukasten oder aus LegoSteinen zu bauen: Man kann zwar viele verschiedene Dinge konstruieren, aber die endgültige Struktur ist durch die Form der Bausteine und ihre Verbindungselemente vorgegeben und begrenzt. Wir werden noch sehen, dass molekulare Maschinen mit allen Tricks arbeiten, um aus ihrem begrenzten Vorrat an Rohmaterial den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Heutige Zellen verwenden vier Grundmuster für den Zusammenbau ihrer molekularen Maschinen. Während die uns vertrauten Maschinen aus Metall, Holz, Kunststoff oder Keramik bestehen, setzt sich die Nanomaschinerie einer Zelle aus Proteinen, Nucleinsäuren, Lipiden und Polysacchariden zusammen. Anhand dieser Baupläne entstehen charakteristische chemische Substanzen, die jeweils optimal auf eine bestimmte Rolle in der Zelle zugeschnitten sind. Um zu verstehen, wie diese chemischen Charakteristika jeweils zum Ausdruck kommen, benötigt man zwei Grundkonzepte: chemische Komplementarität und Hydrophobizität. Wenn Moleküle aufeinandertreffen, treten sie miteinander in Wechselwirkung. In den meisten Fällen ist diese Wechselwirkung nicht stark, sodass die Moleküle zusammenstoßen und dann ihren Weg fortsetzen. Ist die Wechselwirkung jedoch komplementär, entsteht eine feste Verbindung. Moleküle interagieren miteinander durch eine Anzahl spezieller Bindungen zwischen jeweils zwei Atomen. Meist sind die einzelnen Bindungen nur schwach, doch sie addieren sich und die Summe wird bedeutsam, wenn ein großer Molekülbereich perfekt zu einem ähnlich geformten Abschnitt eines Nachbarmoleküls passt (Abb. 2.2). Molekulare Maschinen nutzen auch zwei spezielle Bindungsarten: Wasserstoffbrücken zwischen einem Wasserstoffatom und einem Sauerstoff- oder Stickstoffatom sowie Salzbrücken zwischen Atomen, die eine entgegengesetzte elektrische Ladung tragen. Diese speziellen Bindungen funktionieren wie kleine Klammern, die Moleküle aneinanderkoppeln.
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Abb. 2.2 Chemische Komplementarität Biologische Moleküle verbinden sich über große komplementäre Regionen – Patches – auf ihren OberÀächen. Hier katalysiert das Enzym Enolase gerade einen Schritt im Zuckerstoffwechsel. Es besteht aus zwei Untereinheiten, die sich zu einer aktiven molekularen Maschine verbinden. Die untere Abbildung zeigt die beiden Untereinheiten getrennt voneinander; die farbigen Linien sollen veranschaulichen, wo die Atome Wasserstoffbrücken ausbilden. Zu beachten ist, wie die beiden Formen ineinandergreifen und perfekt zueinander passen (10 000 000 ×).
Das Konzept der Hydrophobizität ist schwerer fassbar; es beruht auf den ungewöhnlichen Eigenschaften des Wassers. Moleküle zeigen im wässrigen Milieu meist eine von zwei Verhaltensweisen. Da sind zum einen die Moleküle, die mit dem Wasser in Wechselwirkung treten – gewöhnlich solche, die reich an Sauerstoff- und Stickstoffatomen sind; sie werden als
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Abb. 2.3 Hydrophobizität Das im oberen Teil der Abbildung gezeigte Phospholipid besitzt eine hydrophile Phosphatgruppe (hellgelb und rot dargestellt) – sie interagiert stark mit Wasser. Der Rest des Moleküls besteht in erster Linie aus Kohlenstoff und Wasserstoff (weiß dargestellt), er ist hydrophob und tritt nur schwach mit Wasser in Wechselwirkung. Werden Lipide mit Wasser gemischt, so bilden sie kleine Tröpfchen (oder Lipiddoppelschichten, wie später in diesem Kapitel erläutert wird) und minimieren damit den Kontakt mit dem sie umgebenden Wasser. Im unteren Teil der Abbildung ist eine Kugel aus Phospholipiden dargestellt, die sich so ausgerichtet haben, dass alle hydrophoben Teile in das Innere weisen.
Nucleinsäuren
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hydrophil („wasserliebend“) bezeichnet. Hydrophile Moleküle sind gut wasserlöslich; sie umgeben sich mit einer Schicht aus Wassermolekülen. Bekannte Beispiele für kleine hydrophile Moleküle sind Haushaltszucker und Essigsäure. Moleküle, die reich an Kohlenstoffatomen sind, treten dagegen ungern mit Wasser in Wechselwirkung und werden deshalb als hydrophob („wassermeidend“) bezeichnet. Im Wasser neigen diese Moleküle dazu, sich eng aneinanderzulagern und Kügelchen zu bilden, damit nur eine minimale OberÀäche mit dem Wasser in Berührung kommt (Abb. 2.3). Dies geschieht zum Beispiel, wenn PÀanzenöl in Wasser gegossen wird: Das Öl bildet Tröpfchen, um den Kontakt der hydrophoben Moleküle mit dem Wasser so gering wie möglich zu halten. Die großen molekularen Maschinen in den Zellen machen sich beide Arten der Wechselwirkung mit Wasser zunutze. Sie besitzen oft unregelmäßig geformte OberÀächen, wobei Wasserstoffbrücken und Salzbrücken dazu dienen, Moleküle mit komplementärer Struktur zu ¿nden. Oft haben sie sowohl hydrophile als auch hydrophobe Bereiche, die auf unterschiedliche Weise mit Wasser reagieren. Die verschiedenen Strukturen dieser Bereiche führen bei den Molekülen in wässriger Lösung zu vielfältigen Wechselwirkungen. Die vier Grundbausteine – Proteine, Nucleinsäuren, Lipide und Polysaccharide – nutzen unterschiedliche Kombinationen dieser Möglichkeiten, um ihre Funktionen auf molekularer Ebene auszuüben.
Nucleinsäuren Nucleinsäuren sind darauf spezialisiert, mithilfe der chemischen Komplementarität Informationen zu codieren. Sie spielen eine wichtige Rolle – man könnte auch sagen, die entscheidende Rolle – für die Lebensprozesse. Nucleinsäuren speichern das Genom, die Erbinformation, die für das Leben einer Zelle erforderlich ist, und geben es an die nächste Generation weiter. Die gesamten Informationen darüber, wie und wann Proteine aufgebaut werden sollen, sind in Nucleinsäuresträngen in jedem Zellkern gespeichert. Da Nucleinsäureketten miteinander auf einzigartige Weise in Wechselwirkung treten, sind sie optimal als Informationsspeicher für die Zelle geeignet. Nucleinsäuren bestehen aus langen Ketten von Nucleotiden, jeweils mit einer spezi¿schen Anordnung von Atomen, die Wasserstoffbrücken bilden. Genau in diesen Atomen liegt nun der große Nutzen der Nucleinsäuren begründet. In der DNA (Desoxyribonucleinsäure) kommen vier verschiedene Typen von Nucleotiden vor – Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G), und diese vier Nucleotide passen in einer bestimmten Kombination perfekt zusammen: A bildet ein Paar mit T und C mit G; eine andere Kombination ist nicht möglich.
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Abb. 2.4 Struktur von Nucleinsäuren Nucleinsäuren bestehen aus langen Nucleotidketten. In dieser Abbildung sind hydrophobe Kohlenstoffatome weiß, leicht hydrophile Atome pastellfarben (violett für Stickstoff und rosa für Sauerstoff) und hydrophile Atome, die eine starke Ladung tragen, in kräftigen Farben dargestellt (rot für Sauerstoff und gelb für Phosphor). Wasserstoffatome, die als kleinere Kugeln dargestellt sind, tragen die Farbe des Atoms, an das sie gebunden sind. Auf der linken Seite ist DNA zu sehen, rechts RNA, jeweils im unteren Bereich als Doppelhelix und oben als Einzelstrang. Die Sternchen am RNA-Strang markieren einige Wasserstoffatome, die in der RNA, nicht aber in der DNA vorhanden sind (20 000 000 ×).
Aufgrund dieser spezi¿schen Paarung eignen sich Nucleinsäuren zur Speicherung und Übertragung von Informationen. Genau wie in der Abfolge von Ziffern auf einem Computerdatenträger können in der Reihenfolge der Nucleotide in einem Nucleinsäurestrang Informationen gespeichert werden. So ist zum Beispiel die Sequenz ATG ein universeller Code für „Start“. Zum
Nucleinsäuren
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Ablesen dieser Information werden spezi¿sche Wasserstoffbrücken ausgebildet: Ein neuer Strang wird aufgebaut, indem sich die einzelnen Nucleotide entlang dem bereits vorhandenen Strang anlagern (A an T und C an G) und sich die neuen Nucleotide dann verbinden. Das Ergebnis ist ein neuer Einzelstrang mit komplementärem Informationsgehalt. Dieser Strang kann nun wieder für den Aufbau eines weiteren Stranges benutzt werden; dieser baut einen weiteren auf und so fort, Generation für Generation. Die chemische Struktur der Nucleotide ist für diesen Informationstransfer hervorragend geeignet (Abb. 2.4 und 2.5). Jedes Nucleotid enthält eine
Abb. 2.5 Informationsübertragung durch Nucleinsäuren DNA-Basen interagieren über eine Reihe spezi¿scher Wasserstoffbrücken; Adenin bindet an Thymin und Cytosin an Guanin. Die Verbindung über Wasserstoffbrücken ist dann am stärksten, wenn die Basen perfekt aneinanderliegen; ein Wasserstoffatom der einen Base bindet dabei an ein Sauerstoff- oder Stickstoffatom der komplementären Base. Adenin und Thymin bilden zwei dieser Wasserstoffbrücken (mit Pfeilen markiert); Cytosin und Guanin bilden drei (40 000 000 ×).
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Abb. 2.6 Funktionen von Nucleinsäuren Nucleinsäuren nehmen in der Zelle verschiedene Aufgaben wahr. Die DNA-Doppelhelix ist der Hauptspeicher für die genetische Information; lange Messenger-RNA-Stränge dienen als temporäre Informationsträger; Transfer-RNA und Ribosomen (bestehend aus RNA und Protein) stellen die wichtigsten Maschinen für die Proteinsynthese dar (5 000 000 ×).
Base, die wiederum aus wasserstoffbrückenbildenden Atomen besteht und die Form eines starren Rings hat, und eine Zucker-Phosphat-Gruppe, die dazu dient, die Nucleotide des Strangs miteinander zu verbinden. Das so entstehende Zucker-Phosphat-Rückgrat ist relativ Àexibel, sodass sich die Kette je nach Bedarf verbiegen kann, und die stark elektrisch geladenen Phosphate machen die Kette leicht wasserlöslich. Die Basen dagegen sind größtenteils hydrophob und nehmen daher eine Position ein, bei der sie aufeinander gestapelt sind, um sich so gut es geht von dem umgebenden Wasser zu isolieren. Das ist der Grund, warum die DNA die wohlbekannte Doppelhelix
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bildet: Zwei Stränge lagern sich so aneinander, dass alle Basen im Inneren verborgen sind und sich alle Phosphatgruppen auf der Außenseite be¿nden. Nucleinsäuren kommen in Zellen in zwei Formen vor: als DNA und als RNA (Abb. 2.6). Die RNA (Ribonucleinsäure) unterscheidet sich von der DNA chemisch in zwei kleinen Details: Sie trägt an jedem Zucker ein zusätzliches Sauerstoffatom und die Thyminbase wird durch Uracil ersetzt, das um ein Kohlenstoffatom und einige Wasserstoffatome kleiner ist. Aus diesen kleinen chemischen Unterschieden ergibt sich allerdings ein großer Unterschied in der Funktion der RNA. Aufgrund des zusätzlichen Sauerstoffatoms ist die RNA etwas weniger stabil als die DNA; deshalb wird die DNA primär als Zentralspeicher für Informationen genutzt, während die RNA eher für zeitlich begrenzte Funktionen bei der Informationsübertragung eingesetzt wird. Ausgehend von einer DNA-Matrize werden die relativ kurzlebigen RNA-Stränge kopiert, dann zurechtgeschnitten, mit einer Kappe versehen und editiert, sie werden in der Zelle von einem Ort zum anderen transportiert, ganz wie es ihre Funktion erfordert, und schließlich entsorgt, wenn der Job getan ist. Nucleinsäuren sind jedoch in ihrer Struktur zu begrenzt, um die vielfältigen Aufgaben im Alltagsleben einer Zelle zu erfüllen. Der chemische Aufbau der vier Basen ist zwar perfekt zur Informationsübertragung geeignet, aber sie sind sich zu ähnlich, als dass sich aus ihnen die vielfältigen Maschinen konstruieren ließen, die zur Durchführung von Tausenden chemischer und mechanischer Reaktionen gebraucht werden. Diese Aufgabe übernehmen hauptsächlich Proteine.
Proteine Wo man auch hinschaut – überall in der Zelle sieht man Proteine bei der Arbeit. Proteine werden in Tausenden verschiedener Formen und Größen gebildet, und jedes erfüllt auf molekularer Ebene eine andere Funktion. Manche werden nur hergestellt, um eine bestimmte Form anzunehmen; sie bilden Stäbe, Netze, Hohlkugeln und Röhren. Manche funktionieren wie ein molekularer Motor, sie verbrauchen Energie beim Rotieren, bei Zug- oder Kriechbewegungen. Viele sind chemische Katalysatoren, die bestimmte Atome miteinander reagieren lassen, indem sie die entsprechenden reaktiven Gruppen genau an die richtige Stelle bringen und chemisch so verändern, wie sie gebraucht werden. Proteine haben eine modulare chemische Struktur; aus ihren Grundbausteinen können die unterschiedlichsten molekularen Maschinen gebaut werden. Wie die Nucleinsäuren sind auch Proteine lange Molekülketten, doch statt aus vier Nucleotiden mit ähnlicher chemischer Struktur setzen
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sich Proteine aus 20 verschiedenen Aminosäuren zusammen, die alle unterschiedlich groß sind und ein unterschiedliches chemisches Pro¿l aufweisen (Abb. 2.7). Manche Aminosäuren sind elektrisch geladen und interagieren stark mit Wasser und Ionen. Andere bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen und sind stark hydrophob. Manche sind groß und unförmig; andere sind klein und passen in die winzigsten Ecken. Manche sind starr, andere sehr beweglich. Manche sind reaktionsfreudig, andere verhalten sich chemisch völlig neutral. Mithilfe dieses umfangreichen Alphabets aus Aminosäuren können die Zellen einen noch reichhaltigeren Wortschatz aus Proteinen aufbauen. Kommen Proteinketten mit Wasser in Berührung, zeigt sich etwas Erstaunliches: Sie verknäulen und falten sich, um die optimale Form zu ¿nden, in der die hydrophoben Aminosäuren im Inneren geschützt liegen, während sich die elektrisch geladenen Aminosäuren nach außen richten. Es ist verblüffend: Proteine sind Maschinen, die sich selbsttätig montieren. Dieser Prozess läuft ganz von allein ab, beziehungsweise nur mithilfe von Proteinen, die quasi Aufsicht führen und die Kette während des Faltens davor schützen, dass Nachbarproteine den Vorgang beeinÀussen. Die endgültige Form des gefalteten Proteins ist durch die Anordnung der Aminosäuren in der Kette fest vorgegeben. Wie man sich vorstellen kann, faltet sich nur ein kleiner Bruchteil aller möglichen Aminosäurekombinationen spontan zu einer stabilen Struktur. Würde man ein Protein wahllos aus einer beliebigen Abfolge von Aminosäuren herstellen, so erhielte man in wässrigem Medium höchstwahrscheinlich nur irgendein klebriges Gewirr. Die Zellen haben die Aminosäuresequenzen ihrer Proteine über die vielen Jahre evolutionärer Auslese hinweg perfektioniert; und die Wissenschaft hat gerade erst begonnen, die verzwickten Regeln zu entdecken, nach denen der Faltungsprozess abläuft – mit dem Ziel, selbst Proteine zu erzeugen. Proteine haben eine eigenartige, organische Form, ganz anders als die Maschinen in unserer vertrauten Welt (Abb. 2.8). Aufgrund ihrer Vielseitigkeit kommen Proteine bei den meisten alltäglichen Aufgaben in der Zelle Ż Abb. 2.7 Struktur eines Proteins Proteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren, die sich zu einer kompakten, mehr oder weniger kugelförmigen Struktur faltet. In der langen Kette links sind alle 20 Aminosäuren aufgeführt; man erkennt die unterschiedliche Form und chemische Zusammensetzung jedes einzelnen Moleküls. Die vier oberen Aminosäuren tragen eine starke elektrische Ladung, die in der Mitte sind nur leicht geladen, und die unteren sind hydrophob. Die letzte Aminosäure, Prolin, bildet einen starren Knick in der Proteinkette. Rechts ist das kleine Protein Lysozym dargestellt, das aus 129 Aminosäuren besteht (20 000 000 ×).
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Abb. 2.8 Funktionen von Proteinen Proteine werden für die unterschiedlichsten Funktionen gebildet. Häu¿g falten sich mehrere Proteinketten und lagern sich dann zu einer größeren Struktur zusammen. Der Multidrug-Transporter schleust Medikamente und Giftstoffe aus der Zelle heraus, wobei er mit seinen beiden Ketten eine scherenartige Bewegung macht. Rhodopsin ist der Lichtsensor in unserer Netzhaut – es enthält stark farbige Retinalmoleküle zur Lichtrezeption. Insulin und Glucagon sind Hormone, die entgegengesetzte Informationen über den Blutzuckerspiegel bereitstellen. Pepsin dient der Verdauung von Proteinen und spaltet in unserem Magen die Nahrung – für diese Aufgabe muss das Pepsin extrem säureresistent sein. Antikörper sind darauf spezialisiert, Fremdkörper zu erkennen – sie spüren während einer Infektion Viren und Bakterien im Blut auf. Die DNA-Polyme-
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rase kopiert die in einem DNA-Strang enthaltene Information – das hier gezeigte Molekül stammt aus einem Bakterium, das in heißen Quellen lebt, daher ist es sehr stabil und wird in der Biotechnologie verwendet, um DNA zu kopieren. Ferritin speichert Eisenionen in der Zelle – es bildet eine Proteinhülle, die einen kleinen Kristall aus ca. 4000 Eisenoxid und -hydroxid umgibt. Der hier dargestellte Teil der ATP-Synthase ist ein rotierender, von elektrochemischer Energie angetriebener Motor. Kollagen bildet lange, robuste Kabel, die unsere Organe und Gewebe stützen; es ist das am häu¿gsten vorkommende Protein im menschlichen Körper. Actin bildet ebenfalls Stützelemente, doch diese können nach Bedarf auf- und abgebaut werden (5 000 000 ×).
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zum Einsatz. Ein durchschnittliches Bakterium bildet mehrere 1000 unterschiedliche Typen von Proteinen mit jeweils unterschiedlicher Funktion. Unsere eigenen Zellen synthetisieren etwa 30 000 verschiedene Typen; von kleinen Hormonproteinen wie Glucagon, das aus nur 29 Aminosäuren besteht, bis hin zu riesigen Proteinen wie Titin mit über 34 000 Aminosäuren. Fast jede Aufgabe in der Zelle wird von einem Protein wahrgenommen, außer in Sonderfällen, wenn die charakteristischen Eigenschaften von Nucleinsäuren, Lipiden und Polysacchariden gefragt sind. Proteine sind richtige Alleskönner, die in verschiedenster Form zu unzähligen Arbeiten herangezogen werden.
Lipide Einzeln betrachtet sind Lipide winzige Moleküle, doch in der Gruppe bilden sie die größten Strukturen der Zelle. Kommen Lipidmoleküle mit Wasser in Berührung, lagern sie sich aneinander und bilden eine große wasserundurchlässige Schicht. Diese wird genutzt, um Zellen nach außen abzudichten; sie bildet die Grenzschicht, die das Innere der Zelle von ihrer Umgebung trennt. Lipidschichten werden auch dazu verwendet, um innerhalb der Zelle einzelne Kompartimente abzuteilen, zum Beispiel den Zellkern und die Mitochondrien. Der besondere Nutzen der Lipide beruht auf ihrer ungewöhnlichen Wechselwirkung mit Wasser. Lipide, besser bekannt als Fette und Öle, bestehen aus einem kleinen hydrophilen „Kopf“, mit dem zwei oder drei lange hydrophobe „Schwänze“ verbunden sind. Im Wasser lagern sich Lipidmoleküle spontan eng aneinander, um die langen Schwänze vor dem Wasser abzuschirmen. Diesen Prozess haben Sie bestimmt schon einmal beobachtet: Gibt man etwas Speiseöl in Wasser, so bildet das Öl einen Tropfen und grenzt sich so vom Wasser ab (Abb. 2.3). Das Gleiche geschieht in einer Zelle, nur in kleinerem Maßstab und sehr viel kontrollierter. In der Zelle ordnen sich die Lipidmoleküle zu einer Lipiddoppelschicht an: eine lückenlose Àächige Struktur, die sich aus zwei Schichten nebeneinander aufgereihter Lipide zusammensetzt (Abb. 2.9). Alle Schwänze sind parallel zueinander nach innen gerichtet, die Köpfe zeigen an beiden OberÀächen nach außen und ragen in das umgebende Wasser. Da Lipiddoppelschichten aus so vielen Einzelmolekülen zusammengesetzt sind, sind sie dynamisch und haben eine Àüssige Konsistenz. Jedes Molekül rotiert wie eine Spindel und seine hydrophoben Schwänze bewegen sich und schlagen. Lipidmoleküle gleiten auch rasch aneinander vorbei; sie bleiben zwar immer innerhalb ihrer eigenen Schicht, wandern dabei aber ziellos seitwärts hin und her. Weil sie so Àüssig sind, sind
Lipide
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Abb. 2.9 Lipiddoppelschicht Ein einzelnes Lipidmolekül (grün hervorgehoben) ist im Vergleich zu Proteinen und Nucleinsäuren klein und viel stärker hydrophob. In der Zelle schließen sich viele Lipide zusammen und bilden eine dynamische Lipiddoppelschicht. Diese Doppelschicht ist hier im Querschnitt zu sehen; gut zu erkennen ist das Gewirr von Kohlenwasserstoffketten, die geschützt im Inneren liegen (20 000 000 ×).
Lipiddoppelschichten die perfekte Haut für eine Zelle. Diese Membran ist Àexibel und kann sich so verbiegen, wie es für die Zelle günstig ist. Risse in der Membran lassen sich rasch verschließen, und die Membran kann sich schnell ausdehnen beziehungsweise schrumpfen, indem Lipidmoleküle einfach hinzugefügt beziehungsweise entfernt werden. Lipiddoppelschichten sind auch hervorragende Barrieren, denn die Lipidschwänze sind stabil nach innen orientiert. Alle großen Moleküle der Zelle wie Proteine und Nucleinsäuren werden durch eine Lipidmembran vollständig abgeschottet und können im sicheren Zellinneren gehalten werden. Metallionen können die Membran ebenfalls nicht durchdringen
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und Wassermoleküle passieren sie nur selten. Kleine hydrophobe Verbindungen jedoch wie Alkohol oder Arzneistoffe gelangen leicht durch sie hindurch; sie quetschen sich an den Schwänzen vorbei und verschaffen sich so mühelos Zugang in das Zellinnere. Allerdings ¿nden sich in heutigen Zellen nur selten reine Lipiddoppelschichten. Eine völlig undurchlässige Barriere würde die Zelle ja auch vor den Nährstoffen abschirmen und Abfallprodukte in der Zelle einschließen. Zur Lösung dieses Problems bilden Zellen eine Vielzahl spezialisierter Proteine, die in die Membran eingebaut werden. Sie fungieren als Pumpen, die Material durch die abschließende Membran transportieren, oder als Sensoren, die eine Kommunikation zwischen den beiden Seiten sicherstellen.
Polysaccharide Der letzte der vier Grundbausteine kommt vor allem aufgrund seiner besonderen Konsistenz zum Einsatz. Polysaccharide sind lange, oft verzweigte Ketten aus Zuckermolekülen. Zucker sind mit Hydroxylgruppen (ein Sauerstoff- und ein Wasserstoffatom) besetzt, die mit Wasser und auch mit anderen Hydroxylgruppen in Wechselwirkung treten. Polysaccharide nutzen diese Eigenschaft, um zwei Schlüsselfunktionen wahrzunehmen. Die erste ist die Speicherung. Zucker, insbesondere Glucose, dient der Zelle als Hauptenergiequelle. Polysaccharide werden als zentrale Energiespeicher genutzt. In guten Zeiten werden überschüssige Zuckermoleküle miteinander zu großen Polysaccharidgranula verbunden. In schlechteren Zeiten werden diese Granula abgebaut, und der Zucker wird freigesetzt. Polysaccharide sind weniger reaktionsfreudig als einzelne Zuckermoleküle, und die zahlreichen Hydroxylgruppen schließen sich zusammen, sodass kompakte, leicht zu speichernde Granula entstehen; daher eignen sie sich besser zur Speicherung von Energie als eine hohe Konzentration an freien Zuckermolekülen. Bei PÀanzen ist Glucose in Form von Stärke gespeichert; die gleiche Stärke, die wir verwenden, um Soßen anzudicken und Kragen zu steifen. In menschlichen Zellen geht Glucose etwas andere Verbindungen ein und bildet Glykogen. Polysaccharide haben in der Zelle noch eine zweite Schlüsselfunktion: Sie werden verwendet, um einige der stabilsten biologischen Strukturen aufzubauen, aber auch einige sehr klebrige. Das Gebäude, in dem Sie gerade sitzen, und die Seiten dieses Buches bestehen hauptsächlich aus Polysacchariden: Die Cellulosefasern im Holz setzen sich vor allem aus langen Polysaccharidketten zusammen (Abb. 2.10). Die harten Insektenpanzer bestehen ebenfalls aus langen Polysacchariden, dem sogenannten Chitin. Diese Ketten bilden feste Stützelemente, und alles wird von den
Polysaccharide
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Abb. 2.10 Polysaccharide Polysaccharide sind mit Hydroxylgruppen (hier rosa dargestellt) überzogen; dadurch werden sie hydrophil und wasserlöslich. Die Abbildung zeigt zwei Beispiele dafür. Links ist Cellulose dargestellt; ein Zuckermolekül ist hervorgehoben. Rechts ist ein Proteinhormon (Choriongonadotropin) zu sehen. Es besteht aus einer kurzen Proteinkette (hier grün gefärbt) und einer gegabelten Polysaccharidkette. Kleine Polysaccharide wie dieses sind oft an Proteine auf der OberÀäche unserer Zellen gebunden (20 000 000 ×).
zahlreichen Hydroxylgruppen fest verklebt, die sowohl Bäumen als auch Hummerschalen ihre Stabilität verleihen. Auch unsere eigenen Zellen benutzen Polysaccharide als Strukturelemente, aber viel kleinere als Cellulose oder Chitin. Die meisten Zellen sind mit einem Film aus kurzen Polysacchariden beschichtet, die mithilfe von Proteinen oder Lipiden auf der ZelloberÀäche befestigt sind. Diese Ketten stehen von der Zelle ab und treten mit Wasser in Wechselwirkung. Die Mischung aus Polysaccharid und Wasser bildet eine klebrige Schicht um die Zelle herum, die als schützende Barriere fungiert. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie diese Polysaccharidbarriere in etwa aussieht,
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braucht man sich nur an seine letzte Erkältung zu erinnern: Schleim verdankt seine besonderen Eigenschaften den Polysaccharidketten, die mit Proteinkomponenten verbunden sind.
Die seltsame Welt der zellulären Moleküle Wie wir in den späteren Kapiteln noch sehen werden, sind Zellen kleine, beengte Räume, in denen viele Dinge gleichzeitig geschehen. In dieser ungewöhnlichen Umgebung, hineingepackt in lebende Zellen, müssen molekulare Maschinen ihre Aufgaben im Nanomaßstab erfüllen. Daraus ergeben sich zahlreiche verblüffende Probleme – und manchmal eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Zellen sind erstaunlich dicht bepackt; im Durchschnitt sind 25–30 Prozent des Raumes mit großen Molekülen wie Proteinen und Nucleinsäuren gefüllt. Man kann sich vorstellen, dass sich diese Moleküle gegenseitig im Weg sind. Das hat zwei scheinbar gegensätzliche Effekte auf die Funktion der Moleküle. Einerseits ist es für größere Moleküle schwieriger, sich durch das Zellinnere zu bewegen, da ihnen benachbarte Moleküle ständig den Weg versperren. Das verlangsamt die Bewegung jedes Moleküls, sodass es länger dauert, bis sich zwei Moleküle ¿nden. Andererseits – und das ist der gegenläu¿ge Effekt – begünstigt ein mit Molekülen angefülltes Milieu tendenziell die Verbindung von Molekülen, wenn sie sich erst einmal gefunden haben. Da sie von den Molekülen in ihrer Nachbarschaft ständig zusammengedrängt werden, be¿nden sie sich längere Zeit nebeneinander, und es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass sie die richtige Ausrichtung ¿nden, um sich miteinander zu verbinden. Eine dicht mit Molekülen besetzte Umgebung begünstigt eher den Zusammenschluss der Moleküle zu großen Komplexen, als wenn die Zelle mit vielen Einzelmolekülen gefüllt wäre. Zellen enthalten zudem Barrieren, die die Bewegung der Moleküle sowohl behindern als auch begünstigen. Oft werden Membranen dazu benutzt, einen Abschnitt der Zelle abzutrennen, sodass der MolekülÀuss von einer Seite zur anderen völlig blockiert ist. Dies begünstigt aber die Funktion eines eingeschlossenen Moleküls, da es mit all den anderen Molekülen, die für eine bestimmte Aufgabe benötigt werden, auf engstem Raum zusammengepfercht ist. Membranen beschleunigen auch die molekulare Diffusion und die Assoziation bestimmter Moleküle. Geht ein Protein eine schwache Bindung mit einer Membran ein, so kann es sich an einer Stelle an sie anheften und sich dann auf der OberÀäche der Membran hin- und herbewegen. Da die Diffusion des Proteins auf der OberÀäche nur in zwei Dimensionen erfolgt, bewegt es sich auf einer kleineren Fläche, als wenn
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es sich frei im dreidimensionalen Raum bewegen könnte. So kann es seine Zielmoleküle auf der MembranoberÀäche sehr schnell ¿nden. Das gilt auch für Proteine, die an die DNA binden; sie können sich rasch an der Helix entlangbewegen, um die richtige Stelle zu ¿nden. So bindet zum Beispiel das Lac-Repressor-Protein an den meisten Abschnitten der DNA nur schwach und unspezi¿sch; an der besonderen Nucleotidsequenz, die es reprimieren soll, bindet es jedoch sehr stark. Wenn es im Inneren von Zellen die Helix entlanggleitet, ¿ndet es seine bevorzugte Bindungsstelle um mehr als das 100-Fache schneller, als bei zufälliger dreidimensionaler Diffusion zu erwarten wäre. Molekulare Maschinen müssen auf die Aufgaben, die sie erfüllen sollen, sehr speziell zugeschnitten sein. So begegnet ein durchschnittliches Enzym in der Zelle Tausenden unterschiedlichen Formen von Molekülen. Es muss in der Lage sein, aus all diesen das richtige Molekül herauszu¿ltern und zu greifen. Biologische Moleküle meistern diese gewaltige Aufgabe, weil sie Experten in der Erkennung von Molekülen sind. Sie interagieren stark mit ihren Partnern und bilden an vielen Stellen Bindungen mit ihnen aus, wobei Struktur und chemisches Reaktionsschema genau passen müssen. Enzyme umschließen ihre Zielmoleküle oft vollständig, und Proteine assoziieren über große zueinander komplementäre Flächen. Aufgrund dieser bemerkenswerten Spezi¿tät können in einer Zelle 1000 Reaktionen gleichzeitig statt¿nden und dennoch beruhen die Reaktionen darauf, dass sich Moleküle im Gewimmel der Cytoplasmasuppe zufällig ¿nden.
Kapitel 3 Prozesse des Lebens
Was ist Leben? Wir alle erkennen ein Lebewesen, wenn wir es sehen, doch mit einer allgemeingültigen De¿nition tun wir uns schwer. PÀanzen beispielsweise wachsen und sind lebendig, aber Kristalle, die ebenfalls wachsen, sind nicht lebendig. Was ist der Unterschied? Der Physiker Erwin Schrödinger hat 1944 eine sehr einfache De¿nition des Begriffs „Leben“ aufgestellt, die bis heute aktuell ist. Er entdeckte eine Eigenschaft, die allen Lebensformen gemeinsam ist: Lebewesen streben nicht nach einem Gleichgewicht. In unserer Welt bewegt sich alles fortwährend auf einen Zustand der Gleichförmigkeit zu. Ein Glas heißes Wasser kühlt ab, bis es die gleiche Temperatur hat wie die umgebende Luft. Das gleiche Wasser verdunstet allmählich, und die Wassermoleküle verteilen sich gleichmäßig im Zimmer und draußen in der Luft. Diese Wassermoleküle können dann, im Verbund mit vielen anderen, wieder als Regen niederfallen, sodass sich die Moleküle über ein immer größeres Gebiet verteilen. Sogar Felsen, Berge, ganze Planeten unterliegen dieser unaufhaltsamen Kraft des Verfalls und der Auflösung – über Jahrtausende hinweg verwittern und zerbröckeln sie, bis sie schließlich zu Staub zerfallen. Lebewesen widersetzen sich diesem Verfall. Sie kämpfen dafür, zu bleiben, wie sie sind, egal welche Schwierigkeiten sich ihnen in den Weg stellen. Unser Körper erzeugt Wärme, wenn es draußen kalt ist, und widersetzt Ż Abb. 3.1 Informationsübertragung Die Bindung von Transfer-RNA an Messenger-RNA ist der Schritt, bei dem die genetische Information in die Aminosäuresequenz eines Proteins übersetzt wird. Hier sieht man, wie zwei Transfer-RNA-Moleküle (hellrosa, oben) an einen Messenger-RNA-Strang binden (dunkelrosa, unten) und zwei aufeinanderfolgende Codons aus je drei Nucleotiden ablesen. Die drei Basen in jedem Codon/Anticodon-Paar sind grün, türkis und violett dargestellt. Dieser Prozess läuft in Wirklichkeit tief im Inneren eines Ribosoms ab, wie in Abbildung 3.4 dargestellt ist (40 000 000 ×).
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sich damit der natürlichen Tendenz zur Abkühlung. Unsere Haut schützt all die Moleküle, aus denen wir bestehen, und schirmt sie vor Wind und Regen ab. Unablässig reparieren unsere Zellen abgenutzte Bestandteile oder ersetzen sie durch neue; so gleichen sie Schäden durch UmwelteinÀüsse aus. Das Ergebnis ist, dass wir, zumindest für die Jahrzehnte unseres Lebens, mehr oder weniger gleich bleiben. In diesem Kapitel werden wir die grundlegenden Mechanismen erforschen, die alle Lebewesen auf der Erde nutzen, um den unvermeidlichen Verfall ins Gleichgewicht hinauszuzögern. Ich habe diese Mechanismen in drei grundlegende Kategorien aufgeteilt. Erstens bauen Lebewesen all ihre Bestandteile aus den Stoffen auf, die ihnen in ihrer Umwelt zur Verfügung stehen; dies erlaubt ihnen zu wachsen, Schäden zu reparieren und sich schließlich zu vermehren (Abb. 3.1). Zweitens nutzen Lebewesen die in ihrer Umwelt vorhandenen Energiequellen für ihren ständigen Kampf gegen die Entropie. Drittens isolieren sich Lebewesen von ihrer Umgebung, überstehen schlechte Zeiten oder wandern in bessere Nahrungsgründe ab. Bereits in einem sehr frühen Stadium der Evolution wurden Lösungen für diese drei Problemkomplexe gefunden, und noch heute verlassen wir uns auf sie, um am Leben zu bleiben.
