Ulrich Welbers
Verwandlung der Welt in Sprache Aristotelische Ontologie im Sprachdenken Wilhelm von Humboldts
2001
Ferdinand Schäningh Paderborn ' München' Wien' Zürich
HUMBOLDT-STUDlEN herausgegeben von
Hans-Werner Scharf (Düsse/dorf) Kurr Mueller-Vollmer (Stanford, Ca.) . Jürgen Trabant (Berlin)
in Zusammenarbeit mit
Ana Agud (Salamanca) . Ernst Behler (Searrle, Wa.t) Tilman Borsehe (Hildesheim) . Donatella Di Cesare (Rom) Frans Plank (Konstanz)
Ulrich Welbers
Verwandlung der Welt in Sprache Aristotelische Ontologie im Sprachdenken Wilhelm von Humboldts
2001
Ferdinand Schäningh Paderborn ' München' Wien' Zürich
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einhcits~ufnahmc
Wdben. Ulrich: Verwandlung der W~h in Sprach~: ans(otelisch~ Omotogi(' im prachdC'nken Wilhdm von Humboldts/ Ulrich We.lbC'.rs. - Paderborn; Munehcl1; Wien; Zürich: Schönini:.h, 2001 (Humboldt-Srudien) ISBN )·506-74028-8
Gedruckt auf umweltfreundlic.hem. chlorfrei gebleichtem und .uterungs~rind..igem Papier SlSO 9706
Einbandgen.utung: IN OVA GmbH. 0-))178 Sorchen Cl 2001 Ferdinand 5chöningh. Pad~rborn
(Verlag FC'rdlnand Schöningh GmbH. Jühenplan 1. 0-33098 Paderborn)
Int,crnet: www.schocningh.dc Alle Rechte yorbc.hahen. DiesC'$ Werk sowie einzelne T('ile desselben sind urheberrechtlieh geschützt. J~c Verwertung in anduen als dC'n g~('tzlich zugdusenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des V~rl.ages niehl zulässig.. Printed in G~rmaI1Y, Herstellung: Ferdinmd Schöningh. P"dc.rbom
ISBN )-;06-74028-8
Inhaltsverzeichnis Inhaluverzeichni$ .. . . . ••• . . . . . . . . . . . . . . •• . . . . . . . . • • . . . . . ••. . . . . .
5
Vorwon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . • . • . • • • • • • . . . • • . . . . . . .
9
Einlc=itung: Dir Verwandlung der Welt . 1.
2.
.
Aristote1es und Humboldt: Königs.kinder philosophisch? 1.1 Humboldu Unschuld: Hinter dem semantischen Tor. . . . . . . . . . 1.2 Vermeidungszusammenhänge: Unterlassende Wisst'nschaft 1.3 Oriemierungen: Vorläufige Erinnerung .............•••.... _
J-1umboldts Entdeckung .............................•...... 2.1 Humboldts Vokabel: Lockende Versuchung .........•••..... 2.2 Humboldts Verdikt: Grundlegende Einsichten .......••••.... 2.3 Humboldts Proj~kt: Rettend~ Verwandlung .........••••....
3.
.
.
Ennn~rungssirateglen ..........................••...••.....
Ersl~r Teil:
15
15
15 20 28
31 31
32 36
37
Rekonstruktionen Humooldts
1.
Humboldts Theorie: Stützcnd~ Argumente ...•.............. _.. 1.1 Das Spr;lche-Erkenntnis-Theorem . . . . . . . . . . . . • • . . • . . • . . . .. 1.2 Du Gegensund-Sprachc-Theorem ..........•••....••. _... 1.3 Das Ebene-AnaIY$~-Th~orem ..............••••....••.... 1.4 Das Rela[ion-Diff~re.nz-Theorem .........•.•••••...•. _... 1.5 Das Wissenschaft-Synthese-Theorem ........•••.....•..... 1.6 Das Wahrheit-Verstehcn-Theor~m ...........•••....••..... 1.7 Überleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . . . •• • . . . .
43 45 46 49 52 55 60 62
2.
Geschichten Hurnboldts: Rez.eptionsproGle ........••...••..... 2.1 Profil I: Produktive (Miß-)Verstindnisse 1.2 Profil 2: Fragmentuisierendes Mißverstehen. . . . . . . . . . . . . . . .. 2.3 Profil 3: Authentische Rekonstruktion - Konstruierte .. A u th enuzltat ........•............................. __ .. 2,4 Überleitung _ .
65 66 72
Humboldt-Archäologie: Perspekuvenerweiterung ........•.•.... 3.1 Systematische Wi(e)dererinnerungt!.O: BegriffsArchiologie ...........•.................. _. _••.• '" _. . 3.1.1 DarstelJung _ _. . .
88
3.
78 87
88 88
6
Inh2hsvcrzeich nis
3.1.2 Prüfung 3.1.3 Überleitung _ , . .. 3.2 Die Unweigerlichkeit des Entdeckens: Erinnerungs· Arbeit .................................••....•....... 3.2.1 Darstellung 3.2.2 Prüfung ,., , 3.2.3 Überleitung ...........•....•••....•••........... ' 3.3 KontraStive Archäologie .... " .....••.....••............. 3.J,IBegriff ..............•.....••.....•......... 0: • • • • 3.3.2 Überleitung ... _......•.....••.....•..............
95 99 101 101 106 107 107 J07 108
Zweiter Teil: Humboldts Gedächtnis 4.
HumboldLS Panoptikum: Gebildete Antike .... _. . . . . . . . •• • . • . .. 4.1 ,Studium', des Griechischen insbesondere ........•••• 0- • • • • • 4.2 ,Betrachtungen' zu Hellas und Sprache . . . . . . . . . . . • . . • • . . . .. 4.3 ,Charakter', eine idealische Ansicht ..............•• __ •..... 4,4 ,Geschichte' ölls Verf
\13 \19 127 138 142 149 153
5.
Humholdts AriSloteles: Biographisch-philologische Passagen , _. . . . • • . . . . . .. 5.1 Humholdts Komext: Rezeptionsdisparitäten _•....... 5.2 Humboldt(s} Bibliothek: Grenzziehungen ......••• _•....... 5.3 Briefpassagen ..............................••••• _. . . . .. 5.4 Werkpassagen _. . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . • . . . . .. 5.5 Vorlesungspassagen _. • . • . . . . . .. 5.6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
158 158 168 173 18N 196 206
6.
Humholdts Erhen: Chronologie zum unaufhaltsamen Aufstieg eines Allgemei.nplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.1 Positionen von der Mitte des 19. his zum Beginn des ,................... 20. Jahrhunderts 6.2 Positionen vom Beginn des 20. jahrhunderts bis \960 ........• . . . • . . .. 6.3 Positionen der 60er jahre 6.4 Positionen der 70er jahre ...........................•. . .. 6.5 Positionen der 80er Jahre .........••••..•• _. . . . . . . . . • . . .. 6.6 Positionen der 90er Jahre .........•••....•.•......•. _. . .. 6.7 Rezeptionstypologie .... . . . . . . . . • ••• . . .• • . . • . . . . . • . • . . .. 6.8 Oberleirung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . •• • . . . .• • . . . . . . • • •• • . . ..
209 211 226 251 282 288 307 335 339
Intermezzo: Sprachwirklichkeit . . . . .. • . . . . • . • . . . . •• . • . . . • • •• •• • . . .. 341
1nhaluvcn.cichnis
7
Driner Teil: Die Ordnung der WirkUcbkeit 7.
8.
9.
