Gerrit Karalus Wachstumsstrategien in der Medienbranche
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europäischen Manage...
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Gerrit Karalus Wachstumsstrategien in der Medienbranche
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europäischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network
Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers (†), European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht (†), RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Universität Bamberg; Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants
Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Beiträge zur ökonomischen Forschung im europäischen Kontext.
Gerrit Karalus
Wachstumsstrategien in der Medienbranche Eine Untersuchung des ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder bei deutschen Printmedien
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Harald Hungenberg
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Erlangen-Nürnberg, 2008
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1014-1
Für meine Eltern, Karin und Gert
VII
Geleitwort Gerrit Karalus widmet sich in der vorliegenden Arbeit den Herausforderungen, denen sich die Printmedienindustrie in Deutschland in den letzten Jahren ausgesetzt sieht: Das Kerngeschäft von Zeitungen und Zeitschriften erodiert und die vormals hohen Reichweitewerte gehen soweit zurück, dass insbesondere jüngere Zielgruppen deutlich weniger als zu früheren Zeiten von den Zeitungen und Zeitschriften erreicht werden. Dies bringt eine Branche in ökonomische Bedrängnis, deren gesellschaftspolitische Bedeutung bereits im Grundgesetz betont wird. Umso erfreulicher ist es, dass die vorliegende Arbeit Wege aufzeigt, wie die Ressourcenbasis der Printmedienunternehmen genutzt werden kann, um mit Wachstumsaktivitäten neue Umsatzpotenziale zu erschließen und so auch das journalistische Kerngeschäft abzusichern. Gleichzeitig enthält die Arbeit zu Recht eine Warnung, die die handelnden Personen ernst nehmen sollten: Die fragile Ressourcenbasis von Medien beruht umfänglich auf der Attribution von Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Werden Wachstumsstrategien nicht entlang dieser Ressourcen ausgerichtet, wird die Ressourcenbasis und mit ihr die ökonomischen Potenziale abschmelzen. Gerrit Karalus folgt in seinem Forschungsvorgehen konsequent einer ressourcenbasierten Sicht, die aktuellen theoretischen Strömungen entspricht und sich mit den Treibern des Phänomens in der Praxis deckt. Forderten Ramanujam/Varadarajan bereits 1989 an zentraler Stelle zu Recht die stärkere Erforschung des Wachstums- bzw. Diversifikationsprozesses anhand vergleichender Studien einiger weniger Unternehmen, so wird dieser Forderung in dieser Arbeit konsequent gefolgt. Gerrit Karalus kommt hierbei zugute, dass er die deutsche Medienbranche aus mehreren Jahren eigener beruflicher Tätigkeit kennt. Dies hat einerseits die praktische Ausrichtung der Arbeit gefördert, ihre Reliabilität erhöht und nicht zuletzt dazu geführt, dass in den Fallstudien bedeutende Branchenvertreter in die Datenerhebung einbezogen werden konnten.
VIII
Die Arbeit ist methodisch einwandfrei konzipiert und kombiniert erfolgreich für die jeweiligen Teilfragestellungen quantitative und qualitative Methoden. Dass Gerrit Karalus an den Beginn der Dissertation eine wissenschaftstheoretische Ausführung und eine umfängliche Darstellung der Branche stellt, ist löblich und erleichtert den Nachvollzug. Die Arbeit bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für weitere Forschungsvorhaben. Weiterhin sind die Ergebnisse auf die Bedürfnisse des Praktikers ausgerichtet, der durch die konkrete Ausgestaltung der Hypothesen und mittels des abschließenden Modells fast checklistenartig die eigenen Wachstumsstrategien hinterfragen und optimieren kann. Bei allem Erklärungswert, den die Arbeit bietet, bleibt erstaunlich, dass alltägliche Produkte wie bekannte Romane des 20ten Jahrhunderts, CDs, DVDs, Lexika, Weineditionen, Mobilfunkkarten oder auch Bekleidung durch die Verbindung mit der Ressourcenbasis der Verlage die in der Arbeit dargestellten signifikanten Absatzerfolge erzielen konnten. Ich wünsche der Arbeit eine umfängliche und positive Rezeption in Theorie und Praxis und Herrn Karalus für die Zukunft alles Gute.
Prof. Dr. Harald Hungenberg Nürnberg im April 2008
IX
Vorwort Diese Arbeit thematisiert ein aktuelles Phänomen in der Printmedienbranche: Durch die sich wandelnde Medienrezeption der Konsumenten und die damit einhergehenden Änderungen in der Allokation von Marketingbudgets musste die Branche umfangreiche Umsatz- und Ertragseinbrüche hinnehmen. Nachdem die Anpassungen auf Kostenseite zumeist abgeschlossen sind, verfolgen die Unternehmen in den letzten Jahren vermehrt Wachstumsstrategien, die den Aufbau verlagsnaher und auch verlagsferner Geschäftsfelder auf Basis bestehender Ressourcen beinhalten. Zwar existiert "Merchandising" bei Medien schon länger, doch der Umfang der Aktivitäten der letzten Jahre bildet ein Novum in der Branche. Weil es das Ziel ist, mittelbar oder unmittelbar Wachstum zu generieren, um die Rückgänge im Kerngeschäft zu kompensieren, handelt es sich aus Sicht des Autors um neue ressourcenbasierte Wachstumsstrategien, deren Ausgestaltung von theoretischer und praktischer Relevanz ist. Der Autor – selbst gelernter Verlagskaufmann und Strategieberater für das Management von (Medien-)Unternehmen – begleitete diesen Prozess in Projekten und Gesprächen mit Branchenvertretern und musste feststellen, dass die Planung und Umsetzung dieser Strategie Verlage vor große Herausforderungen stellt, was sich mancherorts in einer mediokren Umsetzung manifestiert. In dieser Arbeit wird daher erstmals der Versuch unternommen, die Forschungsergebnisse der Betriebswirtschaftslehre, die für diese Herausforderungen relevant sind, in einem ganzheitlichen Handlungsrahmen zusammenzubringen. Somit handelt es sich – wenn auch nicht um einen interdisziplinären – so zumindest um einen disziplinumfassenden Ansatz. Die Ergebnisse dieses Theorieteils werden im Anschluss an den Erfahrungen aus der Praxis gespiegelt, wobei insbesondere erfolgreiche Vorreiter dieser Strategien in den verschiedenen Arten von Printmedien betrachtet werden. Nach Abschluss der Arbeit möchte ich an erster Stelle sehr herzlich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Harald Hungenberg danken, der mein Vorhaben auf eine persönliche, stets sehr angenehme Weise unterstützt und konstruktiv begleitet hat. Dieses gilt auch für sein gesamtes Lehrstuhlteam, dem ich für die Zukunft alles Gute wünsche.
X
Eine solche empirische Arbeit macht die Mithilfe einer Vielzahl von Menschen notwendig, deren Auskünfte dringend benötigt werden. Der Doktorand ist geradezu davon abhängig, dass diese Menschen idealistisch Zeit aus ihren engen Terminkalendern zur Verfügung stellen. Hierfür sei an dieser Stelle Frau Hecker, Frau Hilbert, Frau Jäkel, Frau Kreft sowie Herrn Dr. Dömer, Herrn Rumberg und Herrn Twardy ganz herzlich in der Hoffnung gedankt, ihnen mit dieser Arbeit zumindest ein paar Anregungen für die praktische Anwendung zurückgeben zu können. Im Vorwort zu einer Dissertationsschrift erwartet der Leser weiterhin Dank für das Verständnis und die Entbehrungen, die Familie und Freunde dem Autor entgegenbringen mussten, damit dieser seine Arbeit fertigstellen konnte. Im Vergleich der Promotionszeit mit den davor liegenden Jahren als Unternehmensberater muss ich diesen Dank jedoch vor allem in eine andere Richtung lenken: Ich danke den Verantwortlichen bei meinem Arbeitgeber Roland Berger Strategy Consultants für das Vertrauen und die Möglichkeit, im Rahmen des Promotionsprogramms diese Arbeit verfasst haben zu können. Die Chance, sich für einen längeren Zeitraum mit einer Thematik fokussiert beschäftigen zu können, birgt einen hohen persönlichen Wert. Der Dank gilt insbesondere meinem sehr geschätzten Mentor, Herrn Dr. Karl Ulrich, sowie Herrn Dr. Burkhard Schwenker als CEO von Roland Berger Strategy Consultants und Verantwortlichem für das Doktorandenprogramm sowie dem Leiter dieses Programms Herrn Dr. Christian Krys. Auch meinen Mitdoktoranden am Lehrstuhl sowie im Promotionsprogramm sei für den geistigen Austausch gedankt, der viele Gedanken kultiviert hat. Namentlich sei in diesem Zusammenhang mein Freund Andreas Ramm erwähnt, der mir stets als Sparringspartner zur Verfügung gestanden hat. Schließlich gebührt ein besonders wichtiger Dank meinen Eltern, meinem Schwiegervater Herrn Prof. Dr. Freimut Leidenberger, meinen Freunden und insbesondere meiner Ehefrau Anna, die sich meine Ideen stets geduldig angehört, die Arbeit redigiert sowie die guten und die schlechten Zeiten einer solchen Entstehung geteilt haben. Gerrit Karalus Hamburg im Dezember 2007
XI
Inhaltsübersicht 1
Einleitung ................................................................................................ 1
2
Methodik und Struktur der Arbeit ....................................................... 8
3
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen .................................................................... 19
4
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum ........................................................... 60
5
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis..................... 156
6
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells ..................................................... 280
7
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick............................................ 347
XIII
Inhaltsverzeichnis Geleitwort ....................................................................................................... VII Vorwort.............................................................................................................IX Inhaltsübersicht ...............................................................................................XI Inhaltsverzeichnis .........................................................................................XIII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XVII Abbildungsverzeichnis .................................................................................XIX 1
Einleitung ................................................................................................ 1
2 2.1 2.2
Methodik und Struktur der Arbeit ....................................................... 8 Forschungsmethodik................................................................................. 8 Forschungsdesign ................................................................................... 13 2.2.1 Hypothesen.................................................................................. 13 2.2.2 Analysebereich............................................................................ 14 2.2.3 Logische Verknüpfung................................................................ 15 2.2.4 Kriterien zur Interpretation der Ergebnisse ................................. 16 Struktur der Arbeit.................................................................................. 16 Zusammenfassung .................................................................................. 17
2.3 2.4 3 3.1
3.2 3.3 3.4
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen .................................................................... 19 Eingrenzung von Printmedienunternehmen ........................................... 19 3.1.1 Geschäftsmodell, grundlegende Eigenschaften und Fokus der Arbeit .......................................................................................... 19 3.1.2 Zeitungen und ihre spezifischen Eigenschaften .......................... 23 3.1.3 Die Zeitschrift und ihre spezifischen Eigenschaften ................... 25 Ressourcenbasis von Printmedienunternehmen...................................... 28 Branchenstruktur der Printmedien in Deutschland................................. 32 3.3.1 Zeitungen .................................................................................... 34 3.3.2 Zeitschriften ................................................................................ 39 Branchenentwicklung der Printmedien in Deutschland.......................... 43 3.4.1 Zeitungen .................................................................................... 46 3.4.2 Zeitschriften ................................................................................ 52
XIV
3.5 3.6
Wachstum als Herausforderung für Printmedienunternehmen............... 54 Zusammenfassung .................................................................................. 58
4
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum ........................................................... 60 Übersicht über die Forschungslage......................................................... 61 4.1.1 Diversifikationsforschung ........................................................... 61 4.1.1.1 Forschungsüberblick zur Diversifikation............................... 61 4.1.1.2 Relevante Typen neuer Geschäftsfelder und Definition der Wertschöpfungstiefe........................................................ 69 4.1.2 Ressourcenbasiertheit beim Aufbau neuer Geschäftsfelder ........ 76 4.1.2.1 Forschungsüberblick über den ressourcenbasierten Ansatz .................................................................................... 77 4.1.2.2 Relevante Konstrukte des ressourcenbasierten Ansatzes....... 78 4.1.2.3 Limitationen für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder ...................................................................... 83 4.1.2.4 Modelle für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder ...................................................................... 84 4.1.3 Innovationsforschung und Forschung zur Entwicklung neuer Produkte ...................................................................................... 90 4.1.3.1 Forschungsüberblick über die Ansätze der Innovationsforschung und Forschung zur Entwicklung neuer Produkte....................................................................... 92 4.1.3.2 Relevante Themenfelder der Entwicklung neuer Produkte ... 97 4.1.3.3 Relevante Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte................................................................................. 98 4.1.4 Medienökonomie....................................................................... 100 4.1.5 Zusammenfassung der Ressourcenbasis zum Aufbau neuer Geschäftsfelder.......................................................................... 102 Entwurf eines Handlungsmodells als theoretischer Rahmen für die Empirie ................................................................................................. 104 4.2.1 Struktur eines übergreifenden Handlungsmodells..................... 104 4.2.2 Kernhandlungsfelder im Detail ................................................. 108 4.2.2.1 Kernhandlungsfelder im Bereich der Konzeption ............... 109 4.2.2.2 Steuerung der neuen Geschäftsfelder .................................. 140 Leitfragen für die empirische Forschung.............................................. 148 Zusammenfassung ................................................................................ 155
4.1
4.2
4.3 4.4 5 5.1
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis..................... 156 Empirischer Überblick über die Wachstumsstrategien von Printmedienunternehmen...................................................................... 156 5.1.1 Methodik der Untersuchung...................................................... 156
XV
5.2
5.3 6 6.1
6.2
5.1.2 Ergebnisse der Untersuchung.................................................... 157 5.1.2.1 Umfang des Aufbaus und Bedeutung der neuen Geschäftsfelder .................................................................... 157 5.1.2.2 Kontingenzfaktoren der Wachstumsintensität ..................... 166 5.1.2.3 Motivation für die Wachstumsstrategie ............................... 168 5.1.2.4 Ressourcenbasiertheit der Wachstumsstrategien ................. 171 5.1.2.5 Strategiewahl hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe in neuen Geschäftsfeldern........................................................ 173 5.1.2.6 Organisatorische Verantwortung der Wachstumsfelder ...... 175 5.1.2.7 Risiken und Herausforderungen bei den Wachstumsstrategien ........................................................... 176 5.1.3 Zusammengefasste Ergebnisse der empirischen Befragung...... 178 Fallstudienbasierte Detaillierung des Aufbaus neuer Geschäftsfelder.. 180 5.2.1 Methodik der Fallstudien .......................................................... 180 5.2.2 Einzeldarstellung der Fallstudienergebnisse ............................. 184 5.2.2.1 Süddeutscher Verlag/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG............ 185 5.2.2.2 Zeit Verlag Gerd Bucerius/DIE ZEIT ................................. 209 5.2.2.3 Axel Springer/BILD ............................................................ 228 5.2.2.4 Gruner + Jahr/BRIGITTE.................................................... 253 5.2.2.5 Axel Springer/HAMBURGER ABENDBLATT................. 273 Zusammenfassung ................................................................................ 279 Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells ..................................................... 280 Ausgestaltung von Optionen für neue Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 1).......................................................................... 281 6.1.1 Auslöser und Rahmenbedingungen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder.......................................................................... 281 6.1.2 Suche nach Ideen für neue Geschäftsfelder............................... 284 6.1.2.1 Beteiligte an der Ideengenerierung ...................................... 284 6.1.2.2 Suchprofil ............................................................................ 286 6.1.2.3 Kreatives Explorieren und Erfinden .................................... 289 6.1.2.4 Ressourcenbasiertes Entwickeln und Vernetzung mit Markttrends.......................................................................... 289 6.1.3 Ausdetaillierung der Optionen .................................................. 296 6.1.3.1 Festlegung der Wertschöpfungstiefe ................................... 297 6.1.3.2 Fragen des Timings ............................................................. 298 6.1.3.3 Pricing und Packaging ......................................................... 300 6.1.4 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 300 Markenstrategie (Kernhandlungsfeld 2) ............................................... 303 6.2.1 Analyse der Markenattribute ..................................................... 303
XVI
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
7
6.2.2 Fragen der Markenarchitektur im Zusammenhang mit neuen Geschäftsfeldern........................................................................ 305 6.2.3 Markendiversifikation und Grenzen der Markendehnung......... 307 6.2.4 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 309 Organisation der Innovation und Entwicklung (Kernhandlungsfeld 3).......................................................................... 311 6.3.1 Die Notwendigkeit von Überkapazitäten .................................. 311 6.3.2 Organisation für die Entwicklung einzelner neuer Produkte bzw. Geschäftsfelder ................................................................. 312 6.3.3 Langfristige Organisation für verlagsferne und verlagsnahe Aktivitäten jenseits des Kerngeschäftes .................................... 316 6.3.4 Herausforderungen einer innovativen Kultur und die Überwindung von Wandelbarrieren .......................................... 320 6.3.5 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 322 Filter für Optionen (Kernhandlungsfeld 4)........................................... 325 6.4.1 Filterparameter der Ressourcenbasis......................................... 326 6.4.2 Marktseitige Filterparameter ..................................................... 327 6.4.3 Business-Planung ...................................................................... 328 6.4.4 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 330 Launchvermarktung und Distribution (Kernhandlungsfeld 5) ............. 332 6.5.1 Vermarktung bei der Einführung neuer Produkte ..................... 332 6.5.2 Distribution neuer Produkte ...................................................... 334 6.5.3 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 336 Steuerung der neuen Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) .............. 337 6.6.1 Sourcing .................................................................................... 337 6.6.2 Systemische und prozessuale Integration.................................. 338 6.6.3 Portfolio- und Risikomanagement............................................. 339 6.6.4 Erfolgskontrolle und Effizienzsteigerung.................................. 341 6.6.5 Übersicht über die Hypothesen ................................................. 343 Zusammenfassendes Modell eines ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen .............................. 344 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick............................................ 347
Literaturverzeichnis ...................................................................................... 355
XVII
Abkürzungsverzeichnis Abb. Anm. AS BDZV CRM D d.h. DCF EBIT EBITDA EUR Expl. ext. G+J ggf. HA Hj. i.O. int. IP TV IVW Kap. M&A MA Mo. n.v. NPD NVD o.
Abbildung Anmerkung Axel Springer AG Bundesverband deutscher Zeitungsverleger Customer Relationship Management Deutschland das heißt discounted cash-flow earnings before interest and taxes earnings before interest, taxes, depreciation and amortization Euro Exemplare extern Gruner + Jahr gegebenenfalls Hamburger Abendblatt Halbjahr im Original intern Interaktives Fernsehen unter Nutzung des Internet-Protokolls (IP) Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. Kapitel Unternehmenszusammenschlüsse und -aufkäufe ("Mergers and Acquisitions") Media-Analyse Montag nicht verfügbar New Product Development New Venture Division ohne
XVIII
p.a. PF POS RBV ROI Sa. SIC SPD Std. Abw. SZ tsd. tw. u.a. usw. v.a. Verf. VDZ vgl. Ztg. Zts.
pro Jahr (per annum) pro forma Point of Sale Ressourcenbasierter Ansatz ("Resourced based view") Return on investment Samstag Standard Industry Classification ("SIC-Code") Sozialdemokratische Partei Deutschlands Standard Abweichung Süddeutsche Zeitung tausend teilweise unter anderem und so weiter vor allem Verfasser Verband deutscher Zeitschriftenverleger vergleiche Zeitung Zeitschrift
XIX
Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1: Abb. 2-1: Abb. 2-2: Abb. 2-3: Abb. 2-4: Abb. 3-1: Abb. 3-2: Abb. 3-3: Abb. 3-4: Abb. 3-5: Abb. 3-6: Abb. 3-7: Abb. 3-8: Abb. 3-9: Abb. 3-10: Abb. 3-11: Abb. 3-12: Abb. 3-13: Abb. 3-14: Abb. 3-15: Abb. 3-16: Abb. 3-17: Abb. 3-18: Abb. 3-19: Abb. 3-20: Abb. 3-21: Abb. 3-22: Abb. 3-23: Abb. 4-1: Abb. 4-2: Abb. 4-3: Abb. 4-4: Abb. 4-5:
Überblick über das Vorgehen ........................................................... 6 Relevante Situationen für verschiedene Forschungsstrategien ....... 10 Phasenschema für die Bearbeitung von Fallstudien ....................... 12 Grundsätzliche Kausalkette der vorliegenden Arbeit ..................... 13 Struktur der Arbeit.......................................................................... 17 Grundsätzliches Geschäftsmodell eines (Print-)Medienunternehmens.......................................................... 20 Strukturierung der Branche nach Medien und Wertschöpfung....... 22 Zeitungsverkauf nach Arten ........................................................... 24 Kosten- und Erlösstruktur bei Zeitungen........................................ 25 Titelanzahl und Auflage nach Zeitschriftengattungen .................... 26 Verteilung der verkauften Auflage auf Segmente der Publikumszeitschriften ................................................................... 27 Glaubwürdigkeit der Medien.......................................................... 29 Wertschöpfungskette eines Zeitungs-/Zeitschriftenverlages .......... 31 Übersicht über die bedeutsamsten Zeitungen je Gattung................ 35 Marktanteile und Konzentrationsgrad im Tageszeitungsmarkt ...... 36 Top Ten Publikumszeitschriften nach Auflage............................... 40 Top Ten der Zeitschriftenverlage nach Anzeigenaufkommen........ 41 Entwicklung der Mediennutzungsdauer ......................................... 44 Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger........................... 45 Veränderungen der Umfänge bezahlter Anzeigen in regionalen Abonnementzeitungen .................................................................... 46 Veränderung der Titelanzahl und Auflage bei Tageszeitungen...... 47 Entwicklung der Reichweite tagesaktueller Medien....................... 48 Veränderung der Titelanzahl/Auflage bei Sonntagszeitungen........ 49 Veränderung der Titelanzahl/Auflage bei Wochenzeitungen ......... 49 Umsatzentwicklung bei Tageszeitungen ........................................ 50 Beispiele für Personalabbau als Reaktion auf die Krise ................. 51 Veränderung der Titelanzahl und Auflage bei Publikumszeitschriften ................................................................... 52 Entwicklung der Netto-Werbeerlöse bei Publikumszeitschriften ... 53 Bedeutsame Strömungen empirischer Diversifikationsforschung............................................................... 64 Strukturierung von Diversifikation................................................. 66 Produkt-Markt-Strategien für Wachstum ....................................... 70 Vertrautheits-Matrix zur Kategorisierung neuer Geschäftsfelder ............................................................................... 73 Alternative Normstrategien zum Eintritt in neue Geschäftsfelder ............................................................................... 75
XX
Abb. 4-6: Verwendete Aufgliederung der Ressourcen ................................... 83 Abb. 4-7: Erklärungsmodell zum fähigkeitsbasierten Diversifikationserfolg..................................................................... 86 Abb. 4-8: Ressourcenbasiertes Modell des Erfolges neuer Produkte.............. 89 Abb. 4-9: Ressourcenbasis für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie ............................................................................ 103 Abb. 4-10: Ganzheitliches Modell des Aufbaus neuer Geschäftsfelder.......... 107 Abb. 4-11: Vergleich der verschiedenen Markenstrategien............................ 119 Abb. 4-12: Leitfragen für die empirische Forschung...................................... 150 Abb. 5-1: Umsatzverteilung bei Verlagen und Erwartungen ........................ 158 Abb. 5-2: Entwicklung der Anzahl von Zeitungen mit Online-Angeboten .. 159 Abb. 5-3: Übersicht über realisierte Wachstumsoptionen ............................ 160 Abb. 5-4: Realisierte Wachstumsoptionen im Detail.................................... 162 Abb. 5-5: Häufigkeitsverteilung der Anzahl realisierter Wachstumsaktivitäten................................................................... 163 Abb. 5-6: Überblick über realisierte bzw. geplante Wachstumsfelder.......... 164 Abb. 5-7: Detaildarstellung der realisierten bzw. geplanten Wachstumsfelder .......................................................................... 165 Abb. 5-8: Potenzialeinschätzung nach Wachstumsfeldern ........................... 166 Abb. 5-9: Unterschiede zwischen Zeitungen und Zeitschriften hinsichtlich der Wachstumsintensität ........................................... 167 Abb. 5-10: Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Wachstumsintensität..................................................................... 168 Abb. 5-11: Motivation für den Aufbau neuer Geschäftsfelder ....................... 169 Abb. 5-12: Bedeutung von Kompetenzen beim Aufbau verlagsnaher Zusatzprodukte ............................................................................. 171 Abb. 5-13: Bedeutung von Kompetenzen beim Aufbau verlagsferner Zusatzprodukte ............................................................................. 172 Abb. 5-14: Strategiewahl zur Definition der Wertschöpfungstiefe bei verlagsnahen neuen Produkten ..................................................... 173 Abb. 5-15: Strategiewahl zur Definition der Wertschöpfungstiefe bei verlagsfernen neuen Produkten..................................................... 174 Abb. 5-16: Organisatorische Verantwortung der Wachstumsfelder ............... 175 Abb. 5-17: Befürchtete Effekte bei dem Aufbau neuer Geschäftsfelder......... 177 Abb. 5-18: Übersicht über die Aktivitäten zur Datenerfassung der Fallstudien .................................................................................... 181 Abb. 5-19: Auflage- und Anzeigenumsatzentwicklung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG .................................................... 187 Abb. 5-20: Auflage- und Anzeigenseitenentwicklung der ZEIT .................... 210 Abb. 5-21: Verteilung der Umsätze bei der ZEIT........................................... 211 Abb. 5-22: Auflagen- und Anzeigenumsatzentwicklung der BILD................ 230
XXI
Abb. 5-23: Veröffentlichte Absatzzahlen zu den neu erschlossenen Geschäftsfeldern bei der BILD-Zeitung ....................................... 236 Abb. 5-24: Bisherige und geplante Umsatzentwicklung von Gruner + Jahr... 254 Abb. 5-25: Auflage- und Anzeigenseitenentwicklung der BRIGITTE........... 257 Abb. 5-26: Auflagenentwicklung des HAMBURGER ABENDBLATTES... 274 Abb. 6-1: Wettbewerbsumfeld für Printmedien............................................ 295 Abb. 6-2: Schema für die Entwicklung von Ansatzpunkten für neue Geschäftsfelder ............................................................................. 296 Abb. 6-3: Hypothesen für die erfolgreiche Ausgestaltung der Optionen (Kernhandlungsfeld 1) .................................................................. 301 Abb. 6-4: Hypothesen für eine erfolgreiche Ausgestaltung der Markenstrategie (Kernhandlungsfeld 2) ....................................... 310 Abb. 6-5: Dimensionierung und organisatorische Abbildung des für neue Geschäftsfelder verantwortlichen Bereiches................................. 317 Abb. 6-6: Hypothesen für die Organisation der Innovation und Entwicklung (Kernhandlungsfeld 3)............................................. 323 Abb. 6-7: Hypothesen für die Filterung der Optionen (Kernhandlungsfeld 4) .................................................................. 331 Abb. 6-8: Hypothesen für die Launchvermarktung und Distribution (Kernhandlungsfeld 5) .................................................................. 336 Abb. 6-9: Hypothesen für die Steuerung der neuen Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) .................................................................. 343 Abb. 6-10: Modell des ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen.......................................................... 346
"Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein." Karl Marx
"Kommerzielle Zwänge müssen [bei Medien] nicht zwangsläufig zu Qualitätseinbußen führen." Horst Köhler
Einleitung
1
1 Einleitung Joseph Schumpeter wusste, dass sich Organisationen erneuern müssen, um langfristig in dynamischen Märkten überleben zu können1. Die Märkte der deutschen Printmedien sind dynamisch und der Vergleich mit dem Hyperwettbewerb D'Avenis, in dem kein Wettbewerbsvorteil mehr von Dauer ist2, bietet sich an. Bei der Sicht auf die Konvergenz der Medien3 und die Neuerungen der Branche in Form von Internet, mobilen Anwendungen, IP TV etc. liegt es weiterhin nahe, den Begriff der disruptiven Innovation zu verwenden4. Wie in solchen Situationen zu erwarten, sah sich die Branche im letzten Jahrzehnt einer Umsatzerosion ausgesetzt. Man begann erst allmählich, den langfristigen Verlust von profitablen Vertriebs- und Anzeigenumsätzen zu realisieren und, anstatt weiterhin konjunkturelle Klagen zu erheben, mit gezielten Maßnahmen wie Kostensenkung auf der einen und der Entwicklung ergänzender Umsatzsäulen auf der anderen Seite dagegen anzugehen5. Denn nicht die zweifelsohne problematische Konjunktur bildet die zentrale Herausforderung, sondern die Verlagerung des Medienkonsums der Menschen, die mit einer Verschiebung der Marketingbudgets der werbetreibenden Wirtschaft einhergeht. Mittlerweile wird die Notwendigkeit von neuen Wachstumsstrategien auch in der Branche offen diskutiert und so formuliert der Verleger Hubert Burda ganz in Schumpeterschem Duktus: "Nur was sich wandelt, bleibt: Entscheidend wird die Veränderungsbereitschaft der Printhäuser sein, sich stärker und schneller auf die Bedürfnisse sowohl neuer Leserund Nutzerschichten als auch auf die veränderten Ansprüche der Werbungtreibenden einzustellen. Unsere Stärke ist die Symbiose von Tradition und Innovation. Kreative Medienmarken verknüpft mit digitaler Kompetenz, Vernetzungs- und Vermarktungsstärke – das ist unser Potenzial für die Zukunft."6
Den Beginn dieser Entwicklung kennzeichnen aus Sicht des Autors die Aktivitäten der Süddeutschen Zeitung als eine der drei bedeutenden überregionalen Ta1 2 3 4 5 6
Vgl. z.B. die Aussage von "schöpferischer Zerstörung" in Schumpeter (2002), S. 409. Vgl. D'Aveni (1995), S. 22ff. und so auch Schwenker (2003), S. 454. Vgl. Gasson (1996), S. 142. Vgl. Christensen/Raynor (2006). Vgl. Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 230; Gilbert (2001), S. 1. Burda (2007), S. 7.
2
Einleitung
geszeitungen Deutschlands. Nach einer schweren Krise und der folgenden Restrukturierung setzte sich im Jahr 2003 in der Geschäftsführung des Verlages die Sicht durch, dass nun Wachstum zur weiteren Stabilisierung des Unternehmens notwendig sei7. Es galt, die Umsatzverluste zu kompensieren8. Man übertrug die Ideen für neue Produkte jenseits des Kerngeschäftes, die sich im Ausland bewährt hatten, auf den deutschen Markt und erzielte mit der "Süddeutschen Zeitung Bibliothek" im Jahr 2004 einen großen Erfolg mit Umsätzen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Es wurden Nachdrucke von 50 Romanen des 20. Jahrhunderts zum günstigen Preis von 4,95 Euro angeboten. Der Erfolg führte nicht nur bei der Süddeutschen Zeitung zu einem Aufbruch in Richtung der Diversifikation des Produktportfolios, sondern auch bei direkten und indirekten Wettbewerbern. So wurden verlagsnahe und auch verlagsferne Produkte von Medienunternehmen auf den Markt gebracht, die sich von der "Volkszahnbürste" und Dessous (BILD) über Weineditionen (ZEIT, Süddeutsche Zeitung) bis zu einer Vielzahl von CD-, DVD- und Buchreihen erstrecken. Auch Aktivitäten im Internet, im herkömmlichen bzw. interaktiven Fernsehen bzw. auf mobilen Endgeräten werden von Unternehmen angeboten, die früher ausschließlich Printmedien produziert haben. Allen neuen Aktivitäten gemeinsam sind die Nutzung der Medienmarke und weiterer verlagsspezifischer Ressourcen sowie die Absicht, direkt oder indirekt Umsätze zu realisieren. Dass diese Strategie erste Erfolge nach sich zieht, unterstreicht der Medienwissenschaftler Röper: "Beigetragen zur betriebswirtschaftlichen Gesundung vieler Verlagsunternehmen haben deren Aktivitäten außerhalb des Zeitungsmarktes. Die Diversifikation trägt Früchte. […] Die Verlage nutzen dabei ihre eingeführten Marken sowie die gegebenen Kundenkontakte und die werblichen Möglichkeiten ihrer Produkte."9
Hiermit ist kurz das Realphänomen beschrieben, dem sich die vorliegende Arbeit widmet. In der Praxis wurde jedoch schnell deutlich, dass die Branche bei dem Aufbau der neuen Geschäftsfelder den Weg von "Versuch und Irrtum" ging. Es war zwar durchaus ein großer Teil der verwendeten Fähigkeiten und Ressourcen 7 8 9
So auch Picard (1995), S. 37. Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Röper (2004), S. 269. Röper (2006c), S. 286.
Einleitung
3
in den Unternehmen vorhanden, aber es existierten keine Erfahrungen, wie der Prozess eines solchen Aufbaus neuer Geschäftsfelder in dieser sehr speziellen Branche effektiv ablaufen kann und welche Produkte erfolgversprechend sind. Dies lag darin begründet, dass der Innovationsprozess dieser Unternehmen bislang ausschließlich darin bestand, neue journalistische Produkte im Kerngeschäft "Printmedien" zu entwickeln. Diese Erfahrungen waren kaum auf die neuen Herausforderungen übertragbar. Vor diesem Hintergrund ergab sich – Popper folgend – die Themenstellung der vorliegenden konzeptionellen Arbeit, denn: "Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie beginnt mit Problemen."10
Die Wissenschaft konnte bislang zur direkten Lösung der praktischen Problemstellung nur wenig beitragen. Zwar existiert eine Vielzahl von nutzbaren Fragmenten sowohl in der auf die Medienbranche gerichteten Managementforschung und umso mehr in der allgemeinen Strategieforschung, aber die Betrachtung von Innovationsprozess, Diversifikationsstrukturen, Erfolgsfaktoren bei neuen Produkten sowie die Sicht auf Unternehmensressourcen, all das stellt sich wenig verbunden dar und ist für den Praktiker kaum operationalisierbar: So betonen auch Ramanujam/Varadajan in ihrem für die Diversifikationsforschung immer noch zentralen Artikel, dass die bisherige Forschung zu sehr auf den Inhalt der Diversifikation fokussiert habe und zu wenig auf den Prozess11. Diesem komme jedoch zunehmend Bedeutung zu. Im Kontext der Diversifikationsforschung müsse es gewagt werden, tief in den Prozess selbst, seine Rahmenbedingungen und die damit einhergehende Komplexität vorzudringen12. Sie empfehlen vergleichende Studien einiger weniger Unternehmen, um so die komplexen Zusammenhänge und Rahmenbedingungen des Aufbaus neuer Geschäftsfelder näher zu beleuchten. Hierzu will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.
10 11 12
Popper (1967), S. 104, vgl. auch Ulrich et al. (1976), S. 140. Vgl. Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 528. Vgl. hierzu und zum Folgenden Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 544.
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Einleitung
Auch die Forschung zur Innovation bzw. zur Entwicklung neuer Produkte als erster Schritt innerhalb der betrachteten Wachstumsstrategien kann nur fragmentarische Erkenntnisse beisteuern. In einem Überblick über den Forschungsstand sehen Brown/Eisenhardt deutlichen Bedarf für die Klärung vieler offener Fragen und bezeichnen den Prozess der Entwicklung neuer Produkte als "Black Box"13. Die industriegerichtete Erforschung des "Medienmanagements" als dritter relevanter Forschungszweig im hier relevanten Kontext steht ebenso wie vergleichbare Spezialdisziplinen unter einem grundsätzlichen Rechtfertigungsdruck14. Allerdings: "Manch einer glaubt, dass Medienunternehmen nicht anders zu führen seien als eine Fabrik für Kochtöpfe oder ein landwirtschaftliches Kollektiv. Angesichts des offenkundigen Versagens vieler Entscheidungsträger in spezifisch medienwirtschaftlichen Fragen scheint eine Ausdifferenzierung angebracht, wie sie in analoger Form bei der Bankbetriebslehre, Handelsbetriebslehre oder Industriebetriebslehre seit längerem forciert wird."15
Naturgemäß muss aber eine solche Forschungsnische darunter leiden, viel zu wenig Ressourcen und fachliche Rezeptionsfläche zur Verfügung zu haben, um wirklich eigenständige Beiträge zu einzelnen inhaltlichen Forschungsrichtungen geben zu können. So wird das Thema Wachstum auf Basis von Diversifikation zwar gestreift, die konkreten inhaltlichen Herausforderungen werden aber nicht detailliert thematisiert16. Eindeutig ist zumindest, dass es sich bei den hier betrachteten Aktivitäten nicht mehr um die schon seit den 60er Jahren existierenden Nebengeschäfte – oft als "Merchandising" bezeichnet17 – handelt. Vielmehr wird das neue Verlagsgeschäftsfeld heute "Diversifikation" oder "neue Produkte" genannt, denn den Aktivitäten liegt eine direkte oder indirekte Gewinnerzielungsabsicht zugrunde18. Aber wie diese Strategien erfolgreich zu planen und umzusetzen sind, dazu existieren auch in diesem Zweig keine Forschungsergebnisse19. Dass jedoch die Wachstumsstrategien bzw. die damit einher13 14 15 16 17 18 19
Vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 372, 375. Vgl. Scholz (2006), S. 37ff.; Heinrich (2001), S. 22. Scholz (2006), S. 14. Vgl. z.B. Heinrich (2001), S. 260; Loebbecke (2006), S. 362; Vogelsang/Fischer (2007), S. 526. Für eine grundlegende Sicht auf Merchandising in den Medien vgl. Böll (1996). Vgl. Hätty (1989), S. 48. So auch Dreppenstedt (2007), S. 28.
Einleitung
5
gehende Diversifikation in der Medienindustrie eine zentrale Herausforderung darstellen, ist hingegen unstrittig und wird sogar als zentraler Bereich identifiziert20. Für die vorliegende Arbeit ergibt sich gemäß der dargestellten Forschungslücke das Ziel, einen ganzheitlichen Theorierahmen aus den existierenden Fragmenten aufzubauen, ihn mit der Medienpraxis abzugleichen und daraus ein hypothesengetriebenes Handlungsmodell als Synthese abzuleiten. Dieses Vorgehen dient einerseits der theoretischen Weiterentwicklung21 und liefert andererseits dem Praktiker einen Handlungsleitfaden, wie der Aufbau neuer Geschäftsfelder erfolgreich zu gestalten ist. Auf dieser Basis können möglicherweise Ableitungen für andere Branchen getroffen werden und sich Konsequenzen für die sonstige Unternehmensarchitektur von Medienunternehmen ergeben. Das Problem, dem sich die vorliegende Arbeit entsprechend stellt, ist in der folgenden Forschungsfrage zusammengefasst:
Wie verläuft der ressourcenbasierte Aufbau neuer Geschäftsfelder bei deutschen Printmedien und wie sollten Planung und Umsetzung gestaltet werden, um langfristig profitables Wachstum zu erzielen?
Der dargestellte Weg folgt der methodischen Forderung Ulrichs, dass sich die Probleme, derer sich die Wissenschaft annimmt, aus dem Anwendungszusammenhang der Praxis ergeben sollen22. Weiterhin habe die wissenschaftliche Bearbeitung das Ziel der Rückgabe von Lösungen an die Praxis. Das in dieser Arbeit entsprechend vorgegangen wird, verdeutlicht der Überblick über das Vorgehen der Arbeit in Abb. 1-1.
20 21 22
Vgl. Stephan (2005), S. 85. Vgl. Lichtenthaler (2005), S. 698. Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich (1984), S. 175.
6
Abb. 1-1:
Einleitung
Überblick über das Vorgehen Theorie
Praxis Realphänomen in deutschen Printmedien
Medienökonomie
Fragestellung: Wie verläuft der ressourcenbasierte Aufbau neuer Geschäftsfelder bei deutschen Printmedien und wie sollten Planung und Umsetzung gestaltet werden, um langfristig profitables Wachstum zu erzielen?
Ressourcenbasierte Sicht Innovationsforschung/ New Product Development Sonstige Forschungsgebiete
Ganzheitlicher Rahmen
Diversifikationsforschung
legt nahe
Handlungsfelder
legt nahe
formt
Leitfragen/ Hypothesen
legt nahe
Empirie • Fragebogenbasiert • Fallstudien
Ziel: Synthese in einem Handlungsmodell Quelle: Eigene Darstellung
Wie aus der Abbildung ersichtlich, wird die gewählte Fragestellung pragmatisch in Handlungsfelder aufgegliedert und es werden entsprechende Leitfragen gebildet. Diese werden dann empirisch durch die Auswertung einer Befragung sowie der Fallstudienmethodik beantwortet und in einem Handlungsmodell synthetisiert.
Einleitung
7
Die Wahl der Methodik für die Bearbeitung verschiedener Fragestellungen der Managementforschung ist nicht unumstritten. Dieser Unwegsamkeit wird dadurch Rechnung getragen, dass sich Kapitel 2 der wissenschaftstheoretischen Sicht und der hieraus resultierenden Forschungsmethodik für die Fragestellung widmet. Dort wird auch die Struktur der Arbeit detailliert. An dieser Stelle sei nur überblicksartig dargestellt, dass im Anschluss an das Methodikkapitel ein Überblick über Medienunternehmen und ihre Branche gegeben und das Wachstumsziel hergeleitet wird (Kapitel 3). Davon ausgehend wird der theoretische Rahmen aufgespannt (Kapitel 4), der die empirische Untersuchung leitet. Die Ergebnisse der empirischen Forschung sind in Kapitel 5 einzeln dargestellt und werden dann untereinander sowie mit dem theoretischen Rahmen abgeglichen (Kapitel 6). Als Synthese entsteht ein Handlungsmodell in Form von Thesen. Die Arbeit wird abschließend zusammengefasst und ein Ausblick auf die praktische und theoretische Relevanz gegeben (Kapitel 7).
8
Methodik und Struktur der Arbeit
2 Methodik und Struktur der Arbeit Wie die Einleitung zeigt, wurde die Fragestellung, die dieser Arbeit zugrunde liegt, aus der Beobachtung aktueller Aktivitäten in der Medienbranche abgeleitet. Weiter wurde deutlich, dass für die Planung und Umsetzung der Wachstumsstrategien offensichtlich keine etablierten Gestaltungsregeln existieren. Sie sollen daher in dieser Arbeit durch Abgleichen eines theoretischen Rahmens mit der Praxis erarbeitet werden. In der Betriebswirtschaftslehre existieren allerdings sehr unterschiedliche methodische Vorgehensweisen für die Forschung. Daher wird im vorliegenden Kapitel kurz die hier gewählte Forschungsmethodik dargestellt, aus der sich das später angewendete Forschungsdesign ergibt. Abschließend wird die Struktur der Arbeit dargestellt. 2.1 Forschungsmethodik Der Autor erachtet die Betriebswirtschaftslehre bzw. insbesondere die Managementforschung23 als eine angewandte Wissenschaft24 und in dieser Folge wurde auch das Erkenntnisobjekt aus der (Management-)Praxis gewählt. Der Gestaltungsauftrag und Anwendungszusammenhang stehen anstelle der reinen Erklärung im Vordergrund25. Die Ergebnisse sollen explizit Praxisrelevanz aufweisen26. Die Betonung der Praxis und das damit einhergehende stark explorative Vorgehen anstelle rein deduktiv-testender Forschung decken sich mit sehr aktuellen Strömungen der Forschungsleitbilder in der Managementforschung. Praxisrelevanz wird als Kriterium für "interessante" und gute empirische Forschung zunehmend betont27.
23
24 25 26 27
Vgl. für die Verengung der Betriebswirtschaftslehre auf die Management- oder Führungslehre Ulrich (1984), S. 168. Vgl. Raffée (1993), S. 64. Vgl. Ulrich (1981), S. 5 und Hauschildt (2003), S. 9. So auch Ulrich (1981), S. 10; Ulrich (1984), S. 191 und Grand (2003), S. 602. Vgl. Bartunek et al. (2006), S. 13, Hauschildt (2003), S. 22, Carlile/Christensen (2005), S. 1.
Methodik und Struktur der Arbeit
9
In ihrer Grundkonzeption steht die vorliegende Arbeit in der von Popper geprägten Tradition des kritischen Rationalismus28. Eine solche Orientierung ist auch bei betriebswirtschaftlichen Forschungen durchaus üblich29. Dies hat insbesondere die Auswirkung, dass im späteren Vergleich von theoretischen Gestaltungsregeln und empirischer Beobachtung ein induktiver Schluss vermieden werden muss, da dieser grundsätzlich nicht zulässig ist30. Die Bedeutung der Induktion liegt vielmehr im Entdeckungszusammenhang31. Diese Sicht betonen auch Carlile/Christensen und formulieren für die Managementforschung ein iteratives Konzept induktiver Theoriebildung und deduktiver Theorietestung32. An dieses Konzept lehnt sich die vorliegende Arbeit an. Theorien bzw. theoretischen Gestaltungsmodellen kommt die Rolle zu, Beobachtungen zu leiten. Gerade für die in dieser Arbeit aufgeworfene breite Fragestellung wäre es wenig hilfreich, nicht auf bestehenden theoretischen Konstrukten aufzubauen33, weil einerseits die gewählte Fragestellung eine Vielzahl von Theorien (z.B. aus der Diversifikations- und Innovationsforschung, aber auch dem Marketing und der Organisationsforschung) berührt und andererseits diese Forschungszweige zumeist weit entwickelt sind34. Die Summe der verwendeten Theorien liefert Kirsch folgend den Bezugsrahmen, den dieser wie folgt definiert: "In erster Linie dient ein theoretischer Bezugsrahmen dazu, das Denken über komplexe reale Systeme zu ordnen und exploratorische Beobachtungen zu leiten, die mit der Zeit eine genügend große Zahl von Beobachtungsaussagen erbringen, um konkrete Modelle mit konkreten Gesetzeshypothesen zu formulieren. Diese exploratorischen Beobachtungen sind gleichzeitig Tests des Bezugsrahmens."35
So soll auch in dieser Arbeit auf Basis der bestehenden Forschungsergebnisse ein Bezugsrahmen aufgebaut und mit der Praxis abgeglichen werden. Sind die getesteten Theorieelemente auch dort anzutreffen, festigt dies die Theorien. Andern28 29 30 31 32 33 34 35
Vgl. Popper (1994). Vgl. z.B. Lingnau (1995) sowie Ulrich (1984), S. 169. Vgl. Chalmers (2001), S. 41ff. Vgl. Hauschildt (2003), S. 15. Vgl. Carlile/Christensen (2005), S. 2. Vgl. für eine solche "grounded theory" Glaser/Strauss (1967). So z.B. für die Diversifikation Hutzschenreuter (2003), S. 202. Kirsch (1984), S. 752.
10
Methodik und Struktur der Arbeit
falls gilt es, den Bezugsrahmen entsprechend zu ergänzen36. Da eine gänzliche Verifikation der Theorien prinzipiell nicht möglich ist, stehen am Ende dieser Arbeit Thesen, die in weiteren Forschungsprojekten konfirmatorisch zu untersuchen und so weiter zu festigen sind. Nur auf diesem Weg können grundsätzlich eine Kumulation von Forschungen und entsprechend eine wissenschaftliche Weiterentwicklung erreicht werden37. Nach den Vorüberlegungen zum wissenschaftstheoretischen Standpunkt soll nun die Offenlegung des logischen Plans folgen, mit dem das Forschungsvorhaben von der Fragestellung hin zu den angestrebten Ergebnissen gelangen soll, wie z.B. von Yin gefordert38. Dieser legt für verschiedene Situationen verschiedene Forschungsstrategien nahe, wie Abb. 2-1 zeigt:
Abb. 2-1:
Relevante Situationen für verschiedene Forschungsstrategien
Forschungsstrategie
Form der Fragestellung
Kontrolle über Ausgestaltung
Fokus auf Gegenwärtigem
Experiment
Wie, warum?
Ja
Ja
Befragung
Wer, was, wo, wieviel(e)
Nein
Ja
Archivanalyse
Wer, was, wo, wieviel(e)
Nein
Ja/nein
Historie
Wie, warum?
Nein
Nein
Fallstudie
Wie, warum?
Nein
Ja
Quelle: Eigene Darstellung nach Yin (2003), S.5
36 37 38
So auch Chalmers (2001), S. 14. Vgl. Carlile/Christensen (2005), S. 14, Adams/White (1994). Vgl. Yin (2003), S. 20.
Methodik und Struktur der Arbeit
11
Die in der Einleitung dargestellte Fragestellung legt ihren Schwerpunkt auf die konkrete Ausgestaltung der Planung und Umsetzung sowie der Rahmenbedingungen der Wachstumsstrategien für die Medienindustrie. Mit dieser Fokussierung auf eine Branche geht die Möglichkeit und Notwendigkeit einher, die Kontextfaktoren und Vielzahl der relevanten Variablen präziser herauszuarbeiten, als dieses in einer branchenübergreifenden Studie möglich wäre. So wird der dargestellten Forderung von Ramanujam/Varadajan entsprochen39. Dieser Fokus legt nahe, eine Fallstudienmethodik zu verwenden, deren Vorteil es gerade ist, komplexe kausale Zusammenhänge und multidimensionale Hypothesen untersuchen zu können40. Diese Festlegung wird ebenfalls durch die Form der Fragestellung ("Wie …?") und die Tatsache unterstützt, dass das Phänomen gegenwärtig ist. Weiterhin hat der Autor keinerlei Kontrolle über die tatsächliche Ausgestaltung der Strategieumsetzung im Einzelfall, wie dies z.B. in einem Experiment möglich wäre. Die Ziele einer Fallstudie sind typischerweise die Beschreibung von Realphänomenen, der Test von Theorie und die Generierung von neuer Theorie41. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit zeugt von einem genau so gelagerten epistemologischen Ziel. Ist die Fallstudie die gewählte Forschungsmethodik, existieren vor allem zwei anerkannte Vorgehensmodelle: Das Vorgehen nach Eisenhardt42 und das nach Yin43. Hauptsächlicher Unterschied beider Vorgehen ist der Grad, in dem ein vorab erarbeiteter theoretischer Rahmen das Forschungsprojekt leitet. So fordert Eisenhardt, idealerweise gänzlich ohne Hypothesen und Theorien die Forschung zu beginnen44. Yin hingegen sieht ein theoriegeleitetes Vorgehen als geradezu essentiell an45. Für die vorliegende Arbeit wird in Anwendung des oben dargestellten wissenschaftstheoretischen Standpunktes Yin gefolgt.
39 40 41 42 43 44 45
Vgl. Kapitel 1. Vgl. Meyer (2003), S. 475, 478, Remenyi et al. (2005), S. 162 und Yin (2003), S. 13. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534. Vgl. Eisenhardt (1989). Vgl. Yin (2003). Vgl. Eisenhardt (1989), S. 536. Vgl. Yin (2003), S. 60.
12
Methodik und Struktur der Arbeit
Wird die Theoriefreiheit als Zielsetzung bei Eisenhardt ausgeklammert, ähneln sich die Vorgehensweisen Eisenhardts und Yins: Beiden liegt ein Phasenschema zugrunde, das durchaus kombinierbar ist. Einem entsprechenden Schema soll in der vorliegenden Arbeit gefolgt werden (vgl. Abb. 2-2). Abb. 2-2:
Phasenschema für die Bearbeitung von Fallstudien
Schritt
Aktivität
Entwurf Forschungsdesign
• • • • •
Definition der Fragestellung Definition von ersten Hypothesen Festlegung des Analysebereiches bzw. der Fälle Festlegung der Forschungsinstrumente Festlegung von Kriterien zur Interpretation der Ergebnisse
• Entwicklung eines theoretischen Rahmens auf Basis der Entwicklung Literatur zur Fokussierung und Orientierung für die Theorierahmen Feldforschung Feldforschung
• Anwendung der gewählten Forschungsinstrumente • Parallele Weiterentwicklung des Theorierahmens • Dokumentation der Forschungsergebnisse
Datenanalyse
• Einzelfall-Analyse ("within-case analyses") • Suche nach Zusammenhängen zwischen Fällen ("crosscase analyses")
Theoriemodifikation
• Abgleich der Analyse-Ergebnisse mit der bestehenden Literatur • Umfassende Ergänzung und Modifikation der Theorie auf Basis der Schlüsse aus der Feldforschung
Ergebnisformulierung
• Formulierung der Ergebnisse nach Vorliegen einer theoretischen Saturiertheit • Ggf. Formulierung von Handlungsanweisungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Yin (2003), S.21, 50 und Eisenhardt, S. 533
Da eine Einzelfallstudie nicht wesentlich tiefer greifen könnte, wird im Sinne der Robustheit das Verfahren der multiplen Fallstudien gewählt46. 46
Vgl. Yin (2003), S. 46 und so auch Herriott/Firestone (1983).
Methodik und Struktur der Arbeit
13
2.2 Forschungsdesign Nachdem ein Phasenschema zur Bearbeitung des Forschungsvorhabens etabliert wurde, soll dieses nun entsprechend konkretisiert werden. Der erste Schritt, die Festlegung des Forschungsdesigns, besteht aus fünf Elementen47 (vgl. erneut Abb. 2-2). Zu Beginn steht die (hier aus der Praxis abgeleitete) Fragestellung, die bereits in der Einleitung formuliert wurde. Die weiteren Punkte werden im Folgenden kurz in Bezug auf die vorliegende Arbeit erläutert: 2.2.1 Hypothesen Gemäß dem an Yin angelehnten Phasenschema sind aus der Theorie abgeleitete Eingangshypothesen erstrebenswert, um die Datensammlung und Analyse zu leiten48. Somit ist es zielführend, die der dargestellten Fragestellung zugrunde liegende Basishypothese als Kausalkette formalisiert zu erfassen49. Die Basishypothese lautet, dass eine spezifische Ausprägung des ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder (möglicherweise unter bestimmten Rahmenbedingungen) zu langfristig profitablem Wachstum führt (vgl. Abb. 2-3). Abb. 2-3:
Grundsätzliche Kausalkette der vorliegenden Arbeit
Ressourcenbasierter Aufbau neuer Geschäftsfelder in spezifischer Ausprägung
ggf. moderierende Variablen
Langfristig profitables Wachstum
Quelle: Eigene Darstellung
Wie obenstehend bereits erläutert, existiert bislang kein ganzheitlicher Gestaltungsrahmen für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder. In den verschiedenen Gebieten der Managementforschung lässt sich jedoch eine Viel47 48 49
Vgl. Yin (2003), S. 21. Vgl. Yin (2003), S. 14. So auch Carlile/Christensen (2005), S. 2f.
14
Methodik und Struktur der Arbeit
zahl von Gestaltungsregeln (im Folgenden auch als Normstrategien bezeichnet) finden, die Teilaspekte thematisieren und so die "spezifische Ausprägung" beleuchten. Diese Gestaltungsregeln werden in Kapitel 4 erarbeitet. 2.2.2 Analysebereich Die Festlegung des Analysebereichs beschreibt den Gesamtraum, in dem eine Untersuchung durchgeführt wird, und entscheidet auch über die Generalisierbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Die gewählte Fragestellung legt nahe, den Analysebereich und somit die Generalisierbarkeit auf die deutschen Printmedien zu begrenzen. Wie in Kapitel 3 dargestellt werden wird, bietet dieser Analysebereich annehmbar homogene Rahmenbedingungen als wichtigen Punkt für die Generalisierbarkeit und weiterhin eine ausreichende Varianz des Untersuchungsgegenstandes (siehe Kapitel 5.1). Aus dem gleichen Grund wird der Printmedienbereich weiterhin auf "Publikumspublikationen" eingeschränkt, die sich systematisch von "Fachinformationen" abgrenzen lassen50. Letztere sind durch eine komplett andere Zielgruppe hinsichtlich der Wachstumsaktivitäten anderen Mechanismen unterworfen und müssten somit eigenständig behandelt werden. Auch die in den Fallstudien betrachteten neuen Geschäftsfelder müssen selektiert werden, um die Ergebnisse handhabbar und vergleichbar zu machen. Hierfür werden untenstehend eine Definition aus der Diversifikationsforschung genutzt und weiterhin Geschäftsfelder betrachtet, die typisch für das betrachtete Phänomen sind51. Um hierfür einen ersten grundlegenden Überblick in Form der Ausgestaltung der Aktivitäten in der Praxis zu erhalten, wird vor der beschriebenen Fallstudienanalyse eine empirische Befragung von Medienunternehmen ausgewertet. Hierfür konnte dankenswerterweise auf einen Datensatz zurückgegriffen werden, den der Verband der Zeitschriftenverleger (VDZ) im Jahr 2006 erhoben hat. Dieser Überblick ermöglicht es, die Auswahl der Fallstudien und der betrachten Geschäftsfelder im Sinne der Relevanz zu lenken.
50
51
Vgl. Heinrich (2001), S. 306, Faulstich (2004), S. 459, entsprechend Faulstich wird im weiteren Verlauf der Arbeit die Gliederung der IVW verwendet. Auf die Frage, welche Geschäftsfelder typisch für das Phänomen sind, gibt Kapitel 5.1 Auskunft.
Methodik und Struktur der Arbeit
15
Bereits umfassender erforschte Teilgebiete – wie die speziellen Internetstrategien von Printmedienunternehmen52 – werden im Sinne des Erkenntnisgewinns nur am Rand betrachtet. Hinsichtlich der Festlegung des betrachteten Zeitraums wird für die Voruntersuchung der Wachstumsnotwendigkeit der Zeitraum zwischen den Jahren 1996 und 2006 betrachtet. Innerhalb der eigentlichen Fallbetrachtung markiert das Erscheinen der "Süddeutschen Zeitung Bibliothek" am 20. März 2004 den Startpunkt der Untersuchung. Der Zeitraum wird entsprechend der Fallstudienerhebung somit auf die Jahre 2004 bis Mitte 2007 eingeschränkt. 2.2.3 Logische Verknüpfung Die logische Verknüpfung bezeichnet den Teil des Forschungsdesigns, in dem vorausgeplant wird, wie die Hypothesen und Daten miteinander verbunden werden können53. Auf der einen Seite stehen somit die Gestaltungsregeln, die aus einer problemgeleiteten Theorieverwendung54 generiert werden. Da auch auf diesem Gebiet der Managementforschung nicht nur eine, sondern ein "Geflecht von Theorien"55 existiert, ist es wie beschrieben notwendig, einen ganzheitlichen Bezugsrahmen aufzuspannen. Im Anschluss wird dieser Bezugsrahmen mit den Fallstudieninterviews und anderen erfassten Informationen abgeglichen. Diese "Triangulation"56 gewährleistet ein möglichst objektiv erfasstes Bild. Das Vorgehen entspricht somit prinzipiell dem von Yin empfohlenen Musterabgleich ("Patternmatching")57. Durch diesen Abgleich können einerseits neue Theorieelemente gebildet werden bzw. andererseits bestehende Elemente für den hier betrachteten Zusammenhang gefestigt bzw. verworfen werden. Der Grad der Festigung bzw. die Qualität neuer Theorieelemente hängt davon ab, wie stringent die Argumentation ist, für die die umfassend ausgeleuchtete Situation der Fallstudie die Fakten liefert. Yin vergleicht diese analytische Generalisierung der vorgefundenen Fälle 52 53 54 55 56 57
Vgl. z.B. Gilbert (2001), Kolo/Vogt (2004) oder für Deutschland Lehr (1999). Vgl. Yin (2003), S. 26. Vgl. Hauschildt (2003), S. 13. Hauschildt (2003), S. 14 . Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538 und Jick (1979). Vgl. Yin (2003), S. 26f.
16
Methodik und Struktur der Arbeit
(im Gegensatz zur statistischen Generalisierung) mit detektivischer Arbeit oder der juristischen Indizienkette58. Diese lückenlose Argumentation ist für jede Fallstudienarbeit – und so auch für die vorliegende – die größte Herausforderung. Gleichwohl wird so ein umfassender Erklärungswert erhofft, weil nicht bloße Korrelation das Ergebnis ist. Im Gegenteil wird die inhaltliche Begründung für die Kausalität gleich in der Theorieentstehung geliefert. 2.2.4 Kriterien zur Interpretation der Ergebnisse Die Kriterien zur Interpretation der Ergebnisse ergeben sich nahezu zwangsläufig aus dem Vorangestellten: Es gilt festzustellen, ob die aus den Theorien vorhergesagten Muster im konkreten Fall anzutreffen sind bzw. ob und wie der Bezugsrahmen modifiziert werden muss. In jedem Fall ist es notwendig, in einer Evidenzkette darzustellen, dass die Ergebnisse zwangsläufig sowie nachvollziehbar59 sind und so die analytische Generalisierbarkeit gegeben ist. 2.3 Struktur der Arbeit Aus dem vorstehend Dargestellten ergibt sich die Struktur der vorliegenden Arbeit wie in Abb. 2-4 skizziert. Nach der Einleitung und dem vorliegenden Methodikkapitel wird die Wachstumsnotwendigkeit in Kapitel 3 aus einer Branchenanalyse hergeleitet. Der theoretische Rahmen für die Untersuchung wird in Kapitel 4 aufgespannt und in Kapitel 5 mit der Realität konfrontiert. Hierbei werden sowohl die Ergebnisse der empirischen Befragung dargestellt, als auch die Detailanalysen der ausgewählten Fälle. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse miteinander und mit der Theorie abgeglichen sowie ein hypothesengetriebenes Handlungsmodell entworfen. Abschließend wird in Kapitel 7 der Ausblick für weitere Forschung gegeben.
58 59
Vgl. Yin (2003), S. 105. Vgl. Hauschildt (2003), S. 21.
Methodik und Struktur der Arbeit
Struktur der Arbeit Theoretischer Rahmen: Gestaltungsregeln und Strukturen zur Erzielung von Wachstum Kap. 5 Feldforschung (Fragebogenbasiert, Fallstudien)
Kap. 6
Kap. 7
Fazit und Ausblick
Herleitung der Wachstumsnotwendigkeit
Struktur und Methodik
Einleitung
Kap. 1 Kap. 2 Kap. 3 Kap. 4
Abgleich Theorie und Praxis Synthese: Handlungsmodell
Abb. 2-4:
17
Quelle: Eigene Darstellung
2.4 Zusammenfassung Im vorliegenden Kapitel wurde dargestellt, dass die praktische Fundierung der Fragestellung für das Forschungsprojekt zulässig und bei Betrachtung aktueller Forschungstendenzen sogar erstrebenswert ist. Weiterhin wurde erläutert, dass die Arbeit in der Grundtradition des kritischen Rationalismus steht. Im Sinne des Erkenntnisgewinns wird einem iterativen Vorgehen induktiver Theoriebildung und deduktiver Theorietestung gefolgt. So ergibt sich, dass – soweit möglich – ein theoretischer Rahmen zur Fokussierung der Forschung im Vorwege aufgestellt wird. Aus dem forschungstheoretischen Standpunkt und der Tatsache, dass für den Forschungsgegenstand eine Vielzahl von Parametern Relevanz erlangen werden, ergibt sich eine Fallstudienforschungsmethodik, die Yin folgt. Da dieses Vorgehen die Zusammenführung verschiedener Forschungswerkzeuge erlaubt, besteht das Forschungsdesign aus drei wesentlichen Elementen: Das Wachstumsziel wird anhand einer Branchenanalyse der gewählten Untersuchungseinheit "Printmedien in Deutschland" hergeleitet. Dann wird eine empirische Befragung von Medienunternehmen ausgewertet, um einen Überblick über die bereits durchgeführten sowie geplanten Aktivitäten zu erhalten. Auf dieser Basis werden relevante Fallstudien selektiert, mit denen der entworfene theoretische Rahmen
18
Methodik und Struktur der Arbeit
abgeglichen und ggf. modifiziert wird. Das hieraus synthetisierte Handlungsmodell besteht aus Hypothesen und erhält seine Validität durch die möglichst lückenlose Argumentation auf Basis der in den Fallstudien vorgefundenen Situationen. Der genannten Abfolge entspricht auch die Struktur der vorliegenden Arbeit.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
19
3 Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen Das vorliegende Kapitel thematisiert die Ausgangslage und die Herausforderungen, mit denen die Unternehmen der Printmedienindustrie konfrontiert sind. Dabei wird insbesondere die Wachstumsnotwendigkeit der Unternehmen begründet. Das Ziel zu wachsen wird mit Hilfe von Thesen aus der Branchenstruktur und -entwicklung der letzten zehn Jahre abgeleitet. Die darzustellenden Zusammenhänge leiten jedoch nicht nur das Wachstumsziel ab, sondern liefern für die spätere Fallstudienforschung auch einen Überblick über den Kontext, in dem sich die betrachteten Systeme befinden. Denn eine Untersuchung wie die vorliegende muss stets sowohl die Fälle selbst als auch ihren Kontext untersuchen60. Aus diesem Grund wird das Kapitel mit einer Darstellung der grundlegenden Eigenschaften der Branche, ihrer Erzeugnisse sowie der speziellen Ressourcenbasis in der Medienindustrie eingeleitet. Im letzten Teil des Kapitels wird das Wachstumsziel untergliedert. Diese Unterteilung wird in der weiteren Auseinandersetzung als Basis verwendet werden. 3.1 Eingrenzung von Printmedienunternehmen 3.1.1 Geschäftsmodell, grundlegende Eigenschaften und Fokus der Arbeit Die Medienbranche kann grundsätzlich über ihr Geschäftsmodell charakterisiert werden, das gegenüber anderen Handelsprodukten eine bedeutsame Spezialität aufweist: So wird nicht nur ein Produkt verkauft – im Falle der Medien ist es die Information in verschiedenster Aufbereitung – und dafür ggf. ein Preis erhoben61. Medien verkaufen darüber hinaus die Aufmerksamkeit an Werbetreibende, die ihre Kunden dem Produkt entgegenbringen. Der Kunde, im Falle der Printmedien der Leser, erhält somit einerseits die gewünschte Information, darüber
60 61
Vgl. Yin (2003), S. 39. Das Privatfernsehen, der private Rundfunk, einige Printpublikationen und auch überwiegend das Internet verzichten auf diese Einnahmequelle.
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Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
hinaus jedoch auch Werbebotschaften zur Rezeption62. Die so mögliche Mischfinanzierung dient dazu, die Medien zu einem für die Kunden akzeptablen Verkaufspreis erstellen zu können. Die Art des Geschäftsmodells, zwei Umsatzquellen aus einem Produkt zu generieren, muss im Folgenden stets berücksichtigt werden. Sie erhöht die Komplexität für sämtliche betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Die beschriebene Grundmechanik des Geschäftsmodells von Medien wird in Abb. 3-1 am Beispiel des Printmedienunternehmens dargestellt.
Abb. 3-1:
Grundsätzliches Geschäftsmodell eines (Print-)Medienunternehmens Inhalte
Medienunternehmen (Zeitungen, Zeitschriften etc.)
Inhaltemarkt (Leser)
Einnahmen/ Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit Einnahmen
Werbemarkt (Anzeigenkunden)
Quelle: Eigene Darstellung nach Böning-Spohr (2003), S. 5
Wie in den meisten anderen Industrien ist die Wertschöpfung auf mehrere Stufen verteilt. So liefern freie Autoren und Nachrichtenagenturen Inhalte, vermarkten Unternehmen den Werbeträger und drucken selbstständige Unternehmen die Endprodukte. Auch die Distribution wird oftmals durch eigenständige Unternehmen realisiert. Dennoch kann die Kernwertschöpfung, d.h. die Erstellung des journalistischen Produktes, noch relativ klar den Verlagen, Fernsehsendern etc. zugeordnet werden63. Dies wird auch durch presserechtliche Richtlinien eindeutig fundiert: Jedem Medium ist ein Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes zugeordnet und kann bei Printerzeugnissen dem Impressum entnommen
62 63
Vgl. Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 217. Vgl. Heinrich (2001), S. 28.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
21
werden64. Die Unternehmen, die hauptsächlich in dieser Kernwertschöpfungsstufe tätig sind, bilden den Rahmen der vorliegenden Arbeit. Die betrachteten Medien sind gemäß der Fragestellung die aktuell berichtenden, gedruckten Massenmedien und so werden einerseits sämtliche Medien ausgeschlossen, die eher dem System Kunst oder dem System Wissenschaft zurechenbar sind65, andererseits entfallen die elektronischen Medien wie das Fernsehen, das Internet oder das Radio, die sich durch eine sehr unterschiedliche Ressourcenbasis auszeichnen. Der Fokus der Arbeit liegt somit auf aktuell berichtenden Zeitungen und Publikumszeitschriften. Die Konzentration in der Medienbranche führt allerdings dazu, dass monomediale Unternehmen kaum noch existieren. Es wird aus Gründen der Nachvollziehbarkeit in der vorliegenden Arbeit dennoch in Zeitungen und Publikumszeitschriften unterschieden. Da die Konzerne überwiegend divisional aufgestellt sind, fällt es auch in der späteren Fallstudienbetrachtung leicht, diese voneinander getrennt zu betrachten. Wo immer es sinnvoll ist, wird den möglichen Synergien verschiedener Medien innerhalb eines Konzerns Rechnung getragen. Die Strukturierung der Branche nach Medien und Wertschöpfung sowie der Fokus der Arbeit sind in Abb. 3-2 zusammenfassend dargestellt:
64 65
Vgl. Damm (1994), S. 331. So auch Heinrich (2001), S. 19.
22
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-2:
Strukturierung der Branche nach Medien und Wertschöpfung
Aktuell Wertschöpfung berichtende Vorgelagerte MassenWertschöpfungsstufen medien: Fernsehen
Nachgelagerte Wertschöpfungsstufen
Fernsehveranstalter
Sämtliche vorgelagerte Hörfunk Unternehmen im Bereich InhalteZeitungen erstellung, WerbeträgerZeitschriften vermarktung etc. Internet Fokus der Arbeit
Kernwertschöpfung
Hörfunkveranstalter Zeitungsverlage Zeitschriftenverlage
Sämtliche nachgelagerten Unternehmen im Bereich Distribution, Ausstrahlung, Logistik etc.
Internetinhalteanbieter /
Mögliche Integration von vor-/ nachgelagerten Wertschöpfungsstufen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heinrich (2001), S. 27ff.
Ein im weiteren Verlauf dieses Kapitels wichtiges Kennzeichen der Medienbranche ist, dass die betrachteten Produkte mit den Komponenten Information und Bildung eine spezielle, sogar im Grundgesetz betonte66, gesellschaftspolitische Rolle innehaben67. Mit den Worten Habermas' im Kontext der Zeitungskrise: "Hörer und Zuschauer sind nicht nur Konsumenten, also Marktteilnehmer, sondern zugleich Bürger mit einem Recht auf kulturelle Teilhabe, Beobachtung des politischen Geschehens und Beteiligung an der Meinungsbildung. Aufgrund dieses Rechtsanspruches dürfen die Programme, die eine entsprechende 'Grundversorgung' der Bevölkerung sicherstellen, nicht von ihrer Werbewirksamkeit und der Unterstützung durch Sponsoren abhängig gemacht werden."68
Durch diese Sonderstellung müssen ökonomische Mechanismen daraufhin überprüft werden, ob sie auch bei den Printmedienunternehmen wirksam sind bzw. bestimmte Spezifika müssen berücksichtigt werden.
66 67 68
Vgl. Grundgesetz Art. 5 (1). So auch Chan-Olmsted (2005), S. 106. Habermas (2007).
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
23
3.1.2 Zeitungen und ihre spezifischen Eigenschaften Bewegt man sich nun auf der Ebene des Einzelmediums, ist zuvorderst folgende Abgrenzung hilfreich: Die Zeitung definiert sich durch die Kriterien der Aktualität, Publizität, Universalität und Periodizität69: Zeitungen erscheinen häufig und regelmäßig, also täglich (tw. auch wöchentlich70 bzw. sonntäglich). Sie sind grundsätzlich für die Öffentlichkeit zugänglich und beschränken sich in ihren Inhalten nicht auf bestimmte Bereiche. Der Vertrieb ist fast ausnahmslos papiergebunden71. Die Zeitungen können zum einen über ihre Erscheinungsperiodik unterschieden werden, wobei die Tageszeitungen gegenüber den Sonntags- und Wochenzeitungen den wesentlichen Anteil darstellen. Die Tageszeitungen werden zum anderen gemäß ihrer Distribution und ihrem Verbreitungsgebiet unterschieden, auch wenn diese Unterteilung nicht überlappungsfrei ist. Die lokalen bzw. regionalen Abonnementszeitungen machen (anders als oftmals in der Öffentlichkeit wahrgenommen) den wesentlichen Auflagenanteil aus. Eine Übersicht über die Aufteilung der Zeitungen und nach Anzahl und Auflage bietet die Abb. 3-3:
69 70
71
Vgl. Heinrich (2006), S. 82. In diesem Fall entscheidet zumeist die Ausstattung des Produktes, ob es der Zeitung oder der Zeitschrift zugerechnet wird. Beispiel: "Die Zeit" wird als Wochenzeitung, der "Spiegel" als Zeitschrift eingeordnet. Die sog. "E-Paper" bilden diesbezüglich eine Ausnahme. Diese Ausgaben von gedruckten Medien werden ausschließlich elektronisch distribuiert. Sie können aber bislang mit 115.000 verkauften Expl. im 4. Quartal 2006, die sich auf 43 Tageszeitungen, fünf Publikums- und drei Fachzeitschriften verteilen (Quelle: IVW), als Nischenprodukte bezeichnet werden.
24
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-3:
Zeitungsverkauf nach Arten
Zeitungsart
Anzahl
Tageszeitungen gesamt, davon
Auflage (Mio. Expl.) 353
21,2
lokale/regionale Abozeitungen
334
14,8
überregionale Zeitungen
10
1,6
Kaufzeitungen
9
4,7
Sonntagszeitungen
6
3,7
Wochenzeitungen
28
2,0
Quelle: Eigene Darstellung gem. BDZV-Statistik II/06 in: o.Verf.(2006n), S.49
Zeitungen sind weiterhin durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet72: Räumliche Mobilität (d.h. Wahlfreiheit, wo die Nutzung erfolgt) Sachliche Mobilität (d.h. Wahlfreiheit, welche Teile genutzt werden) Zeitliche Mobilität (d.h. Wahlfreiheit, wann die Nutzung erfolgt) Zeitliche Intensität (d.h. Wahlfreiheit, wie umfangreich die Nutzung erfolgt) Regionalisierbarkeit (d.h., die Zeitung kann für unterschiedliche Gebiete verschieden aufbereitet werden) Variation (d.h., das Produkt variiert mit jeder Ausgabe) Für die Zeitung als Werbeträger ist vor allem relevant, dass auf Basis der Regionalisierbarkeit auch die Werbebotschaft variabel ist, die Anzeigen sehr kurzfristig erstellt und disponiert werden können und eine tiefere Rezeption von Inhalten möglich ist, da die Werbebotschaft nicht flüchtig ist. Ein Spezifikum insbesondere der Zeitung ist, dass sie zwar sehr hohe Kosten für das erste Exemplar ("first copy costs"73), aber nur sehr geringe Grenzkosten aufweist, die hauptsächlich für das Trägermedium Zeitungspapier anfallen. Somit sind umfangreiche Skaleneffekte zu erzielen ("economies of scale")74.
72 73 74
Vgl. hierzu und zum Folgenden Heinrich (2006), S. 82f. Doyle (2002), S. 123 Vgl. Doyle (2002), S. 13f., 123.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
25
Für einen weiteren Überblick über die Kosten- und Erlöstreiber von Zeitungen gibt die Abb. 3-4 erste Ansätze. So zeigt sich die oben dargestellte Erlösaufteilung in Werbeerlöse (Anzeigen und Fremdbeilagen) sowie den Vertrieb. Weiterhin bilden die Kostenanteile eine nicht unerhebliche Rahmenbedingung. Die Herstellung des noch immer physischen Produktes macht den bedeutsamsten Anteil an der Mittelverwendung aus. Abb. 3-4:
Kosten- und Erlösstruktur bei Zeitungen
Kosten Herstellung Herstellung
28,6%
Redaktion Redaktion
24,6%
Vertrieb Vertrieb
22,8%
Anzeigen Anzeigen Verwaltung Verwaltung
16,4% 7,7%
Erlöse Anzeigen Anzeigen
45,6%
Vertrieb Vertrieb
44,7%
Fremdbeilagen Fremdbeilagen
9,7%
Anm.: Durchschnittswerte der Abonnementszeitungen in Westdeutschland 2005
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 39
3.1.3 Die Zeitschrift und ihre spezifischen Eigenschaften Die Zeitschrift wird im Allgemeinen negativ definiert75: Es handelt sich um alle periodischen Druckwerke mit kontinuierlicher Stoffdarbietung, die mit der Absicht eines zeitlich unbegrenzten Erscheinens mindestens viermal jährlich 75
Vgl. hierzu und im Folgenden Heinrich (2006), S. 85.
26
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
herausgegeben werden, soweit sie keine Zeitungen sind. Die Merkmale sind demnach die Periodizität, die Publizität, die Kontinuität und der Verzicht auf (Tages-)Aktualität76. Die negative Definition deutet bereits an, dass eine Untergliederung der Zeitschriften schwieriger als die der Zeitungen ist. Konnte bei den Zeitungen auf die Verbandsdarstellung zurückgegriffen werden, müssen bei Zeitschriften mehrere Quellen herangezogen werden77. Eine Übersicht über die für diese Arbeit relevanten Publikumszeitschriften, die Fach- und wissenschaftlichen Zeitschriften, die Kundenzeitschriften78 sowie die oftmals Zeitungen beigelegten Supplements findet sich in Abb. 3-5:
Abb. 3-5:
Titelanzahl und Auflage nach Zeitschriftengattungen
Zeitschriftengattung
Anzahl Auflage Titel [Mio Expl.] Publikumszeitschriften* 899 120,2 Fach- und wissenschaftl. Zts. 3.687 476,0 Kundenzeitschriften* 78 45,1 Supplements n.v. n.v.
Quelle IVW-Quartal 4/2006 Fachpressestatistik 2005 IVW-Quartal 4/2006
* nur IVW gemeldete
Quelle: Eigene Darstellung
Die hier vor allem betrachteten Publikumszeitschriften werden über ihren Inhalt strukturiert. Abb. 3-6 zeigt die verschiedenen Segmente der Publikumszeitschriften, wobei das Segment Programmzeitschriften die Rangreihung nach Auflagen anführt.
76 77
78
Vgl. hierzu auch Faulstich (2004), S. 454. Hintergrund der schlechteren Datenlage bei Zeitschriften ist, dass bei Zeitungen das Geschäftsmodell immer die Umsatzsäule Werbeerlöse umfasst. Um den Werbeträger vermarkten zu können, ist der Ausweis verlässlicher Auflagezahlen unerlässlich. Diese Funktion nimmt die IVW ein, von deren Daten die meisten Statistiken abzuleiten sind. Zeitschriften werden hingegen nicht immer als Werbeträger vermarktet (z.B. Kundenzeitschriften). Die Notwendigkeit einer zentralen Erfassung und unabhängigen Prüfung der Auflagenzahlen entfällt somit teilweise. Die tatsächliche Anzahl und Auflage der Kundenzeitschriften kann als deutlich höher angenommen werden. Eine Übersicht ist aber aufgrund der dargelegten Datenlage schwerlich möglich.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-6:
27
Verteilung der verkauften Auflage auf Segmente der Publikumszeitschriften [Tsd. Expl. je Erscheinungsintervall Ø 2006]
Publikumszeitschriften gesamt
120.202
Programmzeitschriften
21.080
Motorpresse
18.963
Wöchentliche Frauenzeitschriften
12.607
Aktuelle Zeitschriften und Magazine
11.837
Wohn- und Gartenzeitschriften
10.613
Monatliche Frauenzeitschriften
5.998
Wirtschaftspresse
5.018
IT-/TK-Zeitschriften
4.757
Sonstige Zeitschriften
4.450
Sportzeitschriften
3.938
Jugendzeitschriften
3.685
Gesundheitsmagazine
3.372
Lifestylemagazine
3.156
Wissensmagazine
2.955
14tägliche Frauenzeitschriften
2.747
Wöchtl. Zeitschriften Gesellschaft/Politik
2.730
Esszeitschriften
2.448
Elternzeitschriften
1.745
Kinderzeitschriften
1.671
Reisezeitschriften
1.590
Kino-, Audio/Video-, Fotozeitschriften
1.424
Naturzeitschriften
835
Stadt-/Veranstaltungsmagazine
738
Do-it-yourself-Zeitschriften
267
Luft-/Raumfahrtmagazine
235
Erotikzeitschriften
77
Online-Zeitschriften
37
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des VDZ (www.pz-online.de)
28
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Die spezifischen Eigenschaften der Zeitschrift ähneln denen der Zeitung. Allerdings ist bei Zeitschriften die Regionalisierbarkeit aufgrund der oft aufwändigen Ausstattung eingeschränkt, die mit einem zentralen Druckort meist einhergeht79. Grundsätzlich ist bei Zeitschriften die Marketingorientierung deutlich präsenter, da es sich – bis auf Ausnahmen – um Produkte mit weniger politischer Ausrichtung handelt, als dies bei Zeitungen der Fall ist, und so arbeiten Zeitschriften daran, Marken zu schaffen und zu erhalten, um regelmäßige Verkäufe abzusichern80. Aufgrund der weniger häufigen Erscheinungszyklen existiert eine viel stärkere Themenvielfalt bei den im Gegensatz zur Zeitung überwiegend monothematischen Zeitschriften. Aufgrund der monothematischen Ausrichtung finden sich bei Zeitschriften auch klarer abgrenzbare Zielgruppen, die von Werbetreibern entsprechend genutzt werden. Auch für Zeitschriften gelten hohe "economies of scale", auch wenn die Grenzkosten durch die hochwertigere Ausstattung der Produkte zumeist deutlich höher sind als bei Zeitungen81. 3.2 Ressourcenbasis von Printmedienunternehmen Für alle folgenden Überlegungen über ressourcenbasierte Wachstumsstrategien ist die Ressourcenbasis der betrachteten Medienunternehmen bedeutsam82. Der ausführlichen Darstellung des Begriffs "Ressource" in Kapitel 4 vorgreifend zählen zu den Ressourcen eines Unternehmens grundsätzlich alle tangiblen und intangiblen Vermögensgegenstände. Erst durch das Zusammenspiel der einzelnen Ressourcen entsteht das Leistungsangebot des Unternehmens83. Die in der Literatur dargestellte Ressourcenbasis von Medienunternehmen unterscheidet sich kaum von der anderer produzierender Unternehmen. So sieht Wirtz für Printmedien folgende vier Kernressourcen84: Mitarbeiter 79 80 81 82
83 84
Vgl. hierzu und zum Folgenden Heinrich (2001), S. 327. Gasson (1996), S. 81. Vgl. Doyle (2002), S. 134. Für eine einführende Darstellung in den ressourcenbasierten Ansatzes vgl. z.B. Bresser (1998), S. 305ff., Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 356ff., Steinmann/Schreyögg (2000), S. 225ff., Hungenberg (2004), S. 497ff. Vgl. Hungenberg/Wulf (2006), S. 13. Vgl. hierzu und zum Folgenden Wirtz (2005), S. 60ff. und ähnlich Heinrich (2001), S. 328.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
29
Marke Netzwerk Kundenstamm Inwieweit diese Ressourcen im Hinblick auf ihre strategische Bedeutung (insbesondere im Kontext der Wachstumsstrategien) zu gewichten sind, bleibt in der Literatur weitgehend offen und muss im weiteren Verlauf der Arbeit einerseits durch Anwendung von grundsätzlichen Erwägungen zu strategischen Ressourcen geklärt werden bzw. ist explorativ im empirischen Teil zu ermitteln. Eine überproportionale Bedeutung der Marke könnte sich bei Printmedien allerdings schon an dieser Stelle ergeben, weil diesen im Vergleich zu anderen Medien und unabhängig von der einzelnen Medienmarke eine sehr hohe Glaubwürdigkeit attribuiert wird. Abb. 3-7 verdeutlicht diese Aussage mit den Ergebnissen einer Studie, in der jedoch Zeitschriften nicht separat abgefragt wurden: Abb. 3-7:
Glaubwürdigkeit der Medien Tageszeitungen
43%
Öffentlich-rechtliches Fernsehen
27%
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
10%
Privates Fernsehen
6%
Internet Online-Dienste
6%
Privater Hörfunk
2%
Kein Medium
6%
Quelle: Eigene Darstellung nach ZMG Zeitungsmonitor, in: o. Verf.(2006n), S.376
Glaubwürdigkeit ist als grundlegendes Markenattribut zu bewerten. Sie wird sowohl der redaktionellen Seite85 als auch der Funktion als Werbeträger86 zuge-
85 86
Vgl. o. Verfasser (2006n), S. 376 und so auch Abdulla et al. (2002). Vgl. o. Verfasser (2006n), S. 377.
30
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
messen. Eine möglicherweise besondere Bedeutung der Marke ist aufgrund dieser Attribute bereits an dieser Stelle zu vermuten87. Auch aus dem Wertschöpfungsprozess selbst lassen sich weitere Ressourcen ableiten. Die aktuell produzierten Massenmedien und somit auch die betrachteten Medien Zeitungen und Publikumszeitschriften weisen diesbezüglich eine große Homogenität auf88: Ihre Produktion erfolgt arbeitsteilig in großbetrieblicher Verbundproduktion, die Distribution in einem permanenten, spezifischen und umfassenden Vertriebsnetz. Ein Medienunternehmen lässt sich nach Heinrich in folgende Bereiche unterteilen89: Produktion von Informationen Zusammenstellung von Informationen Marketing Vertrieb Bereithalten der Produktionstechnik Diese werden von zwei grundsätzlich zu unterscheidenden Organisationsbereichen wahrgenommen. Man spricht von den Bereichen "Redaktion" und "Verlag", wobei ersterer die journalistischen Tätigkeiten und letzterer die kaufmännische Seite verantwortet. Werden diese Teilbereiche für Zeitungen und Publikumszeitschriften ausdetailliert und in Form einer klassischen Wertschöpfungskette90 angeordnet, lässt sich die folgende Wertschöpfungskette für Printmedienunternehmen ableiten91 (vgl. Abb. 3-8).
87 88 89 90 91
So auch Stephan (2005), S. 92. Vgl. hierzu und zum Folgenden Heinrich (2001), S. 19f. Vgl. Heinrich (2001), S. 160. Vgl. Porter (1986), S. 62; Steinmann/Schreyögg (2000), S. 183; Hungenberg/Wulf (2006), S. 184 Vgl. auch die ähnliche Darstellung von Wirtz/Pelz (2006), S. 271 und Stephan (2005), S. 91.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-8:
31
Wertschöpfungskette eines Zeitungs-/Zeitschriftenverlages
Unterstützende Aktivitäten Unternehmensinfrastruktur (Management, F&E etc.) Personalwirtschaft Beschaffung IT
Inhalte Erwerb* Inhalte Erstellung Anzeigenverkauf Sonst. Eingangslogistik
KundenBlattdienst planung, Marketing/ Distribution Druck ReproVertrieb duktion
Primäre Aktivitäten * Aufgrund des sehr eigenständigen Charakters in der Medienproduktion hier separat ausgewiesen
Verantwortung bei
Redaktion
Verlag
Quelle: Eigene Darstellung
Die Kernfähigkeiten innerhalb dieser Wertschöpfung lassen sich ebenfalls Wirtz folgend noch weiter reduzieren92. Sie bestehen in: Kompetenz zum Inhalteerwerb ("Content-Sourcing") Kompetenz zur Inhaltekreation ("Content-Creation") Produktenwicklungskompetenz Vermarktungskompetenz medienübergreifende ("cross-mediale") Verwertungskompetenz Technische Kompetenz Ob diese Fähigkeiten eine relevante Basis für Wachstumsstrategien darstellen, muss durch den Abgleich mit der Ressourcenforschung und vor allem der empirischen Erfahrung untenstehend geklärt werden.
92
Vgl. hierzu und zum Folgenden Wirtz (2005), S. 60ff.
32
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
3.3 Branchenstruktur der Printmedien in Deutschland Erfolgte im ersten Teil eine Überblicksdarstellung über die Branche, ihre Erzeugnisse und die Ressourcenbasis, so soll nun über die Branchenstruktur der innerhalb der Medienbranche bestehende Wachstumsdruck hergeleitet werden. Hierbei ist zunächst zu fragen, ob die Interessen der Shareholder primär ökonomischer Natur sind93. Streben nach ökonomischem Erfolg wäre normalerweise eines der primären Ziele jedes Unternehmens94. Medien sind jedoch gleichzeitig Wirtschafts- und Kulturgüter95. Sie haben, wie oben schon konstatiert, auch eine gesellschaftspolitische Rolle inne. Daher könnte das ökonomische Ziel der Shareholder hinter andere Zielen zurücktreten. Ein erstes Indiz, dass die Ökonomie in der Medienbranche andere verlegerische Ziele dominiert, gibt Scholz, der gegenwärtig eine Kommerzialisierung der Medienlandschaft konstatiert96. Auch in der wissenschaftlichen Rezeption werden Medienprodukte sowohl von ihrer ökonomischen Seite (als Produkt wie andere Produkte auch) als auch in ihrer eigenständigen und gesellschaftspolitischen Rolle betrachtet. Hierbei existiert ein Dissens hinsichtlich der angemessenen Perspektive97, jedoch erscheint "eine Analyse der Medienproduktion mit den Methoden der Ökonomie angemessen"98. Und so formuliert auch der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann AG, Gunter Thielen: "Wir leben von kreativen Inhalten und müssen sie ständig neu erfinden. Unternehmer, Autoren und Künstler brauchen viel Freiraum, um ihre Kreativität entfalten zu können. Medienunternehmen müssen dafür die nötigen Strukturen und Prozesse anbieten. Darin unterscheiden sie sich von anderen Unternehmen, nicht aber, was die betriebswirtschaftliche Steuerung angeht. Die Medien sind zwar ein buntes Geschäft – aber auch bei uns müssen schwarze Zahlen geschrieben werden."99
93
94 95 96 97 98 99
Der zugrunde liegende Shareholder-Ansatz wird z.B. bei Hungenberg/Wulf (2006), S. 57ff. detailliert. Vgl. Hungenberg/Wulf (2006), S. 13. Vgl. Scholz (2006), S. 13. Vgl. Scholz (2006), S. 14. Vgl. Heinrich (2001), S. 22ff. Heinrich (2001), S. 21. Thielen (2006), S. 3.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
33
Ob diese Aussage auch auf die Mehrzahl anderer Medienunternehmen zu übertragen ist, kann am besten über die Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse dieser Unternehmen geklärt werden. Kann über diesen Weg nachgewiesen werden oder ist zumindest davon auszugehen, dass der ökonomische Erfolg als Primärziel verfolgt wird und sämtliche gesellschaftspolitischen Ziele eher Nebenbedingungen darstellen, so ist das ökonomische Zielsystem zu detaillieren. Aufgrund der Ausrichtung der vorliegenden Arbeit, soll an dieser Stelle jedoch nicht diskutiert werden, welche der möglichen betriebswirtschaftlichen Größen den Erfolg am besten misst. Auch aus forschungspragmatischen Gründen wird profitabler Umsatz als valide Zielgröße angesehen. Die von Anteilseignern erwartete Höhe von Umsatz und Rendite orientiert sich an den Ergebnissen der Branche, d.h. an Vergleichsunternehmen und der Vergangenheit100, andererseits an den Möglichkeiten der Alternativanlagen, d.h. an den Kapitalmärkten. Als Minimalforderung der Shareholder kann angenommen werden, dass bisher realisierte Niveaus an Umsatz und Rendite weiterhin erzielt werden und das Unternehmen nicht schrumpft. Aufgrund von Skaleneffekten101 würde jedes Schrumpfen selbst bei proportionaler Anpassung der Kosten an den niedrigeren Umsatz die Rendite senken. In die andere Richtung sind Skaleneffekte auch immer ein Anreiz, über das bisherige Umsatzniveau hinauszuwachsen102. Weiterhin machen die Dynamik der Globalisierung und die daraus resultierenden Konzentrationsaktivitäten103 Wachstum zur Notwendigkeit. So rechnen gerade große Verlage damit, dass zunehmend ausländische Wettbewerber in den deutschen Markt eintreten. Soll also das Unternehmen weiterhin bestehen104, will das Management weiter die Führung und wollen die aktuellen Shareholder weiterhin die ungeteilte Kontrolle über das jeweilige Unternehmen ausüben, so ist Wachstum notwendig. Andernfalls droht dem Unternehmen, seine Wettbewerbsposition zu verlieren und ein Übernahmekandidat zu werden.
100
Siehe zu Benchmarking auch grundlegend Camp (1994). Vgl. für die Medienbranche Heinrich (2001), S. 60f. 102 Vgl. die grundlegende Forschung von Penrose (1995), S. 88ff. 103 Vgl. Heinrich (2001), S. 120ff; Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 214 sowie hierzu und zum Folgenden Schwaiger et al. (2005), S. 9. 104 Speziell aus systemtheoretischer Sicht ist Systemerhalt das Basisziel jedes Systems. Vgl. hierzu Schreyögg (1984), S. 43ff. 101
34
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Die bisherigen Ausführungen lassen sich in These 1 zusammenführen: These 1: Primär an ökonomischem Erfolg orientierte Shareholder erwarten eine profitable Unternehmenstätigkeit. Die Höhe von Umsatz und Rendite orientiert sich im Minimum an dem bereits in der Vergangenheit Erreichten. Nun gilt es zu prüfen, ob die Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse dafür sprechen, dass die Shareholder von Unternehmen der Printmedienindustrie primär am ökonomischen Erfolg interessiert sind. 3.3.1 Zeitungen Um innerhalb der Branchenstrukturanalyse der Zeitungsbranche nicht ausschließlich abstrakt zu argumentieren, soll einleitend ein Überblick über die bedeutendsten Zeitungen in Deutschland gegeben werden. Dieser findet sich gemäß der bereits in Abb. 3-3 dargestellten Struktur in Abb. 3-9.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-9:
35
Übersicht über die bedeutsamsten Zeitungen je Gattung
Titel
Verlag/Verlagsgruppe Verkaufte Auflage*
Tageszeitungen Lokale und regionale Abonnementzeitungen** WAZ WAZ Mediengruppe Rheinische Post Mediengruppe RP Überreg. Zeitungen Süddeutsche Zeitung Süddeutscher Verlag Frankfurter Allgemeine Verlag FAZ Die Welt Axel Springer AG Kaufzeitungen BILD Axel Springer Express M.Dumont Schauberg B.Z. Axel Springer Wochenzeitungen Die Zeit VDI Nachrichten Rheinischer Merkur
Holtzbrinck Holtzbrinck Vlg. Rhein. Merkur
Sonntagszeitungen BILD am SONNTAG Welt am Sonntag Frankfurter Allgemeine Sonntagsztg. Sonntag Aktuell***
Axel Springer Axel Springer Verlag FAZ Sw.-dt. Medien Hold.