Aufbau der Moleküle Lebende Zellen müssen sich ständig selbst instand halten und reparieren. Während sie ihre lebensnotwendigen Aufgaben erfüllen – bei Nahrungssuche und Verdauung, beim Kampf mit Nahrungskonkurrenten und bei der Flucht vor Fressfeinden –, ersetzen die Zellen rasch ihre verbrauchten molekularen Bestandteile. Man sollte sich vergegenwärtigen, wie außergewöhnlich das ist. Man kann seine Zellen ja nicht zur Reparatur in eine Werkstatt bringen wie eine kaputte Uhr. Zellen müssen ihre Reparaturen an Ort und Stelle ausführen, ohne dass der Ablauf der Lebensprozesse dadurch gestört wird. Stellen Sie sich vor, Sie würden einen defekten Keilriemen austauschen, während Sie weiter die Straße entlangfahren. Die echte Herausforderung aber besteht darin, dass Zellen auch in der Lage sein müssen, all die molekularen Maschinen, die sie enthalten, selbst aufzubauen, wobei ihnen nur die Stoffe in ihrer näheren Umgebung zur Verfügung stehen. Man muss sich nur einmal bewusst machen, was für eine großartige Leistung das ist. Viele Bakterien können ihre gesamten Moleküle aus ein paar einfachen Rohstoffen wie Kohlendioxid, Sauerstoff und Ammoniak herstellen. Eine einzelne Bakterienzelle hat die Fähigkeit, mehrere Tausend Arten von Proteinen aufzubauen, darunter Motoren,
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Trägerelemente, Giftstoffe, Katalysatoren und Baumaschinen. Dieselbe Zelle stellt auch Hunderte von RNA-Molekülen mit unterschiedlicher Nucleotidabfolge her, dazu noch ein buntes Sortiment von Lipiden und Zuckerpolymeren sowie eine verblüffende Sammlung exotischer kleiner Moleküle. All diese unterschiedlichen Moleküle müssen neu geschaffen werden, und zwar nur aus den Stoffen, die die Zelle über die Nahrung und durch die Atmung aufnimmt. Unsere eigenen Körperzellen sind nicht ganz so unabhängig. Für sie ist es aber auch nicht ganz so mühsam, da wir viele nützliche Moleküle direkt durch unsere Nahrung erhalten. Wir können die Energie der Sonne nicht nutzen, also müssen wir Zucker und Fett essen, um uns Energie zuzuführen. Um Proteine aufzubauen, brauchen wir in unserer Nahrung eine Reihe von Aminosäuren, die wir nicht selbst herstellen können. Außerdem brauchen wir Vitamine – kleine Moleküle, die wir ebenfalls nicht selbst synthetisieren können, die aber für einige unserer Enzyme unabdingbar sind. (Vitamine werden im letzten Kapitel des Buches noch ausführlich behandelt.) Wir stellen jedoch immer noch Hunderte nützlicher Moleküle selbst her, darunter Lipide, die meisten Aminosäuren, Nucleotide und Zucker. Unsere Zellen erzeugen auch viele ungewöhnliche Moleküle für Spezialaufgaben, zum Beispiel Schilddrüsenhormone, die Iodatome enthalten, kleine Transmitter für neuronale Signale, natürliche Schmerzmittel sowie leuchtend rote Moleküle, die Eisenionen zur Sauerstoffaufnahme verwenden. Lebende Zellen nutzen zum Aufbau ihrer Bestandteile zwei grundlegende Methoden. Alle kleinen Moleküle wie Zucker und Nucleotide werden Atom für Atom durch eine Reihe chemischer Reaktionen gebildet. In vielen Fällen sind ein Dutzend Schritte erforderlich, um die verfügbaren Rohstoffe in das Endprodukt umzuwandeln (Abb. 3.2). Die Zelle verwendet ein Sortiment von Enzymen, die genau auf ihre jeweilige Aufgabe zugeschnitten sind, um diese chemischen Reaktionen durchzuführen. Syntheseenzyme sind schnell, ef¿zient und spezi¿sch. Alles ist genau geregelt, damit die Zellen immer nur die Moleküle aufbauen, die sie gerade brauchen; so wird nichts verschwendet und es entstehen keine Nebenprodukte. Dank dieser erstaunlichen Enzyme sind Zellen die Meister der chemischen Synthese; sie übertreffen bei weitem alles, was wir mit herkömmlichen chemischen Technologien im Labor erreichen können. Diese mühsame Prozedur ist jedoch für den Aufbau Tausender unterschiedlicher Proteine, von denen jedes Hunderte von Aminosäuren in einer ganz bestimmten Anordnung enthalten muss, viel zu träge. Eine Zelle kann unmöglich für die Synthese jedes einzelnen Proteins ein eigenes Enzym bereitstellen. Stattdessen benutzen Zellen für die Bildung ihrer Proteine
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Abb. 3.2 Synthese von Sterinen Unsere Zellen bauen aus 18 Acetatmolekülen ein Lanosterinmolekül auf. Wie auf der gegenüberliegenden Seite zu sehen, sind für diese Synthese ein Dutzend chemische Reaktionen erforderlich, die jeweils von einem speziellen Enzym durchgeführt werden. Das Lanosterin wird dann zur Bildung von Cholesterin (nochmals mehr als 20 chemische Reaktionen) und anderen Steroidmolekülen verwendet (10 000 000 ×). Zwei der Enzyme, die bei der Sterinsynthese zum Einsatz kommen, sind oben dargestellt. Die HMGCoA-Reduktase führt einen der ersten Kondensationsschritte durch und bringt damit den Prozess in Gang. Die Oxidosqualen-Cyclase katalysiert eine verblüffende Reaktion: An einem langen, dünnen Oxidosqualenmolekül läuft eine Reaktionskaskade ab, die es zu einem gedrungenen Lanosterinmolekül zusammenschmelzen lässt. Oxidosqualen ist stark hydrophob und ¿ndet sich normalerweise auf der Innenseite einer Membran; deshalb bindet das Enzym an die MembranoberÀäche und zieht das Molekül in sein aktives Zentrum (5 000 000 ×).
und Nucleinsäuren eine zweite Synthesemethode – eine informationsgesteuerte Technik, die höchst Àexibel ist und mit der zu jedem beliebigen Zeitpunkt jedes gerade benötigte Protein und jede Nucleinsäure hergestellt werden kann. Die informationsgesteuerte Synthese von Proteinen und RNA ist der zentrale molekulare Prozess, der die Vielfalt und Robustheit heutigen Lebens erst möglich macht. Bei dieser Methode müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens müssen die Endprodukte aus einer Reihe von Standardbausteinen zusammengesetzt werden. In lebenden Zellen handelt es sich bei diesen Bausteinen um Aminosäuren beziehungsweise Nucleotide, und die Endprodukte sind Proteine beziehungsweise Nucleinsäuren. Zweitens muss eine Matrize bereitgestellt werden, die die Reihenfolge dieser Bausteine im
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Abb. 3.3 DNA-Transkription zur Synthese von RNA Die RNA-Polymerase (blau dargestellt) entwindet die DNA-Doppelhelix und synthetisiert dann einen RNA-Strang, der zum Matrizenstrang komplementär ist (5 000 000 ×).
Endprodukt festlegt. In jeder lebenden Zelle auf der Erde ist diese Matrize in einer Nucleotidsequenz im DNA-Genom gespeichert. In heutigen Zellen erfolgt die informationsgesteuerte Synthese von Proteinen in zwei Schritten. Im ersten Schritt, Transkription genannt, werden anhand der in der DNA gespeicherten Informationen RNA-Moleküle aufgebaut (Abb. 3.3). Das Enzym RNA-Polymerase entwindet einen Abschnitt der DNA-Doppelhelix und baut mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 Nucleotiden pro Sekunde einen RNA-Strang auf, der zu der ursprünglichen DNA-Matrize komplementär ist. Der RNA-Strang ist Nucleotid für Nucleotid eine exakte Kopie der DNA und enthält genau die gleiche Information wie der kopierte DNA-Abschnitt. Ist die RNA das erwünschte Endprodukt, so endet der Prozess hier, und die RNA wird freigesetzt, um ihre Funktion zu erfüllen. Anderenfalls werden der RNA-Kopie im zweiten Schritt, der sogenannten Translation, die Anweisungen für den Bau des Proteins entnommen (Abb. 3.4). Dazu wird die Nucleotidabfolge in dem RNA-Strang abgelesen und dazu benutzt, Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge zu einem neuen Protein zusammenzufügen. Die Translation ist komplexer als die
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Transkription, denn es gibt ja keine Eins-zu-eins-Entsprechung zwischen den Nucleotiden in der RNA und den Aminosäuren in dem neuen Protein; es existieren nur vier Arten von Nucleotiden, aber 20 verschiedene Aminosäuren. Die Zelle löst dieses Problem mit einem sehr konservierten Codierungssystem: Für jede Aminosäure steht in der RNA eine bestimmte Dreiergruppe aus Nucleotiden, auch Triplett oder Codon genannt. So codiert zum Beispiel das Triplett CUG die Aminosäure Leucin, CGG steht für Arginin und UAA ist eines der drei Tripletts, die als Stoppsignal verwendet werden. Die molekularen Details dieser Codierungsweise machen die Translation sehr viel komplizierter als die Transkription. Mehr als 50 unterschiedliche molekulare Maschinen müssen dabei zusammenwirken: Manche bestehen aus Protein, manche aus RNA und manche aus einer Kombination aus beidem. Für das tatsächliche physische Zusammentreffen jedes Nucleotidtripletts mit der entsprechenden Aminosäure sorgt ein spezieller RNA-Typ, die sogenannte Transfer-RNA. Von dieser Transfer-RNA werden 20 verschiedene Molekültypen hergestellt. Das entsprechende Nucleotidtriplett (Anticodon genannt) be¿ndet sich an einer Seite des Moleküls und die Bindungsstelle für die dazugehörige Aminosäure liegt auf der gegenüberliegenden Seite. Eine Gruppe von 20 verschiedenen Enzymen (Aminoacyl-tRNA-Synthetasen) heftet die jeweils zum Anticodon passende Aminosäure an die verschiedenen Transfer-RNA-Typen. Dann kommen Ribosomen ins Spiel, die das eigentliche Protein aufbauen. Unter der Regie bestimmter Proteine, die den Prozess in Gang setzen und beenden, sowie anderer Proteine, die für jeden Schritt die notwendige Energie bereitstellen, wandern die Ribosomen an einem RNA-Strang entlang, bringen die mit Aminosäuren beladenen Transfer-RNA-Moleküle in die richtige Reihenfolge und verknüpfen die mitgebrachten Aminosäuren. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 20 Aminosäuren pro Sekunde dauert es etwa 20 Sekunden, bis ein durchschnittliches Protein synthetisiert ist. Die informationsgesteuerte Synthese von RNA und Protein ist eine erstaunlich elegante Lösung für den Molekülaufbau. Die gesamte Information ist im Genom der Zelle gespeichert; wird ein neues Protein oder RNA benötigt, wird die Information abgelesen und als Bauanleitung verwendet. Entscheidend ist jedoch, dass die Information im Genom einfach nur modi¿ziert werden muss, um völlig neue Proteine und RNA herstellen zu können. Für die Synthese eines neuartigen Proteins sind keine neuen Enzyme erforderlich; es werden einfach nur die Anweisungen verändert, und die Maschinen der Proteinsynthese bauen das Gewünschte. Ein Vergleich des Genoms verschiedener Organismen hat gezeigt, dass die Erbinformation im Laufe der Evolution schon vielen Formen von Mutationen, von
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Abb. 3.4 Translation von RNA zum Proteinaufbau Die Proteinsynthese erfordert das Zusammenwirken von Dutzenden unterschiedlicher Proteine. Im oberen Teil der Abbildung sieht man die Transfer-RNA, an der die Aminosäure Phenylalanin hängt, und daneben die Phenylalanyl-tRNA-Synthetase – das Enzym, das das Phenylalanin an die Transfer-RNA heftet. Für die anderen 19 Aminosäuren werden 19 weitere Transfer-RNA-Moleküle zusammengesetzt, jedes mit einer eigenen Synthetase. Viele Proteine sind an dem Prozess beteiligt. In Bakterienzellen geleitet der Elongationsfaktor Tu die Transfer-RNA zum Ribosom und stellt Energie bereit, und der Elongationsfaktor G schiebt den Messenger-RNAStrang jeweils um ein Codon weiter, sobald der Kette wieder eine Aminosäure hinzugefügt worden ist. Das Ribosom (gegenüberliegende Seite) bringt all diese Moleküle zusammen; es reiht die richtigen Transfer-RNA-Moleküle auf und verbindet die Aminosäuren miteinander (5 000 000 ×).
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Spaltung, Spleißen und Editieren unterlag. Einige essenzielle Proteine, die eine zentrale Funktion erfüllen, sind seit Milliarden von Jahren weitgehend unverändert geblieben. So ist das Enzym Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase, das im ersten Kapitel erwähnt wurde, in menschlichen Zellen und in Bakterien praktisch identisch. Andere Proteine werden jedoch tagtäglich verändert. Unsere Antikörpergene zum Beispiel werden ständig umgebaut und modi¿ziert, um neue, auf die Abwehr von Infektionen fein abgestimmte Antikörper herstellen zu können. Das Genom enthält die Anleitung zum Bau aller Proteine der Zelle sowie vielschichtige Anweisungen darüber, wie, wann und wo diese Informationen eingesetzt werden sollen. Für Dutzende von Organismen ist inzwischen die gesamte Sequenz des Genoms bekannt, darunter für Escherichia coliBakterien und die menschlichen Zellen, die im folgenden Kapitel behandelt werden. Diese Genome bieten ein weites Spektrum, was Umfang und Komplexität betrifft. Die kleinsten Genome scheinen etwa 500 Proteine zu codieren – das Genom des parasitären Bakteriums Mycoplasma genitalium besitzt 580 000 Nucleotide und insgesamt 517 Gene, und die genauere Erforschung dieses Organismus hat gezeigt, dass ungefähr 300 davon für das Bakterium absolut lebensnotwendig sind. Das Genom von Escherichia coli ist mit etwa 4,7 Millionen Nucleotiden und über 4500 Genen deutlich umfangreicher. Unser eigenes Genom besteht aus über 3 Milliarden Nucleotiden; Schätzungen zufolge codiert es etwa 25 000 Proteine. Bakteriengenome sind relativ übersichtlich organisiert. Die Gene liegen direkt nebeneinander und bilden oft jeweils eine spezi¿sche Funktionseinheit (Operon); dazwischen sind regulatorische Informationen eingefügt. Unser eigenes Genom dagegen ist sehr komplex und ungeordnet. Jedes proteincodierende Gen wird von langen DNA-Abschnitten unterbrochen, sodass ein durchschnittliches Gen oft 10- oder 20-mal länger ist, als für die Codierung des Proteins notwendig wäre (Abb. 3.5). Dies ist jedoch von Nutzen, wenn das Gen transkribiert wird. Die RNA-Kopie muss modi¿ziert werden, um diese Segmente zu entfernen, und daraus ergeben sich viele interessante Variationen und ganz neue, zusätzliche Steuerungs- und Regulierungsmöglichkeiten. Mehr als die Hälfte unseres Genoms besteht auch aus Segmenten, die keine Proteine codieren; darunter sind riesige Abschnitte mit sich wiederholenden Sequenzen und viele mobile Elemente, die von einem Ort zum anderen springen. Betrachten wir die Genome verschiedener Organismen, so stellen wir fest, dass die genetische Information von zwei gegenläu¿gen Kräften geformt wird. Einerseits müssen Genome die kostbare genetische Information von Generation zu Generation exakt weitergeben. Andererseits spielt die Mutation des Genoms eine entscheidende Rolle in der Evolution. Die Balance
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Abb. 3.5 Das Gen für menschliches Insulin Hier ist ein kurzes Segment aus dem Genom des Menschen wiedergegeben; unter anderem enthält dieser Abschnitt das Gen, das Insulin codiert. Um das reife Protein zu erhalten, müssen Prozesse auf verschiedenen Ebenen ablaufen. Die proteincodierende Sequenz ist auf der DNA in zwei Segmente aufgeteilt (hier in Großbuchstaben dargestellt). Man erkennt, dass die Sequenz mit ATG (dem typischen Startsignal) beginnt und mit dem Stoppcodon TAG endet. Nachdem die Information in die Messenger-RNA transkribiert wurde und die beiden informationstragenden Segmente durch den Prozess des Spleißens miteinander verbunden worden sind, wird ein langes Proteinmolekül aus 98 Aminosäuren synthetisiert. Dieses wird noch weiter beschnitten: Die Signalsequenz am Anfang (grün dargestellt) und eine Schlaufe in der Mitte (orange) werden entfernt. Die beiden verbliebenen Teile bilden das reife Protein (gelb und rot) (10 000 000 ×).
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zwischen diesen beiden Kräften gestaltet die Vielfalt der Lebensformen; es muss sichergestellt werden, dass Organismen sich arterhaltend fortpÀanzen, es muss aber auch genug Vielfalt vorhanden sein, damit Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen möglich sind. Vergleichen wir das menschliche Genom mit dem von Escherichia coli, dann sehen wir, dass sie sich stark unterscheiden. Ein paar Proteine sind noch zu erkennen, die sich gehalten haben; so zum Beispiel die Enzyme, die am Zuckerabbau beteiligt sind. Das meiste jedoch hat sich stark verändert, seit unsere Urahnen in der Evolution getrennte Wege gingen. Werfen wir dagegen einen Blick auf unsere nahen Verwandten, so ähneln sich unsere Genome auf geradezu unheimliche Weise. Zum Beispiel unterscheidet sich das menschliche Genom nur zu etwa einem Prozent von dem unseres nächsten Verwandten, des Schimpansen. Betrachtet man allerdings, wie viele Exemplare eines jeden Gens vorhanden sind (wodurch seine Expression beeinÀusst wird), die Art und Weise, wie Gene in Genome eingefügt oder aus ihnen gelöscht werden, sowie die geheimnisvollen Funktionen riesiger Abschnitte nichtcodierender DNA, dann sind die Unterschiede eigentlich viel größer. Sie haben einen subtilen, aber entscheidenden EinÀuss auf die Entwicklung, sodass unsere Körper doch anders aussehen als die von Schimpansen. Das Genom ist allerdings nicht die einzige Informationsquelle, die wir zum Verständnis einer lebenden Zelle brauchen. Es stellt nur einen Teil des Gesamtbildes dar und kann uns nur nützlich sein, wenn wir es im zellulären Kontext sehen. Um eine umfassende Vorstellung davon zu erhalten, was in der lebenden Zelle abläuft, müssen wir uns auch mit der Gesamtheit der Proteine befassen, die auf Grundlage des Genoms synthetisiert werden (oft auch als Proteom bezeichnet). Wir müssen verstehen, wie diese Proteine gebildet werden und wie sie miteinander in Wechselwirkung treten (Interaktom genannt). Wir müssen all die anderen Moleküle in der Zelle kennenlernen – die sich selbsttätig aufbauenden Lipidmembranen, die vielen unterschiedlichen RNA-Moleküle, die verschiedenen Polysaccharide und die Scharen von kleinen Molekülen, die zwischen den größeren umhersausen. Durch sorgfältige wissenschaftliche Betrachtung können wir an einen Punkt gelangen, an dem jedes dieser vielen Puzzleteilchen seinen Platz ¿ndet; dann kennen wir den gesamten Bauplan für eine lebende Zelle.
Nutzung von Energie In ihrem ständigen Kampf ums Überleben verbrennen Lebewesen eine Menge Energie. Einige Bereiche, in denen diese Energie genutzt wird, sind offensichtlich: Unser Körper hat einen hohen Energieverbrauch, wenn wir
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uns bewegen, und wir benötigen viel Energie, um uns warm zu halten. Doch es gibt noch andere Prozesse – in kleinerem Maßstab –, die ebenfalls Energie erfordern. Wir brauchen Energie, um die chemischen Reaktionen in unseren Zellen zu steuern und sicherzustellen, dass die richtigen Reaktionen jeweils zum richtigen Zeitpunkt ablaufen. Die winzigen Motoren und Pumpen im Molekülformat brauchen Energie, um Material durch die Zelle zu transportieren und ihre Fracht rechtzeitig abliefern zu können. Ein konstanter EnergieÀuss ermöglicht es den Zellen – und damit dem ganzen Organismus –, der natürlichen Tendenz zur Abkühlung, zum Ruhezustand und zum langsamen, aber unerbittlichen Verfall Widerstand zu leisten. Die Hauptenergiequelle auf der Erde ist die Sonne. Einige exotische Bakterien gewinnen ihren Treibstoff aus ungewöhnlichen Reaktionen mit gasförmigem Wasserstoff, Schwefel oder Ammoniak, doch die meisten Lebensformen verlassen sich letzten Endes auf das Sonnenlicht als Energiequelle für ihr Leben. PÀanzen fangen das Sonnenlicht ein und nutzen seine Energie, um mithilfe der Photosynthese aus Kohlendioxid und Wasser Zuckermoleküle zu bilden (Abb. 3.6). Diese Zuckermoleküle werden dann von der PÀanze – und letztlich von den meisten Tieren, Bakterien und Pilzen – als Brennstoff für die zahlreichen Abläufe in der Zelle verwendet. Ein Großteil der Energie in unseren Zellen wird durch Spaltung des Einfachzuckers Glucose erzeugt. Die Kohlenstoff- und Wasserstoffatome in den Glucosemolekülen werden gespalten und an Sauerstoff gebunden, sodass Wasser und Kohlendioxid entsteht. Das ist der Grund, warum wir den Sauerstoff aus der Luft einatmen müssen – ohne diesen Sauerstoff könnten wir keine Energie als Brennstoff für unsere Zellen erzeugen. Bei der Verbindung von Glucose und Sauerstoff wird viel Energie freigesetzt. Dies ist uns allen vertraut, denn eine ähnliche Reaktion erfolgt, wenn wir Holz verbrennen, das zum großen Teil aus langen Ketten aus Zuckern wie Glucose besteht. Unsere Zellen können allerdings nicht einfach Nährstoffe verbrennen wie ein Ofen: Die gesamte Energie würde gleichzeitig als Wärme abgegeben und könnte nicht eingefangen und nutzbar gemacht werden. Stattdessen wenden Zellen eine weniger direkte Methode an. Sie teilen sich ihre Energie in kleine Portionen auf, indem sie Glucosemoleküle in vielen aufeinanderfolgenden Schritten spalten; so ist jeder Schritt genau kontrollierbar und es ¿nden nur geringe energetische Veränderungen statt. Zellen verwalten viele verschiedene Arten von Energie, darunter chemische Energie, elektrochemische Energie, physikalische Bewegung, Absorption und Emission von Licht und der ElektronenÀuss. Wie die Zuckerspaltung führen die molekularen Maschinen auch diese energetischen Prozesse in kleinen Schritten aus. Chemische Energie wird durch Reaktionen einzelner Moleküle gewonnen. Elektrochemische Energie wird gespeichert, indem einzelne Ionen verschoben werden, Licht wird
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in einzelnen Photonen eingefangen und Elektronen werden einzeln eine Kette von Carriermolekülen entlang weitergereicht. Dies erlaubt ein Maß an Kontrolle und Ef¿zienz, wie wir es in unserer vertrauten makroskopischen Welt nur selten erleben. Chemische Energie wird gewonnen, indem energetisch besonders günstige chemische Reaktionen ausgeführt werden, deren Energie dann genutzt wird, um andere, energetisch ungünstigere Prozesse anzutreiben. ATP (Adenosintriphosphat) ist das häu¿gste Trägermolekül für chemische Energie (Abb. 3.7). Es dient dazu, chemische Energie aufzunehmen und sie an den Ort zu transportieren, wo sie benötigt wird. ATP ist ein Nucleotid, so wie die in der DNA enthaltenen; nur trägt es an einem Ende drei nebeneinanderliegende Phosphatgruppen. Jede dieser Phosphatgruppen hat eine negative elektrische Ladung, sodass sie sich gegenseitig stark abstoßen. Deswegen ist ATP schwer zu bilden, aber leicht zu spalten. Die Zelle macht sich das zunutze, indem sie ATP synthetisiert, wenn eine starke Energiequelle zur Verfügung steht, und es abbaut, wenn sie Energie für einen energetisch ungünstigen Prozess braucht. So sind zum Beispiel einige der Reaktionen bei der Spaltung von Zucker energetisch besonders günstig; deshalb lassen die Enzyme, die diese Schritte durchführen, zwei Reaktionen gleichzeitig ablaufen: die energetisch günstige Abbaureaktion wird mit dem Aufbau von ATP gekoppelt. Im entgegengesetzten Fall wird eine träge Reaktion, wie zum Beispiel die Bindung von Aminosäuren an Transfer-RNA (Abb. 3.8), dadurch beschleunigt, dass sie mit der Spaltung von ATP verknüpft wird. Zellen beziehen ihre Energie auch aus elektrochemischen Batterien, die in ihrer Größe natürlich den zellulären Dimensionen angepasst sind. Elektrisch geladene Ionen wie Wasserstoff- oder Natriumionen werden Ż Abb. 3.6 Das Photosystem und die Ribulosebisphosphat-Carboxylase Diese beiden Proteine versorgen – zusammen mit einer Reihe unterstützender Proteine – die meisten Lebewesen auf der Erde mit Nährstoffen. Das Photosystem fängt mithilfe von farbigen Chlorophyllmolekülen Licht ein und nutzt die Energie dann zur Erzeugung eines energiereichen ElektronenÀusses. Die Abbildung zeigt nur die Chlorophyllmoleküle und andere Cofaktoren – in Wirklichkeit sind diese von Proteinketten umgeben. Die zentrale lichtabhängige Reaktion ¿ndet jeweils im Zentrum der drei Untereinheiten statt. Dabei kommt eine spezielle Schaltstelle aus Chlorophyllmolekülen und Eisen-Schwefel-Clustern zum Einsatz (hier in kräftigen Farben dargestellt). Die vielen umgebenden Chlorophyllmoleküle fungieren als Antennen, die Licht einfangen und die Energie nach innen leiten. Nach einer Reihe von Umwandlungsprozessen wird die Energie letztlich von dem Enzym Ribulosebisphosphat-Carboxylase/Oxygenase dazu verwendet, aus Kohlendioxid verdauliche Zuckermoleküle herzustellen (5 000 000 ×).
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Abb. 3.7 ATP (Adenosintriphosphat) ATP ist instabil, weil die drei Phosphatgruppen, von denen jede eine negative elektrische Ladung trägt, direkt miteinander verbunden sind. Die hier gezeigte Reaktion, bei der Wasser die Bindung zwischen zwei Phosphaten aufbricht, ist energetisch sehr günstig und dient als Antrieb für viele Prozesse in der Zelle (30 000 000 ×).
durch die Membran gepumpt und sammeln sich auf einer Seite. Dadurch entsteht wie in einer aufgeladenen Batterie ein elektrochemischer Gradient, der zum Antrieb anderer Maschinen genutzt werden kann, indem die Ionen durch die Membran zurückwandern dürfen, wobei das Gefälle wieder ausgeglichen wird. Es gibt viele Methoden, um diese Ionen durch Membranen hindurchzupumpen, darunter die Spaltung von ATP, die Absorption von Licht oder ein energiereicher ElektronenÀuss. Elektrochemische Gradienten werden für viele Zwecke genutzt; so kommt zum Beispiel ein Natriumionengradient bei der Übertragung von Signalen in Nerven zum Einsatz, und ein Gradient von Wasserstof¿onen dient als Hauptenergiequelle für die Herstellung von ATP in der Zelle. Für viele Spezialaufgaben wird physikalische Energie gebraucht. Proteine sind dynamische Maschinen, und verschiedene Bewegungsformen können völlig unterschiedliche Funktionen haben. Manche dieser Bewegungen sind mit bloßem Auge sichtbar; so bewegen wir etwa durch die Bewegung der Muskelproteine unsere Arme und Beine. Doch meist handelt es sich um viel kleinere Bewegungen. Repressormoleküle zum Beispiel
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Abb. 3.8 Nutzung von ATP ATP energetisiert viele Reaktionen, so zum Beispiel das Anheften von Aminosäuren an die Transfer-RNA bei der Proteinsynthese. Im unteren Teil der Abbildung sieht man das Enzym Aspartyl-tRNA-Synthetase, an das zwei Transfer-RNAMoleküle gebunden haben. Die Enden des Transfer-RNA-Moleküls sind tief im aktiven Zentrum des Enzyms verankert, wo die Aminosäure Asparaginsäure angefügt wird. Wie im oberen Teil der Abbildung zu sehen, läuft die Reaktion in zwei Schritten ab; die Energie dafür liefert die Spaltung von ATP. Im ersten Schritt werden zwei Phosphate von dem ATPMolekül abgespalten. Der verbleibende Teil bindet an die Aminosäure und aktiviert sie. Im zweiten Schritt wird die aktivierte Aminosäure an die Transfer-RNA geheftet, wobei AMP freigesetzt wird (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
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Abb. 3.9 Zyklische Photophosphorylierung PÀanzen nutzen Lichtenergie zur Bildung von ATP, doch dazu müssen sie viele Energieumwandlungsprozesse ausführen. Am Anfang steht ein Protein des Photosystems, das einzelne Photonen des Lichts einfängt und deren Energie zur Erzeugung energiereicher Elektronen verwendet. Diese Elektronen werden dann von verschiedenen Proteinen und über eine Kette von Eisen- und Kupferionen weitergereicht und verlieren dabei allmählich ihre Energie, bis sie zum Photosystem zurückkehren – bereit, wieder mit Lichtenergie aufgeladen zu werden. Während die Elektronen durch den Cytochrom-b6f-Komplex strömen, dienen sie als Antrieb für eine Pumpe, die Wasserstof¿onen durch die Membran hindurchpumpt und so einen elektrochemischen Gradienten erzeugt. Dieser Gradient wird schließlich als Antriebskraft für die ATP-Synthese genutzt (5 000 000 ×).
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nutzen winzig kleine Veränderungen ihrer Form als An- und Aus-Schalter – in der einen Form passen sie perfekt zur DNA-Doppelhelix und blockieren sie; in einer etwas breiteren Form passen sie überhaupt nicht, sie fallen ab und geben das Gen zum Ablesen frei. Diese unterschiedlichen Energieformen werden für spezielle Aufgaben oft ausgetauscht. So nutzt zum Beispiel das Motormolekül Myosin Energie aus der ATP-Spaltung; es wandelt dabei chemische Energie in physikalische Bewegung um. Bacteriorhodopsin absorbiert Licht und nutzt die Energie, um Wasserstof¿onen durch eine Membran zu pumpen, sodass ein elektrochemischer Gradient entsteht. Das Protein ATP-Synthase kann drei Energieformen ineinander überführen: Es wandelt elektrochemische Energie in eine physikalische Drehbewegung und schließlich in chemische Energie um. Im Prozess der zyklischen Phosphorylierung (Abb. 3.9 und 3.10), bei dem PÀanzen mithilfe von Lichtenergie ATP erzeugen, spielen alle drei Energieformen zusammen.
Schutz und Wahrnehmung Wenn wir in der Welt bestehen wollen, müssen wir unseren Körper abgrenzen und vor unserer Umwelt schützen, doch gleichzeitig müssen wir veränderte Bedingungen wahrnehmen und darauf reagieren. Um diese entgegengesetzten Funktionen erfüllen zu können, haben heutige Organismen eine verblüffende Vielfalt unterschiedlicher molekularer Maschinen entwickelt. Hier drückt sich die Mannigfaltigkeit des Lebens aus. Die grundlegenden Mechanismen des Molekülaufbaus und der Energieerzeugung, die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt wurden, sind bei allen lebenden Zellen sehr ähnlich. Doch die Organismen haben viele verschiedene – und sehr spezielle – Methoden entwickelt, um mit den jeweiligen Herausforderungen ihrer Umwelt zurechtzukommen. Die Mechanismen, mit denen sich eine Zelle vor salzigem Meerwasser abschirmt, sind völlig andere als die, mit denen sie sich vor Wüstenhitze oder dünner Gebirgsluft schützt. Neuartige Kombinationen molekularer Maschinen ermöglichen es einem Organismus, einer Beute hinterherzuschwimmen, vor einem Feind zu Àiehen oder einfach nur richtig schlecht zu schmecken. Allen lebenden Zellen liegt ein bestimmtes Motiv zugrunde: Eine Lipiddoppelschicht bildet die Primärwand, die die Zelle umgibt und sie vor ihrer Umwelt abschirmt. Lipiddoppelschichten sind Àexible, sich selbst wieder schließende Barrieren, die die meisten Moleküle daran hindern, in die Zelle einzudringen. Die Zellmembran sorgt dafür, dass der Maschinenpark der Zelle in ihrem Inneren bleibt; gefährliche Moleküle dürfen nicht herein. Doch eine völlig undurchlässige Haut wäre für die Zelle nutzlos. Wie sollte
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Abb. 3.10 ATP-Synthase Die ATP-Synthase ist ein Generator von der Größe eines Moleküls, der elektrochemische Energie in chemische Energie umwandelt. Das Molekül besteht aus zwei rotierenden Motoren, die durch eine asymmetrische Achse miteinander verbunden sind. Der Strom von Wasserstof¿onen durch den unteren Motor hindurch, der in eine Membran eingebettet ist, dreht den großen zylindrischen Rotor. Dieser ist mit der Achse verbunden, die nun die Drehbewegung in das Innere des zweiten, oberen Motors überträgt. Mit jeder Umdrehung verzerrt die Achse die Untereinheiten des oberen Motors und katalysiert dabei eine Reaktion, bei der die instabilen Phosphat-Phosphat-Bindungen des ATP erzeugt werden (5 000 000 ×).
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sie jemals Nährstoffe aufnehmen? Die Zelle löst dieses Problem, indem sie Proteinpumpen baut, die durch die Membran hindurchreichen und Moleküle von einer Seite der Membran zur anderen befördern (Abb. 3.11). So werden zum Beispiel spezielle Pumpen dafür hergestellt, Aminosäuren in die Zelle hineinzupumpen, andere sind dazu da, Harnstoff herauszupumpen, und wieder andere dienen ausschließlich dazu, durch die Membran hindurch Natrium gegen Kalium auszutauschen. Mithilfe dieser Pumpen regulieren Zellen den Molekülstrom durch die Membran sehr genau: Nährstoffe werden herein- und Abfallstoffe hinausbefördert. GroßÀächige Lipiddoppelschichten sind jedoch ¿ligrane Strukturen; deshalb müssen sie stabilisiert werden, um einen starken Schutzwall gegen WitterungseinÀüsse und Fressfeinde zu bilden. Wir können erkennen, wie
Abb. 3.11 Transport durch die Zellmembran Diese drei Proteine gehören zu den zahlreichen Proteinpumpen, die sich in der Membran von Escherichia coli-Zellen be¿nden. Links sieht man, wie Vitamin B12 von dem (blau dargestellten) Scavenger-Protein eingefangen und zum Transport durch die Membran hindurch an die Pumpe übergeben wird. Das Protein in der Mitte ist ein Antiporter, der Wasserstoff- und Natriumionen in entgegengesetzte Richtungen befördert. Das Protein rechts gibt Magnesiumionen in die Zelle ab (5 000 000 ×).
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sich zu diesem Problem im Laufe der Evolution vielfältige Lösungen entwickelt haben. So bauen zum Beispiel PÀanzenzellen an der Außenseite ihrer Lipiddoppelschicht einen stabilen Überzug aus Cellulose auf. Diese Polysaccharidschicht ist so widerstandsfähig, dass sie noch lange nach dem Absterben der PÀanze bestehen bleibt und von uns als Holz beziehungsweise Papier genutzt werden kann. Die Zellen in unserem Körper, mit denen wir uns in den Kapiteln 5 und 6 befassen werden, benutzen ein innenliegendes Gerüst aus Protein, das an bestimmten Punkten an der Lipiddoppelschicht befestigt und mit einem Netz aus Proteinfasern verbunden ist und das sich durch die ganze Zelle zieht. Das im folgenden Kapitel beschriebene Bakterium baut zwei konzentrische Lipiddoppelschichten auf, zwischen die eine widerstandsfähige Lage aus Zucker und Protein eingebaut ist. Bei den molekularen Maschinen, die für Wahrnehmung und Reaktion zuständig sind, ist die Vielfalt besonders groß. Das war natürlich zu erwarten, da die Umwelt der stärkste Einzelfaktor ist, der die Evolution der Organismen beeinÀusst. Durch die natürliche Auslese hat sich jede Tier- und PÀanzenart so entwickelt, dass sie in ihrer speziellen ökologischen Nische ihre Umwelt wahrnehmen, sie nutzen und sich vermehren kann. Vergleichen wir einmal zwei entfernt miteinander verwandte Organismen: das Darmbakterium Escherichia coli und seinen Wirt, den Menschen. Damit ist das ganze Spektrum der Komplexität von Lebewesen abgedeckt. Das Bakterium kann kurzfristige Veränderungen in seiner Umgebung nur in beschränktem Maße wahrnehmen und darauf reagieren, während der größte Teil des menschlichen Körpers mit genau diesen Aufgaben beschäftigt ist. Bei Zellen von Escherichia coli sind weniger als fünf Prozent der molekularen Maschinen für Bewegung und Wahrnehmung zuständig, was nur ganz einfache Reaktionen ermöglicht (im folgenden Kapitel ausführlicher beschrieben). Der menschliche Körper ist dagegen auf spezi¿sche, zielgerichtete Bewegungen ausgelegt, die von einem differenzierten, vernunftgeleiteten Wahrnehmungsapparat gesteuert werden. Der größte Teil unserer Körpermasse ist mit Sinneswahrnehmung, Reaktion und Bewegung beschäftigt. Die Zellen in unserer Netzhaut enthalten große Mengen des Proteins Opsin, das Licht wahrnimmt; Licht, das dann von dicht gestapelten Linsenfaserzellen, voll gepackt mit durchscheinenden Crystallin-Proteinen, gesammelt wird. Bestimmte Zellen in unserer Haut verspinnen unglaublich lange Proteinstränge zu unseren Haaren, und andere Zellen nehmen deren geringste Bewegung wahr. Diese und andere sensorische Daten werden von Nervenzellen übermittelt und ausgewertet; diese Zellen senden elektrische Impulse aus, die über Proteine weitergeleitet werden, wobei um die Nervenzellen gewundene Lipidschichten der elektrischen Isolierung dienen. Die Feinabstimmung der Bewegung erfolgt durch ein riesiges Skelett aus mine-
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ralisierten Knochenzellen; die Bewegung selbst wird von proteingefüllten Muskelzellen ausgeführt, die auf Kontraktionen spezialisiert sind. Das Ganze wird von Bindegewebszellen zusammengehalten, die widerstandsfähige Schichten aus Zucker und Protein ausbilden. Durch all diese Vielfalt hindurch bleibt jedoch der rote Faden erkennbar, der alle Lebensformen auf der Erde miteinander verbindet: Er verknüpft das einfache Bakterium mit dem komplexen menschlichen Körper. All diese einzigartigen molekularen Maschinen bestehen aus den gleichen vier molekularen Grundbausteinen – Proteinen, Nucleinsäuren, Lipiden und Polysacchariden.