ArislOteles' Schriften: Sondierung des philologischen Terrains _ _.................•..... 7.1 Das System des Arislole.les _. _.' _ 7.2 Die Einheit der Metaphysik .. _ _. _.. _............•..... 7.3 Synthesen der Erinnerung: Ohn die Sule .............••.... 7.4 Oberleitung
346 346 356 365 371
Aristotdes' Bez.ugsr.ahmen: Sondierung des Ih~rerischen Terr.ains ..................•.............................. 8.1 tv((YYEla: Wirklichkcitsansichleo 8.2 1to{n(n~ und j(Qlil;lC;: Handlungsvarianten .......•••...••.... 8.3 qJ\X:Jl~ und XlvttQt..<;: Entstehungsbedingungen .....••...•..... 8.4 Oberleilung , ....•.... , . , .....•..••....
372 372 383 387 395
Aristote1es' Begriffe: Konstitutionsbedingungen VOll Wirklichkeit , , ...................•...•.... 9.1 D:lS oüo{o-Konzept . -, ~. """, Wile etwas .1St ....................••.... 9.2 U1l.TJ. fl~: 9.3 b\1\'«lu;. htQ'yna. Evtdixua: Wie e(Was entsteht ......•..... 9.4 Zusammenf:lSsung ..............................•.•• _ . . 9.5 Überleitung .....................................• ,
196 iOO iQ9
422 4)5
H8
Vierter Teil: Die Ordnung der Spr'2che 10.
11.
12.
Humboldts Aufklärung: Ansichten spr.lchlicher Wirklichkeit _ 10.1 Humboldu Bewußtsein: das Verwandlungsprojekt 10.2 Grundlegende Einsichten: die Verfahrensbedingungen 10.3 ,Ergon' und ,Energeia': das semantische Tor 10.4 Das Prinz.ip: Die genetische Definition der Sprache 10.5 ,Werk' und ,Energie': eine Rückblende 10.6 Das Ende der Rcpr;asentation: der Bruch 10.7oberleirung , _
,
Humboldts Format: Zum Arrangement e:iner Ordnung der Sprache ... _. . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11.1 Gdtung: Aspekt~ einer Theorie semantischer Räume . . . . . . . .. I 1.2 Laikon: Elemente einer Praxis semantischer Th~rie 11.3 Übe.rleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
-443 443 452 457 469 472 485 499 500 501 518 529
Humboldts Verwandlung: Die Wdt der Spnche ........••....... 531 12.1 Der Stoff der Sprache _.. _. . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . .. 531 12.2 Die Gest.alt der Sprache 538
8
Inhall$vcncic.hnis
12.3 Die innerc Struktur dei Sprolchc .............•............ 545 12.4 Die Bildung des Spr:achJichen .......••... _ . 557 12.5 Der Ak1 der Sprache ..............•.......•.......•.... 56} J2.6 Das W~n der Sprache ............••......•.......•.... 567 12.7 Schluß: Meramorphosen . 571
Nachwort.: Humboldts Welt; Schock und Schöpfung der Sprache . 5n I. Sprachhandeln als Wdthandcln: Wirkliches Verstehen . 574 2. Geschichtsvermögen: Über die Aufgabe des Sprachschreibers . 581 3. Genesis: Schock und Schöpfung der Sprache ......•.......•..... 590
. h"IS . ........••..............••......•.•....•..... 591 L·Iter-aturverzclc I.
2.
Aristotc.les ...........•....•••.•.•.•••......•....••••..... 1.1 Ausg~ben .............................•.•••....••..... 1.2 Monographien ..........................••.•..•.••..... 1.3 Sammelwerklxiträge und Sammelwerke ....•••••.••••...... 1.4 Zeitschriftcnanikd ......................•....•.••••....
597 -9' "9'
)
604
Wilhe1m von Humboldl ......••••...•.•......• ' .......•.... 605 2.1 Ausgaben ................•••...••••.....•.....•.•. , . .. 2.2 Briefe , . . . •• •. . . . • • ••• . . .. 2.3 Monographien , " , .•••....••••• , 2.4 Sammelwerk beiträge und Sammelwerke ...•••••••••••••.... 25 ZeilSchriftenartikel .....................••....•••••.....
J.
591 591
605 609 611
619 635
Sonstige Litcratur ..............•....................•..... 64J
Register .......•........•••.......•••....••.............••....• 651
Vorwort Handelnl W2.S ist Handeln? Es stirbt im Augenblick der Tat. Es ist ein schmähli+ ehes Zugeständnis .:In die Tatsachen. Die Weh aber wird durch den Sänger für den Träumer geschaffen. OSCAr
Wilde
Verwandlung Humboldt transformiert die Welt des AriStoleies. deren innere Ordnung,
theoretische Weit-Sicht und
p~ktiscbe
Grundsätzlichkeit in eine solche,
die (nur noch) in der Sprache bleibenden Gültigkeitsraum erliUlgen kann. Solche Verwandlungssrrategie ist kein Zufallsprodukt - so die Behauptung -, sondern innere Konsequenz zweier theoretischer Ansätze. die als integriertes Eri.nnerungsprojekt abendländische Geistesgeschichte umspannen wie kaum zwe,j andere. Das ist - grob und nur damit gleichwohl auf den ersten Blick möglicherweise etwas übermütig anmutend - die Grundthese der vorliegenden Untersuchung zu HumboldtS Verwandlung der Welt in Sprache. Sie ist Ergebnis eines - in Zeiten hastiger Bildungsund WissenschaftsbeschJeunigung sei dies ostentativ eingestanden - langen Zeitraums des Nachdenkens und Vorschreibcns, ständigen Verwerfens und Emeuerns, von individueller .5iegesgewißheit' des als endgültig vermuteten Verstehens und schließlich des t3gtäglichen Eingeständnisses, daß das bislang Erreichte bei näherem Hinsehen ziemlich vorläufig sei. Irgendwie war es - gemessen an seinem zunächst fast unbedarft zu nennenden systematischen Ausgangspunkt - unverhofft einfach und kompliziert zugleich, dieses Buch bis zu seinem Ende zu schreiben; das Komplizierteste allerdings fraglos, das Erdachte auch noch möglichst unkompliziert auszudrucken, denn im positivsten Fall ist ,wahre' Wissenschaft immer auch gelungener Vermittlungsakt. leh bitte, den Versuch für die Tat zu nehmen und zudem selbst zu beurteilen, ob der Autor eher ein Sänger oder ein Träumer ist (und mir vor allem in dieser Frage dann Bescheid zu geben).
Verwandeltes Irgendwann vor ungefähr zehn Jahren saß der Autor in einem Proseminar VOn (einem Gewissen) Dr. Hans-Werner Scharf und kam frühmorgens
10
VOTWon
.tuf eine Idt:e, die ihn von da an nicht mehr in Ruhe lassen wollte. Mit der
Geschichte zu den dann folgenden - ungezählten -
Vo~rbeiten
soll der
Leser bzw. die Lesenn nicht behelligt werden. Kollegen. Freunde und Bekannte wissen eh' davon (und ein Vorwort lsl wesentlich für Kollegen. Freunde und Bekannte geschrieben). es reicht an dieser Stelle vielleicht eine Bemerkung, die der Autor nicht als Behauptung eigener Befähigung, sondern als mühselig erarbeitete Praxis verstanden wissen möchte: Was kann man besseres von Bildung sagen als dies, daß es ihr gelingt, über lan· ge Zeit als innere thematische Konfrontation anspruchsvolle Zumutung zu bleiben. Und was soll man wichtigeres von ihr sagen, als daß sie Räume braucht. in denen Ruhe und Nachdenklichkcit nicht nur theoretisch möglich sind, sondern auch praktisch geduldet und aktiv gdörden we.rden. Vorläufiges Ende solcher vom Autor erbrachten und von den jeweiligen - ohnehin meist beängstigend Scharf-Sinnigen - Lesern immerhin ertragenen Zu-Mutungen war eine Dissenacion im Jahre 2000 (wie immer spitabends zum Abschluß gekommen), die der vorliegenden Ausarbeitung als Grundlage dieme.