14.847.738 935.549 397.323 1.646.802 442.565 363.465 262.845 4.697.686 3.599.652 230.922 191.118 488.036 147.948 86.635 1.893.880 409.035 314.611 916.476
* Mittelwert des zweiten Quartals 2006 pro Erscheinungsintervall ** Auszug, da aufgrund von Anzeigenkombinationen Zeitungsauflagen tw. nicht einzeln in der IVW-Statistik ausgewiesen werden *** Sonderstellung, da ohne Angaben zum Einzelverkauf
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis IVW-Statistik (2. Quartal 2006)
Wechselt man nun die Perspektive von der Produktebene auf die Unternehmensebene, wird deutlich, dass der Zeitungsmarkt ein hohes Maß an Konzentration aufweist. So liegt der Marktanteil der zehn größten Verlagsgruppen aktuell wie in der Vergangenheit bei deutlich über 50 Prozent. Dies verdeutlicht Abb. 3-10:
Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/ Die Rheinpfalz/Südwest Presse
Ippen-Gruppe
Verlagsgruppe DuMont Schauberg
Holtzbrinck
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Süddeutsche Zeitung
Madsack
DDVG
3
4
5
6
7
8
9
10
-
2,2
3,2
3,2
-
4,5
2,4
5,0
5,0
-
2,1
3,3
3,1
2,5
4,5
2,7
5,2
5,6
-
2,5
3,2
2,9
2,5
4,4
2,7
5,0
5,5
-
2,3
3,2
3,0
2,5
4,0
2,7
5,0
5,9
-
2,4
3,3
3,0
2,5
4,4
2,9
5,0
6,0
-
2,2
2,6
2,9
3,4
4,2
3,8
4,9
6,1
-
2,5
2,5
3,1
3,6
4,0
3,9
5,0
6,0
2,2
2,5
2,6
3,0
3,7
3,9
4,1
5,2
5,6
54,8 54,4 55,6 55,7 55,7 55,9 56,3 56,1 55,7
1,9
3,6
2,4
-
3,3
3,0
3,2
6,0
26,7 23,9 22,8 23,3 23,7 23,6 23,4 22,7 22,5
1989 1991 1993 1995 1997 2000 2002 2004 2006
Quelle: FORMATT-Institut, Dortmund in: Röper (2006c), S. 284
Marktanteil der zehn größten Verlagsgruppen
Verlagsgruppe WAZ
2
1-10
Axel Springer AG
Verlagsgruppe
1
Rang
Abb. 3-10: Marktanteile und Konzentrationsgrad im Tageszeitungsmarkt [%]
36 Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-10: Marktanteile und Konzentrationsgrad im Tageszeitungsmarkt
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
37
Werden diese Unternehmen nun exemplarisch in ihrer Besitzstruktur betrachtet, so ist in vier Fällen direkt ersichtlich, dass ökonomische Primärziele verfolgt werden: Entsprechend zeigt der Geschäftsbericht von Axel Springer (1) einen Streubesitz von 25,6 Prozent der Anteile und einen 9,6-prozentigen Anteil der Finanzinvestoren Hellman & Friedmann105. Weiterhin wird Orientierung auf die Steigerung des "Shareholder Values" umfassend in den Geschäftsberichten betont106. Dies gilt exemplarisch z.B. auch für die BILD-Gruppe als bedeutendes Standbein des Verlages, die heute sehr renditeorientiert geführt wird und weniger auf die Auflagenentwicklung als Indikator publizistischer Macht orientiert ist, als dies in früheren Zeiten der Fall war107. Für die Verlagsgruppe Stuttgart (3) und die Süddeutsche Zeitung (8) gilt gleichermaßen, dass einerseits Eignerfamilien, zum anderen eine finanziell orientierte Holding (Südwestdeutsche Medienholding) hinter dem Verlag stehen108. Ökonomische Primärziele können somit ebenfalls vorausgesetzt werden. Hinter der Verlagsgruppe Madsack (9) stehen die Eignerfamilien, eine Stiftung, eine Vielzahl von Kommanditisten und mit 20,4 Prozent der Anteile die DDVG (10)109, auf die separat einzugehen sein wird. Zumindest im Geschäftsbericht des Unternehmens wird die ökonomische Ausrichtung in den Vordergrund gestellt110. Weiterhin legt schon die Vielzahl der Eigentümer nahe, dass das ökonomische Ziel den "kleinsten gemeinsamen Nenner" verschiedener Interessen bilden wird, auch wenn die Beteiligung der DDVG auch eine (gesellschafts-) politische Komponente vermuten lässt. Bei der Verlagsgruppe WAZ (2), der Ippen-Gruppe (4), der Verlagsgruppe DuMont Schauberg (5) und Holtzbrinck (6) lässt sich aus der Eigentümerstruktur nicht direkt ablesen, ob ökonomische Primärziele verfolgt werden. Die Unter-
105
Vgl. o. Verfasser (2006f), S. 67. Vgl. o. Verfasser (2006f), S. 66ff. Röper (2006b), S. 117. 108 Vgl. Röper (2006a), S. 14ff. 109 Vgl. o. Verfasser (2005a), S. 9. 110 Vgl. o. Verfasser (2005a). 106 107
38
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
nehmen befinden sich in Familienbesitz111. Es lassen sich aber auch keine gegenteiligen Aussagen zu Unternehmenszielen von Seiten der Eigner finden. Außerdem treten die Konzerne gesellschaftspolitisch wenig in Erscheinung. Bei Holtzbrinck wird darauf verwiesen, dass die Unternehmensstrategie auf ein nachhaltiges und profitables Wachstum abziele112. Eine Sondersituation bietet der F.A.Z. Verlag (7). Die von den ursprünglichen Verlegern initiierte FAZIT-Stiftung steht als Eigentümer hinter der Zeitung113. Hier ist sehr fraglich, ob ökonomische Interessen tatsächlich an erster Stelle stehen. Allerdings sollen mit den Erträgen aus dem Zeitungsgeschäft andere karitative Maßnahmen wie Stipendien ermöglicht werden, was entsprechende Überschüsse notwendig macht. Auch für die publizistischen Einheiten der DDVG (10) ist eine ökonomische Ausrichtung nicht evident. Die DDVG vereint als Holding sämtliche Zeitungen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)114. Dass ökonomische Ziele zumindest gleichrangig mit politischen Zielen sind, ist daher naheliegend. Allerdings ist auch hier formuliert: "Das Ziel ist, die Beteiligungen wirtschaftlich zu führen, die Substanz zu mehren – und damit zugleich einen finanziellen Beitrag zur Arbeit der SPD zu leisten."115
Ist die primär ökonomische Ausrichtung der Zeitungsverlage an diesen exemplarischen Beispielen noch teilweise als strittig anzusehen, so führt ein Blick auf die gesamtheitliche Finanzierungssituation der Unternehmen weiter: Die Branche leidet insgesamt an einer geringen Eigenkapitalausstattung. Laut VDZ-Angaben, die sich auf Zeitungen und Zeitschriften beziehen, liegt die Eigenkapitalausstattung befragter Verlage zwischen 20-30 Prozent116. Daraus folgt für die hier diskutierte Thematik, dass die Unternehmen kaum den Spielraum haben, sich nicht an ökonomischen Primärzielen auszurichten, weil sie marktgerechte Fremdkapitalzinsen zu bedienen haben.
111
Vgl. z.B. Röper (2006a), S. 14ff. Vgl. o. Verfasser (2007k). Vgl. hierzu und zum Folgenden o. Verfasser (2006a), S. 5. 114 Vgl. o. Verfasser (2007e). 115 o. Verfasser (2007e). 116 Vgl. Schwaiger et al. (2005), S. 10. 112 113
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
39
Auch die kürzlichen Übernahmen deutscher Zeitungsverlage durch ausländische Investoren117 sprechen für eine zunehmende Ausrichtung an ökonomischen Zielsetzungen118. Die neuen Besitzer haben zweistellige Renditeerwartungen119 und streben beispielsweise mittelfristig an, eine Kette von Regionalzeitungen aufzubauen, um Synergieeffekte zu nutzen120. Das Volumen an M&ATransaktionen im europäischen Medien-Sektor hat 2006 auf 43 Mrd. Euro zugenommen und die Branche ist für Finanzinvestoren hochinteressant121. In der Folge beginnen auch Medienkonzerne, von den Finanzinvestoren zu lernen. So hat Bertelsmann einen eigenen Beteiligungsfond aufgelegt und ist auf diese – der Private-Equity-Industrie entlehnten – Weise in der Lage, hohe Transaktionsvolumina zu realisieren, ohne diese komplett selbst finanzieren zu müssen122. Diese aktuellen Tendenzen sprechen ebenfalls für primär ökonomische Zielsetzungen in Medienunternehmen, denn zumindest der Anteil an Fremdkapital, der von Finanzinvestoren in solchen Fondmodellen eingesammelt wird, unterliegt den Renditeanforderungen des Kapitalmarktes. Alle angeführten Punkte zusammengenommen, besteht kaum ein Zweifel daran, dass die meisten Zeitungsverlage am vorderster Stelle ökonomische Zielsetzungen verfolgen. Daher ergibt sich die folgende These: These 2: Bis auf Ausnahmen folgt aus der Besitz- und Finanzierungssituation sowie dem Konzentrationsgrad von Zeitungen eine primäre Orientierung an ökonomischen Zielen. 3.3.2 Zeitschriften Der deutsche Markt für Zeitschriften ist im europäischen Vergleich sehr groß und der Pro-Kopf-Konsum nirgends in Europa höher123. So soll auch hier mit 117
So wurden die Berliner Zeitung und die Hamburger Morgenpost durch die BV deutsche Zeitungsholding der Fondsgesellschaften Veronis Suhler Stevenson und die Mecom Group übernommen. Vgl. hierzu Röper (2006c), S. 283. 118 So auch Habermas (2007). 119 Vgl. o. Verfasser (2006n), S. 44. 120 Vgl. Röper (2006c), S. 286. 121 Vgl. Wolf/Levack (2007), S. 3, S. 6. 122 Vgl. o. Verfasser (2007c), S. 1. 123 Vgl. Doyle (2002), S. 136.
40
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
einem Überblick über die bedeutendsten Erzeugnisse (Abb. 3-11) begonnen und in gleicher Logik wie für die Zeitungen argumentiert werden. Abb. 3-11:
Top Ten Publikumszeitschriften nach Auflage
Zeitschrift ADAC motorwelt TV 14 Mein Eigenheim TV Spielfilm plus ver.di PUBLIK TV-Movie Metall TV Digital Das Haus TV Spielfilm HÖRZU
Verlag/Verlagsgruppe ADAC Verlag Bauer Media Die Publikation/Wüstenrot Hubert Burda Media Verdi Bauer Media IG Metall Axel Springer Hubert Burda Media Hubert Burda Media Axel Springer
Auflage 13.805.196 2.402.825 2.248.520 2.238.433 2.084.040 1.945.800 1.936.778 1.867.968 1.861.458 1.601.087 1.575.353
Anm.: durchschnittliche Auflage pro Erscheinungsintervall 2006 gem. IVW
Quelle: Eigene Darstellung
Dabei zeigt sich ein anderes Bild als bei den Zeitungen, da die Zeitschriften insgesamt heterogener sind. Das Objekt mit der größten Auflage ist "ADAC motorwelt", die Zeitschrift für die Mitglieder in Deutschlands größtem Automobil-Club. Auch die restlichen Positionen in der Liste zeigen, dass die Auflage die wirtschaftliche Bedeutung der Objekte vermutlich nur unzureichend abbildet. Aus Mangel an Datenmaterial, das genauere Indikationen auf die Umsätze der Einzelmedien liefert, soll direkt auf die Ebene der Verlage übergegangen werden. Die Zahl der Anzeigenseiten stellt hier einen halbwegs verlässlichen Indikator dar, weil zwar die Anzeigenpreise innerhalb der einzelnen Zeitschriften deutlich variieren, die Portfolios der großen Verlagsgruppen aber zumeist gemischt sind und der Grad der Verzerrung sich somit in gewissen Grenzen hält. Da bei Publikumszeitschriften die Anzeigenerlöse zumeist eine hohe Bedeutung aufweisen und aus Mangel an alternativen Daten, wird die Abb. 3-12 als Basis für die Einzelbetrachtung der Besitzstruktur herangezogen.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-12:
41
Top Ten der Zeitschriftenverlage nach Anzeigenaufkommen
Rang Verlag Anzeigenseiten 2006 1 Gruner + Jahr 43.438 2 Hubert Burda Media 30.538 3 Axel Springer (inkl. Töchter) 18.988 4 Bauer Media 17.589 5 Condé Nast 7.100 6 IDG 6.708 7 Verlagsgruppe Handelsblatt 6.389 8 Jahr Top Special Verlag 5.677 9 Spiegel-Verlag 5.624 10 Jahreszeiten Verlag 5.643 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis ZAS-Statistik (pz-online.de)
Grundsätzlich ist aufgrund des geringeren politischen Hintergrundes der meisten Zeitschriften davon auszugehen, dass ökonomische Ziele an vorderster Stelle stehen und auch die Besitzstruktur spricht deutlich dafür: So gehört der größte Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (1) zu 74,9 Prozent zur Bertelsmann-Gruppe, deren Ziel eine Umsatzrendite von zehn Prozent für alle Aktivitäten ist124. Auch im Hinblick auf eine zunehmende Konzentration im Zeitschriftenbereich ist Gruner + Jahr dafür ein Beispiel, nachdem das Unternehmen die Stuttgarter Motor Presse kürzlich übernommen hat125. Für Axel Springer (3) wurde bereits obenstehend ein primär ökonomisches Zielsystem konstatiert. Hinsichtlich Hubert Burda Media (2) ist zwar einerseits die Eigentumssituation als Familienunternehmen zu konstatieren, aber andererseits gilt bereits oben Gesagtes: Der Geschäftsbericht betont die ökonomische Ausrichtung126 des Verlages und darüber hinaus spricht ebenfalls die geringe Eigenkapitalquote von 28,5 Prozent127 für eine derartige Zielsetzung. Auch die Übernahme der Verlagsgruppe Milchstraße128 spricht für ökonomisch begründete Wachstumsziele.
124
Vgl. o. Verfasser (2006b), S. 12. Röper (2006a), S. 184. 126 Vgl. o. Verfasser (2006g), S. 137. 127 Vgl. o. Verfasser (2006g), S. 139. 128 Röper (2006a), S. 191. 125
42
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Gleiches gilt für das Unternehmen Bauer Media (4), das sich zwar zu 96 Prozent in Familienbesitz befindet, dessen Titelportfolio (TV-, Frauen-, Jugendzeitschriften sowie Yellow-Press-Titel) jedoch extrem kommerziell ausgerichtet ist129. Ganz analog kann für den Jahreszeiten Verlag (10) argumentiert werden, da es sich auch hier um ein Familienunternehmen handelt, aber das Titelportfolio keinerlei gesellschaftspolitisch prägende Objekte umfasst. Auch bei Condé Nast gilt Entsprechendes: Die deutsche Tochter gehört zu 100 Prozent dem gleichnamigen US-Unternehmen, das wiederum im Besitz einer Verlegerfamilie130 ist. Das Titelportfolio der Verlagsgruppe legt jedoch rein ökonomische Interessen nahe. Auch der deutsche IDG Verlag (6) gehört der gleichnamigen internationalen Gruppe an. Diese ist zwar ebenfalls im Besitz des Gründers, aber die Fokussierung auf Zeitschriften für die Informationstechnologie spricht ebenfalls für eine rein ökonomische Ausrichtung. Da die Verlagsgruppe Handelsblatt (7) einhundertprozentige Tochter des Holtzbrinck-Konzerns ist, gilt bereits Gesagtes. Auch für den Jahr Top Special Verlag (8) gilt aufgrund der fünfzigprozentigen Beteiligung der Axel Springer AG das dort Gesagte. Im Hinblick auf den Spiegel-Verlag liegt eine Ausnahmesituation vor, da der Verlag zu 50 Prozent den eigenen Mitarbeitern gehört131. Die zusätzlichen Beteiligungen der Erbengemeinschaft und der Verlagsgruppe Gruner + Jahr dürften aber absehbar dafür sorgen, dass gesellschaftspolitische Ziele sekundär hinter ökonomischen Zielen stehen. Wird die weitere Branchenstruktur anhand dieser exemplarischen Darstellung der (nach Anzeigenseiten) größten Zeitschriftenverlage extrapoliert, so lässt sich die These für die Zeitungen auch für Zeitschriften aufstellen: These 3: Aus der Besitzstruktur und der Art der Inhalte folgt auch bei Zeitschriften eine primäre Orientierung an ökonomischen Zielen.
129 130 131
Vgl. o. Verfasser (2007l). Condé Nast gehört der Newhouse-Familie. Vgl. hierzu und zum Folgenden o. Verfasser (2005c).
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
43
3.4 Branchenentwicklung der Printmedien in Deutschland Wurde im zweiten Teil des vorliegenden Kapitels argumentiert, dass eine ökonomische Grundorientierung fast aller Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage vorliegt, so soll an dieser Stelle die Situation der Branche im Verlauf der letzten Jahre dargestellt werden. Wurde obenstehend schon von der Minimalforderung der Shareholder (These 1) gesprochen, so wird sich zeigen, dass sich alleine hieraus ein Wachstumsdruck ergibt. Aus dem Geschäftsmodell von Medienunternehmen, das bereits in Abb. 3-1 dargestellt wurde, ergibt sich die grundsätzliche Problematik der Abhängigkeit der beiden Erlösquellen. Man spricht von der "Auflagen-Anzeigen-Spirale"132. Sie lässt sich mit Röper wie folgt definieren: "Umso geringer die Auflage […], umso geringer ist die Reichweite und umso geringer das Interesse der Anzeigenkunden. Die Werbeeinnahmen lassen nach und entsprechend ist der Verlag nicht in der Lage, in die Redaktion zu investieren. Bei nachlassender redaktioneller Leistung geht die Auflage zurück und der Titel wird für den Anzeigenmarkt noch unattraktiver."133
Sowohl Zeitungen als auch Zeitschriften haben in den vergangenen Jahren unter genau dieser Spirale gelitten. Denn neben konjunkturellen Gründen, durch die Werbeumsätze wie auch Vertriebserlöse weggebrochen sind, zeigen sich deutlich strukturelle Veränderungen im Medienkonsum der Menschen, wie die Abb. 3-13 zeigt:
132 133
Vgl. Röper (2004), S. 281. Röper (2004), S. 281.
44
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-13:
Entwicklung der Mediennutzungsdauer [Min./Tag]
Rang 1 2 3 4 5 6 7 8
Medium 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Hörfunk 73 113 135 154 170 162 206 221 Fernsehen 113 125 125 121 135 158 185 220 CD/MC/LP/MP3 n.a. n.a. 15 14 14 14 36 45 Internet 13 44 35 38 38 33 28 30 30 28 Tageszeitung Bücher n.v. n.v. 22 17 18 15 18 25 Zeitschriften n.v. n.v. 11 10 11 11 10 12 Video/DVD 2 4 3 4 5 Gesamt
221
276
346
351
380
393
502
600
Anm.: Mo-So, 5-24 Uhr, Pers. >14 Jahre, nur BRD bis 1990, dann gesamt D
Quelle: Eigene Darstellung nach van Eimeren/Ridder (2007), S. 496
Es ist den Zeitungen und Zeitschriften nicht gelungen, ihre jeweiligen Anteile am deutlich gestiegenen Medienkonsum der letzten Jahrzehnte zu halten. Konnten Zeitschriften zumindest absolut auf einigermaßen gleichem Niveau verbleiben, so sind Zeitungen deutlich zurückgefallen. Hinzu kommt die zunehmende Parallelnutzung der Medien134, die die Qualität der Rezeption gerade auch in der Funktion als Werbeträger senkt. Als These zusammengefasst: These 4: Die betrachteten Printmedien sehen sich einer strukturellen Veränderung des Medienkonsums ausgesetzt. An der deutlich gestiegenen Mediennutzung konnten Zeitungen und Zeitschriften nicht partizipieren. Bevor nun die Entwicklung der Zeitungen und Zeitschriften detailliert nachgezeichnet wird, verdeutlicht Abb. 3-14 grundlegend für die Umsatzsäule der Werbeeinnahmen, dass Zeitungen und Zeitschriften trotz gestiegener Werbeausgaben insgesamt noch immer nicht auf dem Einnahmeniveau von 1995 liegen. Sie haben in der Zeitungskrise des letzten Jahrzehnts überproportional verloren und auch in den letzten Jahren der wieder erstarkten Werbekonjunktur nur unterdurchschnittlich profitieren können.
134
Vgl. Best/Engel (2007), S. 21ff.
1.157 1.175 1.177 1.198 1.227 1.268 1.269 1.250 1.220 1.196 1.197
Verzeichnis-Medien
664 332 253 132 91
618 271 240 147 90
579 246 225 161 86
595 227 268 161 97
678 185 287 170 90
733 153 278 175 68
691 77 261 172 73
605 26 249 165 92
601 13 241 156 108
590 3 225 153 115
577 -
230
151
129
18,58 19,07 19,78 20,79 21,82 23,38 21,72 20,14 19,28 19,58 19,78
Hörfunk
Wochen-/Sonntagszeitungen
Kinowerbung
Zeitungssupplements
Gesamt (in Mrd. EUR)
Quelle: ZAW Jahrbücher 1995-2006, z.B. o. Verf. (2006l)
Online-Angebote
769 720 710 713
760
746
682
563
513
531
512
Außenwerbung
902
1.792 1.747 1.794 1.869 2.007 2.247 1.751 1.935 1.862 1.839 1.791
Publikumszeitschriften
865
1.492 1.539 1.676 1.762 1.742 1.792 2.092 1.702 1.746 1.836 1.898
Anzeigenblätter
877
2.685 2.923 3.030 3.189 3.310 3.383 3.256 3.335 3.304 3.398 3.398
Werbung per Post
966
3.243 3.526 3.803 4.042 4.318 4.709 4.469 3.956 3.811 3.860 3.930
Fernsehen
1.131 1.079 1.105 1.162 1.190 1.267 1.074
5.482 5.460 5.558 5.868 6.066 6.557 5.642 4.937 4.455 4.502 4.418
Tageszeitungen
Abb. 3-14:
Fachzeitschriften
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Medium
Abb. 3-14: Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger [Mio. EUR]
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen 45
Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger
46
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
3.4.1 Zeitungen Was vorab für die Printmedien insgesamt konstatiert wurde, gilt umso mehr für die Zeitungen im Speziellen. Blickt man auf die Umsatzsäule der Anzeigenerlöse, so sind sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Gründe für einen deutlichen Verlust in Höhe von 27 Prozent der Anzeigenumfänge in den letzten zehn Jahren verantwortlich. Abb. 3-15 zeigt die bedeutsamste Ursache neben der grundsätzlichen Rezession im Werbemarkt: Die hochrentablen Kleinanzeigen, früher eine wesentliche Umsatzquelle für Tageszeitungen, sind deutlich zurückgegangen. Spezielle Internet-Angebote, die jedoch nur selten von den Verlagen betrieben werden, erfüllen seit einigen Jahren diese Funktion. Abb. 3-15:
Veränderungen der Umfänge bezahlter Anzeigen in regionalen Abonnementzeitungen [% und tsd. mm]
-27%
-49%
-40%
-36%
1.474
1.077
170
Gesamt Gesamt
86
Stellen 1995
206
124
Immobilien Immobilien
129
82
KFZ-Markt KFZ-Markt
2005
Quelle: Eigene Darstellung nach Anzeigenstatistik des BDZV, o. Verf. (2007f)
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
47
Aber nicht nur im Werbemarkt mussten die Zeitungen deutliche Einbußen hinnehmen. Abb. 3-16 zeigt den Rückgang der Auflage für Tageszeitungen. Diese ist im Schnitt um jährlich 2 Prozent und insgesamt um 17 Prozent zurückgegangen135. Abb. 3-16: 25 Auflage [Mio. Expl.]
Anzahl Titel Summe
375
Veränderung der Titelanzahl und Auflage bei Tageszeitungen 25
25
25 24
369
367
355
355
24
357
23
349
23
349
22 347
22 259
21 353
Kaufztg. Überregionale Ztg. Regional-/ Lokalzeitungen
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 364 und frühere Jahrgänge
Der Grund liegt in der schon oben beschriebenen strukturellen Änderung des Medienkonsums. TV und Internet nehmen in ihrer Nutzung zu Lasten der Tageszeitungen zu136. Dies verdeutlicht Abb. 3-17:
135
136
Quelle: Eigene Berechnung auf Basis der Statistik des BDZV, o. Verfasser (2006n), S. 364 und frühere Jahrgänge Vgl. Röper (2006c), S. 283.
48
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-17:
Entwicklung der Reichweite tagesaktueller Medien [%]
Rang 1 2 3 4
Medium 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Hörfunk 72 78 77 72 81 83 85 89 Fernsehen 67 70 69 76 79 75 85 84 70 73 76 73 71 65 54 51 Tageszeitung Internet 10 28 Gesamt
209
221
222
221
231
223
234
252
Anm.: Mo-So, 5-24 Uhr, Pers. >14 Jahren, nur BRD bis 1990, dann gesamt D
Mo-So, 5-24 Uhr, Pers. 14 J., nur BRD bis 1990, dann gesamt D Quelle: Eigene Darstellung nach van Eimeren/Ridder (2007), S. 495
Gerade bei jüngeren Zielgruppen geht die Reichweite von Zeitungen drastisch zurück137. Diese Situation ist nicht nur für die Marktentwicklung der Tageszeitungen charakteristisch. Auch die Wochen- und Sonntagszeitungen leiden gleichermaßen unter dem Verlust von Auflage, wie Abb. 3-18 und Abb. 3-19 deutlich zeigen:
137
Vgl. Eimeren/Ridder (2005), S. 503ff.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-18:
49
Veränderung der Titelanzahl/Auflage bei Sonntagszeitungen 4,8 4,4
4,5
4,5
4,5
4,5
4,5
Auflage [Mio. Expl.]
4,3
4,2 3,8 3,7
8
Anzahl Titel
7
7
7
7
7
7
7
7
6
6
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 364 und frühere Jahrgänge
Abb. 3-19:
Veränderung der Titelanzahl/Auflage bei Wochenzeitungen
Auflage 2,2 [Mio. Expl.]
Anzahl Titel
28
2,1
26
2,0 25
2,0
25
2,0 25
2,0 1,9 24
1,8 24
1,9 25
1,9
1,9
27
27
28
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 364 und frühere Jahrgänge
50
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Dass der signifikante Rückgang der Werbeerlöse und Auflage nicht noch stärker auf die Gesamtumsätze durchschlägt, ist in deutlichen Preiserhöhungen der Verlage begründet. Der Umsatzrückgang zwischen dem Jahr 2000 und 2005 beträgt aber noch immer deutliche 17 Prozent, wie Abb. 3-20 zeigt:
Abb. 3-20:
Umsatzentwicklung bei Tageszeitungen -17%
[Mrd. EUR] 8,77
9,01
9,43
9,58
10,23 9,40
8,83
8,40
8,47
8,49
Vertriebsumsätze Anzeigenumsätze 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 58 und frühere Jahrgänge
Die Situation kann zusammenfassend mit Röper beschrieben werden: "Der deutsche Zeitungsmarkt ist nach wie vor mit zwei Kernproblemen belastet: Auflage und Reichweite sinken und die Werbeeinnahmen liegen immer noch deutlich unter jenen von Ende der 90er Jahre. Die wirtschaftliche Lage der Zeitungsverlage ist nach einem vielfach rigorosen Sparkurs der letzten Jahre aber wieder deutlich besser."138
In diesem Zitat wird bereits deutlich, dass die Verlage auf die neue Umsatzsituation einschneidend reagiert haben. So wurden umfassend Lokalausgaben eingestellt139, Verlage vollständig oder teilweise verkauft140 und vor allen Dingen
138 139 140
Vgl. Röper (2006c), S. 283. Vgl. Röper (2004), S. 268. Vgl. Röper (2004), S. 268.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
51
Kostenanpassungen durchgeführt141. Abb. 3-21 zeigt exemplarisch Anpassungen im Bereich der Personalkosten, die das Gesagte verdeutlichen: Abb. 3-21: Nr. 1
Beispiele für Personalabbau als Reaktion auf die Krise
Objekt/Verlag Die Rheinpfalz
2
Frankfurter Rundschau
3 4 5 6 7
Süddeutsche Zeitung Rhein-Zeitung Ostfriesen-Zeitung Lausitzer Rundschau Harburger Anzeigen und Nachrichten Lübecker Nachrichten Aachener Zeitung, Aachener Nachrichten Westfälische Nachrichten Axel Springer
8 9 10 11
Umfang der Personaleinsparungen Ca. 200 Arbeitsplätze, davon ca. 30 Redakteure Ca. 500 Arbeitsplätze
Ca. 220 Arbeitsplätze, davon 16 Redakteure Ca. 200 Arbeitsplätze, davon 35 Redakteure Ca. 52 Arbeitsplätze Ca. 50 Arbeitsplätze Ca. 40 Arbeitsplätze, davon 18 Redakteure Ca. 40 Arbeitsplätze, davon 16 Redakteure Ca. 40 Arbeitsplätze, davon 25 Redakteure Ca. 16 Redakteure
Ca. 266 Arbeitsplätze in Servicebereichen, ca. 55 Redakteure 12 Gruner + Jahr Reduktion in Servicebereichen, Umfang unbekannt Quelle: Nr. 1-10: o. Verf. (2003), Nr. 11: o. Verf. (2006d) und o. Verf. (2007b), Nr. 12: o. Verf. (2007b)
Das bisher Gesagte kann als These wie folgt zusammengefasst werden: These 5: Durch konjunkturelle und strukturelle Ursachen mussten Zeitungsverlage in den letzten Jahren deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Hierauf wurde bereits umfassend mit Kostenanpassungen reagiert.
141
So auch Habermas (2007).
52
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
3.4.2 Zeitschriften Für Zeitschriften stellt sich die Branchenentwicklung etwas anders dar. Der Rückgang der Auflage im letzten Jahrzehnt von 128 Mio. auf 123 Mio. Exemplare, d.h. um vier Prozent, ist alleine genommen deutlich weniger dramatisch als bei den Zeitungen. Nimmt man jedoch die deutlich gestiegene Titelzahl hinzu, so ergibt sich, dass im Durchschnitt jeder Titel nicht mehr ca. 170.000 Exemplare sondern nur noch 140.000 Exemplare verkauft142. Dieser Rückgang ist mit ca. 17 Prozent allerdings von hoher Bedeutung. Die Entwicklung von Titelanzahl und Auflage ist in Abb. 3-22 dargestellt:
Abb. 3-22:
Veränderung der Titelanzahl und Auflage bei Publikumszeitschriften 128
127 127
Auflage [Mio. Expl.]
Anzahl Titel
758
126 124
778
809
839
124
847
125
125 124
817
831
832
850
123
873
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des VDZ (www.vdz.de)
Auch die zweite Umsatzsäule, die Werbeerlöse, weist deutliche Rückgänge auf. Zwischen dem Jahr 2000 und 2005 sind diese in der Netto-Darstellung143 um ca. 20 Prozent zurückgegangen, wie Abb. 3-23 zeigt. 142 143
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Statistik des VDZ (www.vdz.de) Die oftmals in ähnlichen Darstellungen verwendete Brutto-Statistik verfälscht das Bild umfänglich, da die Verlage immer weniger in der Lage sind, die in den Preislisten zugrunde liegenden
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Abb. 3-23:
53
Entwicklung der Netto-Werbeerlöse bei Publikumszeitschriften [Mio. EUR] -20%
Entwicklung
2.247 2.007 1.747
1.794
1.869
1.935 1.751
1.862 1.839
1.791
Anzeigenumsätze
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Quelle: Eigene Darstellung nach ZAW-Jahrbüchern 1995-2006, z.B. o.Verf. (2006l)
Die zurückgegangenen Auflagen bei einem Anstieg der Titelanzahl als Indikator für zurückgehenden Vertriebsumsatz und die rückläufigen Werbeeinnahmen zeigen auch für die Zeitschriften, dass deutliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen waren. Diese Aussage wird auch von einer Studie des VDZ gestützt, in der die Mehrzahl der befragten Verlage rückläufige Umsätze bestätigen144. Die Reaktionen auf diese Krise waren bei Zeitschriftenverlagen ähnlich wie bei Zeitungsverlagen. Eine Vielzahl von Zeitschriften wurde eingestellt145 und Anpassungen auf der Kostenseite waren unumgänglich, wobei die in Abb. 3-21 bereits dargestellten Maßnahmen bei Axel Springer und Gruner + Jahr als exemplarisch gelten können, da beide Verlage im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich tätig sind.
Preise am Markt zu realisieren. Weiterhin hat naturgemäß in Zeiten der Werberezession der Anteil an Eigenanzeigen zugenommen. Beide Faktoren sind in der Netto-Darstellung nicht enthalten. 144 Vgl. Schwaiger et al. (2005), S. 6. 145 Vgl. o. Verfasser (2006c), S. 12.
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Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Somit lässt sich auch für Zeitschriftenverlage die folgende These vertreten: These 6: Durch konjunkturelle und strukturelle Ursachen mussten Zeitschriftenverlage in den letzten Jahren deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Hierauf wurde bereits mit Kostenanpassungen reagiert.
3.5 Wachstum als Herausforderung für Printmedienunternehmen Die dargestellten Strukturen und Entwicklungen, die in den Thesen 1 bis 6 zusammenfassend formuliert worden sind, zeigen deutlich auf, dass bei den Verlagen fast durchgehend von einem ökonomischen Zielsystem ausgegangen werden kann. Darüber hinaus mussten die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in den letzten Jahren deutliche Umsatzrückgänge hinnehmen. Somit ergibt sich bereits aus der oben dargestellten Minimalforderung der Shareholder, zumindest bisherige Umsatzhöhen erneut zu erreichen, dass die betrachteten Medienunternehmen unter einem hohen Wachstumsdruck stehen. Dieses gilt umso mehr, als die Kostenanpassungen weitestgehend abgeschlossen sind und somit auch (Management-)Ressourcen für neue Wachstumsprojekte zur Verfügung stehen146. Ein solcher Fokuswechsel zwischen Wachstumsperioden und Kontraktionsphasen entspricht auch der traditionellen V-Kurve147. Ergänzend kann argumentiert werden, dass das Wachstumsziel auch und gerade in der Medienindustrie für die handelnden Manager attraktiv ist, um Einfluss, Status und Entlohnung zu verbessern148. Wie oben dargestellt, wird das Wachstumsziel als langfristig profitables Umsatzwachstum konkretisiert. Aus forschungspragmatischen Gründen wird der Teilaspekt der "Profitabilität" der neuen Produkte im Folgenden nur noch am Rande betrachtet und das "Umsatzwachstum" als Erfolgsmaßstab in den Vordergrund gestellt. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen sind Daten bzgl. der Rendite weder auf Gesamtunternehmensebene noch auf Ebene der Einzelmedien oder der 146 147 148
Vgl. Röper (2006b), S. 114. Vgl. Schwenker/Bötzel (2006), S. 2. Vgl. Doyle (2002), S. 24.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
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einzelnen Wachstumsprojekte durchgehend verfügbar oder zu erheben. Zum anderen kann angenommen werden, dass in den Geschäftsplanungen standardisierte Zielrenditen und Break-even-Zeiträume angepeilt werden. So wird beispielsweise bei Bertelsmann stets ein Umsatzrenditeziel von mindestens zehn Prozent angestrebt149. Und auch bei anderen Verlagen kann als mittelfristiges Ziel eine EBIT-Marge von in etwa neun Prozent angenommen werden, wie aus einer Verbandsstudie hervorgeht150. Ein Wachstumsfeld wird daher erst beschritten bzw. mittelfristig erhalten, wenn eine entsprechende Zielprofitabiltät sichergestellt ist bzw. kurzfristig erreicht wird151. Eine solche forschungspragmatische Orientierung am Umsatz als Zielgröße ist auch in der Diversifikationsforschung üblich152, die der Forschungsfrage nahesteht. Der Fokus der folgenden Darstellung wird daher auf langfristigem Umsatzwachstum liegen, wobei Profitabilität als Nebenbedingung stets gefordert wird. Auch Penrose sieht bei der Erfolgsbeurteilung von Wachstumsinitiativen keinen Unterschied zwischen Umsatzwachstum und Ertragswachstum153. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit untersucht jene Wachstumsstrategien, die eine Änderung der bearbeiteten Geschäftsfelder zum Inhalt haben, weil viele Maßnahmen zur Optimierung der bestehenden Geschäftsfelder bereits umgesetzt sind, wie in Kapitel 3.4 gezeigt wurde. Mit ihnen wird naturgemäß das Ziel verfolgt, aus den neuen Bereichen kontinuierliche Erlösströme zu erzielen. Daneben sind aber auch die Effekte auf die bisherigen Geschäftsfelder zu betrachten: Unternehmenswachstum insgesamt kann ebenfalls dadurch erzeugt werden, dass die neuen Geschäftsfelder positive Auswirkungen auf das bisherige Geschäft haben – zumindest sind negative Auswirkungen zu vermeiden. Zudem sollten heutige Wachstumsanstrengungen idealerweise die Grundlage für weitere, zukünftige Wachstumspotenziale schaffen.
149
Vgl. o. Verfasser (2006b), S. 12. Vgl. hierzu und zum Folgenden Schwaiger et al. (2005), S. 7. 151 Vgl. Penrose (1995), S. 30. 152 Vgl. Fey (1999), S. 190ff. 153 Vgl. Penrose (1995), S. 30. 150
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Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Vor diesem Hintergrund können aus dem allgemeinen Wachstumsziel die folgenden Unterziele abgeleitet werden: 1.
Kontinuierliche Erlösströme zusätzlich zum bisherigen Kerngeschäft zu generieren.
2.
Bisherige Erlösströme im Kerngeschäft durch Synergien und Ausstrahlungseffekte zu steigern.
3.
Bisherige Erlösströme im Kerngeschäft keinesfalls durch neue Aktivitäten zu beschädigen.
4.
Grundlagen für weitere Wachstumspotenziale zu schaffen.
Wachstumsstrategien sollen im Folgenden anhand dieser vier Dimensionen des Wachstums gemessen werden. Im Hinblick auf die Art der möglichen Wachstumsstrategien selbst kennt die Literatur eine Vielzahl von Unterscheidungen154. Eine einfache Systematik bieten Wheelen/Hunger, die zwei grundlegende Wege unterscheiden, um Wachstum zu erzielen155: Die Konzentrationsstrategie und die Diversifikationsstrategie. Erstere beinhaltet die Forcierung der Aktivitäten im bisherigen Kerngeschäft und komme immer dann in Frage, wenn die derzeitigen Produktlinien sich in Märkten befinden, die weiteres Wachstumspotenzial aufweisen. Dies ist, wie in Kapitel 3 umfassend beschrieben wurde, in dem Umfeld deutscher Medienunternehmen nicht der Fall. Vielmehr erodiert das Geschäft.
154 155
Vgl. Kapitel 4.1.1, S. 61. Vgl. hierzu und im Folgenden Wheelen/Hunger (1999), S. 134ff.
Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
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Daher ist hier die Diversifikationsstrategie die relevante Kategorie innerhalb der Wachstumsstrategien. Diversifikationsstrategien sind typischerweise in Industrien anzutreffen, die reif sind und deren Wachstumspotenzial sich im Kerngeschäft erschöpft hat156. Analog formulieren auch Roberts/Berry: "Entry into new product-markets, which represents diversification for the existing firm, may provide an important source of future growth […]."157
Der Begriff der Diversifikation wurde sehr unterschiedlich verwendet und z.B. Ansoffs Definition158 weicht von der dargestellten nach Wheelen/Hunger ab159. Der Kerngedanke ist jedoch eindeutig: Um Wachstum zu erzielen, kann dieses entweder aus bestehendem Geschäft gewonnen werden ("Konzentrationsstrategie") oder neue Geschäftsfelder müssen geschaffen werden. Letztere Wachstumsstrategie ist aufgrund der ausführlich dargestellten Marktsituation bei deutschen Printmedien die weitaus bedeutsamere Strategieoption. Sie wird von nun an den Rahmen der vorliegenden Arbeit bilden. Im Kontext der Strategieoptionen muss aber auch und gerade vor dem hier gegebenen Markthintergrund betont werden, dass die reine Addition neuer Geschäftsfelder nur ein Zwischenstadium darstellen kann. Sollte sich die Umsatzerosion im Markt für Printmedien weiter fortsetzen, so ist nicht auszuschließen, dass eines der neuen Geschäftsfelder eines Tages zum neuen Kerngeschäft erwächst. Die Wissenschaft hat diese Wanderungs- bzw. Konvergenzbewegungen von Unternehmen bzw. Märkten unter dem Begriff "Business-Migration" untersucht160. In dem hier betrachteten Kontext der Medien würde dieses bedeuten, dass ein Unternehmen, das bisher Zeitungs- oder Zeitschriftenproduktion als Kerngeschäft betreibt, über den Zwischenschritt des ressourcenbasierten Aufbaus eines neuen Geschäftsfeldes einen den bisherigen Aktivitäten naheliegenden Markt (z.B. Nachrichten im Internet) erschließt, der sukzessive zum neuen Kerngeschäft wird. Dieser Schritt der "Business-Migration" scheint jedoch in der 156
Vgl. Wheelen/Hunger (1999), S. 135. Roberts/Berry (1985), S. 3. 158 Vgl. Ansoff (1957), S. 2. 159 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 4.1.1.1. 160 Vgl. z.B. Pauls (1998), S. 3 und Heuskel (1999), S. 16. Für eine umfassende Darstellung des Forschungszweiges "Business-Migration" siehe auch Schmid/Wirtl (2002), Zook/Seidensticker (2004), Pechlaner/Matzler (2001). 157
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Geschäftsmodell, Ressourcenbasis und Marktsituation von Printmedienunternehmen
Medienindustrie aufgrund des sehr langfristig gewachsenen Charakters der gedruckten Erzeugnisse nur sehr langsam abzulaufen. Dennoch unterstreicht auch Heinrich explizit die zu den Wachstumsstrategien komplementäre Schrumpfung des früheren Kerngeschäftes: Zeitungsverlage sollten "[…] zum einen rechtzeitig Wachstumsfelder der Wirtschaft besetzen und komplementär Schrumpfungsstrategien für das stagnierende klassische Zeitungsgeschäft entwickeln und zum anderen in der Auswahl der Wachstumsfelder auf ihre entwickelten Kernkompetenzen setzen."161
3.6 Zusammenfassung Kapitel 3 widmete sich dem Wachstumsdruck in der Medienindustrie und weiteren Rahmenbedingungen, die als Kontextfaktoren für die Diversifikationsaktivitäten Relevanz erlangen können. Aus diesem Grund wurden zuvorderst die Untersuchungsobjekte Zeitungen und Publikumszeitschriften definiert und ein Überblick über Marktstruktur und Ressourcenbasis gegeben. Weiterhin wurde diskutiert, dass Medien sehr spezielle Wirtschaftsgüter sind und es aufgrund der gesellschaftspolitischen Rolle auch möglich wäre, dass die publizistische Ausrichtung vor ökonomische Ziele gestellt wird. Sind ökonomische Ziele an vorderster Stelle, so bilden bisher erreichte Umsatz- und Renditeniveaus eine Minimalforderung der Eigentümer (These 1). Um zu klären, welches primäre Ziel bei den Verlagen vorliegt, wurde die Branchenstruktur analysiert und in den Thesen (2) und (3) festgestellt, dass die Besitzstruktur gekoppelt mit der Finanzierungssituation es wenig wahrscheinlich macht, dass ökonomische Ziele hinter andere gestellt werden. Es existieren allerdings auch Zweifelsfälle, wie die in Stiftungsbesitz befindliche Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Publikationen von Verlagen, die zum Besitz der parteinahen DDVG gehören. Im Anschluss wurde mittels einer Analyse der Branchenentwicklung argumentiert, dass Medienunternehmen tatsächlich einem hohen Wachstumsdruck unterliegen: Einerseits ist es den Printmedien nicht gelungen, an der umfänglichen Ausweitung des Medienkonsums zu partizipieren (These 4). Andererseits sahen sich Zeitungen und Zeitschriften im letzten Jahrzehnt dramatischen Um161
Heinrich (2001), S. 262.
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satzrückgängen ausgesetzt (Thesen 5 und 6). Hiervon sind beide Umsatzsäulen gleichermaßen betroffen. Sowohl die Werbeerlöse als auch die Vertriebserlöse sind deutlich gesunken. Im letzten Teil des Kapitels wurde das Wachstumsziel mit der hier vor allem relevanten Wachstumsstrategie verknüpft, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Möglichkeiten des Wachstums wurden in vier Dimensionen untergliedert. Im Folgenden werden jegliche Wachstumsstrategien daran gemessen, ob sie langfristig profitables Umsatzwachstum erzielen, indem sie zusätzliche Erlösströme generieren (1), durch Ausstrahlungseffekte auf das bisherige Kerngeschäft hier zusätzliche Erlöse generieren (2), das bisherige Kerngeschäft nicht beschädigen (3) sowie den Grundstein für weitere Wachstumsaktivitäten (4) legen.
60
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
4 Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum Das vorliegende Kapitel spannt den theoretischen Rahmen für die Art und Weise der Umsetzung hier relevanter Wachstumsstrategien auf. Dieser Rahmen wird, wie weiter oben bereits beschrieben162, die exploratorischen Beobachtungen leiten163. Er ist insbesondere deshalb hilfreich, weil er die Breite des betrachteten Phänomens absteckt, die wesentlichen Elemente priorisiert und teilweise bereits Hypothesen liefert, die in die empirische Forschung übernommen werden können. Es wird sich zeigen, dass kein einzelnes Modell und nicht einmal eine theoretische Strömung die in der Einleitung thematisierten Phänomene ganzheitlich erfassen und einen Handlungsleitfaden liefern kann. Der ganzheitliche Bezugsrahmen wird daher aus mehreren Forschungszweigen in einem zweistufigen Verfahren aufgebaut: In der ersten Stufe werden die relevanten Forschungsrichtungen überblicksartig dargestellt und ein integrierendes Modell wird abgeleitet. Dieses liefert die Eingrenzung und Untergliederung für die Frage, welche Ressourcen für den Erfolg neuer Produkte in der Medienindustrie absehbar notwendig sind und im Sinne eines ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder im Vordergrund stehen. Dieses Modells eröffnet die Möglichkeit, Kernhandlungsfelder für den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess abzuleiten. In diese Kernhandlungsfelder lassen sich in einer zweiten Stufe weitere Forschungsergebnisse einbetten, die entweder direkt einer Unterdisziplin der Betriebswirtschaftslehre (z.B. Marketing, Organisation etc.) oder der Forschung zu den Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung neuer Produkte entstammen. Das Kapitel wird mit den Leitfragen für die empirische Forschung abgeschlossen, die sich aus dem Bezugsrahmen ergeben.
162 163
Vgl. Abb. 2-2, S. 12. Vgl. Kirsch (1984), S. 752.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
61
4.1 Übersicht über die Forschungslage In diesem Unterkapitel wird ein Überblick über die Forschungslage der hier relevanten Forschungsströmungen gegeben. Dies ist zum einen die Diversifikationsforschung, die einen Beitrag zur Strukturierung liefert und den Rahmen der Wachstumsstrategie absteckt. Dieser Forschungszweig muss um die ressourcenbasierte Perspektive ergänzt werden, die in die Innovationsforschung bzw. die Forschung über die Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung neuer Produkte überleitet. Daneben wird auch die Forschung zur Medienökonomie im hier relevanten Kontext angesprochen, um die Branchenspezifika zu berücksichtigen. Andere Forschungszweige wie beispielsweise die Organisationsforschung und die Marketingforschung werden an dieser Stelle aus Umfangsgründen nicht separat dargestellt. Vielmehr werden die jeweiligen Forschungsergebnisse bei den entsprechenden (in Kapitel 4.2 hergeleiteten) Kernhandlungsfeldern einbezogen. 4.1.1 Diversifikationsforschung Da es sich bei der Diversifikationsforschung um einen der ältesten und bedeutendsten Forschungszweige in der Managementforschung handelt, soll ein kurzer Überblick über Historie und status quo dieses Forschungszweiges gegeben werden. Hieraus werden auch die Grenzen und Limitationen deutlich, die es notwendig machen, weitere Theorien für die hier thematisierte Fragestellung heranzuziehen. Weiterhin lassen sich die im Weiteren verwendeten Gestaltungsregeln für die Definition der Wertschöpfungstiefe neuer Geschäftsfelder ableiten. 4.1.1.1 Forschungsüberblick zur Diversifikation Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich die Diversifikationsforschung zu einem zentralen Gegenstand der Managementforschung entwickelt164. Die naheliegende erste Frage, die im vorliegenden Kontext der Medienindustrie nahezu aktuell klingt, findet sich bei Gutenberg:
164
Vgl. Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 523; Fey (1999), S. 62.
62
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
"Warum gibt es Unternehmen, die mehr als eine Erzeugnisart herstellen? Warum jene breiten Produktprogramme, die eine Vielzahl von Erzeugnisarten enthalten?"165
Diese Frage wurde aus den unterschiedlichsten Perspektiven beantwortet166. So liefert der Transaktionskostenansatz eine Erklärung167. Gleiches gilt für die Überschussressourcentheorie168 sowie für bewertungstheoretische und managertheoretische Ansätze. Aber auch der Zufall kann ein Grund für Diversifikation sein, wenn diese schlichtweg aus einem opportunistischen Ausnutzen sich bietender Gelegenheiten erwächst169. Seit den ersten Tagen dieser Forschungsrichtung haben ihrer Bedeutung entsprechend prominente Autoren wie Penrose, Ansoff, Chandler und Rumelt die Diversifikation thematisiert170. Gemeinhin werden bei der Unternehmensdiversifikation der Prozess und der Zustand unterschieden171. Ersterer fasst die Erweiterung der Aktivitäten in neue Bereiche (Produkte oder Märkte) ins Auge. Im Hinblick auf den Zustand werden Unternehmen vor allem nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsfelder zueinander nach erfolgtem Diversifikationsprozess unterschieden. Der Zustand wird gelegentlich mit "Diversität" statt "Diversifikation" bezeichnet172. Die Definition von Diversifikation wurde im Zeitverlauf weiterentwickelt. So definierte Gort die Diversifikation durch die Heterogenität der Outputs von Unternehmen und analysierte Kreuzelastizitäten von Nachfrage, um dieses Konstrukt zu messen173. Für Berry stellt Diversifikation einen Anstieg der Anzahl der bearbeiteten Industrien dar174, wobei die Begrifflichkeit von "industries" durch Pitts/Hopkins hin zu "businesses" verschoben wurde175.
165
Gutenberg (1964), S. 668. Vgl. für eine Übersicht der unterschiedlichen Erklärungsansätze Fey (1999), S. 69ff. 167 Vgl. z.B. Langolis (1992). 168 Vgl. Penrose (1995), S. 67 und Montgomery/Wernerfelt (1988). 169 Vgl. Stahl (2000), S. 150. 170 Vgl. entsprechend grundlegend Penrose (1995), Ansoff (1965), Chandler (1976), Rumelt (1974). 171 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hutzschenreuter (2003), S. 203. 172 Vgl. Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 525. 173 Vgl. Gort (1962), S. 23f. 174 Vgl. Berry (1975), S. 62. 175 Vgl. Pitts/Hopkins (1982), S. 620f. 166
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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Im Hinblick auf die Prozessperspektive wird in dieser Arbeit der Definition von Ramanujam/Varadarajan gefolgt, die die Änderungen in den administrativen Strukturen, Systemen und Prozessen betonen: "[…] diversification is defined as the entry of a firm or business unit into new lines of activity, either by processes of internal business development or acquisition, which entail changes in its administrative structure, systems, and other management processes."176
Diese Definition weist die Besonderheit auf, begrenzter zu sein als andere. Einfache Erweiterungen der Produktlinien, wie sie als sogenannte "Line-Extensions" auch oft in der Medienindustrie anzutreffen sind177, fallen nicht unter den Begriff der Diversifikation. Analog werden für die folgende Arbeit auch die "neuen Geschäftsfelder" definiert, die den Schwerpunkt der in dieser Arbeit thematisierten Wachstumsstrategien bilden. So kann als Definition formuliert werden: Es handelt sich um ein neues Geschäftsfeld, wenn administrative Strukturen, Systeme oder Managementprozesse gegenüber dem bisherigen Kerngeschäftsfeld deutlich verändert sind. Die Kausalkette zwischen Diversifikation und Erfolg ist eine der am umfassendsten untersuchten Fragestellungen innerhalb der Managementforschung und wird stets mit dem besonderen Fokus eines oder mehrerer Einzelaspekte untersucht178. Mehrere Meta-Analysen haben sich den verschiedenen Strömungen innerhalb der Diversifikationsforschung gewidmet179. Im Zentrum der Forschung steht die Analyse der Kausalbeziehung zwischen Diversifikationsgrad (d.h. Verwandtschaft der Geschäftsfelder), der entsprechend typisiert wurde, und Erfolg180. Daneben wurden aber auch der Prozess der Diversifikationsentscheidung, die Umsetzung des Diversifikationsprozesses (hier liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit) und das Management des diversifizierten Unternehmens
176
Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 525. Vgl. Doyle (2002), S. 135f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Hutzschenreuter (2003), S. 202. 179 Vgl. vor allem Ramanujam/Varadarajan (1989) und im deutschsprachigen Raum Schüle (1992) und Fey (1999). 180 Vgl. Hutzschenreuter (2003), S. 202. 177 178
64
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
betrachtet. Diese wesentlichen Stoßrichtungen der Diversifikationsforschung fasst Abb. 4-1 zusammen181. Abb. 4-1:
Bedeutsame Strömungen empirischer Diversifikationsforschung Rahmenbedingungen
Diversifikation • • • •
Erfolg
Diversifikationsgrad bzw. Diversifikationstyp Prozess der Diversifikationsentscheidung Umsetzung des Diversifikationsprozesses Management des diversifizierten Unternehmens
Rahmenbedingungen Quelle: Eigene Darstellung nach Hutzschenreuter (2003), S. 207
Für die hier relevante Ressourcenperspektive ist die Verbindung zwischen Altund Neugeschäft sehr relevant. Zwar müssen definitionsgemäß die neuen Geschäftsfelder Änderungen in den Strukturen und Prozessen nach sich ziehen, aber der Grad dieser Veränderung ist offenbar bedeutsam. Rumelt war der erste, der den Erfolg von verschieden stark verbundenen Diversifikationstypen untersuchte. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit verbundenen Geschäftsfeldern erfolgreicher sind als andere Unternehmen182. In der Folge wurden unzählige Studien analoger Fragestellung angefertigt183, die jedoch nicht zu konsistenten Resultaten gekommen sind184, weshalb
181
Für eine detailliertere Übersicht der Forschungsfelder, die hier aber keinen Mehrwert erbringt, vgl. Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 526. Vgl. Rumelt (1974), S. 123f. 183 Für eine Übersicht vgl. z.B. Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 529; Hutzschenreuter (2003), S. 202; Fey (1999), S. 109ff. 184 Vgl. z.B. Schüle (1992), S. 161. 182
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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die gesamte Forschungsrichtung oft auch als nicht reif bezeichnet wird.185 Pointiert formulieren dies Datta/Rajagopalan/Rasheed: "The review presented […] indicates that after almost 25 years of fairly intense research and investigation, very little can be said with certainty on the diversificationperformance relationship."186
Auch die Gründe für die heterogenen Ergebnisse wurden oft diskutiert. So ist die Messung der Verbundenheit zwischen Geschäftsfeldern ein zentrales Problem und erfolgt in den einzelnen Studien höchst unterschiedlich187. Fey sieht gravierende Probleme der empirischen Forschung zum Diversifikationserfolg188, die sich sowohl auf das methodische Vorgehen als auch das Strategieverständnis beziehen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dieser Zweig der empirischen Forschung bisher nicht zu den gewünschten eindeutigen Ergebnissen geführt hat. Eine im Zusammenhang der Arbeit aus dieser Forschungsrichtung jedoch nutzbare Strukturierung des Diversifikationszustandes, die sich an die gewählte Definition neuer Geschäftsfelder anlehnt, liefert Hutzschenreuter189: Er schlägt vor, entsprechend der Gleichheit der Wertschöpfung bzw. der externen Beziehungen zwischen alten und neuen Geschäftsfeldern eine konzentrische, relationale und konglomerate Diversifikation zu unterscheiden. Eine Übersicht gibt Abb. 4-2.
185
Vgl. Hutzschenreuter (2003), S. 202. Datta et al. (1991), S. 545. 187 Für eine grundlegende Darstellung der Messung des Diversifikationsgrades und der damit einhergehenden Herausforderungen vgl. Fan/Lang (2000), Nayyar (1992) sowie Wulf (2005), S. 9ff. und Fey (1999), S. 35ff. Eine Erörterung der verschiedenen Möglichkeiten zur Messung der Diversifikation unterbleibt hier aus Umfangsgründen, da die Feststellung des Diversifikationsgrades in dieser Arbeit nur einen Randbereich darstellt. 188 Vgl. Fey (1999), S. 3 189 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hutzschenreuter (2003), S. 204ff. 186
66
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Abb. 4-2:
Strukturierung von Diversifikation
Abnehmende Verwandtschaft der externen Beziehungen und internen Wertschöpfung
Konzentrische Diversifikation
• •
Große Verwandtschaft der Wertschöpfung Identische externe Beziehungen
Konglomerate Diversifikation
Relationale Diversifikation
• •
Ähnlichkeit der Wertschöpfung (ggf. voroder nachgelagert) Ähnliche externe Beziehungen
• •
Geringe o. keine Verwandtschaft der Wertschöpfung Unterschiedliche ext. Beziehungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hutzschenreuter (2003), S. 205
Die konzentrische Diversifikation bezeichnet sämtliche neue Produkt-/Marktkombinationen, die eine große Verwandtschaft in den externen Beziehungen und internen Leistungsprozessen der Wertschöpfungskette aufweisen. Kunden und Wettbewerber sind hier zumeist die gleichen wie im Kerngeschäft. Die Gleichartigkeit der Geschäfte bringt Effizienzvorteile mit sich, aus denen Wettbewerbsvorteile erwachsen. Die relationale Diversifikation ist ein Zustand, in dem zwar unterschiedliche externe Beziehungen und unterschiedliche interne Leistungsprozesse vorliegen, die Führungsverantwortung aber sehr ähnlich gelagert ist, weil die Kunden und Wettbewerbsanforderungen zwar nicht gleich, so aber doch ähnlich sind. In diese Kategorie fällt auch die Integration vor- oder nachgelagerter Aktivitäten in der Wertschöpfungskette. Die konglomerate Diversifikation bezeichnet eine Variante, in der – wenn überhaupt – lediglich eine sehr geringe Verwandtschaft von externen Beziehungen und interner Wertschöpfung besteht. Diese unterschiedlichen Arten haben verschiedene Konsequenzen, in denen auch die entsprechende Wahl der Strategieoption begründet liegt190. Kann mit 190
Vgl. hierzu und zum Folgenden Fey (1999), S. 24ff.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
67
der konglomeraten Diversifikation eine Risikostreuung gegen unvorhergesehene, negative Marktentwicklungen in einzelnen Märkten vorgenommen werden, so stehen bei der relationalen bzw. konzentrischen Diversifikation die entsprechenden Synergievorteile an erster Stelle. Bereits bei der Marktanalyse der Medienindustrie in Kapitel 3 konnten keine Anzeichen für ein Auftreten konglomerater Konzerne festgestellt werden. Diese Hypothese wird in Kapitel 5.1 erneut überprüft, jedoch fokussiert die vorliegende Arbeit auf die neuen Geschäftsfelder, die aus einer konzentrischen bzw. relationalen Diversifikation hervorgehen. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten der Diversifikation kann auf Basis der oben dargestellten Wertkette vorgenommen werden. Bei allen neuen Geschäftsfeldern, in denen eine journalistische Wertschöpfung beinhaltet ist (z.B. Online-Aktivitäten) wird im Folgenden der Begriff der konzentrischen Diversifikation genutzt. Ist eine solche Wertschöpfung nicht zentraler Bestandteil der Aktivitäten, wird von relationaler Diversifikation gesprochen. Die erfolgreiche Umsetzung des Prozesses einer Diversifikation bzw. des Aufbaus neuer Geschäftsfelder (vgl. erneut Abb. 4-1), die im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht, ist deutlich weniger erforscht als die bisher dargestellten Zusammenhänge191, wie schon bei der Beschreibung der Forschungslücke festgestellt worden ist. Einzelne Studien in diesem Kontext haben den "Fit"192 zwischen verschiedenen Diversifikationsstrategien und dem Organisationsdesign im Sinne einer Kontingenzforschung für den Diversifikationserfolg untersucht193 und werden an passender Stelle einbezogen. Ein ganzheitliches, konzeptionelles Modell für den Diversifikationsprozess mit den Anforderungen im Fokus, die die Implementierung an das handelnde Management stellt, wurde jedoch nicht aufgestellt. Diese Lücke betonen auch Ramanujam/Varadarajan explizit:
191
Vgl. hierzu und zum Folgenden Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 528 und S. 543 sowie Gupta/Govindarajan (1984), S. 25. 192 Die alternativen deutschen Begriffe "Übereinstimmung", "Passform" oder "Passgenauigkeit" scheinen weniger geeignet, den Zusammenhang zu bezeichnen, daher wird im weiteren "Fit" verwendet. 193 Vgl. z.B. Gebert (1983), Donaldson (1987), Hill/Hoskisson (1987), Hoskisson (1987), Markides/Williamson (1996).
68
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
"Only a handful studies have directly examined the issue of how firms implement diversification strategies, and fewer still are studies that explore the performance consequences of different approaches to implementation."194
Selbst diese wenigen Studien helfen bis auf einzelne Ausnahmen195 an dieser Stelle nicht, weil sie sich zumeist auf unverbundene, konglomerate Diversifikation beziehen196. Um die notwendigen theoretischen Grundlagen für diese Arbeit darstellen zu können, wird es daher im Folgenden wie geplant nötig sein, über die Diversifikationsforschung hinauszublicken. Im heutigen status quo ist die Bedeutung der Diversifikationsforschung insgesamt unstrittig. Dies liegt einerseits an den oben skizzierten offenen Fragestellungen und andererseits an der enormen Bedeutung für die Unternehmenspraxis197. In kaum einer anderen Managementthematik lässt sich mit Blick auf die praktische Realisierung eine derartige Pendelbewegung konstatieren: War es bis Mitte der 80er Jahre für Unternehmen gängige Praxis, sich möglichst diversifiziert zu organisieren198, so wandelte sich diese Einstellung im Zuge der Diskussion um Kernkompetenzen199. Hinzu kam das Bewusstsein, dass an den Kapitalmärkten konglomerate Strategien nicht geschätzt werden. Vielmehr werden entsprechende Unternehmen mit Abschlägen auf den Unternehmenswert ("conglomerate discount") bewertet200. So ist zumindest die konglomerate Diversifikation in Verruf geraten und Unternehmen haben oftmals ihre Portfolios umfassend bereinigt. Aber auch innerhalb dieses Trends ist bereits eine Gegenbewegung erkennbar. So wurden Kontingenzfaktoren für den "conglomerate discount" gefunden201, ein positiver Effekt auf die Renditen der diversifizierten Unterneh-
194
Ramanujam/Varadarajan (1989), S. 543. Gupta/Govindarajan (1984) betrachten kontingenztheoretisch den Implementationserfolg und die Charakteristika des verantwortlichen Managers und Gary (2005) die Notwendigkeit, "organisational slack" zu erhalten. Die Ergebnisse werden untenstehend in Kapitel 4.2, S. 123ff. einbezogen. 196 Vgl. z.B. Leontiades (1986), Dundas/Richardson (1982). 197 Vgl. Hutzschenreuter (2003), S. 202. 198 Vgl. für die unterschiedlichen Wirtschaftsräume z.B. Rumelt (1986), S. 51; Channon (1973), S. 67; Dyas/Thanheiser (1976), S. 72. 199 Vgl. Prahalad/Hamel (1990). 200 Vgl. hierzu grundlegend Hungenberg (2004), S. 466ff., sowie exemplarisch Markides (1995), S. 102f. 201 Vgl. Shulman (1999). 195
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
69
men nachgewiesen202 und (verbundene203) Diversifikation als einzige Option für Wachstum in stagnierenden Märkten betont204. Speziell die letztere Sicht wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund des fokussierten Realphänomens geteilt. 4.1.1.2 Relevante Typen neuer Geschäftsfelder und Definition der Wertschöpfungstiefe Die Diversifikationsforschung ermöglicht es, die für diese Arbeit relevanten Typen neuer Geschäftsfelder zu identifizieren. Allerdings herrscht zu entsprechenden strukturellen Unterscheidungen terminologische Konfusion205. Es soll daher an dieser Stelle weder darum gehen, jede bislang erfolgte Strukturierung nachzuzeichnen noch der Konfusion eine neue Terminologie hinzuzufügen. Vielmehr soll für die die neuen Geschäftsfelder in der Medienbranche ein pragmatischer Rahmen gefunden werden. Mit Ansoff und somit dem Beginn der Forschung zum strategischen Management lässt sich der Aufbau neuer Geschäftsfelder danach strukturieren, ob neue Märkte206, neue Produkte oder beides adressiert werden. Die vier verschiedenen Strategien sind entsprechend benannt (vgl. Abb. 4-3)207.
202
Vgl. Moje et al. (2007). D.h. konzentrische und relationale Diversifikation. 204 Vgl. Daniels/Seeliger (2006). 205 Vgl. Reed/Luffman (1986), S. 29. 206 Märkte sind in diesem Zusammenhang sowohl über die Geographie als auch über die Kundengruppen zu definieren. 207 Vgl. Ansoff (1957), S. 2. 203
70
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Abb. 4-3:
Produkt-Markt-Strategien für Wachstum
Alt
Marktpenetration
Marktentwicklung
Neu
Produktentwicklung
Diversifikation
Alt
Neu
Produkte
Märkte
Quelle: Eigene Darstellung nach Ansoff (1957), S. 2
In der Übertragung auf die Medienunternehmen handelt es sich bei der "Marktentwicklung" typischerweise um Internationalisierungsstrategien208, bei denen das Kerngeschäft in einem anderen regionalen Markt repliziert wird. Die "Marktpenetration" entspricht der oben dargestellten "Konzentrationsstrategie" und kann bei Medien vorgefunden werden, wenn Unternehmen versuchen, Leser- bzw. Anzeigenmärkte noch intensiver zu bearbeiten. Die "Produktentwicklung" trifft auf die in der Einleitung beschriebenen Aktivitäten zu, deren Ergebnis verlagsnahe bzw. verlagsferne Zusatzprodukte sind. Der Markt ist sowohl im Hinblick auf die bearbeitete Region (zumeist Deutschland bzw. die deutschsprachigen Länder) als auch auf die Zielgruppe (Zielgruppe der Zeitung) "alt". Die "Diversifikation" umfasst ähnliche Maßnahmen, allerdings werden neue geografische Märkte (z.B. bisher wenig bearbeitete Regionen Deutschlands) oder neue Zielgruppen (z.B. unterrepräsentierte Teilgruppen der Zeitungszielgruppe wie z.B. Kinder oder Frauen) anvisiert.
208
Vgl. für Internationalisierungsstrategien von Medien grundlegend Schroeder (1994).
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
71
Die Definition Ansoffs, nach der Diversifikation nur bei neuen Märkten und neuen Produkten vorliegt, wurde später von ihm selbst erweitert209. Auch die Produktentwicklung zählte nun zum Bereich der Diversifikation. Dies deckt sich mit der oben dargestellten Prozessdefinition für Diversifikation, denn nur für die unteren beiden Matrixfelder verändern sich die notwendigen administrativen Prozesse und Strukturen signifikant. Bei den beiden anderen Feldern handelt es sich eher um eine Intensivierung bzw. Replikation der bestehenden Prozesse und Strukturen. Der Fragestellung bzw. dem in dieser Arbeit betrachteten Phänomen und den bisherigen Definitionen folgend werden daher neue Geschäftsfelder untersucht, bei denen zumindest die Produktkategorie "neu" ist210. Hieraus ergibt sich auch die Möglichkeit, die Ergebnisse der Innovationsforschung und der Forschung zur erfolgreichen Entwicklung neuer Produkte einzubeziehen, denn für diese Arbeit bedeutet der Aufbau neuer Geschäftsfelder von nun an auch immer die Entwicklung neuer Produkte. Eine weitere Strukturierungsebene bei der Realisierung der Diversifikation entspringt der Frage, ob diese durch den internen Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes oder durch Akquisition erfolgt. Fey unterteilt entsprechend in interne und externe Diversifikation, kommt aber nach Auswertung sämtlicher Studien zu dem Schluss, dass kein allgemeiner Zusammenhang zwischen dieser Art der Diversifikation und Erfolg zu bestehen scheint211. Dennoch sind die Konsequenzen unterschiedlicher Erschließungsarten neuer Geschäftsfelder für die Praxis relevant und Gestaltungsregeln somit notwendig. Mit Blick auf das thematisierte Realphänomen zeigt sich jedoch, dass es sich keinesfalls um eine "Entweder-oder"-Fragestellung handelt. Die "Make-orbuy"-Entscheidung für neue Geschäftsfelder führt vielmehr im betrachteten Kontext zu einem Kontinuum an Möglichkeiten: So kann in neue Produkte durch Markenlizensierung genauso diversifiziert werden, wie dies durch eine Akquisition oder den kompletten Eigenaufbau eines neuen Geschäftsfeldes möglich ist. 209
Vgl. hierzu und zum Folgenden Ansoff (1965), S. 132. Die Fokussierung der Produktdimension ist auch in der Diversifikationsforschung nicht unüblich, um ein handhabbares Forschungsfeld bearbeiten zu können, wie Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 215 betonen. 211 Vgl. Fey (1999), S. 131 und 147. 210
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Diese Sicht findet sich in der Strukturierung von Roberts/Berry wieder. Entsprechend der Forderung, Kontingenzfaktoren zu ermitteln, führen die Autoren ein um eine Dimension erweitertes Konzept ein. So kann die benötigte Marktkenntnis bzw. die im Produkt verkörperte Technik bzw. der Service für die neuen Geschäftsfelder nicht nur neu ("newness") oder alt sein. Vielmehr kann sie auch neu aber dennoch verwandt bzw. vertraut ("familarity")212 sein, obwohl sich diese Vertrautheit nicht in bestehenden Produkten ausdrückt213. Somit gelingt der Brückenschlag der Diversifikationsforschung zur ressourcenorientierten Perspektive, denn nur aus der Ressourcenbasis kann sich die Vertrautheit ergeben. Die folgenden Dimensionen können in Hinblick auf den Markt bzw. das Produkt somit unterschieden werden: Die Neuheit der Technik bzw. des Service bezeichnet den Grad, zu dem die Technik oder der Service bislang nicht in Produkten des Unternehmens verkörpert ist. Die Neuheit des Marktes bezeichnet den Grad, zu dem das Unternehmen bestehende Produkte für die jeweilige Zielgruppe im entsprechenden Gebiet bislang gezielt angeboten hat. Die Vertrautheit mit der Technik stellt den Grad dar, zu dem das Wissen über die Technik innerhalb des Unternehmens existiert – wobei dieses nicht notwendigerweise bereits in Produkten verkörpert sein muss. Die Vertrautheit mit dem Markt bezeichnet entsprechend die Kenntnis über Märkte, ohne dass diese bislang gezielt mit Produkten bearbeitet worden sein müssen. Die genannten Unterscheidungen können zusammengenommen wie in Abb. 4-4 dargestellt werden:
212
213
Im Folgenden wird den üblichen Wörterbüchern folgend der Begriff "familiarity"' mit "Vertrautheit" übersetzt. Vgl. hierzu und zum Folgenden Roberts/Berry (1985), S. 3.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Anvisierter Markt
Abb. 4-4:
73
Vertrautheits-Matrix zur Kategorisierung neuer Geschäftsfelder
Neuheit
Vertrautheit
Neu
Unvertraut
Neu
Vertraut
Bekannt
Vertraut
Neuheit
Bekannt
Neu
Neu
Vertrautheit
Vertraut
Vertraut
Unvertraut
Im Produkt verkörperte Technik/Service Zunehmende Nähe zum bisherigen Kerngeschäft
Quelle: Eigene Darstellung nach Roberts/Berry (1985), S. 7
Die Autoren formulieren nun kontingenztheoretisch, welche Art des Eintritts in neue Geschäftsfelder zu welcher Situation passt214. Die möglichen Optionen sind: Interne Entwicklung: Hierbei werden umfassend die existierenden Ressourcen genutzt. Akquisition: Durch den Aufkauf eines kompletten Unternehmens wird ein schneller Eintritt in einen neuen Markt oder in ein neues Produktportfolio realisiert. 214
Vgl. hierzu und zum Folgenden Roberts/Berry (1985), S. 5ff.
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
-
Lizensierung: Durch den Einkauf von einzelnen Technologien oder Produktbestandteilen kann ebenfalls ein schneller Markteintritt erreicht werden, ohne sämtliche Integrationsprobleme einer kompletten Akquisition tragen zu müssen. Allerdings erfolgt der Zugang zu Fähigkeiten in entsprechend engen Grenzen. Interne Ventures: Ähnlich einer Eigenentwicklung erfolgt der Aufbau des neuen Geschäftsfeldes unter dem Dach des bestehenden Unternehmens. Allerdings wird der neue Geschäftsbereich frühzeitig ausgegliedert, um Nachteile der unternehmensinternen Bürokratie zu verhindern. Joint Ventures/Allianzen: Hierbei werden ein neuer Markt oder ein neues Produktportfolio gemeinsam mit anderen Unternehmen mit möglichst komplementären Fähigkeiten und Ressourcen erschlossen. Auftreten als Venture-Capital-Geber: In dieser Form wird durch das Auftreten als Venture-Capita-Geber ein Fenster zu innovativen Neugeschäften geöffnet, durch das aufgrund des Beteiligungsverhältnisses auch Informationen an das kapitalgebende Unternehmen fließen. Know-how-Aufkauf: Hierbei handelt es sich meist um kleinere Akquisitionen, die vor allem erfolgen, um die Fähigkeiten entsprechender Fachkräfte und Entrepreneurs zu integrieren. Diese Optionen werden als Gestaltungsregeln für die verschiedenen Neuheits-/ Vertrautheits-Konstellationen eingebracht215. Hieraus ergibt sich die Abb. 4-5216.
215
Für die Vor- und Nachteile der Optionen im Hinblick auf einen Markteintritt vgl. Roberts/Berry (1985), S. 8. 216 Zu beachten ist, dass durch den Zugewinn an Erfahrungen eine Bewegung der Unternehmensbereiche innerhalb der Matrix von oben rechts nach unten links stattfindet.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Anvisierter Markt
Abb. 4-5:
75
Alternative Normstrategien zum Eintritt in neue Geschäftsfelder
Neuheit
Vertrautheit
Neu
Unvertraut
Neu
Bekannt
VC-Geber, Know-howAkquisition
VC-Geber, Know-howAkquisition
Vertraut
Internes Interne Venturing, Entwicklung, Akquisition, Akquisition Lizensierung
VC Geber, Know-howAkquisition
Vertraut
Interne "New Style" Interne Entwicklung, Joint Entwicklung Akquisition, Ventures Lizensierung
Joint Ventures
Neuheit
Bekannt
Neu
Neu
Vertrautheit
Vertraut
Vertraut
Unvertraut
Im Produkt verkörperte Technik/Service Quelle: Eigene Darstellung nach Roberts/Berry (1985), S. 13
Bereits der in der Einleitung gegebene Überblick über das Phänomen legt nahe, dass die in der Medienindustrie durchgeführten Wachstumsaktivitäten tatsächlich ressourcenbasiert erfolgen, auch wenn diese Hypothese im Kapitel 5.1 noch empirisch untersucht wird. Daher fokussiert die Arbeit auf alle dargestellten Optionen des Aufbaus neuer Geschäftsfelder mit einem gewissen Eigenanteil der Wertschöpfung und will kein Handlungsmodell für die komplette Akquisition von neuen Geschäftsfeldern geben.
76
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
4.1.2 Ressourcenbasiertheit beim Aufbau neuer Geschäftsfelder Die Literatur zum strategischen Management wurde in den letzten zwei Jahrzehnten stark von der ressourcenbasierten Sicht auf Unternehmen geprägt217. Das Unternehmen wird hierbei als Ansammlung von in dieser Ausprägung und Zusammensetzung einzigartigen Ressourcen verstanden. Die Rolle des Managements besteht darin, diese Ressourcen in Produkt-/Marktkombinationen einzusetzen, die einen langfristigen Wettbewerbsvorteil für das betreffende Unternehmen versprechen. Auf diesem Weg sollen die Potenziale einer Unternehmung effizient genutzt werden. Auch der Aufbau neuer Geschäftsfelder kann sich durch diese Potenziale leiten lassen, wie bereits angedeutet worden ist. Daher hob bereits Penrose die Bedeutung der Unternehmensressourcen für die Diversifikation hervor218. So betont Slater im Vorwort von Penroses Arbeit, dass Unternehmen dazu tendieren, in solche Felder zu diversifizieren, die Gemeinsamkeiten im technischen oder Marketingbereich mit dem bisherigen Kerngeschäft haben219. Rumelt analysierte erstmals die Verknüpfung von Diversifikation und einer Art von Ressourcenorientierung220. In seiner bedeutenden Studie erachtet er diejenige Diversifikationsart für erfolgreich, die auf der Basis einer engen Verbindung zwischen dem alten und neuen Geschäftsbereich existiert – in der hier gewählten Struktur also den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder. Auch viele der folgenden Studien verbanden die auf neue Aktivitäten übertragenen Ressourcen mit der Diversifikationsart221 und kamen zu dem Ergebnis, dass ressourcenbasierte Diversifikation ein erhöhtes Erfolgspotenzial aufweist222. Ein oftmals aufgestellter Zusammenhang legt nahe, dass es zu konzentrischer und 217
Vgl. hierzu und im Folgenden u.a. Acedo et al. (2006), S. 621; Mahoney/Pandian (1992), S. 363; Keller (2004), S. 245; Wernerfelt (1995), S. 171ff.; Knyphausen-Aufseß (1997), S. 452. 218 Vgl. Penrose (1995), S. 149 und so auch Knyphausen-Aufseß (1997), S. 470 und Hainzl (1987), wobei der im Ausblick dieser Arbeit geäußerten Hoffnung auf weitergehende empirische Untermauerung anhand von "Populationen von Unternehmen" (S. 269) in der vorliegenden Arbeit durch die empirische Betrachtung der Medienindustrie Rechnung getragen wird. 219 Vgl. Slater (1980), S. XX. 220 Vgl. hierzu und zum Folgenden Rumelt (1986), S. 123f. 221 Vgl. z.B. Chatterjee/Wernerfelt (1991), Chatterjee/Wernerfelt (1988). 222 Vgl. Montgomery/Wernerfelt (1988), S. 623; Dosi et al. (1992) und so auch Markides/Williamson (1994); Chiesa/Manzini (1997); Very (1993).
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
77
relationaler Diversifikation gerade durch den Überschuss bestehender Ressourcen kommt, die so effizienter eingesetzt werden können223. Da der ressourcenbasierte Ansatz (RBV) mittlerweile oft beschrieben worden ist, soll an dieser Stelle nur ein sehr kurzer Überblick über den Forschungszweig gegeben werden. Viel bedeutsamer ist die auf die Fragestellungen dieser Arbeit orientierte Begriffsklärung der verschiedenen in diesem Ansatz verwendeten Konstrukte. Weiterhin werden Modelle dargestellt, die dieser Strömung entstammen und die für diese Arbeit wertvoll sind. 4.1.2.1 Forschungsüberblick über den ressourcenbasierten Ansatz Ein Artikel von Wernerfelt224 bildet den Startpunkt, mit dem sich die Forschung von der industrieökonomischen Sicht225 zu einer stärkeren Orientierung der Potenziale des einzelnen Unternehmens hin entwickelt hat226. Die Grundthese darin ist, dass für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens nicht vor allem die Branchencharakteristika maßgeblich sind, sondern die Ressourcenausstattung, soweit diese Ressourcen unterschiedlich in den Unternehmen verteilt sind und mit ihnen ein Wettbewerbsvorteil zu erzielen ist227. Der Kriterienrahmen, mit dem Ressourcen identifiziert werden können, die einen Wettbewerbsvorteil ausbilden, wird als das sogenannte VRIO-Schema beschrieben: Ursächlich für langfristige Wettbewerbsvorteile sind Ressourcen, wenn sie (1) wertvoll ("Value"), (2) selten ("Rareness"), (3) nicht imitierbar ("Imitability") sind und darüber hinaus aus verschiedenen Gründen nicht in einer Organisation substituierbar sind ("Organization"). Vor diesem Hintergrund konnten Ressourcen detaillierter untersucht, aufgegliedert und klassifiziert werden228. Die Begriffe und Konstrukte die im Folgenden entwickelt wurden, stehen jedoch nur in Teilen aufbauend, in anderen wieder 223
Vgl. Chatterjee/Wernerfelt (1991), S. 35; Montgomery/Wernerfelt (1988), S. 624. Vgl. Wernerfelt (1984). 225 Diese wurde maßgeblich von Porter geprägt. Vgl. beispielsweise Porter (1986). 226 Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 131. 227 Vgl. hierzu und zum Folgenden Barney (1991), S. 99; Dierickx/Cool (1989), S. 1507ff. 228 Vgl. hierzu und zum Folgenden Bamberger/Wrona (1996), S. 133; Knyphausen-Aufseß (1993), S. 775ff.; Hall (1992), S. 136ff. 224
78
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
quer zueinander – stets unterfüttert mit empirischen Ergebnissen229. Jede neue Anfügung entwickelt einerseits den Ansatz weiter, aber andererseits auch die Komplexität. So formulieren Acedo et al.: "It is very difficult, indeed almost impossible, to keep current with the developments and trends of an expanding and diverse subject such as the RBT [Ressource Based Theory, Anm. d. Verf.]."230
4.1.2.2 Relevante Konstrukte des ressourcenbasierten Ansatzes Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit werden mehrere Konstrukte genutzt, die dem RBV zuzurechnen sind. So wird von tangiblen und intangiblen Ressourcen gesprochen, werden Fähigkeiten betrachtet und Kernkompetenzen der Unternehmen erörtert. Diese Konstrukte werden nun kurz definiert: Der Begriff der Ressourcen wird im Folgenden als Überbegriff für materielle oder immaterielle Faktoren verwendet, die einem Unternehmen vorliegen und über die es die Kontrolle ausüben kann231. Während tangible Ressourcen (d.h. physische Güter wie z.B. Anlagen, Gebäude etc. sowie die Finanzausstattung) direkt handelbar sind, gilt dies für intangible Ressourcen (z.B. Fähigkeiten, Reputation, Patente, Lizenzen etc.) in vielen Fällen nur eingeschränkt232. Für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder sind allerdings nur die Ressourcen von Bedeutung, die vermögen, einen strategischen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Sie müssen daher wertvoll, selten, schwer imitierbar und schwer substituierbar sein (VRIO-Schema). Hinzu kommt entsprechend des Verwendungszwecks, dass sie grundsätzlich mehrfach nutzbar, also übertragbar sein müssen. Den intangiblen Ressourcen kommt daher eine besondere Bedeutung für den Aufbau neuer Geschäftsfelder zu, weil diese aufgrund kausaler Ambiguitäten und Pfadabhängigkeit kaum nachahmbar sind und somit häufiger die Anforde-
229
So auch Bamberger/Wrona (1996), S. 132; Knyphausen-Aufseß (1997), S. 464. Acedo et al. (2006), S. 622. 231 Vgl. Amit/Schoemaker (1993), S. 35. 232 Vgl. u.a. Keller (2004), S. 245 und Barney (1986), zitiert nach Knyphausen-Aufseß (1997), S. 467. 230
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
79
rungen des VRIO-Schemas erfüllen233. Sie sind der Literatur folgend in diesem Zusammenhang auch eher übertragbar, da sie nicht wie tangible Ressourcen verbraucht werden234. Im hier gewählten Kontext ist eine solche relevante Ressource z.B. ein bestehendes Distributionsnetzwerk. Dieses kann einen langfristigen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen, da es sich um ein komplexes Zusammenspiel aus persönlichen Netzwerken, Verträgen etc. handelt, das selten, wertvoll für das neue Geschäftsfeld, schwer imitierbar bzw. substituierbar ist. Bei der Betrachtung des Realphänomens wird deutlich, dass dieses Netzwerk durchaus auf neue Geschäftsfelder übertragbar ist. Für nahezu alle tangiblen Ressourcen existieren hingegen Märkte, so dass aus diesen Ressourcen entstehende Wettbewerbsvorteile nicht von Dauer sind, weil Wettbewerber sich dieser Märkte bedienen können. Hall untergliedert die somit im Folgenden wichtigen intangiblen Ressourcen weiter in "Assets" und "Fähigkeiten"235: Bedeutende Einzelressourcen in der Klasse der "Assets" sind nach einem Abgleich der empirischen Untersuchung Halls236, der Prüfung des um Übertragbarkeit erweiterten VRIO-Schemas und der sonstigen RBV-Literatur die folgenden: Die Objekte des strategischen Managements in Form von Strukturen, Systemen und Strategien237 und hier insbesondere die unter Struktur gefasste Unternehmensorganisation238. Sie besteht aus den formalen Festlegungen, lässt sich aber um den informalen Bereich der Unternehmenskultur239 erweitern. Sämtliche Assets, die das Netzwerk zwischen dem System Unternehmung und anderen Systemen bilden240. Hier sind die (Produkt-)Marken bzw. die 233
Vgl. Chatterjee/Wernerfelt (1991), S. 41ff. und so auch Nayyar (1992), S. 55; Amit/Schoemaker (1993), S. 35. Vgl. Itami/Roehl (1991), S. 12ff. 235 Vgl. Hall (1992), S. 136. 236 Vgl. Hall (1992), S. 140. 237 Vgl. Hungenberg (2004), S. 7ff. 238 Vgl. Knyphausen-Aufseß (1993), S. 777 und so auch Fernandez/Montes (2000), S. 83ff. 239 Vgl. Peters/Waterman (1982), Knyphausen-Aufseß (1993), S. 777. 240 Hier wird gelegentlich von relationalen Ressourcen gesprochen – vgl. Fernandez/Montes (2000), S. 81. 234
80
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
in ihnen enthaltene oder darüber hinausgehende Reputation241 zu nennen. Weiterhin stellen die bestehenden Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie sonstige Außenbeziehungen hier relevante Assets dar. Sämtliche Wissensbasen, insbesondere über bestehende Kunden (z.B. in Form einer Kundendatenbank)242 sind bedeutsam. Sämtliche vertraglichen Rechte und Lizenzen stellen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder ggf. ein wichtiges Asset dar243. Diese aus der Literatur abgeleiteten Assets werden in den Bezugsrahmen aufgenommen. Eine Gewichtung im hier relevanten Kontext kann nur in der Empirie erfolgen und soll daher an dieser Stelle noch nicht vertieft werden. Neben den "Assets" wird Hall folgend auch in dieser Arbeit der Begriff "Fähigkeiten"244 verwendet. Diese ermöglichen es Unternehmen, sämtliche Ressourcen zielgerichtet zu kombinieren245. Fähigkeiten basieren auf Wissen und Erfahrungen der Organisation. Daher kommt der lernenden Organisation246 in der Folge eine hohe Bedeutung zu247. Fähigkeiten sind tief in der Organisation verwurzelt und somit hochgradig intangibel248. Polanyi spricht gar von "tacit knowledge"249. Der entsprechenden Bedeutung der Wissensbasis und der Lernfähigkeit von Organisationen wurde in dieser Arbeit bereits durch das vierte Teilziel zur Erzielung von Wachstum Rechnung getragen, bei dem zukünftiges Wachstumspotenzial durch aktuelle Aktivitäten geschaffen werden kann.250
241
Vgl. Dierickx/Cool (1989), S. 1505, Knyphausen-Aufseß (1993), S. 785 und so auch Stahl (2000), S. 151. 242 Vgl. Hall (1992), S. 140 und Fernandez/Montes (2000), S. 82 243 Vgl. Reilly/Schweihs (1998) 244 Der Begriff "'Fähigkeiten" wird oft synonym mit Kompetenzen verwendet – vgl. Verona (1999), S. 133; Teece et al. (1997), S. 510; Hamel (1994), S. 12 245 Vgl. hierzu und zum Folgenden Amit/Schoemaker (1993), S. 35 246 Somit ist der Ressourcenansatz auch mit anderen aktuellen Theorien des strategischen Managements wie der Pfadabhängigkeit verbunden, denn die Verfestigung von Fähigkeiten wird über die Lebenszeit einer Organisation durch Lernen ausgebildet. 247 Vgl. Teece et al. (1997), S. 514 248 So auch Leonard-Barton (1992) , S. 112 249 Vgl. Polanyi (1967), S. 4 250 Eine Hervorhebung besonders dynamischer Fähigkeiten im Sinne von sogenannten "dynamic capabilities" wird in dieser Arbeit nicht vorgenommen. Vgl. hierzu Teece et al. (1997).
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
81
Die für den Aufbau neuer Geschäftsfelder besonders relevanten Fähigkeiten müssen ebenfalls dem VRIO-Schema entsprechen und übertragbar sein. Sie werden für den hier bedeutsamen Zusammenhang aus dem weiter unten dargestellten Modell von Verona übernommen und durch branchenspezifische Fähigkeiten ergänzt. Neben "Assets" und "Fähigkeiten" wird auch das Konstrukt der "Kernkompetenzen" genutzt. Diese bezeichnen in der folgenden Arbeit die grundlegende vom Kunden wahrgenommene (Kern-)Wertschöpfung der betrachteten Unternehmung über alle Produkte hinweg. Es wird der Definition von Teece et al. gefolgt: "We define those competences that define a firm's fundamental business as core."251
Diese Wertschöpfung zu erbringen wird demnach durch unternehmensindividuelle zentrale Fähigkeiten ermöglicht. Im Folgenden werden Fähigkeiten dieser zentralen Art als Kernkompetenzen bezeichnet, um sie von den vielfältigen, sonstigen Fähigkeiten abzuheben. Kernkompetenzen sind nach Prahalad/Hamel anhand dreier Merkmale zu identifizieren: Sie ermöglichen potenziell Zugang zu verschiedenen Märkten (1), sie liefern einen signifikanten Beitrag zu den Vorteilen, die sich einem Kunden als Differenzierungsmerkmal darstellen (2) und sie sind von Wettbewerbern schwer imitierbar (3). Kernkompetenzen sind somit per definitionem für den Aufbau neuer Geschäftsfelder relevant. Sie lassen sich jedoch nur im Branchenkontext bzw. für das einzelne Unternehmen zunehmend konkretisieren. Innerhalb der Medienbranche weichen die Kernkompetenzen in ihrer individuellen Ausprägung zwar absehbar voneinander ab und bilden im Zusammenspiel mit sehr spezifischen Ressourcen nachhaltigen Wettbewerbsvorteile aus. Allerdings sind sie aufgrund der Branchengegebenheiten ähnlich und können zusammengefasst werden. Im Branchenkontext sind die Kernkompetenzen somit von mittlerer Abstraktion und durchaus erfassbar. Die dargestellten Merkmale von Kernkompetenzen müssen für diese Ebene entsprechend modifiziert werden: Die in den Kernkompetenzen 251
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516.
82
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
ausgedrückte Kernwertschöpfung ist von branchenfremden Wettbewerber – also solchen, die nicht der Medienbranche entstammen – schwer imitierbar (3) und stellt gegenüber diesen ein Differenzierungsmerkmal dar (2). Im Hinblick auf ein Handlungsmodell für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen werden somit die Ressourcen in Assets, Fähigkeiten und Kernkompetenzen untergliedert. Wo möglich, wurden die relevanten Ressourcen bereits konkretisiert. Neben den grundsätzlich strategisch relevanten Ressourcen(-klassen) für den Aufbau neuer Geschäftsfelder ist die Ausprägung innerhalb der Branche und auch des individuellen Unternehmens von Bedeutung. Die hier dargestellte und im Folgenden verwendete Aufgliederung der Ressourcen ist in Abb. 4-6 zusammengefasst:
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Abb. 4-6:
83
Verwendete Aufgliederung der Ressourcen Ressourcen Erw.VRIO-Schema
Ressourcen zur Ausbildung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils
Kernkompetenzen
Fähigkeiten
Assets
Allgemein: Für den Aufbau neuer Geschäftsfelder relevant Branchenspezifisch: Zum Aufbau neuer Geschäftsfelder durch Medienunternehmen relevant Individuell: Zum Aufbau neuer Geschäftsfelder für das einzelne Medienunternehmen relevant
Quelle: Eigene Darstellung
4.1.2.3 Limitationen für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder In dem bisher Dargestellten wurde zwar deutlich, dass ein ressourcenbasierter Aufbau neuer Geschäftsfelder ein sehr probates Mittel zur Realisierung von Wachstum ist und die Asset-, Fähigkeits- und Kernkompetenzbasis viele erfolgversprechende Anknüpfungsmöglichkeiten bietet. Dennoch ist die Übertragung von Ressourcen nicht unproblematisch. Die Literatur weist auf die Probleme der Teilbarkeit sowie der Spezifität hin. Die Ressourcen unterscheiden sich demnach darin, dass einige limitiert sind (z.B. Managementressourcen, Anlagen) bzw. aufgezehrt werden können (z.B. begrenzte Rechte und Lizenzen). Andere wie-
84
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
derum bleiben erhalten (z.B. Routinewissen) oder gewinnen gerade durch die Diversifikation an Wert (z.B. ggf. Reputation)252. Hiermit geht die Diskussion einher, dass freie Kapazitäten ("slack") für jedes ressourcenbasierte Wachstum notwendig sind253. Daneben nimmt der Wert einer Ressource für die neuen Geschäftsfelder ab, je spezifischer sie ist254, wobei andererseits der Wert der Ressource im konkreten Anwendungszusammenhang desto höher ist, je spezifischer sie ist. Eine Diversifikation birgt somit Zentrifugalkräfte für die Ressourcen, was am Beispiel von Produktmarken rasch einleuchtet, die durch übermäßige Nutzung in verschiedensten Bereichen ihre Stärke einbüßen würden255. Weiterhin zeigt die Forschung von Leonard-Barton, dass beim Aufbau neuer Geschäftsfelder auf Basis bestehender Ressourcen auch Rigiditäten entstehen256. Die Ressourcenbasis wirkt im Sinne einer Pfadabhängigkeit, wodurch der Möglichkeitsraum für den Aufbau neuer Geschäftsfelder eingeschränkt wird. Ressourcen sind geradezu "sticky"257 und nur mühsam von einem Unternehmen trennbar bzw. mit diesem eng verbunden. 4.1.2.4 Modelle für den ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder Für einen ressourcenbasierten Aufbau neuer Geschäftsfelder lassen sich zwei passende Modelle in der Literatur identifizieren, die die vorliegende Arbeit leiten können. Ein übergeordnetes Modell stellt Fey auf 258 und eine stärker operationalisierbare Gliederung bietet Verona259 an. Beide werden nun kurz dargestellt:
252
Vgl. Stahl (2000), S. 157. Vgl. Montgomery/Wernerfelt (1988), S. 624. 254 Vgl. hierzu und zum Folgenden Montgomery/Wernerfelt (1988), S. 625. 255 Vgl. Stahl (2000), S. 158. 256 Vgl. hierzu und zum Folgenden Leonard-Barton (1992). 257 Teece et al. (1997), S. 514. 258 Vgl. Fey (1999), S. 282ff. 259 Vgl. Verona (1999). 253
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
85
Fey verknüpft die Erfolgspotenziale und den Diversifikationserfolg in einem zirkulären Modell (vgl. Abb. 4-7). Durch den Verkauf seiner Produkte erzielt ein diversifiziertes Unternehmen nach Abzug der Kosten einen finanzwirtschaftlichen Erfolg (1). Um ein Produkt mit entsprechendem Potenzial am Markt anbieten zu können, sind geschäftsfeldspezifische Fähigkeiten notwendig (2). Weil das Wissen über das neue Geschäftsfeld am Anfang begrenzt ist, muss das Unternehmen auf seine Kernfähigkeiten (in dieser Arbeit einfach als Fähigkeiten bezeichnet) zurückgreifen (3), die die Ausbildung der marktorientierten (spezifischeren) Fähigkeiten ermöglichen. Die Ausgangsposition im neuen Geschäftsfeld ist daher umso besser, je enger die Verwandtschaft der benötigten Fähigkeiten mit den Kernfähigkeiten ist. Die Bearbeitung neuer Geschäftsfelder kann darüber hinaus die Kernfähigkeit des Unternehmens stärken und erweitern (4). Die Entwicklung der Kernfähigkeiten wird von der Ausprägung der Basisfähigkeiten eines Unternehmens bestimmt (5), die Fey abstrakt mit der Empfänglichkeit für sich abzeichnende Veränderungen, Lernfähigkeit und Handlungsfähigkeit beschreibt. An dieser Stelle ließen sich aber auch die Kernkompetenzen der Branche bzw. des individuellen Unternehmens systematisch einfügen. Aber auch diese können nicht unmittelbar in neue Geschäftsfelder übertragen werden, sondern nur dann, wenn freie Kapazitäten vorliegen ("slack") (6). Ein solches Überschusspotenzial für die Nutzung bestehender Ressourcen ist nur vorhanden, wenn wirtschaftlicher Erfolg gegeben ist. Somit entsteht ein geschlossener Kreislauf zwischen den Erfolgspotenzialen und dem Erfolg.