Kapitel 4 Moleküle in Zellen: Escherichia coli
Für die Erforschung von Zellen sind Bakterien ein hervorragender Ausgangspunkt. Sie sind klein, kompakt und eigenständig; unter günstigen Bedingungen wachsen und vermehren sie sich schnell, und sie können auf wirksame Mechanismen zurückgreifen, um in einer feindlichen Umgebung Trockenperioden zu überstehen. Man kann durchaus behaupten, dass Bakterien die erfolgreichsten Lebewesen auf der Erde sind. Sie sind fast überall zu ¿nden, in eiskaltem Wasser genauso wie in kochend heißen Quellen, und sie haben Mechanismen entwickelt, mit denen sie sich jede nur mögliche Nahrungsquelle erschließen können. Wenn wir uns mit Bakterien beschäftigen wollen, ist Escherichia coli für unsere Untersuchungen wohl die beste Wahl. Escherichia coli ist gegenwärtig von allen in der Wissenschaft bekannten zellulären Organismen am besten erforscht. Seit seiner Entdeckung durch Theodor Escherich im Jahre 1885 ist das Bakterium eines der zentralen Studienobjekte der Biochemie. Das liegt zum Teil daran, dass es allgemein verfügbar und leicht zu züchten ist, zum Teil war es reiner Zufall. Zellen von Escherichia coli haben bei vielen bahnbrechenden Entdeckungen in der Biochemie eine wichtige Rolle gespielt: beim genetischen Code, bei der Glykolyse und bei der Steuerung der Proteinsynthese. Mithilfe von gereinigten Proteinen und Stämmen mit mutierten Proteinen sind viele der grundlegenden Lebensprozesse an Escherichia coli erforscht worden. Ż Abb. 4.1 Inneres einer Bakterienzelle Die genaue Betrachtung einer Escherichia coliZelle zeigt, dass darin wohlorganisierte Betriebsamkeit herrscht. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einer Zelle, so weit vergrößert, dass man die einzelnen Moleküle erkennen kann. Dargestellt sind nur die großen Biomoleküle, darunter Proteine, Nucleinsäuren, Polysaccharide und Lipidmembranen. Die Zwischenräume sind mit Wasser, Zuckermolekülen, Nucleotiden, Aminosäuren, Metallionen und vielen anderen kleinen Molekülen gefüllt, wie in Abbildung 4.3 dargestellt ist (1 000 000 ×).
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In letzter Zeit hat sich die Wissenschaft mit der Zelle als Ganzem befasst und versucht herauszu¿nden, wie ihre Teile zusammenarbeiten. Escherichia coli war einer der ersten Organismen, deren DNA vollständig entschlüsselt wurde; wir können uns also heute das Genom dieses Bakteriums ansehen und kennen die gesamten Baupläne für all seine Proteine. Außerdem wurden Proteom und Interaktom ausgiebig analysiert, um unser Wissen über das gesamte von der Zelle hergestellte Sortiment an Proteinen zu erweitern und zu erfahren, wie diese Proteine unter unterschiedlichen Umweltbedingungen miteinander in Wechselwirkung treten und sich verändern. Aufgrund dieser Informationen sowie der Vielzahl bekannter Strukturen der Biomoleküle von Escherichia coli besitzen wir für diese gründlich erforschte Zelle praktisch eine komplette Liste aller Bauteile sowie eine detaillierte Baubeschreibung (Abb. 4.1, 4.2 und 4.3). Eine typische Escherichia coli-Zelle ist zu einem großen Teil mit Wasser gefüllt; es macht etwa 70 Prozent der Zellmasse aus. Die anderen 30 Prozent bestehen aus Proteinen, Nucleinsäuren, Ionen und zahlreichen anderen Molekülen. Das klingt vielleicht nach einer Menge Wasser, doch eigentlich ist die ZellÀüssigkeit viel konzentrierter als die meisten uns bekannten Flüssigkeiten. Eiklar zum Beispiel ist eine klebrige Mischung aus ca. 90 Prozent Wasser und 10 Prozent Protein – man stelle sich die Konsistenz einer noch konzentrierteren Lösung vor. Die dicht gepackten Moleküle kommen in allen möglichen Formen und Größen vor. Das Genom codiert über 4300 verschiedene Proteinketten sowie 191 verschiedene RNA-Moleküle. Diese führen schätzungsweise 1250 enzymatische Reaktionen durch und erfüllen 255 Transportfunktionen. Etwa 1220 Arten von kleinen Molekülen – darunter Aminosäuren, Nucleotide, Zucker und eine Menge andere – schwimmen in dem verbleibenden Raum zwischen den größeren Molekülen umher. In dieser winzigen Zelle geht es offenbar sehr geschäftig zu.
Die schützende äußere Begrenzung Jede Escherichia coli-Zelle ist von einer vielschichtigen Zellwand umgeben (Abb. 4.4). Diese hat verschiedene wichtige Funktionen, doch in erster Linie stellt sie den Schutzwall dar, der die Maschinen in der Zelle vor den Gefahren der Außenwelt abschottet. Die Membran ganz außen bildet die erste Verteidigungslinie der Zelle. Es handelt sich um eine Lipiddoppelschicht, deren Außenseite hauptsächlich aus speziellen Lipiden, den sogenannten Lipopolysacchariden, gebildet wird. Lipopolysaccharide sind lange Polysaccharidfäden, an deren einem Ende jeweils ein kleines Bündel aus Lipiden hängt. Über die Lipide ist das Molekül in der Membran
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Abb. 4.2 Escherichia coli Die gesamte Zellarchitektur ist vom Konzept her einfach, im Detail jedoch hoch komplex. Jede Zelle ist von einer doppelschichtigen Zellwand umgeben; alle löslichen Zellbestandteile be¿nden sich im Inneren. Lange, korkenzieherförmige Geißeln werden von Geißelmotoren, die in die Membran eingelassen sind, zum Rotieren gebracht. In allen erdenklichen Winkeln stehen Fimbrien von der Zellwand ab; sie dienen der Verankerung der Zelle an einem Ort. Das Zellinnere kann man grob in zwei Bereiche unterteilen – den mit einer Lösung gefüllten Teil der Zelle, der die meisten Ribosomen und Enzyme enthält, und ein Nucleoid (Kernäquivalent), in dem sich vorwiegend das verknäuelte DNA-Genom be¿ndet. Der farbig markierte Abschnitt der Zelle ist auf der vorhergehenden Abbildung als Detailvergrößerung dargestellt. Die Zelle als Ganzes ist auch in Abbildung 1.1 zu sehen (10 000 ×).
verankert, während die Polysaccharidketten in die umgebende Flüssigkeit hineinragen und eine klebrige Schutzschicht bilden. Genau diese Lipopolysaccharide dienen unserem Immunsystem als Erkennungsmerkmal für Bakterien, sobald diese anfangen, in unseren Körper einzudringen.
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Abb. 4.3 Wasser und kleine Moleküle Diese Abbildung zeigt einen kleinen Ausschnitt aus der Zelle bei stärkerer Vergrößerung; hier wird das Gewimmel von kleinen Molekülen zwischen den größeren Proteinen und Nucleinsäuren sehr deutlich. Aminosäuren, Zucker, ATP und viele andere kleine organische Moleküle sind rosafarben dargestellt. Metallionen sind leuchtend rot, Phosphationen gelb beziehungsweise orange und Chloridionen grün gefärbt. Der verbleibende Raum ist mit Wassermolekülen (türkisblau) gefüllt (5 000 000 ×).
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Abb. 4.4 Zellwand Die Zellwand setzt sich aus zwei konzentrischen Schichten zusammen, die durch den sogenannten periplasmatischen Raum getrennt sind. Zu den Molekülen in der äußeren Membran gehören Lipopolysaccharide (A), Lipoproteine (B), Porin (C), OmpA (D), Fimbrien-Usher („Platzanweiser”; E), Fimbrien (F) und das Eisentransportprotein FhnA (G). Der periplasmatische Raum ist mit einer stützenden Schicht aus Peptidoglykan (H) sowie zahlreichen kleinen Schutzenzymen gefüllt, wie zum Beispiel ȕ-Lactamase (I) und Superoxid-Dismutase (J). Er enthält ebenfalls eine Ansammlung von periplasmatischen Bindungsproteinen (K), die Nährstoffe an Transportmoleküle in der inneren Membran weitergeben, etwa an den Vitamin-B12-Transporter (L). Die innere Membran enthält eine verwirrende Vielfalt molekularer Maschinen, darunter die Enzyme, die die Peptidoglykanhülle synthetisieren (M), mechanosensorische Kanäle (N), den Multidrug-Resistance-Transporter (O) und Ionentransporter wie den Magnesiumtransporter (P) sowie den Natrium/WasserstoffAntiporter (Q). Überraschenderweise werden bakterielle Zellwände oft durch ein einfaches Cytoskelett gestützt, etwa aus dem actinähnlichen Protein MreB (R).
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Antikörper identi¿zieren die Lipopolysaccharide und mobilisieren unsere Abwehrmechanismen, um die Infektion zu bekämpfen. Die äußere Membran ist jedoch nicht völlig undurchlässig. Sie stellt einen groben Filter dar, der große, gefahrverheißende Moleküle abblockt; kleinere Teilchen aber, zum Beispiel Nahrungspartikel, können leicht in die Zelle gelangen. Die äußere Membran ist mit Porinmolekülen durchsetzt, die kleine Löcher in der Membran bilden. Diese Löcher sind gerade so groß, dass Nahrungspartikel und Ionen hineingelangen können, aber klein genug, um die zellulären Maschinen im Inneren zu halten. In der äußeren Membran sind auch zahlreiche Fimbrien verankert. Diese langen, dünnen Proteinkomplexe werden Stück für Stück durch spezielle Proteintore in der äußeren Membran aus der Zelle herausgepresst. Fimbrien haben klebrige Enden, und wenn das Bakterium einen günstigen Standort gefunden hat, heften sie es dort an. Der jeweilige Fimbrientyp eines bestimmten Bakterienstammes ist für uns Menschen von Bedeutung: Die Fimbrien pathogener Bakterien ermöglichen es ihnen, sich an menschliche Zellen anzuheften und dem Angriff der Zellen unseres Immunsystems zu trotzen. Der Raum zwischen den beiden Membranen wird als periplasmatischer Raum oder Periplasma bezeichnet. Er enthält die wichtigsten Strukturelemente, die die Zelle stützen und ihr ihre längliche Form geben. Unmittelbar an der Innenseite der äußeren Membran be¿ndet sich eine feste Peptidoglykanschicht, ein GeÀecht aus vernetzten Polysacchariden und Proteinen. Diese netzartige Hülle umschließt die ganze Zelle, stabilisiert sie und hält sie in der richtigen Form. Die Peptidoglykanschicht ist über verschiedene Proteine fest mit der äußeren Membran verbunden; darunter kleine Lipoproteine, die aus einem kleinen, mit einem Lipid verbundenen Protein bestehen, und OmpA, das in die äußere Membran eingelagert ist und in das Innere ragt, wo es mit den Peptidoglykansträngen verknüpft ist. Die Stützfunktion der bakteriellen Peptidoglykanschicht spielt für den Menschen eine besondere Rolle: Hier be¿ndet sich die Achillesferse der Bakterienzelle. Viele wichtige Antibiotika, zum Beispiel Penicillin, töten Bakterienzellen ab, indem sie die Enzyme angreifen, die die Peptidoglykanschicht synthetisieren. Werden Bakterienzellen Penicillin ausgesetzt, so verlieren sie ihre Form und platzen schließlich unter dem osmotischen Druck. Zusammen mit dem Peptidoglykan be¿nden sich viele kleine Proteine im Periplasma zwischen den beiden Zellmembranen. Diese Proteine wählen die Moleküle aus, die für das Zellinnere bestimmt sind, und haben entsprechende Funktionen. Die meisten von ihnen nehmen einen bestimmten Nährstoff auf, etwa einen Zucker oder eine Aminosäure, und liefern ihn an der inneren Membran ab, von wo er ins Zellinnere transportiert wird. Außerdem enthält das Periplasma Enzyme, die die Verdauung aufgenommener Nahrungspar-
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tikel fortsetzen; sie spalten sie in kleine Stücke auf, damit sie nach innen transportiert werden können. Im Periplasma be¿nden sich zudem verschiedene Schutzenzyme, die toxische Verbindungen entgiften, bevor sie weiter vordringen können; darunter die Superoxid-Dismutase, die reaktive Formen des Sauerstoffs spaltet, und die ȕ-Lactamase, die medizinische Wirkstoffe wie Penicillin zerstört. Die innere Membran, auch Cytoplasmamembran genannt, ist mit Proteinen für Transport, Sinneswahrnehmung, Energieerzeugung und viele andere unterschiedliche Aufgaben bestückt. Als Teil des Schutzwalls der Zelle fungiert die innere Membran als selektiver Filter der Zellwand. Anders als die äußere Membran ist sie völlig undurchlässig und verhindert so ein willkürliches Eindringen oder Austreten von Molekülen. Stattdessen besitzt sie viele selektive Pumpenproteine, die die gewünschten Moleküle lokalisieren und nach innen oder außen transportieren, je nachdem, wo sie gebraucht werden. Einige dieser Proteine, zum Beispiel die Calciumpumpe, brauchen zum Transportieren ihrer Ladung Energie aus ATP. Die Cytoplasmamembran enthält auch viele molekulare Schutzvorrichtungen, die häu¿g auftretende Gefahren abwehren. Der große MultidrugResistance-Transporter, der die gesamte Zellwand durchdringt, sammelt toxische Moleküle wie Arzneistoffe und Gifte ein und pumpt sie geradewegs aus der Zelle heraus. Das winzige mechanosensorische Protein McsL nimmt die Spannung der Zellmembran wahr. Steigt der Druck im Inneren der Zelle zu stark an, öffnet sich dieses Protein, ähnlich wie die Iris beim Auge, und verringert kurzfristig den Druck.
Synthese neuer Proteine Über die Hälfte der Moleküle in jeder Escherichia coli-Zelle sind auf irgendeine Weise an der Proteinsynthese beteiligt (Abb. 4.5). In einer typischen Zelle im Wachstumsstadium sind 5000 RNA-Polymerase-Enzyme damit beschäftigt, DNA in RNA zu transkribieren, und mehr als 20 000 Ribosomen beginnen damit, aus den RNA-Strängen Proteine aufzubauen, noch bevor diese fertiggestellt sind. Die 20 Arten von Transfer-RNA-Molekülen schwimmen um die Ribosomen herum und liefern Aminosäuren ab, die an die wachsenden Ketten angefügt werden. Zwanzig verschiedene Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Enzyme hängen neue Aminosäuren an die verbrauchten Transfer-RNA-Moleküle. Zahlreiche Proteinfaktoren setzen den Prozess in Gang, überwachen jeden Schritt der Synthese und beenden zum richtigen Zeitpunkt die neue Proteinkette. Dann sind Chaperoninproteine bei der Entfaltung des Proteins behilÀich. Und schließlich wird das Protein,
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Abb. 4.5 Proteinsynthese in der Bakterienzelle Transkription und Translation werden im Inneren der Zelle durch den kombinierten Einsatz von mehr als 50 molekularen Maschinen ausgeführt. Die genomische Information ist in einem langen, ringförmigen DNAMolekül gespeichert (A). Die DNA-Topoisomerase (B) unterstützt den Prozess, bei dem die RNA-Polymerase (C) die DNA entwindet und eine Messenger-RNA synthetisiert (D). Ribosomen (E) bilden dann anhand der Information im RNA-Strang Proteine; die Aminosäurebausteine werden dabei von einer Transfer-RNA beigesteuert (F). Aminoacyl-tRNASynthetasen (G) fügen die richtigen Aminosäuren an die Transfer-RNA an, und der ganze Prozess wird von den Elongationsfaktoren Tu und Ts (H) und dem Elongationsfaktor G (I) gesteuert. Initiationsfaktoren (J) bringen den ganzen Ablauf in Gang, indem sie die erste Transfer-RNA zum Start dirigieren und die beiden Untereinheiten des Ribosoms anlagern. Schließlich helfen Chaperonine (K) beim Falten des neuen Proteins; das Proteasom ClpA (L) zerstört Proteine, die nicht mehr gebraucht werden.
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Abb. 4.6 Nucleoid Proteine im Nucleoid schützen, reparieren, steuern und verdoppeln die in der DNA gespeicherte genetische Information. Knoten und Schlaufen in der langen, ringförmigen DNA (A) werden von DNA-Topoisomerasen (B) aufgelöst, und Proteine wie HU (C), Fis (D), H-NS (E), LRP (F) und SMC (G) helfen dabei, die DNA in dem kleinen Raum im Inneren der Zelle zu verstauen. Die in der DNA enthaltene Information wird von den gegenläu¿gen Aktionen von Repressoren wie dem Lac-Repressor (H) und Aktivatoren wie dem Katabolitaktivatorprotein (I) reguliert. Brüche in der DNA werden von Proteinen wie RecA (J) und RecBC (K) repariert; fehlerhafte Stellen werden von Enzymen wie MutM (L) korrigiert. Die DNA-Polymerase (M) synthetisiert neue Kopien der DNA, unterstützt von dem Einzelstrangbindungsprotein (N).
wenn die Zelle es nicht mehr benötigt, von Proteasommolekülen wie ClpA zerstört. Jede Stufe im Lebenszyklus eines Proteins wird von Anfang bis Ende von den molekularen Maschinen der Zelle akribisch gesteuert. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Proteine in einem großen ringförmigen DNA-Molekül mit einem Durchmesser von etwa einem halben
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Millimeter codiert, das 4 720 000 Basenpaare enthält. Bakterien verfügen zudem über kleine DNA-Ringe, sogenannte Plasmide, die jeweils nur zwei oder drei Proteine codieren. Plasmide können leicht zwischen Bakterienzellen ausgetauscht werden und dienen dazu, wichtige genetische Informationen auf andere Bakterien zu übertragen. So codieren Plasmide oft Proteine, die Antibiotika angreifen. Indem das entsprechende Plasmid von Zelle zu Zelle weitergegeben wird, kann sich die Resistenz gegen eine Antibiotikabehandlung in einer Bakterienpopulation ausbreiten. Plasmide haben sich auch in der Biotechnologie als ausgesprochen nützlich erwiesen: Ein ganzer Zweig des Genetic Engineering ist durch sie erst möglich geworden. Betrachtet man Bakterienzellen unter dem Mikroskop, so erkennt man in der Mitte einen Bereich, in dem sich keine Ribosomen be¿nden; man bezeichnet ihn als Nucleoid oder Kernzone. Im Nucleoid sind die DNAStränge so dicht gepackt, dass sie wie ein Sieb wirken und große Moleküle nicht passieren lassen. In diesem Bereich ereignet sich eine Menge (Abb. 4.6). Zunächst einmal gibt es ein physikalisches Problem, das nach einer Lösung verlangt: Der einen halben Millimeter große DNA-Ring muss in einen Raum hineingequetscht werden, der weniger als ein Hundertstel seines Durchmessers ausmacht. Dies wird durch mehrere DNAVerpackungsproteine wie HU, ¿s, H-NS und LRP ermöglicht. Sie falten die DNA oder verknüpfen zwei benachbarte Stränge miteinander, oder sie wickeln die DNA zu festen kleinen Knäueln auf. Diese Proteine fallen jedoch leicht wieder von der DNA ab, sodass die Informationen von ihr abgelesen werden können. Das Gewirr von DNA-Strängen schafft auch topologische Probleme. Durch das Winden und Entwinden mittels RNA-Polymerase können ungünstige Schlaufen entstehen, und wenn sich die Zelle teilt, müssen die verhedderten DNA-Ringe entwirrt werden. Diese Probleme werden durch DNA-Topoisomerasen gelöst. Sie setzen gezielt Schnitte in der DNADoppelhelix, damit sie sich entzerren kann oder damit Stränge aneinander vorbeigleiten können. Ist dies geschehen, fügen sie die DNA an den entsprechenden Stellen wieder ordnungsgemäß zusammen. Die Zelle muss auch steuern können, wann und wo jedes Gen eingesetzt wird. Die Verwendung der im DNA-Genom niedergelegten Informationen ist deswegen genau festgelegt. Vielerlei Repressoren und Aktivatoren binden an jedes Gen; sie bestimmen, wann es für die Proteinsynthese benutzt wird. So setzt sich zum Beispiel der Lac-Repressor an den Anfang eines DNA-Abschnitts, der vier im Lactosestoffwechsel benötigte Proteine codiert. Ist Lactose knapp, bindet der Lac-Repressor an die DNA und blockiert die Gene. Ist aber wieder Lactose vorhanden, bewirkt dies eine Formveränderung des Lac-Repressors; er fällt ab. Dann wird die Information dieses
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Gens transkribiert, und die Zelle synthetisiert die Proteine, die zur Lactoseverwertung benötigt werden. Bakterienzellen überprüfen ihr Genom auch auf eventuelle Schäden; problematische Stellen werden zügig repariert. Viele Mechanismen laufen ununterbrochen ab. Der einfachste Schutz besteht darin, dass einzelne Enzyme nach schadhaften Basen suchen. Das MutM-Protein sucht beispielsweise nach beschädigten Guaninbasen und entfernt sie, bevor sie zu einer Mutation im Genom führen können. Zur Reparatur umfangreicherer Schäden stehen der Zelle auch noch weitere Mechanismen zur Verfügung. Einer dieser Vorgänge wird vom RecABC-System durchgeführt. Es kann Brüche in der DNA reparieren, indem es die fehlerhafte DNA mit einem intakten Strang abgleicht (dies wird in Kapitel 7 genauer erläutert). Das setzt natürlich voraus, dass ein unbeschädigter Strang vorhanden ist, der als Vorlage für die Reparatur dienen kann. Glücklicherweise verfügt eine typische Escherichia coli-Zelle über mehrere Kopien ihres DNA-Rings, da die DNA ständig verdoppelt wird. Die Replikation beginnt an einer bestimmten Stelle auf dem DNA-Ring; dazu sind zwei DNA-Polymerase-Moleküle erforderlich. Diese beginnen gleichzeitig mit der Verdopplung der DNA, arbeiten sich in beide Richtungen den Ring entlang weiter vor und beenden den Prozess auf der gegenüberliegenden Seite. Die DNA-Replikation bei Escherichia coli ist sehr ef¿zient. Die DNA-Polymerase fügt in jeder Sekunde etwa 800 neue Nucleotide an; damit dauert es etwa 50 Minuten, bis sich der gesamte Ring verdoppelt hat. In einer schnell wachsenden Escherichia coli-Kultur teilen sich die Zellen jedoch alle halbe Stunde. Damit bleibt nicht genug Zeit, um das gesamte DNA-Genom vor jeder Teilung zu verdoppeln. Escherichia coli-Zellen lösen dieses Problem, indem sie erneut die DNA-Replikation einleiten, noch bevor die vorherige Runde beendet ist. Wenn die beiden Ringe nach einer Verdopplungsrunde auseinanderfallen, hat jeder der neu gebildeten Ringe bereits zur Hälfte eine zweite Verdopplungsrunde durchlaufen. Bakterienzellen sind wirklich gut dafür gerüstet, sich ihre Umwelt nutzbar zu machen.
Energiegewinnung in der Zelle Etwa ein Viertel der Moleküle in jeder Escherichia coli-Zelle sind mit der Energieerzeugung beschäftigt (Abb. 4.7). Da Escherichia coli-Bakterien normalerweise im menschlichen Darm leben, haben sie eine leicht zugängliche Energiequelle: Sie können einfach etwas von der Nahrung verdauen, die wir zu uns nehmen. Andere Bakterien leben jedoch in weniger
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Abb. 4.7 Energieerzeugung Die Enzyme, die unserer Nahrung Energie entziehen, sind über die innere Membran und das Cytoplasma verteilt. Dazu gehören die Enzyme der Glykolyse (A) und des Citratzyklus (B). Manche dieser Moleküle sind an der Herstellung und Nutzung eines Protonengradienten in der inneren Zellmembran beteiligt, darunter der NADHDehydrogenase-Komplex (C), die Ubichinol-Oxidase (D) und die ATP-Synthase (E).
gastlichen Umgebungen und sind daher gezwungen, alle möglichen exotischen Energiequellen zu nutzen, zum Beispiel durch die Oxidation schwefelhaltiger Verbindungen in heißen Quellen. Doch Escherichia coli-Zellen haben es im Allgemeinen leicht. Wir liefern ihnen die Nahrung frei Haus. Die ersten Stufen der Energieproduktion ¿nden außerhalb der Zelle statt: In den die Zelle umgebenden Raum werden Verdauungsenzyme abgegeben. Diese spalten Nahrungsstoffe in kleine, gut handhabbare Bruchstücke, die dann in die Zelle geschleust werden. Doch damit geht die Arbeit erst richtig los. Escherichia coli-Zellen stellen alle möglichen Enzyme her,
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die Nährstoffmoleküle abbauen und die dabei frei werdende Energie zum Aufbau von ATP oder zur Erzeugung elektrochemischer Gradienten nutzen. Je nachdem, welche Nährstoffmoleküle zur Verfügung stehen, werden unterschiedliche Enzyme erzeugt – manche sind darauf spezialisiert, Glucose umzusetzen, andere nehmen sich die Aminosäuren vor, und wieder andere stürzen sich auf die Fette. Diese Enzyme werden je nach Bedarf mobilisiert. Stößt die Zelle zum Beispiel auf eine besonders reichhaltige Quelle von Aspartat, so synthetisiert sie genau das Enzym, das benötigt wird, um diesen Nährstoff zu nutzen. Ist Sauerstoff vorhanden, so kommt bei Escherichia coli-Zellen ein mehrstu¿ges System zum Einsatz, das dem zentralen Energieerzeugungsprozess des menschlichen Körpers sehr ähnlich ist. Es beginnt mit der Glykolyse; eine Serie von zehn Enzymen nimmt Glucose auf und zerlegt sie in zwei Teile. Wie bei allen chemischen Umwandlungsprozessen der Zelle vollzieht sich auch die Glykolyse in vielen, sorgfältig kontrollierten Schritten. Zwei dieser Reaktionen sind energetisch besonders günstig; sie dienen dazu, zwei Moleküle ATP zu erzeugen. Viele Organismen beenden den Prozess an diesem Punkt. Sie nutzen das ATP als Energiequelle und entsorgen die Bruchstücke, zum Beispiel Alkohol. (Auf diese Weise erzeugt Hefe bei der Wein- und Bierherstellung den Alkohol.) Doch die menschlichen Zellen und die von Escherichia coli fügen dem Prozess noch weitere Stufen hinzu, um noch mehr Energie aus den Nährstoffmolekülen zu gewinnen. Die Bruchstücke werden im Citratzyklus vollständig zu Kohlendioxid abgebaut. Wie die Glykolyse ist auch der Citratzyklus eine Serie von chemischen Abläufen, für die jeweils ein ganz bestimmtes Enzym zuständig ist. Während die Moleküle gespalten werden, werden energiereiche Elektronen auf verschiedene Carriermoleküle geladen. Diese Elektronen sind die Hauptenergiequelle unseres Stoffwechsels. In der letzten Stufe, Atmungskette genannt, Àießen die Elektronen durch eine Reihe von Proteinen, zum Beispiel durch den riesigen NADH-Dehydrogenase-Komplex, der sich in der cytoplasmatischen Membran be¿ndet. Am Schluss werden die Elektronen von Ubichinol-Oxidase auf Sauerstoffmoleküle übertragen und (mithilfe einiger Wasserstof¿onen) in Wasser umgewandelt. Dieser ElektronenÀuss ist ein sehr energiereicher Prozess; er dient dazu, Proteinpumpen anzutreiben, welche Wasserstof¿onen durch die Zellmembran befördern. Dadurch entsteht ein starker elektrochemischer Gradient, der für viele Aufgaben genutzt werden kann. So kann er zum Beispiel den riesigen Motor antreiben, der die Geißeln rotieren lässt. Er liefert auch die Energie für die rotierende ATP-Synthase, die mit jeder Umdrehung drei ATP-Moleküle erzeugt.
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Zelluläre Propeller Die geringe Größe von Escherichia coli-Zellen ist entscheidend dafür, wie sie sich in ihrer Umgebung verhalten. Für Zellen spielt die Schwerkraft nicht die gleiche überragende Rolle wie für unser eigenes Leben. Weit wichtiger ist der ständige Druck durch das Wasser, das die Zelle umgibt. Für ein Objekt von der Größe einer Zelle ist Wasser nicht so dünnÀüssig, wie es uns erscheint. Das lässt sich sehr gut am Beispiel der OberÀächenspannung des Wassers nachvollziehen: Kleine Insekten können auf der OberÀäche eines Teiches entlanggleiten; versucht dies jedoch ein Mensch, so siegt die Masse seines ungeheuer großen Körpers über die schwächeren Kräfte des Wassers, sodass er auf den Grund sinkt. Für eine Zelle sind diese Unterschiede noch größer. Zellen sind Teil einer Welt, die voll ist von dickem, zähÀüssigem Wasser; von der Schwerkraft werden sie so gut wie gar nicht behelligt. Wenn sie sich von einem Ort zum anderen bewegen, verbrauchen sie einen Großteil ihrer Energie dafür, sich durch die klebrige Flüssigkeit voranzukämpfen, und nicht etwa dafür, ihr Gewicht vom Boden zu heben. So stellte zum Beispiel Howard Berg 1976 in seiner Vorlesung „Life at Low Reynolds Number“ (Das Leben bei einer niedrigen Reynolds-Zahl) eine verblüffende Beobachtung vor: Escherichia coli-Zellen schwimmen mithilfe von langen, korkenzieherförmigen Geißeln, die wie Propeller funktionieren. Die Zellen bewegen sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 ȝm pro Sekunde durch das Wasser (30 ȝm ist eine Strecke, die 10- bis 15-mal so lang ist wie die Zelle selbst). Stoppt jedoch die Rotation der Geißeln, so gleiten die Zellen nicht geradeaus weiter, wie es ein Schiff oder U-Boot tun würde. Stattdessen bringt sie das umgebende Wasser sofort – schon nach einer Strecke, die kürzer ist als der Durchmesser eines Wassermoleküls – zum Anhalten. Der Geißelmotor ist eins der Wunder der biomolekularen Welt (Abb. 4.8). Der Motor reicht durch die gesamte Zellwand hindurch und rotiert mit einer Geschwindigkeit von bis zu 18 000 Umdrehungen pro Minute. Die Energie für jeweils eine Rotation wird durch den Fluss von etwa 1000 Wasserstof¿onen durch die innere Membran gewonnen. Erstaunlicherweise kann der Motor die Geißel nach Bedarf in beide Richtungen drehen, im Uhrzeigersinn und gegenläu¿g. Rotiert er in eine Richtung, so verwirbeln sich alle Geißeln der Zelle zu einem Bündel, und gemeinsam treiben sie die Zelle durch das umgebende Wasser voran. Ändert der Motor aber die Drehrichtung, lösen sich die Geißeln voneinander und wirbeln ungeordnet in verschiedene Richtungen; dadurch ist die Zelle gezwungen anzuhalten und taumelt auf der Stelle.
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Abb. 4.8 Geißelmotor Die langen, korkenzieherförmigen Geißeln (A) werden von einem komplexen Geißelmotor angetrieben, der aus Motorproteinen (B) und einem großen zylindrischen Rotor (C) besteht. Der Motor wird von Sensorproteinen, zum Beispiel dem Aspartatrezeptor (D), gesteuert, die die Nährstoffkonzentration messen. Ist ein Richtungswechsel angezeigt, geben lösliche Proteine wie CheY (E) das Signal an den Motor weiter.
Bakterien haben ein echtes Problem mit der Navigation. Da sie so winzig klein sind, gibt es für sie keine Möglichkeit, sich zielgerichtet zu bewegen. Eine Bakterienzelle kann sich nicht umschauen und feststellen, in welcher Richtung eine Nahrungsquelle liegt. Stattdessen verlassen sich Escherichia coli-Zellen auf die durch die Geißelbewegung vorgegebene, wirkungsvolle Kombination aus Schwimmen und Taumeln. Jede Zelle benutzt eine Reihe von Sensorproteinen dazu, die Nährstoffkonzentration in der unmittelbaren Umgebung der Zelle zu messen. Dann schwimmt sie in eine zufällige Richtung und misst das Nährstoffniveau dort. Steigt die
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Nährstoffkonzentration an, schwimmt sie weiter in diese vielversprechende Richtung. Beginnt das Niveau aber abzusinken, so wirken die Sensorproteine auf den Geißelmotor ein und sorgen dafür, dass er vorübergehend seine Rotationsrichtung umkehrt. Dadurch gerät die Zelle ins Taumeln und sucht sich eine neue (und hoffentlich bessere) Schwimmrichtung. In ihrer nährstoffreichen, wässrigen Umgebung, dem menschlichen Darm, hat sich diese ziemlich willkürliche Methode offenbar bewährt, um die Zelle mit Nahrung zu versorgen.
Molekulare Kriegsführung Mehrere Hundert verschiedene Typen von Bakterienzellen, darunter auch Escherichia coli, leben harmonisch mit uns zusammen; sie bewohnen unseren Darm, bereiten uns aber fast nie Schwierigkeiten. Über die Jahre der Evolution hinweg haben wir mit unserer BakterienÀora einen raf¿nierten Waffenstillstand ausgehandelt: Die Bakterien haben einen warmen, geschützten Platz, wo sie leben und sich vermehren können und wo eine gleichmäßige Nahrungszufuhr herrscht. Dafür erhalten wir von ihnen mehrere wichtige Vitamine – Moleküle wie Vitamin K und Vitamin B12, die für uns lebensnotwendig sind, die unsere Zellen aber nicht selbst herstellen können. Die Bakterien sind uns auch bei der Verdauung besonders widerstandfähiger Nährstoffmoleküle behilÀich, so wie einige der schwer zu spaltenden Kohlenhydrate in pÀanzlicher Kost. Meistens ist unsere Beziehung zu diesen Bakterien freundschaftlich; beide Seiten pro¿tieren davon. Und das ist auch gut so, denn die durchschnittliche Anzahl von Bakterienzellen in unserem Darm ist etwa zehnmal so hoch wie die Gesamtzahl unserer eigenen Körperzellen. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Darm keine besonders einladende Umgebung ist. Die Bakterien müssen sich gegen Verdauungsenzyme und Antikörper zur Wehr setzen und sich davor schützen, weggeschwemmt und aus dem Verdauungstrakt ausgeschieden zu werden. Sie lösen dieses Problem, indem sie sich mit einer schleimigen Polysaccharidschicht umgeben. Dieser Bio¿lm ist sehr robust und hält den Angriffen durch unsere Enzyme und Antikörper stand. Außerdem bilden die Bakterien lange Fimbrien und andere Klebeproteine, mit denen sie sich in den Darmwänden verankern können. Diese Auskleidung der Darmwand mit gutartigen Bakterien ist vielleicht der größte Vorteil einer gesunden DarmÀora. Sie nimmt den gesamten vorhandenen Raum ein und hindert pathogene Bakterien daran, sich ebenfalls an die Darmwand anzuheften. So helfen unsere Darmbakterien, uns vor Infektionen durch gefährlichere Arten zu schützen.
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Normalerweise sind diese Zellen also völlig gutartig und sogar hilfreich, doch sie können zum Problem werden, wenn sie an Stellen gelangen, wo sie nichts zu suchen haben. Liegt etwa eine Verletzung vor, so können die Zellen durch die Beschichtung unseres Darms hindurch in andere Teile des Körpers gelangen. Unser Körper wehrt sich vehement gegen ein solches Eindringen; er ist jederzeit bereit, solche Infektionen zu bekämpfen. Unser Blut ist voller Antikörper, die Bakterien erkennen und sie als Ziel für die Zerstörung durch das Immunsystem markieren. Unser Blut enthält ebenfalls ein ganzes System von Proteinen – das in Kapitel 6 ausführlich beschriebene Komplementsystem –, das ausschließlich dazu dient, Bakterienzellen aufzuspüren und Löcher durch ihre Zellwände zu bohren. Gelegentlich nehmen Escherichia coli-Zellen Gene zum Aufbau toxischer Moleküle auf und verwandeln sich in pathogene Bakterien. Escherichia coli ist eine der Hauptursachen für Reisedurchfall; er wird durch fremde Bakterienstämme ausgelöst, mit denen das Verdauungssystem des Reisenden nicht vertraut ist. Einige Stämme erzeugen Giftstoffe, die die menschlichen Zellen direkt angreifen (eine genauere Beschreibung folgt in Kapitel 9). Viele davon werden beim Kochen zerstört, daher verringert gut durchgekochtes oder durchgebratenes Fleisch das Risiko einer Lebensmittelvergiftung durch bakteriell verunreinigtes Fleisch oder andere Speisen. Zum Glück verfügen wir über wirksame Medikamente, um diese entarteten Bakterien zu bekämpfen. Die Arzneistoffe greifen verschiedene Moleküle in der Bakterienzelle an und blockieren jeweils einen für die Zelle lebenswichtigen Prozess. Penicillin zum Beispiel blockiert eines der Enzyme, die das Peptidoglykannetz aufbauen. Das schwächt die Zellen ganz emp¿ndlich. Allerdings haben die Bakterien Wege gefunden, wie sie sich zur Wehr setzen können. Bakterienstämme, die gegen die Arzneistoffe resistent sind, stellen ein Enzym her, das Penicillin abbaut und die Zelle damit vor einem Angriff bewahrt. Und so be¿nden wir uns heute in einem immer weiter um sich greifenden biologischen Krieg, in dem der Mensch neue Antibiotika entwickelt und die Bakterien Strategien ¿nden, diese zu umgehen.