An- Verwandlung Mit heutigen Büchern stellt sich bekanntermaßen zunehmend ein Problem. mit dem Autoren im allgemeinen immer noch nicht wirklich rechnen: sie müSSen - oder könnten wenigstens - gelesen werdCl1. Nun ist das bloße Ansinnen der Lese-Zumutung für ein Buch solcher Dicke heutzu· tage eigentlich eine Dreistigkeil. Daher einige Gebrauchs-Überlegungen für rationale Zeitplaner. denen ich vorschlagen möchte. welche Passagen sie lesen und sich damit unwiderruflich .anverwandeln' könnten: (I) Über die Gruppe, die Bücher nur besitzt und gar nicht liest, kann ich nichts sagen. Sie läßt mich schon seit langem etwas ratlos zurück. Aber selbst für diese bietet der schöne Einband der Humboldt-Srudien im Regal noch eincn - gewiß teuer bezahlten - ästhetischen Nutzwen. (2) Freunde und Bekannte, die vielleicht eher mir zu Liebe und nicht Humholdt oder Aristoteles zur Erkenntnis lesen. damit wohl eher wissen wollen, was ich denke. sollten das Nachwort zu Humboldts Weil lesen. das mir sehr am Herzen liegt. (3) Freunde und Bekannte. die wiederum eh.er mir zu Liebe und nicht Humholdt oder AristoteIes zur Erkenntnis lesen, d4UTlit zunichst wissen waUen, was ich denke, dariiber hinaus aber auch, worum es in diesem Buch eigentlich geht, sollten, bevor sie das Nachwort zu Humboldrs Welt lesen, zusätzlich die Einleitung zur Hand nehmen. Ich habe nicht nur aus diesem Grunde versucht, eine Einleitung zu schreiben, die diesen Namen womöglich auch verdient. (4) Eine Gruppe von Wis·
Vorworl
11
sCDsc.hafdennnen und Wissenschaftlern - gleichgültig welcher fachlichen Couleur, aber ohne spezifisches Humboldt-lnteresse - möchte vielleicht wissen, wie der systematische Faden der Untersuchung verläuft und unmittelbar deren Kernaussagen aufsuchen. Hier ist die Abfolge Einleitung, J. Kap., J. IWp., 9. Kap. und /2. Kap. zu empfehlen. Man liest dann alles nötig Wissenswerte. Brauchbar ist diese Lesestrategie sicher auch für Rezensenten, die Fehler suchen. (5) Als letzte Gruppe bleiben die Humboldt-Forscher: die können alles lesen, wenn sie möchten. Dies auch deswegen, weil erfahrungsgemäß die systematischen Kernpunkte solcher Untersuchungen nicht immer die spannendsten und konsequenze.nreichstcn sind. Ich boffe, viele Leserinnen und Leser fühlen sich nun erleichtert und damit lesebcreir.
Verwand(el)te Spätestens jetzt wird dieses - eher ungezwungene - Vorwort zu einer ungleich ernsteren Untersuchung zwangsläulig persönlich, und zumindest die Gruppe (4) sollte jetzt nicht mehr weiterlesen, sondern direkt zur Einleitung springen. Das Nachdenken über die Antworten, auf die dieses Buch die Fragen sucht, hat mich eine so lange Zeit kognitiv und emotional beschäftigt, daß ich mir gestane, vielleicht etwas ausführlicher a1s gewöhnlich und für Außenstehende wohJ eher ermüdend, die Menschen zu erwähnen, die meinen diesbezüglichen Weg begleitet und bereitet haben und die mich - in teilweise fassungslos machender Art und Weise - unterStützt haben: Ich danke meinem Doktorvater Prof. Dr. Georg Stötzel nicht nur für die Ermäglicbung dieser Arbeit, sondern auch und vor allem für die strukturelle und finmzielle Absicherung. die mir gestattete. diese Arbeit zu schreiben. Das Schicksal so mancher .Assistenten<, die so viel für ihren Professor arbeiten müssen, daß sie ihre eigene Qualifizierung notwendig vernachlässigen, habe ich nie erleiden müssen. Ein Entwicklungsgeschenk, das mich und mein Verständnis von Hochschule geprägt hat und das Humboldts Universitätsidee wohl mehr als aufdringlich nahe kommL Daß er mir darüber hinaus erklärte, wie eine deutsche Universität auch real funktioniert, hat mir - vorsichtig ausgedruckt - sehr genützL Der Düsseldorfer Mythos- und Ideologieforscher Prof. Dr. Peter Tcpe war Korreferent der Dissertation und gab mir - trotz weiter Ferne seiner eigenen Schwerpunkte - wichtige Hilfestellung. Ich danke den (meist) Studierenden, die über viele Jahre im Studienreformbüro Germanistik der Heinrich-Heine-Unjversität sich mit mir für eine Verbesserung der Lehre eingesetzt haben; ich nenne an dieser Stelle: Silke Stünkcl, Alexandra Schulten, Ralf Steigels, Anne Törner, Michael Preuss, Bernhard
12
VorwOrt
ChJ.ppuzcau, Vera K. Eckermann. Susannc Licht, Petra Schiffer, Dietmar Karlowsk.i. Jessica Waldeyer und zudem Susanne Stemmler, Oe. Yoshiro Nakamura, PD Dr. Johannes Roskothen. Jeder und jede einzelne von ihnen hat für das Andenken Wilhclm von Humboldts mehr getan. als es diese Arbeit vermag. Ich danke meinen akademischen Lehrerinnen und Lehrern, die z.T. nicht müde wurden, mich immer wieder zu fragen, wann ich denn nun endlich so weit sei, und die ihr eigenes Denken auf irgendeine Weise sicherlich in diesem Buch wiederfinden werden: Prof. Or. Alois Huning. Prof. Dr. arben Henrichs, Prof. Or. Wolfram Hogrcbe,
Prof. Or. Chrisline Schwarzer, Prof. Dr. Herben Anton, Prof. Dr. Wil· helm GÖssmann. Prof. Or. Ha.ns-Georg POLt., Prof. Dr. 0cto Langer, Prof. Dr. Manfred Wlßdfuhr, Prof. Dr. Bemd Wirte, Prof. Dr. Dr. h. c. Johanne.s \VildL Offensichtlich produziert das Schreiben einer Dissertation emotionale Unebenheiten, die nur mit Hilfe guter Freunde erträglich sind und dauerhaft überwindbar bleiben: Holger Ehlcrr, Silke Meyer, ChriSliane Brosch t Stcfa" Rodoffs, Aonelies Albrccht, Bcuin. jorzik, {>etra Schaab, Mona und Bernd Rcckmann. Anja Neuhaus, joachim Morgcnroth, Dr. Klaus-Hinrich Roth, Reinhold. Melanie und Stephan Wdbers waren solche Freunde und zudem Christiane Sebode. die in warmen Zeiten mit mir bangte und dann feierte, wenn auch die schwierige Hürde des examen rigorosum endlich genommen war. Fcnja Winneven hat sich meine Humboldt·Ansichten nicht nur angehön.., sondern auch den gef::ihrlichen Versuch unternommen, diese in ihrer eigenen PrÜJu.ng zu Humboldts Sprachrheorie sogar noch zu verrreten. Nina hat über viele Jahre meinen Weg in eine Welt der Sprache begleitet - ein Geschenk von Liebe und An· erkennung. das ich nie vergessen werde. Diese Untersuchung wäre ohne die Hilfe zweier Personen nicht möglich gewesen, die mich unermüdlich unterstützt haben: Sonja Vogt, die mich rastlos mit Sekundär-Texten versorgte und dabei annähernd geniale Fahndungserfolge erzielte, und Ursula Kcuthen, die meine Texte wie immer mit wenig Chance auf Kompromiß redigierte. Janine Böckclmann hat mit viel Fleiß und Sinn für wissenscha.ftliche Texte das Register überprüft. Dr. Heinz-Otto Weber hat ermöglicht. daß ich Humboldt auch in seiner Akademie-Ausgabe näher kommen konnte. Dem Schäningb-Verlag, namentlich Dr. Hans j. jacobs, sei für die Veröffentlichung und Betreuung des nun vorliegenden Projektes gedankt; den Herausgebern der Humboldt-Studien für die Möglichkeit, die Untersuchung in einer solch' renommierten und herausragenden Reihe zu veröffentJichen. Diese Arbeit ist schließlich meinen drei Eltern Annemarie, Hans-jürgen und Ursula Weihers gewidmet, die in so unterschiecUicher Weise daz.u beigetragen haben, daß sie entstehen konnte.