86
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Abb. 4-7:
Erklärungsmodell zum fähigkeitsbasierten Diversifikationserfolg Geschäftsfeld1 spezifische "strategische Fähigkeiten"
2
4 3
Marktbezogene Erfolgspotenziale
1
Produkte
Marktübergreifende Erfolgspotenziale
Erfolg 1
7
1
Kernfähigkeiten
SlackPotentiale 6 5
1 Organisatorische Basisfähigkeiten Quelle: Eigene Darstellung nach Fey (1999), S. 283
Bringt dieses Modell auf sehr anschauliche Art und Weise die verschiedenen Abstraktionsstufen des RBV und den Erfolg zusammen, so bleibt es für eine praktische Operationalisierung jedoch zu abstrakt, denn auf die unterschiedlichen Ebenen der grundsätzlichen, branchen- und unternehmensspezifischen Fähigkeiten und Kernkompetenzen wird nicht eingegangen und andere, konkretere "Assets" werden nicht betrachtet.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
87
Eine weitere Konkretisierung kann mit dem explizit ressourcenbasierten Modell der Entwicklung neuer Produkte260 von Verona erfolgen, das an die oben dargestellte Definition von Fähigkeiten anknüpft261. Wie oben gezeigt, steht der Aufbau neuer Geschäftsfelder immer auch im Zusammenhang mit neuen Produkten, was die Nutzbarkeit des Modells nahelegt. In dem Modell, das den Erfolg von Produktentwicklung als abhängige Variable betrachtet, werden verhaltenstheoretische Ergebnisse und die Sicht auf Fähigkeiten der Organisation als Grundlage hierfür zusammengebracht. Die Fähigkeiten (die wie beschrieben als Teil der Ressourcenbasis angesehen werden) bilden laut Verona die Aktionsbasis für Produktentwicklung. Sie nehmen eine Metastufe ein. Es handele sich um Problemlösungsfelder, die zu Wissen führen, mit dem schließlich verschiedenste Ressourcen koordiniert und eingesetzt werden können262. Vier Klassen von Fähigkeiten werden unterschieden, wobei die ersten beiden funktionaler, die letzten zwei integrativer Natur seien263: 1) Technische Fähigkeiten – die hierunter zu fassenden Dimensionen sind Forschungs- und Entwicklungs- sowie Produktionsroutinen. Hinzu kommt die Fähigkeit, das Produkt inhaltlich und im Erscheinungsbild zu entwerfen. 2) Marketingfähigkeiten – hierunter fallen die Bereiche strategisches Marketingmanagement, Erfahrungen in der Marktforschung, Marketingkomplementaritäten mit bestehenden Produkten sowie alle Elemente des Marketingmix. Diese Klassen knüpfen direkt an die von Slater angeführten und oben bereits für das Wachstumsziel hervorgehobenen Ressourcen an (Technik und Marketing). Neben der Möglichkeit, Erfolg neuer Produkte mithilfe dieser funktionalen Fähigkeit direkt zu erreichen, können aber auch integrative Fähigkeiten eingesetzt
260
Obenstehend wurde bereits dargelegt, dass Diversifikation in dieser Arbeit eng mit der Entwicklung neuer Produkte verbunden ist. 261 Vgl. hierzu und zum Folgenden Verona (1999), S. 132ff. 262 Vgl. Verona (1999), S. 133. 263 Vgl. hierzu und zum Folgenden Verona (1999), S. 134ff.
88
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werden, was an die Bedeutung der externen Beziehungen in Hutzschenreuters Typisierung von Diversifikation erinnert: 3) Externe Integrationsfähigkeit – hiermit verknüpft sind Assets wie Managementprozesse und Führungssysteme, Informationssysteme sowie die Nutzung (speziell externe) Netzwerke und eine Unternehmenskultur, die darauf ausgerichtet sind, externes Wissen zu importieren. Gerade diese Fähigkeit wird im RBV oft vernachlässigt264. 4) Interne Integrationsfähigkeit – hiermit verknüpft sind ebenfalls integrierende Managementprozesse und Führungssysteme, Informationssysteme, die Etablierung interner Netzwerke und eine entsprechende Unternehmenskultur. Die Funktion dieser Fähigkeit liegt darin, die bestehenden oder durch externe Integration erworbenen technischen und marketingseitigen Fähigkeiten optimal zu nutzen. Das Zusammenspiel von handelnden Akteuren und Fähigkeiten beschreibt Verona anschaulich und damit auch die Bedeutung der Fähigkeiten (also der RBVPerspektive) gegenüber einer rein organisationalen Betrachtung des Produktentwicklungsprozesse: "[…] players are essential in playing a game because without players there is no game – that is, without people there is no knowledge and, therefore, there are no capabilities. But once you have players […] you also need to use the knowledge to play and win; in other words, you need to leverage processes, structures, and values to gain the rent."265
Eine Übersicht über die Zusammenhänge zwischen handelnden Akteuren, den funktionalen und integrativen Fähigkeiten sowie dem Produkterfolg zeigt Abb. 4-8. Verona öffnet sein Modell für Weiterentwicklung, indem er die Liste der Fähigkeiten nicht als abgeschlossen ansieht, sondern betont, dass diese auch
264 265
Vgl. Langolis (1992), S. 119, Knyphausen-Aufseß (1997), S. 469. Verona (1999), S. 138.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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branchenspezifisch sein können266. Einer entsprechenden Erweiterung steht somit nichts im Wege. Sie erfolgt untenstehend. Abb. 4-8:
Ressourcenbasiertes Modell des Erfolges neuer Produkte Funktionale Fähigkeiten Technische Fähigkeiten im weitesten Sinn
Handelnde Akteure
Marketingfähigkeiten im weitesten Sinn Integrative Fähigkeiten
Erfolg neuer Produkte
Externe Integrationsfähigkeit Interne Integrationsfähigkeit Quelle: Vereinfachtes Modell von Verona (1999), eigene Darstellung
Eine Gewichtung der Ressourcen ist im Modell nicht enthalten. Erste Hypothesen können dennoch aufgestellt werden. So argumentiert z.B. Daneels, dass die Ausnutzung und Integration bestehender Fähigkeiten das entscheidende Erfolgskriterium sei267. Auf diesem Wege könnten Produktinnovationen sogar die reguläre organisatorische Erneuerung vorantreiben, die Schumpeter radikal als "produktive Zerstörung"268 bezeichnet hat. Diese Gewichtung zugunsten interner Fähigkeiten und zu Lasten der externen Integrationsfähigkeit wird auch durch weitere Forschungsergebnisse gestützt. Die Nutzung intern vorliegender Ressourcen – auch wenn diese im Sinne einer Integrationsfähigkeit noch aktiviert 266 267 268
Vgl. Verona (1999), S. 139. Vgl. hierzu und im Folgenden Danneels (2002), S. 1096f. Schumpeter (2002), S. 409.
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werden müssen – sei im Vergleich zur externen Integration deutlich erfolgversprechender269. Analysen über moderierende Faktoren in diesem Zusammenhang existieren jedoch nicht und so gibt diese Gewichtung nur erste Hinweise. Für die Gewichtung der funktionalen Fähigkeiten kann auch Keller einbezogen werden, der die Ressourcenbasis durch die beteiligten Entwickler und Manager vereinfacht bewerten ließ und dann den Erfolg der Produkte mit den vorhergehenden Einschätzungen zur Ressourcenbasis abglich270. Im Ergebnis haben die Fähigkeiten im Bereich Marketing – gefolgt von Technik und (Projekt-)Führung – den größten Einfluss auf den Erfolg neuer Produkte. Die Fähigkeiten im Bereich der Produktion haben kaum Einfluss auf den Produkterfolg, was nahelegen würde, dass eine ausgegliederte Produktion für neue Geschäftsfelder unproblematisch sein dürfte. Diese Ansätze und insbesondere das Modell von Verona bilden eine sinnvolle Konkretisierung der notwendigen Fähigkeitsbasis und gehen als solche in den theoretischen Bezugsrahmen ein. Für den eigentlichen Prozess des Aufbaus neuer Geschäftsfelder konnten allerdings bislang kaum Gestaltungsregeln abgeleitet werden und eine stärkere Operationalisierung scheint notwendig. Diese kann aus der Forschung zu neuen Produkten bezogen werden.
4.1.3 Innovationsforschung und Forschung zur Entwicklung neuer Produkte Obenstehend wurde bereits dargestellt, dass in dieser Arbeit der Aufbau neuer Geschäftsfelder mit der Entwicklung neuer Produkte einhergeht. Weiterhin wurde dargestellt, dass die Umsetzungsprozesse von Wachstumsstrategien, die den Aufbau neuer Geschäftsfelder beinhalten, bislang sehr wenig erforscht sind. Somit liegt es nahe, bei der Suche nach entsprechend nutzbaren Konzepten auch die Innovationsforschung und die sich mit dieser überlappende Forschung zur
269
270
Vgl. z.B. auch Montoya-Weiss/Calantone (1994), S. 412; Cooper/Kleinschmidt (1993a), S. 109f.; Leonard-Barton (1992), S. 122. Vgl. hierzu und zum Folgenden Keller (2004), S. 243ff.
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Entwicklung neuer Produkte271 heranzuziehen. Die Verbindung zwischen Wachstumsstrategien und den genannten Forschungszweigen betonen auch Brown/Eisenhardt, die Produktentwicklung als bedeutendstes Mittel für die Diversifikation bzw. die Adaption auf sich verändernde Wettbewerbsbedingungen einstufen272. Ein hier verwertbarer, konzeptioneller Brückenschlag zwischen der (ressourcenorientierten) Diversifikationsforschung und der Forschung zu den Erfolgsfaktoren des Innovationsprozesses bzw. der Etablierung neuer Produkte kann jedoch in der Literatur nicht gefunden werden. Daher wird die vorliegende Arbeit erstere als Rahmen verwenden, der durch letztere detailliert wird. Bezieht man die Innovationsforschung ein, bringt dies eine weitere Herausforderung mit sich: Forschung zu Innovation und dem Prozess, neue Produkte zu etablieren, erfolgt typischerweise in Industrien, für die Innovation aufgrund begrenzter Produktlebenszyklen oder wissenschaftlicher bzw. technischer Weiterentwicklung zum Alltag gehört. Dieses gilt z.B. für die Consumer-Electronics-, Software-, Pharma-, Chemie- und Automobilbranche273. Der hier vorliegende Fall ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass Medienunternehmen sich bislang auf das Kerngeschäft konzentriert haben, was den in Kapitel 3 dargestellten Wachstumsdruck erst hat entstehen lassen. Damit geht einher, dass die Unternehmen neue Produkte, wenn überhaupt, lediglich in ihrem Kerngeschäft entwickelt haben. Bei Zeitungen fand Innovation fast ausschließlich als Evolution des Kernproduktes in Inhalt und Werbemöglichkeiten statt. Bei Zeitschriften existierte bereits eine Art Innovationsprozess, was sich anhand der hohen Anzahl von Neueinführungen nachweisen lässt274. Nur diese Aktivitäten können die Ausbildung der bereits obenstehend275 als "Produktentwicklungskompetenz"
271
Im Englischen als "New Product Developement"-Forschung, im Folgenden kurz als "NPD"Forschung bezeichnet. 272 Brown/Eisenhardt (1995), S. 344. 273 Vgl. z.B. Cooper/Kleinschmidt (1993b), Story et al. (2001). 274 Einer VDZ-Studie zufolge wurden beispielsweise im Jahr 2005 153 Zeitschriften neu eingeführt – vgl. o. Verfasser (2006c), S. 13. 275 Siehe S. 31.
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bezeichneten Fähigkeit bei Printmedienunternehmen herausgebildet haben. Diesen Mangel beschreibt auch Gilbert eindringlich: "Overall, the industry has had some traction from its efforts to innovate with traditional news content, but has been less innovative with new forms of content. […] Further, the industry has been very slow to develop significant alternative forms of revenue […]."276
Ein Innovationsprozess hat vor diesem Hintergrund bislang also nur rudimentär (bzw. sehr spezifisch auf die journalistischen Herausforderungen gerichtet) existiert. Daher ist es umso interessanter, eine solche Branche mit den theoretischen Handlungsmodellen der Innovationsforschung zu konfrontieren und die tatsächliche Realisierung hiermit abzugleichen. Die im Folgenden dokumentierten Gestaltungsregeln sind für den hier betrachteten Zusammenhang somit alles andere als von vornherein durch die bisherigen Forschungsergebnisse validiert. Auch in diesem Kapitel wird kurz das Forschungsfeld skizziert und anschließend in die für das vorliegende Thema wesentlichen Aspekte eingeführt. 4.1.3.1 Forschungsüberblick über die Ansätze der Innovationsforschung und Forschung zur Entwicklung neuer Produkte Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war die Meinung vorherrschend, dass Innovation ein linearer Prozess sei, der in direkter Linie von wissenschaftlicher Forschung zur Vermarktung von Produkten führe277. Diese Sicht kann mittlerweile als überholt angesehen werden. Vielmehr hat sich die Perspektive durchgesetzt, dass Innovation und Produktneuentwicklung als ein facettenreiches Zusammenspiel von technischen Möglichkeiten und der Reaktion auf diffizile Kundenbedürfnisse entsteht278. Doch auch nach knapp einem halben Jahrhundert an Forschung existiert kein anerkanntes Modell für die erfolgreiche Einführung neuer Produkte279 bzw. eine umfassende Innovationstheorie280. Vielmehr sind die Forschungsansätze und Ergebnisse hochgradig zergliedert281.
276
Gilbert (2001), S. 1. Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 197. Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 198. 279 Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 198. 280 Vgl. Köhler (2005), S. 12. 281 Vgl. Montoya-Weiss/Calantone (1994), S. 411 und so auch Cormican/O'Sullivan (2004), S. 819 277 278
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Die Innovationsforschung lässt sich nur teilweise von der Forschung zur Entwicklung neuer Produkte (im folgenden "NPD") abgrenzen, die weiter gefasst ist. So lässt sich Innovation wie folgt definieren: "[…] the use of new knowledge that results in a new product or service that is desired by customers. Hence, innovation is invention plus commercialization."282
Die Innovationsforschung gliedert sich in zwei breite Zweige auf283: Der erste Zweig stellt die makro-ökonomische Perspektive dar und analysiert die Unterschiede im Muster der Innovationsaktivitäten zwischen Ländern und Branchen. Der hier relevante zweite Zweig der Forschung konzentriert sich auf die mikroökonomische Perspektive und analysiert einzelne Unternehmen im Hinblick auf ihre Innovationstätigkeit. In der Vergangenheit wurde vor allem das Management des einzelnen Innovationsprojektes betrachtet284. Bei jüngeren Forschungen fand jedoch ein Perspektivwechsel zu einer stärker aggregierten Sicht auf die Gesamtheit der Innovationsprojekte statt. Hiermit ging die stärkere Portfoliosicht der Innovationsprojekte einher. So gilt, dass es einerseits bedeutsam ist, die Ebene einzelner Projekte zu betrachten, andererseits für eine Vielzahl der zu betrachtenden Parameter der Zusammenhang im Geschäftsbereich aussagefähiger ist285. Somit werden im Folgenden beide Ebenen Gegenstand der Betrachtungen sein. Jüngste Forschungsergebnisse betonen darüber hinaus die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Innovationsorientierung von Unternehmen286. Hier werden übergreifende Dimensionen wie "lernende Organisation", innovationsorientierte und strategische Ausrichtung sowie funktionsübergreifende Zusammenarbeit betont. Die entsprechenden Ergebnisse werden später bei den organisatorischen Gestaltungsregeln einbezogen. Zurückkommend auf den Begriff der Innovation selbst werden nur einige der später dargestellten Aktivitäten von Medienunternehmen als echte Innovationen bezeichnet werden können. Diese sind z.B. durch die neuen Internettechniken möglich geworden. Die in dieser Arbeit ganzheitlich thematisierte 282
Keller (2004), S. 243. Vgl. hierzu und zum Folgenden Adler (1989) zitiert nach Brown/Eisenhardt (1995), S. 343, 375 284 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cormican/O'Sullivan (2004), S. 820. 285 Vgl. Cooper (2001), S. 70. 286 Vgl. hierzu und zum Folgenden z.b. Siguaw et al. (2006), S. 561ff. 283
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Produktdiversifikation umfasst über die echten Innovationen hinaus aber auch und vor allem Aktivitäten, die nur für das Unternehmen, nicht aber für den Kunden neu sind, wobei diese Hypothese in Kapitel 5.1 noch anhand des Überblicks über die Wachstumsaktivitäten empirisch validiert werden wird. An dieser Stelle setzt die Forschung zur Entwicklung neuer Produkte (NPD) an. Sie betrachtet ebenfalls die Ebene einzelner Unternehmen. Die hier formulierten Normstrategien gelten jedoch nicht nur für Innovationen, die tatsächlich auf neuem Wissen beruhen, sondern auch für die Entwicklung von Produkten, die kein neues Wissen voraussetzen. Für diese Forschung sind vor allem die Strukturen und Prozesse von Bedeutung, mit der die beteiligten Individuen neue Produkte entwickeln287. Es werden somit durchaus die hier relevanten Aspekte thematisiert. Brown/Eisenhardt untergliedern die NPD-Forschung in drei Bereiche288: Der hier besonders relevante Bereich, bei dem Produktentwicklung als rationaler Plan gesehen wird289, lässt sich wie folgt definieren: "[…] successful product development is the result of (a) careful planning of a superior product for an attractive market and (b) the execution of that plan by a competent and well-coordinated cross-functional team that operates with (c) the blessings of senior management."290
In diesem – in den letzten 25 Jahren sehr populären – Forschungsbereich existiert eine Vielzahl von Studien, die meist direkt und nicht kontingenztheoretisch versuchen, den Erfolg der Produkteinführung mit verschiedenen Erfolgsfaktoren kausal zusammenzuführen. Die Ergebnisse dieser Studien werden jedoch kritisch gesehen, weil die erarbeiteten Korrelationen oftmals keine kausale Klärung liefern291. Es wird sogar von einem "Fischen im Trüben" gesprochen, bei dem zu viele Variablen und zu viele Faktoren analysiert würden292. Aus Sicht des Autors bietet dieser Forschungszweig für eine teils explorative Forschung aber gerade aus diesem Grund reichhaltige Ansätze, die in den zu entwickelnden Bezugsrahmen einzubeziehen sind. 287
Brown/Eisenhardt (1995), S. 343. Vgl. hierzu und zum Folgenden Brown/Eisenhardt (1995), S. 347ff. 289 Für eine Übersicht zu den Vertretern und Studien dieses Forschungszweiges vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 349. 290 Brown/Eisenhardt (1995), S. 348. 291 Vgl. Cooper (2001), S. 70. 292 Vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 353. 288
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Der zweite Bereich der NPD-Forschung293 konzentriert sich auf den Kommunikationsaspekt bei der Entwicklung neuer Produkte. Einerseits ist die Perspektive in diesem Zweig verengt, dennoch konnten bzgl. der Erfolgsträchtigkeit bestimmter Verhaltensweisen, die die interne wie externe Kommunikation stimulieren, umfassende Ergebnisse erzielt werden294. Die entsprechenden Forschungsergebnisse werden ebenfalls untenstehend vor allem im Bereich der Organisation von Innovation Berücksichtigung finden. Der dritte Bereich der NPD-Forschung hat sich aus der erfolgreichen Produktentwicklung der japanischen Industrie entwickelt und kann als "disziplinierte Problemlösung" beschrieben werden295. Die bedeutsamsten Ergebnisse dieser fallbezogenen Forschung sind, dass erfolgreiche Produktentwicklung aus einem Zusammenspiel von Problemlösung durch das Projektteam, einer übergreifenden Produktvision, Produktintegrität, dem Einbezug von Lieferanten und der klaren Führung des Managements resultiert. Die diesem Bereich entgegengebrachte Kritik geht in dreierlei Richtung: Die verwendeten Konstrukte sind sehr vage und es mangelt an einem Sinn für die politischen Prozesse in Unternehmen. Außerdem ist die Forschung sehr auf die japanische Fertigungsweise ausgerichtet, wobei oftmals diffus bleibt, was Erfolgsfaktor und was kultureller Unterschied ist296. Der Versuch, die Ergebnisse der NPD-Forschung noch stärker auf den Anwendungszusammenhang auszurichten, ist seit den 80er Jahren zu beobachten. Hier hat wohl Cooper297 den größten Beitrag geleistet und erste generische Handlungsmodelle aufgestellt, bei denen die verschiedenen Erfolgsfaktoren einbezogen wurden298. Die Forschungen sind dem erstem Bereich der NPDForschung zuzurechnen. Nach Auswertung verschiedener Studien zum Erfolg 293
Für eine Übersicht zu den Vertretern und Studien dieses Forschungszweiges vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 355. 294 Vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 359. 295 Für eine Übersicht zu den Vertretern und Studien dieses Forschungszweiges vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 360. 296 Vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 365. 297 Vgl. u.a. Cooper (1979), Cooper/Kleinschmidt (1986), Cooper/Kleinschmidt (1993b), Cooper/Kleinschmidt (1993a), Cooper/Kleinschmidt (1995), Cooper (2001), Cooper et al. (2004) 298 Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 203f.
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neuer Produkte liegen ihm folgend die größten Risiken in den folgenden Gründen299: Simple Ignoranz von Standardprozessen und Projektmanagementerfordernissen. Mangel an Fähigkeiten, um Projektmanagement und im Innovationsprozess erforderliche Tätigkeiten auszuüben. Fehlen oder Fehlerhaftigkeit von Standardprozessen für die Etablierung neuer Produkte. Überheblichkeit, alle Annahmen und Antworten zu kennen, ohne Aufwand in die Erarbeitung investiert zu haben. Abkürzung notwendiger Schritte aus Zeitdruck . Stillstand durch "Verzetteln", d.h. zu geringes Augenmerk auf wenige bedeutsame neue Produkte. Hieraus ergibt sich laut Cooper die Bedeutung, die ein disziplinierter Ansatz zur Etablierung neuer Produkte hat300. Eine Adaption auf verschiedene Branchen und andere Kontingenzfaktoren liegt jedoch nicht vor, obwohl mit Abweichungen zu rechnen ist301. Daher können diese Konstrukte als theoretischer Rahmen für die Medienbranche nur ein erster Ansatz sein, der im Folgenden anhand der Empirie modifiziert werden wird. Zusammenfassend betonen z.B. Poolton/Barclay für die NPD-Forschung, dass es noch immer eine Herausforderung für Unternehmen sei, neue Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren, weil sämtliche Forschungsergebnisse noch nicht in nutzbare Gestaltungsregeln für die Praxis umgeformt worden seien302.
299
Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 104f. Vgl. Cooper (2001), S. 104. 301 Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 210. 302 Poolton/Barclay (1998), S. 203 und so auch Shum/Lin (2007), S. 1609; Cormican/O'Sullivan (2004), S. 819. 300
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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4.1.3.2 Relevante Themenfelder der Entwicklung neuer Produkte Im Rückblick auf die NPD-Forschung wurden bereits einige Studien zu den Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung neuer Produkte vorgestellt303. Die hieraus abzuleitenden Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Produktentwicklung bzw. dem entsprechenden Aufbau neuer Geschäftsfelder werden an passender Stelle im später folgenden Entwurf eines Handlungsmodells integriert. An dieser Stelle sollen noch die relevanten Themenfelder im Produktentwicklungsprozess herausgearbeitet werden, damit diese komplett im Handlungsmodell berücksichtigt werden. Denn es ist das Ziel der Arbeit, für alle relevanten Themenfelder einer entsprechenden Wachstumsstrategie Gestaltungsregeln zu geben. Ein Überblick über die relevanten Themenfelder ergibt sich aus dem Modell von Brown/Eisenhardt, das als Synthese der oben dargestellten drei Forschungsbereiche der NPD-Forschung gebildet worden ist304. Zwar sind die Kausalbeziehungen innerhalb des Modells für die hier geplante qualitative Forschung weniger von Belang, doch die in diesem Modell verwendeten Konstrukte spiegeln die zentralen Themen der bisherigen Forschung zu der Entwicklung neuer Produkte wider. Es handelt sich um die Felder: Die Zusammensetzung des Projektteams sowie dessen Kommunikationsprozesse und die Organisation der Arbeit Die Person des Projektleiters Das übergeordnete Management Der Einbezug von Lieferanten Der Einbezug von Kunden Die Effektivität der Produktkonzeption Die Marktsituation Die Qualität des NPD-Prozesses
303
304
Für eine umfassende Übersicht über sämtliche in Studien identifizierte Erfolgsfaktoren vgl. z.B. Poolton/Barclay (1998), S. 202 und Cooper (2001), S. 50ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Brown/Eisenhardt (1995), S. 346 und 367ff.
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Eine andere Strukturierung wählt die Product Development Management Association (PDMA). Sie unterteilt die Produktentwicklung in sechs Dimensionen305, die wie auch die obenstehenden Felder im Folgenden berücksichtigt werden müssen: Strategie Portfolio-Management Produktentwicklungsprozess Tools und Messgrößen Marktforschung Teams, Mitarbeiter und organisatorische Herausforderungen Diese Felder erinnern bereits deutlich an die dargestellten bedeutsamen Ressourcen. Sie sind für die Entwicklung neuer Produkte relevant und müssen somit auch beim Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes beachtet werden. Daher dienen sie im Folgenden dazu, zu prüfen, ob der theoretische Bezugsrahmen tatsächlich vollständig ist. 4.1.3.3 Relevante Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte Auch die Forschung bzgl. der Entwicklung neuer Produkte wurde von der ressourcenbasierten Sicht beeinflusst. Es liegt nahe, den Erfolg bei der Produktentwicklung bzw. einen erfolgreichen Innovationsprozess aus der Ressourcenbasis und vor allem aus den darin enthaltenen existierenden Fähigkeiten des Unternehmens abzuleiten306. Der RBV hat der Innovationsforschung, die sich lange auf Typologien von Innovationen, Innovationsdiffusion und die Wirtschaftlichkeit von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten konzentriert hat, einen neuen Impuls gegeben307. Kleinschmidt sieht den Erfolg der Entwicklung neuer Produkte durch sogenannte "soft"- oder "background"-Ressourcen bedingt308. Diese Ressourcen erfüllten vollständig die obengenannten VRIO-Kriterien. Konkret werden diese Ressourcen als Kultur/Unternehmensklima, Erfahrung mit Produktentwicklung, 305
Vgl. hierzu und zum Folgenden PDMA (2007). Vgl. z.B. Verona (1999), S. 132, Keller (2004), S. 245. 307 Vgl. hierzu und zum Folgenden Siguaw et al. (2006), S. 556. 308 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kleinschmidt (2006), S. 120. 306
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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positive Einstellung des Topmanagements zu neuen Produkten und Risikoakzeptanz präzisiert. Entsprechend der oben dargestellten Unterscheidung der Ressourcen, sind einige der hier genannten bereits obenstehend als relevante "Assets" erfasst. Die sehr konkret auf die Produktentwicklung gerichteten Ressourcen "positive Einstellung des Topmanagements" und "Risikoakzeptanz" werden aber im Folgenden mitgeführt, da sie neben den VRIO-Kriterien ja bereits aus ihrem Ursprung per definition übertragbar sind. Die "Erfahrung mit Produktentwicklung" an sich wird eher als Fähigkeit eingeschätzt und somit in dieser Kategorie entsprechend festgehalten. Andere Autoren sehen den Erfolg neuer Produkte vor allem durch die Nutzung und Integration von verschiedenen externen und internen Fähigkeiten bedingt309, wobei das Modell von Verona und die dort genannten vier Fähigkeiten bereits dargestellt wurden. Die im Kontext der Ressourcen bereits erwähnte Frage, inwieweit Überschussressourcen ("organisational slack") eine notwendige Voraussetzung für Produktdiversifikation sind, wurde auch im Kontext der Innovationsforschung diskutiert. Nohria/Gulati definieren "organisational slack" als eine Ansammlung von Ressourcen, die über das Mindestnotwendige hinaus vorhanden sind und so für Innovation zur Verfügung stehen310. In einem richtungweisenden Artikel wiesen die benannten Autoren nach, dass ein U-förmiger Zusammenhang zwischen der Existenz von Überschussressourcen und Innovationseffektivität gegeben ist311. Hieraus ergibt sich in der Konsequenz die Forderung, begrenzte Kapazitäten zur Innovationsbeförderung vorzuhalten, anstelle ausschließlich Effizienzsteigerungsstrategien zu verfolgen. Diese Hypothese wird ebenfalls in den Bezugsrahmen übernommen.
309 310 311
Cormican/O'Sullivan (2004), S. 820. Vgl. Nohria/Gulati (1996), S. 1246. Vgl. hierzu und zum Folgenden Nohria/Gulati (1996), S. 1261.
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4.1.4 Medienökonomie Die Diversifikation von Medienunternehmen ist, wie bereits in der Einleitung beschrieben, in der industriespezifischen Forschung nur sehr wenig präsent. Dennoch gilt es, an dieser Stelle den Beitrag herauszuarbeiten, den die Forschung, die sich dezidiert auf die Medienindustrie bezieht, für die vorliegende Arbeit liefern kann. In einer der wenigen Studien bzgl. Diversifikation in den Medien konnten Picard/Rimmer nachweisen, dass diversifizierte Medienunternehmen eine Rezession besser überstanden haben als andere Medienunternehmen312. Sie fokussieren allerdings vor allem auf den großen Einfluss, den die Konjunktur auf den Erfolg von Medienunternehmen hat. Bedeutsam in dieser Studie ist vor allem die Messung des Diversifikationsgrades von Printmedienunternehmen, denn es handelt sich dabei um Produkte, die in der Diversifikationsforschung sonst nicht betrachtet werden313. Die Autoren definieren den Grad der Diversifikation abhängig vom Anteil des klassischen Zeitungsumsatzes (Anzeigen und Vertrieb) am Gesamtumsatz und leiten ihn aus Geschäftsberichten ab314. Andere Studien betrachten vor allem die Diversifikation durch Erweiterung der bearbeiteten geografischen Märkte315 und können somit für die hier vorliegende Fragestellung keinen Beitrag liefern. So bieten auch Chan-Olmsted/Chang und erweiternd Stephan einen Rahmen für die Diversifikationsstrategie von Medienkonglomeraten an, der bereits ressourcenorientierte Elemente enthält316. Beide Studien versuchen anhand von Fallstudien globaler Medienkonzerne, die erfolgsnotwendige Verbindung von geografischem Wachstum und Produktdiversifikation nachzuweisen. Insgesamt zeigt sich in diesen, der vorliegenden Arbeit am nächsten liegenden Studien, dass das Thema zwar von hoher Relevanz ist, sich aber kein ganzheitliches Handlungsmodell für den Aufbau neuer Geschäftsfelder durch Medienunternehmen finden lässt. 312
Vgl. hierzu und zum Folgenden Picard/Rimmer (1999), S. 10. Vgl. Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 216f. Vgl. Picard/Rimmer (1999), S. 7. 315 Vgl. z.B. Gershon (2000), Jung/Chan-Olmsted (2005), Kranenburg et al. (2004). 316 Vgl. hierzu und im Folgenden Chan-Olmsted/Chang (2003), Stephan (2005) und Jung/ChanOlmsted (2005). 313 314
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Einen Hintergrund für den Aufbau neuer Geschäftsfelder stellt neben dem Wachstum auch die Möglichkeit dar, "economies of scope", also Verbundvorteile zu realisieren, was in seiner Konsequenz ebenfalls zu profitablem Umsatzwachstum führt. Diese sind in den Lehrbüchern der Medienökonomie detailliert und in der Medienindustrie spezifisch geprägt317: So entsprechen die Inputs der Medienindustrie oftmals in ihrer Natur öffentlichen Gütern, womit einhergeht, dass die produzierten Inhalte nicht nur im Ursprungsformat sondern auch in weiteren Formaten mit geringen Kosten verwendet werden können. Somit handelt es sich bei bestehendem Inhalt ("Content") um eine attraktive Ressource für neue Geschäftsfelder. Sie wird von den Unternehmen durch die medien- und kanalübergreifende ("cross-mediale") Verwertungskompetenz genutzt, die bereits in Kapitel 3.2 genannt wurde. Die Ressourcenbasis ist insgesamt auch für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie von großer Bedeutung318. Die allgemeine Diversifikations-, Innovations- und NPD-Forschung konnten zwar grundsätzliche Schemata zur Identifikation von hier wichtigen Ressourcen liefern. Weiterhin legten sie bereits für alle Unternehmen relevante Ressourcen nahe. Es wurde jedoch deutlich, dass zur Präzisierung und Operationalisierung eine spezifische Branchenperspektive notwendig ist. Somit liegt es nahe, die bereits in Kapitel 3.2 dargestellte Ressourcenbasis von Unternehmen aus der Medienindustrie genauer zu untersuchen. Die von Wirtz als Kernressourcen bezeichneten "Mitarbeiter", "Marke", "Netzwerk" und "Kundenstamm" fallen in den Bereich "Assets", wobei mit Mitarbeitern wohl vor allem die spezifischen, auf die Medieninhalte gerichteten Fähigkeiten derselben gemeint sind. "Marke", "Netzwerk" und "Kundenstamm" scheinen die erweiterten VRIO-Kriterien zu erfüllen, denn sie sind innerhalb der Branche in ihrer spezifischen Ausprägung sehr wertvoll, nicht leicht verfügbar sowie schwer zu imitieren bzw. gar nicht zu substituieren. Darüber hinaus sind sie in gewissen Grenzen auf neue Geschäftsfelder übertragbar. Diese Assets sind zwar bereits obenstehend als relevant erfasst, werden durch die Branchenperspektive aber in ihrer möglichen Bedeutung noch hervorgehoben. 317 318
Vgl. hierzu und zum Folgenden Doyle (2002), S. 14. Vgl. hierzu und zum Folgenden Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 217 und S. 230.
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Ein ähnliches Vorgehen kann bei den von Wirtz als Kernfähigkeiten bezeichneten Ressourcen durchgeführt werden, die sich aus der Wertschöpfungskette von Printmedienunternehmen ergeben. In ihnen sind zum einen "Kernkompetenzen" im Sinne der grundsätzlichen Kernwertschöpfung enthalten und zum anderen "normale" Fähigkeiten. Inhalteerwerb, Inhaltekreation und Vermarktung bezeichnen die Basiswertschöpfung von Medienunternehmen. Sie werden zukünftig zu den Kernkompetenzen der "Selektion", "Aufbereitung bzw. Veredelung" und "Kommunikation" bzw. "Vermarktung" abstrahiert. Diese Kernkompetenzen entsprechen dem für die Branchenebene veränderten VRIO-Schema, denn sie sind in ihrer jeweiligen Ausprägung wertvoll und nicht leicht verfügbar sowie für alle branchenfremden Unternehmen schwer imitier- bzw. substituierbar. Weiterhin scheinen sie in dieser Abstraktion durchaus auf andere Geschäftsfelder übertragbar zu sein. Die weiter von Wirtz genannte "Produktentwicklungskompetenz" entfällt als Fähigkeit im hier relevanten Kontext des Aufbaus neuer Produkte, da sie sich wie beschrieben nahezu ausschließlich auf die Replikation des bisherigen Kernproduktes bezieht und somit gemäß der beschriebenen Limitationen von Ressourcen zu spezifisch für eine Übertragung ist. Sie ermöglicht es, erfolgreiche Line-Extensions zu erstellen und Internationalisierungsstrategien durchzuführen. Den Aufbau neuer Geschäftsfelder in obiger Definition (also mit Änderung der Strukturen und Prozesse) ermöglicht sie jedoch nicht. Bei der "medienübergreifenden Verwertungskompetenz" und der "Technologiekompetenz" als letzte von Wirtz genannte Ressourcen, handelt es sich nach Prüfung des VRIO-Schemas ebenfalls um zwei relevante Fähigkeiten. Letztere ist ohne Konkretisierung allerdings nicht branchenspezifisch und bereits im Modell von Verona erfasst ist.
4.1.5 Zusammenfassung der Ressourcenbasis zum Aufbau neuer Geschäftsfelder Aus den verschiedenen Forschungsströmungen konnten die Ressourcen identifiziert werden, die für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen bedeutsam sind. Hierbei wurde in die Ressourcenklassen Kernkompetenzen,
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Assets und Fähigkeiten unterschieden und auf grundsätzlicher Ebene sowie auf branchenspezifischer und unternehmensindividueller Ebene argumentiert. Die so innerhalb des Bezugsrahmens entstandene relevante Ressourcenbasis für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie ist in Abb. 4-9 dargestellt:
Abb. 4-9:
Ressourcenbasis für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie
Kernkompetenzen
Fähigkeiten
Assets
Grundsätzlich für den Aufbau neuer Geschäftsfelder relevant (auf dieser Ebene nicht konkretisierbare zentrale Wertschöpfung)
Technische Fähigkeit, Marketingfähigkeit, ext./int. Integrationsfähigkeit, Produktentwicklungsfähigkeit
Organisation/Kultur, Netzwerk, Reputation, Wissensbasen, Rechte/ Lizenzen, Pos. Mgt.-Einstellung, Risikoakzeptanz
Zum Aufbau neuer Geschäftsfelder durch Medienunternehmen relevant Selektion, Aufbereitung/ Veredelung, Kommunikation, Vermarktung
Konkrete technische u. Vermarktungsfähigkeiten, medienübergreifende Verwertungskompetenz
Medienmarke, Netzwerk, Kundenstamm, existierende Inhalte
Zum Aufbau neuer Geschäftsfelder für das einzelne Medienunternehmen relevant Individuell
Quelle: Eigene Darstellung
Individuell
Individuell
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4.2 Entwurf eines Handlungsmodells als theoretischer Rahmen für die Empirie Bislang wurden die übergreifenden Forschungsstränge erläutert, die vermögen, einen Beitrag für die vorliegende Forschungsfrage zu leisten. Hierbei wurden grundlegende Modelle dargestellt, die die empirische Forschung leiten können und die Ressourcenbasis für den Aufbau neuer Geschäftsfelder erarbeitet. Allerdings wurde auch deutlich, dass eine Vielzahl von Einzelergebnissen in Form von theoretischen Gestaltungsregeln existieren, die bei der Realisierung einer solchen Wachstumsstrategie zu berücksichtigen sind. Hierfür soll nun im zweiten Schritt ebenfalls ein Rahmen gefunden werden. Da diese einzelnen Gestaltungsregeln weit weniger zusammenhängen als der bisher dargestellte Bezugsrahmen, gleicht die Zusammenstellung ein wenig einem Puzzle, wie Kuhn für die Forschung insgesamt formuliert: "Under normal science conditions the research scientist is not an innovator but a solver of puzzles, and the puzzles upon which he concentrates are just those which he believes can be both stated and solved within the existing scientific tradition."319
4.2.1 Struktur eines übergreifenden Handlungsmodells Als Entwurf eines Handlungsmodells und Bezugsrahmen für die empirische Forschung wird in diesem Unterkapitel das Modell von Verona herangezogen und erweitert. Der Grund für die Verwendung dieses Modells ist, dass hier die bedeutsamsten übergreifenden Fähigkeiten für den Aufbau neuer Geschäftsfelder320 sehr konkret formuliert sind und die Möglichkeit explizit besteht, diese Ressourcenbasis branchenspezifisch zu ergänzen. Weiterhin kann das Modell leicht um ein Phasenschema erweitert werden. So ist eine Untergliederung von Handlungsfeldern möglich, in die sämtliche Gestaltungsregeln einzuordnen sind. Der Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes ist auch in den Medien kein punktuelles Ereignis sondern ein langfristiger und komplexer Prozess321. Typischer319 320 321
Kuhn (1970), S. 167. Die neuen Geschäftsfelder beinhalten in dieser Arbeit, wie gezeigt, immer neue Produkte. So auch Siemer (1991), S. 36.
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weise kann ein solcher Prozess in ein Phasenschema gegliedert werden, das den Ablauf sequentiell ordnet. Die Anforderung an ein solches Schema besteht darin, dass alle Aktivitäten von der ersten Idee für ein neues Geschäftsfeld bis zu seiner Erschließung und Integration in den Unternehmenskontext erfasst werden322. Am Ende sollen bereits im Markt eingeführte Leistungen aus neuen Geschäftsfeldern stehen, die Wachstum ermöglichen. Die Literatur bietet hierfür eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten323. Da bereits eine sehr konkrete Ressourcenbasis definiert worden ist, liegt es nahe, in der zeitlichen Dimension sehr abstrakt vorzugehen. So liefert z.B. Thom324 mit drei Hauptphasen von Innovationsprozessen ein entsprechendes Schema. Er unterteilt in "Ideengenerierung", "Ideenakzeptierung" und "Ideenrealisierung". Im Zentrum der ersten Phase steht die Ideensuche im unternehmensinternen und externen Kontext. Innerhalb der zweiten Hauptphase werden die identifizierten Optionen für neue Produkte einem schrittweisen Bewertungs- und Auswahlprozess unterzogen und schließlich wird aus der Option Realität, indem die neuen Produkte abgesetzt werden und ihr Erfolg kontrolliert wird. Für die Nutzung in der vorliegenden Arbeit, die den Innovationsprozess nur als Mittel zum Aufbau neuer Geschäftsfelder sieht, wäre aus Sicht des Verfassers eine Ergänzung dieses Schemas notwendig: An die Realisierung muss sich eine Phase der "Etablierung" anschließen. Nur so entwickelt sich ein langfristiges Geschäftsfeld, das der Anforderung des langfristig profitablen Wachstums Rechnung tragen kann. Zur besseren Handhabbarkeit lassen sich diese Phasen noch weiter als "Konzeption" und "Umsetzung" zusammenfassen, wie bei sämtlichen Strategiebetrachtungen üblich325. Der Entwurf eines anwendungsorientierten Handlungsmodells soll sämtliche beim Aufbau neuer Geschäftsfelder notwendigen Aktivitäten bündeln. Hierfür ist es sinnvoll, die Aktivitäten in sachlogisch und zeitlich zusammenhängenden Kernhandlungsfeldern anzuordnen. So entsteht ein wirklich ganzheitlicher Bezugsrahmen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienbranche.
322
Vgl. Thom (1980) , S. 51ff . Vgl. z.B. Müller-Stewens (1990), S. 43 und ähnlich auch Cormican/O'Sullivan (2004), S. 820ff. 324 Vgl. hierzu und zum Folgenden Thom (1980), S. 53 und so auch Siemer (1991), S. 37ff. 325 Vgl. z.B. Steinmann/Schreyögg (2000), S. 246 und so auch Wheelen/Hunger (1999), S. 25. 323
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Bei der Verknüpfung der zeitlichen Abfolge mit den vier zentralen Fähigkeiten im Modell von Verona ergeben sich zwangsläufig Matrixfelder. Diese entsprechen Kernhandlungsfelder für die betreffenden Unternehmen, die alle in Kapitel 4.1.3.2 genannten Themenbereiche beinhalten und somit Anspruch auf Vollständigkeit erheben können. Die grundsätzlich relevanten Ressourcen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder, diejenigen der Medienbranche sowie unternehmensindividuelle Ressourcen bieten in den jeweiligen Kernhandlungsfeldern umfassende Anknüpfungspunkte für die Ausgestaltung der Planung und Umsetzung der gewählten Wachstumsstrategie. Sie werden wie beschrieben in Kernkompetenzen, Assets und weiteren Fähigkeiten unterschieden und mit den bisher erarbeiteten konkreten Ausgestaltungen hinterlegt. Das Modell von Verona wurde daher entsprechend ergänzt und ist in der folgenden Abbildung (Abb. 4-10) dargestellt.
Kern= handlungsfelder
Assets
3
• Organisation (formal, informal) • Netzwerk (Marke, Reputation, Kundenstamm) • Wissensbasen (Kundendatenbank) • Existierende Inhalte, Lizenzen • Positive Managementeinstellung • Risikoakzeptanz • Unternehmensindividuelle Assets
Launchvermarktung und Distribution
5
Kernkompetenzen
Organisation der Innovation und Entwicklung
4
• Branchenspezifische Kernkompetenzen: - Selektion - Aufbereitung/Veredelung - Kommunikation/ Vermarktung • Weitere unternehmensindividuelle Fähigkeiten
Quelle: Eigene Darstellung
#
(allgemeine, branchenspezifische, individuelle)
Ressourcen
Interne Integrationsfähigkeit
Externe Integrationsfähigkeit
1
AusgeFilter der staltung Optionen der 2 OpMarkentiostrategie nen
• Produktentwicklungserfahrung (ggf. fehlend) • Cross-mediale Verwertungskompetenz • Weitere unternehmensindividuelle Fähigkeiten
Weitere Fähigkeiten
• Sourcing • Systemische und prozessuale Integration • Portfoliomanagement • Risikomanagement • Effizienzsteigerung • Erfolgskontrolle
Steuerung der neuen Geschäftsfelder
Umsetzung 6
Abb. 4-10:
Marketingfähigkeiten
Technische Fähigkeiten
Zeitliche Abfolge Konzeption
Abb. 4-10: Ganzheitliches Modell des Aufbaus neuer Geschäftsfelder
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum 107
Ganzheitliches Modell des Aufbaus neuer Geschäftsfelder
108
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
4.2.2 Kernhandlungsfelder im Detail Das Handlungsmodell in Abb. 4-10 zeigt fünf Kernhandlungsfelder, die ihren Schwerpunkt in der Konzeption der neuen Aktivitäten haben. Die Steuerung der neuen Geschäftsfelder ist als sechstes Handlungsfeld in der Umsetzungsphase aufgeführt. Diese Kernhandlungsfelder werden im Folgenden detailliert dargestellt. Hierbei werden die Ergebnisse der Forschung zur Entwicklung neuer Produkte (NPD) für die einzelnen Fragestellungen einbezogen sowie die Ergebnisse anderer Forschungsrichtungen (z.B. dem Marketing) genutzt, um Gestaltungsregeln zu formulieren. Wo immer dieses möglich ist, werden Ergebnisse der branchenspezifischen Forschung einbezogen oder zumindest die allgemeinen Gestaltungsregeln auf die Medienindustrie übertragen. Sind die Ergebnisse der verschiedenen Forschungen widersprüchlich, werden die Alternativen formuliert. Naturgemäß sind die Kernhandlungsfelder nicht immer nur auf eine Fähigkeitsdimension begrenzt und es existieren Interdependenzen zwischen verschiedenen Feldern. Diese Interdependenzen können allerdings in keiner Struktur vermieden werden. Sie sind vielmehr in Theorie und Praxis eine zentrale Herausforderung bei der Implementierung einer solchen Wachstumsstrategie und somit Bestandteil der Themenstellung. So müssen auch Verantwortliche von entsprechenden Projekten stets mit vielfältigen und oft widerstrebenden Zielen umgehen326. Durch den Zuschnitt der Kernhandlungsfelder wurde pragmatisch versucht, Überlappungen weitestmöglich zu vermeiden. Ergeben sich zwischen den Handlungsfeldern Abhängigkeiten, wird hierauf an den entsprechenden Stellen verwiesen werden.
326
Vgl. Lewis et al. (2002), S. 546.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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4.2.2.1 Kernhandlungsfelder im Bereich der Konzeption
Kernhandlungsfeld 1 – Ausgestaltung der Optionen Dieses Handlungsfeld betrifft alle Fähigkeitsdimensionen in Abb. 4-10: Die Ausgestaltung von Optionen für zukünftige Produkte tangiert sowohl die tatsächliche (technische) Realisierbarkeit im Rahmen der gewählten Wertschöpfung als auch die sich aus der bestehenden Marke ergebende Vermarktungsfähigkeit, wobei der Markenstrategie aufgrund ihrer Bedeutung ein eigenes Kernhandlungsfeld gewidmet wird. Alle weiteren Fähigkeiten bzw. weiteren Wertschöpfungsaktivitäten müssen intern im eigenen Unternehmen (bzw. Unternehmensbereich) oder extern integriert werden und die Ausgestaltung der Option, also die kreative Phase, kann ebenfalls durch Integration von Unternehmensbereichen oder externen Instanzen befruchtet werden. Bevor Ideen entwickelt werden, muss es einen Auslöser geben, die neuen Geschäftsideen zu suchen. Inhaltlich wurde in Kapitel 3 bereits der Wachstumsdruck für Medienunternehmen beschrieben. Diesem folgt im Regelfall ein Anstoß zu entsprechenden Diversifikationsaktivitäten durch das (Top-)Management, da die strategische Perspektive hier genuin verankert ist327. Eine Delegation dieser Aktivitäten im Sinne der Organisations- und Führungsfunktion wäre ein naheliegender nächster Schritt. Die Literatur weist weiterhin auf entsprechende Rahmenbedingungen hin, deren Vorliegen für die Wachstumsstrategien hilfreich wäre: So sollte eine langfristige Ausrichtung auf Innovation und die Entwicklung neuer Produkte bestehen328. Die Mission des Unternehmens sollte die Entwicklung neuer Produkte umfassen und in der Organisation deutlich kommuniziert worden sein329. In der langfristigen Unternehmensstrategie müssen die entsprechenden Ziele zur Innovation und Etablierung neuer Produkte verankert und mit der taktischen und 327
Vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. Hungenberg/Wulf (2006), S. 30. Vgl. hierzu und zum Folgenden Shum/Lin (2007), S. 1613 und so auch Siguaw et al. (2006), S. 561ff. 329 Vgl. Shum/Lin (2007), S. 1613. 328
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operativen Ebene verbunden sein330. Dementsprechend sollte die neuen Produktstrategie mit allen übergeordneten Zielformulierungen und -systemen kompatibel sein331. Ergebnisse bisheriger Forschung zeigen jedoch, dass die Definition klarer und dokumentierter Ziele bei einem übergroßen Anteil von Produktdiversifikationen komplett unterbleibt332. Ist der Anstoß zur Suche erfolgt, gilt es, für potenziell neue Geschäftsfelder entsprechende Produktideen zu entwickeln. Cooper et al. sehen drei grundsätzliche Erfolgsfaktoren für die Produktentwicklung333: Ein aus Kundensicht einzigartiges, überlegenes Produkt solle geschaffen werden (1), das umfassend auf den Markt ausgerichtet ist, um Vermarktbarkeit zu gewährleisten (2). Weiterhin müsse das jeweilige Unternehmen der richtige Anbieter für diese Idee sein, d.h., die Ressourcenbasis des Unternehmens müsse mit dem Produkt zusammenpassen, um einerseits entsprechende Erlöse zu erzielen und dies andererseits zu wettbewerbsfähigen Kosten (3). In diesem Sinne argumentieren auch Clark und Fujimoto: Nicht nur die Produktattraktivität sei relevant für eine erfolgreiche Neueinführung, sondern auch die sogenannte "Produktintegrität"334. Hiermit ist die Konsistenz des Produktes mit Unternehmensimage und -leistung sowie der "Fit" mit den vorhandenen Kompetenzen und Kunden beschrieben. Diese Aussagen fallen zum Teil in den Bereich des Filterprozesses (Kernhandlungsfeld 4), leiten aber auch direkt in die ressourcenbasierte Identifikation von Produktideen über. Ein explizit für die Diversifikation geeignetes Schema, geeignete, potenziell attraktive Geschäftsfelder auf der Basis bestehender Ressourcen zu identifizieren, bietet die "strategische Suchfeldanalyse"335. Sie besteht aus drei Bausteinen: Zuerst wird der Suchraum mittels eines Suchprofils eingeengt. Dieses Suchprofil wird aus der Mission des Unternehmens sowie einer vorläufigen internen Analyse des Unternehmens und seiner Umwelt abgeleitet und wirkt wie Leitplanken auf den Suchprozess. Hier sind im betrachteten 330
Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 202. Vgl. Cooper (2001), S. 50. 332 Vgl. Cooper (2001), S. 75. 333 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 53, Cooper/Kleinschmidt (1986), S. 71f. 334 Clark/Fujimoto (1990), S. 107. 335 Vgl. hierzu und zum Folgenden Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 285 sowie Müller-Stewens (1990) und ähnlich Fischer (1994). 331
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111
Fall der Medienunternehmen die hergeleiteten branchenspezifischen Kernkompetenzen ("Selektion", "Aufbereitung/Veredlung", "Kommunikation" und "Vermarktung") zentral. Diese wurden bislang von den Unternehmen vor allem auf die in Zeitungen und Zeitschriften "selektierten" Informationen bezogen, die durch die journalistische Arbeit "veredelt" und anschließend in geeigneter Form "kommuniziert" bzw. "vermarktet" wurden. Die Kernkompetenzen können jedoch auch als Leitlinie für die Ausgestaltung von Produktideen im verlagsnahen oder verlagsfernen Bereich dienen, da sie die abstrahierte, von den Kunden wahrgenommene Kernwertschöpfung der Medienunternehmen darstellen. Weitere Ressourcen werden sich erst aus der empirischen Forschung ergeben, die an dieser Stelle in den Bezugsrahmen aufgenommen werden können und als Grenzen für neue Geschäftsfelder die Produktintegrität gewährleisten. Der zweite Baustein ist der eigentliche Suchprozess. Hier werden Optionen durch ungerichtetes "Explorieren" (auf Basis des bestehenden Erfahrungshorizontes), "Entwickeln" (mittels Vernetzungen von bestehenden Informationen und Aktivitäten) oder durch "Erfinden" (auf Basis echter Inspiration) generiert. Der letzte Schritt der strategischen Suchfeldanalyse, die "Bewertung" dieser Optionen, fällt bereits nicht mehr in dieses Kernhandlungsfeld. Die drei Unterbereiche des dargestellten Suchprozesses ("Explorieren", "Entwickeln", "Erfinden") sollen nun weiter eruiert werden: "Explorieren" und "Erfinden" erfolgen weitestgehend frei von gezielten Gestaltungsregeln aus der Literatur. Hier werden lediglich hilfreiche Techniken genannt, die weitestgehend der Kreativitätspsychologie entnommen sind. Übersichten über diese Techniken im betriebswirtschaftlichen Kontext existieren zuhauf und sollen hier nicht weiter detailliert werden336. Bedeutsam für die Gestaltung ist an dieser Stelle eher, wer in diesen Suchprozess einbezogen werden sollte337: Bei einer nicht branchenspezifischen Studie sahen Cooper/Kleinschmidt erfolgreiche Ideen am häufigsten aus direkten Kundenanfragen oder entsprechend
336 337
Vgl. z.B. Geschka (1986), S. 150; Siemer (1991), S. 37f. Vgl. Cox (1985), S. 100.
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übermittelt aus dem Vertrieb oder vom Management kommen338. Erst dahinter rangiere als Ideengeber die eigentliche Forschungs- und Entwicklungsabteilung, der Produktionsbereich oder die Ableitung aus Aktivitäten des Wettbewerbes. Überträgt man hinsichtlich der Ideenquelle für Produkte Forschungsergebnisse aus der chemischen Industrie, so seien Ideen am erfolgreichsten, die von Lieferanten eingebracht werden339. Erst dahinter liegen Ideen, die von Kunden an das Unternehmen herangetragen werden und wenig erfolgreiche Quelle seien Ideen, die im weitesten Sinne aus dem Wettbewerbsumfeld abgeleitet werden. Der Wert des neuen Produktes für den Kunden wird aber durchgehend betont340. Die Konzentration auf die tiefliegenden Kundenbedürfnisse im Gegensatz zu oberflächlichen und direkt artikulierten Kundenwünschen sei einer der Erfolgsfaktoren bei der Produktentwicklung341. Der Kunde sollte somit frühzeitig in den Prozess der Definition von Optionen für neue Produkte einbezogen werden. Daneben seien der systematische Abgleich von Analysen zu den Kaufkriterien und der zur Verfügung stehenden Angebote sowie eine entsprechende Marktforschung wichtig342. Grundsätzlich wird die Frage nach dem sinnvollen Umfang und der Effizienz bzw. Effektivität solchen analytisch-planerischen Handelns jedoch nicht eindeutig beantwortet. Dass quantifizierte Informationen eine bedeutsame Entscheidungsgrundlage darstellen und als Wettbewerbsvorteil immer bedeutsamer werden, verdeutlichen aber auch aktuelle Forschungen343. Eine umfassende Würdigung muss nun noch dem "Entwickeln" als drittem Baustein innerhalb des Suchprozesses zukommen. Hier ergibt sich eine weitere Verbindung zur Ressourcenperspektive: Das Aufsetzen auf Bestehendem kann – wie oben umfassend dargestellt – als grundlegender Erfolgsfaktor angesehen werden und somit sind die Kernkompetenzen, Fähigkeiten und Assets des Unternehmens ein entsprechend attraktives Suchfeld. Die bisherigen Betrachtungen legen nahe, alle Ebenen der Ressour338
Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper/Kleinschmidt (1986), S. 77. Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 68. Vgl. z.B. Zirger/Maidique (1990), S. 880, Poolton/Barclay (1998), S. 200. 341 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 85f. 342 Vgl. Kahn et al. (2006), S. 111f. 343 Vgl. z. B. Davenport (2006). 339 340
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cenbasis zu betrachten. So gilt es, sowohl die übergreifend relevanten Ressourcenbereiche als auch die branchen- und unternehmensindividuellen Ausprägungen im Blick zu haben. Die Kernkompetenzen der Branche bilden zwar wie beschrieben die Leitlinien der Suche, können aber auch herangezogen werden, um Ideen zu generieren. Um unternehmensindividuelle Ausprägungen der Ressourcen analysieren zu können, müssen diese zuerst identifiziert werden. Hierzu schlägt Schoemaker vor, erst den Wettbewerb zu analysieren und auf dieser Basis die entscheidenden Fähigkeiten der eigenen Unternehmung zu identifizieren344. Einer Erweiterung auf alle Ressourcendimensionen steht aus Sicht des Autors der vorliegenden Arbeit nichts entgegen. Für eine erste Priorisierung könne dann eine "Fähigkeitsmatrix" (bzw. in der Erweiterung eine "Ressourcenmatrix") verwendet werden, in der die bisherigen Geschäftsfelder und die zukünftig möglichen Entwicklungsszenarien abgetragen und für jede Kombination die existierenden Fähigkeiten (bzw. anderen Ressourcen) ermittelt werden. Die Häufigkeit, mit der einzelne Ausprägungen erscheinen, zeige ihre Bedeutung. Einen ähnlichen Vorschlag machen Klein/Hiscocks. Die Analyse der unternehmensindividuellen Fähigkeiten soll hier mit einem "skill mapping" erfolgen345. Dazu wird ein dreistufiger Prozess durchlaufen. Zuvorderst wird eine Liste von Fähigkeiten der Organisation auf mittlerer Abstraktionsebene formuliert, wobei die bestehende Organisationsstruktur Anhaltspunkte geben könne. Im zweiten Schritt wird die Ausprägungsstärke dieser Fähigkeiten mit Wettbewerbern im Sinne eines "Benchmarking" verglichen. Abschließend wird analysiert, welche der Fähigkeiten tatsächlich strategische Relevanz haben. Hierzu wird ihre Bedeutung für Produkte und die Bedeutung in den bearbeiteten Märkten bewertet. Die strategischen Fähigkeiten (und damit auch die für den Aufbau neuer Geschäftsfelder relevanten) seien diejenigen, die stark oder sehr stark im Unternehmen ausgebildet sind und die entweder für Produkte oder Märkte bedeutend sind. Für den Aufbau neuer Geschäftsfelder kann dann eine "ChancenMatrix" herangezogen werden. Bei dieser einfachen Technik werden die im "skill mapping" bereits erfassten Fähigkeiten auf eine Matrixachse übernommen. 344 345
Vgl. hierzu und zum Folgenden Schoemaker (1992) S. 67. Vgl. hierzu und zum Folgenden Klein/Hiscocks (1994), S. 193ff.
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Auf der anderen Achse sollen dann die möglichen Produktideen abgetragen werden. Für die Matrixfelder wird nun abgeschätzt, wie stark die jeweilige Fähigkeit ausgeprägt sein muss, damit eine Produktion und Vermarktung effektiv erfolgen kann. Sind die Anforderungen eines neuen Geschäftsfeldes bzw. neuer Produkte nun unterhalb der Stärke, die das Unternehmen in den jeweiligen Fähigkeiten aufweist, kann diese Idee weiterverfolgt werden. Auch bei diesem Modell scheint die Erweiterung auf andere Ressourcenklassen wie Assets leicht möglich. Beide Methoden sind zwar sehr mechanistisch und müssen durch Einschätzungen des Managements umfassend ergänzt werden. Sie bieten aber eine erste Analysestruktur346. Entscheidend beim "Entwickeln" von Optionen auf Grundlage der Ressourcenbasis ist stets die Grundfrage des ressourcenbasierten Ansatzes: Wo existieren für das betreffende Unternehmen Ressourcen, die echte, nachhaltige Wettbewerbsvorteile für das neue Geschäftsfeld bieten? Wurde bislang die Perspektive betont, auf bestehende Ressourcen aufzusetzen, gilt es, diese mit der Außen- bzw. Marktperspektive zu verbinden347. Aus der reinen Betrachtung potenziell attraktiver Märkte sind keine Ideen zu generieren, die der hier verfolgten Perspektive entsprechen. Dennoch schafft die Vernetzung der Ressourcenperspektive mit den Trends der Märkte die Möglichkeit, attraktive Optionen zu identifizieren. So sollten sowohl die Märkte betrachtet werden, die bislang in dem – durch die Unternehmensvision beschriebenen – Blickfeld liegen, als auch Trends evaluiert werden, die ggf. außerhalb liegen. So kann auch ermittelt werden, welche Kompetenzen ggf. in der Zukunft relevant sein werden und sinnvollerweise zu etablieren sind. Die Attraktivität der Märkte stellt somit einerseits ein Filterkriterium dar. Sie fungiert aber im hier diskutierten Kernhandlungsfeld auch als Ideengeber bei der "Entwicklung" von Optionen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Nachdem die Frage erörtert worden ist, in welche Richtung die Produktdiversifikation erfolgen kann, müssen für die Ausgestaltung der Option weitere Parameter festgelegt werden: 346 347
So auch Klein/Hiscocks (1994), S. 183. Vgl. hierzu und zum Folgenden Lichtenthaler (2005), S. 702ff.
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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Bei der Definition der Wertschöpfungstiefe liefert bereits das oben dargestellte Modell von Roberts/Berry umfassende Gestaltungsregeln. Ergänzend ist auch ein Ergebnis einer Studie von Keller bedeutsam348: Hiernach haben Fähigkeiten im Bereich der Produktion kaum Einfluss auf den Produkterfolg. Daraus kann ein hoher Freiheitsgrad in der Definition der eigenen Wertschöpfungstiefe abgeleitet werden, falls der Durchgriff auf die Produktqualität gewährleistet ist und diese Option attraktiv ist. Eine weitere Facette bildet das Timing neuer Produkte. Dabei kann die Marktreife sowie der Eintrittszeitpunkt betrachtet werden und weiterhin die Geschwindigkeit, mit der die Produktentwicklung zukünftig vorangetrieben wird. Im Hinblick auf die Marktreife scheint aus anderen Industrien die Aussage übertragbar zu sein, dass Produkte, die in einer frühen Phase des Lebenszyklus ihrer Gattung etabliert werden, insgesamt erfolgreicher und mit höherem Zukunftspotenzial – gerade im Hinblick auf das angestrebte Wachstumsziel – ausgestattet sind349. Im hier betrachteten Kontext könnte man beispielsweise OnlineProdukte gegenüber Buchprodukten bevorzugen, da der Lebenszyklus der ersteren Produktart noch in einer früheren Phase zu stehen scheint. Augenscheinlich haben die Verlage aber auch Geschäftsfelder aufgebaut, die in sehr reifen Märkten anzusiedeln sind. Eine weitere Komponente bilden die Aktivitäten des Wettbewerbs. Eine schlichte Nachahmung von erfolgreichen Produkten des Wettbewerbs wird von der Literatur als wenig erfolgversprechend angesehen. Cooper konnte nachweisen, dass diese "Me-too-Produkte" zu 82 Prozent zum Misserfolg führen350. Die Literatur ist hier aber durchaus nicht einheitlich und so werden die Vorteile des "first-mover"351 durch positive Effekte wie eine weniger unsichere Markteinschätzung bei "Trittbrettfahrern" abgeschwächt. Der spätere Eintritt in Märkte wird unter gewissen Kontextvariablen daher als ebenfalls erfolgversprechend
348
Vgl. Keller (2004), S. 254. So auch Cooper (2001), S. 69. 350 Vgl. Cooper (2001), S. 68. 351 Vgl. Lieberman/Montgomery (1988). 349
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Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
angesehen352. Kerin et al. sehen gerade die Ressourcenbasis als komplexe moderierende Faktoren für das ideale strategische Timing an. Neben dem Timing aus dieser strategischen Perspektive sollte schon zu diesem Zeitpunkt ein Bewusstsein darüber vorherrschen, wie viel Zeit einem zukünftigen Produkt bis zur Realisierung zugemessen wird. Diese Entscheidung steht im Spannungsverhältnis zur Qualität und Komplexität des Produktes. Cooper betont die Bedeutung der Geschwindigkeit, die Produkte in die Vermarktung zu überführen. Er warnt jedoch auch davor, zugunsten von Geschwindigkeit Einbußen in der Qualität der Durchführung in Kauf zu nehmen353. Ein ähnliches Bild zeichnet eine häufig zitierte Studie von Dumaine zumindest für HightechProdukte354: Demnach reduziere eine Verzögerung von sechs Monaten bei erhaltener Budgettreue die Profitabilität um 33 Prozent. Eine durch 50 Prozent Budgetüberschreitung "erkaufte" Termintreue reduzierte hingegen die Profitabilität nur um vier Prozent. Auch Hamel/Prahalad betonen, dass eine auf Kernkompetenzen basierende Weiterentwicklung des Produktangebotes lieber häufiger und schneller auf den Markt gebracht werden solle, um so die Möglichkeit zu erhalten, neue attraktive Marktchancen früh zu entdecken355. Ergebnis dieses Kernhandlungsfelds sollte eine Spezifikation der Produktoption und eine Festlegung des Zielmarktes sein356. Die Dimensionierung der neuen Geschäftsbereiche im Verhältnis zum Kerngeschäft muss ebenfalls vorgenommen werden, um die Größe der Investition frühzeitig abschätzen zu können, denn typischerweise sind relativ umfangreiche Investitionen notwendig, um gänzlich neue Geschäftsfelder zu initialisieren357. Die Größe des Neugeschäftes ist auch die entscheidende Determinante für den Umfang, mit dem der Suchprozess durchgeführt werden kann358. 352
Vgl. hierzu und zum Folgenden Kerin et al. (1992), S.39f. und so auch Schäffer/Stoll (2007), S. 8. Vgl. Cooper (2001), S. 109. 354 Vgl. hierzu und zum Folgenden Dumaine (1989), S. 30f. 355 Vgl. Hamel/Prahalad (1992), S. 44. 356 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 61. Neben den genannten Werkzeugen helfen hierfür Techniken wie die "Conjoint-Analyse", das "Quality Function Development" und der "Lead-User-Ansatz" - vgl. hierzu Homburg/Krohmer (2006), S. 575ff. 357 Roberts/Berry (1985), S. 3. 358 Vgl. Lichtenthaler (2005), S. 702. 353
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Kernhandlungsfeld 2 – Markenstrategie Die Markenstrategie basiert auf den Vermarktungsfähigkeiten des Unternehmens (vgl. erneut Abb. 4-10). Marken stellen eine essentielle Orientierung für Kunden dar und so sind sie zentrale Vermögenswerte von Unternehmen359. Dieser Ressource kommt eine entsprechend bedeutende Rolle im Aufbau neuer Geschäftsfelder zu, wie oben bereits beschrieben worden ist. Weiterhin wurde dargestellt, dass Medienmarken eines der zentralen Branchenassets sind. Die besondere Bedeutung der Marke besteht darin, die positive Wahrnehmung im Sinne eines "Spillover-Effekts"360 auf Produkte in neuen Produktkategorien zu übertragen. So steht das Kernhandlungsfeld "Markenstrategie" in direktem Zusammenhang mit der bereits beschriebenen "Ausgestaltung der Optionen"361. Aufgrund der zentralen Stellung wurde es jedoch separat gefasst. Relevante Gestaltungsregeln innerhalb dieses Kernhandlungsfelds liegen im Bereich der Identifikation der Markenattribute, der Gestaltung der Markenarchitektur, der Markendiversifikation, d.h. des Markentransfers, sowie den Grenzen der Markendehnung: Die bereits beschriebene Orientierungshilfe für Konsumenten besteht darin begründet, dass Marken konstante Erfüllung bestimmter Attribute signalisieren362. Dies gilt an erster Stelle für ein Qualitäts- und Leistungsversprechen bzw. ein gleichbleibendes Preis-/Leistungsverhältnis363. Über diese und andere funktionale Attribute vermitteln Marken aber auch emotionale Erlebnisse364. Eine Klassifizierung der verschiedenen Bestandteile einer Marke liefern Homburg/Richter365. Sie unterscheiden bei der Positionierung einer Marke die Markenpersönlichkeit ("Wie bin ich?"), den Markennutzen ("Was biete ich an?") 359
Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 627. Vgl. Balachander/Ghose (2003), S. 4. Es existieren jedoch in der Literatur auch Stimmen die nahelegen, dass Elemente wie die Marke des neuen Produktes und das Unternehmensimage nur einen marginalen Einfluss auf den Erfolg des Produktes haben - vgl. Cooper (2001), S. 69 - aufgrund der bereits in Kapitel 3.1.1 dargestellten Bedeutung von Medienmarken scheint dies für die betrachtete Industrie jedoch sehr unwahrscheinlich. 362 Vgl. Aaker/Keller (1990), S. 28. 363 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 628. 364 Vgl. z.B. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 128ff. 365 Vgl. Homburg/Richter (2003), S. 15. 360 361
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und den Markenkern ("Wer bin ich?"), wobei sich der Markennutzen mit der oben dargestellten Definition der Kernkompetenzen überlappt. Sowohl die funktionale als auch die emotionale Attributklasse von Marken sind für die Wachstumsstrategie als Ansatzpunkte bedeutsam und eine entsprechende Transparenz hierüber unumgänglich366. Diese Transparenz wird zum einen dadurch geschaffen, dass das Unternehmen die genutzte Markenpositionierung für neue Wachstumsoptionen nutzt. Die andere Seite – und vermutlich bedeutsamer – ist die Offenlegung der Kundensicht. Hierbei gilt es, die Markenstärke und darüber hinaus das Markenimage bei den Nachfragern durch entsprechende Marktforschung zu ermitteln367. Unter der Markenarchitektur ist die Anordnung aller Marken eines Unternehmens zu verstehen368. Sie legt die Funktion der Einzelmarken und ihre Beziehungen untereinander fest. Wird die vorhandene Marke als Ressource für den Aufbau neuer Geschäftsfelder betrachtet, sind im Hinblick auf die Markenarchitektur vor allem Varianten relevant, die bestehende Elemente der vorhandenen Marke für neue Produkte nutzen. Dies ist bei der Dachmarkenstrategie und der Familienmarkenstrategie der Fall369. Bei ersterer befinden sich die einzelnen Produkte unter dem Dach einer übergeordneten Marke. Der Vorteil besteht darin, dass diese Dachmarke als Starthilfe für die Einführung neuer Produkte fungieren kann, weil bereits ein "Markengoodwill" beim Handel oder den Verbrauchern besteht370. Heterogene Produkte können unter einer einheitlichen Marke jedoch deutlich weniger klar positioniert werden. Bei der Familienmarkenstrategie werden hingegen unter dem Dach einer Familienmarke, die für ein einheitliches Nutzenversprechen steht, einzeln positionierte Sub-Marken etabliert371. Dies geht wiederum zu Lasten der Nutzbarkeit von Synergien, ermöglicht jedoch besser die einzelne Positionierung.
366
Vgl. Mayer de Groot (2003), S. 60ff. Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 650. Vgl. hierzu und zum Folgenden Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 129. 369 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 640. 370 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 640. 371 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 641. 367 368
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
119
Die Bewertung der Familien- und Dachmarkenstrategie im Hinblick auf verschiedene Beurteilungskriterien lässt sich Kemper folgend wie in Abb. 4-11 darstellen372. Abb. 4-11:
Vergleich der verschiedenen Markenstrategien
Beurteilungskriterium
Einzelmarke
Familienmarke
Dachmarke
Möglichkeit spezifischer Profilierung der Angebote
Sehr gut möglich
Möglich
Eingeschränkt
Fähigkeit segmentspezifischer Ansprache
Gut gegeben
Gegeben
Weniger gegeben
Konsistenz und Prägnanz des Markenimages
Hoch
Mittel
Koordinationsbedarf
Gering
Mittel/hoch
Ggf. niedrig (je nach Heterogenität der Produkte) Hoch
Ressourcenbedarf
Sehr hoch
Mittel/hoch
Mittel
Markenpräsenz bei gleichen Marketingausgaben
Gering
Mittel
Hoch
Wirkungsdauer der Investitionen in das Markenkapital
Beschränkt auf Lebensdauer des Angebotes
Eher langfristig
Langfristig
Potenzial der Synergienutzung
Gering
Mittel
Hoch
Möglichkeit der Nutzung positiver Ausstrahlungseffekte
Nicht möglich
Innerhalb der Markenfamilie möglich
Umfassend möglich
Gefahr negativer Ausstrahlungseffekte
Nicht möglich
Für Produkte innerhalb der Markenfamilie
Hoch (bzgl. Unternehmen und Produktprogramm)
Quelle: Eigene Darstellung nach Kemper (2000), S. 303
Die erfolgreiche Gestaltung von Markenarchitekturen in der Medienindustrie hat Kamann untersucht373. Sechs Erfolgsfaktoren wurden identifiziert: Den Kern der Architektur solle demnach eine journalistisch begründete Markenidentität bilden (1). Werde die Markenarchitektur auf dieser Basis erweitert, sei es notwendig, klare Rollen und Aufgaben der einzelnen Sub-Marken im Portfolio zu definieren
372 373
Vgl. Kemper (2000), S. 303. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kamann (2003), S. 237ff.
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(2). Diese Rollen und Aufgaben seien dementsprechend auch für neue Geschäftsfelder zu definieren. Gerade bei Medienmarken sei in diesem Zusammenhang eine "mental convenience"374 bedeutsam (3), weil sich die Produkte von Ausgabe zu Ausgabe aufgrund unterschiedlicher präsentierter Inhalte verändern. Verbraucher sollen daher mit Markenausprägungen konfrontiert werden, die durch eine einfache, klare Präsentation des Leistungsangebotes (4) schnell in ihrer Rolle zu erfassen seien. Für Medienmarken solle klar entschieden werden, ob entweder eine Dachmarkenstrategie zu verfolgen sei oder eine neue Einzelmarke positioniert werden solle (5). Das Entscheidungskriterium sei, inwieweit eine neue Zielgruppe angesprochen werden solle. Eine neue Zielgruppe mit einem neuen Produkt unter bekanntem Markendach erreichen zu wollen, sei ein typischer Fehler in der Medienpraxis. Dieses Kriterium scheint im Kontext der neuen Geschäftsfelder besonders bedeutungsvoll zu sein, da durch größere Entfernung der neuen Produktarten zum Kerngeschäft die Homogenität der Zielgruppen schwieriger abzuschätzen sein dürfte. Zuletzt betont Kamann die Bedeutung der Prägung der Medienmarken durch die handelnden Personen (6), da die Identität von Medienprodukten durch die täglich neue Gestaltung deutlich weniger zu fixieren sei als bei anderen Produktarten. Entsprechend hohe Bedeutung habe die Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf die gewünschte Markenführung. Wurde oben bereits die einfache geografische Ausweitung oder Replikation bestehender Produktarten ausgeklammert, gilt dies entsprechend für diese Option aus Markenperspektive ("Line-Extensions"). Der Transfer von Marken auf gänzlich andere Produktklassen (also neue Geschäftsfelder) wird aus dieser Perspektive als "Markentransfer" oder "Brand-Extension" bezeichnet375. Auf diesem Wege können die Markenwahrnehmung und das Markenimage im Sinne der Markenattribute in neue Geschäftsfelder transferiert werden, die Distributionskosten niedrig gehalten und die Effizienz der Kommunikationsausgaben deutlich gesteigert werden376. Die dahinter liegenden Annahmen sind, dass der Konsu374
Hiermit beschreibt Kamann die Notwendigkeit, die vom Konsumenten erwarteten Markenattribute und Produkteigenschaften im täglichen neu gestalteten Medienprodukt deutlich zu machen. Dies ist z.B. durch Layout, Blattstruktur, Sprachstil und -tonalität erreichbar. 375 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 643. 376 Vgl. Aaker/Keller (1990), S. 27.
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ment eine positive Sicht auf die Originalmarke hat (1), diese positive Einstellung auf die Erweiterung übertragen kann (2) und sämtliche negative Eigenschaften weder übertragen noch von der Erweiterung erzeugt werden (3)377. Aaker/Keller widmeten sich in einer vielbeachteten Studie der Kundenwahrnehmung von Markentransferprozessen378. Hiernach werden diejenigen Markentransferaktivitäten positiv bewertet, bei denen die Qualität der Ausgangsmarke positiv bewertet worden ist und gleichzeitig eine Konsistenz zwischen Ausgangsmarke und Neuprodukt wahrgenommen wird. Eine solcher "Fit" bestehe, wenn alte und neue Produkte entweder "komplementär" oder "substitutiv" sind. Dann werde die Qualitätswahrnehmung der Ursprungsmarke auf das neue Produkt übertragen. Daneben werde dasjenige Neuprodukt als positiv bewertet, bei dem Kunden einen "Kompetenztransfer" vom bisherigen Kernprodukt zu neuen Produkten wahrnehmen379. Die Komplementarität bzw. Kompetenztransferwahrnehmung habe allerdings eine höhere Bedeutung als ein substitutiver "Fit". Liege eine Konsistenz insgesamt jedoch nicht vor, könne die Produktdiversifikation leicht als "lächerlich" angesehen werden. Weiterhin müsse das neue Produkte – bzw. seine Erstellung – eine Komplexität (im Gegensatz zu Markentransfers auf triviale Produkte) aufweisen, um positiv vom Kunden wahrgenommen zu werden. Diese Ergebnisse wurden von denselben Autoren später um Effekte erweitert, die bei einer mehrmaligen Übertragung einer Marke auf neue Geschäftsfelder entstehen380. Im Ergebnis zeigte sich, dass nur für eine durchschnittlich starke Marke die Chance auf eine positive Kundenbewertung steige, wenn bereits erfolgreich neue Produkte auf Basis der bestehenden Kernmarke eingeführt worden sind. Nur für eine Marke mit hoher Qualitätsattribution senke ein bereits erfolglos eingeführtes neues Produkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiteres neues Produkt positiv wahrgenommen wird. Weiterhin hat die Konsistenz des aus dem Markentransfer entstehenden Produktprogramms hohen positiven Einfluss auf die Erfolgsaussichten der neuen
377
Vgl. Aaker/Keller (1990), S. 28. Vgl. Aaker/Keller (1990). 379 Vgl. hierzu und zum Folgenden Aaker/Keller (1990), S. 30ff. 380 Vgl. hierzu und zum Folgenden Keller/Aaker (1992), S. 46f. 378
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Produkte381. So seien die Produktprogramme am erfolgreichsten, bei denen eine hohe Konsistenz im Hinblick auf das Markenkonzept sowie bei den Produkteigenschaften vorliege. Andere Studien sehen die Erfolgsaussichten einer "Brand-Extension" eher von den spezifischen Attributen der Ursprungsmarke dominiert382. Wenn sich diese im neuen Geschäft wiederfinden, werde die Kundenwahrnehmung deutlich verbessert werden – auch wenn in deutlich andere Produktkategorien diversifiziert werde. Auch Hätty sieht die Konsistenz der Markenimages von Ausgangsmarke und Transferprodukt als entscheidend für den Erfolg an383. Die Übertragung birgt jedoch auch hohe Risiken384: Der Wert der Marke kann durch die Erweiterung insgesamt abnehmen, wenn die Erweiterung das Ursprungsprodukt kannibalisiert bzw. das neue Image durch das Entstehen neuer Attribute schädlich auf die Marke wirkt. Hätty hat gezeigt, dass eine zu geringe Imageaffinität zwischen Neu- und Altprodukt zu negativen Effekten führt385. Balachander/Ghose sprechen von einem "reziproken Spillovereffekt" und weisen diesen über eine Analyse der Inhalte der Werbung für neue, auf Basis eines Markentransfers entstandene Produkte nach386. Marken mit hoher Qualitätsattribution lassen sich zwar weiter im Sinne einer "Brand-Extension" dehnen als Marken mit einer durchschnittlichen oder geringen Qualitätsattribution387. Dennoch können auch Marken mit hoher Qualitätsattribution überdehnt werden388. Dieses gilt vor allem dann, wenn Kunden der Meinung sind, dass das neue Produkt die existierenden technischen Fähigkeiten des Unternehmens überschreitet389. Auch die Qualität des neuen Produktes haben Einfluss auf die Markenwahrnehmung der Kernmarke nach Einführung von "Brand-Extensions"390. 381
Vgl. hierzu und zum Folgenden Park et al. (1991), S. 185. Vgl. hierzu und zum Folgenden Broniarczyk/Alba (1994), S. 226f. 383 Vgl. Hätty (1989). 384 Vgl. hierzu und zum Folgenden Aaker/Keller (1990), S. 27f., 40; Keller/Aaker (1992), S. 46 und so auch Martinez/Pina (2003). 385 Vgl. Hätty (1989), S. 329ff. 386 Vgl. Balachander/Ghose (2003), S. 4. 387 Vgl. Keller/Aaker (1992), S. 44f. 388 Vgl. Keller/Aaker (1992), S. 46. 389 Vgl. Broniarczyk/Alba (1994), S. 227. 390 Vgl. Martinez/Pina (2003), S. 432. 382
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Für Gestaltungsregeln zur konkreten Erweiterung von Medienmarken auf neue Geschäftsfelder können erneut die Ergebnisse von Kamann herangezogen werden391. Auch für diese Fragestellung wurden Erfolgsfaktoren erarbeit: So solle der Aufbau von komplexeren Markenarchitekturen schrittweise und behutsam erfolgen (1), hierbei müsse die Entfernung vom Markenursprung zur neuen separaten Marke sukzessive und nicht in einem Schritt erfolgen (2). Die für diese Arbeit besonders wichtige dritte Gestaltungsregel besagt, dass inhaltliche Kompetenzfelder der Medienmarke zum Aufbau von Markenerweiterungen herangezogen werden sollen (3). Diese Empfehlung legt eine u.a. auf den Kernkompetenzen beruhende Markenerweiterung nahe. Insbesondere bei der Etablierung von verlagsfernen Produkten sei eine strenge Prüfung der Markenkonzeption des Neuproduktes notwendig, um das Risiko von Markenschädigungen zu minimieren (4). Werde eine neue Medienmarke zusammen mit einem Partner realisiert, müsse dieser aus dem gleichen Grund konsequent überwacht werden (5).
Kernhandlungsfeld 3 – Organisation der Innovation und der Entwicklung Dieses Kernhandlungsfeld beschreibt die formale und informelle Organisation des Diversifikationsprozesses. Die interne und tw. auch externe Integrationsfähigkeit stellen hierfür die relevante Fähigkeitsbasis dar (vgl. Abb. 4-10). Dieses Handlungsfeld ist sehr umfassend erforscht und kann im Folgenden aus Umfangsgründen nur sehr begrenzt dargestellt werden. Seine Bedeutung im Hinblick auf den Erfolg neuer Produkte ist unstrittig392, denn als Erfolgsfaktoren desselben werden die passende Organisationsstruktur und das Unternehmensklima angesehen393. Da Organisation über formale Regeln erfolgt, aber "unsichtbare" Regeln zumindest eine ebenbürtige Rolle spielen394, soll beiden Bereichen gleichwertige
391
Vgl. hierzu und zum Folgenden Kamann (2003), S. 242ff. Vgl. Keller (2004), S. 255. 393 Cooper (2001), S. 95. 394 Vgl. Schreyögg (1999), S. 12f.; Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 299. 392
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Aufmerksamkeit zukommen. Daher werden zuerst Gestaltungsregeln für die formale Organisation dargestellt. Danach werden bedeutsame Elemente der informellen Organisation, wie Fragen zur Unternehmenskultur sowie die hier besonders wichtigen Strategien erläutert, um Wandelbarrieren zu überwinden395. Erster Schritt auf dem Weg zu neuen Geschäftfeldern ist der oben dargestellte Prozess, Optionen auszugestalten, bei dem zu Beginn die Suche nach Ideen steht. Diese kann im Hinblick auf seine Organisation "strukturiert", "hybrid" oder "informell" erfolgen396. Die hierfür notwendige Kreativität wird am besten in Gruppensituationen freigesetzt397, wobei heterogene Gruppenzusammensetzungen die Kreativität befördern398. Eine in Bezug auf die Hierarchiepositionen sehr heterogene Gruppenzusammensetzung bremst die Kreativität wiederum, weil statusniedrige Gruppenmitglieder aus Sorge vor Kritik ihren Beitrag reduzieren399. Überwiegend wird in der Literatur ein formalisierter Innovationsprozess als erfolgreicher befürwortet als einzelne (meist Topmanagement-getriebene) Projekte400 – es existieren allerdings auch gegenteilige Sichtweisen401. In der modernen Organisationsforschung sind darüber hinaus innovationsorientierte Organisationsmodelle vorgestellt worden, die der gesamtheitlichen Ausrichtung des Unternehmens auf Innovationen entsprechen. Diese Studien sind mit den Erfahrungen der Unternehmen 3M402 und GORE403 verbunden404. Als entscheidende Rahmenbedingung gilt, dass Mitarbeiter umfassende monetäre Anreize erhalten405 und ihnen auch formal Zeit für die Beteiligung an Innova395
Dass diese Konzepte auch auf die Medienindustrie übertragbar sind, wird bei Köhler (2005), S. 137ff. deutlich. Vgl. hierzu und zum Folgenden Lichtenthaler (2005), S. 705. 397 Vgl. Redel (1982), S. 77. 398 Vgl. Siemer (1991), S. 135. 399 Vgl. Collaros/Anderson (1969). 400 Vgl. Booz-Allen & Hamilton (1982) zitiert nach Cooper (2001), S. 54 sowie Cooper (2001), S. 80 401 Vgl. Shum/Lin (2007), S. 1624. 402 Vgl. z.B. Peters/Waterman (1982), S. 150; Lichtenthaler (2005), S. 705; Cooper (2001), S. 97. 403 Vgl. Schreyögg (1999), S. 278f. 404 Eine ausführliche Darstellung unterbleibt aus Umfangsgründen. Vgl. für eine Übersicht Schreyögg (1999), S. 270ff. 405 So auch explizit für die Entwicklung neuer Produkte Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 299. 396
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tionsaktivitäten zur Verfügung gestellt wird. Weiterhin ist bedeutsam, dass Projektmisserfolg auch sozial nicht sanktioniert wird. Erfolgreiche Unternehmen aus anderen Branchen arbeiten auch mit Märkten für Ideen406. So sollen insbesondere in großen Unternehmen "Ideengeber" und "Ideensucher" über eine marktähnliche Kommunikationsplattform zueinander finden. Insgesamt muss bedacht werden, dass sich der Aufbau neuer Geschäftsfelder deutlich radikaler darstellt, als Innovation, die im existierenden Kerngeschäft regelmäßig am Ende eines Produktlebenszyklus erfolgt407. Wie dargestellt, kann der Entwicklungsprozess neuer Produkte, der sich an die Innovationsphase anschließt, als nächster bedeutsamer Schritt angesehen werden. Larson/Gobeli identifizierten für den Entwicklungsprozess fünf verschiedene Organisationsstrukturen, deren Übergänge jedoch fließend sind408: Funktional (1), d.h., die Produktentwicklung unterwirft sich der traditionellen Organisation. Die Entwicklungstätigkeit wird in Segmente unterteilt und von den Funktionsbereichen separat bearbeitet. Funktionsmatrix (2), d.h., ein Projektmanager mit begrenzter Autorität koordiniert die in den Funktionsbereichen bearbeiteten Projektteile. Ausbalancierte Matrix (3), d.h., ein Projektmanager überblickt das Gesamtprojekt und teilt sich die Verantwortung mit den Leitern der Funktionsbereiche. Projektmatrix (4), d.h., ein Projektmanager überblickt die Produktentwicklung und ist Hauptverantwortlicher. Die Funktionsbereiche stellen personelle und technische Ressourcen zur Verfügung. Projektteam (5), d.h., ein Projektmanager leitet ein Team, das aus Mitarbeitern verschiedener Funktionsbereiche gebildet wird. Diese Mitarbeiter stehen dem Projekt vollzeitig zur Verfügung. Die Leiter der Funktionsbereiche sind formal nicht einbezogen.
406 407 408
Vgl. hierzu und zum Folgenden Shum/Lin (2007), S. 1615. Vgl. Burgelman (1983), S. 223. Vgl. hierzu und zum Folgenden Larson/Gobeli (1988), S. 181 und so auch Cooper (2001), S. 95.
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Aus empirischen Vergleichen ergaben sich weiterhin folgende Ergebnisse409: Je mehr Einfluss dem Projektmanager zukommt, desto höher ist die Projektgeschwindigkeit. Daneben schnitten die sehr auf die Funktionsbereiche orientierten Organisationsformen (1, 2) bei der Kostenkontrolle schlechter ab. Je mehr Einfluss dem Projektmanager zukommt (3, 4 und vor allem 5), desto höher ist der Gesamterfolg der Projekte. Nur ein Drittel der Projekte mit funktionaler Organisation war in der Studie erfolgreich, während bei der Projektteamorganisation über 60 Prozent der Projekte erfolgreich waren. Daneben scheinen Projekte mit hoher Komplexität am erfolgreichsten in der Projektteam-Organisation bearbeitet zu werden und Projekte mit niedriger Komplexität am besten in der Projektmatrix410. Die Projektorganisation im weitesten Sinne liegt als Organisationsform schon deshalb besonders nahe, weil es sich bei dem jeweiligen Entwicklungsprojekt immer um eine zeitlich befristete Aktivität handelt411. Die Bedeutung der Gestaltungsregeln für die Organisation des Projektteams verdeutlichen Brown/Eisenhardt: "The heart of the product-development process and the focus of much research is the project team. Project team members are the people who actually do the work of product development. They are the people who transform vague ideas, concepts, and product specifications into the design of new products."412
Da die Projektorganisation nicht nur für die hier relevanten Fragestellungen die naheliegende Organisationsform ist, gelten die folgenden Gestaltungsregeln zumeist auch für Projekte anderer Art. Spezifischere Gestaltungsregeln für den Aufbau neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie existieren in der Literatur nicht. Sie müssen explorativ in der empirischen Forschung ermittelt werden. Die allgemeinen Gestaltungsregeln für die Organisation von Projekten zur Entwicklung neuer Produkte können aber die gewünschte Vorstrukturierung liefern: Alle Studien legen nahe, die designierten Teams multidisziplinär zu besetzen ("cross-functional teams"), also alle für das neue Produkt relevanten Funkti-
409
Vgl. hierzu und zum Folgenden Larson/Gobeli (1988), S. 184ff. So auch Peters (1988), S. 96f. 411 Vgl. Schreyögg (1999), S. 190. 412 Brown/Eisenhardt (1995), S. 367. 410
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onen des Unternehmens im Team zu vereinen413. Dieses würde gemäß der dargestellten Wertschöpfungskette von Medien die Einbeziehung von Redakteuren, Vermarktungs- und Vertriebsexperten sowie des übergeordneten Managements und von Querschnittsfunktionen wie beispielsweise der Controlling- und ITAbteilung bedeuten. Ähnlich argumentiert Peters, der ebenfalls die grundsätzliche Beteiligung von verschiedenen Funktionsbereichen und auch Außenstehenden fordert, um Verzögerungen im Entwicklungsprozess vorzubeugen414. Die Ressourcen der designierten Projektmitglieder müssen allerdings auch tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht durch die Linienarbeit oder Einbindung in andere Projekte gebunden sein. Eine eindeutige und "gelebte" Zuordnung zu dem Projekt ist entscheidend für den Erfolg415. Auch für die Einführung neuer Produkte gilt die Erfahrungskurve. Daher ist es lohnenswert, bei der Teambesetzung die Erfahrungen der Mitarbeiter bei ähnlichen Themenstellungen zu berücksichtigen416. Kamann, der für die Medienindustrie die Markenperspektive erforscht hat, betont, dass es bedeutsam sei, Mitarbeiter in die Konzeption der neuen Produkte einzubeziehen, die die Markenidentität durch ihre bisherige Tätigkeit kennen417. So könne die Übertragung auf die neuen Geschäftsfelder gewährleistet werden. Wichtig ist auch die eindeutige Verantwortungsvergabe für die Produktentwicklung direkt vom Projektbeginn an418. Folgt man Clark et al., kommt dem Projektmanager eine umfassende Rolle bei erfolgreichen Innovationsprojekten zu419: Durchsetzungsstarke Projektleiter seien bedeutsame Verbindungsglieder zwischen dem Entwicklungsteam und dem Topmanagement. Eine solche Konstellation begünstige den Projekterfolg, weil die Projekte auf diese Weise einen Vorteil hinsichtlich benötigter Ressourcen und Respekt im Unternehmen errei413
Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 95, Shum/Lin (2007), S. 1615, Brown/Eisenhardt (1995), S. 362, Dougherty (1992), 195f., Zirger/Maidique (1990), S. 867, Cormican/O'Sullivan (2004), S. 824; Liberatore/Stylianou (1995), S. 1297ff. 414 Vgl. Peters (1988), S. 261. 415 Vgl. Cooper (2001), S. 76. 416 Vgl. Booz, Allen, Hamilton (1982) zitiert nach Cooper (2001), S. 55. 417 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kamann (2003), S. 242. 418 Vgl. Cooper (2001), S. 69. 419 Vgl. hierzu und zum Folgenden Clark et al. (1987), S. 729.