Kapitel 5 Die menschliche Zelle – Vorteile der Kompartimente
Der menschliche Körper besteht aus Billionen von Zellen. Genau wie eine Bakterienzelle besitzt jede unserer Zellen (mit wenigen Ausnahmen) DNA, Polymerasen und Ribosomen zur Bildung von Proteinen auf Basis der genomischen Information. Jede Zelle enthält ein Sortiment von Enzymen, die die Vielzahl von Molekülen, die wir zum Wachstum und zur Energieerzeugung benötigen, auf- und abbauen. Jede Zelle ist von einer stabilen Zellmembran umgeben, die mit Kanälen, Pumpen und Sensoren durchsetzt ist. Allerdings ist jede der menschlichen Körperzellen viel größer und weit komplexer als eine Bakterienzelle. Während Bakterien auf Schnelligkeit und Ef¿zienz ausgelegt sind, sind unsere eigenen Zellen eher dafür gemacht, komplexe und sehr spezielle Funktionen zu erfüllen; sie sind langlebig und behalten ihre Funktion über Jahre hinweg. Bei der Erforschung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen bakteriellen und tierischen Zellen haben Wissenschaftler entdeckt, dass vor circa 1,5 Milliarden Jahren in der Evolution ein Wendepunkt erreicht war. Ż Abb. 5.1 Kompartimente der Zelle Anders als die einfacher aufgebaute Bakterienzelle enthält die menschliche Zelle unterschiedliche Funktionsräume. Die Hauptaufgabe der Mitochondrien (hier im Querschnitt zu sehen) ist die ATP-Synthese. Im innersten Raum be¿nden sich die Enzyme des Citratzyklus (A). Die gefältelte innere Membran schafft zwei getrennte Räume, wie sie für die Erzeugung des elektrochemischen Gradienten erforderlich sind, welcher die ATP-Synthase antreibt (B). Diese Membran besitzt eine der höchsten Proteinkonzentrationen aller Membranen des menschlichen Körpers: Man schätzt, dass sie zu drei Vierteln aus Protein besteht, dazwischen gerade ausreichend Lipide, um die Membran zusammenzuhalten. Beim Vergleich dieser Abbildung mit der Abbildung 4.1 von Escherichia coli fällt auf, dass das Mitochondrium ganz ähnliche Maschinen für die Proteinsynthese enthält – das komplette Sortiment mit DNA, RNA und Ribosomen. Das Mitochondrium stellt jedoch nicht alle seine Proteine selbst her; einige müssen mithilfe spezieller Transportproteine (C), die in die innere und äußere Membran eingebaut sind, aus dem Cytoplasma eingeschleust werden (1 000 000 ×).
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Einfache, bakterienähnliche Zellen hatte es wohl schon seit mindestens 2 Milliarden Jahren gegeben, und die meisten grundlegenden molekularen Maschinen zur Aufrechterhaltung der Lebensprozesse waren bereits perfektioniert. Nun trat ein neues Modell des Zellkörpers in Erscheinung: Die neuen Zellen enthielten viele kleine, voneinander getrennte Funktionsoder Reaktionsräume. Jedes dieser Kompartimente war von einer wasserdichten Membran umhüllt. Der Erfolg dieses neuen Zelltyps stellte in der Evolution der Zellen einen wichtigen Durchbruch dar, und mit den Jahren bildeten sich zwei unterschiedliche Entwicklungslinien heraus. Die einfachen Zellen, deren molekulare Maschinen in einem einzigen Kompartiment zusammengewürfelt waren, waren die Vorläufer der Bakterien und Archaeen. Die neuen, in Funktionsräume aufgeteilten Zellen stellten den Ursprung aller anderen Lebensformen dar – von Protozoen über Pilze bis hin zu PÀanzen und Tieren. Erstaunlicherweise sehen manche dieser Kompartimente unter dem Mikroskop fast genauso aus wie vollständige Bakterienzellen. Die in jeder menschlichen Zelle enthaltenen Mitochondrien (Abb. 5.1) ähneln in Form, Größe und Aufbau einer Escherichia coli-Zelle. So sind Mitochondrien von zwei Membranen umgeben. Die äußere Membran ist mit Proteinen besetzt, die an das Porin bei Bakterien erinnern. Die innere Membran, die bei Mitochondrien stark gefaltet und mehrfach geknickt ist, enthält Proteine für Transport und Energieerzeugung, die den bakteriellen Proteinen sehr ähnlich sind. Und was noch erstaunlicher ist: Im Inneren eines Mitochondriums ¿nden wir wiederum DNA, Transfer-RNA und Ribosomen – alle damit beschäftigt, mitochondriale Proteine aufzubauen. Diese auffälligen Ähnlichkeiten gaben den Anlass zu einer interessanten Theorie über den Ursprung der Mitochondrien (und Chloroplasten), die heute weitgehend anerkannt ist. Man geht davon aus, dass in der weit zurückliegenden Vergangenheit ein Bakterium in eine andere Zelle eingedrungen ist; vielleicht handelte es sich um einen Parasiten oder es wurde verschluckt und überlebte. Das Bakterium lebte in dieser gemütlichen, beschützenden Umgebung und vermehrte sich im Inneren der Zelle. Allmählich wurde die verschluckte Bakterienzelle immer abhängiger von der Wirtszelle und umgekehrt; sie teilten die lebensnotwendigen Aufgaben unter sich auf. Noch heute teilen und vermehren sich die Mitochondrien innerhalb unserer Zellen, doch viele ihrer wichtigen Proteine und Nährstoffe werden ihnen vom Rest der Zelle zur Verfügung gestellt. Jede unserer Zellen enthält Hunderte von Kompartimenten. Diese Funktionsräume bieten für das Leben einer Zelle entscheidende Vorteile. Sie ermöglichen bei den Grundfunktionen des Lebens viele zusätzliche Regulierungsschritte. Einzelne Prozesse wie Proteinsynthese oder Energieerzeugung können ungestört auf engstem Raum ablaufen; so bleibt die Ef¿zienz
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Abb. 5.2 Rundgang durch eine menschliche Körperzelle Die mit Kästchen markierten Ausschnitte in dieser typischen menschlichen Zelle, einer Zelle des Blutplasmas, sind auf den folgenden Seiten vergrößert dargestellt. Diese Zelle ist auf die Produktion von Antikörpern spezialisiert, und auf unserem Rundgang werden wir sehen, wie diese Antikörper synthetisiert und von der Zelle abgegeben werden. Unser Rundgang beginnt mit dem Zellkern, wo die genetische Information gespeichert ist; dann geht es weiter zu den Orten der Proteinsynthese am endoplasmatischen Reticulum; als nächstes besuchen wir die Sortierstation im Golgi-Apparat und gelangen schließlich durch das Cytoplasma an die ZelloberÀäche. Das kleinere, obere Kästchen markiert den in Abbildung 5.1 dargestellten Ausschnitt aus den Mitochondrien (10 000 ×).
einer kleinen Bakterienzelle erhalten. Durch zusätzliche Maschinen für einen zielgerichteten Transport können Moleküle von einem Ort zum anderen befördert werden. Dadurch konnte die Zelle sehr viel größer werden; sie hat zu jedem Zeitpunkt direkte Kontrolle über die jeweiligen Abläufe und verfügt über kompliziertere Wahrnehmungs- und Schutzmechanismen.
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Abb. 5.3 Zellkern Der Zellkern ist die Bibliothek der Zelle; hier werden die emp¿ndlichen DNA-Stränge gelagert und vor der rauen Umgebung des Cytoplasmas abgeschirmt. Ein Großteil der DNA ist um Histonproteine gewunden und bildet kleine Nucleosomen (A); so ist die DNA kompakt verstaut und geschützt. Wenn die DNA gebraucht wird, wird sie ausgepackt, entwunden und von der RNA-Polymerase (B) abgelesen, um Messenger-RNA zu erzeugen (C). Dann werden die RNA-Moleküle bearbeitet: Capping-Enzyme (D) schützen ein Ende und die Polyadenylat-Polymerase (E) fügt an das andere Ende einen Strang aus sich wiederholenden Adeninnucleotiden an; diese werden dann durch das polyadenylatbin-
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dende Protein (F) geschützt. Unsere RNA muss auch noch in großen Spleißosomkomplexen bearbeitet werden (G): Beim Spleißen werden sogenannte Introns herausgeschnitten, die nicht der Proteincodierung dienen. Wenn die RNA entsprechend zurechtgeschnitten worden ist, wird sie durch Kernporenkomplexe (H) aus dem Kern herausgebracht. Diese Poren reichen durch die doppelschichtige Kernmembran hindurch. Der Durchtritt durch die Kernporen ist verschiedenen Importinproteinen (I) vorbehalten, die andere Moleküle hinein- und herausbefördern, und wird streng überwacht. Die Kernmembran wird von innen durch überkreuzte Lagen von Protein¿lamenten aus Lamin verstärkt (J) (1 000 000 ×).
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Abb. 5.4 Endoplasmatisches Reticulum Bei so vielen Kompartimenten müssen unsere Zellen in der Lage sein, neu gebildete Proteine zu sortieren und an ihren Bestimmungsort zu bringen. Für viele Proteine, wie die von dieser Plasmazelle hergestellten Antikörper, beginnt die Reise am endoplasmatischen Reticulum, einem fein verzweigten Netzwerk von Röhren und sackähnlichen Strukturen. Die umgebende Membran enthält Transportproteine (A), an die sich Ribosomen anlagern und die neue Proteine während ihrer Herstellung ins Innere des endoplasmatischen Reticulums schleusen. Der Transporter ¿ndet neue Proteine, indem er die Aminosäuresequenz nach einem bestimmten Signal absucht. Diese Signalsequenz wird von dem Ribosom als erstes hergestellt; sie wird von einem Signalerkennungspartikel (B) rasch identi¿ziert und an die OberÀäche des endoplasmatischen Reticulums weitergegeben.
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Später wird diese Signalsequenz abgeschnitten, aber erst, wenn das Protein fertiggestellt ist und wohlbehalten im Zellinneren abgeliefert wurde. Dort helfen eine Vielzahl von Chaperoninen, zum Beispiel BiP (C), Grp94 (D), Calnexin und Protein-Disul¿d-Isomerase (E) sowie Cyclophilin (F), dem neuen Protein bei der Faltung. Eine Reihe von Enzymen in der Membran (G) stellt Polysaccharidketten her, die schließlich von der Oligosaccharyl-Transferase (H) an die neuen Proteine angefügt werden. Am Ende werden die neu gebildeten Proteine in kleinen, mit COPII-Proteinen umhüllten Transportvesikeln weiterbefördert. Defekte Proteine werden aus dem endoplasmatischen Reticulum abtransportiert und vom Proteasom zerstört (J) (1 000 000 ×).
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Anhand der folgenden Abbildungen wollen wir einen kleinen Rundgang durch eine menschliche Zelle machen und die verschiedenen Kompartimente erkunden.
Abb. 5.5 Golgi-Apparat Die Transportvesikel bringen die neuen Proteine zum Golgi-Apparat, einem Gebilde aus membranumgrenzten Säckchen, die wie Teller übereinander gestapelt sind. Riesige sogenannte Tethering-Moleküle wie Giantin (A) und GM130 (B) bringen die Vesikel an ihren Platz. Der Golgi-Apparat ist die Weiterverarbeitungs- und Sortieranlage der Zelle. Je nach Bedarf werden Zucker und Lipide mit den Proteinen verknüpft. So erhalten zum Beispiel die Zuckerketten, die die Basis der Y-förmigen Antikörper stabilisieren,
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im Golgi-Apparat ihre endgültige Gestalt. Sind die Proteine modi¿ziert und sortiert, werden sie in kleinen Transportvesikeln an ihren Bestimmungsort in der Zelle gebracht. Dabei stellt das Protein Clathrin (C) einen molekularen Hebel dar, mit dem Vesikel abgeschnürt werden können. Es bildet auf der Außenseite der Membran eine kuppelförmige Struktur. Sobald sich ein Vesikel vom Golgi-Apparat gelöst hat, fällt die Clathrinhülle ab, und das Vesikel wird zu seinem Zielort geleitet (1 000 000 ×).
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Abb. 5.6 Cytoplasma und Zellwand Auf dem letzten Abschnitt ihrer Reise werden die Antikörper auf Mikrotubuli-„Schienen“ von Kinesinmolekülen durch das Cytoplasma zur Zellwand gezogen. Lange Tethering-Proteine wie Golgin (C) helfen dem Vesikel, seinen Bestimmungsort zu ¿nden. Das Cytoplasma unserer Zellen enthält Enzyme und andere Proteine, die dort ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen. Viele davon ähneln den Molekülen in Bakterienzellen, so zum Beispiel die Ribosomen und die anderen Maschinen der Proteinsynthese, die Enzyme der Glykolyse und andere Syntheseenzyme. Es gibt aber auch viele neue Moleküle wie die Caspasen (D), die in Kapitel 7 behandelt werden. Das Cytoplasma ist mit einem Netz von Filamenten durchzogen. Diese bilden ein Cytoskelett, das die Zelle abstützt und eine Art Schienensystem zum Transport von Stoffen darstellt. Zu den Filamenten gehören die dünnen Actin¿lamente (E), die etwas dickeren Intermediär¿lamente
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(F) und die riesigen Mikrotubuli. Die Zellmembran ist mit den verschiedensten Proteinen besetzt, die an der Außenseite oft mit Polysaccharidgruppen verbunden sind. Viele dieser Proteine sind am Molekültransport durch die Membran hindurch und an der Kommunikation zwischen beiden Seiten der Membran beteiligt. Bei unserer Plasmazelle enthält die Membran auch Moleküle, die direkt mit der eigentlichen Funktion der Zelle innerhalb des Immunsystems zu tun haben, so wie die gebundenen Antikörper (G) zur Erkennung von Bakterien und Viren, den IL-4-Rezeptor (H), der Botschaften von anderen Zellen des Immunsystems empfängt, sowie SNARE-Proteine (I) und den Exocyst-Komplex (J), die beim Andocken und bei der Verschmelzung von Transportvesikeln mit der Membran behilÀich sind. Auf der Innenseite der Membran bildet ein festes Netz aus Spectrin-(K) und Actin¿lamenten eine stabile Struktur, die die emp¿ndliche Membran stützt (1 000 000 ×).
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Einführung
Kapitel 6 Der menschliche Körper – Vorteile der Spezialisierung
Ein Vielzeller zu sein, hat gewisse Vorteile. Die Form und Größe des menschlichen Körpers, unsere Fähigkeit zu laufen und zu schwimmen, unsere Gedanken und Gefühle – all das ergibt sich daraus, dass wir einen Körper haben, der sich aus vielen Zellen zusammensetzt. Da wir aus Billionen von Einzelzellen bestehen, hat jede unserer Zellen die Möglichkeit, sich auf ihre eigenen, individuellen Aufgaben zu konzentrieren (Abb. 6.1). Zellen in unserer Haut sind darauf spezialisiert, uns zu schützen, indem sie stabile Netze aus isolierenden Proteinen synthetisieren. Zellen in unserem Verdauungstrakt sind Experten für Nahrungsaufnahme und -verwertung; sie ernähren den Rest unseres Körpers. Zellen in unseren Muskeln sind darauf spezialisiert, Kraft zu erzeugen; Knochenzellen stabilisieren sich mithilfe von mineralischen Kristallen und bauen ein Skelett auf, das dieser Kraft Ausdruck verleiht. Einige bemerkenswerte Zellen in unseren Keimdrüsen sind nur für die FortpÀanzung zuständig. Sie verfügen über die Informationen und das Material, die gebraucht werden, um mithilfe einer entsprechenden Zelle vom anderen Geschlecht einen völlig neuen menschlichen Körper zu erschaffen. Und, was wohl am erstaunlichsten ist, Zellen in unserem Gehirn sind darauf spezialisiert, chemische und elektrische Signale zu verarbeiten, wodurch letztlich unsere differenzierte Gedankenwelt entsteht. Ż Abb. 6.1 Muskelgewebe Dieser Ausschnitt aus dem Muskelgewebe zeigt mehrere hoch spezialisierte Zelltypen, die alle mit dem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten, dass wir uns bewegen können. Dazu gehören quer gestreifte Muskelzellen, die die Kraft für die Bewegung beisteuern, leuchtend rote Blutzellen, die Nährstoffe und Sauerstoff zur Verfügung stellen, und verzweigte Nervenzellen, die die Abläufe steuern. Außerdem gibt es außerhalb der Zellen (hier nicht im Bild) eine komplexe Infrastruktur aus Bindegewebe, die das Muskelgewebe stützt und formt (1000 ×).
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Bei aller Verschiedenheit zeigt jedoch jede einzelne unserer zehn Billionen Zellen eine frappierende Ähnlichkeit mit einfacher aufgebauten einzelligen Organismen wie der Bakterienzelle. Jede enthält DNA, Polymerasen, Ribosomen und was sonst noch zur Proteinerzeugung gebraucht wird. Jede enthält die Enzyme für Glykolyse und Atmungskette, mit deren Hilfe sie Zucker in nutzbare chemische Energie umwandeln kann. Jede wird von einer Lipidmembran begrenzt, die sie von ihren Nachbarzellen trennt und mit der sie ihr eigenes, persönliches Territorium absteckt. Zusätzlich zu diesen notwendigen Standardmolekülen stellen menschliche Zellen ihre spezialisierten Proteine her: Lymphocyten erzeugen Antikörper, um sie ins Blut abzugeben; Nervenzellen produzieren Proteine, die als chemische Sensoren fungieren, und sorgen für elektrische Isolierung; rote Blutkörperchen bilden so viel sauerstofftransportierendes Hämoglobin, dass praktisch kein Platz für etwas anderes bleibt; Muskelzellen bauen aus Actin und Myosin einen Proteinmotor zusammen. Diese Vielfalt schafft hinsichtlich des InformationsÀusses ein Problem, das einfachere Organismen nicht kennen. Da alle Zellen unseres Körpers aus einer einzigen befruchteten Eizelle hervorgehen, muss die eine DNAKopie, die wir jeweils von beiden Elternteilen mit auf den Weg bekommen, die gesamte Information für jeden einzelnen Zelltyp enthalten. Nervenzellen besitzen also Informationen für den Aufbau von Hämoglobin, und Blutzellen könnten theoretisch auch Neurotransmitter herstellen. Natürlich darf das in unserem Körper nicht passieren, denn die Folge wäre ein Chaos. Jede Zelle muss in der Lage sein zu entscheiden, welche Proteine sie synthetisieren will und welche nicht, je nachdem, was ihrer Rolle im Blut, im Gehirn oder anderswo entspricht. Und wo eine Zelle vorkommt wird in den ersten neun Lebensmonaten entschieden; unsere Zellen passen sich mit jeder Zellteilung immer mehr an ihre zukünftigen Aufgaben an. Wenn eine Zelle eine bestimmte Funktion übernimmt, braucht sie keine Heerscharen von Proteinen mehr – Nervenzellen im Entwicklungsstadium brauchen keine Hämoglobingene, und Blutzellen brauchen keine Informationen zur Herstellung von Myosin. Die DNA, in der die nicht benötigten Proteine codiert sind, wird eingelagert und dicht verpackt in den Winkeln des Zellkerns abgelegt. Ein paar besondere Zellen – die Stammzellen – treffen diese Entscheidung nicht. Sie haben das Potenzial sich zu teilen und viele verschiedene Aufgaben wahrzunehmen. Embryonale Stammzellen sind die undifferenziertesten Zellen überhaupt. Sie können sich bei der Zellteilung beliebig spezialisieren; sie können also Haut-, Muskel- oder Nervenzellen werden, je nachdem, an welcher Stelle des sich entwickelnden Embryos sie sich be¿nden. Adulte Stammzellen haben diese Flexibilität normalerweise nicht mehr. Stattdessen spezialisieren sie sich darauf, eine bestimmte Zellfamilie
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zu bilden. So entwickeln sich hämatopoetische Stammzellen in unserem Knochenmark durch Zellteilung und Differenzierung zu verschiedenen Arten von Blutzellen, zum Beispiel roten und weißen Blutkörperchen. Diese Stammzellen teilen sich unser ganzes Leben lang und ersetzen fortwährend Zellen, die zu alt oder dem Körper verloren gegangen sind.
Infrastruktur und Kommunikation Unsere Zellen haben mit weit schwierigeren Strukturproblemen zu kämpfen als kleine einzellige Lebewesen. Um einen Organismus von der Größe eines Menschen aufzubauen, sind komplexe molekulare Strukturen erforderlich, mit deren Hilfe die Zellen stabilisiert, miteinander verstrebt und verbunden werden. Der menschliche Körper wird durch die verschiedensten Elemente stabil und in Form gehalten: durch feste Verstrebungen im Zellinneren; durch Methoden, um benachbarte Zellen zusammenzuschweißen; und schließlich durch die stabilen Membranen und Stränge, die Zellgruppen voneinander abgrenzen und sie zu Geweben, Organen, einem ganzen Körper zusammenschließen. Jede unserer Zellen besitzt ein innenliegendes Cytoskelett, das die gleiche Funktion erfüllt wie unser Knochengerüst: Es stabilisiert die Zelle und gibt ihr Halt bei Bewegungen. Das Cytoskelett besteht aus Protein¿lamenten, die eine seltene Kombination aus Festigkeit und Flexibilität bieten. Diese Filamente setzen sich aus vielen Proteinuntereinheiten zusammen, die in langen spiralförmigen Strängen angeordnet sind. Einmal aufgebaut, können sie stark belastbare Strukturelemente bilden, doch gleichzeitig sind sie schnell abbaubar und können, je nach den Bedürfnissen der Zelle, anderswo neu zusammengefügt werden. Actin ist das kleinste Filament des Cytoskeletts, doch es ist eines der häu¿gsten Proteine in der Zelle; oft liegt sein Anteil bei fünf Prozent der gesamten Proteinmenge. Actin¿lamente laufen kreuz und quer von einer Seite der Zelle zur anderen und bilden so ein Fasernetz, das das Cytoplasma durchzieht und stabilisiert. Dieses Netz wird durch actinbindende Proteine zusätzlich verstärkt, die quer zu den Actin¿lamenten verlaufen. In den meisten Fällen ist dieses GeÀecht nicht statisch. So spielen Actin¿lamente eine wichtige Rolle bei der kriechenden Fortbewegung von Zellen: Actin¿lamente werden Stück für Stück auf der ZelloberÀäche aufgebaut und stülpen Pseudopodien (Scheinfüßchen) aus, mit denen die Zelle über den Untergrund kriechen kann. Falls nötig, kann Actin jedoch auch zu stabilen, haltbaren Stützelementen gebündelt werden. Zum Beispiel werden Actinbündel dazu verwendet, die ¿ngerförmigen Ausbuchtungen der Zellen zu stabilisieren, die unser
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Verdauungsssystem auskleiden, und riesige Actinverbände sind Teil der motorischen Einheit bei Muskelkontraktionen (siehe unten). Zwei größere Filamente unterstützen das Actin im Cytoskelett: Intermediär¿lamente und Mikrotubuli. Intermediär¿lamente sind stabiler als Actin. Sie bestehen aus ineinander verzahnten Proteinbausteinen, die sich nicht so leicht trennen lassen. Zur weiteren Stabilisierung sind sie mit dem Actinnetz verwoben, und ähnliche Filamente aus Lamin liegen in Schichten auf der Innenseite der Kernmembran. Intermediär¿lamente übernehmen auch spezielle Aufgaben in den Hautzellen und Haaren, die hauptsächlich aus ähnlich gebauten Keratin¿lamenten bestehen. Diese Keratine sind durch chemische Quervernetzungen eng miteinander verklebt und bilden so einige der widerstandsfähigsten Fasern unseres Körpers. Mikrotubuli dagegen stellen wie das Actin temporäre Strukturen dar – sie werden bei Bedarf zusammengefügt und kurz darauf wieder abgebaut. Sie dienen der Zelle quasi als Eisenbahnschienen: Zwei Typen von Motorproteinen – Kinesine und Dyneine – ziehen ihre molekulare Fracht auf Mikrotubulischienen hinter sich her und liefern die Moleküle dann an der entsprechenden Stelle der Zelle ab. In den Nervenzellen (siehe unten) verleihen sie den langen, schmalen Axonen Stabilität und helfen bei der Signalübertragung über deren erstaunliche Länge hinweg. In Spermazellen wiederum bewegen Dyneine nebeneinanderliegende Mikrotubuli gegeneinander und erzeugen so die Schwimmbewegung. Mikrotubuli bilden auch das sternförmige Schienensystem, das bei einer Zellteilung die Chromosomen auseinanderzieht. Die meisten unserer Zellen haben es jedoch nicht nötig, in unserem Körper herumzukriechen. Sie bleiben ortsfest in Geweben und Organen und arbeiten dort in Erfüllung einer bestimmten Funktion mit ihren Nachbarzellen zusammen. Verschiedene Verbindungsmoleküle dienen dazu, diese Zellen zusammenzuhalten und den Austausch zwischen ihnen zu ermöglichen. Zum Beispiel greifen Verbände des Proteins Cadherin zwischen benachbarten Zellen hindurch und bilden eine feste Adhärenzverbindung (adherens junction), die die Zellen miteinander verklebt (Abb. 6.2). Diese Proteine erstrecken sich sogar bis in die nächste Zelle hinein und binden dort an die innenliegenden Actin¿lamente. Mithilfe dieser Zelladhäsionskomplexe werden die Cytoskelette zweier Zellen miteinander verbunden, und das ganze Gewebe wird stabilisiert. Diese Arten der Zellverbindung funktionieren bei kleinen Gewebebereichen sehr gut, um jedoch große Strukturen wie Muskeln und Organe aufzubauen, werden stärkere Materialien benötigt. Diese werden um die Zellen herumgebaut; sie umschließen sie und stützen sie von außen. Es gibt sie in vielen Erscheinungsformen, von elastischen Fasern bis hin zu betonharten Stoffen, die Jahrhunderte lang halten. Manche Gewebe wie
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Knorpel und Knochen bestehen hauptsächlich aus diesen strukturgebenden Stoffen, nur ab und zu sind ein paar Zellen eingestreut, die die Aufgaben eines Hausmeisters übernehmen. Andere Gewebe, etwa die dicht gepackten Neuronen im Gehirn, besitzen gerade ausreichend von diesen Stoffen, um die Zellen zusammenzuhalten. Die Bausteine dieser extrazellulären Matrix werden im Inneren der Zelle gebildet, dann nach außen transportiert und an Ort und Stelle zusammengesetzt. Hauptbestandteil der extrazellulären Matrix ist das Kollagen – es macht etwa ein Viertel der gesamten Masse aller Proteine in unserem Körper aus. Es gibt viele Formen von Kollagen, doch alle sind um einen Kern aus drei Proteinsträngen herumgebaut, die fest miteinander verdrillt sind wie die Stränge in einem Seil. Unterschiedliche Kollagentypen nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr. So gibt es lange Stränge ohne besondere Eigenschaften, die gebündelt nebeneinanderliegen; es sind vor allem diese dicken Kollagen¿brillen, die dem extrazellulären Material seine Festigkeit verleihen. Andere Kollagene tragen an jedem Ende des Stranges hoch spezialisierte Strukturen, die es ihnen ermöglichen, umfangreiche netzartige Gebilde aufzubauen. Diese Netze werden dann noch mit anderen Proteinen und Polysacchariden verwoben und bilden so eine feste, als Basallamina bezeichnete Schicht, die Zellen umschließt und ihnen ihre Form gibt (Abb. 6.3). Ein anderer Kollagentyp vernäht Kollagen¿brillen und Basallamina miteinander. Unsere Zellen müssen nicht nur diese Strukturprobleme lösen, sondern auch Wege ¿nden, sich miteinander auszutauschen, um sicherzustellen, dass sie koordiniert auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Eine Zelle kommuniziert direkt mit ihrer Nachbarzelle im Gewebe, indem sie ihr Cytoplasma physisch mit dem der Nachbarzelle verbindet. In Körperregionen, in denen die Zellmembranen zweier benachbarter Zellen direkten Kontakt haben, gibt es sogenannte gap junctions. Jedes der Verbindungsproteine (Konnexone) in der gap junction bildet eine winzige Pore, die die beiden Zellen miteinander verbindet. Normalerweise überwacht die gap junction einen regen Austausch kleiner Moleküle, die zwischen den Zellen hin- und herschlüpfen, doch im Notfall kann der Durchgang auch geschlossen werden. Steigt zum Beispiel die Calciumkonzentration in einer Zelle stark an – oft ein Signal dafür, dass die Zelle krank oder beschädigt ist –, so schnappen die Konnexone zu und stellen die erkrankte Zelle unter Quarantäne. Zwischen enger benachbarten Zellen werden auch Nachrichten ausgetauscht. Dies geschieht mithilfe von Botenmolekülen, den sogenannten Cytokinen. Dabei handelt es sich um kleine Proteine, die von einer Zelle gebildet und dann nach außen abgegeben werden. Die Moleküle diffundieren in Richtung einer Nachbarzelle und werden von Rezeptoren auf deren ZelloberÀäche eingefangen. Das löst im Inneren der Zelle ein Signal aus, und die Zelle ergreift die entsprechenden Maßnahmen. Über die Cytokine stehen die
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Abb. 6.2 Zelluläre Verbindungen Hier sieht man zwei Typen von Verbindungen. Links erstrecken sich viele Cadherinmoleküle (grün dargestellt) über den Zwischenraum zwischen den beiden Zellmembranen und bilden eine stabile Adhärenzverbindung. Im Inneren
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der Zelle ist jedes Cadherinmolekül über kleine Adaptorproteine mit dem Cytoskelett verbunden. Rechts bildet eine Reihe von Konnexonen (grün) einen molekülgroßen Proteinkanal, der die beiden Zellen in einer gap junction miteinander verbindet (1 000 000 ×).
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Abb. 6.3 Extrazelluläre Matrix Die extrazelluläre Matrix besteht aus einem verworrenen Netz von Strukturproteinen und Polysacchariden. Auf dieser Abbildung sieht man ganz links eine Zelle im Querschnitt. Rechts von der Zellmembran be¿ndet sich eine dichte Basallamina; die gegenüberliegende Seite wird fast vollständig von einer Kollagen¿brille eingenommen. Die Basallamina setzt sich aus Molekülen wie Kollagen (A) und dem kreuzförmigen Laminin (B) zusammen. Integrinproteine (C) in der Zellmembran ver-
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knüpfen die Basallamina mit dem Cytoskelett im Inneren der Zelle. Große Proteoglykane (D) sind im extrazellulären Raum mit der Basallamina verÀochten und mit langen Polysaccharidketten gemischt. Die Abbildung zeigt verschiedene Kollagentypen, darunter das Kollagennetz in der Basallamina, eine andere Form, die lange Anker¿brillen bildet (E), und mehrere Typen, die sich zu einer riesigen Struktur¿brille verbinden (1 000 000 ×).
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Zellen ständig miteinander im Dialog und tauschen sich über den gegenwärtigen Zustand des Gewebes aus; sie entscheiden, ob eine Wachstums- oder Ruhephase angebracht ist. Cytokine dienen auch als Warnsignal bei Gefahren. Zellen bilden zum Beispiel Į-Interferon, um andere Zellen zu warnen, dass in der näheren Umgebung eventuell Viren unterwegs sind. So erfahren die anderen Zellen, dass sie spezielle Moleküle zur Virenbekämpfung herstellen sollten, zum Beispiel Nucleaseenzyme, welche die virale RNA angreifen; damit können sie sich schützen, solange das Immunsystem noch nicht vollständig zur Infektionsabwehr mobilisiert ist. Auf ähnliche Weise können auch Botschaften über größere Entfernungen geschickt werden, indem ein Botenmolekül in das Blut abgegeben wird. Im Folgenden werden wir uns noch ausführlicher damit beschäftigen, wie Hormone über den Blutstrom den Zellen überall im Körper Botschaften zukommen lassen. Mithilfe dieser Grundfunktionen – Ultrastruktur und Kommunikation – koordiniert der menschliche Körper die Aktionen von etwa 100 verschiedenen Zelltypen. Für den Rest dieses Kapitels wollen wir uns mit drei Gewebearten beschäftigen – Muskel, Blut und Nerven – und einige der Spezialisierungsmöglichkeiten kennenlernen, die sie für ihre jeweiligen Aufgaben nutzen.
Muskel Alle Bewegungen, die Sie gerade jetzt machen – dieses Buch in Händen zu halten, Ihre Augen über die Seite wandern zu lassen, Ihren Rücken und Ihren Hals geradezuhalten, während Sie so dasitzen –, werden durch Myosin ermöglicht. Myosin ist ein winziger molekularer „Muskel“, der die chemische Energie aus ATP nutzt, um eine willkürliche Bewegung auszuführen. Beim Abbau eines ATP-Moleküls erfolgt jeweils eine energische Kontraktionsbewegung. Einer dieser sogenannten Kraftschläge genügt gerade, um ein Molekül ein paar Nanometer weit zu bewegen, doch wenn eine große Anzahl an Myosinmolekülen diese Kraftschläge gemeinsam ausführen (1019 in unseren größeren Muskeln), lässt sich damit unser ganzer Körper anheben. Unsere Muskelzellen sind mit Sarkomeren gefüllt, molekularen Funktionseinheiten aus Myosin und Actin (Abb. 6.4 und 6.5). Sarkomere Ź Abb. 6.4 Sarkomerkontraktion Sarkomere bestehen aus Myosin¿lamenten (hier in der Mitte, rot dargestellt) und Actin¿lamenten (blau), die wie Finger ineinandergreifen. Die zahlreichen Myosinmotoren auf jedem Filament gleiten an den Actin¿lamenten entlang; das Sarkomer zieht sich zusammen. Das dünne, schlangenartige Molekül (gelb) ist Titin; dieses riesige, elastische Protein ¿xiert die Actin- und Myosin¿lamente in der richtigen Anordnung.
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kombinieren die winzig kleinen Bewegungen von Myosinmolekülen zu Bewegungen in größerem Maßstab. In jedem Sarkomer sind Actin- und Myosin¿lamente nebeneinander angeordnet, und die zahlreichen Myosinmoleküle gleiten an den Actinmolekülen vorbei. Jedes Sarkomer kann nur um etwa ein Mikrometer kontrahieren – ca. 60 Prozent seiner Länge –, doch wenn 10 000 Sarkomere in einer langen Muskelzelle übereinander gestapelt sind, reicht die Kontraktion für eine Armbewegung. Da so viel Kraft erzeugt wird, muss jedes Sarkomer eine stabile Struktur besitzen. Die Actin¿lamente werden am Ende eines jeden Sarkomers von einem Netz aus Proteinen zusammengehalten; die Myosin¿lamente werden in der Mitte von einem zweiten Proteinnetz umschlossen. Das ganze Gebilde wird wiederum von dem riesigen Protein Titin in Form gebracht, das wie ein Gummiband den Actin- und den Myosinapparat zusammenfasst. Aufgrund seiner Elastizität stört das Titin die anderen Filamente beim Kontrahieren und Strecken nicht, doch es bietet genügend Widerstand, um die Filamente in ihrer richtigen Anordnung zu ¿xieren und sicherzustellen, dass der ganze Motor problemlos funktioniert. Jedes Sarkomer muss sorgfältig überwacht werden, damit sich die Kontraktion die ganze Muskelfaser entlang reibungslos fortsetzt. Die Kontraktion des Muskels wird durch die Calciumkonzentration in der Muskelzelle gesteuert. Calcium wird in bestimmten Kompartimenten aufbewahrt und freigesetzt, wenn die Zelle kontrahieren muss. Das Calcium diffundiert rasch durch alle Sarkomere hindurch und löst einen Umbau in den Troponinmolekülen aus, die mit Actin verbunden sind. Durch diese Veränderung werden die Myosinbindungsstellen frei und eine Welle von Kontraktionen setzt ein. Ist sie vorüber, transportieren als Calciumpumpen fungierende Proteine das Calcium zurück in den Speicher, und die Zelle kehrt in ihren Ruhezustand zurück. Der ganze Prozess läuft mit bemerkenswerter Geschwindigkeit ab – man denke nur an unseren Herzschlag. Man sollte sich einmal vergegenwärtigen, dass dieser Zyklus von Calciumfreisetzung und -einlagerung jede Sekunde abläuft, und das jahrzehntelang, ohne Unterbrechung.
Ź Abb. 6.5 Actin und Myosin Die Kraft für die Muskelkontraktion wird von einer Vielzahl von Myosinmotoren erzeugt, die aus dem Myosin¿lament herausragen (rot dargestellt). Mithilfe von ATP strecken sie sich nach den Actin¿lamenten aus, binden an sie und ziehen das Actin (blau) dabei ein klein wenig weiter. Tropomyosinmoleküle, die sich um das Actin¿lament herumwinden, steuern den Prozess (1 000 000 ×).