Vorwort
IJ
Einer bleibt., der ,Zaubermeister': Dr. Hans-Werner Scharf hat mir nicht nur eine Welt gezeigt, deren VerwandJungsrecherche sich wissenschaftlich lohnt - irgendwie gelang es ihm auch, mir zu zeigen, was es heißt, ein Forscher zu sein, ohne das Verstehen zu vergessen.
Vlrieb Welbers, März 2001
Einleitung:
Die Verwandlung der Welt 1. AristoteIes und Humboldt:
Königskinder philosophisch? 1.1 Humboldts Unschuld: Hinter dem semantischen Tor "Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst, ist etwas beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes (...) Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia)" (Ueber die Verschiedenheit, VII 45/46)1, Mit diesem Satz kennzeichnet der Sprach theoretiker und Wissenschaftsunivcrsalisl Wilhe1m von Humboldt in der frühen Mitte des 19. Jahrhunderts ein Verständnis der Sprache, das mit allem zu dieser Problematik bisher Behaupteten und Tradierten radikal bricht. Humboldt trifft - selbst als Forschender und nicht nachträglich über das Erreichte zu belehren sucbend 2 - innerhalb seines heuristischen Rahmens. der die U nI
!
Die Texutellen sind _ wenn nicht anders vermerkt -7.iticrt nach Humboldt. Wilhelm von; G"'SA",,,,d,c Scbri{trn (Kgl.) Preuss. Mad. d. Wiss.: A. Leitzm;mn. ß. Gebhardt. W. Richter (Hl'$g.), 17 Bde., 8erlinlLdp7.ig (N.:u.:hdruck Berlin 1968) 1903-36 mit Kumitd, Bandund Seilcnilngabe in KIJmmern. Diese Ansicht vertritt ;!Uch T. Borsche. obwohl er - gan2. ,unhumboldlisch' - Methodjk und Didaktik gl('ichsetz.t und in Folge mit einem sehr reduz.icrten .Didaktik'-ßegriff op...... rlcn: "E.r (Humboldl, U.W.) schrieb nicht in didaktischer Absicht, sondern vornehmlich, um für sich selbst Kbrheit in der Sache 2U gewinnen" (Borsche, T.; \'(Ij/helm von HllmboJJt. Müm:hen 1990, 5.10). Tatsächlich jedoch gibt es für Humboldt. wie dies aus seiner Sprachthrori<- z.wingend hervorg,c.hl, kein un\lerminehe..s Wissen. lediglich eine funktionalisierung und Reduzierung des wisscnschaftlidu:n Erkenntnisbegriffcs zum Z .....eck einer möglichsl gc.schickten narr.ni\·en oder positivistischen Belehrung ohne Nadwollzug durch den Belehrten, ellle JiJactlqNc raffillCc. lehnl Humboldl ab. Es ist. so Botschc sclb.SI. \,iC'!l· mehr ~ein Charakteristikum des HUlflboldl$chen I)cnkens, die Lagc des Denkenden für (He Bedeul'urtg des Gc(IJehten zu reflektieren öder, andC'!fS geugt. die Philosophie selbst nicht vOrt der Individu.tlitiit des Philo!>ophen zu lre.nnf:o· (Borm:hc. Humboldl, ;\..J.O.• S. 14). Diese Bcob.:tdlllllll) iSI nieh, nur eine gelungene Reflexion über den t-1umboldtschen .DidJkt'ik··BcgriH und dessen urspriJnglichst'cn Sinn. ein solcher .DidVtukl-ßegciff bnn dann .luch für AriSlOtdes nahtlos in Anspruch genommen werden: Wissen ohne dic Wissenden _ und in dieser Rcziehulll; liegt der unhintef'l;chbare Grund des Vermiulungschar.tklCrs allCII Wissens - ist ein hypothetisches Konstrukt. -Ich verweise in dies~m KOIllt'.xt
Einlcilung: Oie Ver'Wl0dlung der Well
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tersuchung des \Vesens der Sprache zum Ziel hat, nicht ganz unvermittelt auf einen ontologischen Entwurf. der seit der Antike das Abendland wie kein anderer beeinflußt hat und unser episcemisches, technisches und alltägliches Wissen bis heute wesentlich mitbestimmt: den Wirklichkeitscn!wurf des ebenfalls getrost als Universalisl zu bezeichnenden griechischen Philosophen ArislOteles..l In gewisser Weise ist mit dieser - für Humboldt so charakteristischen - Strategie des Suchens und Entdeckens, die auf wedie Obtrll"tun~en zum Zwammenlung "un Sprachbq(rlff und Bildungslht'Orie Hum boIJLS. die K:h im R~.hmen VOll d,e LLhrr "eN tJf'J'luhl'n - J,e W'uscnu:h4' "tH denk"" QNailMtU'ntf&ickf,.ng In drrgf'mfatllltiuhm HochJml4/Jehrr. Ncuwitd 19'98. S. 58-67, ;110gestelh h3bc. Die Bezeichnung t-lwl1boldu 11s ,\v/jS,$enschafuunh-ersalisl' beJarf - T.um.u im ;ariSlvtcli$Chen Konlt.X1 - eines n1heren Komment"" zum Werk der hler:lls K6nigskjndn- qu;tlifi zierten Theoretiker: V('f};ll'ic.ht m:tn die w;nenseh:trlliehen Speklren, .!ur die Ari~lotrlt:5' und I-Iumboldt$ epislcmisehc)" Denken gerichlet ist. wird einsichtig. d:tß ersterer zunächst - im klusischen Sinne - mit noch größerer BcrLochll 8ung als UniyefS:llist bczeie:hnet werden kann. Für Humboldt n:lt T, Bor.K:he dts.SCn Erkenntnisintc~sc in dcn Thcnlenfcldern bzw. Wissensch;llfubcrciehcn CdChichte. N:tlur. KUIISI und Sprach... ::uwmmenger1fh. wobei die Geschichte die politische Theorie und die Bildungstheorie mildnschlidlt, und dico Untersuchungen zur Spnchco bio;uphisch und sYS1('nl;uisch .&1s du orgJ.nis.:he Zid, also dou griechische lti~, de Humbolduchen Werkes zu bcT.e;chn~ ~ind (\'gl. Bouche, NMmbolJl, 11..1.0., ,1J7), Hoffe unn bei AmtOldcs elll noch .....esentlich brClter ;angdegU'S Werk lok21isieren, d.u er in dIe Ikuichco Wusen und WisKT'sch;aft (hiet" sind sowohl Wj'ue:nschJ.