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chen. Eine unternehmensweite Autorität sei für den Projektleiter somit ein Erfolgskriterium, ebenso seine Fähigkeit, den Projekten mittels politischer Lobbyarbeit Unterstützung zu verschaffen420. Für Medienunternehmen scheint dementsprechend ableitbar zu sein, dass der Projektleiter in beiden zentralen Organisationsbereichen anerkannt sein sollte, also sowohl auf der redaktionellen als auch auf der Verlagsseite. Nach Eisenhardt/Brown solle ein Projektleiter in Innovationsprojekten eine ganzheitliche Vision der Zielsetzung haben und in der Lage sein, diese Vision umfassend zu kommunizieren421. Weniger untersucht, aber nicht minder relevant ist die Managementfähigkeit der Projektleitung, denn klassische Tugenden des Projektmanagements gelten naturgemäß auch für die in Projekten bearbeiteten Aufgaben während der Etablierung neuer Geschäftsbereiche422. So konnte nachgewiesen werden, dass die klare Verantwortungsübernahme eines Projektleiters für den gesamten Zeitraum, die Zuordnung dieses Projektleiters zu nur einem einzigen Projekt sowie regelmäßige Projektmeetings zum Erfolg neuer Produkte beitragen423. Lewis et al. vereinen erstmals scheinbar widersprüchliche Projektmanagementstile424: Auf der einen Seite konnte ein "emergenter", d.h. aus der Situation heraus agierender Projektmanagementstil festgestellt werden. Auf der anderen Seite stand der klassische, planvolle Projektmanagementstil425. Während ersterer stärker partizipative Züge und eine Fokussierung auf Lernen, Interpretation der Informationen aus der Umwelt und Improvisation aufweist, konzentriert sich letzterer auf einen systematischen Soll-Ist-Abgleich der plandeterminierten Ziele. Er ist dementsprechend mit mehr direktiven Eingriffen verbunden. Lewis et al. sehen nun eine Dynamik in der Stilanwendung, d.h., ein Stil ist nicht nur in unterschiedlichen Situationen gefragt, sondern ändert sich mit dem Reifegrad eines Projektes: Emergente Aktivitäten befördern grundsätzlich den Innovationsgrad von Projekten. Der Bedarf an emergentem Führungsverhalten nehme allerdings 420
Vgl. Ancona/Caldwell (1992), S. 259f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Brown/Eisenhardt (1995), S. 370f. Vgl. Kahn et al. (2006), S. 112. 423 Vgl. Cooper (2001), S. 77. 424 Vgl. hierzu und zum Folgenden Lewis et al. (2002), S. 549ff. 425 So auch Brown/Eisenhardt (1995), S. 369. 421 422
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im Zeitverlauf ab. Plandeterminierte Aktivitäten fördern die Projekteffizienz und sind im weiteren Verlauf bedeutender. Zusammenfassend beschreibt das Zitat von Eisenhardt/Brown gut die Rolle des Projektmanagers: "Even though the cross-functional team is the heart of efficient product development, the project leader is the pivotal figure in the development process."426
Neben dem Projektleiter kommt oftmals auch einzelnen Projektmitarbeitern eine Schlüsselbedeutung im Innovationsprozess zu427. Neben der kreativen Schlüsselfunktion in der Entwicklung oder Ideengenerierung findet sich die im Erfolgsfall mit herausragenden Individuen besetzte Schlüsselposition gelegentlich auch im kaufmännischen Bereich428. Auch die Kommunikation der Teams ist recht umfangreich erforscht429. Verallgemeinerungsfähiges Ergebnis ist, dass umfassende Kommunikation innerhalb des Projektteams – sowie mit externen Personen – die Leistungsfähigkeit des Teams stärkt und somit zu besseren Produkten führt. Auch die physische Nähe der Teammitglieder ist eine Bedingung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit430. Weiterhin wird die Rolle von sogenannten "gatekeepers" betont431. Hierbei handelt es sich um eine besonders leistungsfähige Person, die durch ein ausgeprägtes Maß an Kommunikation mit der äußeren Umwelt (z.B. mit der Wissenschaft oder den Kunden) und umfassende unternehmensinterne Weitergabe den Erfolg der Projekte deutlich begünstigt432. Darüber hinaus bedeutsam ist, dass diejenigen Teams am erfolgreichsten agieren, die als "Botschafter" ihres Projektes strategisch (d.h. politisch, tw. sogar im Sinne von Lobbying) mit Projektex-
426
Brown/Eisenhardt (1995), S. 369. Vgl. hierzu und zum Folgenden Poolton/Barclay (1998), S. 199f. 428 Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 199. 429 Vgl. für einen Überblick Ancona/Caldwell (1992), S. 635. 430 Vgl. Cooper (2001), S. 97. 431 Vgl. hierzu und zum Folgenden Allen (1971), S. 14. 432 Vgl. Poolton/Barclay (1998), S. 199. 427
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ternen kommunizieren433. Sie können Ressourcen für das Projekt absichern und bedeutsame Informationen schnell erlangen. Die Kommunikationsbarrieren, die mit der funktionsübergreifenden Besetzung des Teams einhergehen, können am besten dadurch überwunden werden, dass Aufgaben auf die Teammitglieder verschiedener Funktionsbereiche verteilt und Routinen gemeinsam erledigt werden434. Auf die Medienunternehmen übertragen erwächst hieraus die Gestaltungsregel, redaktionelle und kaufmännische Aufgaben klar auf die Projektmitarbeiter aus beiden Bereichen aufzuteilen. Weiter von Bedeutung für die Kommunikationsintensität und somit für den Projekterfolg ist die Dauer, in der die Teams zusammenarbeiten. Katz konnte feststellen, dass die Teamleistung mit der Zusammengehörigkeitsdauer deutlich zunimmt435. Nach Überschreiten einer Zeit von fünf Jahren kehrt sich dieser Zusammenhang jedoch komplett um und führt zu einer geringeren Kommunikation und Teamleistung. Weiterhin ist die langfristige Betreuung des neuen Produktes durch einen verantwortlichen Manager ("Projektsponsor") mit hoher Seniorität im Unternehmen ein Erfolgsfaktor, wobei es hier eine unterschiedliche Auffassung über den Grad dieses Engagements gibt. Fordert z.B. Cooper eine eher unterstützende Rolle436, so sehen Imai et al. eine subtile Kontrolle für wichtig an437, um die neuen Produkte erfolgreich auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig kann so dafür gesorgt werden, dass die neuen Produkte im Rahmen der strategischen Grenzen bleiben. Beste Ergebnisse wurden laut dieser Studie dadurch erzielt, dass das Management klare Zielvorgaben setzt und diese durch das Projektteam in relativer Autonomie erfüllt werden. Auf die Medienindustrie übertragen, könnte die Bedeutung eines Projektsponsors ggf. sogar zu erweitern sein. Wurden obenstehend schon die beiden zentralen Bereiche Redaktion und Verlag genannt, so scheint die Unterstützung von beiden Seiten geboten. Als Projektsponsoren soll-
433
Vgl. hierzu und zum Folgenden Ancona/Caldwell (1992), S. 659. Vgl. Dougherty (1992), S.195. 435 Vgl. hierzu und zum Folgenden Katz (1982), S. 91f. 436 Vgl. Cooper (2001), S. 55. 437 Vgl. Imai et al. (1985), S. 337ff. 434
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ten daher möglicherweise sowohl die Verlagsleitung oder Geschäftsführung als auch die Chefredaktion gewonnen werden. Eines der ganz wenigen Ergebnisse im Hinblick auf die erfolgreiche Implementierung ist an dieser Stelle ebenfalls betrachtenswert. So weisen Gupta/Govindarajan nach, dass von den verantwortlichen Managern von Geschäftsbereichen diejenigen hinsichtlich der Implementierung von Wachstumsstrategien erfolgreicher sind, die eine große Marketing- oder Vertriebserfahrung aufweisen, bereit sind, Risiken einzugehen und die Komplexitätstoleranz (im Original: "tolerance for ambiguity") mitbringen438. Übertragen auf die Medienunternehmen scheint somit die Leitung eines neuen Geschäftsfeldes durch Mitarbeiter mit Verlagshintergrund erfolgversprechender zu sein als durch redaktionelle Mitarbeiter. Marketing und Vertrieb liegen gemäß der dargestellten Wertschöpfungskette (vgl. erneut Abb. 3-8) im Verantwortungsbereich der Verlagsorganisation. Ist nun die Produktentwicklungsphase erfolgreich abgeschlossen, stellen sich langfristigere organisatorische Fragen. Das neue Geschäftsfeld muss in die bestehende Organisation eingepasst, Stellen und Abteilungen ggf. neu geschaffen werden oder Aufgaben des neuen Geschäftsbereiches in bisherige Stellen/Abteilungen eingegliedert werden439. Das Strukturierungsprinzip ist hier zumeist die Gleichartigkeit der Aufgabe. Es ist z.B. naheliegend, die Bewerbung neuer Produkte in eine bestehende Marketingabteilung einzugliedern. Da durch die Diversifikation die Anzahl der verschiedenen Tätigkeiten – also die Binnenkomplexität des Unternehmens – tendenziell steigt, finden zunehmend Organisationsmodelle Anwendung, die dieser Entwicklung Rechnung tragen. Hier sind die objektorientierte, d.h. divisionale Struktur sowie die Matrixstruktur zu nennen. Aber auch direkte Schnittstellen – wie die Einrichtung von sog. "Passarellen" oder "Fayloschen Brücken" – sind sinnvoll, um der Komplexität sinnvoll zu begegnen440. Solche direkten Schnittstellen zwischen Organisationseinheiten vermeiden den Umweg der Hierarchie. 438 439 440
Vgl. Gupta/Govindarajan (1984), S. 25. Vgl. hierzu und zum Folgenden Gebert (1983), S. 94f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Schreyögg (1999), S. 174f.
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Entscheidend für den Erfolg scheint weiterhin die Entfernung des neuen Geschäftsbereiches zum Kerngeschäft zu sein. So konnte Gilbert für die Medienindustrie nachweisen, dass neue Online-Geschäftsbereiche dann am erfolgreichsten waren, wenn sie eigenständig und mit einiger Entfernung zum Printgeschäft organisiert waren441. Eine sich anschließende Frage ist, wo die kontinuierliche Entwicklung weiterer neuer Produkte angesiedelt werden sollte. Als klassische Antwort findet sich in der Literatur, dass der Erfolg neuer Produkte dann am größten ist, wenn diese direkt einem Forschungs- und Entwicklungs- oder dem Produktionsbereich unterstehen442. Ansoff/Brandenburg schlagen hingegen vor, dass Unternehmen eine eigenständige Einheit unter dem Konzerndach gründen sollten – eine sogenannte "new venture division"443. Ein derartiges Vorgehen wird von dem Forschungszweig gestützt, der sich unter den Begriffen "venture managements", "corporate venturing" oder ähnlichen Begriffen finden lässt444. Hauptthese dieser Autoren ist, dass die Gestaltungsmechanismen in Großunternehmen den flexiblen und komplexen Anforderungen einer Produktdiversifikation nicht gerecht werden, weil sie zu bürokratisch seien. In einer solchen "venture division" könne eine entsprechend förderliche Struktur und Kultur eher etabliert werden. Diese Lösung birgt jedoch durchaus Probleme445: So liegt der Anstoß für neue Produkte zumeist bei Individuen innerhalb der operativen Organisationsbereiche, die durch die Chance, einen solchen Geschäftbereich neu zu initiieren, auch eigene Karriereziele verwirklichen können. Typischerweise treten die formalen und kulturellen Barrieren später dennoch zu Tage, wenn der neue Geschäftsbereich nach oftmals unorthodoxen Anfängen dann doch in die klassische Organisation überführt wird.
441
Vgl. Gilbert (2001). Vgl. Shum/Lin (2007), S. 1624 . Vgl. Ansoff/Brandenburg (1971), S. 720f. 444 Vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. Peterson (1967), Burgelman (1983), S. 223ff. sowie für eine Übersicht Siemer (1991), S.14. 445 Vgl. hierzu und zum Folgenden Burgelman (1983), S. 224, 241ff. 442 443
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Trotz dieser Einwände haben Vogelsang/Fischer in einer der wenigen direkten Aussagen zur Organisation von Wachstumsinitiativen bei Medienunternehmen eine ähnliche Sicht: Sie fordern, dass Wachstumsinitiativen zuerst in einer "venture division" inkubiert und dann für einen gewissen Zeitraum in Form einer Matrix geführt werden sollen446. Im Hinblick auf die nicht formalisierte Organisation ist eine innovationsorientierte Kultur Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung neuer Produkte und Geschäftsfelder447. Gestaltungsregeln, eine solche Kultur zu erzeugen, liegen vor allen Dingen in den oben dargestellten strukturellen Maßnahmen (Kommunikation zu befördern, für entsprechende Teamzusammensetzung zu sorgen, die Organisationsstruktur entsprechend zu gestalten etc.). Daneben ist es bedeutsam, Selbstabstimmung zwischen den Bereichen zu fördern und keinesfalls zu unterbinden448. Die Kultur selber entsteht jedoch emergent und ist nicht direkt steuerbar. Der Aufbau neuer Geschäftsfelder stellt einen typischen Wandelprozess mit den hiermit einhergehenden prinzipiellen Widerständen gegen Änderungen dar449. Dies gilt ggf. bei Medienunternehmen insbesondere durch den Dualismus zwischen Verlag und Redaktion. Da der Verlag hauptsächlich an kaufmännischem Erfolg interessiert ist, liegt der hier thematisierte Wachstumsdruck in seinem Verantwortungsbereich. Da die Redaktion der Produktionsbereich des bisherigen journalistischen Kerngeschäftes ist, sind Widerstände gerade an dieser Stelle vorstellbar, wenn Geschäftsfelder erschlossen werden, die sich von diesem Kerngeschäft entfernen. Aus diesem Grunde sind auch das klassische "Gesetz organisatorischer Veränderung" von Lewin450 sowie der Phasenverlauf erfolgreicher Wandelprozesse von Greiner in diesem Zusammenhang relevante Theorien, die Gestaltungsregeln
446
Vgl. Vogelsang/Fischer (2007), S. 527. Vgl. z.B. Cooper (2001), S. 78; Homburg/Krohmer (2006), S. 520. 448 Vgl. Schreyögg (1999), S. 172f. 449 Vgl. Schreyögg (1999), S. 485ff. 450 Vgl. hierzu und zum Folgenden Lewin (1958), S. 210f. 447
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mit sich bringen451. Bei Lewin ist die eigentliche Veränderung in einen vorher notwendigen "Auftauprozess" ("unfreezing") der Organisation sowie einen anschließenden Stabilisierungsprozess ("freeze") eingebettet. Beide favorisieren ein partizipatives Vorgehen, d.h., alle vom Wandel betroffenen Organisationsmitglieder (so hier vor allem die Mitarbeiter der Redaktion) müssen aktiv in den Veränderungsprozess einbezogen werden. Greiners Schema ist allerdings komplexer. Da bei Wandelprozessen stets die bestehende Machtstruktur verändert werde, sei es zwingend erforderlich, dass bei den beteiligten Organisationsmitgliedern die Bereitschaft geschaffen werde, die Macht künftig zu teilen. Diese Veränderung der Machtstruktur hat Greiner im Blick, wenn er vorschlägt, den Wandelprozess in sechs Phasen zu gestalten und externe "change agents" einzubeziehen. Eine kurze Übersicht über diese Phasen stellt sich wie folgt dar: Die Bereitschaft zum Wandel muss (z.B. durch Krisensignale) geschaffen werden und die Organisation so – wie bei Lewin – aufgetaut werden. Dieser Prozess wird durch die Intervention von externen Beratern weiter verstärkt, die im Sinne von "change agents" den Blick der Beteiligten auf die künftigen Herausforderungen lenken. Die Diagnose der Problembereiche stellt den ersten tatsächlichen Veränderungsschritt dar, wobei die externen Berater jegliche Tabuisierung bei der Problemidentifikation verhindern. Eine tatsächliche Suche nach echten Lösungen bildet den nächsten – weiterhin durch externe Berater moderierten – Schritt. Alte Blockaden müssen hier in einer gemeinsamen Bemühung überwunden werden. Die erarbeiteten Lösungen werden jetzt nicht angeordnet, sondern den betroffenen Bereichen im Sinne einer Experimentierphase zur Verfügung gestellt, wobei die Reversibilität stets erhalten bleibt. Positive Resultate und die kontinuierliche Information über die Entwicklung machen die neuen Strukturen zunehmend zur Selbstverständlichkeit des Handelns.
451
Vgl. hierzu und zum Folgenden Greiner (1967), S. 126f.
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Kernhandlungsfeld 4 – Filter für Optionen In der Forschung zur Entwicklung neuer Produkte wird ein (iterativer) strukturierter Filterprozess angeraten, um eine rationale Bewertung der Optionen vorzunehmen und intuitionsbasierte Entscheidungen zu verhindern. Dieses beinhaltet Scoringmodelle452 und Entscheidungspunkte, an denen nach festgelegten Kriterien über die Beendigung oder Weiterführung der neuen Produkte entschieden wird453. Cooper schlägt ein sogenanntes "Stage-Gate"-Verfahren vor, das Produktideen auf ihrem Pfad zur Marktreife fünf Prüfstationen ("gates") unterzieht454. Erfüllt das Projekt die Kriterien dieser Tore nicht, muss es entweder direkt abgebrochen oder entsprechend nachgearbeitet werden. Nur so könne ein priorisierter Einsatz der Ressourcen gewährleistet werden. Die einzelnen Tore werden als "Überprüfung der Idee", "zweiter Scan", "Entwicklungsreife", "Testreife", "Marktreife" bezeichnet. Für jedes Tor sind entsprechende Kriterien hinterlegt, die auf dem Weg zur Marktreife zunehmend konkreter prüfen, ob das Produkt zukünftigen Erfolg verspricht. Eine harte Politik zum Abbruch der Projekte sei notwendig, um wenig erfolgversprechende Projekte gar nicht erst zu realisieren. Calatone sieht die Bewertung neuer Produktideen als möglicherweise entscheidende Aktivität im NPD-Prozess an, die aber oftmals nur unzureichend erfolge455. Folgende Kriterien sollten für die Filterung herangezogen werden456: Strategischer "Fit" und strategische Bedeutung des neuen Produktes im Unternehmenszusammenhang Produktüberlegenheit des in Planung befindlichen Produktes gegenüber Produkten von Wettbewerbern Attraktivität des anvisierten Marktes für das neue Produkt Anknüpfung an bestehende Ressourcen, d.h. Realisierung von Synergien
452
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 583. Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 101f. und so auch Hamilton (1974); Cooper/Kleinschmidt (1986), S. 78. 454 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S.130ff. 455 Vgl. Calantone et al. (1999), S. 65. 456 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 103. 453
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Bei der Betrachtung dieser Kriterien wird deutlich, dass einerseits die Ressourcenbasis, andererseits der Markt für die Filterung herangezogen wird. Für die Fragestellungen, die sich in Bezug auf die Ressourcen ergeben, gelten die in Kernhandlungsfeld 1 dargestellten Prinzipien. Weiterhin für die geplante neue Aktivität bedeutsam und somit ein wichtiges Filterkriterium ist die Attraktivität des anvisierten Marktes. Eine Marktanalyse umfasst die Untersuchung der Wettbewerbsprodukte und des Preisniveaus, die Analyse der Kundenbedürfnisse im Hinblick auf das neue Produkt sowie eine Abschätzung der Marktgröße457. In anderen Industrien hat sich gezeigt, dass neue Produkte vor allem unter folgenden Bedingungen erfolgreich sind458: Der Markt muss wachsen, um erfolgreiche neue Produkte zu generieren459. Der Markt weist nur wenige Produkte auf, die im Wettbewerb zueinander stehen460. Auf Basis seiner Forschungsergebnisse fordert Cooper für die erfolgreiche Etablierung neuer Produkte, den Marktcheck sehr ernst zu nehmen461. Dieses umfasst Elemente wie regelmäßige Besuche des gesamten Projektteams am Vertriebspunkt, Tiefeninterviews mit Kunden, Kundenpanels sowie eine umfangreiche quantitative Marktforschung. Neben der qualitativ-konzeptionellen Bewertung einer Produktoption aus Markt- und Ressourcenperspektive bietet die Literatur auch quantitative Werkzeuge an. Herauszuheben, weil im gegebenen Zusammenhang elementar, ist die Wirtschaftlichkeitsanalyse ("Business-Planung") für das neue Geschäftsfeld462. Sie ist die Entscheidungsgrundlage für die Weiterverfolgung einer Produktidee und wird von den meisten Unternehmen durchgeführt. Üblicherweise handelt es sich um ein oder mehrere Verfahren aus der Investitionsrechnung, wie Kosten-, 457
Vgl. Cooper/Kleinschmidt (1986), S.78. Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 53, 64 – eine vollständige Analyse der Marktattraktivität lässt sich mit dem bekannten Modell der fünf Wettbewerbskräfte durchführen, vgl. Porter (1995), S. 27. 459 So auch Zirger/Maidique (1990), S. 880. 460 Vgl. Maidique/Zirger (1985), S. 299ff. 461 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 88 und so auch Kahn et al. (2006), S. 111f., Cooper/Kleinschmidt (1986), S. 74. 462 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), 595f. 458
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Investitions- und Umsatzplanung, DCF-Analyse, ROI-Analyse, Break-evenBerechnung etc.463. Die Verfahren sind in unterschiedlichen Detailgraden und mit unterschiedlichem Aufwand anwendbar. Auf Basis der ressourcenbasierten Analyse und der Marktanalyse müssen für die Business-Planung quantitative Prognosen über erfolgsrelevanten Kennzahlen angestellt werden. Eine Herausforderung für die Verantwortlichen ist es, die oft qualitativen bzw. nur als Wahrscheinlichkeitsverteilung beschreibbaren bisherigen Analyseergebnisse in den quantitativen Business-Plan zu integrieren464. Für eine Prognoseerstellung auf dieser Basis existieren statistische Werkzeuge wie die "MonteCarlo"-Modellierung, die die Überführung der Daten in das Modell ermöglichen465.
Kernhandlungsfeld 5 – Launchvermarktung und Distribution Sämtliche Aktivitäten, die mit der konkreten Einführung ("Launch") neuer Produkte verbunden sind, entstammen den Marketingfähigkeiten des Unternehmens466. Die Bedeutung dieser Vermarktungsfähigkeit ist unstrittig467. Neue Produkte sind nur erfolgreich, wenn sie weithin wahrgenommen und im Vorwege umfassend bekannt gemacht werden468. Auch das "Stanford Innovation Project" betont die allgemeine Bedeutung des Produktlaunches: Dieser müsse kompetent durchgeführt werden und von starken Ressourcen getragen sein469. Die Bedeutung des Marketings ist im Zeitverlauf immer weiter gestiegen470 und auch die erfolgreiche Einführung neuer Produkte ist in den vergangenen Jahrzehnten immer kostenintensiver geworden, was vor allem im starken Anstieg 463
Für eine Übersicht vgl. z.B. Kruschwitz (2005) – eine Darstellung unterbleibt hier aus Umfangsgründen. 464 Vgl. hierzu und zum Folgenden Shim (2000), S. 27ff. 465 Mittlerweile sind für die gängigsten bei der Business-Planung verwendeten Tabellenkalkulationen praxisgängige Ergänzungen wie das Programm "Crystal Ball" verfügbar, um entsprechende Modelle auch in der Praxis verwenden zu können. 466 Vgl. Verona (1999), S. 136. 467 Vgl. Keller (2004), S. 254; Cooper (2001), S. 63; Cooper/Kleinschmidt (1986), S. 72. 468 Vgl. Cooper (2001), S. 87. 469 Vgl. Zirger/Maidique (1990), S.877f. 470 Vgl. Kor/Mahoney (2005), S. 494.
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der Ausgaben für Kommunikation im Sinne von Media-Leistung begründet ist471. Daher sieht auch Kamann bei der Etablierung von neuen Produkten in der Medienindustrie die Nutzung der vertrieblichen Stärke als zentralen Erfolgsfaktor an472. Die vorhandenen Medien können neue Markenmitglieder in der Einführungsphase massiv unterstützen. Die Vermarktungskompetenz ist im Bezugsrahmen bereits als Kernkompetenz identifiziert. Für die neuen Geschäftsfelder bedeutet dies, dass die immer höheren Kosten für die Vermarktung durch Verbundvorteile ("economies of scope") in Medienunternehmen signifikant gesenkt werden können. Die neuen verlagsnahen oder -fernen Geschäftsfelder profitieren somit von einem deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Wettbewerbern mit anderem Branchenhintergrund, die diese Kosten vollständig tragen müssen. Cooper charakterisiert für die Vermarktung drei bedeutsame Punkte473: Erstens müsse die Entwicklung eines Marketingplanes integraler Bestandteil des Planungsprozesses sein. Zweitens müsse die Marketingplanung bereits in einer sehr frühen Phase begonnen werden und drittens müsse umfangreiches Marktwissen in den Plan eingearbeitet werden. Trotz vorhandener Ressourcen stellt sich auch für Medienunternehmen die Frage einer effizienten Allokation ("Mediaplanung") für das Kommunikationsbudget474. Zwar können Medien – wie gezeigt – die Kosten für Media-Leistung aufgrund von Verbundvorteilen deutlich senken, wegen der Herstellungskosten und einer (zumindest begrenzten) Berücksichtigung von Opportunitätskosten ist eine effiziente Planung aber dennoch notwendig. Hierbei geht es um die Entscheidungen, auf welche Kategorien von Kommunikationsmedien und auf welche Einzelmedien das Budget verteilt werden sollte und nicht zuletzt, wie die zeitliche Verteilung erfolgen soll.
471
Vgl. Aaker/Keller (1990), S. 27. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kamann (2003), S. 242. 473 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 95. 474 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 785. 472
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Während die ersten beiden Fragen durch eine geschickte qualitative Auswahl475 sowie die Nutzung der quantitativen Leistungsdaten von Werbeträgern476 anhand des jeweiligen neuen Produktes entschieden werden müssen, kann für die dritte Fragestellung durchaus eine abstrakte Gestaltungsregel angegeben werden: Von den drei Typen der Verteilung ("konzentriert", "konstant", "pulsierend") ist der konzentrierte Werbeeinsatz insbesondere für die Einführung neuer Produkte geeignet477. Hier werden in einem relativ kurzfristigen Zeitraum sehr hohe Anteile der Werbeaufwendungen getätigt. Dies korrespondiert mit dem Phasenmodell der Adaption neuer Produkte478, das die Wahrnehmung ("awareness") an erste Stelle setzt, bevor es zu Interesse, der Bewertung und einem ersten Versuch kommt, dem möglicherweise die weitergehende Nutzung des neuen Produktes folgt. In Bezug auf die Distribution und den Vertrieb gilt es, wie ebenfalls schon beschrieben, möglichst umfassend auf bisherige Vertriebskanäle aufzusetzen, um entsprechende Synergien zu erzielen. Die bei Medienunternehmen existierenden Vertriebskanäle könnten Kamann folgend umfänglich für die notwendige Ubiquität sorgen479. Es gilt jedoch, die für die Bekanntheit wichtige Ubiquität mit der Rentabilität des jeweiligen Vertriebskanals abzuwägen und so müssen auch weitere Vertriebsoptionen einbezogen werden. Schließlich handelt es sich um neue Produkte, die ggf. auch auf anderen Wegen effizient vertrieben werden können als die klassischen Medienprodukte. Es muss insbesondere zwischen Direktvertrieb und indirektem Vertrieb über Absatzmittler abgewogen werden480. Ins Gewicht für eine transaktionskostenbezogene Abwägung fallen folgende Kalküle: Die Spezifität/Komplexität des Produktes – je spezifischer ein Produkt an den Kunden angepasst wird, desto effizienter ist der Direktvertrieb.
475
Für eine Übersicht über die Beurteilung unterschiedlichen Medien nach verschiedenen Bewertungskriterien vgl. z.B. Gilbert (2001), S. 786; Bruhn (2005), S. 288. 476 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 787. 477 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 787. 478 Vgl. Rogers (2003), S. 170. 479 Vgl. Kamann (2003), S. 242. 480 Vgl. hierzu und zum Folgenden Homburg/Krohmer (2006), S. 873.
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Zahl der Kunden im Sinne der (geografischen) Bedarfskonzentration – bei geringer Konzentration der Kunden ist der Direktvertrieb deutlich effizienter. Dieses Kriterium ist somit für regional agierende Medien von hoher Bedeutung. Monetärer Wert des Produktes – sind die Produkte in ihrem absoluten Preis sehr niedrig, lohnen oftmals die Kosten des Direktvertriebes nicht. Bedeutung der Gewinnung von Kundendaten, denn diese können zumeist nur im Direktvertrieb kontinuierlich erfasst werden. Berücksichtigung der Präferenz der Endkunden für einen Vertriebskanal für die jeweilige Produktklasse. Beim Aufbau neuer Geschäftsfelder ist hier eine Ähnlichkeit des Vertriebes für alte und neue Produkte anzustreben. Diese Gestaltungsregeln gelten naturgemäß nicht nur, aber auch für Medienprodukte. Zentrale Herausforderung im Rahmen der Vertriebspolitk ist weiterhin, die eigene Vertriebsorganisation und bisherige Absatzmittler auf das neue Produkt vorzubereiten und für eine entsprechende Verkaufsmotivation zu sorgen481. Aufgrund der oben dargestellten Vielzahl der Medienprodukte könnte dies insbesondere bei Medieneinzelhändlern notwendig sein.
4.2.2.2 Steuerung der neuen Geschäftsfelder Nachdem die ersten fünf Handlungsfelder dargestellt worden sind, die sich der konkreten Planung neuer Geschäftsfelder in der Medienindustrie widmen, ist nun die Steuerung dieser Geschäftsfelder in der Umsetzungsphase bedeutsam. Hier existieren vor allem allgemeine Gestaltungsregeln, die aber auch für Medienunternehmen zutreffen sollten. Da diese jedoch, wie gezeigt, bisher wenig Erfahrungen mit der Etablierung neuer Geschäftsfelder haben, werden diese anwendungsrelevanten Gestaltungsregeln hier kurz dargestellt und in den Bezugsrahmen aufgenommen. Dabei werden die Themen Sourcing, systemische und prozessuale Integration, Portfolio- und Risikomanagement sowie Effizienzsteigerung und Erfolgskontrolle betrachtet:
481
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 607.
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Sourcing Der Aufbau eines Lieferanten- bzw. hier besser Partnernetzwerks ("Sourcing") fällt in die Fähigkeitskategorie "externe Integrationsfähigkeit" (vgl. Abb. 4-10). Dieser Teilbereich lässt sich gut durch die Definition von Kaufmann beschreiben. Dieser beschreibt "Sourcing" als: "[…] an integrative management approach to designing all supplier relations in the sense of a total relationship management." 482
Die Objekte, mit denen sich "Sourcing" befasst, sind die direkten und indirekten Inputmaterialien sowie die notwendigen Maschinen und Anlagen für die Produktion, aber auch die Bereitstellung von Dienstleistungen, Rechten und Informationen483. Im hier vorliegenden Zusammenhang liegt der Schwerpunkt auf der letzten Kategorie. Da sich der Einkauf in einem neuen Geschäftsfeld nicht wesentlich von dem Partner-/Lieferanten-Management im Kerngeschäft unterscheidet, gelten die gleichen Einkaufs- bzw. Partner-Managementstrategien. Sie sind umso bedeutsamer, je größer der Wettbewerb in der jeweiligen Branche, je höher das Einkaufsvolumen bzw. je höher der Einfluss des Zugekauften auf das Endprodukt ist484. Im Folgenden wird eine kurze Übersicht über Gestaltungsregeln gegeben, die im hier vorliegenden Kontext relevant sind: Die Anzahl der Partner bzw. Lieferanten sollte in engen Grenzen gehalten werden, wobei mit diesen eine intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit erfolgen sollte485. Die Schaffung einer persönlichen Verbindung mit den relevanten Mitarbeitern des Partnerunternehmens kann Vertrauen und ein ethisches Verhalten in der Zusammenarbeit befördern, welches beiden Parteien zugute kommt486. Die Frage, ob ein "single sourcing", also die Zulieferung nur durch einen Partner oder ein "multiple sourcing" mit mehreren Lieferanten effizienter 482
Kaufmann (1995), S. 277. Vgl. Kaufmann (1999), S. 10. 484 Vgl. Kaufmann (1999), S. 11. 485 Vgl. Kaufmann (1999), S. 12. 486 So auch Carter (1998). 483
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487
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ist, wurde in der Literatur viel diskutiert487. Hier gilt es, die Vorteile der Konzentration mit den Nachteilen (insbesondere das einhergehende Risiko) abzuwägen. Eine einheitliche Normstrategie existiert nicht488. Es sollte nicht nur über physische Produkte mit Lieferanten verhandelt werden, sondern auch über damit verbundene Services (z.B. im Bereich Logistik, After-Sales-Service etc.)489. Die Einkaufsstrategie muss berücksichtigen, ob die jeweilige Branche eher unter einem Kosten-, Qualitäts-, technischem oder Zeitdruck steht490. Die Anwendung von klassischen Einkaufshebeln491 und Verhandlungsstrategien492 hilft, einen möglichst niedrigen Einkaufspreis zu realisieren. Die weiter unten dargestellte Risikoanalyse muss um die Risiken ergänzt werden, die ein Partner ggf. einbringt493. Ein "Target-Costing-Ansatz", bei dem festgelegt wird, wie teuer ein Input sein kann, um dennoch ein profitables Endprodukt zu generieren, kann im Produktentwicklungsprozess helfen, den richtigen Lieferanten bzw. die richtige Ausgestaltung des eingekauften Inputs zu definieren494. Eine Standardisierung der eingekauften Produkte verbessert die Effizienz495. Auf diesem Wege können im Sinne von Produktplattformstrategien eingekaufte Inputs mehrfach genutzt werden. Dass diese Plattformstrategien nicht nur in der industriellen Fertigung, sondern auch für Medien sinnvoll sind, zeigt Köhler496. Eine Kombination aus zentralem und dezentralem Einkauf ist für größere Unternehmen die geeignetste organisatorische Aufstellung497.
Vgl. z.B. Homburg (1995). So auch Kaufmann (1995), S. 286. 489 Vgl. Kaufmann (1999), S. 12. 490 Vgl. Kaufmann (1999), S. 11. 491 Vgl. z.B. Monczka et al. (1998), S. 407ff. 492 Vgl. z.B. Fisher et al. (2004). 493 Vgl. Kaufmann (1999), S. 20f. 494 Vgl. Ansari/Bell (1997), S. 2. 495 Vgl. Thielen (1939) zitiert nach Kaufmann (1999), S. 2. 496 Vlg. Köhler (2005), S. 19. 497 Vgl. Richter (1930) zitiert nach Kaufmann (1999), S. 2. 488
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Eine explizit auf den hier relevanten Zusammenhang bezogene Strategie ist die Forderung nach einer frühen Einbeziehung von Lieferanten in den Gesamtprozess der Entwicklung neuer Produkte und ihrer späteren Prozesse498.
Systemische und prozessuale Integration Arbeitsteilung führt zu Komplexität und mit ihr werden Organisationseinheiten geschaffen, die sich primär auf das ihnen zugewiesene Teilgebiet konzentrieren499. Dies gilt auch – und wahrscheinlich sogar insbesondere – für neue, bei der Diversifikation entstehende Bereiche. Diese zentrifugalen Kräfte wirken jedoch gegen das System selbst und reduzieren die Effizienz der Organisation. Daher ist – wie auch im Modell von Verona – die interne Integrationsfähigkeit von hoher Bedeutung. Im Kernhandlungsfeld 3 wurden bereits die organisatorische Integration thematisiert und die Notwendigkeit der Definition von Schnittstellen ("Fayolsche Brücken") hervorgehoben. Aber auch die Integration von Systemen und Prozessen ist ab einem Übergang von der Innovationsphase zum Regelbetrieb bedeutsam. Zu Beginn ist es – wie bereits geschildert – geboten, die innovativen Tätigkeiten nicht durch Konzernregularien zu bremsen. Im Regelbetrieb ginge ein uneingeschränkter Erhalt dieser Freiheiten jedoch zu Lasten der Effizienz der Gesamtorganisation aber auch des neuen Bereiches. Es gilt, die Arbeitsteilung wieder bis zu einem Produktivitätsoptimum zurückzuführen. Bei dieser Forderung handelt es sich um nichts weniger als die zentrale Idee des "Business Process Reengineering", wie Mitte der 90er Jahre von Hammer/Champy propagiert500. Die teilweise auch kritische Sicht501 auf das Konzept greift im vorliegenden Kontext weniger, denn im Sinne einer Arbeitsteilung wurde das spezifische Produkt in einem neuen Bereich geführt, muss nun aber vor allem in die eigentliche Arbeitsteilung der Organisation eingegliedert werden. Nur auf die-
498
Vgl. Takeuchi/Nonaka (1986), S. 141. Vgl. Schreyögg (1999), S. 154. 500 Vgl. Hammer/Champy (1994). 501 Vgl. z.B. Schreyögg (1999), S. 202. 499
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sem Weg lassen sich weitere Verbundeffekte ("economies of scope") realisieren, die gerade einer der positiven Effekte bei der Diversifikation sind502. Auch in den Anfangstagen des "Business Process Reengineering" wurde die Rückführung der Arbeitsteilung mit den Möglichkeiten der Informationstechnologie gerechtfertigt503. Gleiches gilt auch an dieser Stelle: Buchhaltung, Logistik und Kundenbeziehungsmanagement sind am besten in zentralen Systemen aufgehoben, die allen Bereichen zur Verfügung stehen. Gerade die Informationssysteme im Marketing und Vertrieb benötigen die Kundeninformationen aller Unternehmensbereiche, um adäquate Strategien für den Kundenangang realisieren zu können504. Dies gilt aber voraussichtlich auch für die Systeme zur Inhalteerstellung z.B. bei Online-Aktivitäten, die mit anderen Redaktionssystemen verknüpft sein sollten, um volle Effizienz entfalten zu können. Portfolio- und Risikomanagement Im Zuge der Wachstumsstrategie sind neue Geschäftsfelder zum bisherigen Print-Kerngeschäft hinzugekommen. Das Management dieser neuen Produkte bzw. Geschäftsfelder ist eine klassische Portfoliomanagement-Aufgabe, die an die interne Integrationsfähigkeit des Modells von Verona anknüpft505. Cormican/O'Sullivan betonen, dass diese Portfolioperspektive ein Schlüsselelement ist, um ein erfolgreiches Innovationsmanagement zu betreiben.506. Vorbedingung für ein wirksames Portfoliomanagement innerhalb des oder der neuen Geschäftsfelder ist das Vorhandensein einer Strategie bzgl. neuer Produkte507. In welchem Umfang ein solches Portfoliomanagement innerhalb eines Geschäftsbereiches (der für mehrere neue Produkte verantwortlich ist) oder 502
Vgl. Hungenberg (2004), S. 190. Vgl. Hammer/Champy (1994), S. 122ff. So auch Homburg/Krohmer (2006), S. 1181ff. 505 Darüber hinaus muss das neue Geschäftsfeld natürlich in das unternehmensweite Portfoliomanagement einbezogen werden. Für ein Portfoliomanagement bei gleichzeitigem Wachstumsziel bietet es sich an, unternehmensweit mit einem Profitabilitäts-/Wachstumsportfoliomanagementansatz zu operieren (vgl. Hungenberg (2004), S. 441ff.) – auf eine ausführliche Darstellung wird hier aus Umfangsgründen verzichtet. 506 Vgl. Cormican/O'Sullivan (2004), S. 820. 507 Vgl. Cooper/Kleinschmidt (1995), S. 120 und Cooper (2001), S. 123. 503 504
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übergreifend für mehrere neue Geschäftsbereiche sinnvoll und notwendig ist, hängt von der Anzahl der unterschiedlichen Produkt-/Geschäftsfelder ab, die bearbeitet werden. Das klassische Portfoliomanagement hat die Auswahl, Priorisierung und Ausrichtung der verschiedenen Produkte bzw. Geschäftsfelder im Auge508. Es sieht vor, die aktiven Geschäftsfelder gemäß der Attraktivität ihrer Märkte in Hinblick auf Größe, Wachstumsraten und Profitabilität zu betrachten und in Kombination mit den vom Unternehmen via Ressourcenallokation kontrollierbaren Parametern neue zu erschließen509. Dabei sollte ein ausgewogenes Portfolio aus erfolgreichen Produkten mit wenig Risiko und neuen Produkten entstehen, die mit dem Ertrag der erfolgreichen Produkte (quer-)finanziert werden können. Idealerweise ist das Portfolio auch im Hinblick auf die Lebenszyklen der Produkte gemischt und diese überlappen sich510. Für das Portfoliomanagement im Kontext der Produktentwicklung definieren Kahn et al. eine "best practice"511: Diese umfasst einen formal verankerten, systematischen Prozess, mit dem eine Anzahl von Projekten von der Idee an kontinuierlich im Hinblick auf die inhärenten Potenziale analysiert und entsprechend ihrer Priorität mit Ressourcen ausgestattet wird. Damit geht die Forderung einher, stets ein in Reife und ihre Ressourcenbedarf ausgeglichenes Portfolio an Projekten zu besitzen. Auch die absolute Anzahl gleichzeitig bearbeiteter Geschäftsfelder ist eine Frage innerhalb des Portfoliomanagements, denn durch die Vielfalt des Produktprogramms entstehen schnell Komplexitätskosten512. Bei der hier fokussierten Perspektive einer ressourcenbasierten Wachstumsstrategie ist auch eine kompetenzorientierte Portfolioplanung ins Kalkül zu ziehen513. So können existierende Fähigkeiten gemäß ihrer Stärke mit der Attraktivität von Märkten abgeglichen werden, die diese Fähigkeiten erfordern. Ein 508
Vgl. Hungenberg (2004), S. 423. Vgl. Chan-Olmsted/Chang (2003), S. 215. Vgl. Cormican/O'Sullivan (2004), S. 820 und so auch Hungenberg (2004), S. 433. 511 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahn et al. (2006), S. 109f. 512 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 625. 513 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hungenberg (2004), S. 447. 509 510
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solches Vorgehen hilft einerseits, Klarheit darüber zu erlangen, welche Fähigkeiten noch selbst erarbeitet werden sollten bzw. welche man zukaufen sollte. Andererseits lassen sich hieraus auch mögliche Synergien zwischen Geschäftsfeldern und somit weitere Ansatzpunkte für neue Produkte ableiten. Die Etablierung neuer Geschäftsbereiche und Produkte ist weiterhin mit umfänglichen Risiken verbunden. Auch dieses Risiko gilt es zu managen. Ein Risiko liegt beispielsweise im Ressourceneinsatz für das Neugeschäft. Aber auch sämtliche Ausstrahleffekte auf das Altgeschäft müssen berücksichtigt werden. Dies hat bereits das Wachstumsziel 3 gezeigt, in dem beschrieben worden ist, dass die neuen Geschäftsfelder nicht nur zusätzliche Umsätze generieren sollen, sondern darüber hinaus keine Gefahr für das Kerngeschäft mit sich bringen dürfen. Das mit der Produktdiversifikation einhergehende Risiko muss vom Topmanagement zuvorderst als existent akzeptiert werden514. Dennoch darf die Angst vor dem Misserfolg im Innovationsprozess nicht zu präsent sein, denn sonst würde echte Innovation vermieden und auf "Me-too-Produkte" fokussiert werden, die sich beim Wettbewerb als erfolgreich erwiesen haben. Wie oben gezeigt, ist die Erfolgsaussicht für solche Produkte jedoch gering. Für das Management des Risikos ist einmal sein Umfang zu betrachten, andererseits der Grad an Unsicherheit515. Eine entsprechende Gestaltungsregel lautet, dass ein hoher Grad an Unsicherheit nicht mit einem hohen Umfang des Risikos (d.h. z.B. hohem Ressourcenaufwand) einhergehen sollte. Ein Mechanismus zur Risikominimierung ist somit das im Kernhandlungsfeld 4 angesprochene mehrstufige Selektionsverfahren. Der monetäre und zeitliche Einsatz, also der Umfang des Risikos, erhöht sich erst in den späteren Stufen. Der Grad an Unsicherheit nimmt in diesen hingegen immer weiter ab516. Weitere Möglichkeiten zum Risikomanagement sind die Definitionen von Kennzahlen und Zielwerten. Entwickeln sich die realen Werte aus dem erwarteten Korridor heraus, gilt es, entsprechende (möglichst vorher definierte) Maß514 515 516
Vgl. hierzu und zum Folgenden Poolton/Barclay (1998), S. 203. Vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper (2001), S. 124f. So auch Cooper (2001), S. 125.
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nahmen zu implementieren517. Beispielsweise können Szenarien für eine Verstärkung der Kommunikation oder eine Veränderung der Distributionsstrategie im Vorwege erarbeitet werden. Nach Unterschreiten der Zielwerte kann dann umgehend eine Realisierung erfolgen. Die Planung solcher Szenarien begrenzt daher die Risiken. Effizienzsteigerung und Erfolgskontrolle Die Effizienzsteigerung der neu geschaffenen Aktivitäten bildet eine immerwährende Herausforderung in der Etablierung neuer Geschäftsfelder. Denn erst ein effizienter Regelbetrieb gewährleistet langfristig die Realisierung des Wachstumsziels. Die Mehrzahl der hierzu geeigneten Maßnahmen, wie die Einführung eines formalisierten Innovationsprozesses, die Überführung der Organisation in den Regelbetrieb, die Effizienzsteigerung durch Integration in zentrale Systeme und Prozesse sowie ein konsequentes Portfolio- und Risikomanagement wurde bereits angesprochen. Darüber hinaus sind noch zwei Dinge bedeutsam: Dieses sind die Kontrolle und die Realisierung der Effekte, die sich durch die Erfahrungskurve ergeben: Die Kontrollfunktion bildet die Basis jeder Effizienzsteigerung und ist Bestandteil eines vorbildlichen Produktentwicklungsprozesses518. Sie lässt sich in operative und strategische Kontrolle unterscheiden519. Die operative Kontrolle sollte im ersten Schritt die Soll-Ist-Abweichung anhand von Standardbeurteilungsrastern für das einzelne Projekt sowie für den Gesamterfolg aller neu entwickelten Produkte ermitteln. Der Kontrollprozess muss institutionalisiert sein und mittels mehrfacher Bewertung durch verschiedene Personen ein höchstmögliches Maß an Objektivität gewährleisten. Weiterhin sollten die Daten elektronisch erfasst und langfristig als Vergleichswert gespeichert werden. Daneben hilft ein Kosten-Benchmarking innerhalb des Unternehmens mit anderen Unternehmen der Branche – bzw. gerade in den neuen
517 518 519
So auch Steinmann/Schreyögg (2000), S. 368ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahn et al. (2006), S. 113 und so auch Cooper (2001), S. 103. Vgl. hierzu und zum Folgenden Steinmann/Schreyögg (2000), S. 368ff.
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Geschäftsfeldern mit Unternehmen anderer Branchen, aber ähnlichen Produkten – Effizienzsteigerungspotenziale aufzudecken520. Nur mittels Kontrolle und entsprechender Anpassung der Aktivitäten und der Kostenstruktur sind die Effekte zu realisieren, die sowohl die Erfahrungskurve mit sich bringt521 (Skaleneffekte im neuen Geschäftsbereich), als auch Verbundeffekte die die Diversifikation in neue Geschäftsfelder attraktiv machen. Neben dieser operativen Kontrollfunktion sollte aber auch eine strategische Kontrolle wirken. Sie bildet das Gegengewicht zur Selektivität der Planung522. Hierbei ist es Aufgabe der Prämissenkontrolle, kontinuierlich zu überprüfen, ob die Annahmen (z.B. die identifizierte Ressourcenbasis) für die Auswahl der strategischen Option noch Gültigkeit besitzen. Die Durchführungskontrolle sammelt die Informationen, die sich auf dem Weg des Aufbaus neuer Geschäftsfelder ergeben und die auf Gefahren für eine Realisierung hindeuten könnten. Gestaltungsregel hierbei ist es, eine "Kultur des Zweifelns"523 zu fördern.
4.3 Leitfragen für die empirische Forschung Alle im vorliegenden Kapitel thematisierten Bereiche müssen nunmehr für die empirische Forschung operationalisiert werden. Hierzu ist es zielführend, die Aspekte in Leitfragen zu formulieren524, die die Basis für einen semistruktierten Fragebogen bilden, für diesen jedoch entsprechend umformuliert werden525. Die Leitfragen geben der empirischen Forschung die notwendige Struktur, wie in
520
Vgl. Hungenberg (2004), S. 202f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Hungenberg (2004), S. 188ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Steinmann/Schreyögg (2000), S. 245. 523 Steinmann/Schreyögg (2000), S. 250. 524 Vgl. Kvale (1996), S. 157f. 525 Vgl. Kvale (1996), S. 129ff. 521 522
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
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Kapitel 2 bereits dargelegt. Neben Leitfragen, die sich direkt aus dem theoretischen Rahmen ergeben, wird dem explorativen Charakter der Forschungsfrage dadurch Rechnung getragen, dass auch Fragen als Leitfragen aufgenommen werden, bei denen die Literatur keine oder widersprüchliche Normstrategien liefert. Eine Übersicht über die Leitfragen, die theoretischen Referenzen und die aus der Literatur abzuleitenden Hypothesen über Gestaltungsregeln zeigt Abb. 4-12.
9 Inwieweit existieren in den Printmedienunternehmen formale Innovationsprozesse?
Explorativ ohne Hypothese
-
u.a. Gilbert (2001); Cooper (2001); Eisenhardt/Tabrizi (1995)
In der Medienindustrie existieren formale Innovationsprozesse nur rudimentär; Angemessenheit explorativ zu untersuchen
Teece et al. (1997) sowie eigene Vgl. Kap. 4.1 Definitionen vgl. Kap. 4.1.5 u.a. eigene Definitionen vgl. Basierend auf Überschussressourcen; Kap. 4.1.5, Barney (1991), Ressourcenbasis gem. Kap. 4.1.5; aber Kleinschmidt (2006), Chatterjee/ auch Rigiditäten und Pfadabhängigkeit; Wernerfelt (1991), Verona weiterhin explorativ (1999), Leonard-Barton (1992)
-
Wachstumsziele im Sinne der vier Dimensionen (vgl. Kap. 3.4) Explorativ ohne Hypothese
Wheelen/Hunger (1999)
Hypothese (falls vorhanden) Referenz Ja, Printmedienunternehmen bauen neue Definition: Ramanujam/Varadarajan (1989) Geschäftsfelder auf, um dem Wachstumsdruck zu begegnen Explorativ ohne Hypothese Struktur: Ansoff (1957), Hutzschenreuter (2003), Roberts/Berry (1985), Picard/Rimmer (1999) Explorativ ohne Hypothese -
Abb. 4-12:
3 Welche neuen Geschäftsfelder wurden erfolgreich erschlossen und welche Erschließung ist geplant? 4 Welche Ziele werden von den Medienunternehmen verfolgt? 5 Wie erfolgreich sind die neuen Geschäftsfelder? 6 Was sind die größten Herausforderungen beim Aufbau der neuen Geschäftsfelder? 7 Was sind die Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten von Printmedien? 8 Inwieweit bauen die neuen Geschäftsfelder auf der bestehenden Ressourcenbasis in Form von Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten auf?
FFragestellung 1 Verfolgen die Printmedienunternehmen Wachstumsstrategien, die den Aufbau neuer Geschäftsfelder beinhalten? 2 Wie umfassend wurde bisher diversifiziert? Welcher Umfang ist geplant?
Abb. 4-12: Leitfragen für die empirische Forschung
Feld/Thema Übergreifend
150 Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Leitfragen für die empirische Forschung
2
Markenstrategie
Feld/Thema 1 Ausgestaltung der Optionen Hypothese (falls vorhanden) Anstoß durch das (Top-)Management
Hohe Bedeutung der journalistisch geprägten Marke, weiterhin explorativ S. Kapitel 4.3.2.1, weiterhin explorativ
Explorativ ohne Hypothese
Roberts/Berry(1985); Keller(2004) Homburg/Krohmer (2006), Kamann (2003) u.a. Aaker/Keller (1990)
Homburg/Krohmer (2006), Kamann (2003) Homburg/Krohmer (2006); Kemper (2000), Kamann (2003) Aaker/Keller (1990); Homburg/Krohmer (2006); Kamann (2003)
5 Wie wird die Wertschöpfungstiefe eines neuen Produktes definiert?
1 Welche Bedeutung hat die Marke für neue Geschäftsfelder von Printmedien? 2 Welchen begrenzenden Rahmen setzt die bestehende Marke für ressourcenbasiertes Wachstum? 3 Welche Auswirkungen hat die "BrandExtension" auf die Markenarchitektur? 4 Wie erfolgt die "Brand-Extension" bei ressourcenbasiertem Wachstum? 5 Wie werden aus der Marke neue Produktoptionen generiert werden?
Markenimage und -attribute aus Kundensicht analysieren; hieraus neue "BrandExtensions" ableiten (insbesondere aus journalistischen Kompetenzfeldern)
S. Kapitel 4.3.2.1, weiterhin explorativ
S. Abb. 4-5
Cooper(2001) S. Kapitel 4.3.2.1, weiterhin explorativ Cooper/Kleinschmidt (1986), Kaum Erfolgsaussichten bei "Me-tooCooper (2001); Produkten"; weiterhin explorativ Lieberman/Montgomery(1988)
u.a. eigene Definitionen; Müller- Analog einer "strategischen Stewens (1990); Geschka Suchfeldanalyse"; ressourcenbasierte (1986); Cooper/Kleinschmidt Entwicklung, Nutzung von Kreativitäts(1986); Kahn et al. (2006) techniken; Einbezug von Kunden und Lieferanten; Abgleich mit Kaufkriterien und auf Basis von Marktforschung
Referenz -
3 Was zeichnet erfolgreiche Produkte aus? 4 Welche Rolle spielen die Aktivitäten von Wettbewerbern?
FFragestellung 1 Wie kommt es zur Entscheidung für eine Diversifikation? 2 Wie werden Ideen für die Produktdiversifikation generiert?
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum 151
Eigenständige neue Bereiche oder inkubiert, dann Matrix; Nutzung von Schnittstellen zwischen den Bereichen; weiterhin explorativ Gilbert(2001), Vogelsang/Fischer (2007); Schreyögg (1999) Lewin (1958); Greiner (1967)
6 Welche organisatorische Entfernung zwischen Alt- und Neugeschäft ist sinnvoll? Mit welchen Implikationen?
7 Welche Wandelbarrieren treten bei der Produktdiversifikation auf?
S. Kapitel 4.3.2.1, weiterhin explorativ
Konflikte zwischen Redaktion und Verlag möglich; explorativ ohne Hypothese Bedeutung des Projektleiters, subtile Steuerung und langfristige Betreuung durch das Topmanagements, weiterhin explorativ
U.a. multidisziplinär besetzte Teams; erfahrungsbasierte Zusammensetzung; mächtige, marketingerfahrene Projektleiter; 'gatekeeper'; kaufmännische Schlüsselfigur; mittlere Zusammengehörigskeitsdauer, Markenkenner involvieren
Es sollte langfristig involviert und engagiert sein (Chefredaktion u. Verlagsleitung)
Roberts/Berry (1985), Cooper (2001) z.B. Siemer (1991); Booz et al. (1982); Clark et al. (1987); Gupta/Govindarajan (1984); Allen (1971); Poolton/Barclay (1998); Katz (1982), Kamann (2003)
Hypothese (falls vorhanden) Innovationsorientierte Organisationsmodelle; Projektorganisation; örtliche Nähe des Teams; grundsätzlich in F&E Abteilung oder new venture division; weiterhin explorativ
Referenz Schreyögg (1999); u.a. Larson/Gobeli (1988); Cooper (2001); Shum/Lin (2007); Ansoff/Brandenburg (1971)
4 Welche Konflikte existieren in der Wachstumsstrategie? 5 Wer trägt die Verantwortung für den Aufbau Imai et al. (1985), Cooper (2001) neuer Geschäftsfelder?
3 Welche Anforderungen gibt es an die Teamzusammensetzung?
Feld/Thema FFragestellung 3 Organi1 Wie ist der Innovations- und sation der Entwicklungsprozess organisiert? Innovation und Entwicklung 2 Welche Rolle spielt das übergeordnete Management?
152 Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
1 Wie erfolgt der Entscheidungsprozess für neue Aktivitäten ?
Filter der Optionen
Launchvermarktung und Distribution
4
5
Hypothese (falls vorhanden) Explorativ ohne Hypothese
Abwägung zwischen Direktvertrieb und Nutzung von Absatzmittlern, Nutzung bestehender Kanäle, weiterhin explorativ
4 Welche Distributionskanäle sind erfolgreich? Kamann (2003); Homburg/Krohmer (2006)
Marketingplan als integrierter Bestandteil des Diversifikationsprozesses, frühzeitige Planung, Nutzung von Marktwissen, effiziente Allokation des Mediabudgets, 'konzentrierter' Einsatz der Ressourcen beim Produktstart Umfassende Nutzung der Vermarktungskompetenz; weiterhin explorativ
u.a. Cooper (2001); Bruhn (2005); Homburg/Krohmer (2006)
2 Wie erfolgt der Launch neuer Produkte?
Hohe Bedeutung. Der Launch muss kompetent durchgeführt und von starken Ressourcen getragen sein, weiterhin explorativ
Explorativ ohne Hypothese
3 Inwieweit werden bestehende Ressourcen für Kamann (2003) den Launch genutzt?
Zirger/Maidique (1990)
z.B. Kruschwitz (2005)
u.a. Homburg/Krohmer (2006); Nutzung von Bewertungsmodellen und iterative Filterung der Optionen; Calantone et al. (1999); weiterhin explorativ Cooper/Kleinschmidt (1986); Porter (1995)
Referenz -
1 Welche Bedeutung hat der Launch?
2 Wie erfolgt die Business-Planung?
FFragestellung 8 Welche Auswirkungen hat die Wachstumsstrategie auf die Unternehmenskultur?
Feld/Thema
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum 153
FFragestellung 1 Wie wird der Einkauf von Produkten und Services betrieben?
Quelle: Eigene Darstellung
Effizienz- 1 Wie wird die Effizienz nach Etablierung der steigeneuen Geschäftsfelder gesteigert werden? rung und Erfolgs2 Wie wird die Kontrollfunktion ausgeübt? kontrolle
Portfolio- 1 In welcher Form erfolgt ein und Portfoliomanagement über die alten und Risikoneuen Geschäftsfelder? management 2 Wie werden Risiken gemanagt?
1 Welche Bedeutung hat die Einbindung in Systemische bestehende Prozesse und Systeme und was und sind die moderierenden Faktoren für die prozesUmsetzung? suale Inte- 2 Welche Herausforderungen ergeben sich bei gration der Überführung neuer Projekte in die Regelorganisation?
Feld/Thema 6 Sourcing
Arbeitsteilung auf ein Produktivitätsoptimum zurückführen, weiterhin explorativ
Hammer/Champy (1994)
Kontrolle und Realisierung der Erfahrungskurveneffekte Strategische Kontrolle, Kostenbenchmarking
Cooper (2001), Kahn et al. (2006), Steinmann/Schreyögg (2000), Hungenberg (2004) Steinmann/Schreyögg (2000); Hungenberg (2004)
Cooper (2001), Poolton/Barclay Nach Umfang des Risikos und Grad der (1998), Steinmann/Schreyögg Unsicherheit, Vorabdefinition von Fallbackmaßnahmen (2000)
Hungenberg (2004), Kahn et al. Auswahl, Priorisierung und Ausrichtung der (neuen) Geschäftsfelder nach (2006) verschiedenen Faktoren, weiterhin explorativ
Hohe Bedeutung der zentralen Bereitstellung der Kundeninformationen, weiterhin explorativ
Hypothese (falls vorhanden) Normstrategien zur Einkaufsoptimierung, s. Kap. 4.3.2.2
Homburg/Krohmer (2006)
Referenz u.a. Kaufmann (1999)
154 Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
Ganzheitlicher theoretischer Bezugsrahmen für ressourcenbasiertes Wachstum
155
4.4 Zusammenfassung Im vorliegenden Kapitel wurde der theoretische Rahmen aufgespannt, der im Hinblick auf die Realisierung der Wachstumsziele zur Verfügung steht. Konkret wurde die Ressourcenbasis herausgearbeitet, die den Aufbau neuer Geschäftsfelder bei Medienunternehmen tragen kann. Hierzu konnten für alle Unternehmen geltende Elemente identifiziert werden, die Ressourcenbasis aber auch auf Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten heruntergebrochen werden, die speziell Medienunternehmen zur Verfügung stehen. Weiterhin wurde das ressourcenbasierte Modell des Erfolges neuer Produkte von Verona als Basis für den Entwurf eines eigenen ganzheitlichen Handlungsmodells ausgewählt, weil somit auch der Einbezug sämtlicher Ressourcen und der zeitlichen Dimension möglich ist. Im nächsten Schritt konnten so Handlungsfelder im Bereich der Planung sowie der Umsetzung definiert werden, in die eine Vielzahl von Gestaltungsregeln integriert wurde, die die Innovationsforschung und andere Bereiche der Betriebswirtschaftslehre (z.B. Marketingforschung, Organisationsforschung etc.) hervorgebracht haben. Zusammenfassend wurden die Inhalte des theoretischen Rahmens als Leitfragen zur Strukturierung der empirischen Forschung formuliert. Die Medienindustrie mit diesem Gestaltungsrahmen zu konfrontieren, wird Thema des nächsten Abschnittes sein. Der umfassende Bezugsrahmen ermöglicht es, viele Facetten davon zu erfassen, wie Medienunternehmen ihre Wachstumsstrategien tatsächlich ausgestalten und warum. Über den Weg der analytischen Generalisierung können anschließend die bestehenden Hypothesen hinterfragt und neue explorativ gewonnene Erkenntnisse in den Bezugsrahmen aufgenommen werden. So kann schließlich ein weiterentwickeltes, aus Theorie und Praxis abgeleitetes Modell synthetisiert werden.
156
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
5 Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis Nachdem die bisherige Arbeit methodischen Vorüberlegungen und der Erarbeitung eines Bezugsrahmens gewidmet war, betrachtet dieses Kapitel die empirische Situation. Eine erste Indikation über die Bedeutung der Wachstumsaktivitäten gibt der Geschäftsführer des Zeitschriftenverbandes (VDZ). Ihm zufolge werden die Verlage im Jahr 2007 mit höheren Gewinnen als in den Vorjahren rechnen, wozu straffes Kostenmanagement und vor allem die Nebengeschäfte wie Buch-, DVD- und CD-Editionen beigetragen haben526. Um die in Kapitel 4.3 dargestellten Leitfragen umfänglich zu beantworten, werden zuvorderst die Wachstumsstrategien insgesamt und im Anschluss mehrere ausgewählte Fälle detailliert präsentiert und analysiert.
5.1 Empirischer Überblick über die Wachstumsstrategien von Printmedienunternehmen 5.1.1 Methodik der Untersuchung Um einen Überblick über die Wachstumsstrategien zu erhalten, wird an dieser Stelle die Auswertung einer empirischen Befragung präsentiert. Sie ermöglicht es bereits, einige der übergreifenden Leitfragen zu beantworten und Hinweise darauf zu geben, wie die Fallstudien ausgewählt werden sollten und zu bearbeiten sind. Für die Datenbasis konnte auf eine Befragung des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) aus dem Jahr 2006 zurückgegriffen werden527. In dieser Befragung wurden Entscheidungsträger bei Printmedienunternehmen in Deutschland mittels eines standardisierten Fragebogens umfassend zu Wachstumsstrategien ihrer Unternehmen befragt. Die Anzahl der verwertbaren Rückantworten lag bei 60. Der Autor der vorliegenden Arbeit konnte den kompletten 526 527
Vgl. o. Verfasser (2006h). Vgl. hierzu und zum Folgenden Schwaiger et al. (2006).
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
157
Datensatz der Studie nutzen und eigene Auswertungen durchführen528. Diese Zweitauswertung erfolgte mit der Software SPSS in der Version 15. Aufgrund der Tatsache, dass eine Zweitauswertung durchgeführt wurde, ist die folgende Analyse an die Strukturierung der ursprünglichen Autoren gebunden. 5.1.2 Ergebnisse der Untersuchung In diesem Kapitel wird zuvorderst der Umfang der Wachstumsaktivitäten bei Verlagen betrachtet. Im nächsten Schritt gilt es, die tatsächlichen Wachstumsfelder zu identifizieren und ihre Bedeutung zu gewichten. Anschließend werden die Kontingenzfaktoren wie die Art des Mediums und die Größe sowie die Motivation für den Aufbau neuer Geschäftsfelder betrachtet. Schließlich soll die Ressourcenbasiertheit der Wachstumsstrategien untersucht und die Wahl der Wertschöpfungstiefe thematisiert werden. 5.1.2.1 Umfang des Aufbaus und Bedeutung der neuen Geschäftsfelder In Anlehnung an Picard/Rimmer529 kann die Umsatzverteilung auf verschiedene Geschäfte als Hilfsgröße für die Diversifikationsanstrengungen in der Medienindustrie genutzt werden. Sie ist in Abb. 5-1 für das Jahr 2006 abgetragen. Daneben wird eine Erwartung für das Jahr 2009 gegeben. Es zeigt sich, dass sämtliche neuen Umsätze (d.h. alle Umsätze, die nicht den klassischen Säulen "Anzeigen" und "Vertrieb" entstammen) bereits eine relevante Größenordnung darstellen und ein deutliches Wachstum erwartet wird.
528 529
Hierfür sei dem VDZ an dieser Stelle umfassend gedankt. Vgl. Kapitel 4.1.4, S. 100.
158
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-1:
Umsatzverteilung bei Verlagen (2006) und Erwartungen
57%
Legende: 2006
50%
2009 (erwartet)
40%
Fokus der Befragung
34%
8%
Anzeigen
Vertrieb
12%
13%
Neue Wachstumsfelder
5%
Internet
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Bevor die "neuen Wachstumsfelder", die den Fokus der Datenbasis darstellen, tiefer analysiert werden, soll den Internet-Aktivitäten ein kurzer Exkurs gewidmet werden, da es sich auch hier um den Aufbau neuer Geschäftsfelder handelt, der allerdings wie beschrieben der konzentrischen Diversifikation zuzurechnen ist: Wie die Abbildung zeigt, wird in diesem Feld mehr als eine Verdopplung der Umsätze in den nächsten drei Jahren erwartet. Hatte die Digitalisierung die Produktionsprozesse in der Printbranche komplett modifiziert, so sind im letzten Jahrzehnt auch die Produkte selbst betroffen gewesen530. Die Mehrzahl der Printmedien ist heute im Internet präsent. Einen Überblick über die Entwicklung der Internetangebote gibt Abb. 5-2. Hier wird deutlich, dass sich die Anzahl der Internetauftritte von Printmedien mittlerweile stabilisiert hat. Die Bedeutung dieser Angebote im Online-Markt ist
530
Vgl. hierzu und zum Folgenden Röper (2006c), S. 287.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
159
groß. Ihr Anteil am gesamten erfassten Werbeumsatz im deutschen OnlineMarkt betrug im Jahr 2004 ca. 17 Prozent531. Abb. 5-2:
Entwicklung der Anzahl von Zeitungen mit Online-Angeboten 631
390
633
631
629
401
230 103
138
160
39 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik des BDZV, o. Verf. (2006n), S. 371
Zurückkehrend zu der vor allem auf den Daten der anderen neuen Wachstumsfelder basierenden Befragung sollen diese nun im Detail betrachtet werden. Abb. 5-3 zeigt die verschiedenen, von zumindest einigen Verlagen realisierten Wachstumsoptionen sowie den Anteil der Unternehmen, die jeweils aktiv sind. In der Abbildung werden die abgefragten Hauptkategorien dargestellt, die in der Befragung vorgegeben waren. Der Rahmen der Wachstumsfelder ist hier jedoch etwas größer gefasst, als die im Bezugsrahmen vorgenommene Definition neuer Geschäftsfelder. Zentrale Felder stellen die "verlagsnahen Zusatzprodukte" dar, die von 73 Prozent der Unternehmen bereits realisiert werden. Weiterhin werden von 77 Prozent der Unternehmen "Dienstleistungen" (zumeist anderen Unternehmen) offeriert. "Neue Formen von Verlagsprodukten" sind bei den befragten Unter531
Vgl. Reibnitz (2005), S. 4.
160
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
nehmen ebenfalls sehr beliebt. Die "Internationalisierung des Stammgeschäftes", als Replikation des bestehenden Geschäftsmodells in anderen geografischen Märkten wurde von knapp der Hälfte der befragten Unternehmen bereits realisiert532. In den Bereichen "Digital/Elektronik" sowie "Veranstaltungen" und "verlagsferne Zusatzprodukte" sind ebenfalls einige Verlage bereits aktiv. Abb. 5-3:
Übersicht über realisierte Wachstumsoptionen [Anteil Unternehmen, die im jeweiligen Wachstumssegment aktiv sind] Dienstleistungen
(Vermarktung Inhalte/Kundendaten, DirektMarketing, Outsourcing, Zustelldienste etc.)
Verlagsnahe Zusatzprodukte
77% 73%
(Bücher, CDs, DVDs)
Neue Formen von Verlagsprodukten (Kostenlose Zts, Kundenzts, Print aus Online)
Veranstaltungen
58%
(Messen, Seminare)
57%
Internationalisierung mit Stammgeschäft
48%
Verlagsferne Zusatzprodukte (Nahrungsmittel, Haushaltswaren, Reisen, Mode, Finanzdienstleistungen etc.)
Digital/Elektronik (Mobile Dienste, IP TV, Digitale Spartenkanäle)
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
37% 23% N = 60
Wird diese Darstellung in die innerhalb der Befragung vorgegebenen Unterkategorien von Wachstumsfeldern weiter aufgebrochen, so ergibt sich ein noch detaillierteres Bild (vgl. Abb. 5-4):
532
Vgl. hier zum Beispiel die erfolgreiche Einführung der Zeitung "Fakt" durch Axel Springer in Polen (Röper (2004), S. 268).
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
161
Im Bereich "Digital/Elektronik" sind vor allem "Mobile Dienste" von Verlagen bereits realisiert worden. Interaktives Fernsehen ("IP TV") und "digitale Spartenkanäle" im Fernsehen wurden bislang kaum umgesetzt. Bei "verlagsnahen Zusatzprodukten" stellen die Medienprodukte (Bücher, CDs und DVDs) diejenigen Produkte dar, die von den meisten der Unternehmen bereits angeboten werden. Bei den "verlagsfernen Zusatzprodukten" zeigt sich ein differenzierteres Bild: Während "Reisen" von zwei Dritteln aller Unternehmen angeboten werden, fallen sämtliche Konsumgüter bzw. auch die "Finanzdienstleistungen" hiergegen deutlich ab. Bei den "Dienstleistungen" wird vor allem die "Drittvermarktung von Content" betrieben. Weiterhin werden aber auch "Direkt-Marketing" und "Call Center Services" bzw. gesamtheitliche "Outsourcing-Angebote" gemacht. Die "Vermarktung der Kundendaten" wird von 35 Prozent der Unternehmen betrieben. Liegen die "Zustelldienstleistungen" bislang bei nur 8 Prozent, so ist dies sicherlich mit dem bislang noch nicht umfassend aufgehobenen Briefmonopol der Post zu erklären. Für die mit logistischen Kompetenzen ausgestatteten Verlage ist die Deregulierung der Postdienste grundsätzlich ein vielversprechendes neues Geschäftsfeld533. 45 Prozent aller Verlage generieren durch das Angebot von "Messen" und "Seminaren" Umsatz.
533
Vgl. Röper (2006c), S. 286.
162
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-4:
Realisierte Wachstumsoptionen im Detail [Anteil der Unternehmen, die im jeweiligen Wachstumssegment aktiv sind]
Digital/ Elektronik
IP TV Digitale (TV) Spartenkanäle
Neue Formen von Verlagsprodukten Verlagsnahe Zusatzprodukte
18%
Mobile Dienste
2% 7% 22%
Kostenlose Zeitschriften
42%
Kundenzeitschriften
22%
Print aus Online Bücher
72%
CD/DVD
63%
Nahrungsmittel/Getränke
Verlagsferne Zusatzprodukte
Haushaltswaren/Möbel Mode/Schmuck Finanzdienstleistungen
8% 0% 2% 10%
Reisen
Dienstleistungen
32%
Drittvermarktung Content
52%
Vermarktung Kundendaten
35%
Direkt-Marketing Services/Call Center Zustelldienstleistungen Outsourcing-Angebote (b2b)
Veranstaltungen
42% 8% 22%
Messen
45%
Seminare
45%
Internationalisierung mit Stammgeschäft
48%
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
N = 60
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
163
Auf Basis dieser umfassenden Untergliederung in 21 möglichen Wachstumsfelder kann auch ein Überblick über die Wachstumsintensität ermittelt werden: Als Kennzahl hierfür wird aus forschungspragmatischen Gründen die Abzählmethode verwendet534. Die Häufigkeitsverteilung der Anzahl an realisierten Wachstumsfeldern von den 21 vorgegebenen zeigt, dass im Mittel ca. sechs Aktivitäten wahrgenommen werden (Abb. 5-5).
Abb. 5-5:
Häufigkeitsverteilung der Anzahl realisierter Wachstumsaktivitäten
Häufigkeit
N Mittel Median Std. Abw. Varianz Max Min Quartile: 25 50 75
= = = = = = = = = =
60 5,95 6 3,49 12,2 16 0 3 6 9
Anzahl Wachstumsaktivitäten (von 21 vorgegebenen Möglichkeiten) Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Um das Bild zu erweitern, werden in Abb. 5-6 nicht nur die bisherige Aktivität dargestellt, sondern die Möglichkeiten im Hinblick auf ihre Attraktivität aus Sicht der Entscheider betrachtet. Hierzu wird gegenübergestellt, ob das Feld 534
Vgl. Spindler (1985), S. 71. Diese Methode kann aus nachvollziehbaren Gründen allerdings nur als begrenzt aussagefähig angesehen werden, vgl. Fey (1999), S. 40.
164
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
bereits bearbeitet wird oder dies geplant ist bzw. ob eine solche Planung nicht vorliegt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die übergroße Mehrheit der Befragten den Aufbau verschiedener Wachstumsfelder plant oder bereits vollzogen hat. Einzig der Bereich der "verlagsfernen Zusatzprodukte" wird von lediglich der knappen Hälfte der Befragten bisher bearbeitet bzw. seine Bearbeitung ist geplant. Abb. 5-6:
Überblick über realisierte bzw. geplante Wachstumsfelder Aktiv/geplant Dienstleistungen
93
(Vermarktung Inhalte/Kundendaten, DirektMarketing, Outsourcing, Zustelldienste etc.)
Verlagsnahe Zusatzprodukte
Neue Formen von Verlagsprodukten (Kostenlose Zts, Kundenzts, Print aus Online)
Veranstaltungen (Messen, Seminare)
Internationalisierung mit Stammgeschäft Digital/Elektronik Verlagsferne Zusatzprodukte (Nahrungsmittel, Haushaltswaren, Reisen, Mode, Finanzdienstleistungen etc.)
7
82
(Bücher, CDs, DVDs)
(Mobile Dienste, IP TV, digitale Spartenkanäle)
Nicht geplant
18
77
23
73
27
72
28
52
48
48
52 N = 60
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Auch diese Darstellung soll weiter untergliedert werden (s. Abb. 5-7). Die bereits oben dargestellte Differenzierung innerhalb der Felder findet sich so ebenfalls wieder, wenn die bisherigen Aktivitäten um die geplanten Vorhaben ergänzt werden.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-7:
165
Detaildarstellung der realisierten bzw. geplanten Wachstumsfelder Aktiv/geplant
Digital/ Elektronik
Neue Formen von Verlagsprodukten Verlagsnahe Zusatzprodukte
42%
Mobile Dienste
25%
77%
Digitale (TV) Spartenkanäle
25%
72%
33%
Kostenlose Zeitschriften
68% 67%
Kundenzeitschriften
67%
Bücher
84%
CD/DVD
Mode/Schmuck Finanzdienstleistungen
33%
37%
Print aus Online
Haushaltswaren/Möbel
18% 23%
77% 12%
88%
4
96%
12%
88%
18%
Reisen
Dienstleistungen
58%
IP TV
Nahrungsmittel/Getränke
Verlagsferne Zusatzprodukte
Nicht geplant
84% 47%
Drittvermarktung Content
54% 28%
75%
Vermarktung Kundendaten
60%
44%
Direkt-Marketing Services/Call Center
58%
46%
Zustelldienstleistungen Outsourcing-Angebote (b2b)
Veranstaltungen
Messen Seminare
Internationalisierung mit Stammgeschäft
14%
88% 44%
58% 70%
60% 75%
28% 37% 21% N = 60
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
166
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Wurde bislang jedes Wachstumsfeld nur im Hinblick auf eine bestehende oder geplante Aktivität betrachtet, so ist es weiterhin von Interesse, welches grundsätzliche Potenzial den verschiedenen Feldern in Hinblick auf Umsatz und Ertrag zugemessen wird. Hierfür wurde im Fragebogen eine fünfstufige Likertskala genutzt, mit der die Entscheider ausdrücken sollten, wie groß sie das Potenzial des jeweiligen Wachstumsfeldes einschätzen. Das Ergebnis dieser Frage ist in Abb. 5-8 dargestellt. Das höchste Potenzial wird bei der "Internationalisierung" gesehen, aber auch "verlagsnahe Produkte", "Dienstleistungen" und "Veranstaltungen" zeigen bereits im Mittelwert gewisses Potenzial, wobei die Standardabweichung verdeutlicht, dass die Einschätzung bei den verschiedenen Unternehmen durchaus deutlich schwankt. Abb. 5-8:
Potenzialeinschätzung nach Wachstumsfeldern Mittel Std. Abw. Digital/Elektronik
2,8
0,9
Neue Formen von Verlagsprodukten
2,8
0,7
Verlagsnahe Produkte
3,1
0,9
Verlagsferne Zusatzprodukte
1,7
0,8
Dienstleistungen
3,0
0,8
Veranstaltungen
3,2
1,1
Internationalisierung mit Stammgeschäft
3,8
1,1
Gering (1)
Mittel (3)
Hoch (5)
= überwiegende Zustimmung (Mittel >3)
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
5.1.2.2 Kontingenzfaktoren der Wachstumsintensität Die Wachstumsintensität wurde obenstehend für alle teilnehmenden Unternehmen der Befragung dargestellt. Die sich direkt anschließende Frage ist, ob Rahmenbedingungen existieren, die diese Intensität moderieren.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
167
Werden als erstes Publikumszeitschriften (PZ) und Zeitungen (Ztg.) miteinander verglichen535, so zeigt sich eine geringe, aber dennoch signifikante Abweichung (vgl. Abb. 5-9): Die Publikumszeitschriften scheinen in eine höhere Anzahl neuer Geschäftsfelder zu investieren (Median 5) als Zeitungen (Median 7,5). Aufgrund der geringen Anzahl von Zeitungen in der Auswertung sind die Ergebnisse jedoch in ihrer Validität begrenzt. Abb. 5-9:
Unterschiede zwischen Zeitungen und Zeitschriften hinsichtlich der Wachstumsintensität
Mittelwertvergleich Diversifikationsindex Ztg_PZ beides nichts PZ Ztg Total
Mean 2,0000 4,7931 7,2917 6,8333 5,9500
N 1 29 24 6 60
Std. Deviation . 2,78233 3,40689 5,15429 3,49054
Signifikanzanalyse (ANOVA) Diversifikationsindex * Wachstumsintensität Ztg_PZ
Between Groups Within Groups Total
Median 2,0000 5,0000 7,5000 5,0000 6,0000
ANOVA Tablea
(Combined)
Sum of Squares 102,300 616,550 718,850
df 3 56 59
Mean Square 34,100 11,010
F 3,097
Sig. ,034
a. The grouping variable Ztg_PZ is a string, so the test for linearity cannot be computed.
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung mit SPSS
Die Frage, inwieweit die Größe der Unternehmen moderierend auf die Wachstumsintensität wirkt, wurde im Rahmen einer Korrelationsanalyse ebenfalls untersucht (vgl. Abb. 5-10). Die Messung erfolgte erneut über die Anzahl der Wachstumsfelder (von 21 vorgegebenen), in denen die Unternehmen aktiv waren. Im Ergebnis bildet die Unternehmensgröße einen signifikanten536 Kontingenzfaktor für die Wachstumsintensität. Dies gilt sowohl für den Gesamtumsatz als auch für die Anzahl der Mitarbeiter, die als Indikatoren für die Unternehmensgröße verwendet wurden. Zwischen Gesamtumsatz (in Mio. Euro) und Wachstumsintensität besteht eine Korrelation mit einem Koeffizienten von 0,254 (Signifikanz 3,1 Prozent), bei der Anzahl der Vollzeit-Mitarbeiter und der Wachstumsintensität ein Koeffizient von 0,338 (Signifikanz von 0,4 Prozent). 535 536
Mittelwertvergleich mit anschließender Signifikanzanalyse (5% Signifikanzniveau). Signifikanzniveau = 5%.
168
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-10:
Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Wachstumsintensität [Anzahl der aktiven Wachstumsfelder]
Descriptive Statistics Deskriptive Statistik Diversifikationsindex Wachstumsindex Gesamtumsatz in Mio € letztes Geschäftsjahr Mitarbeiter Vollzeit
Korrelationsanalyse
Diversifikationsgrad Wachstumsintensität(Anz. Kategorien mit Aktivität) (Anz. Kategorien mit Aktivität) Gesamtumsatz in Mio € letztes Geschäftsjahr Mitarbeiter Vollzeit
Mean 5,9500
Std. Deviation 3,49054
N
136,77
476,229
55
757,76
2484,622
59
60
Correlations
Pearson Correlation Sig. (1-tailed) N Pearson Correlation Sig. (1-tailed) N Pearson Correlation Sig. (1-tailed) N
Diversifikatio Wachstums- Gesamtumsat nsgrad (Anz. z in Mio € intensität (Anz. Kategorien letztes mit Aktivität) Geschäftsjahr 1 ,254* ,031 ,031 60 55 ,254* 1 ,031 55 55 ,338** ,908** ,004 ,000 59 55
Mitarbeiter Vollzeit ,338** ,338** ,004 ,004 59 ,908** ,000 55 1 59
*. Correlation is significant at the 0.05 level (1-tailed). **. Correlation is significant at the 0.01 level (1-tailed).
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung mit SPSS
5.1.2.3 Motivation für die Wachstumsstrategie Bei einer Untersuchung der Motivation für den Aufbau der verschiednen Wachstumsfelder wurde obenstehend die Hypothese gebildet, dass ein Wachstumsdruck bei den Printmedienunternehmen die Grundlage bildet. Diese Hypothese kann auch mit Auswertung der empirischen Daten bestätigt werden. Abb. 5-11 zeigt umfassend auf, inwieweit verschiedene Motivatoren für die verschiedenen Wachstumsfelder zutreffen. Hierbei wurde die Zustimmung anhand einer fünfstufigen Likertskala abgebildet und verschiedene mögliche Motivatoren abgefragt. Bei diesen handelt es sich um eine mögliche "stärkere Kundenbindung", eine "Abrundung des Portfolios" eine "Stärkung der redaktionellen Unabhängigkeit", die "erhöhte Auslastung der Mitarbeiter" und die "Verbesserung des Markenprofils".
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-11:
169
Motivation für den Aufbau neuer Geschäftsfelder
Stärkere Kundenbindung
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
3,1
1,6
Neue Formen von Verlagsprodukten
3,8
1,3
Verlagsnahe Zusatzprodukte
4,0
1,2
Verlagsferne Zusatzprodukte
2,3
1,6
Dienstleistungen
3,1
1,4
Veranstaltungen
4,0
1,3
2,6
1,5
Internationalisierung mit Stammgeschäft Trifft nicht zu (1)
Abrundung des Portfolios
Trifft voll zu (5)
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
3,1
1,5
Neue Formen von Verlagsprodukten
4,1
1,1
Verlagsnahe Zusatzprodukte
3,7
1,3
Verlagsferne Zusatzprodukte
2,1
1,2
Dienstleistungen
3,2
1,3
Veranstaltungen
3,7
1,4
Internationalisierung mit Stammgeschäft
3,6
1,4
Trifft nicht zu (1)
Stärkung der redaktionellen Unabhängigkeit
Trifft voll zu (5)
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
1,7
1,1
Neue Formen von Verlagsprodukten
2,4
1,3
Verlagsnahe Zusatzprodukte
1,9
1,1
Verlagsferne Zusatzprodukte
1,3
0,8
Dienstleistungen
1,8
1,1
Veranstaltungen
2,1
1,2
2,0
1,2
Internationalisierung mit Stammgeschäft Trifft nicht zu (1)
Trifft voll zu (5)
170
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Erhöhte Auslastung der Mitarbeiter
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
2,0
1,3
Neue Formen von Verlagsprodukten
2,9
1,3
Verlagsnahe Zusatzprodukte
2,5
1,4
Verlagsferne Zusatzprodukte
1,4
0,7
Dienstleistungen
2,2
1,2
Veranstaltungen
2,2
1,2
Internationalisierung mit Stammgeschäft
1,8
1,1
Trifft nicht zu (1)
Verbesserung des Markenprofils
Trifft voll zu (5)
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
3,4
1,6
Neue Formen von Verlagsprodukten
3,7
4,5
Verlagsnahe Zusatzprodukte
4,0
1,2
Verlagsferne Zusatzprodukte
2,0
1,4
Dienstleistungen
2,6
1,5
Veranstaltungen
4,0
1,4
Internationalisierung mit Stammgeschäft
3,4
1,5
Trifft nicht zu (1)
= überwiegende Zustimmung (Mittel >3)
Trifft voll zu (5)
N > 30 je Frage unterschiedlich
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Im Ergebnis zeigt sich, dass durch fast alle Wachstumsfelder hindurch Zustimmung bei der "Kundenbindung", der "Abrundung des Portfolios" sowie der "Verbesserung des Markenprofils" gegeben wurde. "Stärkung der redaktionellen Unabhängigkeit" und eine "erhöhte Auslastung der Mitarbeiter" scheinen weniger der Grund für neue Aktivitäten zu sein. Betrachtet man nun die verschiedenen abgefragten Motivatoren im Hinblick auf die in Kapitel 3.5. dargestellten vier Wachstumsdimensionen, so wurde den Motivatoren zugestimmt, die eine starke Verbindung zu den Wachstumsdimensionen aufweisen. "Stärkere Kundenbindung", ein "besseres Markenprofil" und
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
171
ein "abgerundetes Portfolio" stärken unmittelbar die bisherigen Umsatzströme, wie in Unterziel 2 dargelegt. Eine erhöhte Effizienz, und "stärkere redaktionelle Unabhängigkeit" haben hingegen nur einen sehr indirekten Bezug zum Umsatzziel und werden auch als deutlich weniger relevanter Motivator von den befragten Entscheidern gesehen. 5.1.2.4 Ressourcenbasiertheit der Wachstumsstrategien Die zentrale Frage der vorliegenden Arbeit, inwieweit Ressourcen der Treiber für die Wachstumsstrategien sind, findet ebenfalls eine erste Antwort innerhalb der empirischen Befragung: Abb. 5-12 zeigt für "verlagsnahe" und Abb. 5-13 für "verlagsferne Zusatzprodukte", inwieweit die in diesen Feldern handelnden Akteure einer bestehenden Kompetenz eine Bedeutung für den Aufbau neuer Geschäftsfelder zumessen537. Erneut wurde die Zustimmung oder Ablehnung zu verschiedenen vorgegebenen Kompetenzen in einer fünfstufigen Likertskala erfasst. Abb. 5-12:
Bedeutung von Kompetenzen beim Aufbau verlagsnaher Zusatzprodukte Mittel Std. Abw. Titel/Marke
4,8
1,3
Potenzial der Leserschaft
4,3
1,0
Logistische Kompetenz
2,7
1,7
Marketing/Vertrieb
3,7
0,9
Redaktionelles Know-how
4,6
1,3
Online-Kompetenz
3,1
2,3
CRM-Kompetenz
3,2
2,0
Gering (1)
Hoch (5)
= überwiegende Zustimmung (Mittel >3)
N = 19
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
537
Der Fragetext lautet exakt: "Welche Stärken Ihres Verlages waren bei der Umsetzung Ihres erfolgreichsten Projektes in neuen Wachstumsfeldern von besonderer Bedeutung?".
172
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-13:
Bedeutung von Kompetenzen beim Aufbau verlagsferner Zusatzprodukte Mittel Std. Abw. Titel/Marke
4,8
0,4
Potenzial der Leserschaft
4,8
0,4
Logistische Kompetenz
3,8
3,1
Marketing/Vertrieb
4,8
2,6
Redaktionelles Know-how
3,6
2,1
Online-Kompetenz
2,0
1,4
CRM-Kompetenz
4,4
3,2
Gering (1)
Hoch (5)
= überwiegende Zustimmung (Mittel >3)
N=5
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Für beide Wachstumsfelder ergeben sich hohe Zustimmungswerte für die Bedeutung der vorhandenen Kompetenzen, allerdings auch ein sehr heterogenes Stimmungsbild, wie die teils hohe Standardabweichung zeigt. Bei den "verlagsnahen Zusatzprodukten" werden vor allem dem "Titel" bzw. der "Marke", dem grundsätzlichen "Potenzial der Leserschaft" sowie den bestehenden Marketing-/Vertriebs- und redaktionellen Kompetenzen sehr hohe Bedeutung beigemessen. Bei den "verlagsfernen Zusatzprodukten" tritt die Bedeutung des "redaktionellen Know-hows" zurück und die Vermarktungsfähigkeit im Sinne von Marketing/Vertrieb und CRM nimmt die entscheidende Position ein. Aber auch die bestehende logistische Kompetenz erhält in diesem Wachstumsfeld eine höhere Bedeutung als bei den verlagsnahen Produkten.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
173
5.1.2.5 Strategiewahl hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe in neuen Geschäftsfeldern Die Hypothesen zur Auswahl der Wertschöpfungstiefe wurden obenstehend aus dem Schema von Roberts/Berry hergeleitet. Auch hierzu gibt die Auswertung der empirischen Daten erste Anhaltspunkte. Für das Wachstumsfeld der verlagsnahen Produkte zeigt Abb. 5-14 im Überblick, dass diese überwiegend selbst erstellt werden. Dahinter rangieren die Kooperation und die komplette Lizensierung der Inhalte. Abb. 5-14:
Strategiewahl zur Definition der Wertschöpfungstiefe bei verlagsnahen neuen Produkten Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
69%
Kooperationen/Joint Ventures
40%
Lizensierung
27%
Akquisitionen
5%
= Präferierte Strategie (höchste Zustimmung)
N=49
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
Für die verlagsfernen Zusatzprodukte bietet sich hypothesengemäß ein anderes Bild, wie Abb. 5-15 verdeutlicht. Die komplette "inhouse" Erstellung der Produkte ist nur selten die gewählte Strategie. Vielmehr kommt der "Kooperation" und der "Lizensierung" die entscheidende Bedeutung zu. Aufgrund der geringen Fallzahlen sind die Ergebnisse allerdings nur begrenzt valide. Sie zeigen jedoch in die erwartete Richtung.
174
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-15:
Strategiewahl zur Definition der Wertschöpfungstiefe bei verlagsfernen neuen Produkten
Nahrungsmittel/Getränke
Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
17%
Kooperationen/Joint Ventures
67%
Lizensierung
33%
Akquisitionen
0%
Haushaltswaren/Möbel
N=6
Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
0%
Kooperationen/Joint Ventures
50%
Lizensierung
50%
Akquisitionen
0%
Mode/Schmuck
N=2
Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
0%
Kooperationen/Joint Ventures
50%
Lizensierung
50%
Akquisitionen
0%
Finanzdienstleistungen
N=6
Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
38%
Kooperationen/Joint Ventures
63%
Lizensierung
25%
Akquisitionen
13%
Reisen
N=8
Mittel
Inhouse bzw. in Tochtergesellschaften
37%
Kooperationen/Joint Ventures
63%
Lizensierung
15%
Akquisitionen
4%
= Präferierte Strategie (höchste Zustimmung)
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
N = 27
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
175
5.1.2.6 Organisatorische Verantwortung der Wachstumsfelder Ein erster Ausblick auf das Kernhandlungsfeld 3 – "Organisation der Innovation und Entwicklung" kann ebenfalls aus der Befragung heraus gegeben werden. Abb. 5-16 gibt einen Überblick darüber, an welcher Stelle in der Organisation die Verantwortung für die neuen Aktivitäten liegt. Hierbei zeigt sich ein gemischtes Bild. Zwar dominiert die Verankerung der Verantwortung bei der Verlagsgeschäftsführung, aber auch die Verankerung beim Verlagsinhaber, dem Verlagsleiter, dem Anzeigenmarketing und in einem eigenen Geschäftsbereich kommen vor. Nur ganz selten ist der Vertrieb oder ein strategischer Stabsbereich für die neuen Aktivitäten verantwortlich. Abb. 5-16:
Organisatorische Verantwortung der Wachstumsfelder Verlagsinhaber
27%
Verlagsgeschäftsführung
70%
Verlagsleiter der Objekte
32%
Anzeigenmarketing
10%
Vertrieb
5%
Eigener Geschäftsbereich/Tochterfirma
13%
Unternehmensentwicklung/strategische Planung
5%
= Präferierte Strategie (höchste Zustimmung)
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
N = 60
176
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
5.1.2.7 Risiken und Herausforderungen bei den Wachstumsstrategien Schon das Wachstumsziel 3 hatte das Risiko thematisiert, dass die neuen Aktivitäten bisherige Umsatzströme beschädigen könnten. Dieses Risiko kann sich in verschiedenen Formen manifestieren. So könnten durch Interessenkonflikte mit Anzeigenkunden bisherige Anzeigenerlöse entfallen. Aber auch die bisherigen Vertriebserlöse wären gefährdet, wenn das Markenprofil verwässert bzw. die Qualität der Berichterstattung durch eine stärkere Abhängigkeit aus Lesersicht reduziert würde. Die Zustimmung der Entscheider zu diesen Risiken wurde für die unterschiedlichen Wachstumsfelder ebenfalls abgefragt. Das Ergebnis ist in Abb. 5-17 dargestellt.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-17:
177
Befürchtete Effekte bei dem Aufbau neuer Geschäftsfelder
Interessenkonflikt mit Anzeigenkunden
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
1,6
1,1
Neue Formen von Verlagsprodukten
1,7
1,0
Verlagsnahe Zusatzprodukte
1,5
0,8
Verlagsferne Zusatzprodukte
2,1
1,3
Dienstleistungen
1,6
1,1
Veranstaltungen
1,7
1,0
Internationalisierung mit Stammgeschäft
1,1
0,3
Trifft nicht zu (1)
Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit
Trifft voll zu (5)
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
1,5
1,0
Neue Formen von Verlagsprodukten
1,5
0,8
Verlagsnahe Zusatzprodukte
1,4
0,8
Verlagsferne Zusatzprodukte
1,9
1,3
Dienstleistungen
1,5
0,9
Veranstaltungen
1,4
0,8
Internationalisierung mit Stammgeschäft
1,1
0,3
Trifft nicht zu (1)
Verwässerung des Markenprofils
Trifft voll zu (5)
Mittel Std. Abw.