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Blut Der Blutstrom dient als Transportmittel zum Stoffaustausch und stellt gleichzeitig unsere wichtigste Waffe im Kampf gegen Verletzungen und Infektionen dar (Abb. 6.6). In unserem Körper zirkulieren fünf bis sechs Liter Blut. Etwa 45 Prozent dieser Blutmenge besteht aus roten Blutkörperchen (roten Blutzellen), die mit sauerstofftransportierendem Hämoglobin gefüllt sind. Außerdem gibt es verschiedene weiße Blutkörperchen; auf etwa 700 rote Blutkörperchen kommt jeweils ein weißes. Die Zellen zirkulieren in der Blutbahn und schützen uns vor Infektionen (siehe Beispiel in Kapitel 5). Der Rest des Blutvolumens besteht aus Blutplasma, einer konzentrierten Lösung aus Proteinen und kleinen Zellbruchstücken, die viele lebenswichtige Funktionen erfüllt. Seine leuchtend rote Farbe erhält das Blut durch das Hämoglobin, das in den roten Blutkörperchen transportiert wird. Die nahezu einzige Aufgabe der roten Blutkörperchen ist, Sauerstoff von der Lunge in die Gewebe zu transportieren. Rote Blutkörperchen werden aus Zellen im Knochenmark gebildet. Im Laufe ihrer Entwicklung steht bei diesen Zellen immer die Bildung von Hämoglobin im Vordergrund, während andere Funktionen zurücktreten. Die Zellmembran gibt einen Großteil der Maschinen auf, die dazu dienten, eine Verbindung zu anderen Zellen herzustellen und bestimmte Stoffe zu transportieren; was bleibt, ist nur noch ein rudimentäres Gerüst, das der Zelle ihre charakteristische scheibenartige Form verleiht. Schließlich bringt die Zelle ihr entscheidendes Opfer: Sie konzentriert all ihre verbliebenen molekularen Maschinen – Mitochondrien, Zellkern, Ribosomen – in einem bestimmten Teil der Zelle und gibt sie nach außen ab. Das reife rote Blutkörperchen, nun ein orientierungsloser Automat, tritt dann in den Blutstrom ein, wo es etwa vier Monate lang zirkuliert und Sauerstoff transportiert. Sauerstoff ist nicht das einzige Molekül, das durch das Blut transportiert wird. Die Àüssige Komponente des Blutes, das Plasma, enthält eine Reihe verschiedener Transportproteine, die Moleküle an einer Stelle aufnehmen und anderswo wieder absetzen. Der Transport von Fetten und Lipiden stellt für das Blutserum ein großes Problem dar. Zuckermoleküle können aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit einfach an einer Stelle in den Blutkreislauf hineingeschleust und irgendwo anders von hungrigen Zellen wieder herausge¿scht werden. Lipide und Fette assoziieren dagegen in einer wässrigen Umgebung. Würden sie direkt in die Blutbahn gelangen, so würden sie verklumpen und den Blutkreislauf blockieren – so wie Fett in einem verstopften KüchenabÀuss. (Dies ist, grob vereinfacht, das Problem bei Arteriosklerose.) Stattdessen können Lipide und Fette ihre Reise durch das Blut nicht ohne Begleitung antreten.
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Abb. 6.6 Blutplasma und rotes Blutkörperchen Diese Abbildung zeigt im oberen Teil Blutplasma und darunter einen Querschnitt durch ein rotes Blutkörperchen. Das Plasma enthält zahlreiche Serumalbuminmoleküle (A), Y-förmige Antikörper (B), Fibrinogen (C), Lipoprotein hoher Dichte (D), Lipoprotein niedriger Dichte (E) und viele andere Proteine, die Transport- und Schutzfunktionen wahrnehmen. Die Zellmembran des roten Blutkörperchens ist im Vergleich zu den Zellmenbranen der meisten unserer Zellen relativ einfach gebaut; sie enthält ein einfaches Netzwerk aus Spectrin (F). Das Zellinnere ist fast vollständig mit Hämoglobin (G) und einigen antioxidativ wirkenden Proteinen wie Superoxid-Dismutase (H) und Katalase (I) gefüllt (1 000 000 ×).
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Fettsäuren (die Kohlenstoffketten in Fetten und Lipiden) werden von Serumalbumin transportiert, dem häu¿gsten Protein im Blutserum. Jedes Albuminmolekül kann sieben Fettsäuremoleküle tragen. Sie binden in tiefen Spalten der ProteinoberÀäche, abgeschirmt vor dem umgebenden Wasser. Serumalbumin bindet auch andere kohlenstoffreiche Moleküle wie Steroidhormone und Arzneistoffe und gibt sie an einem anderen Ort wieder ab. Das kann sehr wichtig sein, wenn es um die richtige Dosierung eines Medikaments geht. Bindet der Wirkstoff allzu stark an Serumalbumin, wird er weitgehend in dem Protein verborgen bleiben und nicht an seinen richtigen Einsatzort gelangen. Allerdings kann das Serumalbumin die Wirkung eines Medikaments auch verlängern. Es stellt einen Langzeitspeicher für den Arzneistoff dar, der auf seiner Reise mit dem Blutstrom ganz allmählich abgegeben wird. Serumalbumin schützt Wirkstoffmoleküle auch vor unseren natürlichen Entgiftungsmechanismen, sodass sie sogar noch länger wirken als ein wasserlösliches Medikament. Lipide und Fette nehmen ein anderes Transportmittel. Statt einzeln im Inneren eines Proteins wie dem Serumalbumin befördert zu werden, werden sie in kleinen Tropfen transportiert, den Lipoproteinen. Jedes Lipoprotein besteht aus einer Ansammlung von Fett- oder Lipidmolekülen, umgeben von einem Ring aus Protein. Diese Lipoproteine werden von den Zellen absorbiert, die die Blutbahn auskleiden, und in ihrem Inneren zerlegt. Es gibt zwei Haupttypen von Lipoproteinen, die im Blut zirkulieren: Lipoproteine niedriger Dichte (LDL) und Lipoproteine hoher Dichte (HDL). Lipoproteine niedriger Dichte sind größer und enthalten mehr Lipide, wodurch sie ihre niedrige Dichte erlangen. Beide Formen spielen eine wichtige Rolle beim Transport von Cholesterin durch den Körper. LDL ist allerdings als „schlechtes Cholesterin“ berüchtigt, denn es neigt dazu, sich an den Wänden der Arterien, die Herz und Gehirn versorgen, abzulagern, was zu Arteriosklerose führt. Umgekehrt scheint ein hoher HDL-Spiegel mit einem geringeren Risiko einer Herzerkrankung einherzugehen; HDL wird daher oft als „gutes Cholesterin“ bezeichnet. Wie genau dieser Schutzmechanismus funktioniert, wird unter Wissenschaftlern noch immer kontrovers diskutiert, doch im Kern geht es um die Fähigkeit des HDL, das Cholesterin von den Ablagerungen wegzutransportieren und zur Speicherung zurück in die Leber zu bringen. Das Blutserum enthält auch ein internes Reparatursystem. Da Blut eine Flüssigkeit ist, die mit hohem Druck durch den Körper gepumpt wird, kann es leicht zu einem Blutverlust kommen, wenn ein Blutgefäß verletzt wird. Der Schaden wird durch einen Blutpfropfen in Grenzen gehalten; dabei wird das Leck so lange abgedichtet, bis sich das umgebende Gewebe regeneriert hat (Abb. 6.7). Der Pfropfen besteht aus langen, dünnen Fibrinogenmolekülen, die sich zu einem dichten Netz aus Filamenten zusammenschließen, und kleinen Zellfragmenten, den Blutplättchen, die in dem
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Abb. 6.7 Blutgerinnung Die Blutgerinnung wird in Gang gesetzt, wenn das Gewebefaktorprotein (A) mit Blut in Kontakt kommt. Dies löst eine Reaktionskaskade aus, bei der andere Blutfaktoren wie Faktor VII (B), Faktor X (C) und Thrombin (D) aktiviert werden. Thrombin aktiviert letztendlich Fibrin (E), das ein dichtes Netzwerk bildet (oben) (1 000 000 ×).
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Netz stecken bleiben und einen klebrigen Stöpsel bilden, der die Wunde verschließt. Wie man sich vorstellen kann, muss dieser Prozess sehr sorgfältig überwacht werden. Das Blut darf nur zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle gerinnen, anderenfalls würden Gefäßblockaden entstehen, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Die Blutgerinnung wird durch eine Proteinkaskade gesteuert; sie sorgt dafür, dass sich rasch und genau an der richtigen Stelle ein Gerinnsel bildet. Die Blutgerinnungskaskade beginnt mit dem Gewebefaktor, einem Protein, das auf der OberÀäche der Zellen vorkommt, die die Blutgefäße umgeben, nicht aber auf den Zellen, die normalerweise direkt mit Blut in Berührung kommen. Der Gewebefaktor signalisiert, dass ein Gewebe verletzt wurde; erreicht das Blut eine Zelle mit Gewebefaktor, so kann das nur bedeuten, dass Blut aus dem Blutgefäß gesickert ist: Ein Leck ist entstanden. Nun setzt die Kaskade ein. Der Gewebefaktor aktiviert einige Moleküle des Proteins Faktor VII, die ihrerseits viele Moleküle von Faktor X aktivieren, welche noch mehr Moleküle Thrombin aktivieren; das Thrombin schließlich regt eine große Menge Fibrinogenmoleküle zur Bildung des wasserdichten Pfropfens an. Um einen perfekten Pfropfen zu erzeugen, werden zwei Tricks angewandt. Zum einen dient die Kaskade zur Verstärkung des Signals. Auf jeder Stufe werden immer mehr Moleküle eines Proteins aktiviert, sodass das Signal, ausgehend von einigen wenigen Gewebefaktormolekülen, schließlich Tausende von Fibrinmolekülen aktiviert. Zum anderen hat jedes dieser Proteine eine sehr kurze Lebensdauer. Einmal aktiviert, sind sie extrem instabil und können sich nur über eine kurze Distanz vom Ort der Verletzung fortbewegen; so entsteht ein räumlich begrenzter Pfropfen an einer genau festgelegten Stelle. Im Blut be¿ndet sich auch ein Großteil der Maschinen unseres Immunsystems, das uns dauerhaften Schutz vor eindringenden Organismen wie Viren und Bakterien bietet. Die Antikörper im Blutplasma bilden unsere erste Verteidigungslinie. Sie orten unbekannte Moleküle auf der OberÀäche fremder Organismen und versehen sie mit einer Markierung, aus der hervorgeht, dass dieser Organismus durch die weißen Blutkörperchen zerstört werden soll. Im Plasma wimmelt es nur so von unterschiedlichen Antikörpern, von denen jeder darauf zugeschnitten ist, an ein bestimmtes nichtmenschliches Molekül zu binden. Man mag sich die Frage stellen, wie die antikörperproduzierenden Zellen einen Antikörper herstellen können, der an ein Protein bindet, das der Körper noch gar nicht kennt. Wie häu¿g in der Biologie geschieht dies durch eine Kombination aus Zufall und Selektion. In einer Frühphase unserer Entwicklung bildet unser wachsendes Immunsystem mithilfe einer verzwickten Rekombination von Genen viele, viele unterschiedliche Lymphocyten. Jeder Lymphocyt produziert einen ganz speziellen Antikörpertyp. Manche dieser Antikörper binden an unsere normalen Proteine, manche können an andere
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Proteine binden, denen wir noch nie begegnet sind. Anschließend beseitigt das Immunsystem alle Zellen, die Antikörper herstellen, welche sich gegen unsere eigenen Moleküle richten. Die überlebenden, adulten Zellen erzeugen also nur noch eine Zufallsauswahl von Antikörpern, die an körperfremde Moleküle binden. Reife Lymphocyten besitzen auch die Fähigkeit, diese Antikörper leicht zu modi¿zieren, wenn sie sich als nützlich erwiesen haben; hier und da wird eine Aminosäure verändert, um den Antikörper für seinen Einsatz gegen neue Gefahren zu perfektionieren. Das Blutplasma enthält noch eine andere Gruppe von Immunproteinen – das Komplementsystem –, das darauf spezialisiert ist, Bakterien abzutöten. Gerade im Blut ist es wichtig, bakterielle Infektionen zu bekämpfen, denn Bakterien könnten sich rasch in alle Körperteile ausbreiten, sobald sie in die Blutbahn gelangt sind. Das Komplementsystem ist eine Proteinkaskade ähnlich der Blutgerinnungskaskade. Sie beginnt mit einem Sensor, der in mehreren Stufen Verstärkerproteine aktiviert, die schließlich die bakterienbekämpfenden Einheiten aufstellen. Als Sensor dient das sechsarmige Protein C1. Wenn mehrere seiner „Arme“ gleichzeitig an Antikörper binden, die an die OberÀäche eines Bakteriums angeheftet sind, wird die Zerstörungskaskade ausgelöst. Sie führt letztlich zur Bildung von Membranangriffskomplexen, die die Zellwand des Angreifers durchlöchern (siehe Abbildung vor dem Vorwort). Das Blut ist auch unser einfachster Kommunikationsweg zwischen den Zellen. Jedes im Blut zirkulierende Hormon übermittelt eine Nachricht. Dabei handelt es sich zum Teil um kleine Moleküle, die nur aus wenigen Atomen bestehen, und zum Teil um kleine Proteine. Sie werden in bestimmten Drüsen erzeugt und überall im Körper von Rezeptoren auf der ZelloberÀäche oder im Inneren der Zellen gebunden. Adrenalin zum Beispiel wird in den Nebennieren (oben auf den Nieren sitzend) erzeugt und übermittelt die Nachricht, dass sich alle Zellen auf die Energieproduktion fokussieren sollen. Das Hormon wird in der Regel dann ausgeschüttet, wenn wir uns in unmittelbarer Gefahr be¿nden: Der „Kick“, den wir in einer gefährlichen Situation verspüren, entsteht dadurch, dass unsere Zellen ihre Energiequellen mobilisieren, um uns handlungsbereit zu machen. Insulin und Glucagon sind kleine Proteinhormone, die stets die aktuelle Zuckerkonzentration in unserem Blut anzeigen. Sie regen die Zellen dazu an, Zucker aus dem Blut aufzunehmen beziehungsweise mehr Zucker in das Blut abzugeben. Unsere Geschlechtshormone sind dagegen modi¿zierte Formen von Cholesterin: Östrogene aus den Eierstöcken und Testosteron aus den Hoden rufen die körperlichen Veränderungen während der Pubertät hervor. Das Wachstumshormon, ein kleines Protein, das in der Hirnanhangdrüse gebildet wird, dient zur Koordination des Wachstums aller Körperzellen während der Kindheit.
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Viele der Botschaften, die uns seit dem Frühstadium der Evolution der vielzelligen Lebewesen begleiten, werden noch heute durch Hormone übertragen. Die Verwendung von Hormonen als Botenstoffe beschränkt sich jedoch auf diese allgemeinen Botschaften, weil die Synthese von Hormonen so kostspielig ist. Für jede neue Botschaft muss ein völlig neues Hormon hergestellt werden sowie neue molekulare Maschinen, um das jeweilige Hormon am Zielort zu binden. Heute werden Hormone nur dazu verwendet, einfache Nachrichten zu versenden, zum Beispiel: „Ich habe Hunger“ oder „Ich fürchte mich“. Für die Übertragung komplexerer Botschaften wird ein viel Àexibleres und dabei sehr wirkungsvolles System verwendet.
Nervensystem Nervenzellen sind auf die schnelle Nachrichtenübertragung über große Entfernungen spezialisiert. Unser Körper ist von einem Netzwerk aus Nervenzellen durchzogen, die alle zentral vom Gehirn aus gesteuert werden. Dieses Netzwerk erstreckt sich in all unsere Körperregionen. Nervensignale schießen durch den Körper, sammeln und verarbeiten unsere Sinneseindrücke und bewegen unsere Muskeln. Manche der Signale verlassen das Gehirn nie; sie tragen unsere Gedanken und speichern unsere Erinnerungen. Neuronale Netzwerke können aufgrund der unterschiedlichen Organisation und der zahlreichen Varianten im Zusammenspiel hintereinandergeschalteter Nervenzellen sowohl einfache, genau festgelegte ReÀexreaktionen als auch äußerst subtile Denkprozesse ausführen. Unsere Nerven kommunizieren sowohl über elektrische als auch über chemische Signale miteinander. Elektrische Signale werden dazu verwendet, Botschaften in Sekundenbruchteilen über große Entfernungen zu übertragen. Die Signale laufen blitzschnell über das dünne Axon einer Nervenzelle (Abb. 6.8 und 6.9); die Länge eines Axons variiert dabei von sehr Ź Abb. 6.8 Axon einer Nervenzelle Gezeigt ist der Querschnitt durch ein Axon. Die elektrisch erregbare Zellmembran, die das elektrische neuronale Signal weiterleitet, verläuft quer durch die Mitte der Abbildung. In dieser Membran sind zwei Proteintypen verankert: die Natriumpumpe (A), die die Membran auÀädt, und der spannungsgesteuerte Natriumkanal (B), über den sich das elektrische Signal die Membran entlang fortpÀanzt. Eine komplexe Infrastruktur aus Cytoskelettproteinen (hier unterhalb der Membran dargestellt) stützt das Axon und stellt ein Schienensystem zum Stofftransport über die ganze Länge des Axons zur Verfügung. Ganz unten ist zu erkennen, wie ein Kinesinmolekül (C) ein kleines Vesikel einen Mikrotubulus entlangzieht. Ganz oben ist eine benachbarte Gliazelle dargestellt. Die beiden Zellen sind durch Proteine wie Neurofascin (D), Gliomedin (E), Integrin (F) und Tenascin (G) miteinander verbunden (1 000 000 ×).
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kurzen Axonen der dicht gepackten Neuronen im Gehirn bis zu über einem Meter Länge bei Neuronen, die sich bis in unsere Extremitäten erstrecken. Hat das Signal das Ende des Axons erreicht, setzt die Zelle Neurotransmitter frei, die die Botschaft als chemisches Signal über den engen synaptischen Spalt auf die nächste Nervenzelle übertragen. Die elektrischen Signale werden über eine Kette von molekularen Relais geleitet, die durch einen elektrochemischen Gradienten von Natriumionen angetrieben werden. Der Prozess beginnt damit, dass das Axon aufgeladen und damit für die Signalübertragung „schussbereit“ gemacht wird. Pumpen in der Membran des Axons transportieren Natriumionen aus dem Axon hinaus in den engen Raum, der es umgibt. Dadurch wird die Membran ähnlich wie eine Batterie aufgeladen. Dann nutzt eine Reihe von spannungsgesteuerten Kanalproteinen die geladene Membran, um eine Nachricht das Axon entlangzuschicken. Der spannungsgesteuerte Kanal hat eine interessante Eigenschaft: Ist die Membran geladen, so bleibt er geschlossen, doch wenn sich der elektrochemische Gradient verringert (wobei auch die elektrische Spannung zwischen beiden Seiten der Membran absinkt), öffnet er sich. Diese Eigenschaft ermöglicht es ihm, ein neuronales Signal weiterzuleiten. Der Nerv schickt ein Signal ab, indem er im oberen Bereich des Axons Natrium durch die Membran in die Zelle zurückÀießen lässt. Dadurch verringert sich der Spannungsunterschied zwischen beiden Seiten der Membran. Die Kanalproteine nehmen diese Veränderung wahr und öffnen sich alle, wodurch noch mehr Natrium in das Axon zurückÀießen Ź Abb. 6.9 Myelinscheide Die Signalübertragung in unseren Nerven erfolgt deutlich schneller, wenn der Nerv über eine Myelinscheide verfügt. Eine Nachbarzelle wickelt Schicht um Schicht einer isolierenden Membran um das Axon. Über die ganze Länge des Axons wird die Myelinummantelung von kleinen Abschnitten einer elektrisch erregbaren Membran unterbrochen Das Nervensignal springt rasch von einem erregbaren Abschnitt zum nächsten und überspringt dabei die myelinisierten Segmente. Ohne Myelinscheide kann ein durchschnittlicher Nerv mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Meter pro Sekunde Signale abfeuern, springt das Signal jedoch über die myelinisierten Abschnitte, geht es zehnmal schneller. Auf dieser Querschnittszeichnung be¿ndet sich das Axon unten rechts; der Schnitt verläuft rechtwinklig zur vorhergehenden Abbildung. Ganz unten ist einer der Mikrotubuli im Inneren des Axons im Anschnitt zu sehen (A). Myelinummantelte Axonmembranen besitzen weit weniger Pumpen und Kanäle als die anderen Segmente, darunter der spannungsgesteuerte Kaliumkanal im unteren Teil der Abbildung (B). Ganz oben hat sich eine Schwann-Zelle viermal um das Axon gewickelt, sodass acht Schichten isolierender Membran entstehen. Proteine wie das Protein Zero (C) und das myelinbasische Protein (D) unterstützen die Schwann-Zelle darin, eine ausreichend dünne Form anzunehmen, um diese dicht gepackten Schichten bilden zu können (1 000 000 ×).
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kann. Das regt Kanäle weiter unten am Axon dazu an, sich ihrerseits zu öffnen, wodurch noch mehr Natrium in das Axon hineingelangt. Das Signal pÀanzt sich wellenförmig das Axon entlang fort, wobei sich auf der gesamten Länge des Axons Kanäle öffnen. Ist die Welle durchgelaufen, bleibt die Membran völlig ohne Ladung zurück. Die spannungsgesteuerten Kanäle schließen sich selbsttätig, und die chemischen Pumpen beginnen, wieder Natrium durch die Membran zurückzupumpen, um das Axon auf das nächste Signal vorzubereiten. Dies mag kompliziert klingen, doch läuft der ganze Zyklus sehr schnell ab. Ein durchschnittlicher Nerv kann pro Sekunde mehr als 200 Mal ein Signal abfeuern. Wenn die elektrische Welle das Ende des Axons erreicht, wird sie mittels eines chemischen Signals auf die nächste Nervenzelle übertragen (Abb. 6.10). Der Spannungsabfall veranlasst das Axonende, den Inhalt kleiner Vesikel in den engen synaptischen Spalt zwischen den Zellen auszuschütten. An manchen sehr aktiven Synapsen, etwa zwischen Nerven und Muskelzellen, werden mehrere Hundert Vesikel ausgeleert, was ein starkes Signal ergibt. Andere Synapsen, zum Beispiel manche der Verbindungen im zentralen Nervensystem, senden schwächere Signale, an denen nur ein einzelnes Vesikel beteiligt ist. Jedes Vesikel enthält mehrere Tausend Neurotransmittermoleküle, die rasch die Synapse passieren. Sie binden an spezielle Rezeptorproteine an der benachbarten Nervenzelle, die daraufhin ihre Kanäle öffnet. Dann Àießen Tausende von Ionen in diese Zelle, und die Signalübertragung beginnt von neuem. Nervenzellen haben im Allgemeinen Tausende von Fortsätzen, sodass sie von vielen verschiedenen Zellen Botschaften erhalten. Durch die Verwendung von chemischen Signalmolekülen können sie diese BotschafŹ Abb. 6.10 Synapse Chemische Signale werden über Synapsen von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Oben erkennt man den Endbereich eines Axons; das Endstück enthält zwei Vesikel voller Neurotransmitter. Das linke Vesikel dockt gerade an die Membran an, das rechte ist bereits mit der Membran verschmolzen und setzt seine Neurotransmitter frei. Um diese komplizierten Aufgaben zu erfüllen, ist ein komplexes Gemisch von Tetheringund regulatorischen Proteinen in der Vesikelmembran erforderlich; spannungsgesteuerte Calciumkanäle (A) in der Nervenmembran unterstützen dabei, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen. Die Synapse zwischen den Zellen ist mit einer Basalmembran gefüllt, welche unter anderem das Enzym Acetylcholinesterase (B) enthält, das den Neurotransmitter abbaut, wenn er seine Funktion erfüllt hat. Das kleine Protein CHT1 (C) bringt die Molekülbruchstücke zurück in die Zelle, wo sie beim nächsten Nervenimpuls wiederverwendet werden. Unten sieht man eine Muskelzelle, auf deren OberÀäche sich viele Acetylcholinrezeptoren (D) be¿nden. Ein weitverzweigtes Netz aus Proteinen im Inneren der Muskelzelle ¿xiert die Rezeptoren und lässt sie büschelartig in die Synapse ragen (1 000 000 ×).
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ten voneinander unterscheiden und entsprechend reagieren. An manchen Synapsen werden Neurotransmitter eingesetzt, die eine positive, elektrisch erregende Nachricht übermitteln, indem sie ein elektrisches Signal an die Empfängerzelle weiterleiten. Bei anderen Synapsen werden andere Neurotransmitter eingesetzt, die ein hemmendes Signal liefern, indem sie eine elektrische Antwort unterdrücken. Eine Nervenzelle kann Tausende dieser chemischen Signale erhalten, sowohl erregende als auch hemmende. Anhand ihrer jeweils eintreffenden Anzahl und des Zeitpunktes bestimmt die Zelle, ob ein elektrisches Signal über ihr Axon weitergeleitet wird oder nicht. Jede Nervenzelle verarbeitet also Informationen und ist nicht einfach nur ein passives Relais für einzelne Botschaften. Natürlich ist es nur dann sinnvoll, neuronale Signale durch den Körper zu schießen, wenn diese auch etwas bewirken. Das Nervensystem steht über vielerlei In- und Outputs mit der Außenwelt in Verbindung. Es nimmt Sinneseindrücke auf und hält uns über den Zustand unserer Umgebung auf dem Laufenden. Unsere Sinnesorgane enthalten unterschiedliche molekulare Maschinen, die jeweils eine Umweltvariable überprüfen. Die Augen haben lichtemp¿ndliche Rhodopsinproteine, die Signale aussenden, wenn sie von Photonen angeregt werden. Die Geschmacksknospen auf unserer Zunge besitzen Rezeptoren, die die Ionen- oder Säurekonzentration wahrnehmen und Signale auf den Weg schicken, die dann als „salzig“ oder „sauer“ interpretiert werden. Rezeptorproteine in unseren Ohren nehmen die Bewegung kleiner, haarähnlicher Zellfortsätze wahr und interpretieren diese Bewegungen als unterschiedliche Tonhöhen, die wir hören. Letztendlich werden all diese sensorischen Botschaften in elektrische Impulse umgewandelt, die an Axonen entlang zum Gehirn geleitet werden. Wir bekommen die Nervensignale überall im Körper durch die Anregung von Muskeln und Drüsen zu spüren. Zum Teil können wir dies bewusst steuern: Indem wir daran denken, können wir neuronale Signale zu den Muskeln in unseren Armen und Beinen schicken und ihnen den Befehl geben, sich zusammenzuziehen. Doch viele der Aktionen, die durch das Nervensystem ausgelöst werden, laufen ohne unsere bewusste Steuerung ab. So werden Signale an unsere inneren Muskeln gesendet, die unseren Herzschlag und die langsamen Verdauungsbewegungen steuern. Neuronale Signale regen unsere Drüsen dazu an, die richtigen Hormone freizusetzen; sie führen uns durch unseren Tagesrhythmus und lassen uns auf Veränderungen reagieren. Die 100 Billionen Zellen in unserem Gehirn haben alles unter Kontrolle; sie verarbeiten den Input aus allen Teilen unseres Körpers und veranlassen den entsprechenden Output. Dieses verblüffende Netzwerk entsteht in unseren ersten Lebensmonaten. Während der Gehirnentwicklung in der
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Embryonalphase vervielfältigen sich die Nervenzellen und bilden zahlreiche Verbindungen zu ihren Nachbarzellen aus; so werden die verschiedenen Gehirnregionen, die für Sinneswahrnehmung, Bewegung und Denken zuständig sind, miteinander verknüpft. Wenn wir dann wachsen und lernen, stärken all unsere Kindheitserfahrungen die Verbindungen, sodass das Gehirn allmählich zu einer leistungsfähigen Maschine für die biologische Datenverarbeitung wird. In ihrer Gesamtheit steuern die Nervenzellen unseren Schlaf-/Wachrhythmus, sie interpretieren Signale als angenehm oder schmerzhaft, sie erkennen Farben, Geräusche und Wörter, sie erinnern sich an Dinge, die wir in der Vergangenheit getan haben, sie entscheiden, was in schwierigen Situationen in der Gegenwart zu tun ist und planen für uns die Zukunft.
Kapitel 7 Leben und Tod
Die Welt, in der wir leben, bringt unweigerlich Verfall und Tod mit sich. Die zerstörerischen Kräfte der Entropie führen langsam, aber unerbittlich zum Niedergang allen Lebens. Für die frühesten Zellen war die wichtigste Eigenschaft, die ein Leben in unserer Welt der Entropie überhaupt zuließ, die Fähigkeit, eine Ordnung aufrechtzuerhalten und damit dem unvermeidlichen Verfall ins Gleichgewicht Widerstand zu leisten. Um diese große Herausforderung zu meistern, sind zwei Wege denkbar: Unsterblichkeit oder geplante Veralterung (Obsoleszenz). Ein unsterblicher Organismus wäre völlig resistent gegenüber UmwelteinÀüssen oder er hätte wirkungsvolle Reparaturmechanismen, um auftretende Schäden rückgängig zu machen. Das war für die frühesten Zellen, die aus emp¿ndlichen organischen Stoffen bestanden, offenbar zu viel verlangt. Stattdessen entwickelten sie sich anhand einer Strategie der geplanten Veralterung (Abb. 7.1). Moleküle, Zellen, Organismen – alle sind am Anfang ihres Lebenszyklus makellos und frisch; sie leben eine Minute, ein Jahr oder ein Jahrhundert, und dann Ż Abb. 7.1 Programmierter Zelltod All unsere Zellen sind so programmiert, dass sie bei Bedarf mithilfe einer bestimmten Methode auf Kommando absterben können. Beim programmierten Zelltod baut die Zelle auf sichere und geordnete Weise ihre eigenen molekularen Maschinen ab. In dieser Abbildung hat eine cytotoxische T-Zelle (oben) der Zelle unten das Signal zum Absterben gegeben. Auf der OberÀäche der T-Zelle be¿nden sich Proteine, die von Todesrezeptoren (A) auf der ZelloberÀäche erkannt werden; damit beginnt der Ablauf, der zum Tod führt. Als Teil des Prozesses bildet das Protein BID (B) Poren in der OberÀäche von Mitochondrien (unten) und gibt Cytochrom c (C) in das Cytoplasma ab. Auf dieses Signal hin wird ein Apoptosom gebildet (D), das seinerseits Initiatorcaspasen (E) aktiviert. Diese aktivieren weitere Caspasen (F), die in einem wohlgeordneten Angriff die Schlüsselproteine der Zelle attackieren. Die Caspasen schneiden beispielsweise das Protein Gelsolin (G) und wandeln es damit in eine aktive Form um, die Actin¿lamente spaltet (1 000 000 ×).
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sterben sie – jedoch nicht, bevor sie sich fortgepÀanzt haben, um ein neues Molekül, eine neue Zelle, einen neuen Organismus zu erschaffen. Durch diesen Zyklus von Geburt, Leben und Tod zieht sich ein roter Faden der Unsterblichkeit, der Jahrhunderte überdauert: die genetische Information, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch auch sie ist veränderbar; sie wandelt sich durch Mutationen und Verschiebungen – so entstand die Vielfalt des Lebens, an der wir uns heute erfreuen.
Ubiquitin und das Proteasom Proteine werden für eine bestimmte Aufgabe gebildet und dann rasch entsorgt, wenn diese Aufgabe erfüllt ist. In einer durchschnittlichen Zelle werden 20 bis 40 Prozent der neu synthetisierten Proteine innerhalb einer Stunde wieder zerstört, und manche Proteine mit zeitkritischen Funktionen – wie etwa die Regulatoren von Transkription oder Zellteilung – überdauern nur wenige Minuten. Dieser Ansatz der geplanten Alterung mag verschwenderisch erscheinen, doch er hat einen großen Vorteil. Er ermöglicht es der Zelle, auf Veränderungen in ihrer Umgebung schnell zu reagieren. Natürlich stellen diese Abläufe die Zelle vor ein Problem. Sie kann nicht einfach proteinabbauende Enzyme bilden und diese dann wahllos in das Cytoplasma abgeben. So wie die Verdauungsenzyme in unserem Magen würden sie alles in ihrer Reichweite zerstören. Stattdessen stellt die Zelle Proteasomen her (Abb. 7.2). Proteasomen sind gierige Proteinvernichter, doch der Reißwolf ist sorgsam im Inneren einer fassförmigen Struktur versteckt. So kann das Proteasom sich unbehelligt in der Zelle bewegen, und nur bestimmte Proteine wandern in seinen hungrigen Schlund. Die Zelle braucht für die Zerstörung von Proteinen Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass nur nicht mehr gebrauchte oder beschädigte Proteine in das Proteasom gelangen. In diesem Prozess spielt das kleine Protein Ubiquitin eine zentrale Rolle. Es heftet sich an alte Proteine und signalisiert der Zelle damit, dass diese für Abbau und Wiederverwertung vorgemerkt sind. Das KnifÀige daran ist, dass das Ubiquitin nur an die richtigen Proteine angeheftet werden darf. Darum kümmern sich bestimmte Enzyme, die Ubiquitin-Ligasen. Mithilfe zweier anderer Enzyme identi¿zieren sie kurzlebige Proteine und verknüpfen sie mit Ubiquitin. Eine Kette von vier oder mehr Ubiquitinmolekülen markiert ein Protein für die Zerstörung. Die Deckel auf beiden Enden des Proteasoms erkennen diese Ubiquitinkette und bringen das daran hängende Protein in die zentrale Kammer, in der es zerstört wird: Es wird in kleine Stücke zerlegt, die später dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden können.
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Abb. 7.2 Ubiquitin und das Proteasom Sind alte Proteine bereit zur Wiederverwertung, werden sie von der Zelle mit Ubiquitinketten versehen. Das Proteasom erkennt dieses Ubiquitin und zerstört das daran hängende Protein. Das Proteasom besteht aus vier aneinandergelagerten Proteinringen, in deren Innerem die proteinspaltende Maschine verborgen ist. Die hier gezeigte Struktur trägt an jedem Ende noch einen Ring aus aktivierten Proteinen. Sie bringen selektiv kleine Peptide zur vollständigen Zerstörung ins Innere des Proteasoms. An jedes Ende wird ein größerer Deckel (nicht abgebildet) angefügt, um Ubiquitin zu erkennen und vollständige Proteine in das Innere zu schleusen (5 000 000 ×).
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DNA-Reparatur Unsere molekularen Maschinen sind ständig Angriffen aus der Umwelt ausgesetzt. Sie werden von aggressiven Chemikalien beschädigt, durch Hitze in ihrer Faltstruktur verändert und von ultraviolettem Licht zerstört. In vielen Fällen sind diese Moleküle dann ruiniert und können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Die Zelle kann es sich leisten, schadhafte Proteine zu entsorgen, doch bei der DNA geht das nicht. Sie muss perfekt in Form gehalten werden, da sie die unverzichtbaren genetischen Informationen enthält, die über das Leben der Zelle bestimmen und an die Nachkommen weitergegeben werden müssen. Damit sichergestellt ist, dass diese Informationen nicht verloren gehen, verfügt die Zelle über vielfältige Methoden, um die DNA vor Schäden zu bewahren und sie zu reparieren, wenn sie doch einmal beschädigt werden sollte. Eine große Gefahr für die DNA stellt das Sonnenlicht dar. Die ultraviolette Strahlung der Sonne ist so energiereich, dass sie die Nucleotide der DNA angreifen kann. Die gefährlichsten Wellenlängen des UV-Lichts (das sogenannte UVC) werden vom Ozon in der oberen Atmosphäre herausge¿ltert, doch die schwächeren Strahlen, UVA und UVB, durchdringen die Atmosphäre und besitzen genug Energie, um die chemische Zusammensetzung der DNA zu verändern. Das ultraviolette Licht wird von einer Doppelbindung in den Thymin- und Cytosinnucleotiden absorbiert und lässt sie mit benachbarten Nucleotiden reagieren (Abb. 7.3). Ist das Nachbarmolekül ebenfalls Thymin oder Cytosin, kann sich eine Bindung zwischen den beiden Nucleotiden bilden. Diese unnatürliche Verbindung bewirkt einen ungünstigen Knick in der DNA und wird problematisch, wenn die DNAPolymerase den Strang bei der Replikation zu verdoppeln versucht. Insbesondere die Verbindung zweier benachbarter Cytosinmoleküle führt häu¿g zu einer Mutation, denn die DNA-Polymerase kann mit diesen geschädigten Basen fälschlicherweise Adenin paaren anstatt, wie es richtig wäre, Guanin. Im Folgenden werden wir sehen, welch große Probleme wie Krebs daraus entstehen können. Eine Schädigung durch ultraviolettes Licht ist keine Seltenheit. In jeder Sekunde, die wir in der Sonne verbringen, bilden sich in jeder Hautzelle 50 bis 100 dieser unnatürlichen Bindungen. So ist es nicht überraschend, dass Zellen wirksame Methoden besitzen, um diese Fehler auszubessern. Unsere Zellen nutzen einen Prozess, der als Nucleotidexcisionsreparatur bezeichnet wird und der ein Zusammenwirken zahlreicher Enzyme erfordert. Einige davon identi¿zieren den steifen Knick, der durch die störende Verbindung entsteht, andere schneiden den entsprechenden DNA-Abschnitt heraus, und der Rest baut ein neues Exemplar des geschädigten Bereichs auf. Das Ganze
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funktioniert aber nur dann, wenn der Komplementärstrang in der DNA-Helix noch unbeschädigt ist und dazu verwendet werden kann, Ersatz für den geschädigten Strang zu schaffen. Andere Lebewesen gehen das Problem geradliniger an. Sie besitzen Enzyme, die die beiden schadhaften Basen heraussuchen und diese direkt ausbessern. So bindet etwa die Photolyase (Abb. 7.3)
Abb. 7.3 DNA-Photolyase Die DNA-Photolyase bindet an DNA mit beschädigten Nucleotiden und bricht die unnatürliche Bindung zwischen ihnen auf. Sie geht mit der DNA nicht gerade zimperlich um: Die schadhaften Basen werden aus dem normalen Stapel geradezu herausgezerrt; die Reaktion erfolgt dann in einer kleinen, taschenartigen Vertiefung des Enzymmoleküls. Das obere Diagramm zeigt die schadhaften Basen quasi in Nahaufnahme. (In diesem Kugel-Stab-Modell sind die Bindungen zwischen den Atomen als Zylinder dargestellt.) Man erkennt, wie die beiden unnatürlich verbundenen Basen (magentarot dargestellt) aus dem normalen Basenstapel herausgedreht werden. Die untere Abbildung zeigt ein Enzym bei der Reparatur (oben: 40 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
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an die beschädigte DNA und bricht die Bindung zwischen den beiden Basen auf. Ironischerweise stammt die Energie, die für die Reaktion dieses Enzyms erforderlich ist, aus dem sichtbaren Licht. Die langen, emp¿ndlichen DNA-Stränge können auch leicht brechen. Röntgen- und Gammastrahlen sowie die Enzyme der Atmungskette erzeugen gefährliche reaktive Sauerstoffspezies (im Folgenden ausführlich beschrieben), die Brüche in der DNA entstehen lassen. Brüche kommen auch dann vor, wenn Polymerasen und Topoisomerasen Fehler begehen. Außerdem spalten Zellen gelegentlich absichtlich ihre eigene DNA, zum Beispiel während des sogenannten Gen-ShufÀings, das zur Bildung unterschiedlicher Antikörper dient. Ab und zu entsteht ein Fehler, wenn die Stränge wieder zusammengesetzt werden. Ein Bruch in einem Strang, auf dem ein wichtiges Gen liegt, kann für die Zelle tödlich sein, deshalb verfügt sie über Mechanismen, mit denen sie Brüche reparieren und das Genom intakt halten kann. Die wichtigste Methode zur Reparatur von DNA-Brüchen ist die homologe Rekombination. Sie beruht auf der Tatsache, dass jede Zelle ihre DNA in doppelter Ausführung besitzt. Der Bruch wird repariert, indem das Duplikat der DNA als Matrize benutzt wird, um die gebrochenen Stränge abzugleichen und wieder zusammenzufügen. Der zentrale Schritt des Prozesses wird als Synapse bezeichnet. Dabei lagern sich die beiden homologen Stränge – der schadhafte Strang und die unbeschädigte Matrize – parallel nebeneinander an. Das intakte Exemplar der DNA wird entwunden und der beschädigte Strang wird damit gepaart. Dann wird diese gepaarte Struktur dazu benutzt, die fehlenden Teile zu rekonstruieren und die Stränge wieder zu verbinden. Dieser verblüffende Prozess wird in menschlichen Zellen von dem Protein Rad51 durchgeführt (Abb. 7.4), in Bakterienzellen von dem ähnlichen Protein RecA (Abb. 4.6). Diese Proteine bilden lange schraubenförmige Filamente, die sich um die DNA-Stränge winden, sie dicht zusammenhalten und ihnen ermöglichen, jeweils die perfekte Übereinstimmung zu ¿nden. Zellen verfügen noch über eine weitere, weniger akkurate Methode zur Reparatur von Brüchen, bei der kein Strang als Vorlage benötigt wird. Ź Abb. 7.4 Austausch von DNA-Strängen Rad51-Proteine bilden ein schraubenförmiges Filament, das sich um DNA-Stränge windet. Auf dieser Abbildung wird ein DNA-Einzelstrang (rot dargestellt) mit einer Doppelhelix (gelb) gepaart, die die gleiche Nucleotidsequenz besitzt. Die Stränge treten am oberen Ende in das Protein ein, tauschen in einer hybriden Tripelhelixstruktur Stränge aus und verlassen das Protein unten in einer neuen Paarung wieder (5 000 000 ×).