(t.nhcorico ;jJs 2lKh Logik Mlgesicdelt), Physik und Metaphflik (in den dIe: .aturphll<mlphie. die Biolt~ie und Psychologie, die Meuphysik, die Kosmologie und Theo· 1000ie und di~ Ontologie und SpDChe gehom'l) und Ethik und Poluik (der die bhik, die" H.anJlunpthcorle, die politische- AmhroPQlogie, die Su..uSlbt'Orie- und die Lehrt' \om Glück angehon) dif(erenuen (ygl. Hofk 0.: Aristou/eJ.. Müncl't'n 1996). Der U",wrJ,JIm"Mj-H~grlff der Nt'uT.eit muß Jaher \'on dem Jer Antike fund.all\ental ul\lerschieden werdt'n: Wihre:nd Aristote1es im bcsonde:re:n nOC'h du Ganze d~ wisSt'nsc.h.lhlichc:n Sptktrums zu emd«kell sucht und (ür dic wis5e:IlKh.lftliche Emwicklung des Abt:ndlandes \Cl'~ fügbar m.achcn ~'ill, ste:ht Humboldt bereits ,'or dc:m für die Neuzeit ch.:lraktcristischCIl Problem, muncnse Wissensmengel1 sammeln und syslcm.ausch il\ltgrie:ren 7U müssen, n~,· rncrkenswC'Tt ist, daß ihm diC'S in seim'm holisti$ch-hermenculi~hen Panoram.a 2US hruti· ger Sieht ubcneugender gelungen ist als strengen Systcmatikern, wie zum Bc:i~piel H(~cl, der Ju W'lsse:n kiner Zeit Z\\',,I( in d.as st:trre Konzept einer lri.atliscn orS2nisie(len Wi.losenschJ.fLScnZ)'klopidic zu pf'('sscn vt'rmochlc, diesem damil aber wt'itgt'ht'nd :luch dt'n 11.'bcndige:n Ch.:lr.aktcr raubte: Humboldt ummdte das Denken seiner Zeit, ohne es vorher ermorden zu mUßen. In di~C'r HinSIcht i:5t der innt'f('n Dialektik \on teinltuls: HcgdQu21ifizierung zUlounimmen, wenn Jiescr bC'mcrkt: .D.u HC'ßdsc.he )"slern Ist unter 211cn bilhe:rigcn philosophischC'n ystemC'n du vollkommernte: ja im WeRntlich('n iSt ('$ daS Vollkommenste, wu die PhiloMphie übtthaupt tTTeichen konnte· (Stnnlh~I, 1-1.: Du' p.,.tl.d1'fci~lIsdJtl.ft 'I/.f'Jh
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I. AristOlcles und HumlNldl: Königskinder philosophisch?
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sendich breiterem Fundament agien als die positivistische ,Krumelsammlcrdiagnostik' des institutionalisierten Wissenschaftsbetriebs im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert, auch seine wissenschaftliche Unschuld markiert. Er trifft in der philosoph.ischen Tätigkeit auf aristoteüsche Begriffe, die nicht das ausdrücken, was er gerade sagen will, sondern was er zu verstehen sucht. 4 Daß trotzdem gerade der Ergon-Energeia-Satz nach seinem Eintritt in die Humboldt-Rezeption durch H. Stcinthal 5 .. zu einem regelrechten Mythos der j-fumboldt·Exegese geworden"6 in und in solcher Weise, wie dies geschehen ist, vereinnahmt, verdreht, überladen, verkürzt und auch entstellt wurde, spricht jedoch weder für diese - in Humboldts Blick s,ieher eher unspektakuJäre - Wendung noch gegen sie. Heideggers Beob· achtung, daß Humboldt hier "jene Sätze" prägt, ..die zwar oft angefühn, aber selten bedacht werden"", ist ebenso richtig wle die Tatsache. daß dieser seinen gegen andere erhobenen Vorwurf "Unterwegs zur Sprache" s auch selbst gleich geflissentlich einzulösen vermochte.' Den anderen ReHumboldtS Univ~l"$alismus iSI also vor allem der cinC3 HnroeNtl/istis€hcn Erkenn\1lisint«tHCf und er$1 il1 ~weitcr Lini~ der ~iner Syst~m:Hik der Gq;enslandsberciche. \ Auf die Tau;u::hc. (hß die Interpreul'ion des ,Energcia·Satz.es· mit Slcinthals Scbrifl Ocr Ursprung clrr Spracht ihren Anfang nimmt. haben sowohl D. Di Ccsar~ (\Igi. Di Cesarc, 0.: .. Die J.rist'otdischc Herkunft der Begriffe iQYQ\l und t~I'Y(l(i in Wilhelm \'on I-Iumboldls Spr:lchphilosophic-. In: AJbrcdH. J. u.a. (I-Irsg.l: Enugeia Htld Ergo'" SprflcMiche VarjatlfJn - Sprachgeschichte - SpradJtyp%gie. J Bde. Tübingen 1988. Band 11: Das sprachtheoretische Denken E.ugcnio Coserius in der Di:skussiull. S. 29....6. hier: Anrn. 4) als auc.h T. Borsche hingewiesen (\'gl. Borsche. T.: Spradlll1uithlm. Der Begriff der menJch"~ ehen Retle in der SprachphiloropMe \'{Iilhe/m tlon Humboldts. Stuugart 1981. S. 60. Anm. I). Zur Kritik dits~r Auffassung siehe Kap. 6.1. • Di Cesuc. 0.: .Einlcitung~. In: Humholdt, Wilhdm von: Ober die V~chj~t/enheil dn menschlichen Sprachbauts Imd ihren E;"fluß auf die gdl,ige Entwicklung Jel MemchengtschlechlS. Hrsg. von D. Di Cesare. Paderborn u.a. 1998, S. 11·118. hier: S.ll. 1 Heidegger, M.: Umeru:egs zur SprAche. Stuug:art (10. Auß.) 1993, S.1"6. - Schuf modifi· 7,im den Hddeggersch~n ,Vorwurf; 1'J9.f und spricht -;lUch mit kritischer ßlickrichlUng ;luf Hejdegger - von .der vielzit'ien~n und wenig gedeuteten Energ~ia-Definiuon ... ~ (Sch:arf. H.-W.: Vas VerfAhre" d~r Sprache. HHmbolJ, gegtn Chomsky. Paderbom U.;l. 199... S. 187). • Heidegger, Unterwegs ZHr Sprache. La.O. 9 Ein Bdeg dafür iSI die Bemerkung Heideggers. nach der .Humboldt du Wes~n der Spnch~ als Energei;a bestimmt, dieSe jedoch ganz ungriechisch im Sinnt von Lcihrnzens Monad()logi~ :als di~ Titi.gkeit des Subj~ktes versteht" (Heidegger, Unterwt'gs ZHr Sp,.ach~, ;u.O., S. 249). Dje5~ Behauptung kann auf der Grundbge des noch niher zu bc.schreihen. den Zusammenhangs der ;aristotelischen OntOlogie mit d~m Humboldt.schen Spr;lchden· k~n nur:als falsch beuichnet werden, wenn ;luch, nimmt man wie Hcidegg~r die Umge· kUllg d~ ariSlotdiSGhen und eine Verkürzung des Leibniz.schcn Energda-Begriffa vor, eine solche Identifizierung :auf den ersten Blick als ,möglich' efSGhdnt. Mit Hilfe dieses nicht richtig verstandenen Diktums nimmt Hddeggcr dann allerdings eine Reduktion des Hum·
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Einleitung; Dit' Vt'fwOlndlung der Wt'h