Digital/Elektronik
2,1
1,4
Neue Formen von Verlagsprodukten
1,5
0,9
Verlagsnahe Zusatzprodukte
1,4
0,7
Verlagsferne Zusatzprodukte
3,3
1,6
Dienstleistungen
2,0
1,2
Veranstaltungen
1,3
0,8
Internationalisierung mit Stammgeschäft
1,3
0,8
Trifft nicht zu (1) = überwiegende Zustimmung (Mittel >3)
Trifft voll zu (5) N > 33 je Frage unterschiedlich
Quelle: Datenerhebung VDZ, eigene Auswertung und Darstellung
178
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Hierbei zeigt sich, dass die befragten Entscheider grundsätzlich kaum negative Effekte von den Wachstumsaktivitäten erwarten. Einzig das Wachstumsfeld "verlagsferne Zusatzprodukte" zeigt eine höhere Risikoeinschätzung. Gleichzeitig ist hier die Sicht der Befragten deutlich heterogen, wie die hohe Standardabweichung bescheinigt. 5.1.3 Zusammengefasste Ergebnisse der empirischen Befragung Insgesamt liefert die statistische Analyse bereits einen guten Überblick über das in dieser Arbeit betrachtete Realphänomen und ist in der Lage, verschiedene Leitfragen zu beantworten. Werden die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst, kann folgendes Resümee gezogen werden: Sämtliche Umsätze aus sogenannten Wachstumsfeldern, d.h. Umsätze, die nicht direkt aus Anzeigenvermarktung und Vertrieb stammen, weisen schon heute eine relevante Größenordnung auf. Deutliches Wachstum innerhalb der nächsten drei Jahre wird erwartet538. Im Internet werden von nahezu allen Printverlagen Inhalte angeboten, wobei eine Verdopplung der Umsätze in den nächsten drei Jahren erwartet wird. Internetangebote von Verlagen machen einen wesentlichen Anteil am gesamten Online-Werbemarkt aus. Verlagsnahe Zusatzprodukte (Bücher, CDs, DVDs) sowie Dienstleistungen für andere Unternehmen sind die Wachstumsfelder, die von den meisten Verlagen bisher bearbeitet werden. Bei verlagsfernen Zusatzprodukten stellen lediglich die Reisen ein häufiger anzutreffendes Produkt dar. Neben diesen Feldern wird von Verlagen auch zunehmend das Angebot von Veranstaltungen, mobilen oder TV-Diensten und weiteren verlagsfernen Produkten geplant und diesen ein zumindest begrenztes Umsatzpotenzial eingeräumt. Weiterhin wollen die meisten Verlage ihr Stammgeschäft internationalisieren oder haben dies bereits getan, wobei diese Kategorie in dieser Arbeit nicht tiefer betrachtet wird. 538
Die Definition neuer Geschäftsfelder ist im Bezugsrahmen enger gefasst als in der genutzten Datenbasis. Beispielsweise bildet die Internationalisierung einen Bereich, der im Bezugsrahmen ausgeschlossen wird.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
-
-
-
-
-
-
-
179
Die nach der Abzählmethode ermittelte mittlere Wachstumsintensität liegt bei 6 von 21 möglichen vorgegebenen neuen Geschäftsfeldern, die Standardabweichung bei 3,5. Die Wachstumsintensität ist in einem Mittelwertvergleich bei Zeitschriften leicht höher als bei Zeitungen. Weiterhin besteht eine Korrelation zwischen Wachstumsintensität und Unternehmensgröße. Beide Aussagen sind auf Basis eines Signifikanzniveaus von 5 Prozent signifikant. Als Motivation für den Aufbau neuer Geschäftsfelder geben die Entscheider in den Verlagen vor allem eine stärkere Kundenbindung, eine Abrundung des Portfolios sowie eine Verbesserung des Markenprofils an, was die Hypothese des Wachstumsdrucks im Sinne der vier Wachstumsdimensionen bestätigt. Weiterhin basiert der Aufbau verlagsnaher Produkte auf verschiedenen bestehenden Kompetenzen: Allen voran auf der Marke und der damit unter Hinzuziehung der Marketing- und Vertriebskompetenz erschließbaren Leserschaft, aber auch auf den redaktionellen Fähigkeiten. Bei den verlagsfernen neuen Produkten rückt das redaktionelle Know-how zu Gunsten der Vermarktungsfähigkeit in den Hintergrund. Hinsichtlich der strategischen Definition der Wertschöpfungstiefe scheinen sich die von Roberts/Berry abgeleiteten Hypothesen zu bewahrheiten: So erfolgt ein verlagsnahes Wachstum eher inhouse, während bei einem verlagsfernen Wachstum den Alternativen "Kooperation/Joint Venture" sowie "Lizensierung" die entscheidende Bedeutung zukommt. Die Verantwortung der neuen Geschäftsfelder liegt zumeist bei der Verlagsgeschäftsführung. Allerdings existieren auch diverse alternative Organisationen der Verantwortung. Hinsichtlich der Risiken des Aufbaus neuer Geschäftsfelder ist das Feld der verlagsfernen Zusatzprodukte exponiert. Diese werden sehr unterschiedlich bewertet. Insgesamt überwiegt jedoch die Einschätzung, dass ein gewisses Risiko der Verwässerung des Markenprofils mit dieser Art der Wachstumsstrategie einhergeht. Daneben kann es zu Interessenkonflikten mit Anzeigenkunden und zu einer Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit kommen.
180
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
5.2 Fallstudienbasierte Detaillierung des Aufbaus neuer Geschäftsfelder Nachdem ein Überblick über die Umsetzung von Wachstumsstrategien in den Medien über die Auswertung der Befragung gewonnen wurde, soll an dieser Stelle die tiefgehende Betrachtung mehrerer Einzelfälle die aufgestellten Leitfragen weiter empirisch beleuchten. Hierzu werden zuvorderst ein kurzer Überblick über den methodischen Hintergrund der Forschung gegeben und dann die einzelnen Fälle betrachtet. 5.2.1 Methodik der Fallstudien Gemäß der in Kapitel 2 dargelegten Methodik werden die Fälle mit Bezug zu den Ergebnissen der empirischen Untersuchung in Kapitel 5.1 ausgewählt. Die Zielsetzung lehnt sich – wie beschrieben – an Yin an, der für die Auswahl fordert, dass jeder Fall einen spezifischen Zweck in der Gesamtbetrachtung verfolgen solle539. Auch unterschiedliche Rahmenbedingungen, die möglicherweise Einfluss auf die zu untersuchenden Zusammenhänge nehmen, sollen separat getestet werden540. Die Auswahl der Fälle folgt daher drei Kriterien: Es sollen erstens Fälle betrachtet werden, die umfängliche Wachstumsaktivitäten vorweisen. Zweitens wird die unterschiedliche Art des Mediums im Hinblick auf die Erscheinungsweise und die geografische Reichweite als zentrale differenzierende Rahmenbedingung angesehen (vgl. die Darstellung der unterschiedlichen Medienarten in Kapitel 3.1). Somit sollen Printmedien betrachtet werden, die in dieser Hinsicht unterschiedlich sind. Zuletzt muss die Auswahl forschungspragmatisch vorgenommen werden. Die Offenheit der Unternehmen für eine Befragung ist notwendige Voraussetzung, um relevante Ergebnisse zu erzielen. Zusammenfassend ist es somit das Ziel, die bei den Wachstumsaktivitäten der jüngsten Zeit zentralen Akteure bei regionalen und nationalen Tageszeitungen, Kaufzeitungen, Wochenzeitungen und Zeitschriften zu untersuchen. In Fällen, in denen über das einzelne Medienobjekt hinaus Synergien genutzt wer539 540
Vgl. Yin (2003), S. 47. Vgl. Yin (2003), S. 51.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
181
den oder eine medienübergreifende Zusammenarbeit stattfindet, soll auch dieser übergreifende (Konzern-)Zusammenhang erfasst werden. Eine Übersicht über die ausgewählten Fälle und die jeweils vorgenommenen Datenerhebungen zeigt Abb. 5-18.
Abb. 5-18:
Übersicht über die Aktivitäten zur Datenerfassung der Fallstudien
Fallstudie Süddeutscher Verlag/ SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
ZEIT-Verlag/ DIE ZEIT
Termin 7.12.2006 10:30 18:00 Uhr
20.6.2007 16:00 18:00 Uhr 27.6.2007 18:00 19:00 Uhr 14.8.2007 10:30 12:30 Uhr
Methode/Gesprächspartner Strategie-Workshop: - Herr Lutz (Geschäftsführer) - Herr Rohr (Verlagsleiter) - Herr Rumberg (Leiter neue Produkte) - Herr Elspas (Vertriebsleiter neue Produkte) - Herr Buxton (Mediathek neue Produkte) - Frau Meyer (Unternehmensentwicklung) - Frau Krupkat (Assistentin GF) - Frau Maier (Assistentin GF) Fallstudieninterview: - Herr Rumberg (Leiter neue Produkte) Fallstudieninterview: - Herr Rumberg (Leiter neue Produkte) Fallstudieninterview: - Frau Kreft (Gesamtleitung Magazine u. neue Geschäftsfelder)
182
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Axel Springer/ BILD
10.8.2007 14:00 15:30 Uhr 25.7.2007 11:00 12:30 Uhr
Gruner + Jahr/ ganzheitliche Betrachtung und konkret BRIGITTE
15.5.2007 12:00 13:30 Uhr 5.7.2007 9:00 10:30 Uhr 9.8.2007 14:00 15:30 Uhr
Axel Springer/ HAMBURGER ABENDBLATT Übergreifend: Kongress "Zusatzgeschäfte für Verlage"
28.8.2007 15:00 16:30 Uhr 15.11.200616.11.2006
Fallstudieninterview: - Herr Dr. Dömer (Leiter Merchandising) Fallstudieninterview: - Frau Hilbert (Generalmanagerin BILD NRW, bis 2006 Leitering BILD Werbung und Merchandising) Vortrag: - Herr Dr. Buchholz (Vorstand Zeitschriften) Fallstudieninterview: - Herr Twardy (Vorstand für Finanzen und Strategie) Fallstudieninterview: - Frau Jäkel (Verlagsleiterin BRIGITTE) Fallstudieninterview: - Frau Hecker (Leiterin Marketing & Events) Kongressvorträge u.a.: - Herr Prof. Breyer-Mayländer - Frau Hilbert (BILD) - Frau Jäkel (BRIGITTE) - Herr Rumberg (SZ) - Stefanie Hauer (ZEIT)
Die Abbildung zeigt, dass die aufgestellten Kriterien weitestgehend realisiert werden konnten. Mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG konnte eine überregionale Qualitätszeitung gewonnen werden, die trendsetzend für die Diversifikation in neue Geschäftsfelder war541. DIE ZEIT kann als die bedeutsamste Wochenzeitung bezeichnet werden und ist darüber hinaus in den neuen Geschäftsfeldern sehr aktiv. Mit der BRIGITTE konnte eine Zeitschrift mit langer Tradition und klarem Zielgruppenfokus gewonnen werden, die ebenfalls sehr aktiv neue Geschäftsfelder erschlossen hat. Die Perspektive wird in diesem Fall aufgrund der 541
So auch Röper (2004), S. 269.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
183
existierenden objektübergreifenden Strategien und Aktivitäten erweitert und das Unternehmen Gruner + Jahr als einer der zentralen Akteure im Zeitschriftenmarkt ganzheitlich betrachtet. Mit BILD konnte die auflagenstärkste nationale (Kauf-)Zeitung gewonnen werden, die durch teils spektakuläre neue Vermarktungsvarianten aufgefallen ist. Zur Berücksichtigung der Rahmenbedingungen einer regionalen Abozeitung wird das HAMBURGER ABENDBLATT als Fallstudie einbezogen. Gemäß den Vorgaben für fallstudienbasierte Forschung wurden, soweit möglich, Interviews geführt, Präsentationen ausgewertet, direkte Beobachtungen in zentralen Situationen wie einem Strategieworkshop gemacht, Beobachtungen von Beteiligten sowie Dokumente, Archivaufzeichnungen und physische Artefakte ausgewertet542. Um einen Überblick über sämtliche bedeutenden Aktivitäten der Branche zu erhalten und die entscheidenden Akteure zu identifizieren, wurden weiterhin der Branchenkongress "Zusatzgeschäfte für Verlage" besucht und die dort referierten Vorträge ausgewertet. Für die an zentraler Stelle stehenden Fokusinterviews wurden Interviewpartner ausgewählt, die die Wachstumsstrategien der letzten Jahre begleitet und möglichst auch verantwortet haben. Soweit durchführbar, wurden mehrere Personen herangezogen, um eine ausgewogene Darstellung zu erhalten. Weiterhin wurde versucht, Personen einzubeziehen, die auch derzeit eine verantwortliche Funktion im Kontext der neuen Geschäftsfelder innehaben und somit über die zukünftige Strategie und geplante Aktivitäten Auskunft geben können. Die Fokusinterviews hatten unterschiedliche Umfänge, wobei minimal 90 Minuten zur Verfügung standen. Es wurde von Seiten des Autors eine Einführung in das Thema gegeben und anschließend ein semistrukturierter Fragebogen genutzt, der sich an den Leitfragen orientierte, auf das befragte Unternehmen zugeschnitten war und im Verlauf der Forschung optimiert wurde. Sämtliche Interviews wurden mittels eines Diktiergerätes mitgeschnitten und anschließend transkribiert, was als Standard bei qualitativen Interviews anzusehen ist543. Die Interviews wurden im Sinne eines "Case-Study-Protokolls"544 vom Autor selbst transkri542 543 544
Vgl. Yin (2003), S. 85ff. Vgl. Kvale (1996), S. 160ff. Vgl. für den Aufbau eines Case-Study-Protokolls Yin (2003), S.67ff.
184
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
biert, um die Validität zu erhöhen545. Sämtliche verwendeten Aussagen wurden von den Interviewpartnern freigegeben, soweit dieses explizit erbeten wurde. Die Recherche umfasste weiterhin die Durchsicht der Fachzeitschriften "Horizont", "Werben&Verkaufen", der Medienseite in der "Financial Times Deutschland" sowie der täglichen Ticker-Meldungen der Branchendienste "Kress", "W&V" und "Horizont" für den Beobachtungszeitraum. Daneben wurden Verbands- und Unternehmensinformationen aus gedruckten und elektronischen Quellen herangezogen. Zur weiteren Analyse der Produkte selbst und des Verkaufsprozesses erfolgten diverse Testbestellungen von Produkten. Zu den direkt in den Fokusinterviews oder der sonstigen Recherche erfassten Daten, kamen Hintergrundinformationen, die aus der zehnjährigen beruflichen Aktivität des Autors in der Medienbranche und einer Vielzahl von Beratungsprojekten generiert wurden. Aus Gründen der Vertraulichkeit können diese Daten jedoch zumeist nicht direkt verwendet werden, sie sichern aber die im Folgenden getroffenen Aussagen ab und sorgen somit für eine höhere Validität und letztlich auch Reliabilität.
5.2.2 Einzeldarstellung der Fallstudienergebnisse Gemäß der in Abb. 2-2 dargestellten Methodik wird die Datenanalyse mit einer Einzelfallanalyse begonnen. Hierbei wird jedes der untersuchten Medien separat dargestellt. Jede Fallstudie wird mit Rahmendaten des Unternehmens und des primär betrachteten Bereiches eingeleitet. Darauf folgt die Darstellung der Wachstumsaktivitäten – zuerst übergreifend und weiter in der Reihenfolge der Kernhandlungsfelder bzw. den hierauf basierenden Leitfragen (vgl. erneut Abb. 4-12).
545
Vgl. Kvale (1996), S. 170.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
185
5.2.2.1 Süddeutscher Verlag/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Als erste Fallstudie wurde die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG des Süddeutschen Verlages gewählt. Um das Forschungsvorgehen zu testen und für den Fortgang zu optimieren, wird in der methodischen Literatur angeraten, mit einer möglichst komplexen (Pilot-)Fallstudie zu beginnen546. Durch den Umfang der Aktivitäten der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und die umfangreiche zur Verfügung stehende Datenbasis scheinen diese Kriterien hier erfüllt zu sein. Diese wird besonders ausführlich dargestellt, um für die weiteren Fallstudien als Referenz zu dienen. Zunächst wird ein kurzer Überblick über das Unternehmen gegeben: Der Süddeutsche Verlag erwirtschaftete im Jahr 2006 einen Umsatz von 704 Mio. Euro und einen Gewinn (EBITDA) von 77 Mio. Euro547. Die wichtigsten Geschäftsbereiche des Verlages sind Zeitungen, Fachinformationen (Zeitschriftenund Buchverlage), Drucktechnik und elektronische Medien (Radio, TV und Internet)548. Zeitungen sind das wichtigste und größte Geschäftsfeld des Süddeutschen Verlages. Die Kompetenz im Zeitungsgeschäft hat es der Mediengruppe erst ermöglicht, über die Jahrzehnte zu einem der größeren deutschen Verlagshäuser zu wachsen. Neben dem Flaggschiff SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (im Folgenden SZ) und seinen Supplements gehören diverse Regional- und Wochenzeitungen, Anzeigenblätter sowie Zeitungsbeteiligungen im In- und Ausland zur Mediengruppe. Nach äußerst gewinnträchtigen Jahren ist der Süddeutsche Verlag mit der Krise der Werbemärkte in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Kosteneinsparungen in großem Umfang waren unumgänglich. Die "Südwestdeutsche Medien Holding" in Stuttgart hat in diesem Zuge knapp 20 Prozent der Anteile übernommen549. Die innerhalb dieser Fallstudie ausschließlich betrachtete SZ ist die nach Auflage größte überregionale Abonnement-Tageszeitung Deutschlands und das 546
Vgl. Yin (2003), S. 78f. Quelle: Pressemitteilung der Mediengruppe Süddeutscher Verlag vom 4.5.2007. Quelle hierzu und zum Folgenden: www.süddeutscher-verlag.de, abgerufen am 8.10.2007. 549 Vgl. Röper (2004), 278 und Kapitel 3.3.1, S. 34. 547 548
186
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
zentrale Objekt der Mediengruppe Süddeutscher Verlag550. Täglich werden 1,54 Millionen Leser551 erreicht und diesen Aktuelles und Hintergründe aus Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Feuilleton, Medien, Sport und Wissenschaft berichtet. Für den Münchner Raum, die umliegenden Landkreise und Bayern existieren eigene Lokal-, Stadt- und Regionalredaktionen. Zahlreiche Sonderseiten und redaktionell eigenständige wöchentliche Beilagen (z.B. das "SZ Magazin") ergänzen das tägliche Angebot. Mussten Anfang des neuen Jahrtausends noch Anzeigen aufgrund von Platzmangel in der Zeitung abgelehnt werden, so brachen in der folgenden Krise die Anzeigenerlöse (insbesondere im Stellenmarkt) mit hoher Geschwindigkeit ein552. Was folgte, war eine harte Sanierung und ein konsequenter Sparkurs. Dies ging mit der Aufgabe einer Lokalausgabe und des Jugendsupplements "jetzt" einher. Zu den sinkenden Erträgen kamen Imageprobleme, da in der Presse über massiven Stellenabbau und eine drohende Insolvenz berichtet wurde. Doch die ersten Schritte der Sanierung gelangen und Geschäftsführer Klaus Josef Lutz machte deutlich, dass "[…] durch Sparen alleine noch niemand den Turnaround wirklich geschafft hat"553. So standen die Zeichen wieder auf Wachstum und "es durfte auch jede verrückte Idee gedacht werden"554. Die SZ machte schließlich mit der "Süddeutschen Zeitung Bibliothek" den – zugegebenermaßen von anderen europäischen Märkten abgeschauten – Schritt in die Diversifikation. Im Bereich der überregionalen Presse war die SZ mit Aktivitäten in diesem Umfang der "first-mover". Mittlerweile bildet der Bereich "neue Produkte" eine bedeutende Umsatzsäule und bietet Lesern wie Nicht-Lesern eine Vielzahl von Produkten an. Zwar liegen die Anzeigenumsätze noch immer weit unter den früheren Werten, doch die Auflagenzahlen entwickeln sich positiv. Abb. 5-19 dokumentiert die Entwicklung der durchschnittlichen Auflage und der Summe der Anzeigenerlöse innerhalb der letzten zehn Jahre.
550
Quelle hierzu und zum Folgenden: www.süddeutscher-verlag.de, abgerufen am 8.10.2007. Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2006. 552 Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 553 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 5. 554 Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 551
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Abb. 5-19:
187
Auflage- und Anzeigenumsatzentwicklung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG 445
Tägliche Auflage im Jahresdurchschnitt [Tsd. Expl.]
440
434
442
441
90
92
439
432
428 424 419 ¦ Anzeigenumsätze p.a. [Mio. EUR]
115
123 99
94
85
83
80
48
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007 1 Hj.
Quelle: IVW (verkaufte Auflage Mo.-Sa.), Nielsen (Summe BruttoUmsätze), eigene Darstellung
Nachdem das Unternehmen und die SZ selbst kurz beschrieben wurden, sollen nun (erst übergreifend, dann in der Struktur der Kernhandlungsfelder) die Wachstumsaktivitäten betrachtet werden: Wie dargestellt, gingen am 20. März 2004 mit der "Süddeutschen Zeitung Bibliothek" die Wachstumsstrategien in eine neue Phase. Der erste Band wurde an SZ-Abonnenten und Käufer der SZ-Ausgabe dieses Tages verschenkt. Mit 11,3 Mio. verkauften Bänden wurde die "SZ Bibliothek" in der Folge eines der erfolgreichsten Buchprojekte überhaupt in Deutschland555. Neben der mittlerweile auf 100 Bände erweiterten Bibliothek hat die SZ in den letzten Jahren ein
555
Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg.
188
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
umfangreiches Portfolio an verlagsnahen Produkten auf den Markt gebracht556. Hierzu zählt eine 50-bändige "SZ Kriminalbibliothek", die "Bibliotheca Anna Amalia" mit zwölf aufwändig verarbeiteten "Schätzen der Weltliteratur". Daneben stehen zwei CD-Reihen mit klassischer Musik ("Jahrhundert Geiger" und "Klavier Kaiser") sowie eine "SZ Diskothek" und Hörbücher ("Bibliothek der Erzähler"). Die SZ-Edition bietet Einzelbände an, die zumeist von SZAutoren verfasst wurden (z.B. "Fußball Unser", eine Sammlung der besten "Streiflicht"-Kolumnen etc.). In der "SZ Cinemathek" wurden 100 DVDs mit "Meilensteinen der Filmgeschichte" und andere DVD-Kollektionen veröffentlicht und für Kinder werden ebenfalls Bücher, DVDs und Hörbücher angeboten. Im Aufbau befindlich ist eine Reiseedition ("Ein perfektes Wochenende in …") sowie eine Reihe über die schönsten Orte in Bayern. Mit der "SZ Vinothek" wurde darüber hinaus erstmals eine Produktlinie der Kategorie verlagsferne Zusatzprodukte gestartet. Hierbei handelt es sich um von einem Weinkritiker exklusiv für die SZ ausgewählte Weinpakete. Weiterhin hat die SZ ihre Internetpräsenz ("sueddeutsche.de") stark ausgebaut und ist mit "SZ TV" auch im Fernsehen präsent. Beide Aktivitäten sind organisatorisch in eigenen Gesellschaften separiert und machen im Vergleich zu den "neuen Produkten" nur einen deutlich kleineren Umsatz- und Ertragsanteil aus557. Alle dargestellten Aktivitäten sind als Diversifikation gemäß der oben genannten Definition von Ramanujam/Varadarajan zu bezeichnen, da sie nachhaltige Änderungen der administrativen Prozesse und Systeme nach sich gezogen haben. Es handelt sich um eine "konzentrische" (Internet/TV) bzw. "relationale Diversifikation" (sämtliche anderen Aktivitäten) in neue Produkte, da die Wertschöpfung und die externen Beziehungen ähnlich, aber nicht gleich sind und überwiegend eine bestehende Zielgruppe und die bisherigen geografische Märkte adressiert werden. Die anvisierten Märkte waren somit zumeist bekannt, die in den neuen Produkten verkörperte Technik jedoch neu – aufgrund der weiter 556
557
Quelle hierzu und zum Folgenden: Süddeutsche Zeitung Shop – Gesamtverzeichnis Sommer 2007 und frühere Anzeigen. Aufgrund dieser Tatsache werden diese Aktivitäten im Weiteren nicht detailliert dargestellt.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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unten detaillierten im Unternehmen vorhandenen und genutzten Ressourcen jedoch zumeist vertraut (vgl. Abb. 4-4). Die Tiefe der Wertschöpfung entspricht bei der SZ aufgrund der Rahmenbedingungen der begrenzten Vertrautheit der neuen Märkte den Hypothesen aus den Gestaltungsregeln von Roberts/Berry558. So werden Produkte überwiegend intern entwickelt und nur in Ausnahmefällen wurden Produkte mit geringen Zielvolumina gemeinsam mit einem Partner vermarktet. Das Hauptziel der "neuen Produkte" bei der SZ ist es, Umsätze zu generieren, weil an anderer Stelle Erträge entfielen559. Dies entspricht der dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothese. Dieses Ziel konnte in den letzten Jahren erreicht werden, denn die Aktivitäten aus neuen Wachstumsfeldern (ohne TV und Internet) erbrachten sowohl im Jahr 2005 als auch 2006 einen Umsatz von ca. 30 Mio. Euro560 was bereits mehr als zehn Prozent am Gesamtumsatz ausmachen dürfte. Dieser Erfolg gilt sowohl für die "verlagsnahen" als auch für die "verlagsfernen Produkte". Es gelang der SZ mit der "SZ Bibliothek" 2004 in diesem für sie neuen Belletristikmarkt einen Marktanteil von drei Prozent zu erringen561. Durch die Diversifikation war die Zeitung im Jahr 2005 einer der 25 größten Buchverlage. Ähnliche Erfolge konnten bei den CDs und DVDs verbucht werden. So erreichte die CD-Edition "Klavier Kaiser" einen Marktanteil von drei Prozent im Klassikmarkt und die "SZ Cinemathek" einen Anteil am DVD-Markt von 2,5 Prozent. Auch die "SZ Vinothek" startete sehr erfolgreich mit einem Absatz von 120.000 Flaschen Wein, was in diesem Markt eine der erfolgreichsten Abverkaufsaktionen aller Zeiten darstellt562. Aber nicht alle Produkte waren so erfolgreich. Für einzelne Produktlinien wurde die absetzbare Auflage zu hoch eingeschätzt und aufgrund ihrer umfassenden Wertschöpfung bei den neuen Produkten ist die SZ somit der Herausforderung ausgesetzt, Lagerbestände noch innerhalb der Lizenzlaufzeit abzubauen.
558
Vgl. Abb. 4-5, S. 75. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 9. 560 Vgl. o. Verfasser (2007i). 561 Quelle hierzu und zum Folgenden: GFK. 562 Vgl. o. Verfasser (2007i). 559
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Neben diesen überwiegend sehr positiven direkten Absatzerfolgen waren auch die mittelbaren Effekte sehr bedeutsam563: Mehr als die Hälfte aller Editionen wurden bislang außerhalb des Kernverbreitungsgebietes der Zeitung abgesetzt, wodurch es mittels der Weitergabe der Kundenadressen an den Vertriebsbereich gelang, mehrere tausend Abonnenten zu gewinnen. Diese konnten durch die Ausstrahleffekte des Produktabsatzes gerade in den westlichen und nördlichen Gebieten Deutschlands gewonnen werden, die traditionell weniger stark der SZ zuneigen. Die Stärkung der Markenbindung kann daran abgelesen werden, dass die Umwandlungsquote von Schnupperabonnements zu regulären Abonnements deutlich höher lag als im Durchschnitt anderer Aktionen der Zeitung. Hinzu kam eine Verbesserung des – durch die Insolvenzsorgen intern wie extern geschwächten – Images der Zeitung. Gerade der Motivationseffekt auf die Mitarbeiter durch die neuen Produkte wird bei der SZ sehr hoch geschätzt564. Im Hinblick auf die Profitabilität der Umsätze müsse aus Sicht der Akteure bei der SZ berücksichtigt werden, dass die klassischen Verlagserlöse (Anzeigenund Vertriebsumsätze) zumeist sehr hohe Renditen aufweisen565. Das Buch- und Handelsgeschäft sei hingegen durch eher niedrigere Margen gekennzeichnet. Somit ist davon auszugehen, dass der Ergebnisbeitrag der Aktivitäten aus der Diversifikation zwar profitabel ist, die Rendite jedoch unter den früheren Werten zurückbleibt. Aus Sicht der SZ besteht die größte Herausforderung innerhalb der Wachstumsstrategie darin, die Erfolge und Umsatzströme aus den neuen Geschäftsfeldern auch langfristig zu erhalten. Der Umfang dieser Aufgabe wird klar, wenn die Anzahl der Einzelaktivitäten des Bereiches "Neue Produkte" in den Jahren 2004, 2005 und 2006 verglichen werden, die – wie oben dokumentiert wurde – über die Jahre in etwa vergleichbare Umsätze erbracht haben. Konnten im Jahr 2004 drei Produkte diesen Umsatz erzielen, so waren hierfür 2005 sieben und im
563 564 565
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 9. Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Jahr 2006 zehn Produkte erforderlich566. Dem versucht die SZ dadurch entgegenzuwirken, dass neben eingekauften Lizenzen zunehmend auch eigene Inhaltssubstanzen geschaffen werden, die ohne zeitliche Begrenzung wie bei den Lizenzprodukten verkauft werden können ("Backlistfähigkeit"). Die Erfahrung der SZ zeigt mittlerweile, dass die kurzfristige Realisierung von Ertragsmöglichkeiten gelegentlich langfristige Optionen verstellt oder zumindest erschwert, was die SZ zunehmend in der Produktausgestaltung berücksichtigt567. Für die Zukunft erwartet die SZ, dass sich das Geschäft mit neuen Produkten innerhalb der nächsten Jahre noch deutlich modifizieren wird, ihm aber eine gleichbleibend hohe Bedeutung zukommt. Eine vollständige Business-Migration ist nicht absehbar. Als Kernkompetenzen von Printmedien und so auch der SZ werden analog des Bezugsrahmens "Selektion", "Aufbereitung" hier formuliert als "Einschätzung" und "Wertung" sowie "Kommunikation" gesehen. Speziell für die SZ komme noch die "Kompetenz, zu überraschen" hinzu, denn diese sei tief in der Marke verankert568. Der Nukleus der Marke SZ als wichtigstes Asset sei aus Sicht der handelnden Akteure die Qualität der Redaktion. Die neuen Produkte speisen sich entsprechend aus der hochqualitativen Empfehlungs- und Auswahlkompetenz der Redaktion569. Darüber hinaus wurden und werden bestehende Assets des Gesamtunternehmens in Form von Herstellungs- und Logistikabteilung sowie in den Kontakten zu Buchverlagen etc. genutzt. Sie seien ein Kernelement der Wachstumsstrategie. So formuliert der von Beginn an verantwortliche Manager Dirk Rumberg: "Das, was wir bei uns im Haus bereits hatten, war für uns sicher ein komparativer Vorteil."570
566
Quelle: Verzeichnisse der lieferbaren Produkte. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 9f. 568 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6f. 569 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6. 570 Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6. 567
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Im unten weiter dargestellten Gesamtzusammenhang wird deutlich, dass auch und gerade die interne und externe Integrationsfähigkeit der handelnden Personen im Bereich "Neue Produkte" erfolgsentscheidend beim Aufbau dieses Geschäftsfeldes waren. Bestehende Assets in Form von Rechten und die Fähigkeiten der SZRedakteure nutzen auch die mittlerweile 35 in der SZ-Edition erschienenen Bücher571. Zusammenfassend lässt sich ein erfolgreicher ressourcenbasierter Aufbau neuer Geschäftsfelder konstatieren. Die inneren Zusammenhänge entsprechen anscheinend der im Bezugsrahmen dargestellten Ressourcenbasis sowie den dargestellten Modelle von Fey und Verona, die in der fallübergreifenden Betrachtung noch tiefer zu überprüfen sind. Nach der Krise des Süddeutschen Verlages und insbesondere der SZ kann durchaus eine langfristige Innovationsorientierung als grundlegende Rahmenbedingung konstatiert werden. Diese spiegelt sich zwar nicht direkt in einem formulierten Mission-Statement oder der kommunizierten Strategie wieder, kann aber z.B. den oben zitierten Äußerungen der Geschäftsführung entnommen werden. Ein strukturierter Innovationsprozess wurde allerdings nicht etabliert. Dieser ist vielmehr bei der SZ bislang wenig formalisiert. Nahezu alle Produkte sind mittels Improvisation und Experimentieren entstanden und nicht aus Marktanalysen abgeleitet und mittels differenzierter Projektplanung implementiert worden572. "Wir haben bei praktisch allen Produkten etwas entwickelt, was uns selber gut gefallen hat. Dinge, die wir selbst haben wollten. Von denen haben wir gedacht, wenn sie uns gefallen, dann werden sie auch anderen gefallen."573
Eine mögliche Erklärung für diese geringe Formalisierung, scheint die Art des Kerngeschäftes zu sein. Durch den journalistischen Auftrag, der seit jeher (kommerziellen) Verlagsinteressen eher widerstrebt, werden Wandelbarrieren von den kaufmännischen Bereichen möglicherweise antizipiert. Es ist ggf. einfa-
571 572 573
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 9. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 17. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 17.
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cher, Unterstützung für konkrete Projekte zu erhalten, als einen abstrakten, kommerziell ausgerichteten Innovationsprozess zu implementieren. Nach Analyse der Fallstudiendaten sollen im Hinblick auf die übergeordneten Fragestellungen (vgl. Abb. 4-12) nun die Leitfragen der einzelnen Kernhandlungsfelder die Analyse führen: Zur "Ausgestaltung der Optionen" (Kernhandlungsfeld 1) bedarf es eines Auslösers. Im Falle der SZ lag der Anstoß für die Aktivitäten in einem Vortrag über die Aktivitäten der italienischen Zeitung "Repubblica", die der damalige Leiter der Unternehmenskommunikation Dirk Rumberg mit anhörte. Die Idee der Übertragung dieser Idee auf die SZ wurde an einen der zwei Geschäftsführer herangetragen, der Rumberg mit der Weiterverfolgung des Vorhabens beauftragte574. Der Prozess zur Identifikation von Produktideen ist bei der SZ wenig formalisiert575: Zum einen sind die verschiedenen Produktmanager für die verschiedenen Mediengattungen und somit auch für die Ideengenerierung verantwortlich. Unterstützt werden sie vom Gesamtleiter des Bereiches "Neue Produkte", der Ideen auch in Gesprächen mit unternehmensexternen Branchenkennern entwickelt. Die Redaktion ist in den Ideengenerierungsprozess meist umfassend einbezogen und viele Produktideen entstammen informellen Gesprächen mit Redakteuren. Einzige formale Institution ist eine regelmäßige "Leitungsrunde" innerhalb des Bereiches "Neue Produkte", wo ebenfalls Ideen diskutiert werden – meist aber mehr im Sinne der Filterfunktion (vgl. Kernhandlungsfeld 4) als im Sinne einer Kreativrunde. Die Ideen, die von Lesern oder potenziellen Lieferanten an den Bereich herangetragen werden, sind bislang nie direkt verwendbar gewesen. Lediglich als Anstoß für eigene Produktideen hätten in Ausnahmefällen solche externen Anregungen gedient. Analog zur strategischen Suchfeldanalyse wird der Suchraum auch bei der SZ durch ein Suchprofil eingeengt. Dieses Suchprofil ist zwar nicht kodifiziert, aber aufgrund der bisherigen Aktivitäten allen Beteiligten präsent: 574 575
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 5. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12f .
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Ein Produkt der SZ müsse sehr nahe an den Kernkompetenzen und Markenattributen sein576. Die Nutzung der Auswahlkompetenz (zumeist) der Redaktion, eine durchgehend hohe Qualität ("Qualität, Qualität, Qualität!"577) und ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis578 sind die strategischen Leitlinien. Weiterhin sollte die Zusammensetzung bei Reihenprodukten stets einer Mischung aus bekannten, erfolgreichen Einzeltiteln und Geheimtipps entsprechen579. Die Entwicklung von Ideen erfolgt weitestgehend emergent und nicht in strukturierter Form ("skill mapping" o.ä.). Einzelne Aussagen legen jedoch nahe, dass die unterschiedlichen (journalistischen) Kompetenzfelder systematisch daraufhin überprüft werden, ob sich Anknüpfungspunkte für neue Produkte ergeben. Hier wird vor allem die informelle Kenntnis darüber genutzt, welcher Redakteur welche Fähigkeiten im Sinne eines journalistischen Schwerpunktes hat. Diese werden dann oftmals für ein neues Projekt zu aktivieren versucht. Eine umfassende Marktforschung möglicher Produktoptionen wird zumeist nicht vorgenommen580. Die grundsätzlichen Erfolgsfaktoren für neue Produkte von Cooper581 werden teilweise auch von der SZ als wichtig angesehen: Die notwendige Einzigartigkeit bzw. Überlegenheit des Produktes bekommt hier aber eine neue Konnotation. Die Selektion der Einzelbestandteile ist einzigartig und erleichtert dem Konsumenten so die Auswahl bzw. den Zugang. Weiterhin sind die Markierung mit der renommierten Marke SZ und eine besondere Produktausgestaltung einzigartig. Die überwiegende Mehrzahl der Produktbestandteile (also z.B. einzelne Buchtitel, Filme, Lieder oder auch Weine) sind aber auch separat zu beziehen582. Weiterhin zeigen die Erfahrungen der SZ, dass die Passgenauigkeit zur Marke sowie die Qualität der Produktausgestaltung entscheidend für den Erfolg der 576
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12. Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 578 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 8f. 579 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12. 580 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 13. 581 Vgl. Kapitel 4.2.2.1, S. 109ff. 582 Interessant ist der Vergleich der Absatzzahlen. Am Beispiel dreier Bücher ("Der große Gatsby", "Der Name der Rose", "Der Untergeher") zeigt sich, dass im Jahr 2004 bei diesen Werken im Durchschnitt 97% der Verkäufe des Titels auf die SZ Bibliothek entfallen. Quelle: media control/GfK zitiert nach Kongressvortrag Herr Rumberg, eigene Berechnung. 577
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neuen Produkte sind583. In weniger erfolgreichen Fällen neuer Produkte scheint die anvisierte Auflage vor allem deswegen zu hoch gewesen zu sein, weil der Markenkern nicht exakt mit dem neuen Produkt getroffen wurde und der Bedarf überschätzt wurde. Aber auch sehr operative Fragen wie die Anzahl der Bände in einer Reihe, der Preisabstand zwischen Einzelverkauf und Gesamtreihe oder eine Anzeigengestaltung, in der der Kunde über den Inhalt der Reihe informiert wird, können über den Produkterfolg entscheiden. In Bezug auf das strategische Timing ist gegen die oben dargestellte These zu formulieren, dass die SZ sehr erfolgreiche Buchprojekte umgesetzt hat, wobei der Buchmarkt kein Wachstumsmarkt ist, sondern in seinem Lebenszyklus sehr fortgeschritten ist. Die Umsätze des Buchhandels stagnierten in den letzten Jahren überwiegend und lagen um 9,1 Mrd. Euro584. Die Aktivitäten des direkten Wettbewerbs werden sehr genau verfolgt, denn sie blockieren die jeweiligen Marktnischen für eigene Aktivitäten und führen zu unerwünschten Preisentwicklungen auf der Einkaufsseite der Inhalte bzw. Lizenzen für diese585. Eine Kopie der Aktivitäten von Wettbewerbern sei schon für den zweiten Akteur im Markt nur dann möglich, wenn die Diversifikation perfekt auf die Marke und die Kernkompetenzen zugeschnitten sei und in der Ausführung fehlerlos erfolge. Die hohe Wertschöpfungstiefe der Zeitung in den neuen Geschäftsfeldern ergibt sich bei der SZ aus den existierenden Fähigkeiten und der Maßgabe, möglichst nicht in Kernbereichen auf Dritte angewiesen zu sein586. Weiterhin führt die primäre Zielsetzung, zusätzliche Umsätze zu erzielen, zur Bereitschaft, umfassendere Risiken einzugehen und sehr unternehmerisch zu agieren. Beigetragen hat auch die Komplexität der Produkte, die die SZ bisher verfolgt hat. Ein Partnermodell sei z.B. schlichtweg unmöglich, wenn eine Vielzahl von Inhalteanbietern in einer Edition vereint werden sollen. Die Festlegung auf einen Partner schränke die Auswahlmöglichkeit der Redaktion ein und so würde die 583
Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Herr Rumberg. Quelle: Börsenverein des Dt. Buchhandels zitiert nach Werben&Verkaufen Nr. 41/2007, S. 78. 585 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 13. 586 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 13. 584
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zentrale Fähigkeit ("Selektion") nicht umfassend genutzt werden können. Wenn sich jedoch Projekte mit Partnern anbieten, würden diese durchaus in Erwägung gezogen. Grundsätzliche Restriktionen hinsichtlich einer Vorfinanzierung neuer Produkte existieren aufgrund der unternehmerischen Ambitionen, die mit den Diversifikationsaktivitäten verknüpft sind, nicht. Vielmehr wird fallweise über Chancen und Risiken entschieden587. Im Kernhandlungsfeld 2, der "Markenstrategie", wird die enorme Bedeutung deutlich, die die bisherige Marke als Ressource für die Diversifikationsaktivitäten hat. Aus Sicht der Verantwortlichen wären die neuen Produkte ohne die Nutzung der Marke "SZ" nicht möglich gewesen588. Die Markenarchitektur folgt bei der SZ am ehesten einer Dachmarkenstrategie, wobei die SZ als Kern steht. Bei jeder neuen Aktivität ist zur gegenseitigen Übertragung der Markenattribute ("Spillover-Effekt") diese Kernmarke sehr präsent und wird wie bei der "SZ Bibliothek", der "SZ Cinemathek" oder "SZ Vinothek" ergänzt589. Sämtliche neuen "verlagsnahen Produkte" werden unter der "SZ Mediathek" zusammengefasst, was erste Tendenzen in Richtung Familienmarkenarchitektur erkennen lässt. Sogar innerhalb der "SZ Vinothek" ist die Marke "SZ" durch einen entsprechenden Aufkleber auf der Flasche präsent. Durch die derzeitige Dachmarkenstrategie ist eine effiziente Vermarktung möglich, die Emanzipationsmöglichkeit der neuen Marken jedoch praktisch begrenzt, wenn der Begriff "Zeitung" als Markenbestandteil auch der neuen Produkte geführt wird. Das Risiko negativer Ausstrahlungseffekt wird entsprechend hoch eingeschätzt. Somit wird auch bei der SZ als Nebenbedingung formuliert, dass jedes neue Produkt der Süddeutschen Zeitung auf die Marke "einzahlen müsse"590. Das Management betont, dass man die Marke und ihr Qualitätsversprechen umfangreich nutze, indem man die redaktionellen Fähigkeiten fast immer einbeziehe. Man beute die Marke jedoch niemals aus. 587
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 15. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 15f. 589 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 15. 590 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 7. 588
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Die Kernattribute der Marke fasst der Verantwortliche bei der SZ wie folgt als Produktversprechen zusammen: "Wenn 'Süddeutsche Zeitung' auf einem Produkt steht, dann weiß der Käufer, dass er keine Zeit verschwendet und sich nicht blamiert. Außerdem ist er sich eines guten Preis-/Leistungsverhältnisses sicher."591
Die Qualität der Redaktion sei der Kern der Marke, alles andere bewege sich darum herum592. So sei z.B. die "Fähigkeit zu überraschen" ein besonderes Markenattribut der SZ. Auch die Tonalität, in der kommuniziert wird, also der Schreibstil, sei ein Alleinstellungsmerkmal. Die SZ sieht sich als eine der ganz wenigen Medienmarken in Deutschland, die ein derart hochqualitatives Produktversprechen machen könne593. Auf dieser Basis werden auch die Ergebnisse von Aaker/Keller in diesem Kontext gestützt594: Die SZ ist eine Marke mit hoher Qualitätsattribution und all diejenigen Produkte waren erfolgreich, die einen wahrnehmbaren (komplementären) "Fit" zwischen Ausgangsmarke und Neuprodukt herstellen konnten. In weniger erfolgreichen Projekten erschien das neue Produkt aus Sicht der Kunden möglicherweise etwas "beliebig"595. Bei der erfolgreichen Vinothek könnte darüber hinaus die Kompetenztransferwahrnehmung gewirkt haben, da es sich bei "Wein" um ein Vertrauensprodukt handelt, bei dem die Selektionsfähigkeit stärker als Kompetenz wahrgenommen wird als z.B. bei Popmusik. Die Notwendigkeit, das Produktprogramm der SZ in sich konsistent zu halten, kann weiterhin als möglicher Erfolgsfaktor bestätigt werden. Dass die SZ gerade im Hinblick auf ihre Wachstumsstrategie – also in diesem Kontext "Brand-Extension" – einer sehr anerkannten Strategie folgt, zeigt sich an verschiedenen Fachauszeichnungen596: So war die SZ im Jahr 2005 die einzige Medienmarke, die im GfK-Ranking "best brands" als eine der wachstumsstärksten Produktmarken geführt wurde. Beim Marken-Award 2006 wurde
591
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 16. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6f . 593 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 16. 594 Vgl. Kapitel 4.2.2.1. 595 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 16. 596 Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 592
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die SZ als bisher einzige Medienmarke für "die beste Markendehnung" ausgezeichnet597. Diese Markendehnung hat aber auch Grenzen und die "SZ Vinothek" als erste "verlagsferne" Diversifikation liegt am deutlichsten innerhalb dieses Grenzbereiches. Auch die verantwortlichen Manager sehen hier ein Risiko für die Überdehnung der Marke durch einen möglichen Vertrauensverlust. Dies sei "[…] im Gegensatz zu allen anderen Dingen, die wir als Lizenzprodukte gemacht haben und fremd eingekauft haben, etwas, bei dem wir selbst nicht die Auswahlkompetenz haben, die immer noch Kern des Erfolges ist."598
Diese hat man aber mit einem externen Experten eingekauft599. Die Grenze der Markendehnung wird auch durch Vorwürfe deutlich, die der SZ von anderen Publikationen gemacht werden. So wurde vor der "Tchiboisierung" der SZ gewarnt600 und auch die selbst auf diesem Gebiet tätige ZEIT erhob deutliche Vorwürfe gegen die SZ601. Der nächste Analyseschritt konzentriert sich auf die "Organisation der Innovation und Entwicklung" (Kernhandlungsfeld 3): Am Anfang der Wachstumsaktivitäten stand bei der SZ eine Projektorganisation. Der erste Versuch scheiterte jedoch, da es dem in Italien bei der "Repubblica" erfolgreichen Berater, der auch für das Vorhaben bei der SZ beauftragt wurde, misslang, das Geschäft aufzubauen. Dieser Berater verfügte im deutschen Markt kaum über Kontakte, um Lizenzen für Inhalte zu beziehen602. Hier lag gemäß dem Modell von Verona ein Mangel an externer Integrationsfähigkeit vor. Die Situation zeigt sehr deutlich die Bedeutung dieser Fähigkeitsdimension auf. Im nächsten Schritt wurde der Initiator des Vorhabens und bisherige Leiter der Unternehmenskommunikation beauftragt, das Projekt nicht nur wie bisher formal zu leiten, sondern auch die Umsetzung voranzutreiben. Dirk Rumberg, der heute Leiter der Einheit "Neue Produkte" ist, hat einen geisteswissenschaftli597
Quelle: Pressemitteilung der Mediengruppe Süddeutscher Verlag, 14.03.2006. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 8. Quelle: Strategieworkshop, 7.12.2006. 600 Vgl. Schütte (2006). 601 Vgl. Finis (2006). 602 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 5. 598 599
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chen und sehr umfassenden Buchverlagshintergrund, da er Assistent des Verlegers Wolf Jobst Siedler und anschließend Cheflektor im Siedler Verlag war603. Von diesem Hintergrund ist das Portfolio der "Neuen Produkte" augenscheinlich deutlich geprägt. Die enge Verbindung, die Dirk Rumberg zu allen Bereichen des Hauses und insbesondere zur Geschäftsführung hat, rührt daher, dass er in der früheren Position als Leiter der Unternehmenskommunikation umfassende Kontakte zu allen Bereichen des Hauses aufbauen konnte. Mit Rumberg als Projektleiter begann das Projekt mit einem kleinen Team in einer "chaotischen Start-up Situation"604. Alle Teammitglieder konnten Ressourcen nur neben ihren Regelaufgaben zumeist in der Unternehmenskommunikation zur Verfügung stellen. Das Team bestand weiterhin aus einem bereits im Hause tätigen Berater, der die Marketing- und Vertriebsaufgaben betreute und später für eine längere Zeit die Leitungsfunktion mit Dirk Rumberg teilte. Weiterhin wurden für die Gestaltungsaufgaben zeitweise Kollegen aus der Herstellungsabteilung der Buchverlage (Unternehmensteil SVHFI) hinzugezogen und Kollegen in der Anzeigenabteilung für Vertriebsaufgaben eingesetzt. Für den Aufbau eines Direktmarketings wurde ein externer Berater beauftragt. Weiterhin hatte man die Möglichkeit, für die Logistik auf die bestehenden Abteilungen innerhalb des Verlages zurückzugreifen (Unternehmensteil WMI). Das Team war laut den damaligen Akteuren "durch den Bedarf an Fähigkeiten"605 heraus funktionsübergreifend zusammengesetzt. Bedeutsam bei der SZ war auch die direkte Unterstützung des Topmanagements. So hat einer der Geschäftsführer von Anfang an im Sinne eines "Projektsponsors" gewirkt und für entsprechende Ressourcenausstattung und Befugnisse gesorgt606. Aber auch die Chefredaktion hat die Aktivitäten von Beginn an unterstützt. Die heutige Organisationsstruktur spiegelt die oben bereits geschilderte Fokussierung auf die Erzielung von Umsatzerlösen wider: Der Bereich wird als Profit-Center geführt und ist insofern geplanten Umsatz- und Erlöszielen ver603
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 4. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 5f. 605 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg. 606 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12. 604
200
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pflichtet607. In der Einheit "Neue Produkte" werden heute ca. 20 Mitarbeiter beschäftigt, die die Funktionen Projektmitarbeiter für neue Projekte, Produktmanagement, Betreuung des Direktvertriebes sowie des Handelsvertriebes und Controlling auf sich vereinen608. Weiterhin wurde ein eigenes Grafikbüro aufgebaut. Die Ergänzung des Bereiches um eine kaufmännische Leiterin, die an den Bereichsleiter "Neue Produkte" berichtet, erfolgte erst im Mai 2007609 und belegt die voranschreitende Professionalisierung des Bereiches. Die Bedeutung, die einer solchen "kaufmännischen Schlüsselfigur" bei dem Aufbau neuer Geschäftsfelder zukommt, wurde obenstehend auch in der Literatur formuliert610. Zu sämtlichen unterstützenden Bereichen innerhalb des Unternehmens existieren formale oder informelle Schnittstellen. Die Verantwortung für die neuen Aktivitäten der SZ liegt operativ bei der Leitung der Einheit "Neue Produkte". Allerdings hat sich die Geschäftsführung (und teilweise auch die Verlagsleitung) sehr umfassend involviert, ist über die Aktivitäten stets umfassend informiert und trifft bei größeren Aktivitäten noch immer die letztendliche Entscheidung611. Sie übt damit im Sinne der Literatur eine "subtile Kontrolle" aus. Der operativen Leitung werden gemäß der Forderung aus der Forschung zur Entwicklung neuer Produkte klare Zielvorgaben in Form von Umsatz- und Ertragszielen gesetzt612. Die enge zumeist konfliktfreie Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Verlag in diesen Projekten ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren des neuen Geschäftsfeldes613. Die Zusammenarbeit mit der Redaktion erfolgt nach Bedarf und informell. Es existieren definierte Ansprechpartner in der Redaktion für die verschiedenen Themen, aber regelmäßige Zusammenkünfte sind nicht installiert worden614. Dass es anfänglich nicht zu Konflikten kam, sei durch die oft unterschiedliche Interessenlage alles andere als selbstverständlich gewesen, betont der 607
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12f. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 11. 609 Quelle: Pressemitteilung der Mediengruppe Süddeutscher Verlag, 27.4.2007. 610 Vgl. S. 123ff. 611 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 22. 612 Quelle: Strategieworkshop, 7.12.2006. 613 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 7. 614 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S.19. 608
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Leiter des Bereichs. Aber insbesondere die Chefredaktion unterstützt die neuen Produkte von Beginn an. Neben der Lobbyarbeit, die der neu entstandene Bereich in allen Unternehmensteilen durchgeführt hat, ist ein Vetorecht für beide Seiten der wirksamste Mechanismus einer konfliktarmen Zusammenarbeit. So habe bislang jede Seite stets die ihr eigenen kaufmännischen bzw. journalistischen Fähigkeiten für die neuen Produkte genutzt. Wenn aber ein Produkt von einer der beiden Seiten für problematisch befunden werde, lasse man die Idee auch heute noch fallen. Die einzige Ausnahme bildet die verlagsferne Diversifikation "SZ Vinothek". Hier existierte bei der Einführung keine redaktionelle Kompetenz. Eine redaktionelle Begleitung oder gar eine Ankündigung auf der "Seite 1" der Zeitung (die prinzipiell anzeigenfrei ist) kam somit nach umfassenden Abwägungen nicht in Frage. Vielmehr wird dieses Produkt ausschließlich von der Verlagsseite betreut und nur in Anzeigen und "Beilagen des Verlages" beworben. Die derzeitige organisatorische Nähe der neuen, für alle (relationalen) Wachstumsfelder verantwortlichen Einheit zum Altgeschäft wurde von den Verantwortlichen bewusst gewählt615, weil der Vorteil der direkten Anbindung an Redaktion und andere unterstützende Abteilungen sehr geschätzt wird. Zwar standen etablierte administrative Prozesse des Konzerns dem Bedürfnis nach Geschwindigkeit beim Aufbau der neuen Geschäftsfelder gelegentlich entgegen616. Um dennoch die unternehmerischen Herausforderungen zu bewältigen, wurden gerade zu Beginn der neuen Aktivitäten nicht alle Konzernvorgaben eingehalten. Die entstehenden Konflikte machten meist eine Entscheidung der Geschäftsführung notwendig. Auch die SZ stand zu Beginn des Aufbaus neuer Geschäftsfelder vor typischen Wandelbarrieren und eine Mentalität im Sinne eines "Das haben wir schon immer so gemacht, und das machen wir auch weiter so." bzw. gegenüber den neuen Ideen im Sinne eines "Das haben schon viele versucht, und die sind jetzt alle nicht mehr da." waren durchaus existent. Dass diese Wandelbarrieren durch615 616
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 20. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 18.
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brochen werden konnten, obwohl auf dem deutschen Markt noch kein positives Referenzbeispiel existierte, hat aus Sicht der Akteure mehrere Gründe617: Zum einen hatte die tiefe Krise bestehende Handlungskonzepte umfassend in Frage gestellt618. Die Saturiertheit früherer Jahre war in diesem Moment nicht mehr gegeben und konnte Beharrungskräfte kaum rechtfertigen. Weiterhin half die frühzeitige und umfassende Unterstützung durch die Geschäftsführung, Blockaden im Ansatz zu verhindern. Im weiteren Verlauf führten der Erfolg der Produkte und die umfassende Anerkennung, die die SZ und ihre Mitarbeiter in der Branchenöffentlichkeit erfuhren, dazu, die Wandelbarrieren weiter abzubauen. Doch je weiter sich die Produkte vom Verlagsgeschäft entfernen (z.B. bei der "SZ Vinothek"), desto geringer ist auch heute die allgemeine Bereitschaft, solche Aktivitäten zu unterstützen. Die Verteilung der Verantwortung für den Start eines neuen Produktes wurde obenstehend bereits dargestellt. Vor diesem Zeitpunkt existiert aber auch bei der SZ ein Filterprozess der erarbeiteten Optionen (Kernhandlungsfeld 4). Die erste Selektionsinstanz ist eine regelmäßige "Leitungsrunde" innerhalb des Bereiches "Neue Produkte", in der Ideen diskutiert werden619. Diese werden hier bewertet und die Weiterverfolgung ggf. beschlossen. Ein Scoringmodell wird allerdings nicht verwendet. Nicht weiterverfolgte Ideen werden ebenfalls erfasst und die Gründe dokumentiert, die dazu führen, dass die Idee verworfen wird. Der nächste Schritt besteht darin, dass der Leiter des Bereiches "Neue Produkte" bzw. bei kleineren Projekten die Produktmanager Gespräche mit der Chefredaktion oder der Ressortleitung des Feuilletons führen620. Insgesamt werden mehr als die Hälfte aller Ideen verworfen. Das oberste Kriterium bei der Filterung ist, dass der Markenkern nicht gefährdet werden darf. Die Redaktion hat, wie beschrieben, ein grundsätzliches Vetorecht621.
617
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 17. Dies entspricht sehr deutlich den oben dargestellten Voraussetzungen zum Wandel nach Greiner und Lewin. 619 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 12, 20. 620 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 22. 621 Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 618
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Letzte Entscheidungsinstanz ist wie beschrieben die Geschäftsführung, die insbesondere bei größeren Projekten über die Durchführung entscheidet622. Die Attraktivität der anvisierten Märkte bildet bei den meisten der bislang erschienen Produkten der SZ kein Filterkriterium. Anders als theoretisch erwartet wurde, hat die SZ erfolgreich in Märkte (z.B. den Buchmarkt) diversifiziert, die von ihrer Wettbewerbssituation her wenig attraktiv erscheinen (s.o.). Als Informationsgrundlage für die Entscheidung für neue Produkte wird neben physischen Entwürfen der geplanten Produkte vor allem die BusinessPlanung genutzt623. Allerdings wird der Größe "erwartete Absatzzahl" hohe Planungsunsicherheit zugemessen. Somit sei die Planung zwar notwendig – allerdings von eng begrenzter Prognosequalität und ersetze daher in keiner Form die intuitive Abwägung ("Bauchgefühl"). Die Business-Planung konzentriert sich weiterhin vor allem auf die eindeutig und einfach zurechenbaren Erträge und Kosten. Sämtliche Personalkosten aus anderen Abteilungen sowie der beteiligten Manager werden aus Gründen der Praktikabilität nicht erfasst. Ebensowenig erfolgt eine vollständige Abbildung der Opportunitätskosten für Media-Leistung. Diese wird mit den Herstellungskosten bewertet. Das Vorgehen auf der Kostenseite geht mit einer analogen Verfahrensseite auf der Umsatzseite einher. Hier werden aus Vereinfachungsgründen die positiven Effekte (Ausstrahleffekte, Wert der generierten Kontakte etc.) auf die Umsatzschätzung reduziert. Aufgrund dieser Tatsache existieren keine festgeschriebenen Schwellenwerte innerhalb der Business-Planung, die den Entscheidungsprozess formalisieren. Vielmehr wird bei der SZ in jedem Einzelfall abgewogen, ob die Umsatz-, Ergebnis- und sonstigen Effekte den (Kosten-)Aufwand für eine Produktidee rechtfertigen. Dennoch hat sich die Business-Planung im Zeitverlauf insbesondere durch die Einsetzung einer kaufmännischen Leiterin deutlich weiterentwickelt und ermöglicht es heute den Verantwortlichen, auf einfache Art und Weise eine umfassende Umsatz- und Ertragsprognose zu erstellen und die Sensitivitäten der 622 623
Quelle: Strategieworkshop, 7.12.2006. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 17, 21.
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einzelnen Parameter zu ermitteln. In diesem mittlerweile weitgehend formalisierten Planungsschritt werden auch die Erfahrungswerte bisheriger Produkte einbezogen und das bestehende Wissen somit genutzt. Die Vermarktung beim Start eines Produktes (Kernhandlungsfeld 5 – "Launchvermarktung und Distribution") wird bei der SZ als besonders bedeutsam für den Produkterfolg erachtet624. Die hohe Media-Leistung, die die SZ in die Bewerbung ihrer Produkte investiert, lässt sich daran ablesen, dass die Zeitung mit 6,6 Mio. Euro Brutto-Werbeleistung zwischen Januar und Ende September 2007 der zweitgrößte Buchwerber in Deutschland war625. Diese Möglichkeit der Ressourcennutzung eigener Vermarktungsfähigkeit stellt einen der zentralen Erfolgsfaktoren der neuen Produkte auch aus Sicht der Akteure dar626. Zwar seien die meisten der neuen Produkte auch rentabel, wenn die MediaLeistung mit Marktpreisen bewertet werde, durch die bestehende Vermarktungsfähigkeit und die niedrigen Verrechnungspreise werde die Profitabilität allerdings umfangreich gesteigert627. Eine weitere Säule in der Vermarktung neben der klassischen MediaLeistung in der eigenen Zeitung oder in Fremdmedien stellt die redaktionelle Leistung dar: So wird z.B. im SZ-Feuilleton wöchentlich ein Buch der "SZ Bibliothek" von Redakteuren oder prominenten Gastautoren besprochen628. Favorisiert wird die Mediastrategie mit konzentriertem Ressourceneinsatz (bei der SZ als "Bombenabwurfstrategie" bezeichnet629). Allerdings müsse man bei langen Reihen auch später noch Media-Leistung verfügbar haben, um ggf. nachsteuern zu können. Diese Strategie wird jedoch nicht für alle Produkte als sinnvoll angesehen. Bei kleineren Projekten und insbesondere, wenn es sich um langsam aufbauende und backlistfähige630 Produkte handelt (z.B. die SZ624
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 23. Quelle: Thomson Media Control zitiert nach Werben&Verkaufen Nr. 41/2007, S. 78. 626 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 16. 627 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg (Nachtrag). 628 Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 629 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 23. 630 Backlistfähigkeit bedeutet, dass Bücher langfristig verkäuflich sind, da sie auf unbestimmte Zeit in die Großhandelskataloge aufgenommen worden sind. 625
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Reiseführer "Ein perfektes Wochenende in …") wird eher eine kontinuierliche Verteilung der Vermarktungsressourcen gewählt631. Durch die zunehmenden Aktivitäten bieten sich für die Vermarktung auch Synergiepotenziale. So werden Produkte zunehmend bei Produktlieferungen im Direktvertrieb quer beworben. Von größeren Herausforderungen ist die Distribution geprägt. Wie erwartet, wird die Ressource bestehender Vertriebskanäle genutzt. Aber anders als beim Marktvorbild Italien, wo hauptsächlich über die Kioske vertrieben wird632, ist bei der SZ der Vertrieb über Zeitungseinzelhändler durch die in Deutschland üblichen Margen von mind. 50 Prozent (im Vergleich zu 28 Prozent in Italien) weniger attraktiv633. Das verändert auch das Geschäftsmodell gegenüber anderen europäischen Ländern und macht kleinauflagigere Produkte wenig rentabel. Der Anteil des Kioskvertriebes an der abgesetzten Menge beträgt bei der SZ im Durchschnitt unter 10 Prozent und hat vor allen Dingen Imagegründe634. Da hier das Kernprodukt "Zeitung" angeboten wird, ist für die Sichtbarkeit der neuen Produkte eine gewisse Präsenz hier erforderlich. Neben der geringen Rentabilität des Kioskvertriebes ist auch die Remissionsabwicklung oft mit Ärgernissen verbunden, da die Einzelhändler selten vorsichtig mit der Ware umgehen. Der direkt über die SZ-Logistik abgewickelte Direktvertrieb (Online, Post, Fax, Telefonbesteller) beläuft sich auf 20-40 Prozent. Die Rentabilität dieses Absatzkanals ist im Vergleich zu allen anderen Kanälen am höchsten, weil sämtliche Handelsspannen eliminiert sind. Dies gilt allerdings nur, nachdem hohe Anfangsinvestitionen getätigt worden sind, die sich erst dann über ein umfangreiches Geschäft mit neuen Produkten amortisieren, wenn sämtliche Prozesse mit Logistikdienstleistern etc. eingeschwungen sind und die Aussendungen einen gewissen Einzelpreis überschreiten. Den restlichen und größten Anteil des Absatzes macht bei der SZ der Buchbzw. Tonträgerhandel aus. Aufgrund der üblichen Einzelhandelsmargen von 3550 Prozent des Nettoladenpreises ist die Rentabilität dieses Kanals deutlich nied-
631
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 14, 24. Quelle: Kongressvortrag Herr Rumberg. 633 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6. 634 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 6, 24. 632
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riger als im Direktgeschäft und gibt einen Einblick in die gegenüber dem klassischen Verlagsgeschäft geringere Profitabilität der neuen Geschäftsfelder. Aufgrund der normalen Absatzunsicherheit bei oftmals kurzen Lizenzlaufzeiten wird aber auch alternativen Verwertungskanälen z.B. in Form von Absatzkooperationen eine hohe Bedeutung gerade zum Ende von Lizenzlaufzeiten zugemessen635. Auf dem Weg zum neuen Produkt müssen im nächsten Schritt alle Bereiche identifiziert werden, die zur Wertschöpfung notwendig sind. Wie geschildert, wird es bei der SZ als Vorteil angesehen, bestimmte Fähigkeiten (Marktkenntnis, Produktkenntnis, Herstellung, Grafik) bereits im Unternehmen vorzufinden636. So können Aktivitäten sehr kurzfristig, schnell und vertraulich durchgeführt werden. Hierbei sei das persönliche Netzwerk der Akteure innerhalb des Unternehmens besonders relevant. Neben dieser "internen Integrationsfähigkeit", ist aber auch die externe Integrationsfähigkeit von hoher Bedeutung. Die SZ konnte nicht nur auf eine Vielzahl von Fähigkeiten im Unternehmensverbund zugreifen, sondern auch auf bestehende Kontakte zu externen Lieferanten. Andere Lieferantenbeziehungen entstanden nach entsprechenden Ausschreibungen (zumeist als "single sourcing") neu und werden mittlerweile oft als Anschlussaufträge weitergeführt637. Bereiche des Direktmarketings, die Logistik und die eigentliche Herstellung der Produkte können aus Sicht der SZ generell auch extern zugekauft werden, wenn diese nicht bereits zur Verfügung stehen638. Die Kundenansprache müsse aber stets durch interne Verantwortliche gesteuert werden. Andere Fähigkeiten, die zu Beginn extern eingekauft worden sind, versucht man zunehmend zu internalisieren. Das Entscheidungskriterium inwieweit es sich lohnt, die benötigten Fähigkeiten intern aufzubauen, sei die Größe des neuen Geschäftsfeldes.
635
Quelle: Strategieworkshop, 6.12.2006. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 11. 637 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 23. 638 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 23f. 636
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Das Zentrum der Einkaufsaktivitäten ("Sourcing") als Regelaufgabe des Steuerungsprozesses (Kernhandlungsfeld 6) im und nach dem Aufbau der neuen Geschäftsfelder stellt aufgrund der Art der neuen Produkte bei der SZ oft der Erwerb von Lizenzen dar639. Somit ergibt sich gelegentlich ein Konflikt zwischen der Selektion der Redaktion und den hieraus entstehenden Wünschen der grundsätzlichen bzw. preislich akzeptablen Beschaffung von Lizenzen. Aufgrund der Tatsache, dass diese Art der Vermarktung für viele Lizenzinhaber insbesondere im Buchbereich eine der wenige Möglichkeiten überhaupt geblieben ist, überhaupt noch Erlöse zu erzielen, kann dieser Konflikt aber oft zugunsten der gewünschten Produktbestandteile gelöst werden. Auf der anderen Seite existiert durch den zunehmenden Wettbewerb im Markt der Printmedien um Lizenzen für derartige neue Produkte aber auch eine Steigerung der Preise. Bei anderen Produkten liegt die Herausforderung in der notwendigen einzukaufenden Menge640. Durch die dargestellte Kernkompetenz "Vermarktung" kommt es schnell zu Größenordnungen, deren Einkauf nicht immer einfach ist. Dieses konnte die SZ z.B. beim Einkauf der Weine für die "SZ Vinothek" feststellen. Mit dem Aufbau eines formalen Organisationsbereiches "Neue Produkte" ging bei der SZ auch die prozessuale Professionalisierung und Integration in standardisierte Unternehmensprozesse- und Systeme einher ("systemische und prozessuale Integration")641. Im Hinblick auf die Integration ist insbesondere das Wissen über alle Aktivitäten des Kunden mit allen Bereichen der Zeitung die größte Herausforderung642. Aufgrund der Komplexität der Systeme und entsprechender potenzieller Integrationskosten ist die SZ hier noch deutlich hinter den Möglichkeiten eines modernen Kundenbeziehungsmanagements zurück. Die Kenntnis über die Kundenaktivitäten beschränkt sich bislang zumeist auf die Geschäftsfälle, die der Kunde im jeweiligen Bereich getätigt hat. Der Bereich "Neue Produkte" hat keinen umfassenden Zugriff auf die Daten der Vertriebssysteme. Auch in die andere Richtung kann der Bereich der Vertriebsabteilung meist nur Adressdaten und keine Daten über Geschäftsvorfälle übermitteln. Der 639
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg. Quelle: Strategieworkshop, 6.12.2006. 641 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 18. 642 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 26. 640
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Grund dieser begrenzten Integration wird vor allem in der Unternehmensgröße gesehen, die eine entsprechende Komplexität (u.a. der Systeme) mit sich bringt. Eine Verbesserung der Situation ist allerdings bereits in Arbeit. Das Portfolio der neuen Produkte wird im Sinne eines Portfoliomanagements ("Portfolio- und Risikomanagement") bei der SZ betrachtet643. Hierbei wird berücksichtigt, welche Produkte angeboten werden, wie die Laufzeiten dieser Produkte sind bzw. wie weit sie in ihrem Lebenszyklus (insbesondere bei Reihen) fortgeschritten sind. Weiterhin wird versucht, stets verschiedene Teilzielgruppen gleichmäßig zu bedienen. Hierfür werden sowohl soziodemographische Merkmale (insbesondere Alter) als auch Sinusmilieus herangezogen. Weiterhin wird versucht, das Portfolio ausgewogen in seinem Anspruch zu halten – also sowohl bildungsbürgerliche als auch Unterhaltungsprodukte anzubieten. Die Risiken der neuen Produkte werden entsprechend der handelsrechtlichen Vorschriften quantifiziert. In Hinblick auf eine Effizienzsteigerung liegt diese bei der SZ vor allen darin, dass die anfänglich notwendige externe Beratungsleistung internalisiert wurde644. Darüber hinaus zeigt sich die Effizienzsteigerung gemäß der Erfahrungskurve darin, dass die zeitweise Überlastung der beteiligten Mitarbeiter abgebaut werden konnte, Standardprozesse (insbesondere bei der Business-Planung) etabliert wurden und somit mittlerweile mehr Projekte gleichzeitig bearbeitet werden können und ein höheres Produktentwicklungstempo möglich ist.
643 644
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 25. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 28.
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5.2.2.2 Zeit Verlag Gerd Bucerius/DIE ZEIT In einer zweiten Fallstudie wird die Wochenzeitung DIE ZEIT (im Folgenden ZEIT) präsentiert, die im Zeit Verlag Gerd Bucerius erscheint. Auch die Aktivitäten der ZEIT in Bezug auf die Etablierung neuer Wachstumsfelder werden in der Branche als vorbildlich angesehen, wie in sämtlichen Fallstudiengesprächen festgehalten worden ist645. Seit 1996 gehört der Zeit Verlag Gerd Bucerius zur Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Diese ist ein Familienunternehmen und in mehr als 80 Ländern tätig. Sie publiziert in klassischen und elektronischen Medien, die der Information und Wissensvermittlung, der Bildung und der Unterhaltung dienen646. Vier Unternehmensbereiche bilden die Säulen der Verlagsgruppe: Publikumsverlage, Bildung und Wissenschaft, Zeitungen und Wirtschaftsinformationen sowie elektronische Medien und Services. Die Verlagsgruppe erzielte im Jahr 2006 einen Umsatz von 2.243 Mio. Euro und konnte dabei einen operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ("Operating EBITDA") von 207 Mio. Euro verbuchen. Anders als beim Süddeutschen Verlag nimmt die Geschäftsführung von Holtzbrinck keinen direkten Einfluss auf die operativen Entscheidungen der ZEIT647. Der Geschäftsbereich wird als Finanzbeteiligung geführt, wobei der Finanzholding die Rolle zukommt, die Verleger und Geschäftsführer der Tochterunternehmen selbst zur strategischen und kreativen Entwicklung von Titeln, Serien, Programmbereichen, Dienstleistungen und Internet-Angeboten sowie zur Weiterentwicklung der Unternehmen zu motivieren648. Die Holdinggeschäftsführung stellt hierfür die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung. Aus diesen Gründen wird von nun an ausschließlich der Zeit Verlag selbst betrachtet.
645
Quelle: Fallstudiengespräche mit Herrn Rumberg, Frau Jäkel. Quelle hierzu und zum Folgenden: www.holtzbrinck.de, abgerufen am 11.9.2007. 647 Vgl. hierzu und zum Folgenden o. Verfasser (2007m). 648 Quelle hierzu und zum Folgenden: www.holtzbrinck.de, abgerufen am 11.9.2007. 646
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Der Zeit Verlag Gerd Bucerius realisierte im Jahr 2006 einen Umsatz in Höhe von 110 Mio. Euro. Für das Jahr 2007 wird von einer weiteren Steigerung ausgegangen649. Der Gewinn beläuft sich auf 12 Mio. Euro in 2006. Die ZEIT ist das zentrale Medienprodukt im Zeit Verlag und mit einer Auflage von etwa 480.000 verkauften Exemplaren in jeder Woche Deutschlands führende meinungsbildende Wochenzeitung650. Sie erreicht mit jeder Ausgabe mehr als zwei Millionen Leser. Gegründet 1946 in Hamburg, erscheint die ZEIT jede Woche Donnerstags – mit Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Gesellschaft, Reisen und Geschichte. Eine Übersicht über die Auflagen und Anzeigenentwicklung zeigt Abb. 5-20.
Abb. 5-20:
Auflage- und Anzeigenseitenentwicklung der ZEIT
Wöchentliche Auflage im Jahresdurchschnitt 459 [Tsd. Expl.]
Jahresmittel ¦ Anzeigenseiten pro Quartal 497
1998
484
488
474 463 445
567
1999
452 443
618
2000
439
561
2001
439
477
2002
418
2003
465
481
2004
2005
518
496
2006
2007 1 Hj.
Quelle: IVW (verkaufte Auflage), ZAS, eigene Darstellung
649 650
Vgl. o. Verfasser (2007m). Quelle hierzu und zum Folgenden: Unternehmensbroschüre "ZEIT – Wochenzeitung und Verlag im Profil", S. 4.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Aus diese Darstellung wird deutlich, dass nach dem Absinken der Umsätze um das Jahr 2000 bereits eine Stabilisierung erreicht werden konnte, die sich in der Auflage als hoher Anstieg über frühere Werte hinaus manifestiert. Der Umsatz des Verlages entfällt erwartungsgemäß zu einem Großteil (82 Prozent) auf die klassischen Anzeigen- und Vertriebsumsätze der Wochenzeitung ZEIT, wie die Abb. 5-21 zeigt. Ähnlich wie bei der SZ sind sämtliche Internet-Umsätze noch gering (3 Prozent), weswegen dieser Bereich im Folgenden nicht weiter thematisiert wird. Die "Nebengeschäfte" machten im Jahr 2006 15 Prozent der Gesamtumsätze aus, wobei dieser Anteil leicht gefallen ist. Das von der Verlagsgeschäftsführung öffentlich formulierte Ziel ist es, einen Anteil der Nebengeschäfte von ca. 20 Prozent konstant zu erreichen651, auch wenn dies "keine strenge Vorgabe"652 sei. Abb. 5-21:
Verteilung der Umsätze bei der ZEIT 100% 82%
104
15%
3%
110 85
90
18
17 2
SUMME 2005
Anzeigen/Vertrieb (ohne Internet)
2006
Quelle: Horizont 9/2007, S.6 651 652
Vgl. o. Verfasser (2006m). o. Verfasser (2006m).
Nebengeschäfte
3
Internet
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Die "Nebengeschäfte" bei der ZEIT umfassen den sogenannten "ZEIT-Shop", sämtliche "ZEIT Editionen", "ZEIT-Reisen" sowie vier Magazine ("ZEIT Wissen", "ZEIT Campus", "ZEIT Geschichte", "ZEIT Studienführer"). Auch hier sind es vor allem die Produkte im ZEIT-Shop, die Reisen und die Editionen, die unter die verwendete Definition von Diversifikation und somit der neuen Geschäftsfelder fallen. Der weitaus bedeutendere Anteil am Umsatz und vor allem am Gewinn fällt ohnehin auf die erstgenannten Aktivitäten, die den Kern der folgenden Betrachtung bilden653. Die Anfänge der "Nebengeschäfte" lassen sich zehn Jahre zurückdatieren654. Im Zusammenhang mit dem ZEIT-Magazin655 begann man, Musikzusammenstellungen und Kunsteditionen zu verkaufen. Diese Aktivitäten ruhten jedoch nach der Einstellung des Magazins. Vor einigen Jahren wurde – anknüpfend an diese Geschäfte – der ZEIT-Shop als Direktvertriebsgeschäft eröffnet. Neben ZEIT-Devotionalien (Regenschirme, Kaffeebecher etc. mit ZEIT Aufdruck) begann man, entsprechend der Interessen der ZEIT Leser, Produkte anzubieten. Diese reichen noch heute von Schreib- und Leseutensilien über Kunst und Möbel bis zu Elektronik-Artikeln. Der übergeordnete Gedanke dieses Shops wird in seinem Claim deutlich: "ZEIT Shop – Die intelligente Auswahl."656 Dieser Direktvertrieb bildete eine Zeitlang ein Experimentierfeld für Produktideen657. Das erste Medienprodukt, bei dem sich die ZEIT umfassender einbrachte, war eine Kooperation mit dem Fischer Verlag. Für den "Weltalmanach aktuell" wurde die Faktenlage von Fischer mit neuen und bestehenden redaktionellen Hintergrundberichten der ZEIT zusammengebracht und als Buch veröffentlicht. Das Geschäftsmodell basierte auf einem Lizenzmodell. Der Grund für diese Variante lag darin, dass so erste Versuche risikolos möglich waren. Deutlich beeinflusst vom Erfolg der SZ suchte man in der Folge nach Möglichkeiten, ähnliche Aktivitäten umzusetzen und man erinnerte sich an das Mo653
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft – die gerade erst neu gegründeten Line-Extensions steuern bislang nur wenig Umsatz bei und sind überwiegend noch nicht profitabel. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 90f. 655 Dieses Magazin lag der Wochenzeitung bei. 656 Quelle: ZEIT-Shop Prospekt, 2007. 657 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 91f. 654
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dell des "Weltalmanach aktuell"658. Allerdings war nun die Geschäftsführung bereit, das unternehmerische Risiko zu tragen, um entsprechend die Chance auf hohe Umsatzvolumina zu erhalten, die in einem Lizenzgeschäft nicht möglich sind. So wurde von der Firma Brockhaus eingekauftes Faktenwissen mit Hintergrundberichten der ZEIT zu einem 20-bändigen Lexikon verknüpft und ab dem 11. November 2004 verkauft. Im Anschluss replizierte man das Modell mit einer "Welt- und Kulturgeschichte". Darauf folgten ähnliche Produkte wie bei der SZ bereits beschrieben, wenn auch in deutlich geringerer Frequenz: eine Kinderbuchedition, eine Wissensedition sowie diverse CD- und DVD-Produkte. Auch die ZEIT begann, mit einer Weinedition die verlagsferne Produktpalette des ZEIT-Shops zu erweitern. Die Weinpakete verschiedener Weinregionen sind durch ein Begleitbuch auch publizistisch ergänzt. Sämtliche Produkte sind zwar preiswert, jedoch teurer als die SZ-Produkte. Im Hinblick auf die Wertschöpfungstiefe hat man sich mit dem Erfolg der Produkte dafür entschieden, weiterhin bei fast allen Produkten das unternehmerische Risiko zu tragen, um so die Umsatzchancen nicht zu begrenzen659. Der Bereich ZEIT-Reisen existiert seit sechs Jahren und ist über das Volumen der klassischen Leserreisen vieler Zeitungen hinaus zu einem bedeutenden Geschäftsbereich geworden660. Auch hier steht die Selektion hochqualitativer Produkte im Vordergrund, die zur Leserschaft der Zeitung passen. Sie werden von einem ehemaligen (Reise-)Redakteur geleitet, der diesen Bereich aufgebaut hat. Alle dargestellten Aktivitäten (bis auf die schon oben ausgeschlossenen Magazine) sind als Diversifikationen zu bezeichnen, da umfassende Änderungen der administrativen Prozesse und Systeme erfolgt sind und Wertschöpfung bzw. externen Beziehungen ähnlich aber nicht identisch sind.
658 659 660
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 90f. Quelle: Kongressvortrag Frau Hauer. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 93.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Die Zielsetzung der neuen Geschäftsfelder ist es, profitablen Umsatz zu generieren661. Erst nachgelagert sollen Abonnements für die Wochenzeitung gewonnen oder die Kundenbindung erhöht werden662. Ein Projekt muss daher in der Planung immer direkt profitabel sein. Es lediglich zur Stärkung der Marke zu initiieren, käme für die Verantwortlichen nicht in Frage. Um allerdings beide Ziele gleichzeitig zu erfüllen, wurde bislang mehrmals das erste Produkt einer Edition der Wochenzeitung beigelegt. Durch die entsprechende Bewerbung konnte so einerseits die Auflage der Zeitung gesteigert werden, gleichzeitig aber auch ein hoher Anreiz gegeben werden, die weiteren Produkte (z.B. die weiteren Bände des Lexikons) zu erwerben663. Im Hinblick auf die Profitabilität formuliert die ZEIT als Grundvoraussetzung, dass die geplante Umsatzrentabilität für die neuen Geschäftsfelder über derjenigen der Zeitung liegen müsse, um Projekte überhaupt zu realisieren664. Anhand der Rahmendaten über die großen Editionen wird deutlich, dass die neuen Geschäftsfelder gemessen an diesen Zielen offensichtlich sehr erfolgreich waren: Im Jahr 2005 konnten mit 110.000 verkauften Lexikon-Gesamtausgaben fast 20 Mio. Euro Umsatz generiert werden665. Mit der Welt- und Kulturgeschichte (75.000 verkaufte Serien) waren es 13 Mio. Euro Umsatz. Die KlassikEdition kommt mit 40.000 verkauften Serien auf knapp 6 Mio. Euro Umsatz. Auch in Hinblick auf diese mittelbaren Erfolge betont die Verlagsleiterin Stefanie Hauer, dass sämtliche neuen Geschäfte und insbesondere die umfangreich beworbenen Editionen positive Ausstrahleffekte auf den Anzeigenverkauf beim Kernprodukt hatten666. So habe man "stets eine Story"667 und sei im Gespräch. Dies schaffe Selbstbewusstsein, was den Verkauf von Anzeigen erleichtere.
661
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 93. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 101. 663 Quelle: Kongressvortrag Frau Hauer. 664 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 96. 665 Vgl. hierzu und zum Folgenden o. Verfasser (2007m). 666 Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hauer. 667 Quelle: Kongressvortrag Frau Hauer. 662
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Die Herausforderung, die neuen Geschäftsfelder langfristig zu etablieren, stellt sich aber auch für die ZEIT, wie die abnehmenden Umsätze der einzelnen Editionen zeigen. Im Hinblick auf das Wachstumsziel sei die Menge an potenziellen Zielpersonen für eine Marke wie die ZEIT sehr begrenzt668. Wachstum könne daher nur durch eine Erhöhung der Produktvielfalt und entsprechend höhere Umsätze pro Kunde erzielt werden. Man rechnet aber auch in der Zukunft mit der Möglichkeit, in ähnlicher Frequenz große Projekte umzusetzen und so formuliert der Geschäftsführer der ZEIT, Esser, bzgl. möglicher Wachstumsgrenzen: "Bei uns sehe ich diese Gefahr in den kommenden Jahren nicht, denn wir übertreiben es nicht […]."669
Man wolle nicht der Strategie der SZ folgen und immer mehr Produkte anbieten, sondern weiterhin zwei bis drei große Projekte pro Jahr realisieren. Selbst bei dieser Begrenzung sei es aber eine Herausforderung, sich nicht auf der Suche nach neuen Umsätzen zu weit vom Kern der ZEIT wegzubewegen670. Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung komme zur Verstetigung der Umsätze aus neuen Geschäftsfeldern daher auch Beteiligungen und Dienstleistungen für andere Unternehmen mittelfristig eine Bedeutung zu. Auch die handelnden Akteure bei der ZEIT betonen, dass die bestehenden Ressourcen die Basis für sämtliche neuen Produkte bilden671. Die Kernkompetenz wird hier mit dem Begriff "Orientierung" beschrieben, die dem Leser gegeben werde. Weiterhin stehe die Marke als wichtigstes Asset für "Wissen bzw. Bildung", "Qualität" und "Genuss". "Qualität auf höchstem Niveau" sei das übergreifende Merkmal aller Produkte der ZEIT672. Dafür stehe die Wochenzeitung durch exzellenten Journalismus und fundierte Recherche. So bereite sie ihren Lesern gleichermaßen Erkenntnis und Lesegenuss. Dieser Maßgabe folgen auch sämtliche anderen Produkte: Die Produktauswahl orientiere sich ausschließlich an den Interessen und 668
Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hauer. o. Verfasser (2007m). 670 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 96. 671 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 93. 672 Quelle hierzu und zum Folgenden: http://shop.zeit.de/pages/philosophie, abgerufen am 1.11.2007. 669
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Qualitätsmaßstäben der Leser und man versuche, neue Produkte zu schaffen, die inhaltlich einzigartig sind. Der Aspekt des "Genusses", der in der Wochenzeitung aus dem Lesegenuss hergeleitet ist, wird von der ZEIT zunehmend betont. So lautet der Markenclaim seit einigen Jahren: "Genießen Sie DIE ZEIT". Gerade ein verlagsfernes Produkt wie die Weinedition zeige aus Sicht der handelnden Akteure bei der ZEIT beispielhaft, wie diese Ressourcen sich im neuen Geschäftsfeld wiederfinden673: Einerseits stehe Wein für Genuss, auf der anderen Seite werde durch die ausführlichen Informationen in Form des Begleitbuches der Wissens- und Bildungsaspekt sehr in den Vordergrund gerückt. Die Orientierung, die damit in einem komplexen Markt wie Wein den Konsumenten gegeben werde, entspreche exakt der formulierten Kernkompetenz. Aber auch andere Assets und Fähigkeiten sind Grundlage der neuen Produkte. Dies zeigt sich beispielsweise in den Lexikoneditionen und den Kinderbüchern. Die Fähigkeiten der Redakteure wurden hier genutzt, um neue Inhalte zu generieren oder die Selektion der Bücher durchzuführen674. Weiterhin wurde auf das Asset zurückgegriffen, dass eine Vielzahl der verwendeten Inhalte bereits in Textform vorlagen und die Eigentumsrechte für deren weitere Verwertung bei der ZEIT lagen. Zusammenfassend kann also auch hier ein erfolgreicher ressourcenbasierter Aufbau neuer Geschäftsfelder konstatiert werden. Auch wenn dies bislang noch nicht umfassend implementiert wurde, so strebt das Management der neuen Geschäftsfelder die Formalisierung des Innovationsprozesses an. Hierzu sollen zukünftig die im theoretischen Bezugsrahmen dargestellten Elemente wie Einbezug und Incentivierung aller Mitarbeiter im Rahmen eines betrieblichen Vorschlagswesens eingeführt werden. Allerdings wird sehr umfänglich abgewogen, ob dieses zu einer unerwünschten Umsteuerung der Ressourcen zu Lasten des Kernproduktes geht.
673 674
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 94. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 93.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
217
Auch bei dieser Fallstudie sollen im Folgenden die Erfahrungen innerhalb der einzelnen Kernhandlungsfelder (vgl. erneut Abb. 4-10) anhand der Struktur der Leitfragen präsentiert werden: Der Auslöser für die umfassende Erweiterung der Nebengeschäfte zu signifikanten neuen Umsatzsäulen liegt im Erfolg, den andere Medien im Inland (SZ) und Ausland (z.B. El Pais, Repubblica) erzielen konnten675. Die "Ausgestaltung der Ideen" (Kernhandlungsfeld 1) erfolgt bei der ZEIT sehr marktgetrieben676. Für die größeren Projekte analysiert das Team des Geschäftsbereiches "Neue Geschäftsfelder" die Aktivitäten im Aus- und Inland und spricht insbesondere im Ausland direkt mit den Akteuren. Die so erfassten Möglichkeiten werden dann daraufhin bewertet, inwieweit sie für die ZEIT in Frage kommen. Hierbei werden einerseits die unterschiedlichen Marktbedingungen (z.B. in Bezug auf den Vertrieb) berücksichtigt, andererseits inwieweit ein "Fit" zur Zielgruppe der ZEIT, ihren Markenattributen ("Bildung/Wissen", "Genuss", "Qualität") und ihrer Kernkompetenz ("Orientierung") existiert. Nach dem Erfolg der bisherigen Produkte habe man für diese Analyse mittlerweile einen großen Erfahrungsschatz aufgebaut. Die Orientierung an der Ressourcenbasis bei der Ausgestaltung der Optionen wird auch in einer Aussage des Geschäftsführers deutlich: "Wir […] haben noch viele Ideen für weitere Angebote aus genau den Bereichen, die sehr gut zu den Inhalten und Qualitäten der ZEIT passen, also Bildung, Wissenschaft, Politik, Kultur und Genuss."677
Zielgruppe für die neuen Produkte sind im Unterschied zur SZ vor allem die Leser der Wochenzeitung. Es wird nicht versucht, über diese Grenze hinaus vorzustoßen und so neue Zielgruppenmärkte zu erschließen678. Beteiligt an der Ausgestaltung der bisherigen Ideen waren neben dem Bereich "Neue Geschäftsfelder" die Marketingleitung, die Vertriebsleitung und der als Projektsponsor wirkende Geschäftsführer Rainer Esser679. Zur Unterstützung 675
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 90. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 97. 677 Esser, zitiert nach o. Verfasser (2007m). 678 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 94. 679 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 97, 103. 676
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
im bis zu diesem Zeitpunkt nicht vertrauten Lexikongeschäft integrierte man Experten des Mutterkonzerns Holtzbrinck. Weiterhin wurde der Partner Brockhaus früh einbezogen. Aber auch in den verlagsfernen Geschäftsfeldern wie Wein nutzt man externe Expertise. Die Redaktion ist im ersten Schritt zumeist nicht beteiligt. Die Trennung von Redaktion und Verlag, die im journalistischen Kerngeschäft üblich ist, wurde somit bei der ZEIT auch in den neuen Geschäftsfeldern sehr umfassend verankert. Nach Etablierung der neuen Geschäftsfelder werden mittlerweile jedoch auch Redakteure aktiv und bringen eigene Ideen ein. Diese Ideen erfüllen allerdings nicht immer die oben dargestellten Anforderungen des Verlages. Die Formalisierung des Innovationsprozesses wird von der Leiterin des Bereiches "Neue Geschäftsfelder" als sehr bedeutsam angesehen, weil nur auf diesem Wege die Assets und Fähigkeiten des gesamten Verlages für die Wachstumsstrategie genutzt werden könnten: "Es gibt große Schätze, die in den Köpfen von Redakteuren oder anderen Mitarbeitern schlummern. Diese Schätze wollen wir heben."680
Nur auf dem formalisierten Weg eines Vorschlagswesens und gekoppelt mit monetären Anreizen seien diese Ressourcen zum Nutzen des Gesamtverlages zu aktivieren681. Die Arbeitsbelastung im eigentlichen Aufgabengebiet führe sonst im Normalfall dazu, dass wichtige Ideen gar nicht erst bekannt werden. Nur am Anfang einer Wachstumsstrategie sei ein intuitives Vorgehen gerechtfertigt. Die Grundzüge einer strategischen Suchfeldanalyse lassen sich somit auch bei der ZEIT erkennen, wobei die prinzipiellen Leitlinien bereits oben dargestellt wurden. Wichtig sei für alle Produkte immer: "Sie sind aus dem Herzen der ZEIT heraus geboren. Überall wo ZEIT draufsteht, ist auch ZEIT drin."682
Hiermit geht eine umfassende eigene Wertschöpfung einher683. Man sieht es als unmöglich an, Produkte über die Marke und Vermarktungsfähigkeit der ZEIT abzusetzen, die lediglich zugekauft sind. Bei einem früheren Joint Venture hat 680
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 95. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 95. 682 Esser zitiert nach o. Verfasser (2006e). 683 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 91. 681
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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man überdies eine negative Erfahrung gemacht und entschieden, zukünftig stets selbst das wirtschaftliche Risiko zu tragen. Bei einer Kooperation mit einem Partner wird daher höchstens ein Absatzkanal in die Verantwortung des Partners gestellt. Dies ist zumeist der Buchhandel. Eine weitere Rahmenbedingung wird von der ZEIT berücksichtigt. So kommen die größten Anzeigenkunden der ZEIT ebenfalls aus der Verlagsbranche684. Hierbei handelt es sich insbesondere um Buchverlage. Mit eigenen Produkten in diesem für die ZEIT neuen Geschäftsfeld begibt man sich somit in das Wettbewerbsfeld der größten Kunden. Aus diesem Spannungsfeld heraus ist entschieden worden, dass im Vergleich zur SZ eine höhere Preissetzung der Produkte erfolgen sollte, um die Wettbewerbssituation zu entspannen. Für die "Entwicklung" der Produktideen werden – wie oben dargestellt – Markterfahrungen einbezogen. Weiterhin kommt der systematischen Analyse der Kundeninteressen eine hohe Bedeutung zu. Neben den Marktforschungsergebnissen, die weiter unten diskutiert werden, leitet man die Kundeninteressen aus den branchenbekannten Markt-Media-Studien ab685. Weiterhin werden auch das Nutzungsverhalten des Online-Shops genau ausgewertet und so genaue Rückschlüsse auf Kundenvorlieben gezogen686. Die Ausgestaltung des Produktes und die Passgenauigkeit zum Kernprodukt sind aus Sicht der ZEIT wichtiger als ein strategisches Timing. Gerade der Erfolg der Lexikoneditionen zeigt dieses deutlich auf687. Im Vorwege sind gerade diesem Projekt Vorbehalte entgegengebracht worden, die darauf abzielten, dass ein gedrucktes Lexikon in Zeiten von Online-Nachschlagewerken wie "Wikipedia" atavistisch sei. Im Kontext der Ressourcenbasis der ZEIT ist das Lexikonprodukt aber hochprofitabel gewesen.
684
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 92. In der Medienbranche werden regelmäßig sogenannte Markt-Media-Daten erhoben, um Anzeigenkunden eine Entscheidungsgrundlage zu liefern. Bekannte Studien sind z.B. die Media Analyse (MA), die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA) sowie eine Vielzahl von Spezialstudien. 686 Vgl. o. Verfasser (2006j). 687 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 97. 685
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Hinsichtlich der Vorfinanzierung der Projekte hat die ZEIT bislang sehr unternehmerisch agiert und abgesichert durch Marktforschung umfassend in Gratisexemplare und Werbevolumen investiert688. Insbesondere durch das Modell, allen Exemplaren der Wochenzeitung ein Gratisexemplar der verschiedenen Editionen beizulegen, waren die Investitionssummen erheblich. Im Kernhandlungsfeld 2, der Markenstrategie, unterstreichen auch die handelnden Akteure der ZEIT die Bedeutung der Marke für die neuen Geschäftsfelder689. Allerdings hat man mittlerweile auch eine Vielzahl von Fähigkeiten aufgebaut, die es ermöglichen würden, einzelne Wachstumsoptionen zukünftig auch ohne die Nutzung der Marke realisieren zu können. Im Hinblick auf die Markenarchitektur verfährt die ZEIT ähnlich wie die SZ: Die Marke "DIE ZEIT" ist durchgehend als Dachmarke bei allen Produkten präsent, bei denen eine eigene Wertschöpfung erfolgt ist690. Von Vorteil könnte sein, dass die Art des Mediums ("Wochenzeitung") nicht in der Marke enthalten und diese somit leichter auf neue Geschäftsfelder übertragbar ist. Die beschriebenen Projekte werden teilweise als "ZEIT Edition" markiert. Diese Bezeichnung findet sich jedoch nur bei solchen Produkten, bei denen diese Bezeichnung dem Wortlaut nach passt. Dies gilt für die "DVD Edition", die "Klassik Edition" und die "Genussedition Wein", jedoch z.B. nicht für die "Welt- und Kulturgeschichte" oder das "Junior-Lexikon". Eine Submarke, die alle Produkte der neuen Geschäftsfelder zusammenfasst, existiert nicht. Die Produkte des ZEIT-Shops, bei denen keine eigene Wertschöpfung geleistet wird, werden unter dem Oberbegriff "ZEIT Selektion" dargestellt, sind aber selbst nicht markiert. Die Kernattribute der Marke "DIE ZEIT" wurden obenstehend schon benannt. Sie leiten umfassend die Ideengenerierung691. Allerdings begrenzen sie auch den Möglichkeitsraum einer Markendehnung. Mit der Weinedition, die den 688
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 99 . Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 95. 690 Quelle: ZEIT-Shop (http://shop.zeit.de), abgerufen am 12.11.2007. 691 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 95. 689
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Markennamen DIE ZEIT nutzt, bewegt man sich auch aus Sicht der Verantwortlichen bereits am Rande dessen, was möglich ist, ohne die Marke zu überdehnen692. Die Nutzung der oben beschriebenen Anknüpfungspunkte, legitimiere jedoch eine solche Produktkategorie. Gerade die sehr auf journalistische Unabhängigkeit und Qualität bedachte Redaktion habe am Anfang der neuen Produkte große Bedenken gehabt, dass die Marke mit der Erschließung der neuen Geschäftsfelder beschädigt werden könnte. Aufgrund der Nutzung der journalistischen Inhalte, der hohen Qualität der Produkte und des behutsamen Vorgehens sei jedoch das Vertrauen der Redaktion gegenüber dem verantwortlichen Verlagsbereich gewachsen. Parallel sei jedoch auch die Sorge um eine Kannibalisierung gestiegen, weil versucht werde, mit den gleichen Zielpersonen weitere Umsätze zu generieren. Den Nukleus der Organisation (Kernhandlungsfeld 3) bildete – wie beschrieben – der ZEIT-Shop. Die Leitung dieses Bereiches übernahm vor einigen Jahren Sandra Kreft, die bisher als Assistentin des Geschäftsführers tätig war. Die folgenden Aktivitäten waren vom beruflichen Hintergrund, den die Leiterin des Bereiches mitbrachte, deutlich geprägt. So half der Stabshintergrund bei späteren Projekten in Form der internen Integrationsfähigkeit. Dass Kreft zuvor lange Zeit im Bertelsmannkonzern tätig war, hat weiterhin ein externes Netzwerk hervorgebracht, auf das sie im Sinne der externen Integrationsfähigkeit zurückgreifen konnte. Ihr Managementfokus der Formalisierung von Prozessen, der umfassenden Nutzung von Marktforschung und weitentwickelten CRMKonzepten sowie der Versuch, die Ideengeneration für neue Produkte abteilungsübergreifend zu institutionalisieren, sei ebenfalls durch ihre bisherigen Erfahrungen insbesondere bei Bertelsmann geprägt693. Weiterhin hat die heutige Gesamtleiterin der Magazine und neuen Geschäftsfelder einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund.