DNA-Reparatur
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Diese Methode wird als nichthomologe Endverknüpfung bezeichnet; hierbei kann der Bruch direkt, ohne Information von außen, repariert werden. Der Prozess beginnt damit, dass zwei Proteine an die Enden des gebrochenen Stranges binden und diese zusammenführen. Dann bearbeiten spezielle Nucleasen und Polymerasen die Bruchstellen und füllen eventuelle Lücken auf, bis die Enden schließlich wieder bereit zur Verknüpfung sind. Eine DNA-Ligase fügt die Enden schließlich wieder zusammen. Beim Zurechtstutzen der Enden können leicht Nucleotide verloren gehen; diese Reparaturmethode kann also zu potenziell gefährlichen Veränderungen in der genetischen Information führen. Sie ist jedoch immer noch besser als eine gebrochene DNA, die für die Zelle den Tod bedeuten würde.
Telomere An den Enden von DNA-Strängen können mehrere ernste Probleme auftreten. Zum einen können sie leicht entwunden werden und bieten damit einen Angriffspunkt. Zum anderen ist es für die DNA-Polymerase unmöglich, die DNA ganz bis zum Ende zu kopieren, sodass die DNA bei den Replikationsrunden immer kürzer wird. Viele Bakterien umgehen dieses Problem, indem sie völlig auf Enden verzichten: Sie schließen ihre DNA zu einem großen Ring zusammen. Menschliche Zellen enthalten jedoch 46 lineare Stränge – jeder mit zwei Enden, die geschützt werden müssen. Zur Lösung dieses Problems tragen unsere DNA-Stränge an jedem Ende eine spezielle Nucleotidsequenz, Telomer genannt. Das Telomer besteht aus der Basensequenz GGGTTA, die sich etwa 1000-mal wiederholt. Einige spezielle Proteine binden an das Telomer und wickeln es zu einer Schleife auf; damit ist das Ende abgeschirmt und vor Enzymen geschützt, die die DNA abschneiden könnten. Das Telomer löst auch das Verkürzungsproblem. Wenn sich die Zelle teilt und die DNA-Replikation erfolgt, verliert das Telomer an jedem Ende 50 bis 100 Basen. Daraufhin bindet das Enzym Telomerase an das Telomer und verlängert es mithilfe seiner eigenen RNA-Matrize mit weiteren Exemplaren der Wiederholungssequenz. Da sich diese Nucleotidfolge immer wiederholt, ist es im Grunde gleichgültig, wie oft sie hinzugefügt wird, solange dies oft genug geschieht, um die Verluste auszugleichen. Embryonale Zellen und Stammzellen wie diejenigen, die unser Leben lang ständig Blutzellen produzieren, besitzen eine aktive Telomerase, die ihre DNA während der Replikation schützt. Die meisten unserer Zellen haben ihre Funktion zur Verlängerung von Telomeren jedoch eingestellt. Adulte menschliche Fibroblasten zum Beispiel können sich etwa 60-mal
Programmierter Zelltod
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teilen, bevor irreparable Schäden auftreten und die Zelle abstirbt. Das kann uns vor Krebs schützen, denn das Zellwachstum wird auf diese Weise einem Sicherheitscheck unterworfen. Beginnt eine Gruppe von Zellen plötzlich unkontrolliert zu wachsen, sterben sie alle innerhalb von ein paar Dutzend Generationen ab, weil ihre Telomere völlig zusammengeschrumpft sind.
Programmierter Zelltod Schwer verletzte Zellen hinterlassen beim Absterben ein Chaos. Sie schwellen an und zerplatzen; der Zellinhalt spritzt heraus und gelangt an Stellen, wo er nicht hingehört. Die Lysosomen (kleine Kompartimente, die innerhalb der Zelle eine Verdauungsfunktion wahrnehmen) können beschädigt werden und ihre zerstörerischen Enzyme freisetzen. Der Körper reagiert, indem er an der betroffenen Stelle eine Entzündung durch Immunzellen hervorruft, die bestrebt sind, das Durcheinander in Ordnung zu bringen, ohne das umgebende gesunde Gewebe allzu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Um das Problem mit der Unordnung zu umgehen, sind unsere Zellen darauf programmiert, durch einen bestimmten Mechanismus schnell und sauber Selbstmord zu begehen. Dieser Prozess wird als programmierter Zelltod oder Apoptose (Abb. 7.1) bezeichnet. Er ermöglicht es der Zelle, sich in geordneter Weise selbst abzubauen und dem Immunsystem zu signalisieren, dass die Zelle für das Recycling bereit ist. Für Zellen kann es viele verschiedene Gründe geben, eine Apoptose herbeizuführen. Sie können den programmierten Zelltod auslösen, wenn sie beschädigt sind – zum Beispiel, wenn ihre DNA an vielen Stellen gebrochen ist oder wenn ein Virusbefall vorliegt. Die Apoptose spielt auch eine wichtige Rolle für die Entwicklung. Unsere Zehen beispielsweise werden mithilfe des programmierten Zelltods gebildet, während wir noch Embryos sind. Zuerst bildet sich ein Àaches, Àossenartiges Anhängsel, dann sterben kleine Zellverbände säuberlich ab, sodass voneinander getrennte Zehen entstehen. Etwas Ähnliches geschieht mit den Schwänzen von Kaulquappen, wenn sie zu Fröschen heranreifen. Der programmierte Zelltod hat für uns auch eine wichtige Funktion zum Schutz vor Krebs: Zellen, die ein abnormes Wachstum zeigen, werden normalerweise zum Absterben gezwungen. Natürlich müssen diesem todbringenden System ausgeklügelte Kontrollmechanismen zugrunde liegen. Die Zellen müssen sicherstellen, dass nur dann eine Apoptose ausgelöst wird, wenn es absolut notwendig ist. Der Prozess selbst wird von einem „Proteintribunal“ überwacht, das aus Mitgliedern der Bcl-2-Proteinfamilie besteht. Gemeinsam wägen sie jeweils das Pro und Contra eines Zelltods ab. Einige dieser Proteine setzen sich für
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Abb. 7.5 Caspasen Beim programmierten Zelltod zerlegen Caspasen systematisch Proteine. Caspase-9 ist eine Initiatorcaspase, die normalerweise durch ein kleines Inhibitorprotein (blau dargestellt) in einem inaktiven Zustand gehalten wird. Wird der programmierte Zelltod eingeleitet, wird dieser Inhibitor entfernt und die Caspase verändert mehrere Effektorcaspasen wie zum Beispiel Caspase-3 etwas. Die Effektorcaspasen greifen daraufhin überall in der Zelle Proteine an. Zudem aktivieren sie noch andere Zerstörungsmaschinen, etwa die hier gezeigte Desoxyribonuclease. Diese erfasst mit ihrer großen oberen Einkerbung DNA-Stränge und zerlegt sie in kleine Stücke (5 000 000 ×).
das Überleben der Zelle ein. Ist die Zelle gesund und nützlich, gewinnen diese Proteine die Oberhand und unterdrücken die Signale, die zu einer Apoptose führen würden. Wird jedoch eine Beschädigung oder Infektion festgestellt, oder wurden Zellen von ihren Nachbarzellen abgetrennt, verurteilt eine zweite Gruppe von Proteinen die Zelle zum Tod. Die Vollstreckung des programmierten Zelltods erfolgt letztlich durch die Caspasen (Abb. 7.5). Dies sind proteinspaltende Enzyme, ähnlich unseren Verdauungsenzymen. Caspasen gehen jedoch sehr viel selektiver vor als diese, und ihre Zielmoleküle werden sorgfältig ausgewählt, damit der Abbau der Zelle schrittweise erfolgen kann. Durch die Zerstörung wichtiger regulatorischer Proteine wird die Zellteilung unterbunden; werden Polymerasen zerstört, kommt die Synthese neuer Nucleinsäuren zum Stillstand. Strukturproteine, etwa die Lamine, die die Kernmembran stabilisieren, werden in größere Stücke gespalten und dann abgebaut. Um den Ablauf zu beschleunigen, werden die Adhäsionsproteine auf der ZelloberÀäche zerlegt, sodass die Zelle den Kontakt zur Nachbarzelle verliert. Schließlich wird die Zellmembran leicht verändert; damit erhält das umgebende Gewebe das Signal, dass die Zelle bereit ist, absorbiert und recycelt zu werden.
Krebs
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Krebs Die Entstehung neuer Zellen ist ein bis ins Detail geregelter Vorgang, an dem das ganze Gewebe beteiligt ist. Zellen stehen ständig miteinander im Austausch; jeden Moment wird neu entschieden, ob neue Zellen gebraucht werden. Gewebe wie die Haut, das Blut und das Verdauungssystem benötigen laufend neue Zellen, um abhanden gekommene oder verschlissene Zellen zu ersetzen. Andere Gewebe, zum Beispiel das Gehirn, brauchen nicht so viel Ersatz und die Zellen teilen sich seltener. Normalerweise teilen sich unsere Zellen dank ihrer ausgeklügelten Kommunikations- und Steuerungsmechanismen gerade so oft, dass das Gewebe, zu dem sie gehören, gesund und aktiv bleibt. Ist die Kommunikation jedoch gestört, können sich abnormale Zellen unkontrolliert teilen und eine Krebserkrankung kann sich entwickeln. Da unser Körper über zahlreiche Schutzmaßnahmen gegen Krebs verfügt, muss sich eine Krebszelle stark verändern, um uns gefährlich werden zu können. Sie muss die Vielzahl von Signalen aus ihren Nachbarzellen sowie ihre eigenen internen Signale ignorieren, die ihr einhellig zu verstehen geben, dass sie sich nicht teilen soll. Sie muss die benachbarten Zellen davon überzeugen, dass sie neue Blutgefäße aufbauen sollen, um den abnorm wachsenden Tumor mit zusätzlichen Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen. Bei besonders invasiven Krebsformen muss sie die normalen molekularen Maschinen, die für Fortbewegung und Abbau zuständig sind, korrumpieren und dazu benutzen, in das umgebende Gewebe und, über die Blutbahn, auch in weit entfernte Bereiche des Körpers vorzudringen. All diese Veränderungen werden möglich, wenn bestimmte Proteine in der Krebszelle mutieren oder wenn zu viel beziehungsweise zu wenig von einem Schlüsselprotein erzeugt wird. Die Gene, die diese Proteine codieren, werden deswegen oft als Onkogene bezeichnet, da sie mit der Entwicklung von Krebs eng verknüpft sind. So bewirkt zum Beispiel ein in vielen Krebszellen vorkommendes, zentrales Onkogen eine Mutation im Tumorsuppressorprotein p53. Normalerweise prüft dieses Protein, ob die DNA beschädigt wurde oder ob andere Veränderungen stattgefunden haben, die zu anormalem Wachstum führen könnten. Entdeckt es einen Schaden, kann es die Zellteilung stoppen oder sogar den programmierten Zelltod auslösen. Viele Krebszellen besitzen jedoch eine mutierte Form des Tumorsuppressors p53, die nicht mehr wirksam ist, sodass der Krebs unkontrolliert wachsen kann. Andere Proteine, die – codiert durch Onkogene – in Krebszellen in mutierter Form vorkommen, sind Signalproteine, die für die Kommunikation mit den Nachbarzellen zuständig sind (Abb. 7.6), Adhäsionsproteine auf der ZelloberÀäche und Proteasen, die das Bindegewebe zwischen den Zellen zerschneiden.
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Abb. 7.6 Src-Onkogen Das Protein Src übermittelt Signale von Rezeptoren auf der ZelloberÀäche; es stimuliert Proteine, die Struktur, Kommunikation und Wachstum der Zelle steuern. Normalerweise bildet es in seiner inaktiven Form ein festes Knäuel (links). Erhält es jedoch ein Signal von der ZelloberÀäche, wird von einer bestimmten Tyrosinaminosäure (hier blau dargestellt) ein Phosphat entfernt. Daraufhin kann sich das Protein öffnen und wird als Enzym aktiv. Es hüpft dann von Protein zu Protein und gibt das Signal weiter, indem es Phosphate an sie heftet, wobei ATP (rot) als Phosphatquelle dient. Ist die Signalübertragung abgeschlossen, faltet es sich wieder zusammen und wartet auf das nächste Signal. In Krebszellen ist das Src-Gen jedoch oft mutiert. Dann ist auf dem Src-Protein entweder das spezielle Tyrosinmolekül mutiert oder das gesamte Ende des Moleküls, in dem sich das Tyrosin be¿ndet, fehlt, sodass sich das Protein nicht mehr zusammenknäulen kann. Das mutierte Src-Protein bleibt ständig aktiv und regt die Zelle zu unkontrolliertem Wachstum an (5 000 000 ×).
Am Anfang unseres Lebens ist unser Genmaterial noch einwandfrei; alle Gene unterstützen die normalen Wachstums- und Erhaltungsfunktionen unserer Körpergewebe. Unsere Gene sind jedoch ein Leben lang ständig Sonnenlicht und Chemikalien ausgesetzt, die an beliebigen Stellen in der DNA Mutationen verursachen. Wie bereits erwähnt, werden viele dieser Mutationen durch Reparaturmechanismen korrigiert, doch manche schlüpfen durch die Lücken des Systems. Viele davon sind harmlos, doch während wir älter und älter werden, sammeln sich immer mehr davon an. Wenn in einer einzelnen Zelle eine bestimmte Kombination von Mutationen vorkommt, wird sie zu einer Krebszelle und ein Tumor entsteht. Krebs ist besonders schwer zu behandeln, weil Krebszellen ja im Grunde menschliche Zellen sind, die sich gegen den eigenen Körper gewandt haben. Die direkten Behandlungsmethoden sind Operation und Bestrah-
Altern
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lung: Dabei werden die schadhaften Zellen weggeschnitten oder -gebrannt. Einen anderen Weg geht die Chemotherapie. Bei der Behandlung mit Antikrebsmedikamenten liegt der Ansatzpunkt in den Unterschieden zwischen Krebszellen und normalen Zellen. Leider sind diese Unterschiede sehr gering; die meisten der gegenwärtig verwendeten Antikrebsmedikamente machen sich daher die wichtigste Eigenschaft von Krebszellen zunutze: ihr schnelles Wachstum. Diese Medikamente setzen an unterschiedlichen Vorgängen der Zellteilung an; sie hemmen die DNA-Replikation oder blockieren die Maschinen, die die beiden Tochterzellen voneinander trennen. So wird die Krebszelle wirksam vergiftet, die Behandlung trifft aber auch normale, sich rasch teilende Zellen wie die Zellen in Haarfollikeln und die Zellen, die unseren Verdauungstrakt auskleiden und ihn schützen. Dies erklärt die schweren Nebenwirkungen der Chemotherapie.
Altern Bei unserer Geburt sind all unsere Zellen noch frisch und funktionieren so, wie es in unserem Genom festgelegt ist. Doch über die Jahre vollzieht sich in den Molekülen, in unseren Zellen, in unserem ganzen Körper allmählich ein Alterungsprozess; sie verlieren an Leistungsfähigkeit, versagen schließlich ihren Dienst, und wir sterben. Aus nahe liegenden Gründen ist das Altern ein beliebtes Forschungsgebiet in der Medizin – schließlich suchen wir alle nach Möglichkeiten, den Alterungsprozess aufzuhalten. Trotz aller Forschungsaktivität ist dies noch immer eines der großen Rätsel mit vielen unbekannten Größen. Man hat jedoch einige wichtige Erkenntnisse über die wichtigsten Faktoren des Alterns gewonnen. Bei der Betrachtung unterschiedlicher Tiere stellt man fest, dass die maximale Lebenserwartung von der Körpergröße und der Stoffwechselrate abhängt. Kleine Tiere haben einen sehr raschen Stoffwechsel, darum altern sie schneller und sterben jünger als große Tiere. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Hauptgrund für die Alterung in der langsamen, aber stetigen Akkumulation von Schäden durch reaktive Sauerstoffspezies liegt. Unsere Zellen benötigen Sauerstoff als letzten Elektronenakzeptor in der Atmungskette; mithilfe des Sauerstoffs können wir weit mehr Energie aus unserer Nahrung gewinnen, als ohne Sauerstoff möglich wäre. Doch während dieser Reaktionen bilden sich gefährliche reaktive Sauerstoffformen wie Superoxid- und Hydroxylradikale. Gelegentlich entkommen diese toxischen Moleküle den Enzymen der Atmungskette, bevor sie vollständig in Wasser umgewandelt worden sind (Abb. 7.7). Sie greifen dann Proteine und DNAMoleküle an, beschädigen sie oder verursachen Mutationen. Auch Lipide in
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Abb. 7.7 Cytochrom-c-Oxidase Die Cytochrom-c-Oxidase trägt die Hauptschuld an der Entstehung reaktiver Sauerstoffmoleküle. Sie katalysiert den letzten Schritt der Atmungskette; die Elektronen aus den Nährstoffmolekülen werden auf Sauerstoffmoleküle übertragen. Die Cytochrom-c-Oxidase ist ein großer Proteinkomplex, der in den Mitochondrien vorkommt. Das aktive Zentrum liegt tief im Inneren des Proteins verborgen, und mehrere Hämmoleküle und Kupferatome sind an der Reaktion beteiligt. Das Sauerstoffmolekül ist hellblau dargestellt (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
unseren Membranen werden von ihnen attackiert. Dabei entstehen reaktive Formen, die wiederum andere Moleküle angreifen. Die AltersÀecken auf der Haut älterer Menschen sind hierfür ein sichtbares Zeichen. Sie bestehen aus Lipofuscin, einer dunklen, peroxidierten Form der normalen Lipide. Die Oxidation stellt kein geringes Problem dar. Unser Atmungssystem ist eins der aktivsten molekularen Systeme, und als Nebenprodukt überschwemmen ständig reaktive Sauerstoffspezies die Zelle: Zum Glück verfügen wir
Altern
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über eine wirksame Methode, uns vor dieser allgegenwärtigen Bedrohung zu schützen. Unsere erste Verteidigungslinie besteht aus einer Serie von Enzymen, die reaktive Sauerstoffspezies aufspüren und unschädlich machen. Zu diesen Enzymen gehören die Superoxid-Dismutase, die Superoxid (Sauerstoff mit einem zusätzlichen Elektron) zerstört, und zwei Enzyme, die die Peroxide zerstören (Abb. 7.8). Auch mehrere kleine antioxidative Moleküle sind beteiligt. In den wassergefüllten Kompartimenten der Zelle bekämpfen Glutathion und Vitamin C reaktive Sauerstoffspezies; sobald sie ein solches freies Radikal ¿nden, machen sie es unschädlich (Abb. 7.9). Im Inneren von Membranen sind reaktive Sauerstoffspezies sogar noch besser löslich. Um sie unschädlich zu machen, besitzen wir in der Membran Vitamin A und Vitamin E. Diese Funktion ist so wichtig, dass in unseren Zellen häu¿g auf 100 Lipidmoleküle ein Molekül Vitamin E kommt.
Abb. 7.8 Antioxidative Enzyme Unsere Zellen besitzen verschiedene Enzyme, die reaktive Sauerstoffspezies unschädlich machen. Die Superoxid-Dismutase entgiftet Superoxidmoleküle; Katalase und Peroxiredoxin zerstören Wasserstoffperoxid. Jedes dieser Enzyme benutzt für die Reaktion ein bestimmtes chemisches Werkzeug. Die Superoxid-Dismutase verwendet Kupfer- und Zinkatome (eines davon ist hier – in Hellblau – am aktiven Zentrum dargestellt); die Katalase verwendet in Hämmoleküle eingeschlossene Eisenionen. Peroxiredoxin schließlich verwendet ein stark reaktives Schwefelatom in einer Cysteinaminosäure (hellgelb dargestellt) (5 000 000 ×).
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Abb. 7.9 Vitamin C Vitamin C bekämpft freie Radikale im Einzelkampf, Molekül gegen Molekül. (Freie Radikale sind Moleküle mit einem besonders reaktionsfreudigen ungepaarten Elektron.) Oben überträgt Vitamin C (Ascorbinsäure) ein Wasserstoffatom auf ein Hydroxylradikal. Damit wird das Vitamin-C-Molekül zu einem freien Radikal, doch es ist weit stabiler als das Hydroxylradikal und greift andere biologische Moleküle nicht so bereitwillig an. Das Vitamin-C-Radikal wird dann von Reduktaseenzymen, zum Beispiel der Cytochrom-b5-Reduktase (unten), unschädlich gemacht, indem es wieder mit einem Wasserstoff verbunden wird; damit ist es bereit, das nächste Hydroxylradikal in Angriff zu nehmen. Das Protein ist blau dargestellt; zwei Moleküle, die bei der Reaktion mitwirken, orange und rosafarben (oben: 40 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
Nun könnte man vermuten, es sei doch leicht, den Alterungsprozess hinauszuzögern, indem man den Körper einfach mit zusätzlichen Antioxidantien, etwa Vitamin A, C und E, überschwemmt. Zur Überprüfung dieser Idee wurden zahlreiche Studien durchgeführt, deren Ergebnis aber leider negativ aus¿el. Hat eine Person von Natur aus ein schwaches antioxidatives Abwehrsystem, also ein geringes Niveau an Antioxidantien, kann man durch Nahrungsergänzungsmittel zwar durchaus eine signi¿kante Wirkung erzielen; sie helfen, die Schäden durch reaktiven Sauerstoff zu verringern, und verlangsamen den Alterungsprozess. Bei den meisten von uns ist das normale Niveau an Antioxidantien durch die Evolution jedoch genau austariert, um uns den größtmöglichen Schutz zu bieten, deshalb nützt es anscheinend nicht viel, dem Körper zusätzlich Antioxidantien zuzuführen. Andere Studien haben jedoch eine verblüffende Möglichkeit gezeigt, den Alterungsprozess aufzuhalten. Bei vielen Tieren lässt sich die Lebens-
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erwartung deutlich erhöhen, manchmal sogar verdoppeln, wenn sie auf eine sehr karge Diät gesetzt werden. Die Nahrung enthält weiterhin alle Nährstoffe, die für normales Wachstum und die Gesunderhaltung notwendig sind, doch die Kalorienmenge wird stark reduziert, sodass das Tier gerade so überlebt. Die Wissenschaftler sind sich noch uneinig darüber, warum diese Ernährungsform so gut funktioniert, doch einer der Theorien zufolge besteht eine Verbindung zur Schädigung durch reaktiven Sauerstoff. Bei einer kalorienreduzierten Diät verlangsamt sich der Stoffwechsel, es wird weniger Sauerstoff gebraucht und weniger reaktive Sauerstoffmoleküle entkommen den Enzymen der Atmungskette.
Tod Der Tod ist, nach einer De¿nition in Wikipedia, „der endgültige und dauerhafte Verlust der für ein Lebewesen typischen und wesentlichen Lebensfunktionen“. Im Zeitalter fortschrittlicher Medizintechnik ist der Tod jedoch kein so wohlde¿niertes Konzept mehr. Menschen, die durch Ertrinken oder an einem Herzinfarkt scheinbar gestorben sind, können mithilfe der Herz-Lungen-Wiederbelebung ins Leben zurückgeholt werden. Bei größeren Operationen kann ein Patient zum Schutz des Gehirns mit Medikamenten in ein vorübergehendes todesähnliches Koma versetzt werden. Jeder weiß, wann ein Tier lebendig ist: Sein Herz schlägt, es atmet, es reagiert auf Schmerz, Hitze und Kälte. Genauso leicht ist es zu erkennen, wenn ein Tier eindeutig tot ist und die Verwesung eingesetzt hat. Will man aber den genauen Augenblick bestimmen, in dem der Tod eingetreten ist, bewegt man sich noch immer in einer geheimnisvollen Grauzone. Im Kontext des Menschen ist jedoch eine exakte De¿nition unabdingbar. Die Frage hat rechtliche und ethische Implikationen. Wir müssen wissen, wann ein Mensch tot ist, damit wir ihn unserer Tradition entsprechend beisetzen und seinen Nachlass verwalten können. In modernen Gesellschaften besteht auch die Möglichkeit, Organe zu Transplantationszwecken zu entnehmen, und dies muss sehr bald nach Eintritt des Todes erfolgen. Im Jahre 1968 hat eine Kommission der medizinischen Fakultät von Harvard eine De¿nition vorgeschlagen, die noch heute verwendet wird, um den genauen Todeszeitpunkt festzulegen. Nach dieser De¿nition ist das Todeskriterium der irreversible Verlust aller Hirnfunktionen. Damit laufen keinerlei hirnelektrische Funktionen mehr ab und das Gehirn wird nicht mehr durchblutet. Hier die Trennlinie zu ziehen, erscheint nur folgerichtig: Man geht davon aus, dass sich alle wichtigen Aspekte eines Menschen – seine Gedanken, seine Erinnerungen, seine Persönlichkeit und die Steuerungsho-
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heit über seinen eigenen Körper – in der Gehirntätigkeit ausdrücken. Geht diese verloren, ist der Mensch gestorben. Nach Eintritt des Todes unterliegt der Körper rasch den Kräften der Entropie. Die Leiche kühlt ein, zwei Tage lang ab – ein Überbleibsel der Stoffwechselprozesse, die nun ohne die entsprechende Steuerung ablaufen. Die Muskeln verhärten sich in der Totenstarre; die Erstarrung löst sich wieder, wenn das gesamte Calcium und ATP aufgebraucht sind und sich in der Zelle ein Gleichgewicht eingestellt hat. Nun beginnen rasch die Zersetzungsvorgänge; alle Regulierungs- und Schutzmechanismen sind außer Kraft gesetzt. In den meisten Kulturen werden menschliche Leichname beseitigt, bevor die Verwesung zu weit fortgeschritten ist, sei es durch Verbrennung, Einbalsamierung oder Beerdigung. Viele Teile des Körpers überdauern noch lange Zeit nach Eintritt des Todes. Knochen und Haare können noch nach Jahren oder Jahrhunderten vorhanden sein, obwohl in ihren nichts Lebendiges mehr ist. In versteinerter Form können sie jahrtausendelang ihre Spuren hinterlassen. Die Forschung macht sich dies zunutze: Wissenschaftler haben damit begonnen, nach Spuren biologischer Moleküle aus Organismen zu suchen, die vor Tausenden von Jahren gestorben sind. In einigen Sonderfällen, in denen die Überreste besonders gut erhalten sind, haben sie Erfolge vorzuweisen. So hat man beispielsweise kurze DNA-Fragmente aus den Knochen eines Neandertalers isoliert, der vor 40 000 Jahren gelebt hat. Mithilfe dieser Fragmente konnte ein Teil der komplexen Stammesgeschichte des Menschen geklärt werden. Diese Art von DNA-Archäologie gewährt uns einen Blick auf unsere entfernten Vorfahren und erweckt sie in unserer Vorstellung wieder zum Leben.
Kapitel 8 Viren
Wenn Sie je eine Erkältung hatten, oder Windpocken, Mumps, Grippe, Masern oder eine von Dutzenden anderer Krankheiten – dann sind Sie von einem Virus angegriffen worden. Viren stellen in unserer biologischen Umgebung eine allgegenwärtige Gefahr dar, und trotz vieler wirksamer Schutzmechanismen gewinnen sie manchmal die Oberhand und können sogar unser Leben bedrohen. Viren gehen völlig egoistisch vor. Sie dringen in Zellen ein, setzen deren normale Funktionen außer Kraft und zwingen sie, sich einer einzigen Aufgabe zu widmen: der Erzeugung weiterer Viren. In den meisten Fällen bedeutet das den Tod der Zelle. Betrachtet man die drei in diesem Kapitel vorgestellten Arten von Viren, so erkennt man, wie erschreckend einfach das ist. Die Viren müssen nur zwei Dinge bewerkstelligen: Sie müssen einen Mechanismus besitzen, mit dem sie neue Kopien von sich selbst herstellen können, und sie müssen einen Weg ¿nden, in die Zielzellen einzudringen und sie wieder zu verlassen. Viren haben eine besonders einfache Methode zur Erzeugung neuer Viren – eine Methode, die nur einen minimalen Einsatz eigener molekularer Maschinen erfordert. Sie müssen lediglich ein Exemplar der viralen Messenger-RNA in eine Zelle einschleusen. Diese Messenger-RNA codiert alle Ż Abb. 8.1 HIV Das menschliche Immunschwächevirus ( human immunode¿ciency virus, HIV) besteht aus einer Handvoll unterschiedlicher Moleküle, die gemeinsam eine menschliche Zelle in¿zieren und töten können. Das Virus ist von einer Lipidmembran umgeben, die von einer befallenen Zelle stammt. Die Membran ist mit GP120 (A) bestückt – dem Protein, das die nächste Zelle erkennt, die das Virus in¿zieren wird –, und sie wird von innen durch Matrixproteine gestützt (B). Im Inneren des Virus be¿nden sich verschiedene Enzyme, darunter eine HIV-Protease (C), die Reverse Transkriptase (D) und eine Integrase (E). Die beiden RNA-Stränge (F), die das Genom des HI-Virus enthalten, sind in einem kegelförmigen Behälter aus Capsidproteinen (G) verpackt (1 000 000 ×).
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Viren
Proteine, die für Herstellung und Zusammenbau der Virusbestandteile nötig sind. Im Allgemeinen genügen dafür einige wenige Proteine: mehrere Proteine, aus denen die Hülle um das ausgereifte Virus besteht, und ein paar Proteine, die neue Kopien der RNA selbst herstellen. Die meisten Viren machen sich nicht die Mühe, mit der viralen RNA irgendwelche Maschinen für die Proteinsynthese zu codieren – sie nutzen einfach die Ribosomen und die Transfer-RNA-Moleküle, die bereits in der Zelle vorhanden sind, für ihre eigenen Zwecke. Beim Einschleusen ihrer RNA in die Zelle nehmen Viren keine Rücksicht auf den normalen Fluss der genetischen Information – von DNA über RNA zum Protein –, wie er in der Regel in unseren Zellen abläuft. Das Poliovirus und das Rhinovirus kürzen den Prozess ab und kommen dabei völlig ohne DNA aus. Sie schleusen eine Viren-RNA in die Zelle hinein, die die Anweisung zur Herstellung einer speziellen RNA-abhängigen RNA-Polymerase enthält. Diese virale Polymerase baut RNA-Stränge auf, wobei sie den viralen RNA-Strang als Matrize benutzt. So wird überhaupt keine DNA benötigt – die virale RNA wird direkt kopiert, um weitere virale RNA zu erzeugen. Das HI-Virus (Abb. 8.1) geht noch unkonventioneller vor. Es schleust ebenfalls ein virales RNA-Molekül in die Zelle, doch dann benutzt es ein bestimmtes Enzym, eine Reverse Transkriptase, um mit der viralen RNA als Matrize DNA herzustellen. Daraufhin werden die normalen Maschinen der in¿zierten Zelle gezwungen, aus dieser neuen viralen DNA RNA und Protein zu erzeugen. Andere Viren nutzen alle möglichen Kombinationen – manche spritzen der Zelle virale RNA, andere virale DNA; am Ende steht jedoch immer eine Messenger-RNA, die zur Synthese der viralen Proteine benötigt wird. Angriff, Eindringen, Verlassen der Wirtszelle – das alles geschieht mithilfe der Proteinhülle, die ein gereiftes Virus umgibt. Hier wird deutlich, welche Variationsbreite es bei Viren gibt. Das Spektrum reicht von winzigen, völlig symmetrischen Kapseln, wie beim Poliovirus, bis hin zu großen, von einer Membran umgebenen Strukturen, wie beim HI- und beim Pockenvirus. Durch eine veränderte Anordnung der Proteine auf seiner OberÀäche kann das Virus unterschiedliche Zellen erkennen und in¿ziert nur solche, die besonders angreifbar sind. Andere Proteine sorgen dafür, dass Viren eine Zelle wieder verlassen können: Entweder platzt die Zelle, nachdem sie mit neu gebildeten Viren überschwemmt worden ist, oder die Viren knospen einzeln von der ZelloberÀäche ab, während sich bei der Herstellung von immer neuen Viren die Vorräte der Zelle allmählich erschöpfen. Viele Viren stellen auch einige zusätzliche Proteine her, die die normalen Abläufe in der Zelle stören. Manche davon blockieren die Schutzmechanismen der Zelle, andere bringen die Synthese der normalen zelleigenen
Poliovirus und Rhinovirus
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Proteine zum Stillstand und zwingen die Zelle, nur noch virale Proteine herzustellen. Hier setzt eine radikale Verteidigungsstrategie unserer Zellen gegen Viren an: Sie enthalten das Protein Pkr (RNA-aktivierte Proteinkinase), das die ungewöhnliche Form der von Viren hergestellten RNA erkennt und die Proteinsynthese in der befallenen Zelle von sich aus einstellt. Da jegliche Proteinsynthese gestoppt wird, stirbt die Zelle ab, doch damit ist gleichzeitig sichergestellt, dass keine weiteren Viren produziert werden. Viele Viren holen allerdings zum Gegenschlag aus: Sie erzeugen ein Protein, das eigens dazu dient, Pkr außer Gefecht zu setzen, sodass die Proteinsynthesemaschinerie aufrechterhalten wird und weitere Viren herstellt. Erstaunlicherweise reichen diese wenigen Komponenten – eine winzige Zeitbombe aus RNA und Protein, kaum so groß wie ein Ribosom – aus, um eine Zelle außer Gefecht zu setzen. Doch ohne die molekularen Maschinen der Zelle sind Viren hilÀos. Sie können sich nicht selbst vermehren. Sie können ihre eigenen Aminosäuren, Nucleotide und Proteine nicht selbst herstellen. Sie sind blinde Angreifer, zur Untätigkeit verdammt, bis sie auf eine lebende Zelle stoßen.