zipicnten im 20. Ja.hrhuudert - wie z.B. L. Weisgerber oder N. Chomsky - geriet dies bekanntlich nicht zur \Varnung IO: zu attraktiv schien die Rezeption dieses vermeintlichen Allgemeinplatzes, der sich scheinbar fugenlos für die Entwicklung und Legitimierung eigener Theorien und Modelle - wahJweise einer energetischen Sprachwissenschaft mit mut[crsprachlicher Zidrichlung ll oder einer als .generativ· verstandenen Transformationsgrammatik l1 - nutzen ließ. I} In der Tat jedoch hat HumboidIsehen Sprac.hbcjtrirfs \-or (vgl. dnu 8o~ht', Spr.1rh.mllchttn, .1•.1.0., S. 65, Anm. 15)_ - AndCr5 ab I-IcidCl>l;cr behauptet J. Tralwn ~Hu.mboldt5 Wt'g zur Spnche-. den u ,tdoch auch explizit spn.chwi.~scnsch.lfthc-h und nicht nur .philosophisch· \'cTSunden h<Jbcn ""111 (\'gl. Trab
h:tt Weisgtfbcr mit Hilfe dl:$ .EntTl;l.'ia'-8egrirl$ emt Redukllon de$ Spuchbegrifrcs \'orgcllOmmcn, mJem er 2.unächsl vicr Ebenen \It.r Spracht untcrsc:hcidcl...nimlich I. d..... Sprechen oder ;allgcmeintr die Verwendung der $prachlichen Mlltd. 2. den Sprachbesil'l des einzdnen tt.'lcllM:hclI, J. Jie Spr.lchc cines Volkes. ah: Kuhurb<-sllz einer GcmClOsch",fl und ". die Spnochfihigkeit des Menschen· (Welsgerber. L,: _Ncurom<Jnlik' in Jer pr.lehwi~nKhah-. In: Cn1tJAIIlKh·Rom"nlSche Monatsuhnft, 18. jg. r19l0j, S. 1" 1·81, hlCr: S. 243). WClSgerber WCIl.1 nun diesen .\'icr Enc.heinungiiformen de:r Spnoche~ (t.bd.) Wi-,~n$('h.\rnfic:hc:r 7U. die' dl~ bc-.arbC'ilen ~lIe:n. de:nn _die: uIl2h....f>i,b:tre Folge'rung 1-'1. d.aß jeder dieser ...ier Krci.sc mil dcn ihm .I.ngemenenc:n Dcnkmiucln zu erf(lrschm isl ...... (~.). Die ersh:n bciden ""erdm dilbci der PS)'ehologlc zugeordnet. dc:r lettt.erc: der Pbilo· sophie'. I ur cl!'.r dnllc. die Muuerspr.l.chc. 1$1 Gcgensand t'lIJcr als soziologisch idenlili. zierten und .Ils energelisch qUillili.. iencn .Sprilehwissensch.aft·. Aur diese Redukdon des SpTllchbcgrirrd durch Wcisgcrbcr h.1.t \'or .allem Bursche .Iufmerksanl genuc.ht (\·gl. Borschc. Spri1C'hllnlld1tC'tJ, .1 •.1..0., S. 59-70), der damit Weisgerbers Hoffnung widerl~l••hß ..soweit ( ) wohl kaum cin Widerspruch zu erwanel1 sein· dürfh: (Wcisgerber, ,.,Nelll'l'· mantik· , 1.:1.0.. S. loll). Borsehe wcist i/l diesem Zusammenhang d:lTllUr hin. cl;t!!
1. AriSIOleles und Humboldr: Königskinder philosophis<:h?
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boldts ,El1ergeia'-Diktum allein weder die zentrale -aedeumng, die ihm von vielen als Zentrum Humboldtscher Sprachtheorie zugemessen wird, noch taugt es in der unaufhaltsamen Entdeckung Humboldts, an der der Leser immer wieder ncu teilnimmt, als Rettungsanker oder systematische ,Verschnaufpause' . Schon gar nicht gereicht es als Formel für ansonsten Unverstandenes.l~ Heute Humboldtlesend nimmt man vielmeh.r in spannendster und in den radikalen Konsequenzen auch bedrückender Weise teil an Humboldts eigener Forschung - als Erkenntnisprozeß in der Welt der Sprache verstanden - auf der Suche nach dem \Vesen eben dieser Sprache.l~ Humboldt markiert damit seIhsc die Perspektive nicht nur seiner eigenen Untersuchungsmethod.ik, er sagt :luch, wie wir seine - immer vorläufig gemeinten - Ergebnisse lesen soUen: indem wir sie erneur denkenund damit unweigerlich zu ihren Quellen, zu Arisfote1es' Ontologie, zurückkehren. Der Ergon-Energeia-Satz wäre für diese Rückkeh.r gleichsam ein semanrisches Tor, ein erster, philologischer Einstieg, der auf anderes verweist, von und vor dem sich seine volle Bedeutung erst konstituieren kann.I(o Dieser Charakter eines semantischen Tores soll aber
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hang von Sprache und Geisl mil der Weihe einer l>eisu~sgcschichllichenHerkunft versehen zou mÜSSen geg1.lubt, in der Humboldl eint' zelllr:lle Rolle spieh~ Uäger, L.: .. Humboldt. ,Ober die Verschiedenheil des menschlichen Sprachb.lues'''. lu: Siepmann. H. und Haus· mann, E~R. [Hrsg.J: Vom ,RoJa7/wJied' zum ,Namen der RQJe'. Bonn 1987. S. 193-111. hier: S. 194). Auf die diesbezüglichen Gef:lhren der Humboldl-Lektürc weist auch 1-1. Steinlhal hin: ~Humboldl hat kein(- feslSlehendcn FC)mu~ln, die man sich aneignen. mil einer l;t\wissCII Gescllicklichkcil h:iIldhaben könnle. ohne dass man ihren wahren Geist erfust lut~ (SlcimhaJ, Die Spracb'1J}use,,~chafl, :1 .....0., S. J I). In dieser Hinsicht· kmn die vpn Heidegger geprigl'c Formel (und hier lißI sich der Termi~ nus .Fomlcl' mll Fug und Rechl vl'rwenden) des Unlcl"wt'gsseins zur Sprache - wenn auch in funJamtntal andt'fl."r Hinsieht - t'benfalls fÜf Humboldl in Anspruch genommen wcr· den. Andcrs als Hcidcggl."r .1ber. der n.1ch eigener Aussagc die Spuche nichl .. al~ dieses und jenes zu erklären und so von der Sprache wegzuflüchlen" (Heidcgger, Ulltl'rwtgs zur Sprarhe. a.:I.O., S. 250) ,·ersucht. sondern in dem ~ Weg zu ihr die Sprache als die Spr-oldle er· fahren lassen" (ebd.) möehn~, h:tl Humboldt cin durchaus wissenschaftliches Imeressl."" an der Spr:1che selbst. In dcr Umgchung dieser HumboldlSchen Perspektive wird Heidc&{;er ..bmit sdbs1 zum Flüchding. 111 der Reuptionsgeschichlt:" dagegen hat der Satz ehen nichl als ein solches ,s<.'m.lJllischC"$ Tor' gcdiclll, sondcrn olt nur als ganz UßUiSIOlcliS\:hes Schllluck.Pon:..l. d<1S so - scm.lnI;St:.h isoli~'n und trOlwem mil vielerlei Bedeutung .lufgcblähl- gerade nicht in das Innere deI'" HumboldlSchcn Sprachl,bcorie (ühren konnte. Wie der Mann vorn unde in Kafku Türhiher-L<.'gcnde Einlril1 in d.ls Gesetz verl.mgt. den Schritt durch d~ Tor jedoch verabüuml und sein Leben mil äußerlichen Beobachlungen verbraucht. so bleib1 :luch der Er· gon-Energeia-Sall. viel verbraucln und (fast) ullgcnulZl (vgl. dnu Kafka, F.: Dt'r ?rauft (Auszug aHS dt'/T1 KapiuJ,Im Dom'l. Hrsg. v. Malcolm Paslc,Y. frankfurt/Mo 1990.5.191294). Die bcSlimmll.' oder unl>eslimnlle Angst der Re7.ipicnlC'n hingegen ist durch;lu$ \'er-