692 693
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 94. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 95.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Das Gesamtteam in diesem Bereich besteht derzeit aus insgesamt sieben Mitarbeitern694. Hiervon sind zwei ausschließlich im Bereich ZEIT-Shop tätig. Die Professionalisierung in Richtung Versandhandel zeigt sich darin, dass einer dieser Mitarbeiter früher für den Versandhändler "Quelle" tätig war. Jeweils zwei Mitarbeiter betreuen die Magazine und die Editionen. Die Abteilung begleitet die Produkte von der Idee bis zur Produktionsreife. Herstellungs-, Vertriebs- und Marketingaufgaben werden durch die Abteilungen des Unternehmens übernommen, die bislang ausschließlich für das Kernprodukt tätig gewesen sind. Eine Mitarbeiterin des Controllings unterstützt den Bereich mit umfassenden Auswertungen. Auch bei der ZEIT greift man also umfangreich auf bestehende Fähigkeiten und Assets zurück. Nur so können aus Sicht des Managements Erfahrungen genutzt und Synergien realisiert werden695. In den internen Serviceabteilungen wurden direkte Schnittstellen zum Bereich "Neue Geschäftsfelder" etabliert. Externe Dienstleister werden in der Planungsphase nur in Ausnahmefällen hinzugezogen. So wird die Marktforschung durch eine externe Agentur betrieben und im Falle neuer Produkte teilweise auch die Gestaltung der Werbung. Bei der Umsetzung sind sowohl Produktion, Lagerung und Logistik als auch der Kundenservice an externe Dienstleister ausgelagert. Die Verantwortung für die neuen Geschäftsfelder liegt zwar operativ bei der Abteilungsleitung. Bei Projekten mit größerem Volumen wird aber stets die Geschäftsführung einbezogen und trifft die endgültige Entscheidung. Im Falle der hohen Investitionen für das erste Lexikonprodukt wurde darüber hinaus der Mutterkonzern Holtzbrinck an der Entscheidungsfindung beteiligt. Insgesamt betont die Verantwortliche für die neuen Geschäftsfelder, dass die geringe Größe der Gesamtorganisation es deutlich erleichtere, dynamisch zu agieren und Lösungen für sämtliche Fragestellungen zu finden, die hohe Qualität und geringe Kosten vereinen696. 694 695 696
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 94ff. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 98. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 96.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Auch bei der ZEIT existierten gewisse Wandelbarrieren. Insbesondere die Redaktion war "geschockt"697 vom Modell der SZ und der redaktionellen Unterstützung für kommerzielle Produkte des Verlages. Eine unterstützende Berichterstattung durch die Redaktion über die neuen Geschäftsfelder der ZEIT war somit nicht möglich, wurde aber von den Verantwortlichen auch nicht angestrebt. Hintergrund hierfür sind die Begehrlichkeiten, die auch Anzeigenkunden auf positive redaktionelle Berichterstattung haben. Nur durch die klare und eindeutige Trennung sei die Integrität des Verlages gegenüber den Anzeigekunden zu wahren. Ein systematischer Filterprozess (Kernhandlungsfeld 4) anhand von dokumentierten Kriterien wird bei der ZEIT nicht explizit durchgeführt. Vielmehr wird die Idee bereits im Entstehungsprozess anhand der dargelegten Leitlinien als passend identifiziert oder verworfen. Allerdings wird eine umfangreiche Filterung durch eine konsequente Marktforschung und Business-Planung erreicht: Im Unterschied zu anderen Marktteilnehmern impliziert die Strategie der ZEIT, intensive quantitative und qualitative Marktforschung zu betreiben698. Gemeinsam mit einer entsprechenden Agentur hat man eine mehrstufige Methodik entwickelt: In einer ersten Gruppendiskussion werden bereits produzierte Produktbeispiele qualitativ getestet. Im Anschluss werden sowohl ZEITAbonnenten als auch Nicht-Leser der Wochenzeitung quantitativ befragt. Die Befragungen erfolgen grundsätzlich persönlich und nicht am Telefon. Weiterhin wird immer mit produzierten Beispielen der späteren Produkte gearbeitet, um so die Validität des Testverfahrens zu erhöhen. Dieses Verfahren sei sehr erfolgreich und man habe beim ersten Lexikonprojekt nahezu exakt die vorher errechnete Stückzahl umgesetzt. Daher wird diese Methodik seitdem für alle größeren Produktentwicklungen eingesetzt und ermögliche eine sehr präzise BusinessPlanung. Durch die große Investitionssumme, die meist in einstelliger Millionenhöhe liegt, lohne es sich aus Sicht der Verantwortlichen auch, 30.000-50.000 Euro für Marktforschung auszugeben, wenn dadurch die Unsi697 698
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 94. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 99f.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
cherheit deutlich reduziert werde. So wurden bereits weitentwickelte Produktplanungen abgebrochen, weil die Markttests mehrfach deutlich machten, dass der Absatz einer notwendigen Menge nicht wahrscheinlich war699. Für alle neuen Geschäfte wird ein standardisierter Business-Plan genutzt, der alle Spezifika des Geschäftes (d.h. Lizenzeinkauf, zusätzliche Honorare, Partnerbeteiligung etc.) berücksichtigt700. Hierbei werden auch Erfahrungswerte aus früheren Projekten miteinbezogen, die durch ein Zwischen- und ein Abschlusscontrolling bei jedem Projekt festgehalten werden. Die Leistungen der internen Serviceabteilungen werden aus Vereinfachungsgründen nicht verrechnet und in die Business-Planung integriert, weil alle Bereiche für den gleichen Deckungsbeitrag arbeiten. Für Media-Leistung in der eigenen Wochenzeitung werden hingegen Verrechnungspreise berücksichtigt, die sich an den Herstellungskosten orientieren. Nur in seltenen Fällen kann aufgrund der Markenorientierung der Vermarktung auch auf Media-Budgets der Muttermarke zurückgegriffen werden. Gegengeschäftskontingente für Media-Leistung werden nach prognostiziertem Deckungsbeitrag vergeben. Den Markteintritt mit neuen Produkte (Kernhandlungsfeld 5) inszeniert die ZEIT ähnlich aufwändig wie die SZ. Hierfür werden Eigen- und Fremdmedien genutzt, wobei letztere meist über Gegengeschäfte finanziert werden. Eine redaktionelle Unterstützung erfolgt – wie dargestellt – nicht. Die "Welt- und Kulturgeschichte" wurde neben der Bewerbung im eigenen Blatt beispielsweise in Printmedien (u.a. in "Stern", "Spiegel", Wissenschaftstiteln sowie überregionalen Tageszeitungen), im TV (u.a. bei ARD, ZDF, N24, Sat.1) und online beworben. Das Volumen der Media-Leistung entsprach einem Wert von 3 Mio. Euro701. Auch bei der ZEIT wird somit deutlich, dass die Vermarktungskompetenz eine zentrale Ressource für die neuen Geschäftsfelder darstellt.
699 700 701
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 105. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 99, 103. Quelle hierzu und zum Folgenden: Kress Express v. 14.10.2005.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Die Vermarktungsstrategie folgt ebenfalls dem "konzentrierten" Ressourceneinsatz. 70-80 Prozent der zur Verfügung stehenden Ressourcen werden innerhalb von vier Wochen genutzt702. Diese Zeit der intensiven Vermarktung gruppiert sich um den Produktstart und sorgt so schon vorab für erhöhte Aufmerksamkeit und eine höhere Auflage der Wochenzeitung. Die kostengünstige Bewerbung im eigenen Blatt wird dann über die Laufzeit des Produktes fortgeführt. Bei der Vermarktung kommen gleichzeitig zwei Ressourcen zum Einsatz: Diese sind zum einen die Vermarktungsfähigkeit und zum anderen der entsprechende Raum für Anzeigen im eigenen Medium oder über Gegengeschäftskontingente. Die hochwertige Marke ZEIT ermöglicht es darüber hinaus, den Kunden überhaupt werblich zu erreichen. So gelinge es, in entsprechenden Kampagnen für neue Produkte deutlich zu machen, dass für den Leser ein besonderes Produkt geschaffen worden sei703. Auf dieser Basis sei man besser als Wettbewerber aus anderen Branchen in der Lage, durch das "werbliche Rauschen" hindurch zum potenziellen Kunden mit der Werbebotschaft für das neue Produkt durchzudringen. In Bezug auf die Distribution nutzt auch die ZEIT bestehende Kanäle des Presse-Einzelhandels704. Die negativen Ergebnisse dieses Vertriebsweges werden jedoch eher als Marketingaufwand angesehen. Nur die Sichtbarkeit und die so geschaffene Verbindung zum Mutterblatt rechtfertigen den Einsatz. Wesentlich bedeutender ist der Direktvertrieb. Diesem kommt mit ca. 70 Prozent des Umsatzes die höchste Bedeutung zu. Anders als z.B. bei der SZ wird der Buchhandel nicht als strategisch bedeutsamer Kanal angesehen. Die Personalkosten, die entstünden, wenn der Buchhandel als langfristig bedeutendes Standbein aufgebaut werden soll, wolle man bei der ZEIT nicht investieren. Daher überlässt man es gerne einem Partnerunternehmen, diesen Vertriebskanal zu bearbeiten und einen Großteil der dort anfallenden Erträge für sich zu erwirtschaften. Der Online702 703 704
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 104. Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hauer. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 100f.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Shop hat dementsprechend eine hohe Bedeutung. Rund 100.000 Kunden klicken regelmäßig in den Angeboten und jeder Einkäufer bestellt im Schnitt Waren für mehr als 90 Euro im Jahr705. Im Hinblick auf die Steuerung der Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) zeigt sich die ZEIT sehr professionalisiert. So bestätigen sogar die Verantwortlichen bei der SZ und G+J der ZEIT, dass sämtliche Aktivitäten im Bereich Kundenbeziehungsmanagement (CRM) den "Benchmark" innerhalb der Branche bilden706. Die Integration sämtlicher Kundendaten-Systeme ist ein zentrales Anliegen der Verantwortlichen bei der ZEIT707. So ist mit hohem Aufwand aus einer Ausgangssituation dezentraler Datenhaltung jedes Bereiches (Abo-Service, Zeitung, Magazine, Gewinnspiele, Reisen, Online-Käufer, Online-Newsletterabonnenten) eine zentrale Kundendatenbank etabliert worden. In dieser ist es nun jedem Verlagsbereich möglich, Auswertungen durchzuführen und Kundensegmentierungen zu bilden. Zentral werden daraufhin (teilweise sogar automatisiert) klar definierte Anspracheschemata an die Kunden realisiert. Die Segmentierung der Kunden erfolgt aber ausschließlich über deren Kaufverhalten708. Eine Ergänzung mit externen Daten findet nicht statt. Mit dem Leistungsumfang eines solchen Systems steige allerdings auch die Komplexität709. Somit können die Systemverantwortlichen durchaus im Sinne der oben dargestellten Definition als "gatekeeper" beschrieben werden. Ein systematisches Portfoliomanagement wird von der ZEIT derzeit nicht betrieben710. Die geringe Frequenz der großen Projekte und ihre begrenzte Lizenzdauer sowie die hohe Transparenz der kleinteiligeren Absätze im ZEITShop ermöglichen ohnehin eine sehr direkte Steuerung.
705
Vgl. o. Verfasser (2006j). Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterviews mit Herrn Rumberg und Frau Jäkel. Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hauer. 708 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hauer. 709 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 106. 710 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 105. 706 707
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Eine systematische Begrenzung der Risiken wird durch zweierlei Aktivitäten gewährleistet711. Einerseits senkt die vorab getätigte Marktforschung das Risiko deutlich und sichert somit die Break-even-Planung ab. Andererseits ermöglicht das während der Umsetzung institutionalisiert betriebene Zwischencontrolling, reaktive Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen. Neben dem Zwischencontrolling wird nach Abschluss der Projekte mit einem institutionalisierten Abschlusscontrolling eine umfassende Erfolgskontrolle gewährleistet712. So ist es möglich, die Erfahrungen in neue Projekte einzubringen und somit die Effizienz zu steigern. Dies wird beispielhaft daran deutlich, wie die ZEIT ihre Media-Leistung und Distributionskanalverteilung im Zeitverlauf verändert hat. Beide Bereiche wurden im Sinne der Effizienz optimiert. Zwei weitere Effizienzsteigerungen erfolgten im Bereich der Organisation. So konnte das anfängliche Team von fünf ausschließlich für die Editionen tätigen Mitarbeitern auf zwei Personen reduziert werden. Dies ist auch deshalb möglich geworden, weil zu allen Serviceabteilungen mittlerweile direkte Schnittstellen etabliert worden sind.
711 712
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 106. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Kreft, S. 107.
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5.2.2.3 Axel Springer/BILD Die nun porträtierte BILD-Zeitung bietet als größte Boulevardzeitung Deutschlands deutlich andere Rahmenbedingungen als die SZ und ZEIT. Die Ressourcenbasis in Form der Marke, der bestehenden Kundenkontakte, aber auch des Distributionsnetzwerkes einer reinen Kaufzeitung weichen schon auf den ersten Blick deutlich von den bisher dargestellten Fällen ab. Welche Auswirkung diese Abweichungen auf die Etablierung neuer Geschäftsfelder hat, wird im vorliegenden Kapitel untersucht. Die BILD-Zeitung ist eines der zentralen Objekte des Axel-SpringerKonzerns713. Mit mehr als 170 Zeitungen und Zeitschriften in 33 Ländern, einem Gesamtumsatz von 2.376 Mio. Euro und einem Jahresüberschuss von 291 Mio. Euro ist Axel Springer heute Deutschlands größter Zeitungsverlag und drittgrößter Zeitschriftenverlag. Das übergreifende strategische Ziel ist auch hier explizit als "profitables Wachstum" beschrieben714. Hierfür soll die starke Marktstellung im deutschsprachigen Kerngeschäft durch die Erschließung von neuen Erlöspotenzialen weiter ausgebaut werden. Hinzu treten "Internationalisierung" und die "Digitalisierung im Kerngeschäft". Die Wachstumsstrategie wird unterlegt mit den Unternehmenswerten, die als "Kreativität", "Unternehmertum" und "Integrität" angegeben werden. Für die dargestellte Wachstumsstrategie kommt neuen Angeboten unter der erfolgreichen Dachmarke BILD explizit eine hohe Bedeutung zu715. Dabei handelt es sich um eine Zeitungs- und Zeitschriftengruppe innerhalb des Verlages, die aus der 1952 als "gedruckte Antwort auf das Fernsehen"716 entstandenen BILD-Zeitung erwachsen ist. In dieser Gruppe erscheint nach wie vor die BILDZeitung selbst, dazu sind im Verlauf der letzten Jahrzehnte die "BILD am Sonntag" als Sonntagszeitung gekommen sowie die der obigen Definition von Zeit-
713
Quelle hierzu und zum Folgenden: http://www.axelspringer.de/inhalte/untereh/frame.htm, abgerufen am 3.11.2007. 714 Quelle hierzu und zum Folgenden: Geschäftsbericht 2006, S. 28. 715 Quelle: Geschäftsbericht 2006, S. 28. 716 Quelle: Imagebroschüre "Gestatten: BILD", S. 1.
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229
schrift entsprechenden Objekte717 SPORT BILD, AUTO BILD, COMPUTER BILD, BILDWOCHE, BILD DER FRAU sowie mehrere an diese Sub-Marken angegliederten "Line-Extensions" (z.B. COMPUTER BILD SPIELE). Das bedeutendste Objekt in dieser Gruppe ist jedoch noch immer die BILD-Zeitung selbst, auf der der Fokus der nachfolgenden Darstellung liegt, da bei ihr die bedeutsamsten Wachstumsaktivitäten angesiedelt sind. Die BILD-Zeitung (im Folgenden BILD) ist mit 3,5 Mio. verkauften Exemplaren pro Ausgabe718 und einer Reichweite von 11,6 Mio. Lesern719 die größte Zeitung Europas720. Sie wird nahezu ausschließlich als Kaufzeitung für 0,500,60 Euro über den Presseeinzelhandel angeboten und nicht im Abonnement vertrieben. 800 Reporter721 recherchieren die Boulevardinformationen, für die keine Themenbeschränkung existiert722. Das Spektrum reicht von Politik und Wirtschaft über Unterhaltung und Sport bis hin zu kulturellen Ereignissen. Dabei geht BILD auf die lokal unterschiedlichen Interessen ein, was sich in 24 Lokalund Regionalausgaben zeigt. Bei der Betrachtung der Auflage wird deutlich, dass BILD unter dem veränderten Mediennutzungsverhalten gelitten hat. Dies verdeutlicht die Übersicht über die Entwicklung der Auflage und der Anzeigenumsätze im letzten Jahrzehnt in Abb. 5-22. Nach Aussage der verantwortlichen Managern muss diese Analyse allerdings geringfügig korrigiert werden: Zwar zeigen die verfügbaren (extern erhobenen) Bruttodaten der Anzeigenumsätze723 nach unten. In der (nur intern verfügbaren) Gesamtsicht sei die Tendenz 2004 bis 2006 allerdings nicht rückläufig, sondern man sei gewachsen724.
717
Im Geschäftsbericht des Verlages wird die SPORT BILD zur Zeitungsgruppe BILD gerechnet, da die Organisation entsprechend gestaltet ist. 718 Quelle: IVW 3. Quartal 2007. 719 Quelle: MA 07 II. 720 Quelle: Imagebroschüre "Gestatten: BILD", S. 1. 721 Quelle: Imagebroschüre "Gestatten: BILD", S. 1. 722 Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter http://www.mediapilot.de/cda/index.php?cn=626&np=18&nt=3, abgerufen am 14.11.2007. 723 Hierfür werden von der Firma Nielsen lediglich die Anzeigenvolumina summiert und nach Preisliste bewertet. Sämtliche Rabatte sind öffentlich nicht bekannt und daher nicht darstellbar. 724 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 61.
230
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Abb. 5-22:
Auflagen- und Anzeigenumsatzentwicklung der BILD
Tägliche Auflage im Jahresdurchschnitt [Tsd. Expl.]
¦ Anzeigenumsätze p.a. [Mio. EUR]
4,6
4,4
4,3
4,4 4,1
4
3,8 314
183
198
216
208
209
3,7 306
3,6
3,4
296
234
135
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007 1 Hj.
Quelle: IVW (BILD gesamt, verkaufte Auflage Mo.-Sa.), Nielsen (Summe Brutto-Umsätze national und regional), eigene Darstellung
Die BILD ist wirtschaftlich sehr erfolgreich725. Zwar sind Auflagenrückgänge zu verzeichnen gewesen, dennoch sei Umsatz und Profitabilität gerade der klassischen Anzeigen- und Vertriebserlöse aus Sicht der Verantwortlichen erfreulich hoch. Die entsprechende Änderung in der Zielsetzung beschreibt Medienwissenschaftler Röper: "Auch für BILD ist heute die Rendite von zentraler Bedeutung, während in früheren Jahren die Aufmerksamkeit insbesondere der Auflagenentwicklung galt […]."726
Die Verteilung der Umsätze auf die klassischen Erlössäulen und neuen Geschäftsfelder konnte aufgrund der Sensitivität dieser Information nicht in Erfahrung gebracht werden.
725 726
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 73. Röper (2006b), S. 117.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
231
Die neuen Geschäftsfelder wurden bei BILD von zwei Seiten her erschlossen: Zum einen entwickelte sich die "Vermarktungsfähigkeit" in diese Richtung. Der hierfür verantwortliche Bereich ist bei der BILD seit dem Jahr 2002 in das Joint Venture BILD.T-Online ausgelagert727. Das zu 63 Prozent zu Axel Springer gehörende Unternehmen ist für sämtliche Online-Aktivitäten der BILD Zeitung zuständig, übernimmt aber auch die medienübergreifende Vermarktung. Eine Variante dieser Vermarktung sind die sogenannten "Volksprodukte", die ebenfalls seit dem Jahr 2002 existieren. Im Rahmen solcher Aktionen wählen BILD.T-Online und ein Partner jeweils ein Produkt (oder eine Produktgruppe) aus, das dann exklusiv als "Volksprodukt" produziert und unter Nutzung der Marke BILD und der des Partners beworben wird. Übergreifend zeichnen sich diese Produkte durch ein besonderes Preis-Leistungsverhältnis und ggf. andere herausragende Eigenschaften aus. Sie sind massenmarktfähig und aktuell. Die Werbebotschaften werden u.a. durch prominente "Testimonials"728 online sowie in Beilagen und Anzeigen der Zeitung vermittelt. Aus Kundensicht und sogar für Branchenvertreter729 ist diese Art des Produktangebotes nicht von anderen neuen Geschäftsfeldern zu unterscheiden. Der andere Weg zu neuen Geschäftsfeldern führte über die redaktionelle Kompetenz und entstand aus dem früher nur begrenzt betriebenen "Merchandising". Der hierfür verantwortliche Bereich innerhalb des Konzerns trägt auch heute noch diese Bezeichnung. Die Produkte dieses Bereiches stehen im Weiteren im Vordergrund, da die Planung und Umsetzung nicht einem eindeutigen Schema folgen, sondern Freiheitsgrade existieren. Die "Volksprodukte" werden aber ebenfalls weiter analysiert, wo eine Betrachtung sinnvoll erscheint. Mehr als 50 dieser Vermarktungskooperationen sind bislang realisiert worden730. Sie reichen von der "Volkszahnbürste" über den
727
Quelle hierzu und zum Folgenden: http://www.bild.t-online.de/BTO/corporatesite/unternehmen/unternehmen.html, abgerufen am 14.11.2007. 728 Branchenterminus für Prominente, die für ein Produkt werben. 729 Quelle: Fallstudieninterviews mit Herrn Rumberg, Frau Jäkel. 730 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 7.9.2006.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
"Kaffee-Vol(l)ksautomaten", eine "Volkssterbeversicherung"731, "Volksbausparen", den "Volks-Seat" bis zur "Volksmatratze". Im Hinblick auf die Absatzzahlen sind diese Produkte meist hochgradig erfolgreich und haben oft die höchsten Einzelproduktabsätze in der Geschichte der beteiligten Partner mit sich gebracht732. Eines der wenigen veröffentlichten Zahlenbeispiele bildet die Zusammenarbeit mit dem Farbenhersteller Alpina. Von der in dieser Partnerschaft vermarkteten "Volksfarbe" wurden bundesweit 3,5 Mio. Liter abgesetzt. Das Geschäftsmodell entspricht dem der klassischen Vermarktung, denn der Verlag partizipiert nicht an den abgesetzten Einheiten, sondern berechnet einen festgesetzten Preis für die Zusammenarbeit733. Im Vergleich zu der stets nach dem gleichen Schema ablaufenden Vermarktungskooperation der "Volksprodukte" handelt es sich bei den Produkten, die dem Bereich "Merchandising" entstammen, um sehr individuelle Partnerschaften734. Das Geschäftsmodell ist jedoch ebenfalls in nahezu allen Fällen ein Lizenzgeschäft, in dem BILD gemeinsam mit einem Partner agiert. Hierbei erhält BILD eine Garantiesumme vom Partner und ist darüber hinaus an den Stückerlösen beteiligt735. So entstehen Produkte, die die Marke BILD tragen und aufgrund des Stückerlösanreizes vom Verlag umfassend beworben werden. Lediglich bei wirklichen "Merchandising-Produkten", die ein geringes Umsatzvolumen anstreben, wurde nicht immer in dieser Form mit einem Partner kooperiert736. Auch die neuen Geschäftsfelder, die auf diesem Weg erschlossen wurden, sind sehr heterogen. So wurden verlagsnahe Produkte wie eine 25-bändige "BILD Bestseller Bibliothek" als erstes großes Produkt im Jahr 2004 veröffentlicht737. Im Anschluss daran wurden eine "Comic-", eine "Natur-", eine "Erotik-" sowie eine "Wissensbibliothek" gestartet738. Aber auch Einzelbücher fallen in diesen Be731
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 84. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert. 733 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 62. 734 Aufgrund der höheren Varianz und des somit verstärkten Klärungswertes werden im Folgenden die Produkte dieses Bereiches fokussiert. 735 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 62. 736 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 63. 737 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 7.10.2004. 738 Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hilbert, S.8ff . 732
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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reich. Hierbei sind sicherlich die sechs "BILD Bibeln" herausragend, die in verschiedenen Ausstattungen veröffentlicht worden sind. Einen weiteren Bereich deckt man mit "BILD Interactive" ab. Hier werden Computerspiele (insbesondere das Spiel "SIMS") exklusiv unter der BILD-Marke vertrieben. Musik-CDs und DVDs bildeten in früheren Zeiten einen wichtigen Bestandteil im "Merchandising"-Geschäft und so ist auch dieser Bereich noch existent. Eine komplexere Variante eines neuen Geschäftsfeldes wurde in Zusammenarbeit mit dem Bekleidungsunternehmen C&A entwickelt739. Diese Kooperation startete im Jahr 2001 mit einer "BILD Reporterjacke", die bei C&A vertrieben wurde und wuchs sukzessive an. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 570.000 Kleidungsstücke innerhalb dieser Kooperation abgesetzt. Um dieses Modell mit C&A aber auch darüber hinaus weiterzuentwickeln, wurden weitere Ideen gesucht (vgl. Kernhandlungsfeld 1). Im Ergebnis entstand die neue Sub-Marke "Seite*1Girl". Dies war der Start, das Geschäftsfeld Dessous- und Oberbekleidung für Frauen umfassend zu bearbeiten740. Andere Produkte wie Kosmetik und Accessoires unter dieser Sub-Marke sind in Planung741. Weitere bedeutende BILD-Produkte waren der "BILD-Ökostrom"742 und "BILD mobil"743. Im letzteren Fall handelt es sich um sogenannte "PrepaidKarten" für Mobilfunkgeräte, die durch zusätzliche journalistische Services – wie den Abruf mobil verfügbarer Informationsangebote von BILD – angereichert werden. Dieser Service wird dadurch ermöglicht, dass mehr als zehn Mitarbeiter der BILD-Redaktion für dieses mobile Angebot tätig sind744. Als Ziel nannte die Verlagsgeschäftsführung vorab, eine deutlich sechsstellige Zahl von TelefonNeukunden pro Jahr zu gewinnen. Man wolle in diesem Markt "vorne mitspielen"745.
739
Quelle: Kongressvortrag Frau Hilbert. Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 6.7.2006. 741 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 22.9.2005 und Kongressvortrag Frau Hilbert, S. 43f. 742 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 14.5.2007. 743 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 15.10.2007. 744 Vgl. hierzu und zum Folgenden o. Verfasser (2007d), S. 15. 745 Brandt zitiert nach o. Verfasser (2007d), S. 15. 740
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Dieses Ziel zeigt die langfristig ausgelegte Strategie für die neuen Geschäftsfelder. So sieht auch der verantwortliche Manager diese explizit nicht als Aktionsgeschäft an746. Man könne nicht "[…] heute Bettwäsche machen, morgen Schinken verkaufen und übermorgen ein Fahrrad, sondern ich glaube, wir müssen uns mit einem Thema so befassen, dass das Potenzial da ist, sich dauerhaft in diesem Geschäftsfeld zu etablieren." 747
Es wird jedoch strategisch nicht angestrebt, in neuen Geschäftsfeldern unternehmerische Risiken einzugehen. Dieses bleibe dem medialen Kerngeschäft vorbehalten. So formuliert der Vorsitzende der Verlagsgeschäftsführung der Zeitungsgruppe BILD, Christian Nienhaus, dass man in erster Linie ein Medienunternehmen sei und nicht zum "größten Kaufhaus Deutschlands" werden wolle748. Für die neuen Geschäftsfelder, die BILD erschließt, stehen Umsatzziele im Vordergrund. Sie werden aber auch hier in unmittelbarer und mittelbarer Form angestrebt. Zum einen werden nur kommerziell attraktive Projekte durchgeführt749, zum anderen soll die Dachmarke durch die Produkte gestärkt und teilweise auch verbreitert werden, um so weitere Erträge in Gegenwart und Zukunft zu generieren750. Ideale neue Geschäftsfelder sind aus Sicht der Geschäftsführung durch Synergien zwischen gedrucktem und neuem Produkt geprägt751. Als Beispiele werden vor allem "BILD mobil" sowie sämtliche "Seite*1Girl"Produkte angegeben. Mit der geplanten Langfristigkeit der neuen Geschäftsfelder geht einher, dass die Kompetenzen selbst, aber auch die Wahrnehmung der Kompetenz in den verschiedenen neuen Geschäftsfeldern anwächst und von den Partnern auf die Marke BILD übertragen werden752. So werden weitere Wachstumspotenziale für die Zukunft angelegt.
746
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 81. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 81. 748 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 83. 749 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 76. 750 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 76. 751 Vgl. Brandt zitiert nach o. Verfasser (2007d), S. 15. 752 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 76. 747
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Das leicht messbare direkte Umsatzziel wurde bei nahezu allen Produkten weitestgehend erreicht753. Für Umsatz und (aufgrund der Geschäftsmodelle von "Volksprodukten" und den Produkten des "Merchandising"-Bereiches) auch für Profitabilität kann der Erfolg an der abgesetzten Menge gemessen werden. Die für die jeweiligen Märkte hohen Absatzzahlen haben häufig Rekorde gesprengt. Im rückläufigen Buchmarkt konnten beispielsweise 4,5 Mio. Exemplare der "Bestsellerbibliothek" abgesetzt werden, wobei 250.000 bisherige NichtBuchkäufer im Jahr 2004 durch BILD wieder ein Buch kauften754. Ein durchaus sehr weit in Haushalten verbreiteter Titel wie die "Bibel" konnte in neuer Ausstattung mehr als 0,5 Mio. Mal verkauft werden. Mit dem Produkt "BILD mobil" wurden so viele "Prepaid-Karten" für Mobiltelefone innerhalb einer Woche über Kioske abgesetzt, wie noch nie zuvor755. Weiterhin löste C&A bei der ersten "Seite*1Girl"-Dessous-Kollektion die höchste Einzelbestellung in seiner Geschichte aus. Eine Übersicht über die bekannten Absatzzahlen gibt Abb. 5-23:
753 754 755
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 77. Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hilbert, S. 4f. Quelle: Pressemeldung vom 19.10.2007.
236
Abb. 5-23:
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Veröffentlichte Absatzzahlen zu den neu erschlossenen Geschäftsfeldern bei der BILD-Zeitung
Produkt
Absatzzahlen
BILD Bestseller Bibliothek (2004)
Verkaufte Auflage: >4,5 Mio. Expl.
BILD-Comic-Bibliothek (2005)
Verkaufte Auflage: >1,5 Mio. Expl.
BILD-Natur-Bibliothek (2006)
Verkaufte Auflage: 150.000 Exemplare
BILD-Erotik-Bibliothek (2006)
Verkaufte Auflage: 228.000 Exemplare
BILD-Wissensbibliothek (2006)
Keine Angaben
BILD Bibeln (Volksbibel, Goldbibel, Immendorff-Bibel, Dürer Bibel, Papstbibel, Lichtbibel)
Verkaufte Auflage: > 1 Mio. Expl.
BILD Interactive (Computerspiele)
Verkaufte Auflage: 800.000 Stück p.a.
BILD Musik-CDs/DVDs
Meist um die 100.000 Expl. pro Titel
BILD Bekleidung (mit C&A)
570.000 verkaufte Produkte in 2006
"Seite*1Girl" Dessous und Oberbekleidung
>820.000 verkaufte Produkte zwischen 9/2005 und 11/2006
"BILD mobil" Prepaid-Karten
100.000 Sets innerhalb der ersten zwei Verkaufswochen
Quelle: Eigene Darstellung nach Kongressvortrag von Frau Hilbert, Pressemitteilungen und Fallstudieninterviews
Aber auch im Hinblick auf die indirekten Ziele des Aufbaus der neuen Geschäftsfelder zeigen sich die angestrebten Effekte: So sei durch die Aktivitäten der BILD-Sub-Marke "Seite*1Girl" die Marke BILD für junge Frauen nachweislich attraktiver geworden756. Die umfassende Präsenz von BILD an den Verkaufsstellen von C&A habe einen weiteren positiven Imageeffekt für die Muttermarke. Aber auch der Anzeigenverkauf für die Zeitung hat profitiert, da Anzeigenkunden die häufig gewünschten Leistungsnachweise durch den zählbaren Erfolg
756
Quelle hierzu zum Folgenden: Kongressvortrag Frau Hilbert.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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der BILD-Produkte direkt erhalten konnten und der Einsatz von Werbebudgets so kalkulierbarer ist757. Lediglich die "Volksprodukte" sind in Hinsicht auf die Ausstrahlungseffekte möglicherweise kritischer zu sehen. Sie sind nicht immer im Einklang mit den weiter unten beschriebenen Markenattributen und aus Sicht von anderen Branchenvertretern könnte hier eine kommerzielle Überdehnung der Marke erfolgen, die langfristig schadet758. Gleichzeitig scheinen die "Volksprodukte" die Ziele der neuen Geschäftsfelder wie Langfristigkeit der Bearbeitung von Geschäftsfeldern teilweise zu konterkarieren, da die Produkte nicht auf dieser Basis ausgewählt werden. Aber auch bei den im "Merchandising-Bereich" realisierten Ideen gab es Abstufungen des Erfolges, die zeigen, dass nicht alle von BILD erschlossenen neuen Geschäftsfelder automatisch Rekordabsatzzahlen erreichen: So sei z.B. der "BILD-Ökostrom" zwar in Bezug auf den Imageeffekt sehr erfolgreich gewesen, er blieb aber hinter den hochgesteckten Umsatzerwartungen zurück. Möglicherweise war die Kohärenz im Hinblick auf die Art und Weise des Verkaufs zwischen der Zeitung (Impulskauf am Kiosk) sowie anderen erfolgreichen Produkten und diesem nicht greifbaren Service (Direktvertrieb) zu gering und das Produkt darüber hinaus möglicherweise zu komplex759. Sämtliche neuen Geschäftsfelder sind bei BILD hochprofitabel. Aufgrund des Geschäftsmodells in Form der Markenlizensierung entspricht der Umsatz nahezu dem Deckungsbeitrag, weil die Kosten in Form von intern verrechneter Media-Leistung und Personalkosten sehr begrenzt sind760. Die Verantwortlichen bei BILD sehen es als Herausforderung für die Zukunft an, weitere massenmarktfähige Produkte zu entwickeln761. Denn auch BILD hat insbesondere bei den Buchreihen erlebt, dass die Zahl der verkauften 757
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 67. Quelle: Andere Fallstudieninterviews. 759 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 79. 760 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 83. 761 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 87. 758
238
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Exemplare sinken, da die Produkte stets spezieller werden. Allerdings biete die Marke eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten. Der Aufbau der neuen Geschäftsfelder erfolgt bei Axel Springer insgesamt ressourcenbasiert762: So formuliert der Vorstandsvorsitzende Dr. Mathias Döpfner im Kontext der Wachstumsbestrebungen, dass man sämtliche Aktivitäten an den Ressourcen ausrichte, für die der Verlag stehe: "[…] an Inhalten, Marken und Zielgruppen, an der Kompetenz zur Vermarktung sowie an der im Rubrikengeschäft bewiesenen Fähigkeit, Marktplätze zu schaffen.“763
Die Kernkompetenzen der BILD-Zeitung werden ähnlich gesehen, wie dieses im Theorieteil mit Selektions-, Aufbereitungs- und Kommunikationsfähigkeit für die Branche insgesamt formuliert worden ist. In der individuellen Ausgestaltung für BILD werden sie von den Verantwortlichen wie folgt beschrieben764: "BILD gibt Orientierung", "BILD setzt die Agenda", "BILD tut gut", "BILD erklärt Dir das Leben", "BILD macht Dir das Leben einfacher" und "BILD hilft Dir, Deine Meinung zu bilden". Diese zentrale Wertschöpfung aus Sicht der einen Kundengruppe (Leserschaft) wird durch die Kernkompetenzen aus der Sicht der anderen Kundengruppe (Anzeigenkunden) angereichert. Hiernach kann BILD aufgrund der hohen Reichweite eine sehr große Rezeptionsfläche schaffen und Kontakte generieren765. Diese Kernkompetenzen werden umfassend auf die neuen Geschäftsfelder übertragen766. Weiterhin ist das gewählte Geschäftsmodell von der ressourcenbasierten Sicht geprägt. BILD übernimmt nur den Teil der Wertschöpfung, der mit bereits im Unternehmen stark ausgeprägten Fähigkeiten und Assets zu leisten ist. Aus diesem Grund wählt man prinzipiell ein Vorgehen, bei dem der Partner die notwendigen komplementären Fähigkeiten einbringt. Dieser Rahmenbedingung entsprechend sei auch durchaus vorstellbar, ein Produkt ohne Partner zu etablie762
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S.81. Döpfner zitiert nach o. Verfasser (2007h). 764 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 61f. 765 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer. 766 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 61. 763
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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ren, wenn die notwendigen Fähigkeiten in starker Ausprägung bei Mitarbeitern des Hauses oder von Tochterunternehmen vorliegen767. Die weiterhin genutzte Ressourcenbasis liegt bei BILD vor allem im Asset der Marke768. BILD hat aus Sicht der verantwortlichen Manager eine hohe Markenstärke und die Marke "eine hohe Strahlkraft"769. Weiterhin habe man die Fähigkeit, zu beurteilen, ob ein Produkt modern und zeitgemäß sei, weil die Redaktion sehr stark am "Zeitgeist" arbeite. So verfüge die Redaktion, aber auch der die neuen Produkte betreuende Bereich zudem über die notwendige Innovationsfähigkeit, die zur Ideenfindung unumgänglich sei770. Man habe "die kreativste aller Redaktionen"771. Auf der Seite der Vermarktungsfähigkeit ist BILD ebenfalls mit umfassenden Fähigkeiten ausgestattet772. Dies gilt einerseits für den Anzeigenvertrieb, der Werbekunden in vergleichbaren Fragestellungen berät. Der bedeutendere Anteil der Fähigkeit ist jedoch im eigenen Marketingbereich verankert. Hier liegen umfassende Erfahrungen im Hinblick auf die Vermarktung eines Markenartikels – eben der BILD Zeitung selbst – vor. Diese Fähigkeiten werden für die Vermarktung der Produkte in den neuen Geschäftsfeldern umfassend genutzt. Neben diesen Ressourcen, die bereits bei mehreren Medien in unterschiedlicher Ausprägung festgestellt worden sind, kommt aus der Sicht der Akteure bei BILD ein weiteres sehr individuelles Bündel von Fähigkeiten hinzu. Man arbeite in einer: "[…] eigenartigen Mischung aus einer gewissen Spontanität, Schnelligkeit, Entscheidungsfreude auch bei größeren Dingen […] und dann einem Zusammenwirkung aller Kräfte, wenn es darauf ankommt."773
So seien die Projektbeteiligten bis in die Geschäftsführung "Macher" und "extrem praxisorientierte Menschen"774. Auch dies kann durchaus als Asset bezeichnet werden.
767
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 64. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 769 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 770 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 64. 771 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 64. 772 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 65. 773 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 774 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 768
240
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Der Innovationsprozess ist – nach dieser Aussage erwartungsgemäß – wenig formalisiert775. Man strebe vielmehr danach, ein konsequent innovationsorientiertes Klima zu schaffen. So werde versucht, "gelebte Kreativität" zu praktizieren, indem man: "[…] im Team etwas zulasse, was schwer zu beschreiben ist. Bei uns ist immer eine relativ gute Atmosphäre, wir schlagen intern mit unseren Kommentaren vielleicht auch mal über die Stränge […] und daraus ergibt sich dann auch die Bereitschaft, permanent irgendwelche Ideen zu kommunizieren."776
Dies wird auch durch die Beobachtung bei der Feldforschung gestützt, dass ein Konferenzraum als "Denkzelle" bezeichnet ist777. Der Auslöser für den Aufbau neuer Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 1) ist laut Aussage der handelnden Akteure nicht mit dem der SZ zu vergleichen778, weil zumindest auf der ökonomischen Seite keine Krisensymptome vorlagen. Der "Merchandising"-Bereich war bereits emergent entstanden und seit einigen Jahren aktiv, wie weiter unten dargestellt werden wird. Mit einem Wechsel an der Spitze der Marketingabteilung ging jedoch die Befürchtung einher, dass die "Merchandising"-Aktivitäten der Marke schaden könnten, wenn sie nicht von den Markenverantwortlichen gesteuert werden779. Diese Sicht ist möglicherweise durch die negative Entwicklung der Auflagenzahlen verstärkt worden, die eine noch stärkere Betonung auf die Markenführung mit sich brachte. Somit war der Auslöser für die "relationale Diversifikation" vor allem die komplette Reorganisation des Bereiches, die mit einem Personalwechsel an der Spitze einherging. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden – sicherlich auch durch den Erfolg der SZ geprägt – Umsatzvolumina angestrebt, die den Aufbau langfristig angelegter neuer Geschäftsfelder mit sich brachten und über das bisherige "Merchandising"Nebengeschäft weit hinausgingen. Der Ideenfindungsprozess bei den in diesem Bereich im Folgenden entstandenen Produkten ist durch ein innovationsorientiertes Klima geprägt. Man sieht 775
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 70. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 82. 777 Quelle: Fallstudienbeobachtung, S. 82. 778 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 779 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 69 . 776
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sich nicht als analytisch geprägtes Unternehmen, wie Konsumgüterhersteller dies sind780. Die Fallstudieninterviews und auch der gut dokumentierte Entstehungsprozess der "Seite*1Girl"-Produkte781 zeigen jedoch deutlich auf, dass sehr systematisch Ideen gesucht und weiterentwickelt werden. Die Ressourcenbasis bietet hierfür entsprechend der strategischen Suchfeldanalyse die Leitlinien und wird für das "Entwickeln" der Ideen herangezogen. Bei der Etablierung der Submarke "Seite*1Girl" wurde beispielsweise systematisch aus der Leserschaft, den bestehenden festen journalistischen Rubriken sowie der strategischen Zielsetzung, die Marke weiter für die Zielgruppe der jungen Frauen zu öffnen, ein entsprechendes neues Geschäftsfeld abgeleitet782. Man identifizierte "das schöne Mädchen von Seite 1"783 als journalistische Institution auf der man umfassend aufbauen könne784. Die hieraus abgeleiteten Produkte sind obenstehend bereits beschrieben worden. Grundsätzlich erfolgt die Ideengenerierung im "Merchandising"-Bereich785. Weiterhin werden in einer frühen Phase häufig ausgewählte Partnerpartnerunternehmen in den Prozess integriert (externe Integration). Auch die Redaktion wird je nach Art der Produkte zu einem frühen Zeitpunkt einbezogen (interne Integration). Es kommt allerdings auch vor, dass die Redaktion von sich aus Ideen einbringt. Dies gilt vor allem für Produkte, an denen die Redaktion journalistisches Interesse hat – daher zumeist bei verlagsnahen Geschäftsfeldern. Sämtliche Ideen entspringen somit entweder einem kreativen Prozess, der oben als "Explorieren" oder "Erfinden" beschrieben ist oder einem "Entwicklungsprozess" auf Basis der bestehenden Ressourcen. Ein Vernetzung mit Marktanalysen findet während der Ideengenerierung nicht statt786. Die Analyse des Marktes erfolgt im Sinne einer Filterfunktion erst, nachdem die Idee entwickelt wurde.
780
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75 . Quelle: Kongressvortrag von Frau Hilbert, S. 12ff. 782 Quelle: Kongressvortrag von Frau Hilbert, S. 12ff. 783 Quelle hierzu und zum Folgenden: Imagebroschüre "Gestatten: BILD", S. 1. 784 Dieses im Pin-up-Stil veröffentlichte Nacktfoto erscheint seit 22 Jahren. Quelle: Imagebroschüre "Gestatten: BILD", S. 1. 785 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 64. 786 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 64f. 781
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Die Marke BILD ermöglicht aus Sicht der handelnden Akteure im Vergleich zu Wettbewerbern aus den Printmedien einen ungleich breiteren Korridor an (auch verlagsfernen) Möglichkeiten für neue Geschäftsfelder787. Die Strategie von BILD in Bezug auf die neuen Geschäftsfelder besteht weiterhin – wie bereits oben angedeutet – darin, sukzessiv neue Kompetenzfelder aufzubauen. Daher werde in jedem Jahr die Neuerschließung eines Geschäftsfeldes als strategisches Ziel formuliert. Dieses werde im jeweils folgenden Geschäftsjahr schwerpunktmäßig neben der Weiterführung bisheriger Kompetenzfelder und Einzelaktionen bearbeitet. Die Verantwortlichen formulieren als Erfolgsfaktor die immer für den Leser sichtbare Verbindung zwischen der BILD-Zeitung und den neuen Geschäftsfeldern788. Dies entspricht der formulierten Ressourcenorientiertheit. Weiterhin scheinen vor allem Produkte erfolgreich zu sein, die mit wenig "Involvement" spontan erworben werden. Es sind daher neue Geschäftsfelder mit Produkten von geringer Komplexität, die erfolgversprechend sind. Aus diesem Grund wurde z.B. die Idee eines "BILD-Hauses" verworfen789 und auch die Erfahrung mit dem "BILD-Ökostrom" weist – wie oben geschildert – in diese Richtung. Im Hinblick auf ein strategisches Timing ist es BILD wichtig, keine Geschäftsfelder zu etablieren, die sehr lange Vorlaufzeiten haben, um Produkte zu realisieren790. Das Zeitungsprodukt als Basis erfordere schnelle Reaktions- und Ausgestaltungsmöglichkeiten. Deshalb hat man sich beispielsweise gegen das Geschäftsfeld "Parfum" entschieden, weil dieses Vorlaufzeiten von 12-18 Monaten erfordere. Die Definition der Wertschöpfung wurde obenstehend bereits mit dem prinzipiell verwendeten Partnermodell beschrieben. Hiermit wird das Risiko begrenzt. Aber auch die Erlöspotenziale verlaufen nur linear, da BILD einen festen 787
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 65. 789 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 67. 790 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 71. 788
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Anteil der Stückerlöse erhält791. Bei der Ausgestaltung der Produktidee bringt sich BILD umfangreich ein. Somit geht das Geschäftsmodell deutlich über ein klassisches Lizenzmodell hinaus. Gemeinsam mit dem Partner wird ein Produkt neu entworfen und wird exklusiv als BILD-Produkt vermarktet. Aufgrund der Erfahrungen, die BILD mittlerweile in verschiedenen neuen Geschäftsfeldern gemacht hat, würde sich der verantwortliche Bereich durchaus auch eine noch weitergehende Wertschöpfung zutrauen, was allerdings von der Geschäftsführung nicht angestrebt wird792. Neben der Maximierung der Erlöse wären somit auch höhere Freiheitsgrade in Hinblick auf die Produkte möglich, denn im bisherigen Modell sind nur Produkte realisierbar, für die ein passender Partner gefunden werden kann. Die Marke (Kernhandlungsfeld 2) stellt bei BILD das zentrale Asset für die neuen Geschäftsfelder dar793. Daher kommt der Markenstrategie eine hohe Bedeutung zu. Die Architektur der Marke ist auf oberster Ebene eine typische Familienmarkenstrategie794. Der Familienmarke "BILD" sind verschiedene Sub-Marken wie "BILD am Sonntag", AUTOBILD etc. untergeordnet. Die Familienmarke entstammt der Zeitung. Bei dieser und der ihr untergeordneten neuen Geschäftsfelder, die hier thematisiert sind, tritt BILD zumeist als Dachmarke in Erscheinung, die erklärende Zusätze hat (z.B. bei "BILD-Ökostrom", "BILD ComicBibliothek" etc). Bei "BILD mobil" werden erste Ansätze deutlich, weitere eigenständige Sub-Marken unterhalb der Familienmarke zu etablieren. Vollendet wurde dieser Ansatz bereits bei der Marke BILD "Seite*1Girl". Diese Submarke wurde bereits umfassend und eigenständig etabliert. BILD wird hier nur als Familienmarke mitgenannt. Der Markenkern von BILD ist mit "BILD tut gut" umschrieben und soll auf die neuen Geschäftsfelder übertragen werden. Er bildet daher auch das zentrale 791
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 83. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 83. 793 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 75. 794 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kamann (2003), S. 186f. 792
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Filterkriterium für neue Produkte795. Die Marke steht gemäß dem bei BILD formulierten Markenleitbild für die "Tragödie und Komödie" des Lebens. Es gelte daher, mit allen Produkten ein positives, emotionales Produkterlebnis zu vermitteln. Weitere Markenattribute speisen sich aus der Mission der Zeitung, "Anwalt des kleinen Mannes"796 zu sein. So trägt die Marke das Attribut, Komplexes vereinfachen und erklären zu können. Weiterhin stehe die Marke dafür, herausragende Preis-/Leistungsverhältnisse für den Leser zu identifizieren – bei den neuen Geschäftsfeldern somit, Produkte mit einem solchen Preis-/Leistungsverhältnis anzubieten. Ein weiteres Attribut sei Massenkompatibilität und durch die Position als größte Zeitung und "Meinungsmacher" würden BILD auch Marktführerattribute beigemessen797. Nischenprodukte mit geringer Stückzahl sind daher von vornherein nahezu ausgeschlossen. Auf Basis dieser Attribute werde der Marke von Kundenseite ein hohes Vertrauenspotenzial entgegengebracht, das einerseits nutzbar sei, auf der anderen Seite aber nicht beschädigt werden dürfe798. Bei BILD erfolgt eine umfassende Übertragung der Markenattribute auf sämtliche neuen Geschäftsfelder799. Aber es findet auch die Rückübertragung von neu geschaffenen Attributen statt, wie am Beispiel der "Seite*1Girl"Produkte gezeigt. Ein weiteres Beispiel für den positiven Imagerücktransfer bilden sowohl die "BILD Bibeln" als auch der "BILD-Ökostrom". Diese waren in der Öffentlichkeit umfassend präsent und wurden mit (bei BILD ungewohnt) positiver Kritik bedacht bzw. auf hohem Niveau inhaltlich diskutiert, was einen positiven PR-Effekt bedeutete. Aufgrund der berücksichtigten Rahmenbedingungen für die BILD-Produkte des Merchandisingbereiches sehen die Verantwortlichen wenig Risiken, die
795
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 76. Quelle: Kongressvortrag Frau Hilbert. 797 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 61f. 798 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 76. 799 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 77f. 796
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Marke zu überdehnen800. Diese biete aufgrund ihrer Markenattribute und Kernkompetenzen vielmehr umfassende Möglichkeiten für Ansatzpunkte. Wie oben dargestellt, kann diese Sicht für die "Volksprodukte" nur eingeschränkt eingenommen werden, da bei diesen keine Orientierung an den strategischen Leitlinien oder den Markenattributen erfolgt. Es besteht insbesondere die Gefahr, dass das Vertrauenspotenzial, welches der Marke zugemessen wird, durch die offensichtlich kommerzielle Ausrichtung langfristig Schaden nehmen könnte. So stellt sich die Frage, ob die Bearbeitung von ähnlichen Geschäftsfeldern seitens zweier verschiedener Geschäftsbereiche auch in Zukunft fortgesetzt werden kann. Die Organisation (Kernhandlungsfeld 3) zur Erschließung neuer Geschäftsfelder lässt sich bei BILD in zwei Phasen untergliedern. Die erste Phase ist durch die Erweiterung redaktioneller Aktivitäten geprägt801. So entstand in den 1990er Jahren in der Redaktion die Idee, den "Schlager Grand Prix" zu nutzen und in diesem Kontext eine "BILD CD" zu produzieren. Aufgrund des dabei erzielten Erfolges wurden diese Aktivitäten ausgebaut. Organisiert und verantwortet wurden die Aktivitäten von einem geschäftsführenden Redakteur, der die Fähigkeit mitbrachte, entsprechende Projekte erfolgreich auszuhandeln und umzusetzen. Auf dieser Basis entstand der Bereich "Merchandising"802. Dieser wuchs schnell auf drei Mitarbeiter an. Allerdings stockten die Aktivitäten nach einer gewissen Zeit, weil die Abstimmung mit der Redaktion, der der Bereich nicht mehr angehörte, nicht wie erwünscht erfolgte. Andererseits war der bisher der Redaktion nahestehende Bereich noch nicht darin erfolgreich, die Geschäftsführung von der Notwendigkeit zu überzeugen, umfassend Media-Leistung zur Verfügung zu stellen. Hinzu kamen teilweise fragwürdige Produkte, wie eine Puppe des von BILD protegierten Künstlers Dieter Bohlen ("Wackeldieter"), die kaum einen "Fit" zur Marke BILD aufwiesen und wenig erfolgreich waren. Mit der Neubesetzung der Position der Werbeleitung mit Karin Hilbert wurde der Bereich komplett reorganisiert, der Werbeleitung unterstellt und Dr. 800 801 802
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterviews mit Frau Hilbert und Herrn Dr. Dömer. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 68. Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 21.4.1999.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Markus Dömer als neuer Leiter eingesetzt803. Sämtliche kaufmännischen Aktivitäten wie die Business-Planungen wurden in diesem Zuge professionalisiert und neue Mitarbeiter eingestellt804. Der Bereich umfasst heute neben seinem Leiter und einer Assistentin zwei Produktmanager. Die geringe Größe des Bereiches trotz der Vielzahl der Aktivitäten ist direktes Resultat des Geschäftsmodells, sämtliche Aktivitäten mit Partnern umzusetzen. Die Aufteilung der Mitarbeiter auf Themenfelder erfolgt nach Interesse. Beim Aufbau der Abteilung war die Zielstellung, sowohl Mitarbeiter mit Erfahrung in Werbeagenturen einzustellen als auch Fähigkeiten aus dem Handels- oder Produktmanagementbereich zu integrieren805. Weiterhin wurde für die Leitungsfunktion ein unternehmerischer Managertypus gesucht. Die Mischung aus konzernfremden Mitarbeitern und bestehenden BILD-Mitarbeitern sollte weiterhin gewährleisten, dass einerseits neue Sichtweisen integriert werden, aber andererseits auch Kenner der Marke eine Kontinuität gewährleisten. All diese Parameter konnten bei der Besetzung des Bereiches realisiert werden. So ist das Vorgehen bei "BILD Merchandising" heute spürbar vom Hintergrund seines Verantwortlichen geprägt, der bereits das eigene im Bereich Konsumgüter tätige Familienunternehmen geführt hat. Die zunehmende Bedeutung juristischer Themenstellungen ist in der Zwischenzeit auch dadurch berücksichtigt worden, dass der auf Karin Hilbert folgende Leiter der Marketingabteilung einen entsprechenden beruflichen Hintergrund hat806. Die interne Integration von weiteren Fähigkeiten umfasst vor allem sämtliche für das Marketing notwendigen Aktivitäten. Hier kann der Bereich "Merchandising" auf mehrere Ansprechpartner in der Werbeabteilung zugreifen, um Werbekampagnen zu erstellen bzw. extern erstellen zu lassen oder Media-
803
Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 31.3.2004. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 69. 805 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 69. 806 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 29.11.2006. 804
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Leistung abzurufen807. Auch das Controlling wird von diesem Bereich übernommen. Die Verantwortlichen unterscheiden weiterhin "normale Projekte" und "voll integrierte Projekte"808. Hiermit ist die Integration der Redaktion beschrieben. Bei solchen "voll integrierten Projekten" wird diese durchgehend einbezogen. Bei der späteren Vermarktung erfolgt dann auch eine redaktionelle Unterstützung durch Artikel im Blatt. Aufgrund ihrer journalistischen Unabhängigkeit ist die Redaktion komplett frei, sich in die neuen Geschäftsfelder einzubringen. Sie tut dieses vor allem in verlagsnahen Geschäftsfeldern und entscheidet in solchen Projekten umfassend über die Ausgestaltung des Endproduktes mit. Ein definierter Ansprechpartner in der Redaktion sowie die Beteiligung an Redaktionskonferenzen sind als Schnittstellen zwischen den Bereichen etabliert809. Die externe Integration erfolgt durch sämtliche Fähigkeiten, die das jeweilige Partnerunternehmen einbringt. Darüber hinaus werden externe Agenturen für die Gestaltung von Werbekampagnen und bei großen Projekten auch externe Rechtsberatung beauftragt. In solchen Projekten werden meist auch freie Mitarbeiter und externe Berater hinzugezogen. Dies kann wie bei dem jüngsten Produkt "BILD mobil" zu Projektteamgrößen von 60 Personen führen810. Die Verantwortung für neue Produkte hat operativ der Leiter des Bereiches "Merchandising". Nächste Entscheidungsinstanz ist die Werbeleitung, die als einziger Bereich direkt an die Verlagsgeschäftsführung angegliedert ist. In allen wesentlichen Fragestellungen entscheidet letztlich der Vorsitzende der Verlagsgeschäftsführung, zu dem der Bereich auch einen direkten Zugang hat. Diese Position in der Organisationsstruktur gewährleistet aus Sicht der Akteure einen schnellen Entscheidungsweg für strategische Fragestellungen811.
807
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 69. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 78. 809 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 69. 810 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 85. 811 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 70. 808
248
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Im Fall der "Volksprodukte" werden alle Aktivitäten vom separaten Joint Venture BILD.T-Online verantwortet812. Allerdings ist der dortige Vorstand sowohl mit dem Chefredakteur der BILD-Zeitung als auch einem Mitglied der Verlagsgeschäftsführung der Zeitungsgruppe BILD besetzt. Wandelbarrieren waren und sind bei BILD wenig ausgeprägt. Dies scheint durch mehrere Faktoren begründet zu sein. Zum einen sind die Aktivitäten nicht aus einer ökonomischen Notwendigkeit heraus angestoßen worden813. Weiterhin ist der Bereich "Merchandising" an die Marketingabteilung angeschlossen, wodurch der behutsame Umgang mit der Marke gewährleistet ist. Auf der anderen Seite betont die Redaktion zwar ihre Unabhängigkeit. Da es sich um ein Boulevardprodukt handelt, ist aber ihre Sorge um einen Konflikt zwischen journalistischen und kommerziellen Zielen möglicherweise geringer ausgeprägt. Vielmehr sieht man die Orientierungs- und Servicefunktion der Zeitung auch in den Produkten als erfüllt an und unterstützt mit Berichterstattung nur dann, wenn auch inhaltliche Hoheit über das Produkt besteht, wie dies bei "voll integrierten Produkten" der Fall ist. Weiterhin führt der Erfolg der Produkte zu einem intensiven und entspannten Kontakt zwischen dem für die neuen Geschäftsfelder verantwortlichen Bereich und der Redaktion. Auch von Seiten des Anzeigenverkaufs bestehen aufgrund der dargestellten Vorteile (den Erfolg der Media-Leistung auf diesem Weg Kunden darstellen zu können) wenig Vorbehalte. Zudem erfolgt sowohl im Hinblick auf die "Volksprodukte" als auch auf die Aktivitäten des Anzeigenbereiches eine Abstimmung der Aktivitäten, um möglichst nicht zur selben Zeit die gleichen Märkte zu bearbeiten814. Die Filterung von Ideen für neue Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 4) orientiert sich an strategischen und operativen Parametern, die der Verantwortliche Dr. Markus Dömer frühzeitig eingeführt hat:
812
Quelle: www.bild.t-online.de/BTO/corporate-site/unternehmen/unternehmen-vorstand.html, abgerufen am 10.11.2007. 813 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer. 814 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 62.
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Die als notwendig angesehene Verbindung zur Ressourcenbasis schlägt sich darin nieder, dass alle Produkte den Anspruch "BILD tut gut" erfüllen müssen815. In der Konkretisierung heißt das wie beschrieben, dass ein Produkt positiv emotional aufgeladen sein muss. Es soll weiterhin massenkompatibel sein und ein herausragendes Preis-/Leistungsverhältnis bieten. Der absolute Preis muss in der jeweiligen Produktklasse ebenfalls niedrig sein. Darüber hinaus ist das partnerschaftliche Geschäftsmodell ohne die Übernahme unternehmerischer Risiken für BILD ein zu berücksichtigender strategischer Parameter816. Die Anforderungen in Hinblick auf operative Fragestellungen stellen vor allem eine Filterfunktion für den beteiligten Partner dar. Eine erste Anforderung liegt in der bereitzustellenden Absatzmenge. Wie oben beschrieben, wurden von sämtlichen BILD-Produkten für die jeweiligen Geschäftsfelder sehr hohe, oft siebenstellige Stückzahlen abgesetzt. Das geht mit der Bedingung an den Partner einher, diese überhaupt bereitstellen zu können817. Hieran schließen sich Anforderungen an Qualitäts- und Prozessstandards an, da die Beschädigung der Marke BILD stets ausgeschlossen werden muss818. Nicht zuletzt hat man hohe Anforderungen an die bei BILD verbleibende Marge. Schließlich ist profitabler Umsatz das mit diesen Geschäftsfeldern angestrebte Ziel. Ist der Innovationsprozess eher informell gestaltet, so folgt die wirtschaftliche Planung der neuen Geschäftsfelder sehr wohl formalen Prozessen819. Eine standardisierte Business-Planung ist direkt mit der Etatplanung verbunden. Aufgrund der Organisationsstruktur, in der der "Merchandising"-Bereich der Werbeabteilung unterstellt ist, findet bei den meisten externen Werbemaßnahmen keine Weiterbelastung der Media-Leistung statt. Vielmehr wird oft das Media-Budget genutzt, das der Gesamtmarke zur Verfügung steht. Für eine solche fallweise Entscheidung ist jedoch ein vielversprechender Business-Plan Voraussetzung. 815
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 81. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 80. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 71. 818 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 80. 819 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 70 und Herrn Dr. Dömer, S. 87. 816 817
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Dieses Vorgehen entspricht auch der Maßgabe, dass die neuen Geschäftsfelder – wie oben beschrieben – neben Umsatzzielen auch der Marke nützen sollen. Bei Nutzung von Media-Leistung innerhalb der "Zeitungsgruppe BILD" oder anderen Publikationen des Verlagshauses findet zumeist eine Weiterberechnung der Media-Leistung in Höhe der normalen internen Verrechnungssätze statt, die sich an den Herstellungskosten orientiert. Die Nutzung interner Ressourcen (z.B. der Werbeabteilung) wird nicht auf die Produkte als Kosten verrechnet. Da externe Kooperationspartner die umfassende Kenntnis über die absetzbaren Stückzahlen in neuen Geschäftsfeldern einbringen, wird zumeist auf Marktforschung verzicht820. In einzelnen, sehr großen Projekten wurde hiervon jedoch abgewichen und zur Absicherung der Business-Planung Marktforschung mit externen Agenturen betrieben. Die Nutzung der Marke BILD ist für die neuen Produkte essentiell. Vor allem die Marke selbst sowie die Vermarktungsfähigkeit ermöglichen, die neuen Geschäftsfelder zu geringen Kosten zu erschließen821. Somit kommt auch dem Produktlaunch (Kernhandlungsfeld 5) und der damit einhergehenden umfangreichen Vermarktung eine hohe Bedeutung zu. Bei Projekten mit hohen Umsatzzielen muss aus Sicht der handelnden Akteure auch eine große werbliche Präsenz erzeugt werden. Die hohe Media-Leistung, die Axel Springer und hier insbesondere die BILD in die Bewerbung ihrer Produkte investiert hat, lässt sich daran ablesen, dass der Gesamtverlag mit 9,7 Mio. Euro Brutto-Werbeleistung zwischen Januar und Ende September 2007 der größte Buchwerber in Deutschland war, ohne dass überhaupt Buchverlagsaktivitäten im Kerngeschäft existieren822. Zur direkten Media-Leistung kommt bei verlagsnahen (voll integrierten) Produkten die Werbewirkung, die durch redaktionelle Begleitung erzeugt werden kann. Treffend beschreibt die ehemalige Werbeleiterin den Effekt: "Wenn der Chefredakteur Kai Diekmann beim Papst mit der BILD Bibel ist und der signiert sie – so viele Plakate kann ich gar nicht schalten. Dadurch erzielt man auch einen enormen PR-Effekt, weil dieses Bild an vielen anderen Stellen auftaucht."823 820
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 70. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 67. 822 Quelle: Thomson Media Control zitiert nach Werben&Verkaufen Nr. 41/2007, S. 78. 823 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 71. 821
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
251
Hier habe BILD als Boulevardzeitung allerdings andere Möglichkeiten als andere Printmedien824. Auch die ebenfalls in diesem Handlungsfeld erfasste Distributionsstrategie ist stark von der Ressourcenbasis geprägt. Da die Kaufzeitung BILD anders als Abonnementszeitungen keinerlei Daten über die eigenen Kunden hat und Kunden die übrigen Produkte von BILD ähnlich spontan kaufen wie die Zeitung825, spielt der Direktvertrieb kaum eine Rolle826. Somit ist man einerseits auf den margenschwachen Presseeinzelhandelsvertrieb und Buchhandel angewiesen. Andererseits werden grundsätzlich die Vertriebskanäle der Partner genutzt. Bei den "Volksprodukten" ist dies sogar der einzige Distributionsweg. Die Nutzung der herausragenden Distributionsstruktur des Verlages Axel Springer wird beispielhaft auch beim aktuellsten Produkt deutlich. So ist die "BILD mobil" Prepaid-Karte deutschlandweit in über 11.000 Pressefachgeschäften sowie an fast allen Tankstellen zu erwerben827. Im Hinblick auf die Steuerung der Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) ist vor allen Dinge das Partnerschaftsmodell beachtenswert, dass dem "Sourcing" für die neuen Geschäftsfelder zuzurechnen ist. Die Leitlinien dieses Modells sind gut dokumentiert und von den Verantwortlichen klar beschrieben. Gemeinsame Projekte erfolgen unter fünf Prämissen828: So werden offene, kollegiale und klare Absprachen angestrebt (1) und das Geschäftsmodell als "Win-win-Situation" gestaltet (2). Man will keinesfalls "Abenteuer", lediglich "kalkulierbare Risiken" eingehen (3) und die "(Kern-) Kompetenzen beider Partner" nutzen (4). Damit geht ein "Vetorecht" (5) von beiden Seiten einher. Aufgrund der bereits im Kernhandlungsfeld 4 dargelegten Filterung werden die Geschäfte fast ausschließlich mit gleichwertigen Partnern betrieben829. Die 824
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 71. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 72. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 72. 827 Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 15.10.2007. 828 Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag von Frau Hilbert, S. 22f. 829 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Dr. Dömer, S. 87. 825 826
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Attraktivität der möglichen gemeinsamen Projekte und die Größe von BILD führen jedoch dazu, dass Partner problemlos gefunden werden können. Die Integration in übergeordnete Systeme ist bei BILD weniger relevant, da zumeist kein Direktvertrieb realisiert wird und so keine direkte Kundenbeziehung vorhanden ist. Im Hinblick auf die Integration in Konzernprozesse ist man zum Erhalt der unternehmerischen Flexibilität nicht dazu übergegangen, beispielsweise die Einkaufsabteilung an Partnerschaftsgesprächen zu beteiligen. Hier wird die Integration eher vermieden. Die Steuerung des Portfolios und sämtliche Aktivitäten zum Risikomanagement sind aufgrund des gewählten Geschäftsmodells ebenfalls wenig relevant. Die Portfoliosicht wurde bereits dahingehend dargestellt, dass in jedem Jahr ein Schwerpunktthema bearbeitet wird. Die Kontrollfunktion der Einzelaktivitäten erfolgt über einen kontinuierlichen Abgleich der tatsächlichen Absätze mit der Business-Planung830. Hierdurch ergeben sich reaktive Steuerungsmöglichkeiten insbesondere über den Einsatz von Media-Leistung. Aufgrund der geringen Fixkosten und der nur partiell anfallenden Verrechnungskosten für MediaLeistung verbleibt aber – wie strategisch angestrebt – das unternehmerische Risiko bei den Partnerunternehmen.
830
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hilbert, S. 70.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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5.2.2.4 Gruner + Jahr/BRIGITTE Nachdem drei sehr unterschiedliche Fallstudien zum Aufbau neuer Geschäftsfelder bei verschiedenen Typen von überregionalen Zeitungen vorgestellt worden sind, sollen nun die Zeitschriften primär betrachtet werden. Hierfür konnte mit Gruner + Jahr (im Folgenden G+J) eines der bedeutendsten Unternehmen in diesem Segment gewonnen werden. Da bereits in Vorstudien deutlich wurde, dass anders als bei den bisher betrachten Fällen G+J zentrale Unterstützungsbereiche für die Wachstumsbestrebungen eingerichtet hat, wird diese Besonderheit einen weiteren Schwerpunkt der Darstellung bilden. G+J ist Teil des Bertelsmann-Konzerns, der mit knapp 20 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2006 eines der größten Medienunternehmen weltweit darstellt831. Knapp 100.000 Mitarbeiter sind bei Bertelsmann für sämtliche Arten von Medienaktivitäten in 63 Ländern der Welt tätig. Das Unternehmen ist dezentral aufgestellt und die einzelnen Geschäftsbereiche agieren eigenständig. G+J bearbeitet als ein solch eigenständiges Unternehmen den Markt der Printmedien, Zeitungen und Zeitschriften, wobei letztere das Hauptgeschäftsfeld darstellen. Hinzu kommen das Druckereigeschäft und weitere Dienstleistungen. Insgesamt werden 285 Zeitschriften und Zeitungen in über 20 Ländern verlegt832. Neben Bertelsmann (74,9 Prozent der Anteile) ist auch die Familie Jahr an G+J beteiligt (25,1 Prozent). Der Verlag ist mit 2,9 Mrd. Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2006 der führende Zeitschriftenverlag Europas und beschäftigt knapp 15.000 Mitarbeiter. Das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Operating EBIT) lag 2006 bei 277 Mio. Euro833. Auch G+J hat im letzten Jahrzehnt Umsatzeinbußen hinnehmen müssen, strebt jedoch an, bis zum Jahr 2010 eine deutliche Umsatzsteigerung auf 3,5 Mrd. Euro zu erreichen834. Dies entspricht einem Anstieg von 22 Prozent bzw.
831
Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.bertelsmann.de/bertelsmann_corp/wms41/bm/index.php?ci=7, abgerufen am 21.11.2007. Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.bertelsmann.de/bertelsmann_corp/wms41/bm/index.php?ci= abgerufen am 21.11.2007. 833 Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.guj.de, abgerufen am 21.11.2007. 834 Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.guj.de, abgerufen am 21.11.2007. 832
254
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
jährlich 5 Prozent835. Entsprechend ist die Strategie auf Wachstum ausgerichtet. Eine Übersicht über die bisherige und geplante Umsatzentwicklung gibt Abb. 5-24.
Abb. 5-24:
Bisherige und geplante Umsatzentwicklung von Gruner + Jahr
Umsatz [Mrd. EUR] 2,5 2,6
3,5 2,8
2,9
3,0
3,0
2,8
2,5
2,4
2,6
2,9
96/97 97/98 98/99 99/00 00/01 2001 2002 2003 2004 2005 2006 PF
Quelle: Geschäftsberichte und Bilanzpressekonferenzen G+J
2010 Plan
Das Unternehmen G+J ist in fünf Bereiche unterteilt836, wobei die Bereiche "G+J Deutschland" sowie "Corporate Services" für diese Arbeit besonders relevant sind. In Deutschland gibt G+J 40 Zeitschriften heraus837. Darunter befinden sich viele führende Titel der jeweiligen Zeitschriftensegmente (vgl. erneut Abb. 3-6) wie STERN, NEON, BRIGITTE, CAPITAL, AUTO MOTOR UND SPORT, GALA, ELTERN, SCHÖNER WOHNEN, ESSEN&TRINKEN, GEO und NATIONAL GEOGRAPHIC. Bei aller Verschiedenheit der Magazine ist die Qualitätsorientierung im Hinblick auf journalistische Inhalte und optische Darstellung ein übergreifendes Merkmal.
835 836 837
Quelle: Eigene Berechnungen. Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.guj.de, abgerufen am 21.11.2007. Quelle hierzu und zum Folgenden: Eigendarstellung unter www.guj.de, abgerufen am 21.11.2007.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
255
Der Vorstand sieht das Unternehmen in einem schwierigen Branchenumfeld, da die Zeitschriftenmärkte gesättigt seien838. Hierdurch und durch die veränderte Mediennutzung sei kaum organisches Wachstum im Printgeschäft möglich. Diese Entwicklung gehe mit dem Risiko einher, dass Markenwerte sinken und somit mittelbar auch der Unternehmenswert reduziert werde839. Um diesem Szenario entgegenzuwirken, wurde bei G+J im Jahr 2006 eine Wachstumsinitiative unter dem Titel "Expand your Brand" kommuniziert und die Umsetzung begonnen. Ziel ist es, die als Zeitschriften etablierten Marken des Unternehmens auf neue mediale Kanäle und Geschäftsfelder zu erweitern. So sollen die bisherigen Zeitschriftenmarken in einer Zukunft mit verändertem Mediennutzungsverhalten "Relevanzmarktführer" in den jeweiligen Themengebieten bleiben840. Denn das Medienprodukt das inhaltlich relevant sei, könne eine große Reichweite bei Medienkonsumenten erzeugen und so Umsätze generieren. Zusammengefasst wird diese Sicht von den Verantwortlichen als strategische Abfolge "relevance, reach, revenue"841. Die bereits in diesem Kontext erschlossenen neuen Geschäftsfelder erzielten im Jahr 2006 bereits einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Umsatz842. Mittelfristig sollen so jedoch 20 Prozent des Gesamtumsatzes erbracht werden. Dass auch diese Wachstumsstrategie ressourcenbasiert ist, zeigt die zusammenfassende Aussage des Vorstandsvorsitzenden Bernd Kundrun: "Wir beschränken unseren Blick daher nicht mehr länger auf das Medium Magazin. Sondern wir wollen das Potenzial unserer Marken jenseits von Print ausbauen und erschließen. Dieser Leitlinie folgend, haben wir die Initiative 'Expand your Brand' ins Leben gerufen. Wir nutzen unsere starken Marken, unsere Kenntnisse der Leserbedürfnisse, unsere redaktionellen Kompetenzen, um neue Ideen und neue Geschäftsfelder zu kreieren."843
Trotz der hohen Wachstumsziele wird daher bei G+J vor allem auf internes Wachstum gesetzt und nur vereinzelt werden Akquisitionen getätigt844.
838
Vgl. hierzu und zum Folgenden Kundrun zitiert nach o. Verfasser (2007g). Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 30, 32. 840 Vgl. hierzu und zum Folgenden Rinsum/Lipinski (2007), S. 16. 841 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 33. 842 Vgl. hierzu und zum Folgenden Buchholz zitiert nach Pimpl/Hegner (2007). 843 Quelle: G+J Geschäftsbericht 2006, S.7. 844 Vgl. Schütz/Elfers (2007). 839
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Die Wachstumsinitiative ist vor allem durch zwei Aktivitätenbereiche geprägt: Zum einen wird umfassend versucht, sämtliche Marken zu digitalisieren, d.h. entsprechende Internetangebote in Form von Communities und Themenplattformen zu schaffen. Dieser Weg sei besonders naheliegend, weil sich die Mediennutzung und damit auch die Werbebudgets in diesen Kanal verlagern. Zum anderen werden die einzelnen Marken mit verlagsnahen Produkten (Bücher-, CD-, DVD-Editionen) oder verlagsfernen Produkten (Möbel, Kleidung, Messen etc.) ergänzt. Der Leiter des Bereiches "Zentrales Merchandising" bei G+J formuliert drei Wege, die der Verlag im Hinblick auf diese Art der neuen Geschäftsfelder im Jahr 2007 eingeschlagen hat845: Zum einen werden erfolgreiche Projekte selektiv fortgesetzt (1). Weiterhin werde man versuchen, erfolgreiche Produktkonzepte auf andere Marken des Hauses zu übertragen (2). Schließlich werden zunehmend Geschäftsfelder erschlossen, in denen verlagsferne Produkte vertrieben werden (3). Für sämtliche neuen Aktivitäten stehen umfassende Ressourcen zur Verfügung und werden im Zuge der Wachstumsinitiative in Bereiche umgesteuert, die nicht auf Printmedien orientiert sind846. Der bisherige Anteil von zwei Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung bleibe in entsprechender Höhe erhalten. Die Ressourcen werden aber zu ca. 80 Prozent auf "Expand your Brand"-Aktivitäten alloziiert. Die Aktivitäten von G+J werden im Folgenden anhand der Frauenzeitschrift BRIGITTE erläutert, da hier eine Vielzahl von Maßnahmen bereits umgesetzt worden ist. Wo immer dieses sinnvoll erscheint, wird auf andere Titel des Konzerns und titelübergreifende Aktivitäten verwiesen. BRIGITTE ist Deutschlands meistgelesene klassische Frauenzeitschrift und eine traditionelle, über 50 Jahre alte Marke847. Aufgrund dieser langen Historie steht die 14-täglich erscheinende BRIGITTE nahezu synonym für das ganze Zeitschriftensegment der Frauenzeitschriften. Das Themenspektrum der Zeit845 846 847
Vgl. hierzu und zum Folgenden Korda zitiert nach o. Verfasser (2006i). Vgl. Kundrun nach o. Verfasser (2007g) und Rinsum/Lipinski (2007). Vgl. Pimpl (2006).
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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schrift ist breit. Die Redaktion berät ihre Leserinnen in den Bereichen Mode und Kosmetik, berichtet aber auch über die Felder Politik, Kultur, Psychologie, Partnerschaft, Medizin, Ernährung, Umwelt und Beruf848. Zwar ist die Auflage der Zeitschrift im letzten Jahrzehnt gefallen, wie die Abb. 5-25 verdeutlicht. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es parallel zu einer Ausdifferenzierung innerhalb der Zeitschriftengruppe BRIGITTE gekommen ist. So erscheint seit 2004 regelmäßig "BRIGITTE Woman", die sich an die Zielgruppe der über 40jährigen Frauen wendet. Da dieses neue Objekt der Gruppe monatlich ebenfalls eine Auflage von 280.000 Exemplaren aufweist849 und weitere "LineExtensions" hinzukamen, ergibt sich insgesamt ein positives Bild. Abb. 5-25:
Auflage- und Anzeigenseitenentwicklung der BRIGITTE
Heftauflage im Jahresdurchschnitt [Tsd. Expl.]
956
926
949 899 833
Jahresmittel ¦ Anzeigenseiten pro 663 Quartal
688
1998
1999
666
2000
654
2001
819
789
784
571
615
602
600
2002
2003
2004
Quelle: IVW (verkaufte Auflage), ZAS, eigene Darstellung
848 849
Quelle: Eigendarstellung unter www.guj.de, abgerufen am 21.11.2007. Quelle: Kongressvortrag von Frau Jäkel.
778
651
2005
2006
794
594
2007 1 Hj.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Die BRIGITTE steht für die kompetente Beratung von Frauen und versucht diesen Service nicht nur in gedruckter Form zu realisieren850. Vielmehr hat die Zeitschrift schon seit jeher Nebengeschäfte betrieben. All diese Nebengeschäfte sind jedoch primär aus dem Servicegedanken heraus erwachsen. Erst in jüngster Zeit und angeregt durch die Erfolge im In- und Ausland, wurde auch versucht, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die über den Service hinaus auch eigenständig kommerziell attraktiv sind. Der Konzernstrategie entsprechend, formuliert BRIGITTE die eigene Vision: "Deutschlands führende Frauenzeitschrift auf dem Weg zur führenden FrauenMarke"851
So begann man, nicht nur Bestellmode und Bestellmöbel, Reisen und einzelne Bücher und CDs anzubieten, sondern auch groß angelegte Buch- und CDEditionen zu etablieren. BRIGITTE veröffentlichte im Jahr 2005 die erste BRIGITTE-Hörbuchedition unter dem Titel "Starke Stimmen". Bekannte Sprecherinnen und Schauspielerinnen lasen ihre persönlichen Lieblingsstücke der Literatur. Die 12-bändige Reihe war so erfolgreich, dass zunächst eine zweite Staffel und im Jahr 2007 eine dritte Staffel – diesmal allerdings mit männlichen Interpreten – aufgelegt wurde. Im Buchbereich wurde unter dem Namen "BRIGITTE-Edition" in Zusammenarbeit zwischen der Redaktion und der der BRIGITTE seit längerem nahestehenden Literaturkritikerin Elke Heidenreich eine 26-bändige Reihe auf den Markt gebracht. Alle Bücher waren von der Kritikerin persönlich ausgewählt worden und in jeder Ausgabe der Zeitschrift wurde eines der Bücher ausführlich besprochen. Auch verlagsferne Produkte passen sich in das serviceorientierte Produktportfolio von BRIGITTE ein. So wurde die "BRIGITTE-Diät" – als feste Institution der Zeitschrift – in einer Kooperation mit dem Tiefkühlhersteller "Frosta" um tiefgefrorene Diät-Gerichte ergänzt, die von der Redaktion kreiert worden waren. Weiterhin sammelt man zunehmend Erfahrungen im Bereich der Lizenzgeschäfte und hat im Geschäftsfeld "Wein" den bisherigen ertragslosen Bestell850 851
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 44f. Quelle: Kongressvortrag von Frau Jäkel, S. 4.
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service um ein kommerzielles Geschäftsmodell ergänzt852. Daneben wird getestet, inwieweit weitere Lizenzprodukte wie Taschen von BRIGITTE Erfolg versprechen. Passend zur "Expand your Brand"-Initiative stärkte BRIGITTE auch die Online-Aktivitäten und realisiert dort in Kooperation mit der inzwischen übernommenen Firma "xx-well" Umsätze, die nicht der reinen Vermarktung entspringen853. Sämtliche Aktivitäten in neuen Geschäftsfeldern machen bei BRIGITTE bislang allerdings noch weniger als 10 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Neben BRIGITTE setzen auch andere Objekte des Hauses G+J die "Expand your Brand"-Initiative aktiv um: So ist das "GEO Themenlexikon" mit 1,2 Mio. verkauften Exemplaren ein hoher Umsatzerfolg854 und darüber hinaus sehr profitabel855. Aber auch verlagsferne Produkte wie die "SCHÖNER WOHNENWandfarben" und "SCHÖNER WOHNEN-Geschirrserien" sind etabliert worden und zeigen den Weg, den G+J insgesamt eingeschlagen hat856. Gleiches gilt für die neu initiierte Publikumsmesse "eat 'n Style", die übergreifend von verschiedenen G+J-Zeitschriften realisiert wird857. 25.700 Besucher dieser Messe zeigen, dass dieser Weg erfolgversprechend ist858. Aus der oben beschriebenen grundlegenden Aufgabenstellung, den Unternehmenswert über die einzelnen Markenwerte zu erhalten und auszubauen, speisen sich auch die Ziele der Einzelaktivitäten: Es gilt, die Bedeutung der Marken und ihre "Leuchtturmfunktion" in allgemeinen oder speziellen Themenfeldern dadurch zu erhalten, dass diese über das Printmedium hinaus ausgebaut werden859. Nur so können mittelbar auch Erlöse generiert und gesteigert werden. 852
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 45, S. 59. Vgl. Pimpl (2007a). 854 Vgl. Rinsum/Lipinski (2007), S. 16. 855 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 31. 856 Vgl. Korda zitiert nach o. Verfasser (2006i). 857 Quelle: G+J Geschäftsbericht 2006, S. 70. 858 Quelle: G+J Pressemitteilung vom 22.11.2007. 859 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 30. 853
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Dass in dieser Abfolge auch der Umsatzerzielung ein hoher Stellenwert zukommt, verdeutlicht das für 2010 angestrebte ambitionierte Wachstumsziel. Auch in der konkreten Ausgestaltung für BRIGITTE zeigt sich diese Zielpriorisierung: Idealziel ist es, die Marke BRIGITTE zu dynamisieren860. Weiterhin sollen sämtliche Aktivitäten die Marke positiv aufladen und so eine weitere Verbesserung des Image erzielen. Damit würden langfristig die Marke und die aus ihr stammenden Erlösströme gesichert. Der kurzfristige Umsatz steht an zweiter Stelle, wird aber im Gegensatz zu früheren, vor allem serviceorientierten Aktivitäten weitaus stärker betont. Insbesondere die Editionen machen deutlich, dass beide Ziele hier erreicht worden sind, denn mit durchschnittlich über 100.000 verkauften Exemplaren pro Hörbuch ist die BRIGITTE-Hörbuchedition "Starke Stimmen" eine der erfolgreichsten Produkte auf dem deutschen Hörbuchmarkt861. Bereits der erste Teil der Serie wurde insgesamt 1,5 Mio. mal verkauft und generierte so 15 Mio. Euro profitablen Umsatz. So zeigte die Hörbuch-Bestsellerliste vom Oktober 2005 ein besonderes Bild: Neun der zehn meistverkauften Hörbuch-Titel entstammten der BRIGITTE-Edition862. Zwei Drittel der Kunden, die BRIGITTE-Hörbücher erwarben, hatten zuvor noch nie ein solches Produkt gekauft863. Auch die Zusammenarbeit mit Elke Heidenreich im Buchbereich war hochgradig erfolgreich, da mehr als 2 Mio. Buchexemplare verkauft wurden864. Neben diesen Ergebnissen, die vor allem dem nachrangigen direkten Umsatzziel entsprechen, haben sämtliche neuen Geschäftsfelder aber auch die Marke BRIGITTE vitalisiert865. Beide Produkte haben darüber hinaus das Profil von BRIGITTE im Bereich Kultur geschärft und es so erreicht, dass sich die Marke von anderen Frauenzeitschriften differenzieren konnte866. Auch die positiven Reaktionen im Anzeigenmarkt verdeutlichen aus Sicht der Verantwortlichen die 860
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 46. Quelle: G+J Pressemitteilung vom 28.7.2006. 862 Quelle: Kongressvortrag von Frau Jäkel, S. 21. 863 Vgl. Forster (2006). 864 Quelle: G+J Pressemitteilung vom 15.8.2006. 865 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 36. 866 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 44. 861
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Erfolge der neuen Geschäftsfelder und den damit einhergehenden Imageeffekt für die Muttermarke867. Auch bei G+J finden sich jedoch Beispiele für weniger erfolgreiche Nebengeschäfte: So hat der STERN analog zur SZ eine großangelegte DVD-Edition sowie eine "Krimi-Bibliothek" etabliert. Der Erfolg dieser Reihen war jedoch sehr begrenzt868. Daher hat der STERN das Editionsgeschäft bis auf weiteres eingestellt869. Möglicherweise fehlte hier die notwendige Markenprofilierung und direkte Verbindung zwischen dem Altprodukt und den neuen Aktivitäten870. Für die neuen Geschäftsfelder sehen die Verantwortlichen bei BRIGITTE zwei Herausforderungen871: Zum einen dürfen die Kunden und somit die Marke nicht mit neuen Produkten "überfrachtet" werden. Zum anderen sei die langfristige Etablierung neuer Geschäftsfelder eine Herausforderung, weil das Editionsgeschäft kaum kontinuierlich hohe Erlöse generieren könne. Daher werde in Zukunft versucht, verstärkt Lizenzgeschäfte zu testen sowie die Online-Aktivitäten noch weiter auszubauen. Hier sollen vor allen Dingen weitere Sub-Marken etabliert werden, die zur traditionellen Marke BRIGITTE hinführen, ohne alle Attribute dieser Marke zu tragen872. Schließlich komme zukünftig dem Dienstleistungsgeschäft mit anderen Unternehmen ("B2B Content- und Service-Syndication") eine höhere Bedeutung zu. Auch für das Gesamtunternehmen G+J sieht der Leiter des "Zentralen Merchandisings" die Produkte aus neuen Geschäftsfeldern beim Handel und den Käufern als fest etabliert an873. Daher sei ein weiteres Wachstum dieser Aktivitäten wahrscheinlich und liege beim Blick auf die entsprechenden Umsätze z.B. im italienischen Markt nahe.
867
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 47. Quelle: Mehrere Fallstudieninterviews. 869 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 58. 870 Quelle: Andere Fallstudieninterviews und Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 58. 871 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 47. 872 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 58. 873 Vgl. hierzu und zum Folgenden Korda zitiert nach o. Verfasser (2006i). 868
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Im Hinblick auf die Ressourcenbasis, die bei G+J für sämtliche neuen Geschäftsfeldern die Grundlage bildet, stehen die Kernkompetenzen an erster Stelle: "Wir sagen, wir können Menschen informieren, unterhalten und vor allen Dingen inspirieren und wir glauben auch, dass wir ein Ratgeber und Wegweiser sein können, indem wir mit unseren Produkten Orientierung geben."874
Dies deckt sich mit den im Bezugsrahmen erarbeiteten allgemeinen Kernkompetenzen von Medienunternehmen. Für G+J im Speziellen kommt hinzu, dass man mit den meisten Marken in sehr spezifischen Themenwelten aktiv ist875. Die Kernwertschöpfung müsse auch in sämtlichen neuen Geschäftsfeldern geleistet werden. Sie und das Asset der jeweiligen Marke bilden den Nukleus für neue Aktivitäten. Nur auf dieser Basis könnten Produkte von Printmedienmarken erfolgreich in neuen Geschäftsfeldern mit etablierten Wettbewerbern konkurrieren876. Auch für BRIGITTE bildet die spezielle Ressourcenbasis die Grundlage der neuen Aktivitäten877. Die Kernkompetenz wird hier als "lebensnahe Beratung von Frauen in einem umfangreichen Themenspektrum"878 konkretisiert. Zum Asset der Marke kommt die redaktionelle (Beratungs-)Fähigkeit der Redaktion als zentrale Ressourcen für die neuen Geschäftsfelder. Weiterhin führt auch hier die Vermarktungsfähigkeit erst dazu, dass mit der Bekanntheit der neuen Produkte auch die notwendigen Stückzahlen abgesetzt werden können. Diese Fähigkeit ist jedoch bei Zeitschriften im Hinblick auf die mögliche Intensität geringer ausgeprägt als bei Zeitungen879: Da BRIGITTE nur 14-täglich erscheint, ist die zur Verfügung stehende Werbefläche für die Vermarktung deutlich begrenzter. Somit ist auch die Anzahl der von dieser Fähigkeit gleichzeitig profitierenden neuen Geschäftsfelder limitiert. Weiterhin werden Assets des Konzerns genutzt. So unterstützt der "Zentralbereich Merchandising" insbesondere die Logistik und Distribution der Produkte
874
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 31. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 31. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 36. 877 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 45. 878 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 44. 879 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 48. 875 876
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
263
und die BRIGITTE-Werbeabteilung verantwortet in Kooperation mit ihrer externen Werbeagentur die Vermarktung der neuen Produkte880. Um zu Ansätzen für neue Geschäftsfelder zu gelangen (Kernhandlungsfeld 1), hat der G+J-Vorstand die genannte "Expand your Brand"-Initiative angestoßen. So werden Markenworkshops in den einzelnen Gruppen zentral initiiert und in sämtlichen Verlagsbereichen der Prozess zur Suche nach neuen Geschäftfeldern eingeleitet881. Bei BRIGITTE stellt sich der Auslöser weniger punktuell dar. Aufgrund der schon immer bestehenden Nebengeschäfte haben sich die Aktivitäten im Zuge der Erfolge anderer Marktteilnehmer verstärkt und die handelnden Akteure entschieden, die Aktivitäten "systematisierter und kraftvoller gestalten zu wollen"882. Ein Problemempfinden hat hier keine Auslösefunktion gehabt. Die Ideenfindung verläuft bei BRIGITTE zumeist in gemeinsamen Gesprächen zwischen Verlagsleitung und Redaktion883. Zwar finden diese Gespräche regelmäßig statt, der Prozess, neue Ideen zu generieren, ist jedoch nicht formalisiert. Als Leitfaden für die Erschließung neuer Geschäftsfelder wurden bei BRIGITTE vier Regeln für neue Produkte formuliert, die gleichzeitig als Erfolgsfaktoren angesehen werden884. Diese lauten: 1. Jedem Projekt muss eine neue, exklusive Idee zugrunde liegen. 2.
Ein Produkt muss durch BRIGITTE attraktiver werden.
3.
Jedes neue Produkt muss einen positiven Effekt auf die Dachmarke haben.
4.
Begeisterung aller Beteiligten ist Voraussetzung für die Realisierung eines Projektes.
880
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 44. Vgl. Rinsum/Lipinski (2007), S. 16. 882 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 44. 883 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 48. 884 Quelle hierzu und zum Folgenden: Kongressvortrag von Frau Jäkel. 881
264
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Hieraus ergibt sich die weitere Maßgabe, dass die handelnden Akteure bei BRIGITTE stets die Kontrolle über die Ausgestaltung aller BRIGITTE-Produkte behalten und ein hoher "Fit" zu den Markenattributen erwünscht ist. Denn "[…] wo BRIGITTE drauf steht, muss auch BRIGITTE drin sein!"885 Andernfalls werde das Vertrauen in die Marke und ihre Glaubwürdigkeit beschädigt. Eine weitere Grenze für die möglichen neuen Produkte ist durch die Beziehung zu Anzeigenkunden gegeben, da man keinesfalls in Konkurrenz zu den eigenen Werbepartnern treten möchte. Aus diesem Grund wurden beispielsweise sämtliche Optionen im Bereich von Kosmetikprodukten nicht weiter verfolgt. Man geht bei der Ideengenerierung (analog zur "Entwicklung" innerhalb der "strategischen Suchfeldanalyse") systematisch vor und prüft sämtliche journalistischen Ressorts auf Ansatzpunkte für neue Aktivitäten. Die Wahl der Wertschöpfungstiefe ist eine fallweise Entscheidung und wird durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen erfolgt eine ökonomische Abwägung von Chancen und Risiko. Zum anderen entscheidet die Fähigkeitsbasis darüber, ob ein Partnermodell (wie z.B. bei der Hörbuchserie) gewählt oder die umfassende Wertschöpfung (wie z.B. bei der Buchedition) unternehmensintern erbracht wird. Allerdings sei BRIGITTE kein leichter Partner, da man, wie beschrieben, großen Einfluss auf die komplette Produktgestaltung nehme886. Typischerweise arbeite man daher lieber mit kleineren Partnern zusammen. Im Hinblick auf das strategische Timing sehen die Verantwortlichen von G+J insgesamt eine Marktentwicklung der verlagsnahen Produkte, die die eigene Ressourcenbasis zunehmend besser positioniert. Am Anfang der Entwicklung seien reine "Best-of"-Editionen erfolgreich gewesen887. Sukzessive findet jedoch eine Nischenerschließung statt und zielgruppenspezifischere neue Geschäftsfelder werden erschlossen. In dieser Phase habe dasjenige Unternehmen den höchs-
885 886 887
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 45. Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 45. Vgl. hierzu und zum Folgenden Korda nach o. Verfasser (2006i).