Poliovirus und Rhinovirus Das Poliovirus, Erreger der Kinderlähmung, und das Rhinovirus, eines von mehreren Viren, die die gewöhnlichen Erkältungskrankheiten verursachen, sind zwei der einfachsten Viren, die menschliche Zellen befallen. Sie bestehen aus einem einzelnen RNA-Strang, etwa 7500 Nucleotide lang, der in einer symmetrischen Kapsel mit einer Proteinhülle eingeschlossen ist. Doch trotz ihrer einfachen Bauweise sind diese Viren erstaunlich schnell und skrupellos. So kann ein Poliovirus eine Zelle in vier bis sechs Stunden in seine Gewalt bringen, ihre normale Proteinsynthese stoppen und sie zwingen, 10 000 bis 100 000 neue Viren zu erzeugen (Abb. 8.2). Ein kleiner Unterschied in der Proteinhülle des Poliovirus und des Rhinovirus ist dafür verantwortlich, dass die beiden Viren sehr unterschiedliche Krankheiten hervorrufen. Wenn wir die Viren mit der Nahrung aufnehmen oder in¿ziertes Aerosol einatmen, befallen sie unterschiedliche Stellen im Körper. Die Proteinkapsel des Poliovirus bleibt im sauren Milieu des Magens völlig stabil, sodass es dort Zellen in¿zieren und sich über die LymphÀüssigkeit überall im Körper ausbreiten kann. Das Rhinovirus dagegen wird durch Säure zerstört und in¿ziert daher in erster Linie Hals und Nase, in denen kein so saures Milieu herrscht. Durch seine Instabilität ist das Rhinovirus auf bestimmte Körperstellen beschränkt; unsere Nase fängt an zu laufen und ist verstopft, während unsere Zellen versuchen,
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Abb. 8.2 Lebenszyklus des Poliovirus Das Poliovirus nutzt während seines Lebenszyklus viele der molekularen Maschinen, die in der Zelle bereits vorhanden sind. Viren erkennen Glykoproteine an der OberÀäche einer Zelle (A), verbinden sich mit ihnen und schleusen ihre virale RNA (B) in das Innere der Zelle. Dann bauen die Ribosomen der Zelle aus dieser RNA ein langes virales Polyprotein (C) auf. Dieses wird von einer viralen Protease (D) in mehrere Teile mit unterschiedlicher Funktion gespalten; verblüffenderweise muss sich das
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Enzym zunächst einmal selbst aus dem Polyprotein herausschneiden. Eines dieser Bruchstücke ist eine spezielle Polymerase (E), die immer mehr RNA-Stränge synthetisieren kann, wobei sie die virale RNA als Matrize benutzt. Bei mehreren Durchgängen der Synthese werden große Mengen von viraler RNA sowie von Capsidproteinen (F) hergestellt, die sich spontan zusammen¿nden und ausgereifte Viren bilden und schließlich aus der Zelle herausbrechen (1 000 000 ×).
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sich zu schützen und die angreifenden Viren hinauszuspülen. Das Poliovirus dagegen kann aufgrund seiner Stabilität tiefer in zentrale Bereiche des Körpers vordringen. Die meisten vom Poliovirus befallenen Menschen bekommen lediglich hohes Fieber, doch bei manchen In¿zierten zeigt das Virus eine stärkere Wirkung und ruft schwere Schäden an Nervenzellen und Gehirn hervor. Die Genome von Poliovirus und Rhinovirus sind so klein, dass sie nur wenige Proteine codieren können. Darunter sind vier Proteine, die zusammen die Kapsel aufbauen, zwei Proteasen, die die viralen Proteine an den richtigen Stellen zerschneiden, eine spezielle RNA-abhängige RNA-Polymerase, die mit der viralen RNA als Matrize neue RNA-Stränge herstellt, und einige kleinere Proteine, die an dem Vorgang mitwirken. Diese Handvoll Proteine sind jedoch ausreichend, um einen Lebenszyklus zu steuern, der mit dem Tod der Zelle und der Freisetzung von Tausenden von Viren endet. Der virale Lebenszyklus beginnt an der OberÀäche der Zelle. Viren bewegen sich ziellos im Medium umher, bis sie auf eine Zelle stoßen und ein bestimmtes Rezeptormolekül auf ihrer OberÀäche ¿nden. Das Poliovirus sucht nach einem antikörperähnlichen Rezeptor, das Rhinovirus sucht nach einem sialinsäurehaltigen Kohlenhydrat, das mit Proteinen auf der ZelloberÀäche verbunden ist. Die Kapsel des Virus besitzt ein Netz von Ausstülpungen, die diese Zellrezeptoren erkennen und sich mit ihnen an der ZelloberÀäche befestigen. Durch diese Bindung ordnen sich die Hüllproteine des Virus um, und die RNA wird durch die Membran hindurch in das Innere der Zelle geschleust. Dort angekommen, wird die RNA von den Ribosomen der Zelle in ein langes Polyprotein übersetzt. Dieses Polyprotein besteht aus allen viralen Proteinen, die wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt sind. Die beiden Proteasen lösen sich aus dem Polyprotein heraus und beginnen damit, den Rest des Proteins auseinanderzuschneiden. Dann beginnt die Hauptarbeit. Die neu gebildete virale Polymerase beginnt rasch mit der Herstellung neuer Kopien der viralen RNA, wobei sie sich aus dem Nucleotidvorrat der Zelle bedient. An ein Ende der viralen RNA wird ein kleines Virusprotein, das VPg, angefügt, das bei der weiteren Replikation der viralen RNA mitwirkt. Eine der viralen Proteasen sucht nach einem bestimmten, von der Zelle verwendeten Initiationsfaktor und schneidet ihn in zwei Teile. Dieser Initiationsfaktor ist für die Proteinsynthese mit zelleigener MessengerRNA von entscheidender Bedeutung; also kommt nun die gesamte normale Proteinsynthese zum Stillstand. Die virale RNA jedoch braucht diesen Initiationsfaktor nicht, um mit der Proteinsynthese zu beginnen – und so verwenden die Ribosomen nun ihre gesamte Energie auf die Herstellung von viralen Proteinen. Wenn die Zahl der viralen RNA-Moleküle steigt
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und aus ihnen immer größere Mengen von Hüllproteinen hergestellt werden, beginnen sich spontan neue Viren zu bilden. Jedes enthält ein neues RNA-Molekül, verpackt in eine Hülle aus neu gebauten Proteinen. Die virale Polymerase und die Hilfsproteine bleiben in der Zelle zurück – in der Viruskapsel ist einfach nicht genug Platz für etwas anderes als RNA. Schließlich bricht die Zelle auseinander, die neuen Viren schwärmen aus, um neue Zellen zu in¿zieren, und der Zyklus beginnt von vorn.
Grippevirus Die Grippe hat seit jeher einen hohen Tribut an Menschenleben gefordert. Sie bedroht uns jedes Jahr aufs Neue, wenn es draußen kalt ist und unsere Abwehrkräfte allmählich schwächer werden, und alle paar Jahrzehnte tritt ein besonders effektiver Virenstamm auf und eine Grippepandemie großen Ausmaßes zieht um den Globus. Manche dieser Stämme sind extrem todbringend– so starben bei der Pandemie von 1918–1919 mehr als 40 Millionen Menschen. Die hartnäckige Wirksamkeit des Grippevirus als Krankheitserreger liegt in seiner genetischen Struktur begründet. Anders als das Genom von Polio- und Rhinovirus ist das Genom des Grippevirus in acht RNA-Strängen enthalten, von denen jeder andere virale Proteine codiert. Dieses segmentierte Genom stellt die Innovation dar, die die Grippe so erfolgreich macht. Unterschiedliche Typen des Grippevirus können RNA austauschen und ihre Gene immer wieder neu mischen und verändern; so entstehen neue Stämme, die noch ansteckender und tödlicher sind. Neue pathogene Stämme des menschlichen Grippevirus entwickeln sich oft mithilfe anderer Tiere. Es gibt eine Vielzahl von Grippeviren, die Vögel befallen. Typischerweise vermehren sich diese Vogelgrippeviren nur im Verdauungstrakt und rufen bei den Vögeln keine Krankheit hervor; damit können die Vögel über Jahre hinweg ein Virusreservoir darstellen. Zum Glück wird der Mensch nur selten von diesem Virus befallen. Schweine jedoch können sich leicht damit anstecken, und leider in¿zieren sie sich auch mit dem menschlichen Grippevirus. Kommt beides zusammen, entsteht ein ernstes Problem. Wenn ein Schwein gleichzeitig von einem Vogelgrippevirus und einem menschlichen Virus befallen wird, können die beiden Viren ihre RNA-Stränge austauschen und dabei völlig neue Viren entstehen lassen, die möglicherweise die tödlichsten Eigenschaften beider Stämme in sich vereinen. Dies kommt etwa alle zehn Jahre einmal vor; ein neuer Virustyp tritt auf. Da manche seiner Gene von einem Vogelgrippevirus stammen, ist niemand gegen das Virus immun, und die Ansteckung von Mensch zu Mensch schreitet rasch voran.
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Abb. 8.3 Abschnürung eines Grippevirus Das Grippevirus schnürt sich an der ZelloberÀäche ab, anstatt wie das Poliovirus aus der Zelle herauszubrechen. In diesem Querschnitt ist links unten das Zellinnere dargestellt, und beinahe formatfüllend ist ein sich abschnürendes Virus zu sehen. Die virale RNA hat sich um schützende Proteine gewunden und bildet im Inneren des Virus lange, schraubenförmige Bündel. Die Proteine an der Innenseite der Membran stellen die Antriebskraft für den Abknospungsvorgang bereit, und die strahlenförmig nach außen wegstehenden Proteine erkennen die Zelle, die das neu entstandene Virus als nächstes befallen wird, und binden an sie (1 000 000 ×).
Das Grippevirus ist größer und hat eine komplexere Struktur als das Polio- und das Rhinovirus. Es ist von einer Lipidmembran umhüllt, die die acht RNA-Stränge umgibt. Die Membran ist mit Proteinen besetzt; diese erkennen die OberÀäche der Zellen, die befallen werden sollen. Aus
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den Unterschieden bei diesen Proteinen ergibt sich, welche Angriffsziele infrage kommen: Vogelgrippeviren können sich an Vogelzellen (und Schweinezellen) lagern; menschliche Viren an menschliche Zellen (und Schweinezellen). Die Lipidmembran wird nicht vom Virus hergestellt, sondern stammt von den in¿zierten Zellen. Die letzten Schritte beim Zusammenbau des Virus erfolgen an der OberÀäche der Zelle. Neue Viren werden durch Abknospung freigesetzt, und sie nehmen eine Hülle aus Zellmembran mit (Abb. 8.3).
Menschliches Immunschwächevirus (HIV) Das AIDS-verursachende Virus (Abb. 8.1) ist noch heimtückischer als die oben beschriebenen Viren. Das menschliche Immunschwächevirus (human immunode¿ciency virus, HIV) ist ein Retrovirus, das sich von anderen Viren durch einen bestimmten Aspekt seiner Lebensweise unterscheidet, der eine erschreckende Wirkung hat. Das Virus enthält zwei neuartige Enzyme, eine Reverse Transkriptase und eine Integrase, die gemeinsam die Zelle unter Kontrolle bringen. Das Virus schleust seine RNA-Stränge in die Zelle (zwei identische Kopien), und die Reverse Transkriptase erzeugt ein DNA-Stück, wobei sie die virale RNA als Matrize benutzt. Dann übernimmt die Integrase dieses Stück viraler DNA und setzt es durch Spleißen in die normale DNA der Zelle ein. Das hat katastrophale Folgen. Wurde die virale DNA erst einmal in die DNA der Zelle gespleißt, ist sie von den normalen Genen praktisch nicht mehr zu unterscheiden. Sie verdoppelt sich bei der Zellteilung zusammen mit unserem Genom. Sie unterliegt den normalen Schutzmechanismen, in deren Verlauf beschädigte DNA gesucht und repariert wird. Sie kann nach der ursprünglichen Infektion jahre- oder jahrzehntelang im Ruhezustand verbleiben. Da das Virus im Genom versteckt liegt, ist es extrem schwer zu bekämpfen. Es muss erkannt und zerstört werden, bevor es in eine Zelle eindringt und sich in die zelleigene DNA einbaut. Schon bald nach der Infektion mit HIV entbrennt ein erbitterter Kampf. Die Viren in¿zieren bevorzugt Zellen des Immunsystems, zwingen sie zur Herstellung vieler neuer Viren und töten sie schließlich. Das Immunsystem wehrt sich, indem es neue weiße Blutkörperchen bildet und Viruspartikel sowie in¿zierte Zellen zerstört. Der Kampf – Immunsystem gegen Virus – zieht sich über Jahre hin, doch in seinem Verlauf wird das Immunsystem allmählich geschwächt. Da die Zahl der Immunzellen mit der Zeit abnimmt, sind sie nicht mehr in der Lage, andere Infektionskrankheiten wie eine Lungenentzündung oder Tuberkulose zu bekämpfen, und bei der in¿zierten Person treten AIDS-Symptome auf.
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Abb. 8.4 HIV-Enzyme Die meisten Medikamente, die zur Bekämpfung einer HIV-Infektion eingesetzt werden, blockieren diese beiden Enzyme. Links ist eine Reverse Transkriptase dargestellt, die gerade die virale RNA in einen DNA-Strang umschreibt. Gleichzeitig wird das RNA-Exemplar zerstört. Rechts sieht man eine HIV-Protease, die das virale Polyprotein in Proteine mit unterschiedlichen Funktionen zerlegt (5 000 000 ×).
Die Medikamente, die zur Bekämpfung einer HIV-Infektion eingesetzt werden, greifen das Virus in allen Stadien seines Lebenszyklus an (Abb. 8.4). Die ersten Medikamente, die zur AIDS-Behandlung entwickelt wurden, wie Azidothymidin (AZT), attackieren die Reverse Transkriptase und stoppen die Synthese der viralen DNA, bevor sie sich im Genom der in¿zierten Zelle einnisten kann. Gegenwärtig werden neue Medikamente entwickelt, die die Infektion in anderen Stadien hemmen, zum Beispiel Wirkstoffe zur Deaktivierung der viralen Proteine, die ZelloberÀächen erkennen, sowie andere Medikamente, die das Enzym Integrase blockieren, das dafür sorgt, dass sich die virale DNA in das Genom integrieren kann. Proteaseinhibitoren wie Ritonavir und Indinavir greifen das Virus am Ende seines Lebenszyklus an, wenn in einer in¿zierten Zelle neue Viren gebildet werden. Diese Wirkstoffe deaktivieren ein proteinspaltendes Enzym, das virale Proteine an den richtigen Stellen zerschneidet, wenn sich das Virus von der ZelloberÀäche abschnürt und ein ausgereiftes, infektiöses Virus freigesetzt wird. Mit diesen Arzneistoffen lässt sich das Virus kontrollieren, doch falls die Medikamente jemals abgesetzt werden, kommen die
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Viren, die im Genom der Zelle schlummern, rasch zum Vorschein und leiten eine neue Infektionsrunde ein. Außerdem mutiert das Virus schnell, wie im nächsten Kapitel zu lesen sein wird, und damit besitzt es eine wirksame Waffe im Kampf gegen die Medikamente.
Impfstoffe Der Polioimpfstoff gilt als einer der größten Triumphe in der modernen Medizin, während man häu¿g die Klage hört, dass die medizinische Forschung noch immer kein Heilmittel gegen banale Erkältungskrankheiten gefunden hat. Der Grund für diesen auffallenden Kontrast ist einfach und liegt in einem wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden so ähnlichen Viren. Es gibt drei Haupttypen von Polioviren, die jeweils etwas unterschiedliche Hüllproteine besitzen. Wenn unser Körper also Antikörper entwickelt, die diese drei Typen von Viren beseitigen, kann er jede Polioinfektion, der er je ausgesetzt sein könnte, kontrollieren. Dagegen sind über 100 Rhinovirustypen bekannt, die – zusammen mit Dutzenden anderer Virusarten – Erkältungskrankheiten verursachen. Jede der Erkältungen, die wir uns einfangen, ist auf einen Virustyp zurückzuführen, mit dem wir vorher noch nicht in Berührung gekommen sind, und einen Impfstoff herzustellen, der gegen all diese Erkältungsviren schützt, ist nicht praktikabel. Impfstoffe bereiten das Immunsystem auf die Bekämpfung zukünftiger Infektionen vor. Wenn wir uns mit einem Virus in¿zieren, ergreift unser Immunsystem Abwehrmaßnahmen dagegen; es bildet Antikörper, um das Virus zu erkennen, und weiße Blutkörperchen, um es aufzunehmen und zu zerstören. Viren sind dann tödlich, wenn das Immunsystem nicht schnell genug reagieren kann und die Viren sich schneller vermehren, als sie zerstört werden können. Der Trick bei einer Impfung besteht darin, dass das Immunsystem schon vor einer Infektion durch ein virusähnliches Partikel herausgefordert wird; wir bereiten also eine Immunantwort vor, ohne dass eine Gefahr durch das echte Virus besteht. Damit ist das Immunsystem angekurbelt und bereit für den Fall einer tatsächlichen Infektion. Die wirksamsten Impfstoffe bestehen aus echten Viren, die chemisch deaktiviert oder geschwächt werden, aber trotzdem den Körper dazu anregen können, die entsprechenden Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Die ersten Impfstoffe gegen Polio wurden von Salk und Youngner entwickelt, die gereinigte Polioviren durch Formaldehyd inaktivierten. Einige Jahre später wurde von Albert Sabin ein noch effektiverer Impfstoff entwickelt. Dieser enthält lebende Viren, die aber mutiert sind, nachdem sie bei niedrigen Temperaturen in nichtmenschlichen Zellen kultiviert wurden. Diese abgeschwächten Viren vermehren sich eine Zeitlang im Darm und regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen das Poliovirus an;
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sie befallen jedoch keine Nervenzellen und rufen daher auch keine Poliomyelitis hervor. Die Polioimpfung ist besonders wirksam, weil alle drei Virustypen im Impfstoff enthalten sind; die Impfung schützt also gegen alle drei gleichzeitig. Dank dieser Impfstoffe ist der Polioerreger weltweit so gut wie ausgerottet. Bei den alljährlichen Grippeimpfungen dagegen müssen wir die Chancen abwägen. Auf der Welt sind außerordentlich viele Stämme des Grippevirus verbreitet, und jedes Jahr entwickeln sich neue, weil die Viren Gene austauschen und Mutationen entstehen. Jedes Jahr untersuchen Fachleute an Instituten wie den US-amerikanischen Centers for Disease Control, welche Stämme weltweit am stärksten verbreitet sind, und treffen eine Voraussage darüber, von welchen Stämmen im Folgejahr die größte Gefahr ausgeht. Dann wird der entsprechende Impfstoff hergestellt, der gegen diese Virustypen schützt. Heute sind zwei Formen der Grippeimpfung weit verbreitet: Bei der Impfung per Spritze werden inaktivierte Viren injiziert, bei der Impfung per Nasenspray werden dem Körper lebende, aber abgeschwächte Grippeviren zugeführt. Ein Impfstoff gegen HIV-Infektionen würde dringend benötigt, doch seine Entwicklung stellt die Wissenschaft noch vor große Probleme. HIV ist aus verschiedenen Gründen schwer zu bekämpfen. Da seine Reverse Transkriptase oft fehlerhaft arbeitet, mutiert das Virus sehr schnell; dadurch können sich während einer Behandlung rasch resistente Stämme entwickeln. HIV ist auch resistent gegenüber den Antikörpern, die uns normalerweise vor Viren schützen, denn die Proteine auf der OberÀäche des Virus sind mit unauffälligen Polysacchariden bedeckt und die einzigen Bindungsstellen sind in Spalten der Proteinmoleküle versteckt, die so klein sind, dass Antikörper sie nicht erreichen können. Ein HIV-Impfstoff müsste auch das Immunsystem dazu anregen, schneller und wirksamer als gewöhnlich zu reagieren. Es dauert nur eine Woche, bis das HI-Virus sich in das Genom der Zelle integriert hat; danach ist es, als Bestandteil des Genoms, für das Immunsystem unsichtbar. Auch die Erforschung von HIV gestaltet sich sehr problematisch, denn die ähnlich aufgebauten Viren, die Affen und Katzen befallen, zeigen signi¿kante Unterschiede zum menschlichen Virus, sodass viele grundlegende Forschungsergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind. So wurde in den 1990er-Jahren ein wirksamer Impfstoff entdeckt, der Affen vor einer Infektion mit SIV (simian immunode¿ciency virus) schützt, doch ein ähnlicher Impfstoff gegen die HIV-Infektion beim Menschen blieb wirkungslos. Trotz dieser Probleme werden gegenwärtig viele kreative Ansätze im Kampf gegen diese weltweite Gefahr für die Gesundheit des Menschen erprobt.
Kapitel 9 Wir und unsere Moleküle
Unsere molekularen Maschinen sind viel zu klein, als dass wir sie sehen könnten. Man sollte meinen, es sei unmöglich für uns, auf sie einzuwirken – sie anzutreiben oder sie zu stoppen –, da sie ja so winzig und unzugänglich sind. Und doch nehmen wir jeden Tag EinÀuss auf ihre Funktionen in unserem Körper. Wenn wir jeden Morgen ein Vitaminpräparat schlucken, erhöhen wir damit die Leistungsfähigkeit unserer molekularen Maschinen; wir stellen sicher, dass sie ihre optimale Arbeitskraft entfalten. Wenn uns der Arzt Penicillin verschreibt, greifen wir damit während einer Infektion aktiv die molekularen Maschinen der Bakterien an. Wenn wir das Pech haben, uns eine Lebensmittelvergiftung zugezogen zu haben, dann hat ein Bakterium zurückgeschlagen und attackiert eine unserer eigenen molekularen Maschinen. Nehmen wir Aspirin, so hemmen wir damit die Funktion der molekularen Maschinen in Nerven und Gehirn. Mit Vitaminen, Giftund Arzneistoffen greifen wir bewusst in die Arbeit bestimmter Maschinen ein, und durch einen wohlüberlegten Einsatz dieser Stoffe können wir letztlich auch unsere eigene Lebensqualität verbessern (Abb. 9.1). Ż Abb. 9.1 Wir und unsere Moleküle Heutzutage stehen uns Hunderte von Arzneistoffen zur Verfügung, mit denen wir in die Arbeit der molekularen Maschinen unseres Körpers eingreifen können. Einige häu¿ge Zielmoleküle sind hier dargestellt. Arzneistoffe, die die Aufnahme von Neurotransmittern durch die Transportermoleküle in Nervenzellen blockieren, dienen der Behandlung von Depressionen; Arzneistoffe, die verschiedene Rezeptoren von Neurotransmittern blockieren, kommen bei einer verblüffenden Vielfalt von Beschwerden zum Einsatz – vom Asthma bis zur Schizophrenie. Verschiedene Formen der Cyclooxygenase sind das Zielmolekül für Aspirin, sowohl zur Linderung von Kopfschmerz als auch zur Blutverdünnung. Der Tumornekrosefaktor wird in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und anderer entzündlicher Erkrankungen eingesetzt. Es sind auch immer mehr „Lifestyle“Medikamente erhältlich, etwa Arzneistoffe, die die Phosphodiesterase in den Blutgefäßen blockiert und damit eine Erektion herbeiführt, sowie Stoffe, die Protonenpumpen hemmen und damit die Magensäure reduzieren (5 000 000 ×).
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Vitamine Vitamine sind lebenswichtige Bindeglieder in unserem Stoffwechsel. Ironischerweise handelt es sich um Moleküle, die wir für einen optimalen Gesundheitszustand benötigen, aber nicht selbst herstellen können. Bakterien sind da oft sehr viel genügsamer. Sie können, ausgehend von ein paar Grundstoffen, jedes Molekül, das sie brauchen, selbst synthetisieren. Doch irgendwann im Laufe der Evolution ging den menschlichen Zellen die Fähigkeit zum Aufbau einiger wichtiger Moleküle verloren, wahrscheinlich deshalb, weil sie immer in unserer Nahrung enthalten waren. Und heute haben wir keine Wahl mehr. Wir müssen diese wichtigen Moleküle mit unserer Nahrung zu uns nehmen. Von alters her wurden in der Volksmedizin Nahrungsmittel gegen bestimmte Beschwerden verordnet. So sollen Karotten oder Leber gegen Nachtblindheit helfen, Lebertran gegen Rachitis, und Hagebuttentee oder Zitrusfrüchte sollen vor Skorbut schützen. Oft beruht die Wirkung solcher volkstümlicher Heilmittel auf dem Vitamingehalt der Speisen. Die wissenschaftliche Analyse hat ergeben, dass jeweils ganz bestimmte Moleküle für die Heilkraft eines Nahrungsmittels verantwortlich sind. Der erste Stoff, der unter diesem Aspekt untersucht wurde, das Thiamin, gab den Vitaminen ihren Namen: Amine, die „vital“, also lebenswichtig sind. Viele Vitamine sind Moleküle mit ungewöhnlichen chemischen Eigenschaften, die von Enzymen als Hilfsmittel für spezielle Aufgaben eingesetzt werden. So sind zum Beispiel alle Aminosäuren farblos, und zum Aufbau eines Proteins, das Licht wahrnehmen kann, ist ein farbiges Molekül erforderlich. Vitamin A, auch bekannt als Retinal, ist dafür perfekt geeignet. Retinal besteht aus einer Kette aus Kohlenstoffatomen, die leicht die Energie aus einem Photon absorbiert. Doch was noch wichtiger ist, bei der Lichtabsorption geht das Retinal von einer gekrümmten in eine längliche Form über (Abb. 9.2). Diese Formveränderung kann von dem Protein Rhodopsin mühelos wahrgenommen werden; es sendet ein neuronales Signal aus, das dem Gehirn mitteilt, dass es gerade ein Photon eingefangen hat. Wir können Retinal direkt durch den Verzehr von Leber zu uns nehmen, aber Karotten und andere farbige Gemüsesorten enthalten Moleküle, die die gleiche Wirkung zeigen wie Retinal. Es sind dies die leuchtend gelben und orangefarbenen Carotine, die von bestimmten Enzymen in unseren Zellen in Retinalmoleküle gespalten werden. Die B-Vitamine werden gebraucht, um bestimmte Moleküle herzustellen, die Wasserstoff-, Stickstoff- oder Kohlenstoffatome zwischen verschiedenen Enzymen hin- und hertransportieren (Abb. 9.3). Diese Moleküle tragen typischerweise an einem Ende ein sehr reaktionsfreudiges Atom,
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Abb. 9.2 Vitamin A Retinal, das aus Vitamin A gebildet wird, dient dem Protein Rhodopsin in den Zellen unserer Netzhaut zur Lichtwahrnehmung. Normalerweise hat es eine gekrümmte Form (links), doch wenn es ein Photon absorbiert hat, geht es in eine gerade Form über. Wir können Retinal direkt über unsere Nahrung zu uns nehmen; unser Körper kann es aber auch selbst bilden, indem er Carotinmoleküle spaltet (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
das eine Reaktion ausführt, die für die in Proteinen enthaltenen Aminosäuren zu kompliziert ist. Thiamin (Vitamin B1) besitzt ein besonders reaktives Kohlenstoffatom; es wird gebraucht, um den Nährstoffmolekülen Kohlendioxid zu entziehen; RiboÀavin (Vitamin B2) und Niacin werden zur Herstellung der beiden Moleküle gebraucht, die Wasserstoff und Elektronen durch die Zelle transportieren, und Pyridoxin (Vitamin B6) besitzt ein spezielles Kohlenstoffatom, das an Reaktionen beteiligt ist, bei denen Stickstoff übertragen wird. Die einfache Struktur des Vitamin C, auch bekannt als Ascorbinsäure, täuscht darüber hinweg, dass es sich hierbei um ein sehr umstrittenes Vitamin handelt. Seine deutlichste Wirkung zeigt das Vitamin als Hilfsmittel eines Enzyms, das die Struktur neuer Kollagenmoleküle aufbaut. Sein Fehlen bedingt die verheerenden Symptome der Skorbut-Erkrankung: Zahnausfall,
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Abb. 9.3 B-Vitamine Die B-Vitamine dienen zum Aufbau chemischer Hilfsmittel, die von unseren Enzymen gebraucht werden. Bei den drei hier in Nahaufnahme gezeigten Molekülen ist jeweils der Abschnitt eingekreist, der als Vitamin über unsere Nahrung aufgenommen wird. Links sieht man Beispiele für die Enzyme, die diese Vitamine benötigen. Thiaminpyrophosphat wird von dem Enzym Pyruvat-Dehydrogenase für eine komplizierte chemische Reaktion gebraucht, bei der Kohlendioxid frei wird. Ein besonders reaktionsfreudiges Kohlenstoffatom (grün dargestellt) ist an der Reaktion beteiligt. Flavinadenindinucleotid (FAD) und Nicotinamidadenindinucleotid (NAD) werden zum Transport von Elektronen und Wasserstoffatomen (grün) gebraucht. Das Flavoprotein für den Elektronentransfer nutzt FAD, um Elektronen zwischen den Enzymen des Fettstoffwechsels hin- und herzutransportieren, und die Alkohol-Dehydrogenase nutzt NAD bei Reaktionen, die Alkohol abbauen (oder, bei Bakterien, aufbauen) (links: 5 000 000 ×; rechts: 20 000 000 ×).
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Abb. 9.4 Vitamin D Vitamin D wird unter Einwirkung von ultraviolettem Licht aus Cholesterin gebildet. Es dient uns als Hormon, indem es in Zellen eindringt und an Rezeptoren im Zellkern bindet. Diese Rezeptoren binden wiederum an die DNA und steuern die Bildung von Proteinen, die den Calciumstoffwechsel regulieren (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
verzögerte Wundheilung und Blutungen. Doch für diese Funktion ist nur eine geringe Menge des Vitamins erforderlich, sodass die hohen Vitamin-CKonzentrationen, die sowohl in tierischen als auch in pÀanzlichen Geweben gefunden wurden, schwer erklärbar sind. Vitamin C hat, zusammen mit den Vitaminen A und E, noch eine weitere Funktion in der Zelle: Es wirkt als Antioxidans. Wie in Kapitel 7 dargestellt, spielt der Schutz vor Sauerstoff eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die unvermeidliche Alterung unserer Zellen und Moleküle zu kontrollieren. Vitamin D spielt unter den Vitaminen eine Sonderrolle: Es dient als Hormon, das die Aufnahme und Abgabe von Calcium in unseren Knochen reguliert (Abb. 9.4). Vitamin D ist eigentlich kein Vitamin im engeren Sinne. Es wird zwar direkt von unseren Zellen gebildet, doch dies geschieht nur, wenn wir ausreichend dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Vitamin D wird in unserer Haut unter Einwirkung von ultraviolettem Licht
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gebildet, indem eine Bindung im Cholesterin gespalten wird. Probleme gibt es jedoch immer dann, wenn sich Menschen nicht genug der Sonne aussetzen; das gilt besonders für die Bewohner der nördlichen Breiten, in denen Wolken am Himmel vorherrschen. Sie können selbst nicht genug von dem Vitamin bilden und müssen es als Nahrungsergänzung zu sich nehmen, so wie der berüchtigte Löffel Lebertran, den man den Kindern früher einÀößte.
Gifte mit breitem Wirkungsspektrum Unsere molekularen Maschinen sind störanfällig. Zwar erfüllen sie ihre Aufgaben in ihrem zellulären Umfeld rasch und ef¿zient, ohne sich von den vielen anderen Molekülen in der Zelle beeinträchtigen zu lassen. Doch es ist ziemlich leicht, Sand ins Getriebe zu streuen. Wird dem System ein Molekül hinzugefügt, das eine feste Bindung mit einem Protein oder einer Nucleinsäure eingeht, kann es deren Funktionen blockieren. Genau das tun Gifte; und wenn das Gift eine festere Bindung eingeht als die normalen Moleküle in der Zelle und ein Protein angreift, das besonders wichtig ist, dann kann es tödlich sein. Einige der wirksamsten Gifte sind gleichzeitig die unscheinbarsten. Einfache Gifte, die den zentralen Prozess der Energieerzeugung blockieren, töten beinahe jeden Organismus, der mit ihnen in Kontakt kommt. Da die meisten heutigen Organismen praktisch identische molekulare Maschinen verwenden, um Zucker in nutzbare Energie umzusetzen, ist ein Gift, das die Energieerzeugung in einem Bakterium blockiert, bei PÀanzen und Tieren gleichermaßen wirksam. Diese Gifte haben oft eine einfache chemische Struktur und sind leicht herzustellen. Daher haben sie in der Geschichte des Menschen oft eine schillernde Rolle gespielt. Cyanid ist eines der wirksamsten aller bekannten Gifte. Innerhalb von wenigen Minuten tötet es jeden sauerstoffverbrauchenden Organismus. Cyanid greift den letzten Schritt der Energieerzeugung an, in dem Wasserstoffatome an Sauerstoff angefügt werden, sodass Wasser entsteht. Der Enzymkomplex, der diese Reaktion durchführt – die Cytochrom-c-Oxidase –, enthält ein Eisenatom, das in eine Hämgruppe eingebettet ist. Cyanid hat fast die gleiche Größe und Form wie Sauerstoff, doch es verbindet sich fester mit dem Eisen, blockiert damit die Sauerstoffaufnahme und stoppt die Reaktion (Abb. 9.5). Die Zelle erstickt – umgeben von Sauerstoff, aber unfähig, ihn zu nutzen. Cyanid kommt in der Natur in P¿rsich- und Aprikosenkernen vor – schon etwa 100 Gramm gemahlene P¿rsichkerne ergeben eine tödliche Dosis. Die Kerne enthalten Amygdalin, das heute unter dem
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Abb. 9.5 Cyanid Cyanidionen ähneln in ihrer chemischen Struktur dem Sauerstoff, doch sie binden fester als dieser an die sauerstoffverbrauchenden Enzyme. Oft kann schon ein einziges Molekül die Funktion eines ganzen Proteins zum Erliegen bringen. Wie hier zu sehen, bindet das Cyanid an die Cytochrom-c-Oxidase, das letzte Protein in der Atmungskette, und blockiert die Sauerstoffaufnahme (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
Handelsnamen Laetril bei der Krebsbehandlung eingesetzt wird; Amygdalin setzt Cyanid frei, wenn es in ein alkalisches Milieu, zum Beispiel den Darm des Menschen, gelangt. Kohlenmonoxid hat eine ähnliche Struktur wie Sauerstoff und Cyanid, und es bindet ebenfalls fest an Eisenatome. Der Hauptschauplatz einer Kohlenmonoxidvergiftung ist das Blut. Die Verbindung des Kohlenmonoxids mit den Eisenatomen im Hämoglobin ist 250-mal fester als die des Sauerstoffs; es blockiert den SauerstoffÀuss aus den Lungen in die Zellen unseres Körpers. Aufgrund dieser festen Verbindung ist es schwer,
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Kohlenmonoxid aus dem vergifteten Blut zu entfernen. Wird eine Stunde lang reiner Sauerstoff eingeatmet, so vermindert sich die Konzentration gebundenen Kohlenmonoxids in dieser Zeit nur um die Hälfte. In unserer Umwelt sind wir vielen weiteren giftigen Verbindungen ausgesetzt, die nicht so unmittelbar tödlich wirken wie Cyanid und Kohlenmonoxid, für unsere Zellen aber durchaus eine Gefahr darstellen. Unsere Nahrung steckt voller Giftstoffe, die die PÀanzen herstellen, um sich zu schützen. Beim Kochen entstehen die verschiedensten reaktiven Verbindungen. Da wir in einer Industriegesellschaft leben, nehmen wir über Atemluft und Wasser alle möglichen Giftstoffe auf. Zudem konsumieren wir bewusst giftige Verbindungen, wie das Koffein im Kaffee und den Alkohol in Wein und Bier. Unsere molekularen Maschinen sind störanfällig und müssen vor diesen giftigen Molekülen beschützt werden. Zum Glück besitzen wir ein leistungsfähiges Entgiftungssystem. Cytochrom P450 bildet das Zentrum dieses Entgiftungssystems (Abb. 9.6). Es besteht aus einem Enzym, das toxische Verbindungen aufnimmt und sie mit einem chemischen „Handgriff “ versieht. In einem zweiten Schritt
Abb. 9.6 Cytochrom P450 Die Cytochrom-P450-Enzyme fügen Sauerstoffatome an giftige Moleküle an. Dadurch werden die Giftstoffe besser löslich und können leichter aus dem Körper ausgeschieden werden; außerdem entsteht so ein praktischer chemischer „Handgriff “, an den andere Entgiftungsenzyme binden können, um das Gift abzubauen. Cytochrom-P450-Enzyme benutzen für diese chemische Reaktion ein Eisenatom, das in eine Hämgruppe eingebettet ist. Das hier gezeigte Enzym, CYP3A4, ist hauptverantwortlich für den Abbau von Arzneistoffen im menschlichen Körper; es zerstört Moleküle wie Paracetamol, Codein, Paclitaxel (Taxol) und verschiedene Anti-HIV-Medikamente. Das grün dargestellte Molekül ist der Arzneistoff Erythromycin (links: 5 000 000 ×; rechts: 20 000 000 ×).
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hängen andere Enzyme dann harmlose chemische Gruppen an den Griff; damit ist das giftige Molekül einfach zu erkennen und kann leicht aus dem Körper hinausgeschleust werden. Unser Körper synthetisiert über ein Dutzend unterschiedlicher Cytochrom-P450-Enzyme, von denen jedes eine andere Gruppe giftiger Moleküle erkennt und unschädlich macht. Wenn Sie jemals ein Schmerzmittel eingenommen haben – zum Beispiel Paracetamol –, dann haben Sie Cytochrom P450 schon einmal in Aktion erlebt. Die Wirkung des Schmerzmittels lässt nach wenigen Stunden nach; dann nämlich, wenn Cytochrom P450 die Moleküle systematisch zerstört hat.