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1'.inleitung: Oie VerwAndlung der ""eh
ausdrück.lich nicht als Fundierung eines neueo geheimnisvollen Rauncns dienen, er soll vielmehr die einfache philologische Feststellung kommen· tieren. daß wir andere Bedeutungen und eine umfassendere Kenntnis von Texten vor allem dann erhalten, wenn es gelingt., die Schichten, in denen Bedeutungen in Texten konstituiert werden. freizulegen und in ihren Bezügen untereinander zu verdeutlichen. Von daher sind philologische Anlässe gesucht, die eine reelle Chance versprechen. sie hinter sich lassen zu können. In diesem Sinne ist der Ergon-Energt'ia-Sau ein sprachtheoretisch guter S;uzY
1.2 Venneidtmgszlfsammenhänge: Unterlassende \Vissenschaft Die Humboldt-Forschung ist bis Mine der SOcr Jahre dieses JahrhundertS wie selbsrverständlich davon ausgegangen, der Einfluß des Idealismus Karnischer Prägung auf die Sprachphilosophie W. v. HumboldLS sei so evidem, daß diese Tatsache gleichsam alle anderen Einflüsse. 2..B. den Lcibnizens oder auch Schleiermachers, wenn nicht direkt ausschloß, so doch mindestens in die zweite oder drine Reihe verwies. IB So ist auch das
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st2ndlich: dtT Ergon-Energ~I;a-S:.lz ist j;a ;alJenf~lI$ ein tnler möglicher Schritt in d~ untrum Humboldlscher pnchthtor~ - und droht d;amil. n selbsl nicht st.in zu können und 'Zu wollen. Der UntUSChinl ~wIschen Humboldu ongln.lJ't'f Thtont cinL'Ntits und ",lnt.r Rcupllon andtrtne'iu w;u l;angt \'qr Alltm, w.ß hitr offmsie:htJich \'on 7....ci unl~hlcd IJchm Seite:n ;luf du Tor ge:blickt wird. So isl auch 7.U erkl;iren. dAß d in du Rtztptilln ~J.nxt Gtnentionc."n - Ich bltilx Im Bild - von Türhütern gq;.t'bcn h;al. dit lieber das Tor bis 7.ur Unkc."nntlichktit JChmückten und« dann %Um Gt:ßemund ihrer cigcllCn I'rJ.Stntationtn mAchll.'n. ;lf\St211 ts in philologisehrT ßcscheidenhcilll1u{zuschließcn. ;also in Stincm rr.schlidkndeD Gduh zu nutun. Auf dcr anderen Stite des Torts jnloch linden SIch sowohl Humboldls sy"em.uiJcht unucn als auch die ddi .artllkell Ilhil()5()phen in bislang nicht C~laubtt:r Olxreinstimmung. Auf den produktiven Einl;afklu.r2klcr des .E.rgon-Energcia-Sat7,t'$· wein auch Barsche hin, denn trotz.~lIer Gefahren und Schwieri};keiten .... kann mall \·enuchen. YIJIl hier \tus CI· nco Einstieg in die Spr.lchauff.usung HumboldlS zu ge.... innen~ (Borsche, SprachaflSlchltIJ, :u.O.• S. 59). - Vgl. in diesem Zusamrnenha.llg :lud. J051. L.: SprltChe alJ Wtrk H"J lI',rlundt Krafl. Em ßmrag ZNr Geu"';chu H"J Kritik Jtr efltrgct/1che,. SprachaHffIWHng Sf'II WilhcdmwnHHmbolJt. Utrn 1960.5.10. Wie: produktiv solche Vergleiche in(lt:S stin können. wunJe auf einem Kolloquium mll dem TItel "Humboldl und ..: MOlive. Spuren und Perspektiven seind Spnchdenkens~ deutlich. du 1998 an der Hcinrich·Hcint-Univusil~t Düs:seldorf zu Ehren von K. Mudler'*Vollmtr st.mf.tnd. A_ Stermann, M. Pcift'f. H.-W. Scharf, N. Dorc.nb«:k. O.T. Lissner, T. Willems und du Ve:rf. zeigten dies,tntwwl von kontrastiven Positiorubeslimmungcn zu Aristotdn. Leibniz. Hegel. $;awsu~. Wingen.Slcin. Benjamin und Sm~. - Wie schwierig ;allerdings die Rekonstruktion des Humboldtsebco Spr.achdcnltelU durch solche Vergleiche' ist und welche Probleme durch nnt solthe VorgchtnSWcLsc verurucht werden ltonnen, 7.cigt z...B. die Humboldt-WingcnstCln-KontnSocnmg durch R. Böhle. So offenban BOhle tm elW,M
I. Aristoldcs und Humbotdl: Königskinder philosophisch?
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aristotelische Fundament des Humboldtschcn Spachdenkens niemals in sei.ncr vollen Breite und Bedeutung untersucht worden. Daß ausgerechnet ein Den.ker wie AristoteIes in diesem archäologischen Konkurrenzgefüge bisher nur ungenügend und fragmentarisch für die Klärung des Humboldtschen Sprachdenkens fruchtbar gemacht wurde, ist jedoch für den unbefangenen Leser eher verwunderlich. In der Tat liegt eine direkte Rückführung zemnler Theoreme Humboldtschen Sprachdenkens auf AristOteles erstaunlich nahc, übrigens viel näher als die doch so richtige und wichtige Fundierung in der transzendentalen Erkennrnisrezeption Kants. Humholdtsche Sprachphilosophie wimmelt geradezu von aristotelischen Elementen, Motiven, Beziehungsmustern und Erklärungsmodellen, so daß für die weitgehende Umgehung dieser Perspektive besondere Gründe vorhanden sein müssen, Diese sind jedoch weniger bewußte Vermeidungsstrat.egien als unbewuilte -zurammenhätlge, die in folgender, typologisierender Weise zusammengcfaßt werden können: (I) Der erste Zusammenhang, der als Vermeidung durch Rezeptiommonopolismus bezeichnet werden soll und der bereits -angesprochen wurde, liegt in der übermächtigen Rückführung Humboldtscher Theoreme auf den transzendentalen Idealismus Kants. Kaut. dem in dieser Perspektive gegenüber Humboldt gleichsam eine Johanncs'-Fu.nktion zukommt '9, als seine Identifizierung des transzendentalen Appa7.U vorl~ufiges Sprach-
und ein zu fr,'gwürdigcs Id),ltc:n-Verständnis, wenn er bemerkl. dait ~g~enüber der ßctrachtungswelsc Wingc:nneins, Jit Spr:lt'he als oJX'r.lIlivtS Lcnkungskal-
1.