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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ten Erfolg, das wie G+J erfolgreiche, auf Nischen spezialisierte Marken im Portfolio besitze. Bei G+J ist die Markenorientierung (Kernhandlungsfeld 2) besonders ausgeprägt. So formuliert der ehemalige Vorstandsvorsitzende eine sehr emotionale Bedeutung der Zeitschriftenmarken: "Gute Zeitschriften sind Kinder der Leidenschaft und lebende Wesen. Jede Zeitschrift ist eine Persönlichkeit, mit der ich mich unterhalte, die mich überrascht, die mir Neues sagt. Wie ein Freund, der mich regelmäßig besucht."888
Den neuen Geschäftsfeldern kommt aus Sicht der Verantwortlichen bei G+J eine hohe Bedeutung für die Markenführung zu. Physische verlagsnahe oder -ferne Produkte machten die Markenwelten erst "erlebbar", für die die Zeitschriftenprodukte stehen889. Die Markenattribute selbst sind aufgrund der Unterschiedlichkeit und Spezifität der Zeitschriften sehr unterschiedlich. So seien bei BRIGITTE die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit besonders ausgeprägt, die mit der dargestellten Beratungskompetenz einhergehen890. Die Markenarchitektur bei BRIGITTE entspricht für die Zeitschriftengruppe der Familienmarkenstrategie. BRIGITTE tritt bei den eigenständig positionierten Sub-Marken "BRIGITTE-Balance" und "BRIGITTE-Woman" als Familienmarke in Erscheinung. Für die neuen Geschäftsfelder kommt ihr jedoch eher die Position einer Dachmarke zu, die durch erklärende Begriffe, wie bei "BRIGITTE-Edition", ergänzt wird. Aber es werden auch eigenständigere SubMarken etabliert. Hierfür bildet die Marke "BRIGITTE-Diät" ein erfolgreiches Beispiel, das einer einzelnen journalistischen Rubrik entspringt. Bei Online-Aktivitäten und verlagsnahen Produkten wird im G+J-Vorstand wenig Risiko gesehen, die Marken zu überdehnen891. Anders wird die Situation bei verlagsfernen Produkten bewertet. Dies sei ein deutlich weiter entferntes 888
Vgl. Schulte-Hillen zitiert nach o. Verfasser (2007j), S. 13. Vgl. o. Verfasser (2006i). 890 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 46. 891 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 34. 889
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Geschäft und man müsse sehr vorsichtig sein, Glaubwürdigkeit nicht zu zerstören bzw. andere Markeneigenschaften nicht ungewollt zu tangieren. Auch die weitergehende Nutzung der Kundendaten müsse sehr sensibel gehandhabt werden. Im konkreten Fall von BRIGITTE wird ebenfalls betont, dass die "Gradwanderung zwischen Kommerz und Service schmal"892 sei. Diese Tatsache gelte insbesondere für die verlagsfernen Produkte wie "Wein". Hier gehe man sehr behutsam vor und achte stets darauf, dass die redaktionelle Beratungskompetenz umfassend im Produkt verkörpert werde. Anders als Wettbewerber forciert G+J den Aufbau der neuen Geschäftsfelder mit verschiedenen zentralen Organisationsmaßnahmen (Kernhandlungsfeld 3). So wurde wie beschrieben die "Expand your Brand"-Initiative gestartet893. Sie wird seitdem umfassend durch zentrale Maßnahmen wie Markenworkshops und kontinuierliche Kommunikation unterstützt bzw. konkretisiert894. Betont wird aber gleichzeitig, dass die Umsetzung dieser Strategie von den jeweiligen Markenverantwortlichen zu leisten sei895. Weiterhin existiert bei G+J anstelle von zentralen Innovations-Stabstellen das sogenannte "Innovation Council"896. Es handelt sich um ein regelmäßig tagendes, funktionsübergreifend besetztes Gremium aus hochrangigen Journalisten des Hauses sowie Verlagsmanagern für den Vertriebs- und Anzeigenbereich. Die Mitglieder dieses Gremiums begleiten im Sinne von Mentoren die Entwicklungsteams im Verlauf der Projekte bis zur Marktreife. Dieses Innovationsgremium wurde ursprünglich für die Entwicklung von printmedialer Innovation etabliert und wird auch heute noch vor allem hierfür genutzt. Weiterhin wurden im konkreten Hinblick auf die neuen Geschäftsfelder zwei Bereiche geschaffen, die den einzelnen Medien bzw. Verlagsgruppen Unterstützung anbieten: 892
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S .45. Quelle: G+J Geschäftsbereicht 2006, S. 70. 894 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy. 895 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 39. 896 Vgl. hierzu und zum Folgenden Buchholz (2007), S. 6. 893
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Das Tochterunternehmen "G+J New Media Ventures" entwickelt und betreut die Strategie von G+J im Bereich der digitalen Medien im Sinne einer internen Unternehmensberatung897. Sie unterstützt sämtliche Verlagsbereiche bei der Umsetzung des Innovationsprogramms "Expand your Brand" und leistet operative Hilfestellung. So soll auch die Internationalisierung von OnlineProjekten erleichtert werden898. Die Existenz eines solchen Bereiches ist jedoch lediglich als Übergangslösung gedacht, bis diese Fähigkeiten in die einzelnen Geschäftsbereiche integriert sind899. Weiterhin existiert innerhalb der für Deutschland verantwortlichen Division der Bereich des "Zentralen Merchandisings", der ebenfalls operative Unterstützung für entsprechende Projekte leistet und aus vier Mitarbeitern besteht900. Der Bereich unterstützt zentral die Wachstumsaktivitäten der verschiedenen Markengruppen und versucht, das gesammelte Wissen zu bündeln und innerhalb des Unternehmens weiterzugeben901. Die Unterstützung gilt für die Bereiche des "Sourcing", der Definition des Geschäftsmodells im Hinblick auf die Verteilung von Produktions- und Vertriebsrisiken sowie die Ideengenerierung. Alle Entscheidungen und die Verantwortung für die neuen Aktivitäten verbleiben jedoch beim markenverantwortlichen Bereich. Andere erforderliche Fähigkeiten für neue Geschäftsfelder werden durch externe Dienstleister integriert. Dies gilt teilweise auch für Aktivitäten im Bereich der Erstellung von medialen Inhalten. So wird beispielsweise die InternetPlattform "essen-und-trinken.de" mit Bewegtbildinhalten eines Zulieferers angereichert902. Bei BRIGITTE wurde im Hinblick auf die Organisation darauf geachtet, möglichst wenige Stellen aufzubauen, die sich ausschließlich mit neuen Geschäftsfeldern befassen. Es wurde lediglich eine koordinierende und inhaltlich 897
Quelle hierzu und zum Folgenden: G+J Pressemitteilung vom 29.1.2007. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 39. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 39. 900 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 52. 901 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 38. 902 Quelle: G+J Pressemitteilung vom 16.4.2007. 898 899
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
lenkende Stelle in der Verlagsleitung geschaffen903. Die konkrete Projektarbeit erfolgt in gemischten Teams aus Redaktion, zentralem Merchandising und verschiedenen anderen Verlagsbereichen. Auch die Chefredaktion und die Verlagsleitung bringen sich operativ in die Projekte ein und entscheidet gemeinsam über deren Realisierung. Bei großen Projekten wird weiterhin die Vorstandsebene in die Entscheidung einbezogen. Bei BRIGITTE sieht man es für bedeutsam an, dass sämtliche neuen Geschäftsfelder (die Online-Aktivitäten eingeschlossen) organisatorisch sehr eng mit dem Kerngeschäft verbunden sind. Ansonsten bestehe die Möglichkeit, dass die Kontrolle über die Marke verloren gehe904. Auch bei G+J insgesamt ist man skeptisch, neue Geschäftsfelder organisatorisch zu separieren. Hierdurch würden im Extremfall "elektronische Parallelverlage"905 entstehen, die ohne enge Verbindung mit dem Stammgeschäft ein Eigenleben führen. G+J verfolgt augenscheinlich eine Strategie, die Kultur des Unternehmens zu einer stärkeren Innovationsorientierung zu verändern. Entsprechende Maßnahmen wurden bereits dargestellt. Weiterhin ist man darauf bedacht, auch symbolische Zeichen zu setzen und hat u.a. das "mission statement" "Life enriching media" an die Stelle der alten Bezeichnung "Druck- und Verlagshaus" gesetzt906. Weiterhin wird der Mut, Fehler zu riskieren, also "Trial-and-error"-Prozesse innerhalb des Innovationsprozesses zuzulassen, explizit von der Unternehmensleitung eingefordert907. Diese Entwicklung spiegelt sich auch bei BRIGITTE wider. Bereits die vierte Leitlinie für neue Produkte definiert, dass die Beteiligten Begeisterung für jedes neue Produkt empfinden müssen. Dieses klare Bekenntnis fördert eine Innovationskultur und zeigt das partizipative Vorgehen im Innovationsprozess.
903
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 52. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 54. 905 Vgl. Kundrun nach Pimpl (2007b). 906 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 30. 907 Vgl. hierzu und zum Folgenden Buchholz (2007), S. 6. 904
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Den Innovationen stehen jedoch auch Wandelbarrieren entgegen, die der Vorstandsvorsitzende Bernd Kundrun in Bezug auf die "Expand your Brand"Initiative offen thematisiert: "Das bedeutet für viele Mitarbeiter eine gewaltige Umstellung, da gibt es bei manchen auch Irritationen oder Verunsicherungen."908
Gerade für die Mitarbeiter von G+J als Anbieter von hochqualitativen Zeitschriften ist es nicht einfach, sich auf die neuen Geschäftsfelder und insbesondere die Digitalisierung einzulassen909. Stand der hochqualitative journalistische Inhalt als verkäufliches Produkt bislang immer an erster Stelle, so werden hiermit im Internet nur sehr geringe Erträge direkt erwirtschaftet. Lediglich über die mit diesen Inhalten erzielte Reichweite können signifikante Erlöse generiert werden. Diese Wandelbarrieren versucht der Verlag aktiv zu überwinden910. Die Definition der eindeutigen strategischen Vision mit der Bekenntnis zur Medienneutralität und dem Abrücken vom Zeitschriftenfokus ("G+J will weltweit die journalistische Heimat faszinierender Medienmarken sein") und dem "mission statement" "Life enriching media" stehen hierfür. Daneben finden umfassende "Führungsarbeit"911 durch das Management und ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess statt. Aber auch ein Austausch von Verantwortlichen in Einzelfällen wird nicht ausgeschlossen, um Innovationen voranzutreiben. Weiterhin soll die Einheit "G+J New Media Ventures" den Prozess mit Know-how anregen, aber auch die etablierten Sichtweisen "stören"912. Für BRIGITTE im Konkreten stellen sich die Wandelbarrieren jedoch wenig ausgeprägt dar913. Die Redaktion hat keine grundsätzlichen Berührungsängste mit neuen Geschäftsfeldern, weil diese, wie beschrieben, aus dem Servicegedanken heraus immer existiert haben. Die Verschiebung zu auch kommerziellen Interessen ist nicht punktuell erfolgt. Dieser Verlauf ist auch ein möglicher Grund dafür, dass der Zeitschriftengruppe BRIGITTE im Unternehmen G+J eine Vorreiterposition in Bezug auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder zukommt.
908
Kundrun zitiert nach Rinsum/Lipinski (2007), S. 16. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 38. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 35, 38. 911 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 38. 912 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 38. 913 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 53. 909 910
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Der Filterprozess (Kernhandlungsfeld 4) von Produktideen orientiert sich bei G+J im Allgemeinen und so auch bei BRIGITTE sehr an den Markenattributen. Diese bilden den Rahmen für sämtliche neue Produkte und Geschäftsfelder914. Ein formalisierter, iterativer Filterprozess sämtlicher "Expand your Brand"-Projekte findet allerdings nicht statt. Die marktseitige Prüfung neuer Produkte in Form von Marktforschung findet im konkreten Beispiel der BRIGITTE in einigen Fällen statt, jedoch ebenfalls nicht grundsätzlich915. Da diejenigen Projekte, bei denen alle Beteiligten sich des Erfolges sicher waren, bereits realisiert worden sind, ist der Anteil von Projekten mit Marktforschungsaktivitäten eher ansteigend. So existieren mittlerweile auch bei BRIGITTE Beispiele, bei denen aufgrund der Marktforschung geplante Produkte nicht realisiert wurden. Hinsichtlich der Business-Planung wird bei G+J grundsätzlich versucht, die direkt zurechenbaren Kosten realitätsgetreu abzubilden, neue Geschäftsfelder jedoch nicht mit Umlagen zu belasten916. Im konkreten Fall der Media-Leistung werden diese entsprechend der Herstellungskosten in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung integriert. BRIGITTE sieht nach den bisherigen Erfahrungen den "Launch" neuer Aktivitäten (Kernhandlungsfeld 5) als bedeutsam an. Allerdings habe sich die Fokussierung auf die eigene Zielgruppe als effizientester Vermarktungsweg ergeben917. Sowohl die Hörbuch- als auch die Buch-Edition wurden daher umfassend im Blatt redaktionell und in Form von Anzeigen platziert918. Für den zweiten Teil der Hörbuchserie wurde z.B. ein Brutto-Werbevolumen von 3 Mio. Euro eingesetzt919. Die Media-Strategie richtet sich vor allen Dingen danach, ob das
914
Quelle Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 39. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 55. Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 40. 917 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 56. 918 Quelle: Kongressvortrag von Frau Jäkel, S. 29ff. 919 Vgl. Forster (2006). 915 916
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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jeweilige Produkt einen Sammeleffekt generiert920. In diesem Fall sei eine sehr auf den Start konzentrierte Strategie erfolgversprechend. Zunehmend versucht man aus Gründen der Markenführung, die werbliche Botschaft vor allem in Anzeigen zu kommunizieren und die inhaltliche Berichterstattung der Redaktion separat und mit weniger kommerzieller Anmutung durchzuführen. Drei Kanäle werden zur Distribution der neuen Produkte von BRIGITTE genutzt921: Der Direktvertrieb ist mit Abstand der profitabelste Kanal, wenn Gesamteditionen vertrieben werden. Im Buchhandel werden vor allen Dingen Einzeltitel verkauft. Der Presseeinzelhandel ist zwar aus dem Servicegedanken heraus ein notwendiger Kanal, im operativen Geschäft seien die Einzelhändler jedoch in keiner Weise darauf ausgerichtet, mit Produkten aus neuen Geschäftsfeldern umzugehen. Daher wird diesem Bereich nur eine eng begrenzte Menge an Exemplaren neuer Produkte zur Verfügung gestellt und die Zahlungs- und Remissionsmodalitäten werden mit entsprechenden Absicherungen ausgestaltet. Die Steuerung der neuen Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) ist in der "Expand your Brand"-Strategie des Gesamtunternehmens bislang nicht institutionalisiert. Diese verbleibt in den Leitungsbereichen der einzelnen Medienobjekte. So optimiert beispielsweise BRIGITTE die Produktlebenszyklen in neuen Geschäftsfeldern unter verschiedenen Gesichtspunkten922. Ein Risikomanagement erfolgt vor allem durch die Planung von verschiedenen Absatzszenarien innerhalb der Business-Planung. Die Erfolgsmessung der neuen Geschäftsfelder orientiert sich bei G+J an klassischen Kennzahlen923: Der Erfolg wird an Umsätzen und Profitabilität gemessen. Aufgrund der dargestellten strategischen Ziele, die Markenwerte zu erhalten bzw. zu steigern, wäre eine direkte Messung dieser Veränderungen zwar naheliegend, den diesbezüglich zur Verfügung stehenden Instrumenten wird
920
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 56. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 56. 922 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 57. 923 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 34. 921
272
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
allerdings eine geringe Validität zugemessen. So wird von einem Einsatz bislang Abstand genommen. Hinsichtlich der Integration neuer Aktivitäten in zentrale Systeme und Prozesse versucht G+J stets abzuwägen924: Bei einzelnen verlagsnahen oder verlagsfernen Produkten müsse vor allen Dingen der kreative Prozess erhalten bleiben und es dürfe nicht überorganisiert und überformalisiert werden. Sowie jedoch eine Nachhaltigkeit erwachse, werde darauf geachtet, dass die operativen Systeme integriert seien. Dies gelte für Redaktionssysteme (insbesondere zwischen Print- und Online-Produkten) sowie für sämtliche Vermarktungssysteme. Es existiert allerdings kein einheitliches, konzernweites Kundenbeziehungsmanagement-System, in dem die Aktivitäten der klassischen Vertriebsbereiche und der neuen Geschäftsfelder integriert sind925. Entsprechende Anfangsüberlegungen existieren jedoch. Die Einführung eines "zentralen Merchandisings" kann bei G+J als wichtigste Maßnahme zur Effizienzsteigerung innerhalb der neuen Geschäftsfelder betrachtet werden926. Dieser Art der Effizienzsteigerung durch Zentralbereiche sind jedoch aus Sicht der Verantwortlichen klare Grenzen gesetzt927. Lediglich die Unterstützung auf Feldern der Infrastruktur und die Realisierung entsprechender Synergien ist durch eine solche Einheit möglich. Die inhaltliche Ausgestaltung und letztendliche Umsetzung muss aufgrund der angestrebten Konsistenz von Marke und Produkten in den einzelnen (Zeitschriften-)Divisionen erfolgen.
924
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 40. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 56. 926 Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 38. 927 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Jäkel, S. 49. 925
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
273
5.2.2.5 Axel Springer/HAMBURGER ABENDBLATT Standen bisher drei überregionale Zeitungen sowie Zeitschriften im Fokus der Darstellung, so sollen zum Schluss der Fallbetrachtung noch die Spezifika von regionalen Medien einbezogen werden. Daher werden die Aktivitäten vom HAMBURGER ABENDBLATT untersucht. Diese regionale Abonnementzeitung ist auch deshalb ausgewählt worden, weil vor einigen Jahren ein sehr umfassendes Produktportfolio neben der Zeitung bestand, dieses aber seitdem stark reduziert wurde. Da sämtliche Kernhandlungsfelder bereits umfassend untersucht wurden, wird an dieser Stelle der Schwerpunkt vor allem darauf gelegt, die Unterschiede darzustellen, die für ein regionales Medienobjekt gelten, sowie die Gründe für die Reduktion des früheren Angebotes zu beleuchten. Das HAMBURGER ABENDBLATT (im Folgenden HA) gehört wie die BILD-Zeitung zum Axel-Springer-Konzern, der bereits obenstehend porträtiert wurde. Diese Regionalzeitung ist die meistgelesene Tageszeitung in der Stadtregion Hamburg und eine der erfolgreichsten regionalen Abonnementzeitungen Deutschlands928. Mit einer verkauften Auflage von knapp 250.000 Exemplaren929 und 750.000 regelmäßigen Lesern930 ist das HA auch einer der führenden lokalen Werbeträger im Norden Deutschlands. Die Abonnementquote liegt bei 75 Prozent931. Wie viele andere regionale Zeitungen auch musste das HA im letzten Jahrzehnt deutliche Auflagenrückgänge hinnehmen, wie die Abb. 5-26 verdeutlicht.
928
Quelle: Eigendarstellung unter http://www.axelspringer.de, abgerufen am 16.10.2007. Quelle: IVW, III. Quartal 2007. 930 Quelle: MA II, 2007. 931 Quelle: IVW, III. Quartal 2007. 929
274
Abb. 5-26:
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Auflagenentwicklung des HAMBURGER ABENDBLATTES 311
Tägliche Auflage im Jahresdurchschnitt [Tsd. Expl.]
305 296
289
284
282
279 270 259
256
Anzeigenumsätze Keine Daten des Hamburger Abendblatts verfügbar – Darstellung schematisch gemäß Entwicklung aller Zeitungen 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Quelle: IVW (verkaufte Auflage), BDZV, eigene Darstellung
2006
2007 1 Hj.
In Hinblick auf Geschäftsfelder, die Erträge neben den klassischen Anzeigenund Vertriebsumsätzen generieren, war das HA in der Vergangenheit sehr aktiv. Im Jahr 1997 existierte ein umfassendes Portfolio aus Büchern, Geschenkartikeln, Modellschiffen, Luftbildern, Karten und gerahmten Bildern, deren Gemeinsamkeit der grundsätzliche Bezug zur Stadt Hamburg bzw. dem Norden Deutschlands war932. Eine Vielzahl von Büchern wurde exklusiv vom HA verlegt. Sämtliche Produkte wurden im Direktvertrieb und in zwei "HAMBURGER ABENDBLATT Geschäftsstellen" vertrieben. Weiterhin wurden Leserreisen und Veranstaltungstickets angeboten. Sämtliche Nebengeschäfte (von Reisen und Tickets abgesehen) wurden im Verlauf der letzten Jahre komplett eingestellt und die beiden Verkaufsstellen in zentraler Einkaufslage zugunsten eines "Service-Centers" innerhalb des AxelSpringer-Verlagsgebäudes geschlossen933. 932 933
Quelle: interne Unterlagen Hamburger Abendblatt. Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 3.4.2005.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
275
Die heutigen Verantwortlichen beschreiben, dass die Vielzahl der angebotenen Produkte am Ende wenig konzeptionellen Zusammenhang erkennen ließen934. Der Bezug zur Marke HA war kaum noch vorhanden, obwohl die Produkte oft mit hoher Wertschöpfungstiefe seitens des HA entstanden waren. Bücher über Kirchenorgeln in Mecklenburg-Vorpommern bilden hierfür eines der angeführten Negativbeispiele. Mit einem Wechsel in der Geschäftsführung ging eine umfassende Überprüfung der Wirtschaftlichkeit aller Aktivitäten einher und man musste feststellen, dass diese sogar ohne die Zurechnung der MediaLeistung nicht gegeben war. Die Verluste dieses Geschäftsbereiches hatten weiterhin ein solches Maß erreicht, dass der Verbleib der Aktivitäten aus Gründen der mit den Produkten erzeugten Kundenbindung nicht zu rechtfertigen war. Der aus zwei festangestellten Mitarbeitern bestehende Bereich ist daraufhin geschlossen worden und die verbliebenen hohen Lagerbestände wurden sukzessive abgebaut. Mittlerweile beginnt man, die Geschäftsfelder neben dem Anzeigenverkauf und Zeitungsvertrieb unter anderen Vorzeichen wieder neu zu erschließen935. Seit Anfang 2007 werden ausgewählte Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Freizeit, Reise und Unterhaltung mit unterschiedlichen Kooperationspartnern unter der neuen Marke "Hamburger Abendblatt Exklusiv" präsentiert. So wurden als Test für zukünftige Aktivitäten verlagsnahe Produkte wie Bücher und DVDs vermarktet, aber auch verlagsfernere Produkte wie Wochenendreisen und Modellsegelschiffe. Im Unterschied zu den früheren Aktivitäten bildet die Ressourcenbasis einen deutlichen Rahmen für die Produkte. So wird erstmals die Redaktion umfassend involviert und die Produktselektion und die redaktionelle Darstellung durch die dort vorhandenen Fähigkeiten unterstützt936. Weiterhin bildet die Marke und die ihr attribuierte regionale Kompetenz die Basis für jedwedes neue Produkt. Hierfür wird zukünftig die Positionierung die Basis bilden, die derzeit für die 934 935 936
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 110f. Quelle hierzu und zum Folgenden: Axel Springer Pressemitteilung vom 29.5.2007. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 113.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Zeitung selbst aktualisiert wird. Nach Abschluss dieses Prozesses, "[…] wird man sich das Zeitungsprodukt noch einmal genau anschauen und genauestens die tatsächlichen Kompetenzen herausfiltern, um dann zu überlegen, für welche Themengebiete man Produkte umsetzen könnte."937 Auch Sub-Marken wie der Veranstaltungsteil "Hamburg live" und das "Wochenend-Journal" bieten entsprechende Anknüpfungspunkte. Weiterhin wurde das Geschäftsmodell modifiziert938: Das finanzielle Risiko soll künftig nicht mehr übernommen werden, sondern ein Modell zum Einsatz kommen, bei dem Partnerunternehmen die entsprechenden Fähigkeiten und Produktinhalte einbringen und das HA über Lizenzerlöse am Absatz partizipiert. Im Gegensatz zur früheren Kleinteiligkeit der neuen Geschäftsfelder soll in Zukunft eine Konzentration auf wenige exklusive Produkte erfolgen939. Im Hinblick auf die Spezifika von regionalen Medien lassen sich mehrere Bereiche identifizieren: Zum einen ist im Vergleich zu überregionalen Medien die Haushaltsabdeckung der Zeitung sehr hoch. So liegt der Leseranteil beim HA bei 20 Prozent der Haushalte in der Metropolregion Hamburg940. Diese Tatsache macht die Marke zu einer der bedeutendsten Regionalmarken im Einzugsgebiet. Allerdings geht mit dem Regionalbezug auch die Begrenzung auf diesen einher. Somit ist die mögliche Absatzmenge neuer Produkte gegenüber dem nationalen Markt von vornherein deutlich begrenzt. Gleichzeitig bildet der regionale Bezug das entscheidende Markenattribut und mit der regionalen Kompetenz der Redaktion wichtige Elemente in der Ressourcenbasis941. So bieten diese Ressourcen auf der einen Seite eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für neue Geschäftsfelder, limitieren diese aber auf der anderen Seite, weil jedes Produkt einen entsprechenden regionalen Bezug benötigt. 937
Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 116. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 113. 939 Quelle: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 115. 940 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 111. 941 Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 115. 938
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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Für das HA kommen somit vor allem verlagsnahe Printprodukte sowie Online-Aktivitäten als neue Geschäftsfelder in Frage942. Darüber hinaus ist das Geschäftsfeld der Seminare, Workshops und Veranstaltungen aufgrund des regionalen Bezugs vielversprechend. Verlagsfernen Produkten wie Textilien oder Nahrungsmitteln messen die Verantwortlichen jedoch wenig Potenzial bei. Ein für Regionalmedien zunehmend wichtiger werdendes Feld besteht darin, sämtliche Wertschöpfungsmöglichkeiten im Kerngeschäft (Berichterstattung/ Anzeigen) mit neuen Geschäftsfeldern (Veranstaltungen, Produkte, OnlineAngebote etc.) zu kombinieren und Unternehmen als Gesamtpaket zur Verfügung zu stellen. Bei der Ausgestaltung von Produkten ist es durch die begrenzte Absatzmenge und den notwendigen regionalen Bezug weitaus schwieriger, die Wertschöpfungstiefe gering zu halten. Es existieren kaum geeignete Partner. Somit sieht man es beim HA für fraglich an, ob insbesondere im Buchbereich die gewählte Strategie realisierbar ist, finanzielle Risiken durch die Zusammenarbeit mit Partner abzugeben. Die Zielgruppen von regionalen Medien sind weiterhin in Bezug auf sozioökonomische Rahmenbedingungen weit weniger homogen als bei überregionalen Zeitungen oder gar Zeitschriften. Somit ist für die Verantwortlichen die Potenzialabschätzung für neue Geschäftsfelder erschwert943. Auch die Vermarktung und Distribution ist für die neuen Geschäftsfelder bei regionalen Medien spezifisch944: Mit der Fokussierung auf einen begrenzten regionalen Raum scheiden einige Werbeträger zur Bewerbung neuer Produkte von vornherein aus (z.B. TV) oder sind aus Sicht der Verantwortlichen nicht effizient (z.B. Radio, Plakat). Dem eigenen Medium kommt aufgrund der hohen Haushaltsabdeckung somit eine noch höhere Bedeutung zu.
942 943 944
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 117. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 111. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 111.
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Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
Bei der Distribution ist aus Sicht der Verantwortlichen beim HA neben dem Direktvertrieb und dem Buchhandelsgeschäft ein physisches Produktangebot unumgänglich945. Hierfür sei eine eigene Verkaufsstelle ("Point of sale") an herausragendem Standort notwendig. Die Verlagerung des "HA Service-Centers" in das Verlagsgebäude sei insofern durchaus reversibel und die Erschließung eines neuen Standortes werde für die Zukunft angestrebt. Aufgrund der an einem solchen Standort erzielbaren Erträge aus dem Verkauf von Veranstaltungskarten ("Ticketing") sei ein solcher Schritt auch finanzierbar. Mit Wandelbarrieren innerhalb der Organisation ist bei regionalen Medien kaum zu rechnen, wenn die Produkte aus der regionalen Kompetenz der Redaktion heraus entstehen946. So hat die Redaktion beim HA sehr positiv auf die Pläne für neue Geschäftsfelder reagiert und ein eigenes Projektteam zur Verfügung gestellt.
945 946
Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 114f. Quelle hierzu und zum Folgenden Fallstudieninterview mit Frau Hecker, S. 115.
Realisierung von Wachstumsstrategien in der Praxis
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5.3 Zusammenfassung Im Kapitel 5 wurde umfangreich dargestellt, welche neuen Geschäftsfelder von deutschen Printmedien in den letzten Jahren aufgebaut worden sind und wie die Planung und Umsetzung erfolgt ist. Im ersten Teil wurde eine Befragung von 60 Medienunternehmen ausgewertet und u.a. festgestellt, wie hoch die Wachstumsintensität in den verschiedenen Typen von Unternehmen und Geschäftsfeldern ist und welche der neuen Aktivitäten priorisiert bearbeitet werden. Auf dieser Basis wurden fünf Fallstudien selektiert und die Aktivitäten dieser Unternehmen anhand einer vielfältigen Datenerhebung beschrieben. Hierbei wurde jeweils der Unternehmenszusammenhang als Rahmenbedingung beleuchtet und im Anschluss die Antworten auf übergreifende Fragen sowie das Vorgehen in den verschiedenen Kernhandlungsfeldern dargestellt. Diese Struktur folgte dem im Vorwege angelegten theoretischen Bezugsrahmen. Durch die Auswahl der Fallstudien konnten sehr unterschiedliche Spezifika berücksichtigt werden, die für Zeitschriften gegenüber Zeitungen und regionalen gegenüber nationalen Medien vorliegen bzw. die mit der Erscheinungsweise oder dem redaktionellen Konzept einhergehen. Auch die übergreifende Unterstützung im Konzernzusammenhang konnte beleuchtet werden. Im Folgenden sollen nun die empirischen Ergebnisse untereinander abgeglichen werden. Parallel wird der theoretische Bezugsrahmen herangezogen und geprüft, inwieweit die Ergebnisse diesen falsifizieren, modifizieren oder weiter ausdifferenzieren können.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6 Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells Zur besseren Übersicht wird im Folgenden der Vergleich der Fallstudien untereinander ("cross-case analyses"947) mit dem Abgleich des theoretischen Bezugsrahmens verbunden. Ziel dieser Darstellung ist es, ein Handlungsmodell zu synthetisieren. Aus Theorie und Praxis sollen hierfür Hypothesen abgeleitet werden, wie Wachstumsstrategien von Printmedien erfolgreich geplant und umgesetzt werden können. Es ist methodisch nicht möglich, die Inhalte des theoretischen Bezugsrahmens anhand der Praxis zu verifizieren. Das aus der Theorie abgeleitete Modell kann jedoch mit den Ergebnissen der Praxis abgeglichen und auf dem Weg der "analytischen Generalisierbarkeit"948 der Fallstudienergebnisse so ggf. modifiziert oder ausdifferenziert werden. Das Ergebnis der Forschung bildet daher ein erweitertes, aber dennoch vorläufiges hypothesengetriebenes Handlungsmodell, das sich zukünftig weiterer konfirmatorischer Untersuchung stellen kann. Gleichzeitig sind dem Praktiker mit den Hypothesen anwendbare Handlungsempfehlungen gegeben, die einerseits auf früheren theoretischen Ergebnissen fußen, aber gleichzeitig im relevanten Kontext der Medienindustrie auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht wurden. In der empirischen Forschung hat sich gezeigt, dass der Entwurf des ganzheitlichen Handlungsmodells (vgl. erneut Abb. 4-10) alle wesentlichen Fragestellungen und empirischen Erfahrungen aufzunehmen vermag. Das Modell bildet daher auch die Basis für die Synthese aus Theorie und Praxis. Die Struktur dieses Kapitels folgt dementsprechend auf oberster Ebene den dort beschriebenen Kernhandlungsfeldern, in die an passender Stelle auch alle übergreifenden Fragestellungen integriert werden. Die Felder werden jedoch für die relevanten Teilaspekte weiter untergliedert.
947 948
Vgl. Yin (2003), S. 136f. Vgl. Yin (2003), S. 33 und die Ausführungen in Kapitel 2.2.4, S. 16.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
281
6.1 Ausgestaltung von Optionen für neue Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 1) Wie bereits in Kapitel 4.2.2.1 angedeutet, lässt sich die Ausgestaltung der Optionen in drei Unterphasen unterteilen. So muss ein Auslöser existieren, der den Aufbau der neuen Geschäftsfelder initiiert. Im Anschluss wird die Ideenfindung betrieben und schließlich werden die Ideen weiter ausdetailliert. 6.1.1 Auslöser und Rahmenbedingungen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder Medienunternehmen stehen aufgrund der dargestellten Veränderungen im Mediennutzungsverhalten der Konsumenten und den damit einhergehenden Veränderungen in den Werbeausgaben für Printmedien unter dem Druck, in neue Geschäftsfelder hinein wachsen zu müssen. Diese Grundhypothese der vorliegenden Arbeit kann auch nach der empirischen Forschung bestehen bleiben949. Bei den Medienunternehmen hat dieses Bewusstsein unter anderem zu einem umfassenden Aufbau von Online-Angeboten geführt950. Aufgrund der großen Verwandtschaft der (noch immer vor allem journalistischen) Wertschöpfung zum bisherigen Kerngeschäft und nahezu identischen externen Beziehungen (z.B. gegenüber den zuliefernden Nachrichtenagenturen bzw. der sehr ähnlichen Kundenbasis) lässt sich dieses neue Geschäftsfeld als "konzentrische Diversifikation" beschreiben951. Ein konkreter Auslöser für den Aufbau dieser Art neuer Geschäftsfelder konnte nicht festgestellt werden. Vielmehr hat sich die OnlinePublikation von der Zweitverwertung der bereits für das Printmedium erstellten Inhalte sukzessive zu eigenständigen Angeboten mit separat aufbereiteten Inhalten und Services entwickelt952. Für sämtliche Geschäftsfelder, wie die verlagsnahen Editionen oder verlagsfernen Produkte, die im Hinblick auf die externen Beziehungen und die Wertschöpfung eine geringere Verwandtschaft mit dem bisherigen Kerngeschäft auf949
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J und SZ. Vgl. erneut die Entwicklung der Online-Angebote von Zeitungen in Abb. 5-2, S. 159. 951 Vgl. hierzu und zum Folgenden die Strukturierung in Abb. 4-2, S. 66. 952 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD und BRIGITTE. 950
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
weisen, kann der Aufbau neuer Geschäftsfelder als "relationale Diversifikation" bezeichnen werden. Im Falle dieser Aktivitäten lässt sich der Auslöser zur Ausgestaltung von Ideen für neue Geschäftsfelder konkretisieren. Im Falle des "firstmover" im deutschen Markt, der SZ, waren dies die täglich spürbaren Krisensymptome. Nur in dieser Kombination konnte der Kontakt mit den von ihrem Erfolg berichtenden italienischen Managern953 trotz der schwierig scheinenden Übertragung auf den deutschen Markt den Start der Aktivitäten auslösen. Für alle anderen in den Fallstudien betrachteten Unternehmen lag der Auslöser für die sprunghafte Verstärkung sämtlicher "relationaler" Aktivitäten vor allem in dem Erfolg, der der SZ zuteil geworden war. Die offensichtliche Chance für neue Umsätze bildet hier den zentralen Auslöser. Die Fallstudie des Unternehmens G+J zeigt aber auch, dass der Auslöser für den Aufbau von weiter entfernten neuen Geschäftsfeldern für das Einzelmedium dadurch erzeugt werden kann, dass eine konzernweite Initiative gestartet wird954. Die im theoretischen Bezugsrahmen als wichtig angesehene Rahmenbedingung der Innovationsorientierung ist nur bei G+J deutlich. Nur hier ist die Mission und Strategie des Unternehmens durch die "Expand your Brand"-Initiative bereits in Richtung des Aufbaus neuer Geschäftsfelder ausgestaltet und durch die hinterlegten Maßnahmen auch eine reale Verbindung zwischen taktischer und operativer Ebene gewährleistet, wie in der Theorie gefordert. Eine solche zentrale Leitlinie des Topmanagements scheint auf Basis der Fallstudienergebnisse erfolgversprechend zu sein. Im Hinblick auf weitere Rahmenbedingungen zeigt sich in keinem Fall, dass für das bisherige mediale Kerngeschäft existierende Innovationsprozesse auch für die Ausgestaltung von Ideen für "relationale Diversifikation" genutzt wurden. Die geringe Nähe der Wertschöpfung zwischen alten und neuen Geschäftsfeldern lässt Medien anscheinend ohne Innovationserfahrung und entsprechende Prozesse in die entsprechenden Wachstumsaktivitäten starten. Diese Art der Prozesse muss erst geschaffen werden, denn die vorhandene Ressource ist im Sinne des Bezugsrahmens zu spezifisch für eine Übertragung. 953 954
Vgl. S. 193. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
283
Wurde im theoretischen Bezugsrahmen beschrieben, dass die Zielsetzung für die neuen Geschäftsfelder definiert und in den Zielsystemen hinterlegt sein sollte, so gewinnt man in der Medienbranche den Eindruck, dass der Umfang des Erfolges ihrer Aktivitäten die Akteure oft selbst erstaunt hat und die zukünftigen monetären Ziele auf Basis dieser ersten Erfahrungen in den jeweiligen Märkten entstanden sind. Doch den unmittelbar Beteiligten ist zumeist auch bewusst, dass die oft überragenden Erfolge der ersten Produkte nicht ohne weiteres auf künftige Aktivitäten übertragbar sind955. Zwar werden wachsende Umsätze aus diesen Feldern erwartet956, aber die Abschätzungen des zukünftigen Umfangs und der erwarteten Umsätze ist meist sehr vage. So formulieren sowohl G+J als auch die ZEIT Umsatzziele von ca. 20 Prozent der Gesamtumsätze, die aus neuen Geschäftsfeldern stammen sollen. Eine Hinterlegung dieser Zielsetzung mit Analysen wurde nicht vorgefunden. Die Gewichtung der unterschiedlichen Zieldimensionen variiert in den Fallstudien. Sämtliche genannten Ziele lassen sich jedoch in die vier formulierten Wachstumsziele einordnen957. In allen Fällen liegt auch eine kommerzielle Zielsetzung im Sinne des ersten Wachstumsziels vor958. Dieses Ziel wird zumeist um positive Effekte ergänzt, die die neuen Geschäftsfelder auf das Kerngeschäft haben sollen (Wachstumsziel 2 und 3)959. Dabei wurden vor allen Dingen die Auswirkungen der neuen Geschäfte auf die Marke thematisiert. Die Gewinnung von Adressdaten für die Akquisition von Abonnenten wird eher als Nebeneffekt erachtet. Herausgehoben wurden jedoch auch die positiven Imageeffekte sowohl im Anzeigenverkauf als auch die Motivation der eigenen Mitarbeiter durch die neuen Geschäftsfelder960. Deutlich wurde weiterhin, dass die Aktivitäten oftmals auch dazu dienen, Erfahrungen für zukünftige, insbesondere verlagsferne Aktivitäten zu sammeln und die bestehende Marke so zu dehnen, dass Konsumenten zukünftigen Aktivitäten gegenüber positiv eingestellt sind961 (Wachstumsziel 4).
955
Vgl. die Äußerungen zu den Herausforderungen für die neuen Geschäfte in allen Fallstudien. Vgl. die Ergebnisse der empirischen Befragung. 957 Vgl. S. 56. 958 Vgl. alle Fallstudien. 959 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J/BRIGITTE, SZ, ZEIT, aber auch BILD. 960 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ, in Teilen auch BILD. 961 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD 956
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6.1.2 Suche nach Ideen für neue Geschäftsfelder Die im theoretischen Bezugsrahmen dargestellte strategische Suchfeldanalyse962 ist zwar von der Form her nicht direkt in der Praxis anzutreffen. Dennoch hat sie sich als Untersuchungsstruktur für die ablaufenden Prozesse bei der Ideensuche in der empirischen Forschung bewährt. Daher wird dieser Struktur weiter gefolgt. Zuvor wird die Frage erörtert, wer in den Ideengenerierungsprozess einbezogen werden sollte. 6.1.2.1 Beteiligte an der Ideengenerierung Sah der theoretische Bezugsrahmen die umfassende Einbindung von Kunden als erfolgversprechend an, so zeigen die Aussagen aus den Fallstudien der Medienunternehmen ein etwas anders geprägtes Bild. Gerade weil es sich um neue Geschäftsfelder handelt, sind die Ideen, die von Kundenseite an die Verlage herangetragen werden, meist nicht umsetzbar963. Die Forderung aus der Theorie, möglichst gemischte Teams für die Ideengenerierung einzusetzen, um möglichst verschiedene Erfahrungen und Fähigkeiten zu integrieren, wurde auch in der Praxis als erfolgversprechend angesehen. Den Kern solcher Teams bilden im Normalfall Verlagsmitarbeiter (oftmals mit Verantwortung für die Marke). Auch der Einbezug von Partnerunternehmen in den Kreativprozess war oftmals hilfreich, wenn bereits eine langfristige Vertrauensposition aus früheren Projekten bestand964. Auf diesem Wege konnten insbesondere Marktkenntnisse in den Ideengenerierungsprozess eingebracht werden, die bei den Medienunternehmen nicht vorlagen965. Weitere notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten konnten auch Mitarbeiter aus internen Servicebereichen (z.B. Grafik, Herstellung) oder Tochterunternehmen einbringen, die aus diesem Grund oft frühzeitig eingebunden wurden966. Da sich die Erschließung neuer Geschäftsfelder in Medienunternehmen noch in einem frühen Stadium befindet und kaum organisatorisch delegiert ist, 962
Vgl. S. 110f. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT, BILD. 964 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD, aber auch BRIGITTE, ZEIT. 965 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, ZEIT. 966 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT. 963
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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hat sich die durchgehende Unterstützung der Geschäftsführung als bedeutsam gezeigt. Die jeweiligen Verlagsleiter oder Geschäftsführer waren daher in nahezu allen Fallstudien bereits in die Ausgestaltung der Optionen einbezogen967. Dies findet sich im theoretischen Bezugsrahmen in der als "Projektsponsor" beschriebenen Funktion wieder. Sehr unterschiedliche Ansätze bestehen darin, die Redaktion in den Kreativprozess einzubeziehen. In einigen Unternehmen wird die Kreativität der Redaktion als Erfolgsfaktor gesehen968. Dies gilt insbesondere für Projekte, die der redaktionellen Kompetenz sehr nahe stehen und bei denen die entsprechenden Redakteure umfassend die Ausgestaltung der Produkte mitgestalten können. Bei all diesen Produkten unterstützte die Redaktion im späteren Verlauf auch die Vermarktung durch redaktionelle Beiträge969 oder zumindest redaktionell anmutende Anzeigen des Verlages970. Handelte es sich jedoch um Produkte, die verlagsfern waren (z.B. die Weineditionen) und für die die Redaktion keine Selektions- oder Aufbereitungskompetenz einbringen konnte, wurde die Produktkonzeption zumeist alleine auf Verlagsseite durchgeführt971. Neben der aktiven Ideengenerierung durch den für die neuen Geschäftsfelder verantwortlichen Bereich kommt es bei den meisten befragten Unternehmen auch dazu, dass Mitarbeiter aus anderen Bereichen Ideen an die Verantwortlichen herantragen. Dieser Prozess verläuft zumeist ungesteuert. Ein anderes erfolgversprechendes Vorgehen strebt die ZEIT an. Hier soll der Innovationsprozess auch formal auf das Gesamtunternehmen ausgeweitet werden. Durch ein betriebliches Vorschlagswesen, verknüpft mit einem Anreizsystem, sollen die kreativen Ideen und vielfältigen Fähigkeiten aller Mitarbeiter des Unternehmens genutzt werden, um Ideen für neue Geschäftsfelder zu entwickeln.
967
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, SZ, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, HA, SZ, BRIGITTE. 969 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, SZ, HA, BRIGITTE. 970 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. 971 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BILD. 968
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6.1.2.2 Suchprofil Bei der strategischen Suchfeldanalyse bildet das Suchprofil die "Leitplanken", die den nachfolgenden Suchprozess auf ein handhabbares Feld einengen. Bei den betrachteten Medienunternehmen konnte durchgehend festgestellt werden, dass die bestehende Ressourcenbasis explizit oder implizit für die Festlegung des Suchprofils herangezogen wurde. Es wurde von allen befragten Unternehmen betont, dass eine enge Verbindung zwischen bisherigem Kerngeschäft und neuen Geschäftsfeldern erfolgsnotwendig sei. Sämtliche Misserfolge bei eigenen oder Produkten des Wettbewerbes wurden mit einer mangelnden Kohärenz ("Fit") zwischen bisherigem Kernprodukt und neuen Geschäftsfeldern erklärt972. Um eine Hypothese für ein erfolgversprechendes Suchprofil generieren zu können, ist daher eine detaillierte Betrachtung der Ressourcenbasis notwendig. Bei allen dargestellten Fallstudien waren es vor allem die Kernkompetenzen der "Selektionsfähigkeit" gekoppelt mit dem Asset der speziellen Markenattribute, die als Grundbedingung für erfolgreiche Produkte betont wurden. Diese Grundbedingungen wurden – mehr oder weniger explizit formuliert – auch als Grenzen des Suchraumes herangezogen. Die Selektionsfähigkeit ist die Basis fast aller beschriebenen Produkte. Nur durch sie kaufen Konsumenten Bucheditionen, Weine oder Prepaid-Karten von Printmedien anstelle von auf diesen Märkten etablierten Wettbewerbern. Sie vertrauen dabei darauf, dass das Medienunternehmen nur die Dinge auswählt, die für den Käufer relevant und mit speziellen Attributen ausgestattet sind. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass Kunden die Produkte von Printmedien erwarben, obwohl die Einzelprodukte zumeist auch separat zu erwerben sind. Die Selektion bildet somit die zentrale Wertschöpfung der Printmedien auf neuen Märkten. Die hierzu komplementäre Ressource ist die Marke mit ihren spezifischen Attributen. Die Selektion von Produkten muss auf der Basis dieser spezifischen Markenattribute erfolgen, da Konsumenten diese auch bei den Produkten der neuen Geschäftsfelder erwarten. Die Ausprägung dieser Attribute ist, wie ge972
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J/BRIGITTE, SZ, BILD.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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zeigt, sehr individuell. Übergreifend konnten Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit, Orientierung gebend als Markenattribute identifiziert werden. Dazu kam zumeist ein aus Kundensicht gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Oft lassen sich die Markenattribute prägnant für das Suchprofil zusammenfassen. Beispiele aus den Fallstudien hierfür sind "BILD tut gut", "Genießen Sie die ZEIT", die "kompetente Beratung von Frauen" durch BRIGITTE, die Betonung von "Qualität! Qualität! Qualität!" bei der SZ, aber auch der schon im Titel des Mediums sichtbare lokale Bezug beim "HAMBURGER ABENDBLATT". Zusammenfassend formuliert der Gruner + Jahr-Vorstand, Achim Twardy, die Basis der neuen Produkte sehr treffend: "Bisher wählen wir Inhalte für wöchentliche Magazine, für Zeitungen oder für ein Monatsheft aus und versuchen zu sortieren und zu akzentuieren, welche Dinge wichtig sind. Nach dieser Phase bereiten wir die Dinge dann intelligent auf und versuchen, sie den Menschen nahezubringen. Nicht mehr oder weniger muss man auch bei Produkten tun, die sich rundherum um das klassische Printprodukt bewegen."973
Als theoretischer Exkurs kann die zentrale Wertschöpfung von Printmedien, die die genannten Ansatzpunkte bietet, auch aus der Perspektive der "PrinzipalAgenten-Theorie"974 beschrieben werden: Bei komplexen Produkten, Vertrauensgütern oder einem großen Produktangebot stehen Konsumenten in einer "Prinzipal"-Situation. Die Anbieterseite versucht als "Agent", das jeweils eigene Produkt anzupreisen. Die klassischen Probleme der "hidden information" oder "hidden action" liegen vor und der Konsument kann dieses Problem kaum anders als durch die Nutzung von verlässlichen Signalen ("signaling") lösen. Die Medien und insbesondere die Printmedien werden aufgrund ihrer Kernwertschöpfung (der unabhängigen Berichterstattung) als unabhängiger, glaubwürdiger975 Gutachter angesehen. Diese Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Verlässlichkeit wird von den Konsumenten auch in neuen Geschäftsfeldern als gegeben angesehen.
973
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy, S. 32. Vgl. grundlegend die Darstellung von Schreyögg (1999), S. 82. 975 Vgl. erneut die Darstellung Abb. 3-7, S. 29. 974
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass in einigen Fällen bei Printmedien (bzw. insbesondere deren Redaktionen) hohe Basiskenntnisse über Themengebiete existieren. Diese können direkt in neue Geschäftsfelder übertragen werden. Dies gilt beispielsweise für aus der Redaktion entstandene Bücher (z.B. das Buch "Fußball unser" der SZ und die Diät-Produkte bzw. "OnlineCoachings" der BRIGITTE). Diese direkten Kenntnisse, die über die Selektionsfähigkeit hinausgehen, sind nicht abstrakt zu erfassen. Stattdessen ist dieses Potenzial separat für die Erschließung neuer Geschäftsfelder zu prüfen. Da eine sehr umfassende inhaltliche Kompetenz hierfür notwendig ist, kann man erwarten, dass monothematisch ausgerichtete Zeitschriften und Zeitungen mit ausdifferenzierten Redaktionen für derartige Angebote prädestiniert sind. Auch hier ist der "Fit" zu den individuellen Markenattributen notwendig Diese beiden ressourcenbasierten Wege (Selektion oder direkte Erstellung von Inhalten) in Verbindung mit einem "Fit" zu den Markenattributen bilden in der Praxis die zentralen Erfolgsfaktoren der Produkte. Sie formen somit auch ein geeignetes Suchprofil. Neben der Ressourcenbasis fanden sich in der Empirie aber auch weitere Rahmenbedingungen, die den Suchprozess lenken: So wurde mehrfach betont, dass man versuche, wichtige Werbekunden nicht mit eigenen Aktivitäten zu brüskieren. Diese Maßgabe kann einerseits durch den Ausschluss ganzer Geschäftsfelder erfolgen976. Weiterhin kann auch die Ausgestaltung der Produkte, z.B. in Form des Preises, entsprechende Effekte minimieren977. Eine weitere Leitlinie liegt in der anvisierten Zielgruppe. Hier existiert jedoch kein einheitliches Bild. Versuchen einige Verlage gerade, über die neuen Geschäftsfelder auch neue Zielgruppen an die Marke heranzuführen978, so kon-
976
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE und den Ausschluss von Kosmetikprodukten. 977 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. 978 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD insbesondere die Aktivitäten um "Seite1*girl" und weiterhin die Erfahrungen der SZ in bislang weniger erschlossenen geografischen Märkten.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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zentrieren sich andere Medien in den neuen Geschäftsfeldern vor allem auf ihre Kernzielgruppe979. Auch die gewünschten Effekte auf die Marke des Kernproduktes bilden gelegentlich ein Element des Suchprofils980. Auf Basis dieses Suchprofils lässt sich die Ideenfindung für neue Produkte und Geschäftsfelder nun gemäß der theoretischen Einteilung in "Explorieren", "Erfinden" und "Entwickeln" untergliedern981. 6.1.2.3 Kreatives Explorieren und Erfinden Bei den neu aufgebauten Geschäftsfeldern wurde deutlich, dass der kreativen Ideenfindung eine hohe Bedeutung zukommt. In der Praxis wurden aber in keinem Fall Kreativtechniken und Kreativworkshops zur Generierung von Ideen im Sinne des "Erfindens" herangezogen. Vielmehr wurde betont, dass kreativen Mitgliedern im Projektteam eine wesentliche Rolle zukommt982 bzw. eine kreativitätsförderliche Kultur geschaffen werden sollte983. Im Sinne des "Explorierens" wurden meist Ideen von einzelnen Mitarbeitern auf Basis des Erfahrungs- und Fähigkeitshintergrundes erarbeitet und in informellen Abstimmungen mit anderen Beteiligten weiterentwickelt. Die kreativen Elemente und das im Folgenden dargestellte systematische Vorgehen, Ideen zu entwickeln, sind in der Praxis jedoch nicht voneinander zu trennen. 6.1.2.4 Ressourcenbasiertes Entwickeln und Vernetzung mit Markttrends In keinem erhobenen Fall erfolgte die Ideengenerierung durchgehend systematisch auf Basis der Ressourcenbasis und Marktanalysen. Intuitiv wurden jedoch viele Ansatzpunkte aus diesen Bereichen einbezogen und beispielsweise journalistische Kompetenzfelder, redaktionelle "Institutionen" und die aktuelle Bericht979
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BRIGITTE. Vgl. hierzu die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE und die dort formulierten Regeln, S. 263. 981 Vgl. erneut S. 110ff. 982 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BRIGITTE. 983 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD. 980
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
erstattung des jeweiligen Printmediums auf eine weitergehende Verwertung geprüft984. In der Praxis wird es überwiegend als wenig zielführend angesehen, neue Geschäftsideen durch ein formalistisches Vorgehen zu ermitteln985. Dennoch kann man aus Sicht des Autors die kreative Energie der handelnden Akteure mit einem Schema zur systematischen Überprüfung möglicher Anknüpfungspunkte verbinden. So können ggf. Optionen freigelegt werden, die beim rein kreativen Vorgehen nicht erfasst würden. Ein solches Schema soll im Folgenden dargestellt werden: Die zur Verfügung stehende Ressourcenbasis wurde bereits in Abb. 4-9 (S. 103) dargestellt. Dabei wurde zwischen branchenspezifischen und ggf. individuellen Kernkompetenzen, allgemein relevanten, branchenspezifischen und unternehmensindividuellen Assets sowie Fähigkeiten unterschieden. Die empirischen Ergebnisse zeigen beispielhaft, welche unternehmensindividuellen Ressourcen Anknüpfungspunkte für neue Geschäftsfelder geboten haben. Weiterhin können die bereits erfassten Elemente auf Basis der Fallstudienanalysen für die Ideenentwicklung gewichtet werden. Zur Identifikation unternehmensindividueller Ressourcen wurden bei den befragten Unternehmen zumeist eigene Erfahrungen der Mitarbeiter und Ergebnisse von Kundenbefragungen herangezogen. Hier scheinen strukturierte Verfahren (wie das im theoretischen Rahmen dargestellte "skill mapping" bzw. die Priorisierung in einer "Ressourcen-" oder "Fähigkeitsmatrix") hilfreiche Unterstützung bieten zu können986, auch wenn sie in der Praxis nicht angetroffen wurden. Die grundlegenden Kernkompetenzen von (Print-)Medienunternehmen wurden im theoretischen Bezugsrahmen als "Selektion", "Aufbereitung/ Veredlung", "Kommunikation" und "Vermarktung" beschrieben. Die Ergebnisse der Fallstudien weisen – wie oben bereits für die Selektion dargestellt – in die gleiche Richtung, wobei unternehmensindividuelle Auslegungsvarianten existie984 985 986
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, SZ, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J/BRIGITTE, SZ, BILD. Vgl. S. 113.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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ren. Bei der SZ kommt die "Kompetenz zu überraschen" als Kernwertschöpfung hinzu, die "Selektion" und "Aufbereitung" werden bei BILD eher mit "Orientierung" und bei der BRIGITTE als "Beratung" umschrieben. Diese spezifischen Ausprägungen können entweder als individuelle Kernkompetenzen oder als Markenattribute klassifiziert werden, die die Kernwertschöpfung entsprechend prägen. Die hohe Bedeutung der "Vermarktungsfähigkeit" wurde auch in der Befragung der 60 Medienunternehmen als wesentliche Ressource für die neuen Geschäftsfelder dargestellt987. Diese Kernkompetenz ist zwar für die Umsetzung von besonderer Bedeutung, kann aber an dieser Stelle wenig zur Entwicklung von verschiedenen Ideen beitragen, weil die Fähigkeit für nahezu alle Produkte die gleiche Leistung zu erbringen vermag. In ihrer Grundausrichtung sind es daher die Kompetenzen "Selektion", "Aufbereitung/Veredelung" und "Kommunikation", die beim "Entwickeln" von Ideen relevante Anknüpfungspunkte bieten können. Sie erzeugen in neuen Märkten einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen (nicht medialen) Anbietern. Hinzu kommen Assets. Auch hier existieren durchgehende Muster, die bei den bisherigen neuen Produkten anzutreffen sind und die somit auch für die Ideenentwicklung relevant sind: Oftmals sind neue Produkte aus einzelnen journalistischen Kernfeldern (z.B. das literarische Feuilleton als Basis für Bucheditionen) oder redaktionellen "Institutionen" im Medium abgeleitet (z.B. das SZ-Buch "Das Streiflicht", die "BRIGITTE-Diät"-Produkte und die Produkte unter der Sub-Marke BILD "Seite1*Girl"). Aber auch aktuelle Schwerpunktthemen der Berichterstattung können Ansatzpunkte bieten (z.B. die BILD Berichterstattung über ökologische Themen und das Produkt "BILD-Ökostrom", das Schwerpunktthema Wissen in der ZEIT und die korrespondierende "ZEIT Wissen Edition"). Es scheint daher eine erfolgversprechende Strategie zu sein, diese Felder im Ideengenerierungsprozess systematisch abzuprüfen. Auch das bestehende Netzwerk mit Partnerunternehmen kann Ansatzpunkte für weitere neue Geschäftsfelder mit sich bringen und sollte dementsprechend 987
Vgl. Kapitel 5.1.2.4, S. 171.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
überprüft werden. So ist die Sub-Marke BILD "Seite1*Girl" auch durch die Suche nach weiteren Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem Partner C&A entstanden. Gleiches gilt bei einigen Fallstudien für Buch-, DVD- und HörbuchEditionen988. Der Fundus an bereits erstellten Inhalten bzw. die vorhandenen Rechte und Lizenzen wurden im theoretischen Rahmen bereits als vielversprechende Ansatzpunkte herausgearbeitet. Auch in der Praxis entstanden auf dieser Basis erfolgreiche Produkte989 und so sollte die Ressource bei der Ideenentwicklung einbezogen werden. Bereits für die Definition des Suchprofils wurden die Markenattribute herangezogen, um einen begrenzenden Rahmen abzuleiten. Die Marke bietet jedoch auch für den Entwicklungsprozess eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten. Ihre für jedes Medium spezifischen Attribute prägen die Anwendung der Kernkompetenzen in alten und neuen Geschäftsfeldern. Die Mareknattribute bilden somit einen sehr individuellen Gegenpart zu den innerhalb der Medienbranche ähnlichen Kernkompetenzen. Als Beispiele können hier die Markenattribute "Bildung" und "Genuss" bei der ZEIT herangezogen werden, aus denen sowohl Lexikonprodukte als auch Wein-Editionen entstanden sind. Auch bei BILD können die "Orientierungsfunktion" und das Attribut "Anwalt des kleinen Mannes" als Basis angesehen werden, auf der Produkte wie Prepaid-Karten ("BILD mobil") oder andere Produkte mit besonderem Preis-/Leistungsverhältnis angeboten worden sind. Die Marke sollte somit umfassend auf mögliche Ansatzpunkte für neue Produkte untersucht werden. Auch Analysen der Kundenbasis können zur Ableitung von möglichen Geschäftsfeldern herangezogen werden. So hat beispielsweise die SZ aus der Verteilung der Leserschaft auf unterschiedliche Sinus-Milieus Produkte abgeleitet, die von Interesse für die verschiedenen Milieugruppen sind990. Auch in anderen Fallstudien ist betont worden, dass die Analyse der Interessengebiete der Leser-
988 989 990
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BRIGITTE, SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. Quelle: Kongressvortrag von Herrn Rumberg, S. 8.
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schaft über die gängigen Markt-Media-Studien wertvolle Anregungen für potenziell attraktive Geschäftsfelder geben991. Um Ansatzpunkte zu entwickeln, kommt den Fähigkeiten in der Praxis eine geringere Rolle zu. Die einzige Ausnahme bildet die mit der zunehmenden Erschließung von ähnlichen Wachstumsfeldern einhergehende Produktentwicklungskompetenz selbst. Zwar sind insbesondere redaktionelle Fähigkeiten oft die Basis für neue Geschäftsfelder992. Mit den oben genannten journalistischen Kompetenzfeldern sind diese jedoch zumeist erfasst. Anderen Fähigkeiten, wie der "cross-medialen" Verwertungskompetenz sowie sämtlichen unternehmensindividuellen Fähigkeiten im Bereich der Herstellung, Logistik und Bewerbung, kommt ihre Bedeutung eher in der weiteren Ausgestaltung der Produktoptionen zu. Im theoretischen Bezugsrahmen wurde formuliert, dass sich aus der Vernetzung der Ressourcenbasis mit der Marktperspektive weitere attraktive Ansatzpunkte ergeben könnten. Ein solches Vorgehen wurde in der Praxis eher selten angetroffen993. Es war in den Fallstudien festzustellen, dass die Beobachtung der in- und ausländischen Medienmärkte vor allem beim Management der jeweiligen Medienobjekte bzw. den Verantwortlichen der neuen Geschäftsfelder liegt und zumeist nicht (z.B. in Stabsabteilungen) institutionalisiert ist994. Im Hinblick auf die neuen Geschäftsfelder scheint die Kenntnis über die Trends oftmals begrenzt zu sein. Dies gilt insbesondere für die sehr schnellen Veränderungen im OnlineBereich, aber auch für andere relevante neue Märkte. Die in anderen Industrien übliche institutionalisierte Marktbeobachtung, z.B. im Sinne eines "Trendscoutings", scheint jedoch auch für sich zunehmend diversifizierende Medienunternehmen nutzbringend zu sein. Die bei der Marktanalyse zu priorisierenden Märkte können ebenfalls aus der relevanten Ressourcenbasis abgeleitet werden. Aufgrund der dargestellten 991
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BRIGITTE, HA. Vgl. auch die empirische Befragung in Kapitel 5.1.2, S. 157ff. 993 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT im Gegensatz zu BILD und SZ. 994 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT 992
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Kernkompetenzen von Medien sollten vor allem Märkte von Produkten betrachten werden, in denen die Kernwertschöpfung "Selektion" für Konsumenten eine große Bedeutung hat. Dies sind häufig Märkte von komplexen Produkten und Vertrauensgütern sowie intransparente Märkte mit einer hohen Anzahl von gleichartigen Produkten. Neben dieser Möglichkeit, relevante Märkte zu priorisieren, sollte auch das direkte Wettbewerbsumfeld berücksichtigt werden, in dem sich Printmedien aus Konsumentensicht befinden995. Schon immer haben Medien um Zeit- und Geldbudgets mit Aktivitäten des individuellen persönlichen Umfeldes und des abstrakt anonymen Umfelds von Menschen konkurriert. Berücksichtigt man den oben dargestellten Wandel im Mediennutzungsverhalten, lässt sich weiterhin zwischen statischen und interaktiven Bereiche unterscheiden. Im Internet sind beispielsweise in den letzten Jahren neue Wettbewerber in interaktiver Form hinzugetreten. Darüber hinaus konkurrieren Medien neuerdings auch mit Informationen, die durch andere Nutzer und nicht durch eine professionelle Redaktion zusammengestellt wurden. Diese Entwicklungen sind in den letzten Jahren unter dem Begriff "Web 2.0" zusammengefasst worden996. All diese Bereiche sind für Medienunternehmen mögliche Ansatzpunkte für neue Geschäftsfelder. Eine Visualisierung der dargestellten Dimensionen ist in Abb. 6-1 dargestellt. Weiterhin wurden potenzielle Wettbewerber für Printmedien aus verschiedenen Bereichen schematisch eingeordnet.
995 996
Vgl hierzu und zum Folgenden das Fallstudieninterview mit Herrn Twardy Vgl. O'Reilly (2005) und Spiegel (2006).
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-1:
Wettbewerbsumfeld für Printmedien
Individuell persönliches Umfeld Nachrichten des persönlichen Umfelds
Statisch (Push/Pull) Interaktiv
295
Abstrakt anonymes Umfeld Kino
Internet Info-Sites
(Digitale) Fotos des persönlichen Umfelds
Radio TV
Hörbuch
Printmedium Telefonische Kontakte Persönliche Kontakte
(Weitergeleitete) E-Mails
Internet Networking
Klassische Medien
OutdoorAktivitiäten
Internet Blogs Internet Communities Online- und Offline-Shopping
Quelle: Eigene Darstellung
Auf Basis der genannten Ressourcen und vernetzt mit Trends in relevanten Märkten lassen sich Ansatzpunkte für neue Geschäftsfelder im Sinne der strategischen Suchfeldanalyse entwickeln. Ein entsprechendes Schema ist zusammenfassend in Abb. 6-2 gezeigt:
296
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-2:
Schema für die Entwicklung von Ansatzpunkten für neue Geschäftsfelder
Ressourcenbasis: • Kernkompetenzen "Selektion", "Aufbereitung/ Veredlung" sowie "Kommunikation" • Journalistische Kompetenzfelder • Feste Institutionen im Medium • Aktuelle Berichterstattungsschwerpunkte • Existierende Inhalte sowie Rechte und Lizenzen • Markenattribute, • Bestehende Partnernetzwerke • Analyse der Kundenbasis
Markttrends in den relevanten Märkten: Ansatzpunkte für die ENTWICKLUNG von Optionen für neue Geschäftsfelder
• Märkte mit komplexen Produkten sowie Vertrauensgütern • Instransparente Märkte mit einer hohen Anzahl von gleichartigen Produkten • Direktes Wettbewerbsumfeld aus Konsumentensicht
Quelle: Eigene Darstellung
6.1.3 Ausdetaillierung der Optionen Bisher wurde der Prozess beschrieben, Ideen für neue Geschäftsfelder zu erfinden, zu explorieren oder zu entwickeln. Die generierten Optionen müssen abschließend weiter ausdetailliert werden, um eine vollständige Spezifikation zu ermöglichen, die das Ergebnis des Kernhandlungsfelds 1 sein sollte. Hierbei gilt es, die angestrebte eigene Wertschöpfungstiefe festzulegen, Fragen des Timings zu beantworten sowie die Preisgestaltung ("pricing") und Ausstattung des Produktes ("packaging") zu entwerfen.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
297
6.1.3.1 Festlegung der Wertschöpfungstiefe Im Hinblick auf die Wertschöpfungstiefe, mit der Medienunternehmen in neuen Geschäftsfeldern aktiv sind, konnten in den Fallstudien sehr unterschiedliche Ausprägungen festgestellt werden, die zumeist mit dem Geschäftsmodell korrespondierten. Das Spektrum reichte von der grundsätzlich nur mit Partnern operierenden BILD (und einem Lizenzgeschäftsmodell) bis zur SZ, die stets das komplette unternehmerische Risiko und eine hohe Wertschöpfung übernimmt. Es wurde weiterhin deutlich, dass die Entscheidung für eine Wertschöpfungstiefe vor allem auf der Chancen-/Risiko-Einschätzung sowie der Fähigkeitsbasis beruht: Mit der Übernahme einer umfassenden Wertschöpfung geht die Möglichkeit einher, exponentiell steigende Umsätze zu erzielen, wenn eine entsprechende Absatzmenge überschritten ist997. Dieser Chance stehen jedoch umfassende wirtschaftliche Risiken entgegen, weil auf nicht verkaufte Produkte entsprechende Abschreibungen vorgenommen werden müssen und bei einigen Produktkategorien die Laufzeit der Lizenzen darüber hinaus begrenzt ist. Die generelle Erfolgswahrscheinlichkeit neuer Produkte und insbesondere die Prognosefähigkeit für die Absatzmenge wächst mit zunehmender Erfahrung. Daher sind Printmedienunternehmen eher bereit, in vertrauten Feldern eine hohe Wertschöpfung zu übernehmen. In weniger vertrauten Märkten werden die Kenntnisse der Partnerunternehmen integriert998. Mit der zunehmenden Bearbeitung neuer Geschäftsfelder wachsen die Fähigkeiten und das Wissen über den Markt an. Somit kann zunehmend die Wertschöpfungstiefe erhöht werden und können entsprechend attraktivere Geschäftsmodelle gewählt werden. Eine solche Entwicklung der Wertschöpfung ist bei einigen Fallstudien sichtbar999. Bei anderen Fallstudien stehen allerdings grundsätzliche Leitlinien und negative Erfahrungen einer Ausweitung der Wertschöpfung entgegen1000. Durch umfassende Marktforschungen erhöhen einige Verlage ihre Prognosefähigkeit für die Absatzmenge neuer Produkte und kompensieren damit gerin997 998 999 1000
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD bzw. HA.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
gere Erfahrungen in neuen Geschäftsfeldern1001. Auf diesem Weg können bereits mit geringer Erfahrung umfassende unternehmerische Chancen und Risiken eingegangen werden. Als weiterer Parameter fungiert die Fähigkeitsbasis. Im Unternehmen vorhandene Fähigkeiten, die für neue Produkte notwendig sind, ermöglichen eine höhere Wertschöpfung. Liegen entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten z.B. in weiter entfernten Märkten nicht vor, werden diese zumeist durch Partnerunternehmen1002 oder zumindest durch externe Berater1003 integriert. Somit sind auch in der Empirie die Mechanismen anzutreffen, die bereits mit dem Modell von Roberts/Berry1004 sowie dem fähigkeitsbasierten Modell von Verona1005 im theoretischen Bezugsrahmen angelegt waren. Eine besondere Herausforderung hat sich für regionale Medien gezeigt1006. Der regionale Bezug solcher Medien stellt einen zentralen Anknüpfungspunkt für neue Produkte dar. Die geringe Anzahl an infrage kommenden Partnerunternehmen mit entsprechenden Fähigkeiten oder bestehenden Produkten macht es regionalen Medien allerdings schwer, eine nur geringe Wertschöpfungstiefe durch ein Partnerschaftsmodell zu wählen. 6.1.3.2 Fragen des Timings In Hinblick auf sämtliche Fragestellungen des Timings in den neuen Geschäftsfeldern hat die Empirie mehrere Facetten beleuchtet: Im theoretischen Bezugsrahmen wurde die Hypothese formuliert, dass reifere Märkte ggf. für eine Erschließung weniger attraktiv sind. Dem entgegen stehen jedoch die Erfahrungen in der Praxis: Beispielsweise sind der Buchmarkt und erst recht der Markt für gedruckte Lexika stagnierend bis rückläufig. Dennoch konnten hier mehrere betrachtete Unternehmen hohe Absatzerfolge erzielen1007. Die dargestellten Ressourcen, auf denen der Eintritt von Medienun1001 1002 1003 1004 1005 1006 1007
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BILD, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J/BRIGITTE und SZ im Bereich Wein. Vgl. S. 75. Vgl. S. 89. Vgl. hierzu die Ergebnisse der Fallstudie HA. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, ZEIT, BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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ternehmen in neue Märkte fußt, scheinen bedeutsamer als die Reife des Marktes zu sein. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass Produkte weniger erfolgreich sind, wenn bereits Wettbewerber aus der Printmedienbranche ein ähnliches Produkt etabliert haben. Aus diesem Grund schließen die befragten Unternehmen "Me-too-Produkte" kategorisch aus1008. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, neue Geschäftsfelder schnell zu besetzen. Dies gilt auch und insbesondere für die Online-Angebote von Verlagen, da die Bindung der Nutzer an allgemeine oder spezielle Informationsangebote mit der Dauer der Nutzung zunimmt1009. Ein weiterer Aspekt, der in den Bereich Timing fällt, ist die Frage der Frequenz, mit der Medienunternehmen Produkte in neuen Geschäftsfeldern lancieren sollten. In der Praxis existieren hier sehr unterschiedliche Strategien: Die SZ kompensiert die geringeren Umsätze neuerer Produktreihen gegenüber früheren Aktivitäten durch eine erhöhte Frequenz neuer Produkten. Andere Unternehmen sehen diese Strategie als langfristig problematisch an und versuchen, statt einer Erhöhung der Frequenz die Aktivitäten stärker auf verlagsferne Geschäftsfelder auszuweiten1010 bzw. die Erlöse durch Abonnementmodelle1011, Lizenzgeschäfte1012 oder Online-Aktivitäten1013 zu verstetigen. Der Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf Felder, die langfristig mit unterschiedlichen Produkten bearbeitet werden können, kommt somit eine hohe Bedeutung zu1014. Die Erfahrungen des HA in früheren Jahren zeigen, dass die Gefahr einer zu kleinteiligen Diversifikationsstrategie nicht unterschätzt werden darf. Denn: " Wer heute blind dem Trend 'Zusatzgeschäft' hinterherläuft, muss morgen ein unüberschaubares Portfolio konsolidieren."1015
1008 1009 1010 1011 1012 1013 1014 1015
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, ZEIT, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD. Vogelsang/Fischer (2007), S. 527.
300
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6.1.3.3 Pricing und Packaging Die Preisgestaltung der Produkte in neuen Geschäftsfeldern muss sich am erwarteten Preisniveau der Konsumenten orientieren. Dieses wird – wie in der Empirie beobachtet – aus den Markenattributen abgeleitet1016. Weiterhin wurde in den Fallstudien hinsichtlich des Geschäftes mit Buch-, CD- und DVD-Editionen betont, dass eine signifikante Preisdifferenz zwischen der Summe der Einzelpreise zum Gesamtpreis der Edition notwendig ist, um viele hochprofitable Gesamteditionen abzusetzen1017. Aus der Kernkompetenz "Aufbereitung/Veredlung" sowie "Kommunikation", aber auch anderen Ressourcen erwächst die Fähigkeit von Medienunternehmen, verlagsnahe und verlagsferne Produkte hochwertig auszugestalten. In mehreren Fallstudien wurde betont, dass sich die Produkte der Medienunternehmen (z.B. Bucheditionen) positiv von den Wettbewerbsprodukten in den neuen Märkten abheben1018. Eine solche Gestaltung stellt somit einen möglichen Erfolgsfaktor dar.
6.1.4 Übersicht über die Hypothesen In diesem Unterkapitel wurde der theoretische Bezugsrahmen für das Kernhandlungsfeld 1 – Ausgestaltung der Optionen für den Aufbau neuer Geschäftsfelder – mit den Erfahrungen in der Medienpraxis abgeglichen. Die sich im Sinne einer Synthese ergebenden Hypothesen sind in Abb. 6-3 dargestellt.
1016 1017 1018
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-3:
301
Hypothesen für die erfolgreiche Ausgestaltung der Optionen (Kernhandlungsfeld 1)
Nr. Hypothese 1 Eine grundlegende Innovationsorientierung, die sich in der Mission und Strategie des Unternehmens wiederfindet und die konsequent kommuniziert wird, bildet einen erfolgversprechenden Auslöser für den Aufbau neuer (insbesondere weiter entfernter) Geschäftsfelder.
Referenz Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch bei der Fallstudie G+J/BRIGITTE sowie abgeschwächt bei der SZ
2 Die bisher im Kerngeschäft genutzten Innovationsprozesse Alle Fallstudien sind nicht auf weiter entfernte Geschäftsfelder im Sinne der "relationalen Diversifikation" übertragbar. Daher müssen hierfür neue Innovationsprozesse geschaffen werden. 3 Die Ideensuche sollte durch ein gemischtes Team aus mit Fallstudien SZ, BILD, ZEIT neuen Geschäftsfeldern vertrauten Mitarbeitern, Markenverantwortlichen und leitenden Managern des Verlagsbereiches durchgeführt werden. Auch Mitarbeiter aus Servicebereichen oder Tochterunternehmen sollten einbezogen werden, wenn diese Fähigkeiten für anvisierte Geschäftsfelder aufweisen. 4 Der Einbezug von Partnerunternehmen ist hilfreich, wenn bereits eine Vertrauensbasis aus früheren Projekten besteht und so Markt- und Produktkenntnisse integriert werden können.
Fallstudien BILD, BRIGITTE, ZEIT
5 Der Einbezug von Kunden ist zu einem frühen Zeitpunkt Fallstudien SZ, BILD, ZEIT nicht hilfreich. Fallstudien BILD, SZ, HA 6 Die Redaktion sollte frühzeitig in die Ausgestaltung der Optionen einbezogen werden, wenn entsprechende Kompetenzen für die geplanten Produkte vorliegen. So besteht auch die Chance, später redaktionelle Unterstützung für die Vermarktung zu erhalten. 7 Der Einbezug aller Mitarbeiter in den Ideenfindungsprozess durch ein Vorschlagswesen stellt eine weitere erfolgversprechende Möglichkeit dar, vielfältige Ideen für neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und Fallstudie ZEIT
8 Die Selektionsfähigkeit als Kernkompetenz von Medienunternehmen, komplementiert durch die speziellen Markenattribute des jeweiligen Mediums, bildet den Rahmen für das Suchprofil neuer Geschäftsfelder. 9 Neben diesem Suchprofil sollten sehr umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten in speziellen Themenfeldern darauf geprüft werden, ob sie nicht direkt für neue Geschäftsfelder verwertbar sind.
Theoriekapitel 4.1.5 sowie alle Fallstudien
Fallstudien v.a. BRIGITTE, SZ
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Nr. Hypothese
Referenz
10 Durch Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der Produkte oder den Ausschluss ganzer Geschäftsfelder im Suchprofil können Konflikte mit Werbekunden vermieden werden.
Fallstudien v.a. BRIGITTE, ZEIT
11 Das Suchprofil sollte definieren, ob die bisherige Zielgruppe und bisherige regionale Märkte bearbeitet werden sollen oder ob eine andere Strategie vorliegt. 12 Die Ideensuche selbst benötigt kreative Beteiligte und eine kreativitätsfördernde Kultur. 13 Die Kombination aus kreativem Erfinden und Explorieren mit einem systematischen Raster zur Identifikation möglicher Anknüpfungspunkte ist zur Erfassung vielfältiger Ideen erfolgversprechend. 14 Die individuellen Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten sollten strukturiert z.B. durch ein "skill mapping" ermittelt werden. 15 Für die Entwicklung von Ideen für neue Geschäftsfelder sind die branchenspezifischen Kernkompetenzen "Selektion", "Aufbereitung/Veredlung" sowie "Kommunikation" wichtige Ansatzpunkte. Hinzu kommen journalistische Kompetenzfelder, feste Institutionen im Medium und aktuelle Berichterstattungsschwerpunkte, existierende Inhalte und Lizenzen, die Marke, bestehende Partnernetzwerke sowie die Analyse der Kundenbasis.
Alle Fallstudien
Alle Fallstudien Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch bei den Fallstudien BILD, G+J/BRIGITTE und ZEIT Theorieteil Kap. 4.2.2.1
Theoriekapitel 4.1.5 sowie alle Fallstudien
16 Um eine Vernetzung von Ressourcenbasis und Markttrends bei der Ideenentwicklung zu erreichen, sind institutionalisierte Marktbeobachtungen ("Trendscouting") hilfreich.
Theoriekapitel 4.1.5
17 Relevante Märkte für Printmedien sind solche mit komplexen Produkten und Vertrauensgütern sowie instransparente Märkte mit einer hohen Anzahl von gleichartigen Produkten. Weiterhin sollte das direkte Wettbewerbsfeld aus Konsumentensicht auf Ansatzpunkte für neue Geschäftsfelder analysiert werden.
Theoriekapitel 4.1.5, Kap. 4.2.2.1 sowie Ergebnisse aus den Fallstudien
18 Die Wertschöpfungstiefe und das Geschäftsmodell können aus einer Abwägung von Chancen und Risiken sowie der Fähigkeitsbasis erfolgen. Marktforschungsaktivitäten ermöglichen jedoch auch in weniger vertrauten Märkten eine unternehmerische Tätigkeit.
Theoriekapitel 4.1.1.2, sowie Kap. 4.1.2.4, weiterhin Ergebnisse aus sämtlichen Fallstudien, insbesondere ZEIT
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Nr. Hypothese
303
Referenz
19 Die Reife des jeweiligen Marktes hat geringen Einfluss auf Fallstudien BILD, ZEIT, SZ, den Erfolg neuer Produkte von Medienunternehmen. BRIGITTE Allerdings ist in Bezug auf das Timing eine schnelle Besetzung der neuen Märkte gefordert, da "Me-tooProdukten" wenig Erfolgsaussichten einzuräumen sind. 20 Die Preissetzung für neue Geschäftsfelder muss den Markenattributen entsprechen. Bei dem Geschäft mit Editionen ist eine deutliche Preisdifferenz zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Gesamtpreis erfolgsnotwendig. 21 Die Kernkompetenz der "Aufbereitung" sollte sich bei Produkten von Medienunternehmen in einem besonderen Packaging widerspiegeln.
Fallstudien BILD, ZEIT, SZ
Fallstudien BILD, BRIGITTE, SZ
Quelle: Eigene Darstellung
6.2 Markenstrategie (Kernhandlungsfeld 2) Als bedeutsamer Anknüpfungspunkt bei der Ideenentwicklung wurde die Marke bereits thematisiert. Hier wurde bereits dargestellt, dass die Ausprägung der Markenattribute eine komplementäre Position zu den Kernkompetenzen einnimmt, und diese individualisiert. Doch die im Umfeld der Marke notwendigen strategischen Entscheidungen sind so bedeutsam, dass sie in einem separaten Kernhandlungsfeld dargestellt werden. So sind die Markenattribute nicht offensichtlich, sondern müssen zur Analyse erst freigelegt werden. Weiterhin muss bei der Diversifikation abgewogen werden, welche Markenarchitektur für alte und neue Produkte geeignet ist. Schließlich müssen Handlungsempfehlungen für die Grenzen der Markendehnungen erarbeitet werden. 6.2.1 Analyse der Markenattribute Die Fähigkeit zur Analyse der eigenen Marke ist bei Medienunternehmen sehr ausgeprägt, weil diese Kenntnisse für den Anzeigenverkauf notwendig sind. Alle in den Fallstudien befragten Unternehmen hatten daher Positionierungspapiere und eine aus Marktforschungsergebnissen gebildete umfassende
304
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Sicht auf die von Kunden attribuierten Markenbestandteile. Dies umfasste sowohl die funktionalen Attribute, wie das Preis-/Leistungsverhältnis, als auch emotionale Attribute, die bei Medienmarken sehr ausgeprägt scheinen. Die Analysen werden umfassend für Fragestellungen genutzt, die sich bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder ergeben1019. In der empirischen Analyse wurde weiterhin deutlich, dass scheinbar Medienmarken existieren, die ein stärker ausgeprägtes Profil aufweisen als andere. Diese Markenstärke oder -profilierung scheint den Erfolg neuer Produkte zu beeinflussen. Als Beispiel hierfür können die Erfahrungen von G+J mit der Zeitschrift STERN dienen. Als aktuelles Magazin bildet der STERN ein sehr breites Themenspektrum ab. Die Erschließung neuer Geschäftsfelder (DVD-Reihe und "Krimi-Bibliothek") war beim STERN wie beschrieben wenig erfolgreich. Aus Sicht der Branchenexperten könnte der z.B. im Vergleich zur SZ geringere Erfolg in einem weniger stark ausgeprägten Profil begründet liegen, auch wenn die Marke STERN eine hohe Bekanntheit genießt1020. Medienunternehmen haben jedoch keine explizite oder gar quantitative Kenntnis über die Stärke bzw. Profilierung der eigenen Marke. Allerdings formulieren die Verantwortlichen oftmals intuitiv, wie stark die eigene Marke zu bewerten ist. Eine systematische Erfassung der Stärke bzw. Profilierung könnte den Unternehmen eine sehr wichtige Indikation darüber geben, ob die Marke für die Erschließung neuer Geschäftsfelder geeignet ist. Die Verantwortlichen messen jedoch den verfügbaren Verfahren wenig Validität und Reliabilität zu1021. Die Messung der Markenstärke und -profilierung scheint ein wichtiges Instrument bei der Diversifikation von Printmedienunternehmen zu sein. Weil jedoch keines der befragten Unternehmen dieses Instrument nutzt, kann an dieser Stelle nur die mögliche Bedeutung exploriert werden. Aussagen über den tatsächlichen Einfluss der Markenstärke bzw. der Markenprofilierung und mögliche erfolgreiche Methoden einer solchen Messung bleiben nachfolgenden Forschungen vorbehalten, für die eine solche Hypothese Grundlage sein kann.
1019 1020 1021
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ. Vgl. hierzu die Sicht mehrerer Fallstudienteilnehmer. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
305
6.2.2 Fragen der Markenarchitektur im Zusammenhang mit neuen Geschäftsfeldern Im Hinblick auf die Markenarchitektur ist in der vorliegenden Arbeit ausschließlich die diesbezügliche Ausgestaltung der neuen Produkte relevant. Die Fallstudien zeigten hier unterschiedliche Vorgehensweisen. So werden auf der einen Seite Online-Aktivitäten sowie andere verlagsnahe und auch verlagsferne Geschäftsfelder häufig unter dem Dach der Ursprungsmarke positioniert. Dies gewährleistet eine direkte Übertragung der Markenattribute auf die neuen Geschäftsfelder und ermöglicht eine kosteneffiziente Vermarktung. Angesprochen wird hiermit entsprechend der Vorgaben des theoretischen Bezugsrahmens die Zielgruppe, auf die auch das Printmedium abzielt. Die neuen Produkte erhielten in den meisten Fällen erklärende Zusatzbegriffe (wie z.B. die "Süddeutsche Zeitung Bibliothek"). Auf der anderen Seite stehen eigenständig positionierte Sub-Marken, bei denen die Ursprungsmarke nur noch als ergänzende Familienmarke in Erscheinung tritt. Beispiele hierfür sind die neuen Marken "Seite1*girl" von BILD, die "SZ Cinemathek" sowie die "Starken Stimmen" (Hörbuch-Editionen der BRIGITTE) oder die "BRIGITTE-Diät". In diesen Fällen wurden einzelne Markenattribute bzw. journalistische Kompetenzfelder oder redaktionelle "Institutionen" aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst und eigenständig positioniert. Hiermit gehen vielfältige strategische Gestaltungsmöglichkeiten einher: So ermögliche dieses Vorgehen aus Sicht der Akteure, Teilzielgruppen anzusprechen und Markenattribute nur selektiv zu übertragen1022. Weiterhin können der Ursprungsmarke auf dem Weg der Rückübertragung neue Facetten hinzugefügt werden und so die Marke an erwünschter Stelle gestärkt werden. Der Möglichkeitsraum für neue Produkte wird auf diesem Weg deutlich erweitert, wie das Beispiel von BILD beweist, die unter dem Label "Seite*1girl" umfangreiche Dessous- und Oberbekleidungskollektionen vertreibt und den Absatz von Accessoires und Kosmetikprodukten plant. Diese Geschäftsfelder hätten nicht direkt unter der Marke BILD positioniert werden können. Durch die 1022
Vgl. hierzu und zum Folgenden v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD.
306
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Verschiebung der Schwerpunkte bei der neuen Sub-Marke scheint so auch die angestrebte Verstetigung der neuen Umsätze deutlich leichter erreichbar zu sein. Vorraussetzung für eine eigenständige Sub-Marke ist jedoch ein im Printmedium angelegter Nukleus, der ausgekoppelt und neu ausgestaltet werden kann1023. Eine Zwischenposition nehmen Markenarchitekturen ein, bei denen über sämtliche oder Teile der neuen Geschäfte ein neues Markendach gebildet wird. Beispielsweise wurde die "Süddeutsche Zeitung Mediathek" als Marke über sämtlichen Buch-, CD-, DVD-Editionen, aber auch den Weinprodukten gebildet1024. Ein ähnliches Vorgehen hat das HA gewählt, das alle Aktivitäten unter der Marke "Hamburger Abendblatt Exklusiv" zusammenfasst1025. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob Kunden diese neu geschaffenen Dachmarken als solche separat wahrnehmen. Weiterhin konnte nicht geklärt werden, ob die Bezeichnung neuer Produkte dadurch gestört wird, dass bei einigen Marken wie der "Süddeutschen Zeitung" die Marke ("Süddeutsche Zeitung") das Ursprungsmedium ("Zeitung") enthält. Möglicherweise ist die Markendiversifikation und auch die Etablierung von SubMarken einfacher, wenn ein solcher Gattungsbegriff nicht in der neuen Bezeichnung enthalten ist ("Süddeutsche Zeitung Bibliothek" im Vergleich zur "BILD Bibliothek").
1023 1024 1025
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, BRIGITTE. Quelle: www.sz-mediathek.de, abgerufen am 25.11.2007. Quelle: Axel Springer Pressemitteilung vom 29.5.2007.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
307
6.2.3 Markendiversifikation und Grenzen der Markendehnung In den Fallstudien wurde deutlich, dass den neuen Geschäftsfeldern und somit der Markendiversifikation eine besondere Funktion in der Markenführung zukommt. Die bisherige Marke ist durch die Art des Kerngeschäftes in gewisser Weise abstrakt und nicht direkt greifbar, weil sich anders als bei klassischen Markenartikeln das Produkt von Ausgabe zu Ausgabe dynamisch verändert und aus Informationen besteht. Die neuen Geschäftsfelder ermöglichen es vor diesem Hintergrund, die Marke durch physische Produkte "erlebbar" zu machen1026. Die dargestellten neuen Produkte von Medienmarken sind zumeist als komplementär zu bewerten (z.B. Wein, Bücher, CDs etc.) nur in wenigen Fällen wie den Online-Aktivitäten sind substitutive Elemente enthalten. Die konkreten Effekte der Markentransferprozesse sind aus den Fallstudien nur begrenzt abzuleiten, da die befragten Unternehmen keine Analysen hierüber durchgeführt haben. Die im theoretischen Bezugsrahmen angelegten Hypothesen1027 stehen aber in keinerlei Widerspruch zu den konkreten Erfahrungen in der Medienindustrie. So scheinen auch hier die Qualität der Ausgangsmarke und der "Fit" zwischen Ausgangsmarke und Neuprodukt erfolgsnotwendig zu sein. Die Bedeutung der Qualität der Ausgangsmarke ist im vorliegenden Fall der Medien möglicherweise mit Markenstärke und -profilierung zu konkretisieren, wie oben bereits angedeutet wurde. Ob ein komplementärer "Fit" erfolgversprechender ist als ein substitutiver, konnte nicht geklärt werden. Die Bedeutung der Kompetenzübertragung scheint hingegen unstrittig, da diese bereits als einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für neue Geschäftsfelder herausgearbeitet wurde. Weiterhin zeigen negative Einzelbeispiele wie der "Wackel-Dieter" bei BILD, dass eine Produktdiversifikation tatsächlich als "lächerlich" empfunden wird, wenn kein entsprechender "Fit" vorliegt1028.
1026 1027 1028
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE. Vgl. S. 121. Vgl. Aussagen in den Fallstudien.
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Für regional agierende Medienmarken scheint der regionale Bezug ein sehr dominierendes Markenattribut zu sein. Markendiversifikationen, die nicht im weitesten Sinne diesen Bezug haben, scheinen wenig erfolgversprechend1029. Alle Verantwortlichen unterstützten weiterhin, dass die neuen Geschäftsfelder auch in sich eine Konsistenz aufweisen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Allen Verantwortlichen ist bewusst, dass durch die Markenübertragung auf neue Geschäftsfelder die Printmedienmarke weit gedehnt wird1030. Wenig Risiken werden bei verlagsnahen Produkten und Online-Aktivitäten gesehen1031. Die Diversifikation in weiter entfernte Geschäftsfelder wird jedoch kontrovers bewertet. Insbesondere die Attribution von Glaubwürdigkeit und kommerzieller Unabhängigkeit könnte bei unachtsamen Aktivitäten auf diesen Feldern beschädigt werden1032. Dies deckt sich mit der oben eingebundenen "PrinzipalAgenten"-Theorie, denn die Einstufung von Medien als unabhängige Gutachter (im Sinne von "signaling") kann durch kommerzielle Interessen gefährdet werden. Das Medienunternehmen gerät durch diese Interessen selbst in die Rolle des "Agenten" und wird auch als solcher wahrgenommen, wenn kommerzielle Interessen augenscheinlicher werden als die erwartete Wertschöpfung der Medien. Nicht nur die in den Fallstudien befragten Unternehmen, sondern auch andere Verlage sehen das Risiko der Verwässerung des Markenprofils bei verlagsfernen Produkten, wie die empirische Befragung zeigt1033. Die umfassend in den Einzelfallstudien diskutierten Aktivitäten von BILD ("Volksprodukte", "BILD mobil" etc.) aber auch die Wein-Editionen der SZ ("SZ-Vinothek") und ZEIT ("Genussedition Wein") zeigen, wo die Grenzen der Markendehnung zu liegen scheinen: Zwar sind sämtliche Produkte im Grenzbereich der Markendehnung angesiedelt, jedoch handelt es sich bei den Weineditionen um Produkte aus sehr intransparenten Märkten. Durch die eindeutige Übertragung der Kernkompetenz "Selektionsfähigkeit" sowie die Produktausges1029 1030 1031 1032 1033
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie HA. Vgl. sämtliche Fallstudien. Vgl. die empirische Befragung (S. 176ff.) sowie alle Fallstudien. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, G+J, ZEIT. Vgl. S. 176ff.
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taltung mit journalistischen Begleittexten, scheint hier die Grenze jedoch nicht überschritten zu sein. Diese Aussagen der Verantwortlichen wird durch den hohen Absatz dieser Produkte gestützt. Bei den "Volksprodukten" von BILD kann diese Ressourcenbasiertheit nicht vorgefunden werden. Allerdings sind auch diese Produkte erfolgreich. Sie sind jedoch möglicherweise bereits als Risiken für die Marke zu bewerten, da Leser die umfangreiche Produktbewerbung als rein kommerziell getrieben empfinden. Andere Produkte wie "BILD mobil", die durch die Orientierungsfunktion und journalistische Begleitung erfolgreich sind und die Marke nicht beschädigen, werden ggf. durch die negativen Effekte der "Volksprodukte" überlagert. Die genauen Effekte konnten jedoch nicht ermittelt werden, weil die befragten Unternehmen (wie bereits oben beschrieben) keine entsprechenden Analysen durchführen. Die Messung der Markenstärke und -profilierung könnte weitere Klärung bringen. 6.2.4 Übersicht über die Hypothesen Auch in diesem Unterkapitel werden die Hypothesen zusammenfassend dargestellt, die sich für die Markenstrategie nach Abgleich von theoretischem Bezugsrahmen und empirischen Ergebnissen ergeben (vgl. Abb. 6-4).
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Abb. 6-4:
Hypothesen für eine erfolgreiche Ausgestaltung der Markenstrategie (Kernhandlungsfeld 2)
Nr. Hypothese 1 Medienunternehmen haben umfassende Kenntnisse über die eigene Marke. Die Nutzung dieser Kenntnisse für den Aufbau neuer Geschäftsfelder ist erfolgversprechend. 2 Die systematische Ermittlung der Markenstärke bzw. der Ausprägung eines Markenprofils scheint ein erfolgversprechender Ansatz zu sein, um die Eignung einer Printmedienmarke zur (relationalen) Diversifikation festzustellen.