Bakterielle Toxine Kleine Moleküle wie Cyanid und Kohlenmonoxid sind hochgradig giftig; ihrer Toxizität sind jedoch Grenzen gesetzt. Chemische Gifte greifen Proteine direkt an – jeweils ein Giftmolekül attackiert ein Protein –, sobald sie also eine Verbindung eingegangen sind, ist ihr giftiges Potenzial erschöpft. Pathogene Bakterien dagegen haben eine noch tödlichere Methode entwickelt. Sie verfolgen zwei biochemische Strategien, um Toxine zu synthetisieren, die in höchstem Maße tödlich sind (Abb. 9.7). So kann zum Beispiel ein einzelnes Molekül des Diphtherietoxins eine ganze Zelle töten, statt nur ein einzelnes Protein zu deaktivieren. Die erste Strategie besteht darin, anstelle eines einfachen chemischen Giftes ein toxisches Enzym einzusetzen. Enzyme sind Katalysatoren, die ihre Reaktionen immer und immer wieder durchführen – sie springen von einem Zielmolekül zum nächsten und unterziehen es jeweils einer chemischen Veränderung. Ein einziges toxisches Enzym kann also eine ganze Zelle voller Proteine ausschalten; es zerstört ein Protein nach dem anderen, bis die Zelle stirbt. Diese Strategie wird nun noch mit einer zweiten kombiniert, um das Toxin noch wirksamer zu machen. Das toxische Enzym wird an Moleküle gekoppelt, die eine Art Zielvorrichtung darstellen; sie ¿nden die entsprechenden Zellen und schleusen das Toxin direkt hinein. Oft verbinden sich diese Zielvorrichtungen mit Polysaccharidketten an der OberÀäche der Zielzellen. Sie werden dann mit den normalen Nährstoffmolekülen zusammen in die Zelle hineingezogen. Im Zellinneren angekommen, verändern sie ihre Struktur und schleusen das toxische Enzym in das Cytoplasma, wo es sein zerstörerisches Werk beginnt. Wenn Sie je eine Lebensmittelvergiftung hatten, sind Sie wahrscheinlich von einer dieser scheußlichen molekularen Maschinen angegriffen worden. Bakterien wie Escherichia coli stellen ein Toxin her, das Zellen im Verdauungstrakt attackiert. Die unangenehmen Symptome der Lebensmittelvergiftung entstehen daraus, dass der Körper versucht, das Toxin aus
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Abb. 9.7 Bakterielle Toxine Die zweigeteilte Strategie bei der Herstellung von Toxinen wird von vielen unterschiedlichen Organismen zur Selbstverteidigung genutzt. In der Abbildung ist der Zielabschnitt des angegriffenen Moleküls blau und das toxische Enzym rot dargestellt. Das Enterotoxin von Escherichia coli – die Ursache für Lebensmittelvergiftung und Durchfall – sowie das Pertussistoxin, das Keuchhusten hervorruft, greifen die Signalwege der Zelle an. Letztlich wandeln sie die Signale um, die den Ionen- und WasserzuÀuss in die Zelle steuern. Das Toxin der Diphtheriebakterien attackiert einen der Proteinfaktoren bei der Proteinsynthese, und das Ricin, ein äußerst tödliches Toxin, das von der RizinuspÀanze gebildet wird, nutzt die gleiche Strategie beim Angriff auf Ribosomen (5 000 000 ×).
dem Körper hinauszuspülen. Andere Bakterien, etwa die Erreger von Cholera, Diphtherie und Keuchhusten, bilden ähnliche Toxine, die sogar noch tödlicher sein können, wenn die Krankheit nicht behandelt wird.
Antibiotika Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in einer Zeit leben, in der wir Bakterien und ihren tödlichen Toxinen nicht völlig hilÀos gegenüberstehen. Im Zuge jahrzehntelanger medizinischer Forschung wurden immer
Antibiotika
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mehr Erkenntnisse über Bakterien und ihre Moleküle gewonnen und ihre Schwächen aufgedeckt, die einen Ansatzpunkt für die Entwicklung bakterienabtötender Antibiotika bieten können. Wir verfügen heute über ein ganzes Arsenal von antibiotischen Arzneistoffen, mit denen wir Infektionen durch krankmachende Bakterien bekämpfen können. Lebensrettende Antibiotika und tödliche Gifte sind zwei Seiten derselben Medaille. Gifte greifen eine zentrale molekulare Maschine an und zerstören sie; dadurch wird ein lebenswichtiger Prozess blockiert, und die Zelle stirbt ab. Antibiotika wiederum sind spezi¿sche Gifte – sie sind jeweils auf einen ganz bestimmten Angriffspunkt ausgerichtet. Cyanid eignet sich natürlich nicht als Antibiotikum, denn es würde mit dem Krankheitserreger auch den Patienten töten. Antibiotische Medikamente sollen also nur den Mikroorganismus vergiften, der uns zu in¿zieren versucht, ohne uns selbst dabei zu vergiften. Es mag uns heute seltsam erscheinen, aber die Vorstellung, dass Bakterien und Viren Krankheiten verursachen – dass die ungewaschenen Hände eines Arztes beim Patienten eine Infektion verursachen können –, setzte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch. Schon bald nach der Entdeckung mikroskopisch kleiner Krankheitserreger begann die Suche nach spezi¿schen Giften, um sie abzutöten. Die erste Methode, die noch heute gebräuchlich ist, bestand in der Verwendung eines antiseptischen Mittels. Antiseptika sind milde Gifte, die Mikroorganismen abtöten, indem sie sie völlig umschließen. Da wir nur unsere Haut mit dem Antiseptikum in Berührung bringen, sterben nur ein paar Zellen an der OberÀäche, nicht aber unser gesamter Körper. Lösungen, die Chlor, Brom oder Iod enthalten, sowie quecksilberhaltige Verbindungen wie Merthiolat sind wirksame Desinfektionsmittel; sie werden oft dazu verwendet, kleinere Wunden vor einer Infektion zu schützen. Diese reaktionsfreudigen Atome greifen Schwefelverbindungen in bakteriellen Enzymen an und deaktivieren sie. Auch Alkohol wird häu¿g zur Desinfektion benutzt. Werden bakterielle Proteine von konzentriertem Alkohol umschlossen, entfalten sie sich und sind damit außer Gefecht gesetzt. Der nächste große Fortschritt in der medizinischen Biochemie war die Entdeckung von antibiotischen Arzneistoffen, die selektiv molekulare Maschinen in pathogenen Bakterien angreifen. Der erste Erfolg wurde mit Sulfanilamid erzielt. Da dieser Stoff lediglich ein bakterielles Enzym angreift, das eine Schlüsselrolle bei der Nucleotidsynthese spielt, kann er zum Abtöten von Bakterien eingenommen werden, und zwar unter minimalem Risiko für den Patienten. Bald darauf wurden noch weitere Antibiotika entdeckt, indem man erforschte, wie andere Lebewesen sich auf natürliche Weise vor Bakterien schützen. Am bekanntesten ist das Penicillin. Es wird von Schimmelpilzen ausgeschieden, um das Wachstum von Bakterien um sie herum
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Abb. 9.8 Penicillin In seiner Struktur ähnelt das Penicillinmolekül einer federgelagerten Klappe. Es zerstört eine D-Alanyl-D-Alanin-Carboxypeptidase/Transpeptidase – das Enzym, das die Peptidoglykanstruktur bakterieller Zellen aufbaut. Ein chemisch instabiler Ring aus vier Atomen des Penicillinmoleküls greift die Aminosäure Serin im Protein an, bindet den Arzneistoff an die reaktive Stelle und macht das Protein damit funktionsunfähig. Die Bakterien setzen sich jedoch zur Wehr, und zwar mit Proteinen wie der ȕ-Lactamase, die das Penicillin bereits zerstört, bevor es seine Reaktion ausführen kann (oben: 20 000 000 ×; unten: 5 000 000 ×).
unter Kontrolle zu halten. Penicillin blockiert das Enzym, das die stabile Peptidoglykanschicht synthetisiert, die die Zellwand des Bakteriums stützt (Abb. 9.8). Wird dieses Enzym blockiert, so ist die Zellwand geschwächt und kann leicht von unserem Immunsystem zerstört werden. Da im menschlichen Körper keine ähnliche Peptidoglykanstruktur gebildet wird, ist der Arzneistoff für uns völlig ungefährlich und greift nur die Bakterien an. Vorgänge, die ausschließlich bei pathogenen Organismen ablaufen, stellen die besten Angriffspunkte für antibiotische Wirkstoffe dar. Dafür wurden bereits viele Beispiele gefunden und viele weitere werden gegenwärtig in der medizinischen Forschung untersucht. Chloramphenicol und Streptomycin greifen bakterielle Ribosomen an, die kleiner sind als unsere eigenen Ribosomen und auch eine andere Struktur besitzen; Rifampicin
Antibiotika
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greift die RNA-Polymerase von Tuberkuloseerregern an. Chinin hemmt die Beseitigung von Abfallstoffen in den Trypanosomen, die Malaria verursachen; diese Parasiten ernähren sich von Hämoglobin aus roten Blutkörperchen und bauen toxische Konzentrationen unverdauten Häms auf. In den letzten Jahren hat die medizinische Forschung unter Hochdruck daran gearbeitet, Stoffe zu ¿nden, die die spezi¿schen Enzyme von HIV angreifen. Inzwischen stehen uns Dutzende von Arzneistoffen zur Verfügung, die an vielen Stellen des viralen Lebenszyklus ansetzen, etwa bei den Enzymen Reverse Transkriptase, HIV-Protease und Integrase (Kap. 8). Leider schreitet jedoch die Evolution bei Bakterien und Viren sehr rasch voran, weil sie sich so schnell vermehren. In den Jahrzehnten seit der Entdeckung der Antibiotika haben sich viele Bakterienstämme entwickelt, die gegen die Arzneistoffe resistent sind, und innerhalb von Wochen treten arzneimittelresistente HIV-Stämme auf, wenn die medikamentöse Behandlung nicht sorgfältig geplant wird. Dies hat in der modernen Medizin zu einem ständigen Tauziehen geführt: Die Forschung entwickelt neue Arzneistoffe, und Bakterien und Viren ¿nden neue Wege, um sich vor ihnen zu schützen. Bakterien entwickeln häu¿g eine Resistenz, indem sie ein Enzym synthetisieren, das den Arzneistoff zerstört. So stellen einige arzneimittelresistente Bakterien ein penicillinspaltendes Enzym her, das eine modi¿zierte Form eines normalen Verdauungsenzyms darstellt (Abb. 9.8). Dieses Enzym ¿ndet Penicillin und spaltet die entscheidende Bindung, sodass es als Arzneistoff unwirksam wird. Die genetischen Anweisungen für die Synthese dieser arzneimittelresistenten Enzyme sind häu¿g auf kleinen DNA-Ringen codiert, die von einem Bakterium zum nächsten weitergegeben werden, sodass sich die Resistenz auf die ganze Population ausbreiten kann. HIV erlangt seine Resistenz gegenüber Arzneistoffen auf andere Weise. Statt den Arzneistoff anzugreifen, verändern resistente HIV-Stämme die Enzyme, auf die der Arzneistoff abzielt, leicht (Abb. 9.9). Die Enzyme, die normalerweise von dem Wirkstoff angegriffen werden – Reverse Transkriptase oder Protease –, mutieren, sodass der Arzneistoff nicht mehr an sie binden kann. HIV mutiert sehr rasch und kann einen einzelnen Arzneistoff mit Leichtigkeit umgehen, indem es innerhalb weniger Wochen nach Beginn der medikamentösen Behandlung eine Resistenz entwickelt. Deshalb arbeitet man heute in der AIDS-Therapie mit einem Trick: Die in¿zierte Person wird im gleichen Zeitraum mit einem Cocktail aus mehreren Arzneistoffen behandelt. Die verschiedenen Arzneistoffe greifen völlig unterschiedliche Ziele an, was die Viruspopulation vor die unmögliche Aufgabe stellt, mehrere molekulare Maschinen gleichzeitig mutieren zu lassen, um sich allen Arzneistoffen zu entziehen.
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Abb. 9.9 Arzneimittelresistenz bei HIV Damit Arzneistoffe gegen HIV wirksam sein können, müssen sie fest an Enzyme des Virus binden und sie deaktivieren. Die HIV-Protease erlangt eine Arzneimittelresistenz, indem wichtige Aminosäuren in ihrem aktiven Zentrum mutieren. Auf dieser Abbildung ist der Arzneistoff Ritonavir grün gefärbt, die Aminosäuren an Position 82 der Proteinkette sind magentafarben dargestellt. Beim normalen Enzym ist die Aminosäure ein Valin, das für eine stabile Bindung mit dem Arzneistoff sorgt. Beim mutierten Enzym wurde diese Aminosäure gegen das kleinere Alanin ausgetauscht. Dadurch ist der Kontakt zwischen den Molekülen gerade genug geschwächt, um den Arzneistoff unwirksam zu machen (20 000 000 ×).
Arzneistoffe und Gifte des Nervensystems
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Arzneistoffe und Gifte des Nervensystems In der medizinischen Praxis wurden seit jeher bestimmte chemische Substanzen eingesetzt, um gezielt Veränderungen an den molekularen Maschinen unseres Körpers vorzunehmen. Weidenrinde und das Harz der MohnpÀanze dienten zur Linderung von Schmerzen, der Fingerhut wurde in kleinen Mengen zur Behandlung von Herzerkrankungen verwendet, und viele andere PÀanzen und Pilze wurden bereits dazu benutzt, unsere Sinneswahrnehmung und unsere neuronalen Signale zu verändern. In den meisten Fällen stellen die PÀanzen diese giftigen chemischen Verbindungen her, um sich selbst zu schützen, und wenn wir zu viel davon zu uns nehmen, bekommen wir ernste Probleme. Kommen diese Chemikalien jedoch in sorgsam kontrollierten Dosen zum Einsatz, so stellen sie wirksame Medikamente dar. In dem Maße, in dem unser Wissen über die biochemischen Vorgänge im menschlichen Körper zugenommen hat, ist es uns auch möglich geworden, diese natürlichen Giftmoleküle zu modi¿zieren und sie genauer auf unsere Bedürfnisse abzustimmen. Heute steht uns eine Vielfalt von natürlichen und synthetischen Arzneistoffen zur Verfügung, mit denen wir die Funktionsweise unserer molekularen Maschinen sanft anpassen können; wir leiten sie zu einer gesünderen Arbeitsweise an. Diese Arzneistoffe dienen nicht dazu, eine molekulare Maschine zu vergiften, so wie die Antibiotika; sie sind vielmehr dazu da, jeweils eine unserer eigenen Maschinen etwas langsamer arbeiten zu lassen. Außerdem ist eine medikamentöse Therapie oft zeitlich begrenzt. Unsere natürlichen Entgiftungsmaschinen, zum Beispiel Cytochrom P450, zerstören die im Blut zirkulierenden Arzneistoffe innerhalb weniger Stunden; deshalb muss täglich eine Dosis davon eingenommen werden, um einen Therapieerfolg zu gewährleisten. Viele dieser natürlichen Gifte und therapeutisch eingesetzten Arzneistoffe wirken auf das Nervensystem. Das ist auch sinnvoll, denn das Nervensystem ist die Kontrollzentrale unseres Körpers, und wenn wir etwas verändern wollen, so tun wir dies am besten an der Quelle. PÀanzen und Pilze verstehen es meisterhaft, Gifte herzustellen, die das Nervensystem angreifen, denn sie selbst haben ja keine Nerven. Sie können große Mengen dieser Gifte produzieren und speichern, ohne dass es für sie selbst eine negative Wirkung hätte, doch jedes Tier, das die PÀanze frisst, wird vergiftet. Viele Stoffe mit therapeutischer Wirkung werden aus PÀanzen und Pilzen gewonnen. Eine lange Tradition volkstümlichen Wissens warnt uns vor giftigen PÀanzen und Pilzen; daher wissen wir, dass wir Tollkirsche und Fliegenpilze meiden sollten. Gleichzeitig ist aber in der Volksmedizin seit langem bekannt, dass diese Gifte in kleiner, sorgfältig kontrollierter
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Dosis dazu verwendet werden können, unsere Nerven positiv zu beeinÀussen, Spannungen zu verringern oder Schmerz zu lindern. So bewirken zum Beispiel Curare, Atropin und Schierling eine Muskellähmung, indem sie die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln hemmen. Dieses Signal wird von Acetylcholin übertragen, einem kleinen Molekül, das von den Nervenzellen freigesetzt und von Rezeptoren an der OberÀäche der Muskelzelle wahrgenommen wird (Abb. 6.10). Diese Gifte wirken, indem sie die Bindung von Acetylcholin an seinen Rezeptor blockieren, sodass das Signal zur Kontraktion nie beim Muskel ankommt. Wenn Sie schon einmal vom Augenarzt untersucht wurden, haben Sie dort vermutlich eine Atropinvergiftung erlebt. Ein Tröpfchen des Giftes in jedes Auge lähmt vorübergehend die Muskeln, die die Öffnungsweite der Iris regulieren, und erweitert die Pupillen, sodass der Arzt in das Auge hineinsehen kann. Strychnin wirkt genau entgegengesetzt. Es blockiert die hemmenden Rezeptoren in den Synapsen, die normalerweise das Abfeuern von neuronalen Signalen dämpfen, damit sich die Nerven nicht ständig selbst reizen oder benachbarte Nerven erregen. Strychnin blockiert diesen Kontrollmechanismus, was eine fatale Wirkung hat. Statt einer Lähmung erleidet das Opfer einer Strychninvergiftung unkontrollierbare Krämpfe. Die kleinste Bewegung, das kleinste Geräusch löst eine Kettenreaktion von neuronalen Signalen aus, wobei sich alle Muskeln im Körper des Opfers gleichzeitig zusammenziehen, sodass sich der ganze Körper versteift und krümmt. Sedativa (Beruhigungsmittel) wie Diazepam (Handelsname Valium), Barbiturate (Schlafmittel) und Alkohol wirken auf nützlichere Weise auf die hemmenden Rezeptoren ein. Statt die Hemmung zu blockieren und eine unkontrollierbare Nervenerregung herbeizuführen, scheinen Sedativa die Bindung von Neurotransmittern an hemmende Rezeptoren zu erleichtern; sie verstärken die hemmende Wirkung und verlangsamen das Abfeuern von neuronalen Signalen. Die verschiedenen Sedativa verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung – Alkohol verschärft die Wirkung von Schlafmitteln erheblich –, weil sie alle auf das gleiche Protein einwirken. Bei höherer Dosierung wird die Wirkung allmählich immer stärker, je mehr Nerven beeinÀusst werden; es beginnt mit der Befreiung von Angstgefühlen und mit Enthemmung, steigert sich zu gedämpfter Wahrnehmung und Schlaf und führt – in toxischen Dosen – bis hin zu Koma und Tod. Andere Arzneistoffe wirken nur auf bestimmte Gruppen von Nerven; ihre Wirkung auf unser Denken und unsere Sinneswahrnehmung ist enger umrissen. Schmerzmittel zum Beispiel blockieren unsere Schmerzwahrnehmung beziehungsweise die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn. Morphin und Aspirin hemmen diese Signale an entgegengesetzten
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Enden des Schmerzprozesses. Aspirin blockiert Schmerzsignale an ihrem Ausgangspunkt. Die Zellen in unserer Haut und in anderen Geweben geben bei einer Beschädigung kleine Moleküle, die sogenannten Prostaglandine, ab. Diese regen die Nerven dazu an, ein Schmerzsignal an das Gehirn weiterzuleiten. Aspirin blockiert die Cyclooxygenase, eines der Enzyme, die für die Synthese von Prostaglandin benötigt werden. Ohne das Enzym ist nicht mehr ausreichend Prostaglandin vorhanden, um ein Schmerzsignal auszusenden. Morphium dagegen blockiert den Schmerz am anderen Ende, nämlich dann, wenn das Schmerzsignal im Gehirn eintrifft. Es bindet an Rezeptoren im Gehirn, die normalerweise die natürlichen Schmerzmittel unseres Körpers, die Enkephaline, erkennen. Enkephaline verändern normalerweise Schmerzsignale im Gehirn; sie dämpfen die Schmerzemp¿ndung und erhöhen unsere Schmerzschwelle, wenn es aufgrund extremer Umstände notwendig ist. Da Morphium sich diesen natürlichen Mechanismus zunutze macht, ist es das wirksamste aller bekannten Schmerzmittel.
Wir und unsere Moleküle In der heutigen Zeit stehen wir zu den Molekülen unseres Körpers in einem überraschend innigen Verhältnis. Wir wissen instinktiv, dass wir sie vor übermäßiger Hitze oder Kälte schützen müssen, vor Säuren und Laugen, vor zu hohen Salzkonzentrationen, vor starker Sonneneinstrahlung. Unser eingebauter Schmerzsensor warnt uns davor, dass diese gefährlichen Umweltbedingungen unsere Moleküle funktionsunfähig machen könnten. Aus den Überlieferungen der Volksmedizin wissen wir, dass wir unsere Moleküle regelmäßig mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgen müssen, um sie in Bestform zu erhalten, und dass wir zu ihrer Sicherheit giftige Stoffe meiden sollten. Die Medizin hat uns gelehrt, dass gute Hygiene unsere Zellen frei von Krankheitserregern wie Viren und Bakterien hält, und sie hat uns wirksame Waffen an die Hand gegeben, um diese Erreger zu bekämpfen, wenn sie sich doch einmal an unserem Abwehrsystem vorbeimogeln sollten. Dank dieser Werkzeuge leben wir heutzutage länger und gesünder als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Gegenwärtig erleben wir revolutionäre Fortschritte im Verständnis des menschlichen Körpers, denn die Wissenschaft ist dabei, die innersten Geheimnisse unserer Moleküle zu lüften. Inzwischen kennen wir die genaue Atomstruktur der wichtigsten molekularen Maschinen, die im Nanobereich die lebenswichtigen Abläufe unseres Körpers organisieren. Allmählich verstehen wir, wann, wo und wie diese Maschinen synthetisiert werden – gesteuert von einem winzig kleinen, aber robusten System
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zur Informationsspeicherung, von dem sogar Fehler letztendlich in evolutionäre Vorteile umgemünzt werden. Wir begreifen nach und nach die scheinbar paradoxe Kombination von Ordnung und Chaos im Inneren der Zelle – in diesem verblüffenden Reich, in dem die Moleküle regieren und unser Leben bestimmen. Dieses Wissen erlaubt uns auch mehr Kontrolle. Die Medizin stellt uns heute Hunderte von Möglichkeiten zur Verfügung, wie wir unmittelbar auf die Moleküle unseres Körpers einwirken können, um so gesund wie möglich zu bleiben. Doch mit diesen Informationen müssen wir uns auch einer neuen Verantwortung stellen. Jeden Tag sehen wir uns mit Dutzenden von Entscheidungen konfrontiert, die wir nur treffen können, wenn wir über die Moleküle in unserem Körper Bescheid wissen. Wir haben die Wahl, ob wir eine üppige, fettreiche Mahlzeit zu uns nehmen und damit riskieren wollen, dass sich Fett in unseren Arterien ablagert, oder eben nicht. Wir müssen für uns entscheiden, ob wir synthetische Steroide unsportlich ¿nden oder nicht. Wir müssen uns darüber klar werden, ob wir genetisch veränderte Lebensmittel essen wollen, und ob wir die Erforschung gentherapeutischer Maßnahmen zur Behandlung von Diabetes oder Krebs befürworten oder nicht. Zum Glück können wir uns bei diesen Entscheidungen mehr denn je auf detaillierte Informationen über unseren Körper stützen – von der molekularen Ebene aufwärts.
Atomkoordinaten
Die Atomkoordinaten für die Molekülabbildungen in diesem Buch wurden der RCSB Protein Data Bank entnommen. Die Parameter sowie die kompletten Strukturdatensätze sind auf der Website der RCSB PDB unter http://www.pdb.org zu ¿nden. Im Folgenden sind die Zugangscodes aufgeführt. 1.2 1.3 2.1 2.2 2.6 2.7 2.8 2.9
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.8
Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase 1gad, 1nbo, 3gpd Hämoglobin 2hhb ATP-Synthase 1c17, 1e79, 1l2p, 2a7u Enolase 4enl Transfer-RNA 1ttt; Ribosom 1yl4 Lysozym 2lyz Multidrug-Transporter 2onj; Rhodopsin 1f88; Insulin 2hiu; Glucagon 1gcn; Pepsin 5pep; Antikörper 1igt; DNA-Polymerase 1tau; Ferritin 1hrs; ATP-Synthase 1c17; Kollagen 1bkv; Actin 1atn Die Parameter der Lipiddoppelschicht stammen von folgender Website: http://www.umass.edu/microbio/rasmol/bilayers.htm (Heller H, Schaefer M, Schulten K (1993): Molecular dynamics simulation of a bilayer of 200 lipids in the gel and in the liquid crystal phases. J Phys Chem 97: 8343–8360) mRNA und tRNA 2j00 HMG-CoA-Reduktase 1hwk; Oxidosqualen-Cyclase 1w6k RNA-Polymerase 2e2i Ribosom 1yl3, 1yl4; tRNA/EFTu 1ttt; EFG 1dar; PhenylalanyltRNA-Synthetase 1eiy Insulin 2hiu Photosystem I 1jb0; Ribulosebisphosphat-Carboxylase/Oxygenase 1rcx Aspartyl-tRNA-Synthetase 1c0a
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Atomkoordinaten
3.9 Photosystem I 1jb0; Ferredoxin 1bxu; Cytochrom-bc1-Komplex 1bgy; Plastocyanin 1bgu; ATP-Synthase 1c17, 1e79, 1l2p, 2a7u 3.11 Vitamin-B12-Transporter 2qi9; Natrium/Protonen-Antiporter 1zcd; Magnesiumtransporter 2bbj 7.2 Ubiquitin 1f9j; Proteasom 1fnt 7.3 DNA mit einem Thymindimer 1ttd; DNA-Photolyase 1tez 7.4 Rad51 1szp 7.5 Caspase-9 1nw9; Caspase-3 1pau; caspaseaktivierte Desoxyribonuclease 1v0d, 1c9f 7.6 Src 2src 7.7 Cytochrom-c-Oxidase 1oco 7.8 Superoxid-Dismutase 2sod; Katalase 8cat; Peroxiredoxin 2pn8 7.9 Ascorbat 1oaf; Cytochrom-b5-Reduktase 1ib0 8.4 Reverse Transkriptase 1jlb; HIV-Protease 1hsg 9.1 Protonenpumpe 1su4; Neurotransmittertransporter 2qju; Neurotransmitterrezeptor 2rh1; Cyclooxygenase 1prh; Tumornekrosefaktor 1tnr; Phosphodiesterase 1udt 9.2 Rhodopsin 1f88 9.3 Pyruvat-Dehydrogenase 1ni4; ElektronentransferÀavoprotein 1efv; Alkohol-Dehydrogenase 2ohx 9.4 Vitamin-D-Rezeptor 1db1, 1kb6 9.5 Cytochrom-c-Oxidase 1oco 9.6 Cytochrom P450 1j0d 9.7 hitzelabiles Enterotoxin 1lts; Diphtherietoxin 1mdt; Pertussistoxin 1prt; Ricin 2aai 9.8 Transpeptidase 1hvb; ȕ-Lactamase 4blm 9.9 HIV-Protease 1hxw, 1rl8
Weiterführende Literatur
Alberts B, Johnson A, Lewis J, Raff M, Roberts K, Walter P (2003) Molekularbiologie der Zelle, 4. Aufl. Wiley-VCH, Weinheim Devlin TM (2005) Textbook of Biochemistry with Clinical Correlations. Academic Press, New York Flint SJ, Enquist LW, Racaniello VR, Skalka AM (2004) Principles of Virology: Molecular Biology, Pathogenesis, and Control of Animal Viruses. ASM Press, Washington DC Goodsell DS (2004) Bionanotechnology. Wiley-Liss, Hoboken Nelson D, Cox M (2009) Lehninger Biochemie, 4. Aufl. Springer, Heidelberg Pollard TD, Earnshaw WC, Lippincott-Schwartz J (2007) Cell Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum, Heidelberg Schaechter M, Ingraham JL, Neidhardt FC (2006) Microbe: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum, Heidelberg
Sachverzeichnis
A
B
Absorption 41–43 Acetylcholin 160 Actin 85, 92, 94 -filamente 85 Adenin 13 Adenosintriphosphat (ATP) 43–47 Adhärenzverbindung (adherens junction) 86, 88 Adrenalin 101 Albumin 98 Alkohol 160 Alterungsprozess 123–127 Amine 146 Aminosäuren 18f Antibiotika 154–158 Antibiotika vs. Gifte 155 Anticodon 35 Antikörper 20 Antioxidantien 126 Apoptose, siehe Zelltod, programmierter Arginin 35 Ascorbinsäure, siehe Vitamin C Aspirin 160f Atmungskette 65 Atome im Molekül, Anordnung 4 ATP-Synthase 21, 48, 65, 71 Atropin 160 Axon 102
B-Vitamine, siehe Vitamine bakterielles Toxin 153f Bakterien, Arneimittelresistenz 157 Bakterienzelle Genom 38, 62f Proteinsynthese 60 Barbiturate 160 Basallamina 87, 90f Basen, Nucleinsäure- 15–17 Blut 96–102 -gerinnung 99 -gerinnungskaskade 100 -pfropfen 98 Blutplasma 96f Antikörper 100 Komplementsystem 101 Blutserum 96, 98
C Cadherin 86, 88f Calcium 94 Caspase 120 Cellulose 24, 50 chemische Energie 41 chemische Komplementarität 10f Chitin 24 Chlorophyll 43 Citratzyklus 64f, 71 Codon 35
168 Curare 160 Cyanid 150f Cyclooxygenase 161 Cytochrom-c-Oxidase 124, 150f Cytochrom P450 152f, 159 Cytokine 87, 92 Cytoplasma 80 Cytoplasmamembran 59 Cytosin 13 Cytoskelett 80, 85
D Darmflora 68 Desoxyribonucleinsäure, siehe DNA DNA 13 -Doppelhelix 14 -Photolyase 115 -Polymerase 20f -Reparatur 114–118 homologe Rekombination 116 nichthomologe Endverknüpfung 118 Synapse 116 Dynein 86
E Eisen-Schwefel-Cluster 43 elektrochemische Energie 41 elektrochemischer Gradient 44, 65, 104 Elektronenfluss 41 Elektronenmikroskopie 4 Elongationsfaktor 36 Emission von Licht 41 endoplasmatisches Reticulum 76f Energie Arten 41 Nutzung 40–47 Enkephaline 161 Enolase, Zuckerstoffwechsel 11 Entgiftungssystem 152 Enzym 27, 31 antioxidatives 125 toxisches 153
Sachverzeichnis Escherichia coli 38, 50, 53–69 Energiegewinnung 63–65 Genom 38 Proteinsynthese 59–63 Reisedurchfall 69 Zellarchitektur 55 extrazelluläre Matrix 87, 90
F Ferritin 21 Fettsäuren 98 Fimbrie 57f
G gap junction 87, 89 Geißel 66f Geißelmotor 66–68 genetische Information, gegenläufige Kräfte 38 Genom 35 Escherichia coli 40 menschliches 40 Mutation 38 Sequenz 38 Gewebefaktor 100 Gifte, mit breitem Wirkungsspektrum 150–153 Glucagon 20, 22, 101 Glucose 24 Spaltung 41 Glycerinaldehyd-3-phosphatDehydrogenase 3, 38 Glykolyse 64f Golgi-Apparat 78f Grippevirus 137–139 Abschnürung 138 Impfstoff 142 Schwein 137, 139 Vogel 137, 139 Guanin 13 „gutes Cholesterin“, siehe Lipoprotein hoher Dichte (HDL)
Sachverzeichnis
H Hämoglobin 96 HIV 131, 139–141 Arzneimittelresistenz 158 arzneimittelresistente Stämme 157 Enzyme 140 Impfstoff 142 Medikamente 140 Hormon 101 human immunodeficiency virus (HIV), siehe HIV hydrophile Moleküle 13 hydrophobe Moleküle 13 Hydrophobizität 10–12
I Impfstoffe 141f HIV 142 Grippeimpfstoff 142 Polioimpfstoff 141 Wirkungsweise 141 informationsgesteuerte Synthese 33–35 Insulin 20, 101 Gen für menschliches 39 Interaktom 40, 54 Intermediärfilamente 86 Ionen, elektrisch geladene 43f Ionentransporter 57
K Katalysator, chemischer 17 Keratin 86 Kinesin 86 Kohlenmonoxid 151f Kollagen 21, 87, 90 Konnexon 87, 89 Krebs 121–123 Behandlung 122f Chemotherapie 123
L Lebewesen 29f Leucin 35
169 Lipid 10, 13, 22–24 Lipiddoppelschicht 22–24, 47, 49f Lipopolysaccharid 54f, 57f Lipoprotein 98 Lipoprotein hoher Dichte (HDL) 98 Lipoprotein niedriger Dichte (LDL) 98 Lymphocyt 100 Lysosom 119
M Magnesiumionen 49 menschliche Zelle 83–85 Infrastruktur und Kommunikation 85–92 Kompartimente 71–81 menschliches Immunschwächevirus, siehe HIV menschlicher Körper, Bewegung und Wahrnehnung 50 Messenger-RNA 29, 36f Mikrotubuli 80f, 86 Mitochondrium 71f molekulare Maschinen 2f, 9–27 Abläufe auf atomarer Ebene 9 molekulare Maschinen vs. vom Menschen geschaffene Maschinen 9 molekularer Ablauf, Prinzipien 5 Molekül 4 Aufbau 30–40 Bewegung 5 Form und Größe 5 molekulare Diffusion 6 Morphin 160f Multidrug-Resistance-Transporter 57, 59 Multidrug-Transporter 20 Muskel 92–95 Kontraktion 94 Muskelgewebe 83 Myelinscheide 104 Myosin 47, 92, 94
170
N Natriumionen 49 Nervensignal 108 Nervensystem 102–109 Arzneistoffe und Gifte 159–161 Nervenzelle 102–109 Signalübertragung 104 neuronales Signal, siehe Nervensignal Neurotransmitter 104 NMR-Spektroskopie 4 Nucleinsäuren 10, 13–17, siehe auch DNA Funktion 13, 16f Struktur 14–17 Nucleoid (Kernäquivalent) 55, 61f Nucleosom 74 Nucleotid 13, 15 Nucleotid-Triplett 35
Sachverzeichnis Poliovirus 133, 136 Lebenszyklus 134f Polysaccharid 10, 13, 24–26 Funktion 24 Porin 58 Proteasom 112f Protein 10, 13, 17–22 Bcl-2-Familie 119 Funktion 20–22 Größe und Form 17 Struktur 17–19 Proteinfilamente 85 Proteinpumpe 49 Proteinsynthese 35–40 Proteom 40, 54 Pyridoxin, siehe Vitamin B6
Q Quantenmechanik 5
O
R
Obsoleszenz, siehe Veralterung, geplante Onkogen 121 Src- 122 Operon 38 Östrogen 101
Rad51 116 Radikal, freies 126 Rasterkraftmikroskopie 4 RecA 116 Retinal, siehe Vitamin A Retrovirus 139 Rhinovirus 133, 136 Rhodopsin 20, 146 Riboflavin, siehe Vitamin B2 Ribonucleinsäure (RNA), siehe RNA Ribosomen 35 Ribulosebisphosphat-Carboxylase/ Oxygenase 42f RNA 14, 17 RNA-Polymerase 34 Röntgenstrukturanalyse 4 rote Blutkörperchen 96f
P p53, Tumorsuppressor 121 Penicillin 58, 69, 155f Pepsin 20 Peptidoglykan 57f Periplasma 58 periplasmatischer Raum 57, siehe auch Periplasma Phenylalanyl-tRNA-Synthetase 36 Phospholipid 12 Photosynthese 41 Photosystem 42f physikalische Bewegung 41 Plasmid 62 Polioimpfstoff 141
S Salzbrücke 10, 13 Sarkomer 92, 94
Sachverzeichnis Sauerstoff, reaktive Formen 123–127 Schierling 160 „schlechtes Cholesterin“, siehe Lipoprotein niedriger Dichte (LDL) Schrödinger, Erwin 29 Schwann-Zelle 104 Sedativa 160 simian immunodeficiency virus (SIV) 142 spannungsgesteuerter Kanal 104 Spleißen 38f Stammzellen 84f Sterine, Synthese 33 Strychnin 160 Superoxid-Dismutase 59, 125 Synapse, siehe synaptischer Spalt synaptischer Spalt 104, 106 Synthese, chemische 31
T Telomer 118 Telomerase 118 Testosteron 101 Thiamin, siehe Vitamin B1 Thymin 13 Titin 22, 92, 94 Tod 127f Definitionen 127 Toxin, bakterielles 153f Transfer-RNA 29, 35–37 Transkription 34 Translation 34–36 Transportvesikel 79 Tumornekrosefaktor 145 Tumorsuppressor, p53 121
U Ubiquitin 112f -Ligasen 112
171 ultraviolettes Licht 114 chemische Veränderungen, DNA 114 Uracil 14, 17
V Veralterung, geplante 111 Viren 131–142 Vitamin A 146f Vitamin B1 147 Vitamin B2 147 Vitamin B6 147 Vitamin B12 49 Vitamin C 125f, 147 Vitamin D 149f Vitamine 146–150
W Wachstumshormon 101 Wasserstoffbrücke 10f, 13, 15 Wasserstoffionen 49 weiße Blutkörperchen 96
Z Zellalterung, siehe Alterungsprozess Zelle 3 Barrieren 26 Zellkern 74f Zellmembran 26, 47, 49 Zelltod, programmierter 111, 119f Zellwand 80 vielschichtige 54 Zucker, Spaltung 41, siehe auch Glucose Zucker-Phosphat-Gruppe 16 zyklische Phosphorylierung 46–48