Referenz Alle Fallstudien
Alle Fallstudien
3 Die Positionierung neuer Produkte unter der Fallstudien BILD, SZ, ZEIT Dachmarke sollte immer dann vorgenommen werden, wenn die direkte Übertragung der Markenattribute im Vordergrund steht, eine gleiche Zielgruppe angesprochen wird und Synergien in der Vermarktung angestrebt werden. 4 Die Positionierung neuer Produkte als eigenständige Sub-Marke ist möglich, wenn ein besonderes journalistisches Kompetenzfeld oder eine redaktionelle Institution als Nukleus genutzt werden kann. 5 Neue Geschäftsfelder mit Sub-Marken zu bearbeiten, schafft eine Vielzahl von strategischen Möglichkeiten und kann die Verstetigung der Erträge erleichtern. 6 Markenstärke und -profilierung sowie der "Fit" zwischen Ausgangsmarke und Neuprodukt sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren für einen Markentransfer. 7 Die wahrnehmbare Kompetenzübertragung auf die neuen Produkte ist zwingend notwendig, damit diese von Konsumenten nicht als "lächerlich" empfunden werden. 8 Sämtliche neuen Geschäftsfelder müssen eine Konsistenz aufweisen. 9 Die Grenzen der Markendehnung werden überschritten, wenn in verlagsfernen neuen Geschäftsfeldern keine klar ersichtliche Übertragung von Ressourcen (Selektionskompetenz, journalistische Begleitung etc.) stattfindet. 10 Bei regionalen Medien dominiert der regionale Bezug die Markenattribute. Eine Markendiversifikation in neue Produkte ist nur mit diesem Bezug erfolgversprechend.
Quelle: Eigene Darstellung
Fallstudien BILD, BRIGITTE
Fallstudien BILD, BRIGITTE
Theoriekapitel 4.2.2.1 sowie alle Fallstudien Theoriekapitel 4.2.2.1 sowie alle Fallstudien und insbesondere BILD Theoriekapitel 4.2.2.1 sowie alle Fallstudien Theoriekapitel 4.2.2.1 sowie Fallstudien BILD, SZ, ZEIT
Fallstudie HA
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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6.3 Organisation der Innovation und Entwicklung (Kernhandlungsfeld 3) Durch den Abgleich der empirischen Ausgestaltung mit den theoretischen Gestaltungsregeln können ebenfalls Hypothesen darüber aufgestellt werden, wie Medienunternehmen die Wachstumsstrategien erfolgreich organisieren können. 6.3.1 Die Notwendigkeit von Überkapazitäten Der theoretische Bezugsrahmen legte nahe, zu untersuchen, inwieweit Überschussressourcen ("organizational slack") notwendig sind, um neue Geschäftsfelder aufzubauen. Weiterhin hatte das Modell von Fey vorgegeben, dass erst der Erfolg von Unternehmen diese Überschussressourcen schaffe1034. Der letztere Punkt (und somit der Kreisschluss im Modell von Fey) ist aus der Empirie leicht zu falsifizieren. Beim Vorreiter SZ erfolgte der Aufbau neuer Geschäftsfelder aus der Krise und keinesfalls aus der Erfolgssituation heraus. Beim Überblick über sämtliche Fallstudien scheinen gerade ökonomisch sehr erfolgreiche Medien weniger bereit zu sein, Geschäftsfelder mit einem hohen unternehmerischen Risiko und dem hiermit einhergehenden (Überschuss-) Ressourcenbedarf aufzubauen1035. Die direkte empirische Erfassung von – den neuen Aktivitäten zugrunde liegenden – Überkapazitäten ist aufgrund der Betroffenheit der Befragten problematisch. In der indirekten Analyse wird jedoch deutlich, dass in den meisten Fällen tatsächlich interne Ressourcen genutzt wurden, ohne, dass an anderer Stelle Tätigkeiten reduziert oder weitere Stellen geschaffen wurden1036. Allerdings betonen die Verantwortlichen, dass die unterstützenden Abteilungen am Rande ihrer Möglichkeiten arbeiten und vollständig ausgelastet sind: "Vorher waren die Kollegen zu 100 Prozent ausgelastet, jetzt sind sie es zu 150 Prozent."1037
Deutlich wird, dass der Aufbau neuer Geschäftsfelder ohne eine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Ressourcen eine große Kraftanstrengung in allen betei-
1034 1035 1036 1037
Vgl. erneut Abb. 4-7, S. 86. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD und BRIGITTE. Vgl. alle Fallstudien. Quelle: Interview mit Frau Kreft, ZEIT.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
ligten Bereichen erfordert und beispielsweise die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten wegen der neuen Aktivitäten oft überschritten wurden1038. Dennoch liegen zumeist nutzbare Ressourcenkapazitäten vor und aus Engagement, Interesse an den neuen Feldern und Karriereperspektiven stellen Mitarbeiter diese Kapazitäten zumindest für eine begrenzte Zeit zur Verfügung. Bei unterstützenden Serviceabteilungen scheint ein weiterer Hintergrund zu sein, dass Kostenanpassungen nicht kontinuierlich zur Steigerung der Effizienz möglich sind. Dies gilt durch die rechtlichen Probleme, Mitarbeiter freizusetzen. Vor allem ist eine solche Methode vom Management auch aus unternehmenskulturellen Gründen nicht gewünscht. Es scheint somit erfolgversprechend, diese (Überschuss-)Ressourcen durch einen Aufbau neuer Geschäftsfelder zu kapitalisieren. Die Möglichkeit, diese Potenziale zu mobilisieren, hängt jedoch von der Ausgestaltung der formalen Organisation und insbesondere der Kultur ab. Beides wird im Folgenden betrachtet. Die erhöhte Auslastung der Mitarbeiter ist aber kein primäres Ziel der Wachstumsaktivitäten, wie die Befragung der Medienunternehmen gezeigt hat1039. 6.3.2 Organisation für die Entwicklung einzelner neuer Produkte bzw. Geschäftsfelder Die Organisation für die Entwicklung einzelner neuer Geschäftsfelder ist sowohl zu Beginn sämtlicher Aktivitäten bedeutsam, als auch dann, wenn ein neues Geschäftsfeld erschlossen wird oder ein bereits erschlossenes Geschäftsfeld mit neuen Produkten bearbeitet werden soll. Da die Planung und der Beginn der Umsetzung dieser Aktivitäten zeitlich befristet sind, liegt es gemäß der theoretischen Vorüberlegungen nahe, eine projektorientierte Organisationsform zu wählen. Diese Organisationsform konnte auch bei allen in den Fallstudien betrachteten Unternehmen vorgefunden werden. So wurden die initialen Aktivitäten fast ausnahmslos in Projektorganisationen bearbeitet1040. Den designierten Projektleitern standen Mitarbeiter aus ver1038 1039 1040
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT. Vgl. Abb. 5-11, S. 169. Vgl. sämtliche Fallstudien.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
313
schiedenen Unternehmensbereichen als Projektmitglieder zur Verfügung, die jedoch auch in andere Tätigkeiten eingebunden waren1041. Die Leiter von Verlagsbereichen und teilweise der Redaktion waren eng in die Aktivitäten eingebunden1042, so dass die Organisationsform gemäß der dargestellten Struktur von Larson/Gobeli1043 eher als "ausbalancierte Matrix" oder "Projektmatrix" zu beschreiben ist. Nach der grundsätzlichen Etablierung von Wachstumsstrategien wird bei der Erschließung weiterer Geschäftsfelder oder der Entwicklung von neuen Produkten in bereits erschlossenen Geschäftsfeldern meist eine noch stärker auf die Projektsituation ausgerichtete Struktur ("Projektteam") gewählt1044. Die Projektmitarbeiter sind zumeist vollzeitig für die Projekte tätig und organisatorisch einem Bereich angeschlossen, der für die neuen Aktivitäten verantwortlich ist (vgl. das folgende Unterkapitel 6.3.3). Weitere erforderlichen Fähigkeiten werden durch diesen Projekten zugeordnete Mitarbeiter realisiert, die hauptsächlich in anderen Bereichen wie beispielsweise in der Redaktion tätig sind (interne Integration) oder das Projekt als externe Berater unterstützen (externe Integration)1045. Bei der Zusammensetzung der Teams achten die Unternehmen darauf, Mitarbeiter einzubeziehen, die aufgrund längerer Tätigkeit im Unternehmen eine umfassende Kenntnis des Kernproduktes und der Marke haben. Daneben sind aber auch Mitarbeiter erwünscht, die mit unverstelltem Blick unternehmerisch und kreativ Chancen erkennen und Kenntnisse aus anderen Märkten mitbringen1046. Auch die Integration funktionaler Kenntnisse z.B. aus dem Bereich Vertrieb und Marketing wird angestrebt1047. Auf diesem Weg wird die funktionsübergreifende Besetzung der Teams gewährleistet, die notwendig ist, um alle essentiellen Fähigkeiten im Projektteam
1041 1042 1043 1044 1045 1046 1047
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, SZ. Vgl. S. 125. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, ZEIT, BRIGITTE, SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, SZ, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
zu vereinen. Da die Verlagsstandorte zumeist zentral organisiert sind, ist eine räumliche Nähe des Projektteams stets gegeben. Die Verantwortung für und die Entscheidung über Aktivitäten, die ein signifikantes Volumen erreichen, liegen in allen betrachteten Fällen bei der Verlagsleitung oder -geschäftsführung1048. Dieses Ergebnis findet sich auch in der dargestellten Befragung einer größeren Anzahl von Medienunternehmen wieder1049. Die verantwortlichen Manager fungieren insbesondere zu Beginn aller Aktivitäten auch als Projektsponsoren und ermöglichen den Projektteams den Zugang zu Ressourcen. Weiterhin schützen sie die neuen Aktivitäten davor, durch formale Regeln oder unternehmenspolitische Prozesse gebremst zu werden1050. Die Chefredaktion muss zwar keine direkte Sponsorenrolle übernehmen, dennoch scheint es wichtig, ihre grundsätzliche Unterstützung für die Aktivitäten zu gewinnen1051. Für operative Entscheidungen ist diese Verantwortung an die Projektverantwortlichen delegiert, denen somit eine erhebliche Bedeutung für die erfolgreiche Planung und Umsetzung zukommt. In den Fallstudien konnte deutlich herausgearbeitet werden, wie umfangreich Projektverantwortliche die Aktivitäten geprägt haben. So war mehrfach eine Verbindung zwischen der Art, wie die Innovationsprozesse durchgeführt wurden und welche Produkte entstanden und dem beruflichen Hintergrund der Projektverantwortlichen offensichtlich1052. Die im theoretischen Rahmen dargestellten Projektmanagementstile der "emergenten" Projektführung und der "plandeterminierten" Projektführung spiegeln sich in der Realität wider. Eine direkte Kausalität zum Erfolg konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Fallstudien legen allerdings nahe, dass nicht nur im Verlauf des einzelnen Projektes die Verschiebung von einem emergenten zu
1048 1049 1050 1051 1052
Vgl. sämtliche Fallstudien. Vgl. S. 175. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse aller Fallstudien. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
315
einem plandeterminierten Stil erfolgversprechend war, sondern auch mit der Reifung der Wachstumsaktivitäten von Medienunternehmen. So zeigen insbesondere die Beispiele der SZ, der BRIGITTE und BILD, wie ein eher "emergenter" Stil die Kreativität in der Planungsphase positiv beeinflusst. Dem sehr planvollen Vorgehen und dem Einbezug umfassender Marktbeobachtung, von Marktforschung und Controlling-Aktivitäten bei der ZEIT kommt offensichtlich im Verlauf der Projekte eine hohe Bedeutung zu. Diese auch im theoretischen Rahmen angelegte Hypothese scheint jedoch auch für die Reifung der Wachstumsaktivitäten generell zu gelten. In der Phase, in der Medienunternehmen begannen, neue Geschäftsfelder zu erschließen, war ein wenig formalisiertes Vorgehen (im Sinne des "Entrepreneurs") sehr erfolgreich. Dies zeigen die Beispiele der "SZ Bibliothek", der "Starken Stimmen" und der "Seite*1girl"-Produkte. Die Formalisierung des Prozesses hätte diese Aktivitäten eher gestört oder beendet als gefördert1053. Nach dem Erfolg dieser Produkte ist der Möglichkeitsraum aber auch sämtlichen Wettbewerbern bekannt und die formalisierte Planung und Umsetzung scheinen eine Notwendigkeit geworden zu sein. Nur so können Produkte auch in den stärker umkämpften Märkten noch profitabel sein. Diese zunehmende Notwendigkeit der formalisierten Planung und Umsetzung zeigt sich beispielhaft in der zwischenzeitlichen Schaffung einer Controlling-Position in der Leitungsebene der neuen Produkte bei der SZ. Eine weitere bedeutende Eigenschaft des Projektleiters fällt in den Bereich der externen und internen Integrationsfähigkeit. So konnte gezeigt werden, dass beim Aufbau neuer Geschäftsfelder sowohl die Nutzung des internen als auch des externen Netzwerkes von großer Bedeutung war, um Ressourcen wie konkrete Fähigkeiten der Produktausgestaltung oder Assets wie Lizenzen zu erschließen. Projektleiter beförderten den Erfolg ihrer Projekte, indem sie bereits bestehende Kontakte im Unternehmen bzw. in den relevanten neuen Geschäftsfeldern aktivierten1054. Hierfür hilft Projektleitern, im Unternehmen aufgrund früherer Aktivitäten anerkannt zu sein. Insbesondere der Zugang zur Redaktion
1053 1054
Vgl. die Aussagen in den jeweiligen Fallstudien. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT.
316
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
erleichtert den erfolgreichen Aufbau neuer Geschäftsfelder1055. Weiterhin kann so auch erfolgreiche "Lobbyarbeit" für neue Produkte erfolgen, um Wandelbarrieren (siehe unten) zu mildern. Der berufliche Hintergrund der Projektleiter war bei den untersuchten Unternehmen unterschiedlich. Sie hatten zumeist schon verlagskaufmännische Erfahrungen. Die Projekte für neue Geschäftsfelder werden jedoch zum Zeitpunkt der Fallstudienanalyse in keinem Fall von Redaktionsmitarbeitern geleitet. Dies wird weder in der Theorie noch in der Praxis als erfolgversprechend angesehen1056. 6.3.3 Langfristige Organisation für verlagsferne und verlagsnahe Aktivitäten jenseits des Kerngeschäftes Eine weitere Facette der Organisation betrifft die längerfristige Organisationsstruktur für die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Typischerweise wurde in allen Verlagen als Bestandteil der Wachstumsstrategie ein Bereich in der Aufbauorganisation geschaffen, der einerseits die laufenden Aktivitäten in neuen Geschäftsfeldern koordiniert und andererseits für die Entwicklung neuer Produkte bzw. die Erschließung neuer Geschäftsfelder verantwortlich ist1057. Aktivitäten im Online-Bereich sind in allen Fällen in einem weiteren eigenständigen Bereich angesiedelt. Dieser wurde jedoch nicht konkreter untersucht, weil die dortigen Strukturen aufgrund der konzentrischen Art der Diversifikation den bekannten redaktionellen Einheiten gleichen. Die hier dargestellten Ergebnisse beschränken sich somit auf die "relationalen Diversifikationsaktivitäten". Die Fallstudien zeigen sehr unterschiedliche Ausprägungen der strukturellen Anbindung und der Dimensionierung eines solchen Organisationsbereiches, wie die Abb. 6-5 zeigt:
1055 1056 1057
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT, BRIGITTE, BILD.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-5:
317
Dimensionierung und organisatorische Abbildung des für neue Geschäftsfelder verantwortlichen Bereiches
Fallstudie
Dimensionierung des verantwortlichen Bereiches
Position in der Unternehmensstruktur
SZ
ca. 20 Mitarbeiter
Direkt unter Geschäftsführung
ZEIT
7 Mitarbeiter (davon 2 ausschließlich für Magazine tätig)
Direkt unter Geschäftsführung
BILD
4 Mitarbeiter (ohne "Volksprodukte")
Teilbereich der Marketingabteilung, die an die Verlagsgeschäftsführung berichtet
BRIGITTE
1 Mitarbeiter
In der Verlagsleitung
HA
Kein Vollzeitmitarbeiter
In der Marketingabteilung
Quelle: Eigene Darstellung aus Fallstudieninterviews und Pressemitteilungen
Die Übersicht zeigt eine deutlich variierende Dimensionierung sowie zwei Varianten der Position in der Unternehmensstruktur: Die Dimensionierung variiert mit der Wertschöpfungstiefe, die die jeweiligen Unternehmen in den neuen Geschäftsfeldern leisten. Allerdings ist die Zahl der Stellen bei BRIGITTE und bei der ZEIT wesentlich geringer als bei der SZ, obwohl die Wertschöpfungstiefe ähnlich ist. Als weiterer Einflussfaktor kann die Frequenz angesehen werden, mit der neue Produkte auf den Markt gebracht bzw. neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Hier agieren BRIGITTE und ZEIT eher mit gemäßigter Frequenz, die SZ hat angesichts der kleiner werdenden Umsätzen pro Produkt die Frequenz, wie beschrieben, deutlich erhöht1058. Die Dimensionierung scheint für dieses Vorgehen einerseits Folge, andererseits aber auch Ursache zu sein. So betonen mehrere Fallstudienteilnehmer anderer Unternehmen, dass bei der SZ gerade
1058
Vgl. Analyse der einzelnen Fallstudien.
318
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
aufgrund der Bereichsgröße Zielvorgaben für größere Umsatzvolumina zwangsläufig seien und daher immer mehr neue Produkte etabliert werden müssen1059. Schließlich scheint als Einflussfaktor der Grad der angestrebten externen Integration in spezifischen Tätigkeiten bedeutsam zu sein. So wurde in den Fallstudien deutlich, dass die SZ beispielsweise ein Grafikbüro und auch die Betreuung der verschiedenen Vertriebskanäle aufgebaut hat. Andere Unternehmen vernachlässigen entweder einzelne Kanäle wie den Buchhandel oder integrieren hierfür externe Partner1060. Andere Medien wie BRIGITTE beziehen stärker Redakteure in die operative Projektarbeit ein. Es war jedoch nicht festzustellen, ob ein im Vergleich zur Zeitung anderer Arbeitsrhythmus einer 14-täglich erscheinenden Zeitschrift Redakteuren hierfür mehr Raum lässt. Somit wurden die Aufgaben schon angedeutet, die in den jeweiligen Bereichen bearbeitet werden: An oberster Stelle stehen die Steuerungs- und Koordinationsaufgaben, sie sind in allen betrachteten Fällen im jeweiligen neuen Bereich verankert. Zu diesen zählen die Verantwortung für bestehende Aktivitäten im Sinne eines Produktmanagements sowie die Initiierung von neuen Aktivitäten bzw. die Projektleitung für Planung und Umsetzung. Weiterhin fungiert der für die Wachstumsaktivitäten geschaffene Bereich als Pool für Mitarbeiter, die in Projekte eingebunden werden, wie in Kapitel 6.3.2 beschrieben. Dieser Pool ist je nach Einbezug interner Mitarbeiter z.B. aus der Redaktion, ggf. Zentralbereichen bzw. externen Beratern kleiner1061 oder größer dimensioniert1062. Hinzu kommen je nach Ausgestaltung der Aktivitäten die funktionalen Aufgaben, die mit der laufenden Bearbeitung neuer Geschäftsfelder einhergehen, wie Betreuung der Vertriebskanäle (Buchhandel, Pressegrosso und insbesondere Direktvertrieb), Grafikarbeiten sowie Controllingaufgaben. Bei keinem der betrachteten Unternehmen waren jedoch z.B. Marketingaufgaben komplett integriert. Hierfür wurden die bestehenden Verlagsabteilungen 1059
1060 1061 1062
Die Frage, ob die Struktur der Strategie folgt oder die Kausalitätsbeziehung exakt umgedreht ist, wurde auch theoretisch viel diskutiert. Vgl. Schreyögg (1999),S. 64ff. Mintzberg (1990) kam zu der Antwort, dass das eine dem anderen folgt, wie ein Fuß dem anderen. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien G+J/BRIGITTE, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BRIGITTE, BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
319
eingebunden. Zum Marketing und gleichermaßen für den Kontakt zur Redaktion wurden in allen Unternehmen feste Schnittstellen definiert, um die Arbeitsteilung zu erleichtern. Nicht eindeutig ist aus der Empirie zu klären, inwieweit die Kernwertschöpfung von Medienunternehmen auch als Leitfaden genutzt werden kann, um zu definieren, welche Fähigkeiten langfristig im entsprechenden Unternehmensbereich oder separat aufzubauen sind. Gemäß des theoretischen Bezugsrahmens läge es nahe, dass Medienunternehmen für Geschäftsfelder, für die eine langfristige Bearbeitung geplant ist, bedeutende Ressourcen intern aufbauen. Hierbei ist an Fähigkeiten zu denken, die der "Selektions-" und "Aufbereitungskernkompetenz" entsprechen und die dabei prägend für die Marke sind, da dies als die zentralen Ressourcen über alle Aktivitäten herausgearbeitet wurde. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass beispielsweise G+J für sämtliche Bewegtbildinhalte in Online-Angeboten mit einem externen Dienstleister zusammenarbeitet und eine Integration dieser Aktivitäten derzeit nicht angestrebt wird1063. Diese Aktivität erfüllt durchaus die genannten Kriterien. Weiterhin unterscheiden sich die Unternehmen gemäß Abb. 6-5 durch die Position der verantwortlichen Bereiche in der Unternehmensstruktur. In allen Unternehmen ist eine große Nähe zur jeweiligen Unternehmens- oder Bereichsleitung zu konstatieren, zumal auch die jeweiligen Marketingabteilungen, in die die neuen Aktivitäten in zwei Fällen eingebunden waren, sehr dicht an die Geschäftsführung angebunden sind. Diese dichte Anbindung kann als Fortsetzung der Projektsponsorenfunktion der verantwortlichen Manager bei der Initiierung der Aktivitäten angesehen werden. Diese Strukturierung hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sollen Entscheidungen ohne den Umweg vieler Instanzen möglich sein, um den Wachstumsprozess nicht zu bremsen1064. Zum anderen minimiert die Nähe zur Verlagsleitung bzw. zur Marketingabteilung die oben konkretisierten Risiken, die die Erschließung der neuen Geschäftsfelder für die Marke mit sich bringt. Gerade das Beispiel der Reorganisation des für neue Produkte verantwortlichen Berei1063 1064
Quelle: Fallstudieninterview mit Herrn Twardy. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, ZEIT.
320
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
ches bei BILD zeigt, dass die Kontrolle über die Nutzung der Marke für neue Geschäftsfelder als wichtig angesehen wird. Diese Argumente rechtfertigen auch die organisatorische Nähe zum Kerngeschäft, mit der diese neuen Geschäfte betrieben werden. Weder für OnlineGeschäftsfelder noch für sämtliche anderen neuen Aktivitäten konnte festgestellt werden, dass eine Entfernung der neuen Bereiche als vorteilhaft angesehen wird, wie es der theoretische Bezugsrahmen nahelegt. Die dort dargestellten Varianten eines anzustrebenden "corporate venturing" oder einer Separierung von OnlineAktivitäten finden sich empirisch in dieser Arbeit nicht. Gerade für OnlineAktivitäten ist diese theoretische Gestaltungsregel heute möglicherweise auch dadurch obsolet geworden, dass die Notwendigkeit von Online-Publikation nicht mehr in Frage steht1065. Im Falle von Unternehmen, die mehrere Medienobjekte aufweisen, für die eine Wachstumsstrategie angestrebt wird, ist die Schaffung eines zentralen Unterstützungsbereiches erfolgversprechend, wie die Aktivitäten von G+J zeigen. Ein solcher Bereich kann den Planungs- und Umsetzungsprozess befördern, in strategischen und operativen Fragestellungen unterstützen, jedoch nicht die inhaltliche Lenkungsfunktion übernehmen. Diese muss – dem bisher Gesagten folgend – beim objekt- bzw. markenverantwortlichen Bereich verbleiben. 6.3.4 Herausforderungen einer innovativen Kultur und die Überwindung von Wandelbarrieren Die meisten der untersuchten Unternehmen sahen sich mit Wandelbarrieren konfrontiert, die dem Aufbau neuer Geschäftsfelder entgegenstanden. Diese bestanden in Form von Reaktanz gegenüber Veränderungen, die gemäß des theoretischen Bezugsrahmens zu erwarten war. Die beobachteten Vorbehalte gingen jedoch darüber hinaus. Die spezielle Situation von Medienunternehmen bringt ein Konfliktpotenzial zwischen den beiden zentralen Bereichen Redaktion und Verlag mit sich. Denn während der Verlagsbereich von jeher für die ökonomischen Rahmenbedingungen verantwortlich ist, legt die Redaktion wert auf ihre 1065
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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Unabhängigkeit von ökonomischen Fragestellungen. Die kommerziellen Interessen, die mit den Wachstumsstrategien verfolgt werden, sind aus redaktioneller Sicht daher naturgemäß bedenklich – erst recht, wenn eine redaktionelle Begleitung von der Verlagsseite angestrebt wird. Da jedoch der Erfolg von Medienunternehmen auf einem funktionierenden Verhältnis zwischen Redaktion und Verlag beruht, ist wie dargestellt die grundsätzliche Unterstützung der Redaktion Voraussetzung für den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Diese Unterstützung konnte in den betrachteten Fällen durch unterschiedliche Aktivitäten erzielt werden. So helfen Krisensymptome wie bei der SZ, die gemäß der im theoretischen Rahmen formulierten Struktur für ein "unfreezing" sorgen. Einen ähnlichen Effekt hat die bei G+J unternehmensweit vom Vorstand ausgerufene "Expand your Brand"-Initiative. Auf diesem Weg entsteht die prinzipielle Bereitschaft aller Beteiligten, die möglichen Optionen überhaupt zu erwägen. Der erfolgreiche Einsatz von "change agents" konnte im Gegensatz zum oben thematisierten Schema Greiners1066 in der Praxis nicht vorgefunden werden. Erfolgversprechend sind jedoch die – politischer Lobbyarbeit vergleichbaren – Aktivitäten der verantwortlichen Projektleiter und Projektsponsoren in der Geschäftsführung, die oft unermüdlich für die neuen Produkte und die ihnen zugrundeliegende Wachstumsstrategie geworben haben. Weiterhin sind vor allem die ersten Projekte in den Unternehmen oft verlagsnah gewesen und so konnten durch partizipatives Vorgehen auch die Wandelbarrieren gemindert werden1067. Hierbei half das in mehreren Fällen angesprochene "Vetorecht" beider Bereiche1068. So konnte eine Vertrauensbasis geschaffen werden und Produkte wurden verhindert, die einem der Bereiche missfielen. Auch die Anknüpfung an bestehende Leserservice-Aktivitäten und den dadurch sukzessiv erfolgenden Aufbau neuer Umsatzsäulen scheinen Wandelbarrieren deutlich reduziert zu haben1069.
1066 1067 1068 1069
Vgl. S. 133 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BRIGITTE, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT, BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Ein stark umstrittenes Feld bleibt die redaktionelle Begleitung von kommerziellen Produkten der Verlagsseite. Hier scheint die Trennung der Aktivitäten in zwei unterschiedliche Projekttypen erfolgversprechend. So unterscheidet BILD "voll integrierte Projekte", bei denen die Redaktion umfassend beteiligt ist und journalistische Fähigkeiten in das Endprodukt einfließen, von anderen Projekten, die nur vom Verlag betreut werden. Auch die SZ folgt diesem Vorgehen und so wurden hier die Wein-Editionen nicht von der Redaktion begleitet, sondern – wie auch bei der ZEIT – nur in Sonderveröffentlichungen des Verlages beworben. Das Ausmaß der redaktionsseitigen Vorbehalte ist jedoch von Medium zu Medium verschieden. Je höher das angestrebte journalistische Niveau ist, desto stärker scheinen die Vorbehalte zu sein und desto geringer ist die Bereitschaft der Redaktion, sich aktiv zu beteiligen1070. Die Mechanismen zur Reduzierung von Wandelbarrieren sollten jedoch gemäß des theoretischen Rahmens durch eine innovationsorientierte Kultur ergänzt werden. Hier ist das Vorgehen der ZEIT richtungsweisend. Denn mit dem angestrebten Modell eines betrieblichen Vorschlagswesens und einem Mitarbeiter-Anreizsystem ist gerade der Redaktion mit ihren sehr spezifischen Fähigkeiten die Chance geboten, eigene Ideen zu realisieren bzw. im Einzelfall Karriereziele zu verwirklichen. Diese Maßnahme reduziert aufgrund ihres stark partizipativen Charakters die Wandelbarrieren. Auch die "Expand your Brand"-Initiative von G+J scheint innovationsfördernd zu wirken. In den entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen wurde beispielsweise die bei Unternehmen wie "Gore" als Erfolgsfaktor herausgearbeitete Kultur formuliert, auch durchaus Fehler zuzulassen. 6.3.5 Übersicht über die Hypothesen Die in diesem Unterkapitel für das Kernhandlungsfeld 3 erarbeiteten Hypothesen sind wie folgt zusammengefasst (vgl. Abb. 6-6).
1070
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT und tw. auch SZ.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-6:
323
Hypothesen für die Organisation der Innovation und Entwicklung (Kernhandlungsfeld 3)
Nr. Hypothese
Referenz
1 (Überschuss-)Ressourcen sind eine Grundvoraussetzung für den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Sie liegen jedoch nicht nur in Situationen ökonomischen Erfolgs bei Unternehmen vor, sondern können auch in anderen Situationen mobilisiert werden.
Theoretisches Modell von Fey, S. 85 sowie die Fallstudien SZ, BILD, ZEIT
2 Die "Projektmatrix" bzw. "Projektteam"-Organisation ist für die Entwicklung neuer Produkte bzw. Geschäftsfelder gut geeignet. 3 Das Projektteam sollte so zusammengestellt sein, dass alle essentiellen Fähigkeiten durch interne oder externe Mitarbeiter integriert sind. Hierbei sollten sowohl Mitarbeiter mit profunder Produkt- bzw. Markenkenntnis einbezogen werden als auch Mitarbeiter, die eine externe Sichtweise einbringen.
Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch v.a. bei den Fallstudien BILD, SZ, ZEIT Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und alle Fallstudien v.a. BILD, SZ, ZEIT
4 Während der initialen Aktivitäten zur Erschließung neuer Geschäftsfelder ist ein Projektsponsor im Bereich der Geschäftsführung von essentieller Bedeutung. Auch die Unterstützung der Chefredaktion für die Aktivitäten sollte grundsätzlich gewonnen werden. 5 Die Fähigkeiten der Projektleitung sind für den Erfolg der neuen Geschäftsfelder wichtig. Der Erfolg der Projekte wird durch ein bestehendes internes und externes persönliches Netzwerk und eine starke Position im Unternehmen begünstigt. 6 Der berufliche Hintergrund der Projektleitung prägt die Art der neuen Produkte und den Managementstil. Projektleiter sollten eher einen verlagskaufmännischen als einen redaktionellen Hintergrund haben. 7 Ein emergenter Projektmanagementstil ist zum Beginn der Projektaktivität erfolgversprechend, um Kreativität und Entrepreneurship zu befördern. Mit zunehmender Projektlaufzeit sowie der Ausdifferenzierung der Aktivitäten in der Branche erhält ein planorientierter Managementstil höhere Bedeutung. 8 Die Dimensionierung eines für neue Geschäftsfelder verantwortlichen Bereiches folgt der Wertschöpfungstiefe und Frequenz neuer Produkte. Ein Bereich mit vielen Mitarbeitern erzeugt allerdings auch die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Aktivitäten zum weiteren Wachstum zu realisieren.
Fallstudien v.a. SZ, ZEIT
Fallstudien v.a. BILD, SZ, ZEIT
Fallstudien v.a. SZ, ZEIT und zum letzten Teil v.a. BILD
Theoriekapitel 4.2.2.1 sowie Fallstudien v.a. SZ, ZEIT
Alle Fallstudien
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Nr. Hypothese
Referenz
9 Durch die Integration interner (d.h. in anderen Bereichen Alle Fallstudien, insbesondere tätiger) wie externer Projektmitglieder sowie die BRIGITTE, ZEIT, BILD Beschränkung der Vertriebswege kann die Anzahl der Mitarbeiter im neuen Bereich begrenzt werden. 10 Ein für die neuen Geschäftsfelder verantwortlicher Alle Fallstudien Bereich muss die Koordination bestehender Aktivitäten im Sinne eines Produktmanagers leisten, neue Aktivitäten initiieren und als Projektleitung die Planung und Umsetzung verantworten. Der Bereich kann um einen Mitarbeiterpool ergänzt werden, aus dem Projektmitarbeiter rekrutiert werden können. Weiterhin sind bei langfristiger Bearbeitung von Geschäftsfeldern funktionale Vertriebsund Controllingaufgaben in der Organisation abzubilden. 11 In sämtlichen internen und externen Service-Bereichen sowie in der Redaktion sollten Mitarbeiter als Schnittstellen definiert werden. 12 Der neue Bereich sollte in der Unternehmensstruktur so positioniert werden, dass ein unkomplizierter Entscheidungsprozess möglich ist und die Markenverantwortlichen gewährleisten können, dass alle Aktivitäten der Markenstrategie entsprechen. 13 Eine Separierung des neuen Bereiches ist aufgrund der synergetischen Verbindung zum Kerngeschäft wenig ratsam. 14 Medienunternehmen mit mehreren Medienobjekten sollten einen zentralen Bereich schaffen, der die Einzelobjekte unterstützt, bei denen allerdings die Lenkungsfunktion verbleiben sollte. 15 Wandelbarrieren existieren häufig prinzipiell gegenüber Veränderungen. Bei Medienunternehmen aber darüber hinaus auch aus dem Dualismus zwischen Redaktion und Verlag. Krisensymptome und konzernweite Initiativen befördern ein "unfreezing". Zur Überwindung dieser Barrieren und um die Unterstützung der Redaktion zu erreichen, sind u.a. ein Vetorecht für beide Seiten, ein sehr partizipatives Vorgehen und die Unterscheidung in "vollintegrierte" und andere Projekte erfolgversprechend. 16 Weiterhin ist eine innovationsoffene Kultur notwendig, die durch konzernweite Initiativen, aber auch durch spezielle Organisationsmodelle erreicht werden kann (z.B. innerbetriebliches Vorschlagswesen).
Quelle: Eigene Darstellung
Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch v.a. bei den Fallstudien BILD, SZ, ZEIT Alle Fallstudien
Alle Fallstudien
Fallstudie G+J
Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und alle Fallstudien
Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch v.a. bei den Fallstudien ZEIT, G+J
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
325
6.4 Filter für Optionen (Kernhandlungsfeld 4) Die Filterung von Optionen für Produkte in neuen Geschäftsfeldern wurde ebenfalls in der Praxis untersucht. Der im theoretischen Rahmen nahegelegte Weg eines formalisierten, iterativen Prozesses konnte allerdings nicht vorgefunden werden. Dies gilt auch für die konzernweite "Expand your Brand"-Initiative bei G+J, innerhalb derer ein solcher Prozess am ehesten zu erwarten gewesen wäre. Durch den Einbezug sämtlicher Medienobjekte des Unternehmens ist eine Vielzahl gleichartiger Entscheidungen zu treffen und so läge ein formalisierter Entscheidungsprozess nahe. In allen Fällen findet dennoch eine Filterung der generierten ersten Ideen statt. Informelle Abstimmungsprozesse und nur teilweise kodifizierte Entscheidungsparameter ersetzen den oben angesprochenen formalen Prozess1071. Diese Filterung der Ideen erfolgt im Allgemeinen zuerst innerhalb des für neue Geschäftsfelder zuständigen Bereiches. Dann werden auch die Leitung der Verlagsseite und die Redaktion einbezogen1072. Dieser Filterprozess führt dazu, dass ein großer Anteil der Optionen nicht weiterverfolgt wird1073. Die implizit oder von den Verantwortlichen kodifiziert herangezogenen Parameter zur Filterung lassen sich jedoch analog des theoretischen Bezugsrahmens in Filterparameter unterscheiden, die auf der Ressourcenbasis fußen, sowie in die marktseitigen Filterkriterien. Bei allen untersuchten Unternehmen wurde ein zweistufiges Verfahren angewendet. Zuerst werden Optionen ausgewählt, die sämtliche konzeptionelle Filterparameter nach qualitativen Kriterien erfüllen. In einer Business-Planung werden diese Ideen anschließend auf ihre ökonomische Tragfähigkeit hin untersucht, wobei die Nutzung der Ressourcenbasis bzw. die marktseitige Einschätzung helfen, um Absatz- und Kostendaten zu prognostizieren. Auch in der Praxis wird dieser Prozess iterativ durchgeführt. So werden die Optionen im Verlauf der Planungsphase dahingehend modifiziert, dass sie qualitativ und quantitativ 1071 1072 1073
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ, BILD, BRIGITTE, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD.
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die gesetzten Anforderungen erfüllen. Diejenigen Optionen, bei denen dies nicht möglich erscheit, werden entsprechend verworfen. 6.4.1 Filterparameter der Ressourcenbasis Bereits die ersten beiden Kernhandlungsfelder haben beschrieben, dass ein "Fit" zur Ressourcenbasis für den Erfolg neuer Produkte entscheidend ist. Die Ressourcenbasis wurde entsprechend priorisiert und es wurde aufgezeigt, dass die Übertragung der Kernkompetenzen auf das neue Geschäftsfeld in einer mit den Markenattributen konsistenten Art erfolgsnotwendig ist. Im Bereich der Markenstrategie wurden bei einigen Medienunternehmen sehr prägnant Anforderungen an neue Produkte (z.B. "BILD tut gut") formuliert. Darüber hinaus wurde schon in den Einzelfallstudien dargestellt, dass einzelne Unternehmen explizite qualitative Regeln oder Kriterien für neue Produkte aufgestellt haben1074. All diese Kriterien werden auch als qualitative Filterparameter herangezogen. Kein Unternehmen überführte jedoch den Konsistenzgrad ("Fit") zwischen den neuen Produkte und der bestehenden Ressourcenbasis in eine quantitative Form. Durch ein solches Verfahren, das über die zunehmende Erfahrung reifen würde, könnte die Prognosefähigkeit der Absatzmenge verbessert werden, wenn die Kausalbeziehungen zwischen der Nutzung der Ressourcenbasis und dem Produkterfolg in der in dieser Arbeit explorierten Weise vorliegt. So könnte beispielsweise der unterschiedliche Umfang der Übertragung von Kernkompetenzen oder die Konsistenz mit definierten Markenattributen in Form eines "Scoringmodells" bewertet werden und auf dieser Basis die geplante Absatzmenge angepasst werden. Im Rahmen des iterativen Prozesses werden die vielversprechenden Produktoptionen, wie beschrieben, weiterentwickelt. Hierbei erhält der Teil der Ressourcenbasis weitere Bedeutung, der in Kernhandlungsfeld 1 zunächst ausgeklammert worden ist. Die Unternehmen versuchen die Profitabilität und Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Weiterentwicklung neuer Aktivitäten zu erhöhen, indem sie die Fähigkeiten einsetzen, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen 1074
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
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bzw. die durch die externe und interne Integrationsfähigkeit für das jeweilige Projekt aktivierbar sind. So werden beispielsweise die Herstellungs- und Marketingabteilungen einbezogen, aber auch die Redaktion und ggf. ein zentraler "Merchandising"-Bereich1075. Hiermit wird einerseits die konzeptionelle Passgenauigkeit zum bisherigen Kerngeschäft verbessert und andererseits werden durch bei interner Integration entstehende Synergieeffekte die Umsatz- und Ertragspotenziale erhöht. Dieses Vorgehen schlägt sich in der Business-Planung nieder, die eine Umsetzung daraufhin attraktiver erscheinen lässt. Für die Identifikation der unternehmensindividuellen Fähigkeiten können erneut die im theoretischen Bezugsrahmen genannten Verfahren genutzt werden1076. Die Einbeziehung bestehender Ressourcen kann aber hypothesengemäß auch Rigiditäten mit sich bringen. So wird von Fallstudienteilnehmern die Auswahl der Titel in verlagsnahen Buch-, CD- oder DVD-Editionen bei einigen am Markt befindlichen Produkten von Medienunternehmen als der Konzernräson geschuldet bewertet1077. Die Rechte des eigenen Unternehmens werden aus den dargestellten Rentabilitätserwägungen heraus eher genutzt, als dass neue Rechte eingekauft werden. Für die Qualität des Endproduktes kann dies negative Folgen mit sich bringen. 6.4.2 Marktseitige Filterparameter Für die marktseitige Filterung potenziell attraktiver neuer Produkte werden von den Verlagen sehr unterschiedliche Verfahren gewählt. Setzt die SZ auf die bisherigen Erfahrungen in den neuen Märkten und auf "Bauchgefühl", so hat die ZEIT bewiesen, wie präzise eine umfangreiche Marktforschung die Absatzzahlen prognostizieren kann. Bei BILD und BRIGITTE werden Marktforschungen nur in einigen Projekten durchgeführt. In der Zusammenarbeit mit Partnern wird oftmals auf die dort vorhandene Expertise gesetzt1078.
1075 1076 1077 1078
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, SZ, BILD, BRIGITTE. Vgl. S. 113. Quelle hierzu und zum Folgenden: Fallstudieninterview mit Herrn Rumberg, S. 13. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD.
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Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Die Verantwortlichen bei der ZEIT haben eine Gestaltungsregel formuliert, die auf Basis des theoretischen Bezugsrahmens folgerichtig erscheint: Bei Projekten mit hoher eigener Wertschöpfung und hohem finanziellen Risiko sei der Einbezug einer umfangreichen Marktforschung nur eine verhältnismäßig geringe Kostenposition, könne aber die Risikoabschätzung deutlich verbessern. Zwar bestehen bei mehreren analysierten Unternehmen Vorbehalte gegenüber der Verlässlichkeit von Marktforschungsergebnissen, aber es existieren keine Beispiele für ein Versagen dieses Instruments. Im Gegenteil legen die Aussagen der ZEIT nahe, dass die Qualität des Instruments mit der häufigeren Nutzung zunimmt, weil das Verfahrens verfeinert werden kann. 6.4.3 Business-Planung In der Business-Planung werden die auf Basis der qualitativen Filterung potenziell attraktiven Optionen neuer Produkte auf ihre ökonomische Erfolgsträchtigkeit analysiert. Eine solche Business-Planung wird von allen betrachteten Unternehmen durchgeführt und bildet die Entscheidungsgrundlage für sämtliche Projekte. Die Business-Pläne variieren in ihrem Detailgrad. Jedoch wurde deutlich, dass in allen Fällen ein Reifungsprozess dieses Instruments stattgefunden hat1079. Auf diesem Weg wird versucht, die Prognosequalität zu verbessern und die Effizienz des Einsatzes zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird einerseits die Struktur dieser Pläne an die verschiedenen neuen Geschäftsfelder angepasst und andererseits die Erfahrungswerte bisheriger Projekte hinterlegt1080. Für die Planungen werden zumeist Szenarien für die Absatzprognose gebildet, mit denen eine Entscheidung weiter erleichtert wird. Eine Modellierung der Business-Planung unter Einbezug der Wahrscheinlichkeitsverteilung verschiedener Parameter (Monte-Carlo-Simulation) wurde nicht vorgefunden, scheint aber gemäß der Theorie ein probates Mittel zur Absicherung der Entscheidung zu sein.
1079 1080
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
329
Wie grundsätzlich im Controlling, haben die Unternehmen versucht, die Realität in der Business-Planung möglichst genau abzubilden1081. Allerdings wurden, wie in den Einzelanalysen bereits beschrieben, oftmals auf der Ertragsseite nur die direkten Umsatzeffekte quantifiziert und sämtliche mittelbaren Effekte nur qualitativ betrachtet. Auf der Kostenseite stand diesem Verfahren eine reduzierte Abbildung der internen Leistungsverrechnung gegenüber. Denn bei keinem der betrachteten Unternehmen wurden die Leistungen anderer interner Service-Bereiche verrechnet. Der Hintergrund hierfür scheint zu sein, dass ein solches Vorgehen bislang unüblich war, da alle Bereiche für ein Kernprodukt tätig waren. Um neue Geschäftsfelder nicht übermäßig zu belasten, werden ihnen zumeist auch keine Gemeinkosten zugerechnet, sondern nur direkte Kosten in die Business-Planung aufgenommen1082. Hiermit wird die Nutzung der internen (Überschuss-)Ressourcen für die verantwortlichen Bereiche gegenüber dem externen Einkauf von Dienstleistungen sehr attraktiv. Eine ähnliche Situation stellt sich in Bezug auf die Verrechnung der MediaLeistung, die eine zentrale Ressource für die neuen Produkte darstellt. Diese wird meistens mit Verrechnungspreisen bewertet, die sich an den (sehr geringen) Herstellungskosten orientieren. In einigen anderen Fällen findet keinerlei Verrechnung dieser Leistung statt. Auch bei der Nutzung von Gegengeschäftskontingenten werden diese nicht mit Marktpreisen bewertet und verrechnet, sondern aufgrund qualitativer Entscheidungen auch für neue Geschäftsfelder vergeben. Die Position des für neue Geschäftsfelder verantwortlichen Bereiches in der Unternehmensstruktur hat weiterhin anscheinend einen moderierenden Effekt auf die Verrechnung der Media-Leistung. Bei direktem Anschluss an die Marketingabteilung werden die Markeneffekte oft höher bewertet als in Fällen, in denen Profitcenter gegenüber der Geschäftsführung verantwortlich sind. Aus diesem Grund können neue Produkte in solchen Fällen häufiger mit den Marketingbudgets der Muttermarke beworben werden, was die Rentabilität der Projekte erhöht1083. 1081 1082 1083
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD.
330
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Die nur unvollständige Abbildung sämtlicher Effekte hat sehr pragmatische Gründe, da die Übersetzung qualitativer Effekte in finanzielle Größen nur geringe Validität bei hohem Aufwand mit sich bringt. Es scheint jedoch ein weiterer Punkt hinzuzukommen: Bei einer realistischen Abbildung insbesondere der Media-Leistung wären neue Produkte bei separater Betrachtung weniger profitabel. Da jedoch der Aufbau neuer Geschäftsfelder angestrebt ist, fördert eine profitable Darstellung der neuen Geschäftsfelder die Reputation der verantwortlichen Bereiche und so insgesamt eine innovationsorientierte Kultur. 6.4.4 Übersicht über die Hypothesen Die in diesem Unterkapitel für das Kernhandlungsfeld 4 erarbeiteten Hypothesen sind im Folgenden zusammengefasst (vgl. Abb. 6-9).
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-7:
331
Hypothesen für die Filterung der Optionen (Kernhandlungsfeld 4)
Nr. Hypothese
Referenz
1 Der Filterprozess sollte Optionen explizit oder implizit in Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und einem zweistufigen, iterativen Prozess auf ihre Eignung empirisch bei allen Fallstudien überprüfen. Einem ersten Schritt der qualitativen Prüfung von Filterparametern sollte eine Prüfung auf ökonomische Tragfähigkeit mittels einer Business-Planung folgen. Iterativ sollten die Optionen in Richtung der Filterkriterien weiterentwickelt werden oder die Weiterverfolgung abgebrochen werden. 2 Festgelegte Filterkriterien im Hinblick auf eine Konsistenz Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch bei der Fallstudie zu bestehenden Ressourcen und Anforderungen an die BRIGITTE, BILD jeweiligen Märkte vereinfachen den Selektionsprozess potenziell attraktiver neuer Produkte. 3 Die Erfüllung der Filterkriterien sollte in quantitative Theorieteil Kap. 4.2.2.1 Informationen überführt werden, um für die notwendigen Prognosen in der Business-Planung eine Hilfestellung zu geben. 4 Während der Weiterentwicklung der Optionen sollten auch Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und alle Fallstudien sämtliche Ressourcen des Unternehmens (insbesondere Fähigkeiten) daraufhin analysiert werden, ob durch einen Einbezug die Umsatzpotenziale erhöht werden können bzw. die Profitabilität gesteigert werden kann. 5 Bei der Übernahme signifikanter unternehmerischer Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und empirisch bei der Fallstudie Risiken sollte eine umfassende Marktforschung durchgeführt werden. Diese sollte die wiederholte Nutzung ZEIT in ihrer Anlage berücksichtigen. In Lizenzgeschäften kann eine Marktforschung meistens durch die Erfahrungen des Partners ersetzt werden. Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und 6 Die Business-Planung sollte standardisiert sein und den Einbezug der bisherigen Erfahrungsergebnisse ermöglichen. empirisch teilweise bei den Fallstudien ZEIT, SZ. Die Nutzung von erfahrungsbasierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die verschiedenen Parameter erhöht die Prognosegenauigkeit eines Planungsmodells. 7 Aus pragmatischen Gründen und mit Rücksicht auf die positiven Effekten für die Innovationskultur sollten neue Produkte nicht mit Gemeinkosten oder Marktpreisen für Media-Leistung belastet werden. Eine Abbildung aller direkt zurechenbaren Kosten ist jedoch geboten.
Quelle: Eigene Darstellung
Alle Fallstudien und insbesondere bei G+J
332
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6.5 Launchvermarktung und Distribution (Kernhandlungsfeld 5) Die hohe Bedeutung der Vermarktung bei der Einführung neuer Produkte bzw. der Etablierung neuer Geschäftsfelder wird in Theorie und Praxis betont. Ergänzt wird dieses Kernhandlungsfeld um Fragestellungen, die die Distribution betreffen. 6.5.1 Vermarktung bei der Einführung neuer Produkte Die Vermarktungsfähigkeit ist eine der Kernkompetenzen von Medienunternehmen. Dazu kommt als Asset das Vorhandensein von Media-Kontingenten in Form von Anzeigenplatz im eigenen Medium, aber auch in Form von Gegengeschäftskontingenten in anderen Medien. Der theoretische Bezugsrahmen hatte deshalb nahegelegt, dass mit dieser Fähigkeit hohe Synergiepotenziale ("economies of scope") zwischen bisherigem Kerngeschäft und neuen Aktivitäten zu erschließen sind. Diese Erwartung wurde in der Praxis umfassend bestätigt. Der Erfolg der neuen Produkte scheint zu einem maßgeblichen Teil dadurch bedingt zu sein, dass diese eine hohe Bekanntheit erreicht haben. Die in den einzelnen Fallstudien dargestellten Marktwerte für die verwendete Media-Leistung sind hierfür ein sehr deutliches Indiz1084. Hinzu kommt die redaktionelle Leistung, die nur schwer bewertet werden kann. Die Kernkompetenz der Vermarktungsfähigkeit impliziert, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen von Medienunternehmen effizient eingesetzt werden können. So haben die Verantwortlichen ausgefeilte Media-Strategien für die Bewerbung neuer Geschäftsfelder. Bei der Gestaltung der Bewerbung wurde zumeist die auch für die Muttermarke tätige Kreativagentur einbezogen1085. Im weiteren Verlauf der Aktivitäten wurde die werbliche Gestaltung allerdings zunehmend durch interne Service-Abteilungen geleistet1086 oder es wurden entsprechende Fähigkeiten im für die neuen Produkte verantwortlichen Bereich aufgebaut, um die Kosten zu senken1087. 1084 1085 1086 1087
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, SZ, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BILD, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
333
Der Einbezug der Redaktion in die Vermarktung bei einigen Medienobjekten wurde obenstehend bereits beschrieben. Dem "Launch" wurde hier ebenfalls eine hohe Bedeutung beigemessen und die redaktionelle Berichterstattung zum Start forciert. Auch wenn keine redaktionelle Unterstützung geleistet wurde, unterstützen einzelne Redakteure gelegentlich die Verlagsveröffentlichungen über neue Produkte mit Texten. Im Hinblick auf den Einsatz der Media-Leistung (und die redaktionellen Unterstützungsleistungen) favorisierten alle befragten Unternehmen bei größeren Projekten die "konzentrierte" Strategie, bei der ein Großteil der Ressourcen zum Start der Produkte in neuen Geschäftsfeldern eingesetzt wird. Dies galt umso mehr, wenn es sich um Produkte handelte, die bei Konsumenten einen Sammeleffekt auslösen, wie z.B. bei Lexika1088. Im Rahmen dieser konzentrierten Strategie wurden die im Sinne der Verrechnungspreise teureren externen Medien im direkten zeitlichen Umfeld der Produkteinführung eingesetzt, um eine Bekanntheit auch über die Kernleserschaft hinaus zu erreichen. Im weiteren Verlauf kam dann fast ausschließlich die günstige Bewerbung im eigenen Medium zum Einsatz. Einen speziellen Fall bilden diejenigen Aktivitäten, bei denen das erste Produkt einer Edition dem Printmedium kostenlos beigelegt wird. Bei Produkten mit Sammelcharakter scheint dieses Vorgehen erfolgversprechend zu sein. Diese Maßnahme ist zwar aufgrund der hohen kostenlos abgegebenen Auflage mit hohen Vorabinvestitionen verbunden, war in den betrachteten Fällen aber später durch eine hohe abgesetzte Auflage sehr erfolgreich. Darüber hinaus konnte auf diesem Weg der Absatz des Printmediums über mehrere Ausgaben deutlich gesteigert werden. Wird eine solche Strategie gewählt, so hat sich der Start der Bewerbung schon einige Ausgaben des Printmediums vorher bewährt1089. Bei allen Unternehmen, die einen Direktvertrieb für die Distribution in neuen Geschäftsfeldern einsetzen, erlangt für die Vermarktung zunehmend auch eine 1088 1089
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien ZEIT, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie ZEIT.
334
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
andere Ressource Bedeutung. Die mit der Reife der neuen Aktivitäten im Direktvertrieb zunehmend verfügbaren Kundendaten ermöglichen eine sehr effiziente Bewerbung über Direkt-Marketing1090. Hierfür ist allerdings eine entsprechende Datenhaltung Grundvoraussetzung (vgl. Kernhandlungsfeld 6). 6.5.2 Distribution neuer Produkte Die Distribution wirft nur für solche neuen Geschäftsfelder Fragen auf, in denen Kunden physische Produkte erwerben. Sämtliche Online-Aktivitäten sind auszuklammern. Erwartungsgemäß nutzen die empirisch betrachteten Unternehmen mehrere Distributionskanäle und wägen den Einsatz nach verschiedenen Kriterien ab. Auch hierfür sind teilweise in der Ressourcenbasis liegende Charakteristika relevant: Besteht als Asset ein Kundennetzwerk, weil es sich um ein auch im Abonnement vertriebenes Medienprodukt handelt, so wird auch ein Direktvertrieb der neuen Produkte angestrebt, der nach Amortisation der Anfangsinvestitionen die höchste Rentabilität verspricht. Aufgrund der Gewöhnung der jeweiligen Kunden an diese direkte Geschäftsbeziehung wird der Kanal in solchen Fällen in hohem Maße angenommen1091. Für den Direktvertrieb ist jedoch der Aufbau umfangreicher Kapazitäten notwendig. Dieser lohnt sich somit nur, wenn eine längerfristige Bearbeitung neuer Geschäftsfelder angestrebt ist. So muss der Bestellprozess auf sämtlichen Kanälen ermöglicht werden, wobei insbesondere der Aufbau eines Internetshopangebotes meist aufwändig ist. Dazu kommen logistische Aufgaben, die allerdings in allen betrachteten Fällen ausgelagert wurden. Die Rentabilität eines Direktvertriebes ist umso höher, je höher der Wert des ausgesendeten Produktes ist. Daher sollte aus Sicht der Verantwortlichen vermieden werden, zu kleinteilige Aussendungen durchzuführen und diese Optimierung bereits in der Produktkonzeption berücksichtigt werden1092. 1090 1091 1092
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien, ZEIT, SZ. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, ZEIT, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie SZ.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
335
Bei BILD als reiner Kaufzeitung hat sich weiterhin gezeigt, dass die Art der Kaufentscheidung ein Markenattribut ist, das in den neuen Produkten konsistent zur Kernmarke abzubilden ist. Diejenigen BILD-Produkte waren erfolgreicher, die ähnlich wie die Zeitung physisch begutachtet werden konnten und direkt zu erwerben waren. Direktvermarktung hat sich in diesem Fall als wenig erfolgversprechend herausgestellt. Eine einheitliche Sicht haben alle Fallstudienunternehmen auf den Absatz neuer Produkte unter Nutzung des Pressegroß- und Einzelhandels: Dieser Weg ist einerseits für die Bekanntmachung der neuen Produkte bedeutsam und wird von den Kunden erwartet. Auf der anderen Seite ist dieser Vertriebskanal wenig rentabel und bringt weitere Probleme mit sich. Remittierte Produkte sind beispielsweise oft beschädigt. Eine erfolgversprechende Strategie ist es somit, diesen Kanal zwar zu nutzen, aber mengenmäßig stark zu begrenzen. Über entsprechende Verträge mit dem Großhandel sind die Remissionsrisiken zu minimieren1093. Keine einheitliche Sicht besteht auf den Buch- und Tonträgerhandel als Absatzkanal. Die Nutzung dieses Kanals erfordert eine langfristige personalintensive Betreuung1094. Gleichzeitig bringt der Kanal eine hohe und langfristige Präsenz und Ubiquität der Produkte mit sich. Aus diesem Grund wurde bei der SZ eine Position geschaffen, die die Betreuung dieses Kanals verantwortet. Bei der ZEIT und BRIGITTE nimmt man statt dessen eine weniger profitable Betreuung dieses Kanals durch Partnerunternehmen in Kauf. Bei lokal ausgerichteten Medien scheint darüber hinaus die Schaffung einer unternehmenseigenen Verkaufsstelle ("Point of sale") erfolgsnotwendig zu sein, wie die Erfahrungen des HA zeigen. Auch BILD geht diesen Weg als nationaler Titel mit wenigen ausgewählten Standorten. In allen Fällen erfolgt eine Refinanzierung der Verkaufspunkte dadurch, dass die Standorte ebenfalls als Kartenvorverkaufsstellen genutzt werden. 1093 1094
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BRIGITTE.
336
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
6.5.3 Übersicht über die Hypothesen Die folgende Abbildung zeigt die zusammengefassten Hypothesen für Kernhandlungsfeld 5. Abb. 6-8:
Hypothesen für die Launchvermarktung und Distribution (Kernhandlungsfeld 5)
Nr. Hypothese 1 Eine umfangreiche Bewerbung ist für den Erfolg neuer Produkte essentiell und kann durch die Verbundvorteile mit dem Kerngeschäft sehr effizient erfolgen. 2 Für den Einsatz der Media-Ressourcen und die redaktionelle Unterstützung sollte die "konzentrierte" Strategie gewählt werden. Dies gilt umso mehr, wenn beim neuen Produkt ein Sammeleffekt zu erwarten ist. 3 Bei einem Produkt mit Sammeleffekt ist eine kostenlose Beilage des ersten Produktes zum Printmedium erfolgversprechend. Dann sollte die Bewerbung bereits im Vorwege gestartet werden. 4 Für die Erstellung von Werbung scheint es effizient zu sein, erst eine externe Kreativagentur zu nutzen und sukzessive die Aktivitäten durch interne Ressourcen weiterzuführen. 5 Die Art der Kaufentscheidung für das Medium ist ein Markenattribut und somit ebenfalls in den neuen Produkten abzubilden. 6 Ein Direktvertrieb ist daher vor allem für abonnierbare Medien erfolgversprechend, lohnt jedoch nur, wenn eine längerfristige Bearbeitung der neuen Märkte geplant ist. 7 Die logistischen Aufgaben sind kosteneffizient an einen Partner abzugeben und eine kleinteilige Aussendung schon durch die Produktkonzeption zu vermeiden. 8 Der Pressegroß- und Einzelhandel ist ein wenig rentabler Vertriebskanal. Allerdings sollte er in begrenztem Ausmaß berücksichtigt werden. 9 Die Schaffung eines eigenen 'Point of sale' ist für alle Medien attraktiv und kann an ausgewählten Standorten durch Ticketverkauf finanziert werden. Für lokale Medien ist eine solche Verkaufsstelle sogar erfolgsnotwendig.
Quelle: Eigene Darstellung
Referenz Theorieteil Kap. 4.2.2.1 und alle Fallstudien Alle Fallstudien insbesondere ZEIT
Fallstudie ZEIT
Alle Fallstudien
Fallstudien SZ, ZEIT, BILD
Fallstudien SZ, ZEIT
Fallstudien SZ, ZEIT
Alle Fallstudien
Fallstudien BILD, HA
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
337
6.6 Steuerung der neuen Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6) Das letzte Kernhandlungsfeld umfasst sämtliche Themen, die die Steuerung der neuen Geschäftsfelder beinhalten. Die hier betrachteten Fragestellungen erlangen insbesondere dann Bedeutung, wenn längerfristige Aktivitäten in neuen Bereichen geplant sind bzw. weitere neue Felder erschlossen werden sollen. Daher weist das Kapitel eine Verbindung zu Kapitel 6.3.3 auf, in dem bereits die organisatorischen Fragen für eine solche längerfristige Bearbeitung erörtert wurden. Die hohe Bedeutung von Standardprozessen für den Erfolg bei der Entwicklung neuer Produkte wurde im Bezugsrahmen betont1095. Die ebenfalls dort angelegte Vermutung, dass Medienunternehmen aufgrund der Art des bisherigen Kerngeschäftes wenig Erfahrungen mit der Steuerung einer Vielzahl verschiedener Produkte und Geschäftsfelder haben, konnte in der Empirie bestätigt werden. Daher können nur wenige Hypothesen über erfolgversprechende Steuerungsmechanismen aus der Praxis generiert werden. Vielmehr werden die vorhandenen Ansätze mit der Theorie abgeglichen und an geeigneter Stelle geprüft, welche der theoretisch dargestellten Maßnahmen auch in der konkreten Situation von Medienunternehmen erfolgreich angewendet werden können. 6.6.1 Sourcing Obenstehend wurden bereits die Entscheidungsparameter für die externe Integration beschrieben. Eine solche Integration bedeutet den Einsatz von Lieferanten für Teile der Wertschöpfung. Ist der Anteil der zu integrierenden Wertschöpfung hoch, sind diese Lieferanten eher als Partnerunternehmen zu bezeichnen. Theorie und Empirie haben gezeigt, dass die Begrenzung auf wenige Partner erfolgversprechend ist, da so eine sehr intensive Zusammenarbeit entsteht, was bereits in anderen Handlungsfeldern beschriebene positive Effekte ermöglicht. Im hier relevanten Kontext ist die Zusammenarbeit mit jeweils einem Partner je Geschäftsfeld erfolgversprechend1096. Durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit kann über die vereinbarten Wertschöpfungen hinaus auch an 1095 1096
Vgl. S. 110 Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, BRIGITTE, ZEIT.
338
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
den Fähigkeiten partizipiert werden. Beispielsweise ermöglicht es die Produktund Marktkenntnis der Partner, die Ausgestaltung der Optionen zu unterstützen und für den Filterprozess notwendige Prognosen beizusteuern1097. Über den Ablauf der Verhandlungen und die konkreten Ausgestaltungen der Verträge mit Partnern und Lieferanten können keine Aussagen gemacht werden. Diese Thematik wird von den befragten Unternehmen als hochvertraulich eingestuft. Allerdings war in keinem der befragten Unternehmen ein zentraler Einkaufsbereich in Verhandlungen mit Partnerunternehmen involviert1098. Bei der Auswahl der Partner ist einerseits die Komplementarität sämtlicher für das neue Geschäftsfeld benötigter Ressourcen erforderlich. Andererseits hat insbesondere die Fallstudie BILD gezeigt, dass die Partner in gewissen Bereichen zusammenpassen müssen. Dies gilt insbesondere für Prozess- und Qualitätsanforderungen, da diese für die Medienunternehmen hochgradig wichtig sind, um Schäden an der Marke zu verhindern. Weiterhin müssen die Partnerunternehmen überhaupt in der Lage sein, die notwendigen Absatzmengen bereitzustellen. Tritt der Partner auch nach außen hin deutlich in Erscheinung, wie beispielsweise das Bekleidungsunternehmen C&A in der Kooperation mit BILD, so ist darüber hinaus eine Konsistenz der Markenattribute notwendig1099. 6.6.2 Systemische und prozessuale Integration Die zentrale Integrationsherausforderung besteht im Bereich der Informationstechnologie: Bei Online-Aktivitäten ist eine einheitliche Speicherung von Inhalten anzustreben und weiterhin sind Verarbeitungssysteme zu schaffen, die eine Integration von Online- und Offline-Veröffentlichungsprozessen von Informationen ermöglichen1100.
1097 1098 1099 1100
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien BILD, BRIGITTE, ZEIT. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BRIGITTE, BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie BILD. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
339
Für andere neue Geschäftsfelder, in denen eine direkte Kundenbeziehung entsteht, ist die einheitliche Datenhaltung dieser Kundendaten zusammen mit denen anderer Unternehmensbereiche wichtig. Nur ein einheitliches Kundenbeziehungsmanagement ermöglicht es, dass alle Bereiche von sämtlichen im Unternehmen verfügbaren Informationen profitieren und der Kunde auf effiziente Weise angesprochen wird, statt unabgestimmte Ansprachen mehrerer Bereiche zu erhalten. Bei der Analyse der Fallstudien zeigte sich bereits, dass die ZEIT diesbezüglich als vorbildlich angesehen werden kann, weil alle Daten zentral vorliegen, umfangreiche Auswertungen zur Kundensegmentierung erfolgen und eine zentral festgelegte Kundenansprache durchgeführt wird. In Hinblick auf die prozessuale Integration wurde bei allen Fallstudien deutlich, dass eine sehr starke Formalisierung eher kontraproduktiv für die Innovationskultur wirken würde und diese nur in den Fällen angestrebt wird, in denen hohe Synergien einen entsprechenden Gegenwert schaffen. Beispielsweise werden die Verhandlungen mit Lieferanten bzw. Partnern nur von den verantwortlichen Bereichen durchgeführt. Der Zentraleinkauf ist in keinem analysierten Fall einbezogen worden. 6.6.3 Portfolio- und Risikomanagement Ein Portfoliomanagement erfolgt in der Medienpraxis eher intuitiv als formalisiert. Sämtliche neuen Produkte sind im Blickfeld der Beteiligten und Planungen für weitere Produkte erfolgen so, dass ein ausgewogenes Portfolio im Hinblick auf Risiko, Projektgröße, Ressourcenbindung, Soziodemographie der Zielgruppe (insbesondere Alter und Geschlecht) und Lebenszyklen entsteht1101. Bei der SZ wird darüber hinaus noch das Modell der Sinus-Milieus herangezogen und versucht, auch im Bezug auf diese Gruppen ein ausgewogenes Portfolio anzubieten. Durch die bisher überschaubare Anzahl von gleichzeitig bearbeiteten neuen Geschäftsfeldern war ein intuitives Vorgehen bisher ausreichend. Bei größer und komplexer werdenden Portfolios und insbesondere wenn – wie bei G+J – durch eine konzernweite Initiative ein sehr vielfältiges Portfolio an Wachstumsoptio1101
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BILD, ZEIT, BRIGITTE.
340
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
nen entsteht, könnte eine Formalisierung des Portfoliomanagements vorteilhaft sein. So könnte unter anderem auch die in dieser Arbeit thematisierte Ressourcennutzung in einem Portfolio abgebildet werden und so Anknüpfungspunkte für neue Produkte generiert werden 1102. Im Hinblick auf das Risikomanagement finden sich empirisch ebenfalls kaum formalisierte Prozesse. Die Risiken werden zumeist in Szenarien der Business-Planung abgebildet. In der Umsetzungsphase erfolgt die Berücksichtigung entsprechend der handelsrechtlichen Regeln in der Buchhaltung1103. Der theoretische Bezugsrahmen hatte nahegelegt, dass Risiko und Unsicherheit zusammenhängend zu betrachten sind und im Falle eines hohen Risikos die Unsicherheit minimiert werden müsse. Diese Gestaltungsregel wird jedoch in der Praxis nicht durchgehend angewendet. Bereits in den Einzelfallstudien wurde gezeigt, dass die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Medienunternehmen zu verschieden stark ausgeprägten Risiken führen. So kann ein Geschäftsmodell wie das der BILD Zeitung (Lizenzgeschäft) als nahezu risikofrei angesehen werden. Anders sind Aktivitäten gelagert, bei denen das komplette unternehmerische Risiko von den Medienobjekten getragen wird, wie dies bei der ZEIT, der SZ und teilweise der BRIGITTE der Fall ist. In diesen Fällen liegt es theoriegemäß nahe, die Unsicherheit über die wichtigsten Rahmenparameter (insbesondere die prognostizierte Absatzmenge) zu minimieren. Eine Marktforschung mit diesem Ziel wurde allerdings nur von der ZEIT etabliert, BRIGITTE nutzt diese teilweise, die SZ nicht. Neben der Erhöhung der Prognosefähigkeit durch die Marktforschung kommt dem Einbezug bisheriger Erfahrungswerte eine hohe Bedeutung zu. Daher ist ein umfassendes Controlling der Aktivitäten anzustreben und diese Erfahrungen in die Business-Pläne aller zukünftigen Projekte zum Beispiel über eine Monte-Carlo-Simulation einzubeziehen.
1102 1103
Vgl. die in Kapitel 4.2.2 dargestellte Möglichkeit eines Kompetenzportfolios. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
341
Weiterhin legt der theoretische Bezugsrahmen nahe, Risikoszenarien bereits im Vorwege zu definieren. So könnten Schwellenwerte und Reaktionsmaßnahmen (z.B. die Bereitstellung von weiteren Werbemaßnahmen oder die Hinzuziehung weiterer Abverkaufskanäle) festgelegt werden, die bereits im Vorwege die Unsicherheit über das Risiko minimieren. Dem Controlling kommt somit auch in der Umsetzungsphase eine hohe Bedeutung zu. Nur so können im Falle einer Abweichung der prognostizierten Ergebnisse zum Plan Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Ein solches Controlling sowie ein reaktives Vorgehen auf Abweichungen findet sich auch empirisch1104. 6.6.4 Erfolgskontrolle und Effizienzsteigerung Die Bedeutung des Controllings wurde soeben hervorgehoben. Allerdings ist eine umfangreichere operative und strategische Kontrolle vorstellbar, als in der Medienindustrie anzutreffen ist. Die empirischen Ergebnisse haben gezeigt, dass Medienunternehmen die Abbildung sämtlicher Effekte in den Planungs- und Kontrollsystemen aus pragmatischen und motivatorischen Gründen zugunsten einer vereinfachten Darstellung vernachlässigen. Die angeführten Gründe sind nachvollziehbar. Allerdings kann ein solches Vorgehen langfristig zu einer fehlerhaften Steuerung führen, da Unklarheit über die tatsächlichen Effekte herrscht1105. Die sporadische Abschätzung sämtlicher Effekte kann dem Management hierüber umfassende Auskünfte geben, ohne die Vorteile eines vereinfachten Controllings aufgeben zu müssen. Eine solche Abschätzung müsste die direkten Kosten ebenso erfassen wie die Belastung aller beteiligten Mitarbeiter im Unternehmen (auch der ServiceBereiche und des Managements). Auch die Media-Leistung wäre mit realistischen Annahmen zu bewerten. Dieses Vorgehen müsste aber um die Bewertung der positiven Effekte ergänzt werden. In sämtlichen Ausführungen wurde betont, dass positive Wechselwirkungen zwischen den neuen Geschäftsfeldern und dem bisherigen Kerngeschäft möglich sind (wobei auch das Risiko negativer Effekte 1104 1105
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudien SZ, BRIGITTE. Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie HA
342
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
besteht). Dies gilt insbesondere für den Wert und die Profilierung der Marke. In Kernhandlungsfeld 2 wurde dementsprechend herausgearbeitet, dass eine regelmäßige Erfassung der Markenwerte ein lohnenswertes Ziel darstellen könnte. Eine solche Kontrolle aller Effekte würde steuerungsrelevante Informationen über die neuen Geschäftsfelder liefern und zeigen, ob die strategischen Ziele im Rahmen der genannten Wachstumsdimensionen auch tatsächlich mit den Aktivitäten erreicht werden. Andernfalls könnte eine kurzfristige Umsatzoptimierung zulasten langfristiger Markenwerte und anderer Ressourcen gehen, ohne dass dies festgestellt werden kann und entsprechende Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden können. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung wurden ebenfalls bereits in den Kernhandlungsfeldern der Planungsphase angesprochen. Hierzu zählen die Schaffung zentraler Einheiten, die Prozessoptimierung durch organisatorische Maßnahmen, die Integration von Systemen und Prozessen sowie die Standardisierung von Abläufen bei der Filterung von Optionen. Die dargstellte Kontrollfunktion bildet die Basis für sämtliche Effizienzsteigerungen. Allerdings konnte in der Empirie nicht festgestellt werden, dass ein strukturierter Ansatz zur Kostenkontrolle zum Beispiel durch ein Benchmarking mit anderen Unternehmen der Medienbranche oder Unternehmen anderer Branchen erfolgt, um Schwachstellen aufzudecken und zu beseitigen. Die früheren Erfahrungen des HA haben gezeigt, dass mit größer werdenden Portfolios Komplexitätskosten entstehen können, die zuerst durch ein Controlling aufgedeckt und dann durch Rationalisierungsmaßnahmen reduziert werden müssen. Dies ist umso schwieriger, wenn bereits feste Strukturen etabliert worden sind. Beim Aufbau der für neue Geschäftsfelder verantwortlichen Bereiche scheint es daher ein erfolgversprechenderes Vorgehen zu sein, erforderliche Aufgaben zeitweise eher mit externen Projektmitarbeitern zu besetzen, anstelle neue Stellen zu schaffen1106. Nach einer Lernphase können Effizienzsteigerungen so deutlich leichter realisiert werden.
1106
Vgl. hierzu v.a. die Ergebnisse der Fallstudie G+J/BRIGITTE.
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
343
6.6.5 Übersicht über die Hypothesen Die in diesem Unterkapitel für das Kernhandlungsfeld 6 erarbeiteten Hypothesen sind erneut zusammengefasst (vgl. Abb. 6-9).
Abb. 6-9:
Hypothesen für die Steuerung der neuen Geschäftsfelder (Kernhandlungsfeld 6)
Nr. Hypothese 1 Die Zusammenarbeit mit einem Partner je neuem Geschäftsfeld ist erfolgversprechend, da so eine intensive Zusammenarbeit positive Effekt erzeugen kann. 2 Bei der Auswahl von Partnerunternehmen ist die Komplementarität in Bezug auf die notwendigen Fähigkeiten bedeutsam. Im Hinblick auf Prozess- und Qualitätsanforderungen ist aber ebenfalls eine Passgenauigkeit wichtig. Dies gilt auch für die Markenattribute, sofern der Partner nach außen in Erscheinung tritt. 3 Eine zentrale Speicherung von redaktionellen Inhalten und vertrieblichen Kundendaten ist ebenso anzustreben wie die Integration von Redaktionssystemen für die Online- und Offline-Publikation. Weiterhin steigert ein zentral gesteuertes KundenbeziehungsmanagementSystem die Effizienz der Kundenansprache.
Referenz Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie empirisch in den Fallstudien BILD, BRIGITTE und ZEIT Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie empirisch in den Fallstudien BILD, BRIGITTE und ZEIT
Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie empirisch v.a. in der Fallstudie ZEIT
4 Eine Formalisisierung der operativen Prozesse in neuen Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie Geschäftsfeldern kann die Innovationskraft der entsprechen- empirisch v.a. in der Fallstudie den Bereiche bedrohen und sollte nur durchgeführt werden, G+J wenn signifikante Synergien möglich sind. 5 Bei komplexer werdenden Portfolios von WachstumsTheoriekapitel 4.2.2.2 sowie aktivitäten ist allerdings die Formalisierung des Portfolio- empirisch v.a. in der Fallstudie G+J managements zur Steuerung anzustreben. Dies gilt insbesondere, wenn medienübergreifende Wachstumsinitiativen durchgeführt werden. Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie 6 Bei hohem Risiko neuer Geschäftsfelder sollte die empirisch teilweise in der Unsicherheit über wichtige Parameter im Vorwege Fallstudie ZEIT minimiert werden. Ein Risikomanagement umfasst die Präzisierung der Abverkaufserwartung durch Marktforschung sowie die Einbeziehung und umfangreiche Verarbeitung bisheriger Erfahrungswerte. Vorab geplante Risikoszenarien, Schwellenwerte und Maßnahmen ermöglichen eine weitere Reduzierung der Unsicherheit.
344
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Nr. Hypothese
Referenz
7 Der Kontrolle kommt in allen Phasen eine hohe Bedeutung Theoriekapitel 4.2.2.1 und 4.2.2.2 zu. Sie kann analog der Business-Planug für operative Zwecke vereinfacht werden. Allerdings ist eine sporadische Erfassung aller Effekte im Sinne einer strategischen Prämissenkontrolle steuerungsnotwendig. Dies beinhaltet auch eine Kontrolle der Effekte auf den Markenwert und das Markenprofil. 8 Mit der Komplexität der Portfolios steigen die Komplexitätskosten. Eine konsequente Kostenkontrolle durch den Vergleich mit anderen Unternehmen ist anzustreben und sämtliche Prozesse sind kontinuierlich zu rationalisieren.
Theoriekapitel 4.2.2.2 sowie empirisch v.a. in der Fallstudie HA
Quelle: Eigene Darstellung
6.7 Zusammenfassendes Modell eines ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen In diesem Kapitel wurde der theoretische Bezugsrahmen mit den Ergebnissen der empirischen Untersuchung abgeglichen. Für die relevanten Kernhandlungsfelder wurden jeweils Hypothesen für erfolgversprechende Gestaltungsregeln aufgestellt. Weiterhin konnten Erkenntnisse über die Bedeutung der unterschiedlichen Ressourcen in verschiedenen Abschnitten des Aufbauprozesses gewonnen werden, die Printmedienunternehmen zur Verfügung stehen. Zwar existieren unternehmensindividuelle Ausprägungen einzelner Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten, doch die prinzipielle Bedeutung verschiedener Ressourcen zu verschiedenen Zeitpunkten scheint unternehmensübergreifend zu gelten. Die bereits an den relevanten Stellen dieses Kapitels erläuterten Ressourcen und ihre jeweilige Position im Entstehungsprozess neuer Geschäftsfelder ist in Abb. 6-10 schematisch zusammengefasst. Das dargestellte Modell zeigt die zunehmende Konkretisierung eines neuen Geschäftsfeldes. Den ersten Schritt bil-
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
345
det auf Basis der identifizierten Erfolgsfaktoren ein Suchprofil aus Kernkompetenzen (oder alternativ spezielle Kenntnisse), die einen "Fit" zu den Markenattributen aufweisen müssen. Danach werden Ideen im Suchprozess ausgestaltet, weiterhin gefiltert und iterativ optimiert. Am Ende steht der Markteintritt. Der gesamte Prozess ist durch die allgemeine Steuerungsfähigkeit begleitet.
346
Bewertung der Empirie vor dem theoretischen Rahmen und Synthese eines Handlungsmodells
Abb. 6-10:
Suchprofil
Selektion Kenntnisse über Themen
oder
FIT
Unabhängigkeit Glaubwürdigkeit Orientierung Preis-/Leistung Andere unternehmensindividuelle Attribute
Aufbereitung/ Veredelung
Existierende Rechte/Inhalte
Kommunikation
Innovationskultur
Mitarbeiter Redaktion Mitarbeiter neuer Bereiche Partnernetzwerk
Marktkenntnisse
Kreativität
Journalistische Kompetenzfelder
Ext./int. Integrationsfähigkeit
Aktuelle Berichterstattung
Marktforschungsmodell/-erfahrung
Kernhandlungsfeld 5 Markteintritt
Positive Managementeinstellung u. Risikoakzeptanz
Legende:
Existierendes Distributionsnetzwerk
Wissen über Kunden Produktentwicklungskompetenz
Journalistische Institutionen
Kernhandlungsfeld 4 Filter/Optimierung
Markenattribute
• • • • •
Entwicklung, iterative Optimierung und Markteintritt in ein neues Geschäftsfeld (zunehmende Konkretisierung)
Fähigkeiten der Business-Planung Cross-mediale Verwertungskompetenz
und andere unternehmensindividuelle Ressourcen
Partnernetzwerk
Vermarktungsfähigkeit
Kernkompetenz
Quelle: Eigene Darstellung
MediaKontingente
Fähigkeit
Asset
Steuerungsfähigkeit (Kernhandlungsfeld 6)
Kernhandlungsfeld 1, 2, 3 Suche/Entwicklung
Modell des ressourcenbasierten Aufbaus neuer Geschäftsfelder in Printmedienunternehmen
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
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7 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick Die vorliegende Arbeit hatte das Ziel, ein inhaltsreiches und in der Praxis anwendbares Handlungsmodell für ressourcenbasierte Wachstumsstrategien in der Medienindustrie zu entwickeln. Es sollte geklärt werden, wie die Planung und Umsetzung beim Aufbau neuer Geschäftsfelder gestaltet werden kann, damit Medienunternehmen das angestrebte, langfristig profitable Umsatzwachstum erreichen. Zu diesem Zweck wurde nach Beschreibung der gewählten Methodik die Ausgangssituation in der Medienbranche untersucht, die es überhaupt erst notwendig gemacht hat, Wachstumsstrategien formulieren und implementieren zu müssen. Im nächsten Schritt wurden bisherige Theorien aus verschiedenen Forschungsbereichen in einem ersten Bezugsrahmen zusammengeführt. Hier zeigte sich, dass die einzelnen Fragestellungen nicht durch ein bestehendes Modell zu beantworten waren. So wurde das Modell der ressourcenbasierten Entwicklung neuer Produkte von Verona um eine zeitliche Dimension ergänzt und die Fragestellungen in Handlungsfeldern gruppiert. Die Zusammenführung weiterer Modelle ressourcenbasierter Forschung mit konkreten Ergebnissen der Medienökonomie ermöglichte es, die Ressourcenbasis umfassend zu beschreiben, die Medienunternehmen für Wachstumsstrategien als erfolgversprechende Ansatzpunkte zur Verfügung steht. Für die Handlungsfelder konnten weitere Gestaltungsregeln aus Teilbereichen der Managementforschung und der allgemeinen Innovationsforschung erarbeitet werden, bei denen die Vermutung nahe lag, dass diese auch bei wachsenden Medienunternehmen relevant werden. Dieser theoretische Bezugsrahmen war die Basis, um die Empirie mit entsprechenden Leitfragen und Strukturierungen detailliert zu untersuchen. Hierfür wurden zuerst eine umfangreiche Befragung von Medienunternehmen zu Wachstumsstrategien ausgewertet und auf dieser Basis fünf Unternehmen identifiziert, die umfangreiche Erfahrungen mit Wachstumsaktivitäten hatten und verschiedene Rahmenbedingungen einbrachten. Nach einer Einzelanalyse der Fallstudien wurden die Ergebnisse untereinander und mit dem theoretischen Bezugsrahmen abgeglichen. Das hieraus synthetisierte Handlungsmodell umfasst zwei Bereiche. Zum einen wurden
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Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
71 Hypothesen darüber generiert, wie neue Geschäftsfelder erfolgreich geplant und aufgebaut werden können. Die Hypothesen sind vielfältig und umfangreich und ermöglichen es bereits in diesem Stadium, als Handlungsempfehlung für den Praktiker zu dienen. Weiterhin bilden sie vielfältige Anhaltspunkte für nachfolgende konfirmatorische Forschungen. Zum anderen wurde die aus Kernkompetenzen, Assets und Fähigkeiten bestehende Ressourcenbasis und ihr Einfluss beim Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes zu verschiedenen Zeitpunkten in einem separaten Modellteil erfasst. Sind für den Praktiker vor allem die detaillierten Hypothesen von Interesse, so bietet der Modellteil der Darstellung und Unterteilung der Ressourcenbasis eine theoretische Weiterentwicklung, die für zukünftige branchenorientierte Untersuchungen möglicherweise eine Grundlage bilden kann. Aus dem ressourcenorientierten Betrachtungswinkel konnte herausgearbeitet werden, dass erfolgreiche neue Produkte von Printmedien vor allem auf Basis der Kernkompetenz "Selektionsfähigkeit" generiert werden können, wenn diese kohärent mit dem Asset der Markenattribute auf neue Geschäftsfelder übertragen werden. Die Einbeziehung weiterer (Kern-)Fähigkeiten und Assets wie der Markenarchitektur, bestehender Inhalte und der (ggf. medien- und kanalübergreifenden) Vermarktungsfähigkeit ermöglicht es, in neuen Märkten mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen agieren zu können und so profitable Umsätze zu generieren. Um diese Vorteile auch umfassend kapitalisieren zu können, scheint es notwendig, im Bereich der Filterung von Optionen, der Organisation, der Vermarktung und Distribution sowie der Steuerung der neuen Geschäftsfelder Gestaltungsregeln zu befolgen, die teilweise für Medienunternehmen unüblich sind, weil sie im bisherigen Geschäft mit Zeitungen und Zeitschriften keine oder nur eine geringe Rolle gespielt haben. Diese sind wiederum in den Hypothesen erfasst. Größte Limitation der Arbeit ist es aus Sicht des Autors, dass keine umfassende Analyse der positiven und negativen Effekte einzelner Produkte möglich war sondern nur eine übergreifende Annährung an diese Effekte. Eine solche detaillierte Analyse hätte die Hypothesen im Ergebnis der Arbeit stärken und
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
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sicherlich auch weiter präzisieren können. Diese Limitation hat zwei Gründe: Zum einen sind die Unternehmen nicht bereit, sämtliche quantitative Umsatzund Ertragszahlen zu veröffentlichen, die zumindest den direkten Wachstumserfolg darstellen würden. Zum anderen liegen wie beschrieben für mittelbare Effekte (z.B. auf die Marke) keine validen Kenntnisse bei den Unternehmen vor. Der Aufbau einer entsprechenden Messmethodik hätte den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt. Dennoch konnte aus Sicht des Autors durch die vielfältige Erfassung und Interpretation qualitativer Daten ein differenziertes und der Zielsetzung der Arbeit voll entsprechendes Handlungsmodell geschaffen werden. Auch diese Untersuchung muss sich der Frage stellen, inwieweit die Gütekriterien Validität und Reliabilität die Ergebnisse absichern. Das in Kapitel 6 synthetisierte Modell erhebt aufgrund der Anwendung mehrerer Mechanismen in der Forschungsmethodik Anspruch auf Validität und Reliabilität: Die Fallstudien sind nicht zufällig, sondern auf Basis der Ergebnisse einer umfangreichen Voruntersuchung ausgewählt worden. So konnte gewährleistet werden, dass in der Praxis relevante Wachstumsaktivitäten untersucht werden und die Untersuchungsobjekte unterschiedliche Rahmenbedingungen aufwiesen. Weiterhin konnten auf diesem Weg Gesprächspartner identifiziert werden, die sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig Verantwortung für die Wachstumsaktivitäten tragen und somit geeignete Quellen sind. In den Fallstudien wurden weiterhin wo möglich mehrere Interviews geführt und im Sinne einer Triangulation auch umfangreiche andere Quellen einbezogen. Im Sinne der Reliabilität wurden sämtliche Ergebnisse in einem "Case-Study-Protokoll"1107 dokumentiert und dieses für die Auswertung genutzt. Auch die bestehenden beruflichen Erfahrungen des Autors in der Branche stärken die Validität und Reliabilität. Eine Fallstudienforschung kann – wie im methodischen Teil ausgeführt wurde – nur durch "analytische Generalisierung" Validität erreichen. Daher wurde versucht, in der Feldforschung genau herauszuarbeiten, ob die Elemente des 1107
Vgl. Yin (2003), S. 33ff.
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Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
theoretischen Bezugsrahmens in der Praxis vorliegen und vor allen Dingen, ob dieses Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen angesichts des gegebenen Rahmenbedingungen zwangsläufig ist. Eine besondere Herausforderung bildeten Elemente des Bezugsrahmens, bei denen ein in der Theorie sinnvolles Vorgehen in der Praxis nicht anzutreffen war, obwohl keine Gründe ermittelbar waren, die gegen diese Anwendung gesprochen hätten. Im Sinne der Validität wurden die theoretisch erarbeiteten Gestaltungsregeln dann zwar als Hypothesen aufgenommen, die Situation aber ausdrücklich herausgestellt. Die externe Validität, also die Grenze der Generalisierbarkeit, ist durch die Einschränkung auf die deutschen Printmedien klar umrissen. Innerhalb dieser Grenzen hat insbesondere die Auswertung der Befragung einer Vielzahl von Medienunternehmen gewährleistet, dass für das Analysegebiet relevante Fragestellungen bearbeitet werden. Weiteren Forschungen sind mit den Ergebnissen dieser Arbeit umfassende Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben. So könnte der Versuch unternommen werden, die Ergebnisse dieser Arbeit zu verbreitern. Ein erster Ansatz zur Verallgemeinerung bestünde in der Betrachtung weiterer Medien, denn sowohl die Ressourcenbasis als auch die Herausforderungen scheinen dort zumindest ähnlich zu sein. So versuchen beispielsweise auch zunehmend TV-Sender, Umsätze in Geschäftsbereichen zu realisieren, die nicht in das bisherige Stammgeschäft des Werbezeitenverkaufs fallen1108. In einem weiteren Schritt könnte die Verallgemeinerung auf sämtliche Konsumgüterproduzenten erfolgen, um schließlich allgemeingütige Aussagen über ressourcenbasierte Diversifikation treffen zu können. Auf der anderen Seite könnten die Ergebnisse für Printmedien vertieft werden. Dafür böte es sich an, hier aufgestellte Hypothesen großzahlig empirisch zu testen, indem beispielsweise sämtliche neuen Produkte von Printmedienunternehmen und ihre Rahmenbedingungen erfasst werden. Entsprechend der in dieser Arbeit formulierten Hypothesen könnte so die tatsächliche Kausalbeziehung zwischen der speziellen Nutzung der Ressourcenbasis und dem Erfolg neuer Produkte untersucht werden. Die empirische Erfassung des Erfolgs der Produkte 1108
Vgl. o. Verfasser (2005b) und so auch Röper (2006b), S. 122.
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
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bildet für eine solche Untersuchung allerdings die zentrale Herausforderung, wie in den Limitationen dieser Arbeit bereits ausgeführt wurde. Zumindest ein Teilschritt wäre es, die Effekte der neuen Geschäftsfelder auf die Ressourcenbasis und hier insbesondere die Marke detailliert zu analysieren. Für eine solche experimentelle Untersuchung könnten sicherlich leicht interessierte Medienunternehmen als Forschungspartner gewonnen werden. Für die Unternehmenspraxis ergeben sich aus den Erkenntnissen dieser Arbeit ebenfalls Ansatzpunkte für Optimierungen. Die Fallstudien haben gezeigt, dass selbst die in diesen neuen Geschäftsfeldern führenden Unternehmen längst nicht alle Potenziale realisiert bzw. die erarbeiteten Gestaltungsregeln berücksichtigt haben. Das Wissen über die Ressourcenbasis und die systematische Berücksichtigung dieser Basis beim Aufbau neuer Geschäfte könnte für die zukünftige Erschließung neuer Geschäftsfelder ebenfalls lohnenswert sein Aus Sicht des Autors könnte in der Konsequenz nicht weniger als die Notwendigkeit entstehen, die bisherige Medienbranche neu zu definieren: Die Orientierung der Unternehmen auf die jeweiligen "Abspielkanäle" der Inhalte und Kompetenzen (Zeitungsverlag vs. Online-Anbieter vs. TV-Anbieter) steht der Marktentwicklung diametral entgegen. Vielmehr hat sich in dieser Arbeit gezeigt, dass ein Medienhaus komplett von den Kernkompetenzen und Marken her gedacht werden kann. Hierbei ist es größtenteils unerheblich, auf welchen Medienkanal diese appliziert werden. Auf Basis der bisherigen Kernkompetenzen können wie gezeigt nicht nur "konzentrische Diversifikationen" erfolgen, also der Aufbau von weiteren Medienprodukten. Vielmehr ist auf dieser Grundlage auch die "relationale Diversifikation" möglich und erfolgreiche Konsumprodukte können etabliert werden. Dies zeigt, dass das Medienformat seine Relevanz als Unterscheidungsmerkmal verloren hat. Die Initiative "Expand your Brand" von G+J weist bereits heute in diese medienneutrale Richtung. Mit dem "mission statement" "Life enriching media" wird das Ursprungsformat Zeitschrift hinter die Marke und ihre Werte und Leistungen zurückgestellt. Auf diesem Wege ist es ebenfalls denkbar, dass Verbundvorteile durch das Zusammenspiel verschiedener Ressourcen stärker als bislang realisiert werden
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Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
können. Die von der Bertelsmann-TV-Tochter RTL produzierte "Pop Idol"- bzw. "Deutschland sucht den Superstar"-Show wird oft als Beispiel für eine solche Synergie zitiert1109, da der Gewinner einen Plattenvertrag einer anderen Bertelsmann-Einheit erhielt und darüber hinaus die Print- und Online-Medien des Konzerns umfassend eingebunden waren. Dieses Beispiel ist aber bislang die Ausnahme von der Regel. Somit ist die Medienbranche zukünftig möglicherweise nicht mehr nach den Formaten ihrer Produkten zu unterteilen, sondern nur über die Art ihrer Kernwertschöpfung. Auf der einen Seite stünden Unternehmen mit einer durch professionelle Journalisten erstellten Selektionsleistung, auf der anderen Seite die im letzten Jahrzehnt etablierten Selektionsservices wie Internetsuchmaschinen (z.B. Google), die auf einer automatisierten Selektion beruhen. Diese Services haben sicherlich ihr Einsatzgebiet, werden aber den "redaktionellen" Selektionsmechanismus nie ersetzen können und die "Aufbereitungs- und Veredelungskompetenz" der heutigen Printmedien gar nicht erst anstreben. Allerdings scheint die Ressourcenbasis von Medienunternehmen fragil zu sein, wie bereits obenstehend unter Nutzung der "Prinzipal-Agenten-Theorie" argumentiert wurde. Den (Print-)Medien wird eine hohe Glaubwürdigkeit beigemessen, die auf die neuen Geschäftsfelder übertragen wird. Hier liegt jedoch auch ein hohes Risiko, diese in neuen Geschäftsfeldern zu beschädigen1110, was starke Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit im Kerngeschäft haben dürfte. Das Risiko besteht darin, dass die Interessensymmetrie zwischen den Konsumenten (Prinzipal) und dem unabhängigen Medium aufgehoben ist, wenn dieses vom Mittler zum Agenten wird und eigene ökonomische Interessen vor der Unabhängigkeit stehen. Bei den meisten der betrachteten Produkte scheinen die kommerziellen Interessen die Kernwertschöpfung nicht zu überstrahlen. In einzelnen Ausnahmen wie den "Volksprodukten" bei BILD ist diese Gefahr jedoch durchaus zu sehen. Das größte Risiko besteht zudem in dem Auflösen der klaren Grenze, wo die Unabhängigkeit verloren geht.
1109 1110
Vgl. Stephan (2005), S. 96. Vgl. auch alle Fallstudien.
Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
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Es war immer ein Privileg der Medien, nicht allen ökonomischen Zwängen unterworfen zu sein, wie das dieser Arbeit voranstehende Zitat unterstreicht. Doch dieses Privileg fußte stets darauf, dass die Konsumenten oder Eigentümer bereit waren, diese Unabhängigkeit (der Redaktionen) zu finanzieren. In Zeiten sich wandelnder Medienrezeption und Eigentümerinteressen kann die wertvolle Ressourcenbasis genutzt werden, um neue Umsatzsäulen zu schaffen. Wenn beim Aufbau dieser neuen Geschäftsfelder die zentralen Ressourcen der Selektions- und Aufbereitungskompetenz in Kombination mit den Markenattributen (u.a. die den Medien zugemessene Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit) genutzt werden, können den Konsumenten nicht nur hochqualitative neue Produkte geboten werden. Über die Erlöse aus diesen Bereichen kann auch der Erhalt der journalistischen Qualität im Kerngeschäft gesichert werden. Kommerzielle Zwänge müssen daher nicht zwangsläufig zu Qualitätseinbußen führen.
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