kül zu bestimmen, (... ) sich HumboldtS" rnage nac.h der Sprache geradezu idyllisch ausnimmt- (ßöhlc, R. E.: wDer Begriff der Sprache bei W, v, Humboldt und L. Wiugenstein-. In: Sencer, B. und Wohlfart, G. (Hrsg.): Dirnen/ionen der Sprache i" der Philosophie des DeHzscJlt:1l Id~alumus. FL 8. Llcbrucks. Wurzburg 1982, S. 190-21}, hier: S. 203), Troudem übt Böhle wil.'derum (zu) dt'udich Kritik am ,ttthnisdu:n' Charcku:r von WiugenS[eins Sprath;\uffusung, A. ßurkhllrdt kommt dann :lUch 7_U dem Schluß, daß Böhles Festsu:llung. ~ Wingenstl'in und Humboldt sprechen von Vl.'rtchiede.nem, du nur den gll;'ichcn Namen lJigt~ (Bohle, S. 198). 'Zu radikal formulicn iSI (vgl. Burkhardt, A.: • Wiugcmu:.in und Humboldt, Das meLhodologische Problem in WirtgCDSlcinS SpälphiJosophie und die Pntge n:lch dem Vcrhältni von Spr-ache und Denken-. In: 8irnbacher. D. und Burkhardt. A./l-Irsg.]: Spra~hspitl und MttlJOdc: Zum Stand dtr Wi1l8('nSltil:~DiskunI(111_Bcrlin 1985. S, 130-169, hier: S. I} I [Anm.2J). Burkhardt wiederum ,konten' - ebenso prohlelll:ttisch mir \'ermeintlich Gleichem, das verschiedene Namen trage, wenn er bemerk!: .oie Begriffe :rhiitigkeit (Energeia)' und ,Sprachspid' Ill.ssc.n sich rcbciv probll'mlos glcichselz.en~ (Burkhll.rdt, S. 167). An di(:$cm einf,uhen Bcispiel7.cigt .sich, mh wievid Tücken und F.allSlricken die Strategie einer ~Humb()ldl und ...·-Konlr.tstiuung l'erbunden sein bnn. Dies kann ll.UJ heutiger Sicht -sicherlich behauptet werden, wiewohl ßorschc darAuf hinweiSl, wie schweres Humbotdt zunächst fid,-sich l'om ,ruckhalltosen Bekenntnis' l.U Kam zu befreien (vgl. Borsche, SprachIJIWcluen, :1 ..... 0., $, 86), Die bc.sood~e Ar' der ..An-
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Einlt'itung: Dir Vt:rw:mdlung d!.'f Weh
rates dessen grundständig sprachliche Verfaßtheit unthcmatisien licß20 und dadurc.h dessen wesentlicher Charakter zumindest vorläufig un~ vollständig blieblI, ist Gegenstand zah.lreicher Klänmgcn zum Humboldrschen Sprachdenken,ll Neben dieser Übermacht, die im Kern knüpfung Humboldts :m di~ K;Ulusche Philorophit'~ Stellt Borsehr ~11s ein Nru1nfangen
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bei dem dar, WIlS für K.ml Rcsult.u des Reflektierens ",n, oder als eint zu neue., Einsich(en führendr Emfahung dieses ResuJuu" (Borschl', Sprarh'lnJicJmm, a.a.O•• S. 118). Darauf hat u.a. J. Lechncf in seinem Beitng ~Humboldts SprAchphilosophie und ihre subiektivir3Utheorctischrll Grundlagen". In: R2dermacher. H. U.J. (Iirsg.): RatiO/Mir MetaphYSIk_ Dir PhIlosophir von \'ff(JI{8img eMmer: SlUngö&r! 1990. S. 11·34 (Bd. 2), hier. S. 11.
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hingewicscn. Für l.cchner ~llIssen die Skizz.ierlen GrundgcdankC'11 Humboldu erkennen (Umst,. U. \'(~). dllß seine Spr;tchphilo.rophi(' nllch einer $uuicklivititslhC9rit' ,·erlangt. die z.wei Anforderungen zu erfüllen h:.at: si~ muß zum Ci'lCIi dil' K;tmischc Einsicht I.ur Gd· !'Ung bringen, d~ß diC' Gegt'nstände unsC'rer Erfahrung t'roouktt einer subiektiven Konsti· rUlionslC'istunl; sind: 7-um ;j.n
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I. Ariswldes und Humboldt: Königskinder philo$l)phisch?
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freiJich Richtiges thematisiert, müssen alle anderen Einflüsse entweder verblassen, zur MarginaJie abgewertet oder schlichtweg vergessen werden. 2J (2) Ein zweiter Zusammenhang für die Umgehung aristotelischen Denkcns in der Humboldt-Philologie wird sein. daß diese den semantischen Wald vor lauter lexikaJischen .Bäumen nicht mehr gesehen har. leh nenne diesen Zusammenhang Vermeidung durch Oberflutung. In dieser Perspektive wäre zumindest zu erklären, daß Termini wie Stoff, Form, Gestalt, Wesen, ,Kraft' usw. so ziemlich jede ErkJärungsvariante erfahren haben als eine genuin solche der aristotelischen Ontologi~ die doch durch diese Begrifflichkeit getragen wird und über die diese sieht man von einigen Vorläufern bei den Vorsokratikern einmal ab in die abendländische Geistesgeschichte eingedrungen ist. Dadurch ist bedingt. daß es ausgesprochen schwierig ist, zwischen sich und den zu bearbei'tenden ,Stoff' einen reflexivcn Abstand zu bringen, der die Bcgriffe mit. mehr erklären kann als mit dem, was diese unmittelbar selbst bez.cichnen und in welchen Formen sie im Text erscheinen. Die 'Begriffe müssen aber mit einem differenzierteren LnstTumentarium dargesleUt werden als dem ihrer semantisc.hen Oberfläche, die wiederum nur sich selbst erklären kano, was - wie das ,Energcia'-Beispic1 zeigtAnlaß zu zahlreichen Mißverständ.nissen gibt. Da es trotzdem im wesentlichen die Bedeurungsschichten der Begriffe selbst und ihr gegenseitiger Zusammenhang sind, die aus diesem Dilemma einen Ausweg weisen, liegt hierin der erste Gruod für eine archäologische Begriffsuntersuchung i.n einer Philologie der Kontrasticrung, in der die aristotelischen und humboldtschen Begriffe sich gegenseitig explizieren. nes Beitrages auf frühe Stationen dieser Klirungs\'crsuche (bc-i G. Sc.hluicr, R. I'h.ym und H. SteinthaI) hin. II Kennzeichnend für den def12..iI::iren $rlltw: der Kanrschcn Erkc:nntninheorie im Hinblick auf die Sprache iSl die Kritik J. G. Hamanos. der 178<4 in der Metakritik über drm Pu";smum der Vernlm{t die K2ont'sche nTrcnnung des Erkennrnisvermögens in die zwei St3mme von Sinnlichkeil und Versl.1ndJVernunft~ (HöHe, 0.: /mlllanlul K:mt, Müncht"n [3. AuO.] 1992, S. 283) verwirft und die ~genealogische PriQnt;at der Sprache~ beh:lupcet (zil. nach Höffe, KJIIIl, a.,LO., S. 284) und - d:lr.l.uf 2ufbauend - die Kritik Johann Göttfried Herden, für den cnt .in der Sprn~he (...) die Vernunh erwach(~ (cbd.). - Vgl. zur Bniehung Hamann - !\:uu (insbtsondcre '..ur Vernunftkritik als Sprachkritik. zum kanlischen Problem der gcmcinschafllichcn Wurul der beidrn Erkcnntni.ssdmmr und zur Sprache \\Is istheuschem und 10ijischem Vcrmögcn) auch Wohlhn, G.: Denken der Sprolche. Sprache und KII1l$t bei Vico, !LIman". UillI/boldr ,md }../tge/. Fn:iburg U.:l.. 1984. S. 119-166. - Zur Spn.chphilosophie l-Iam2onns und Herders vgl. Wdter, R.: Johann Gcorg Hamann (1730.. 1788,-. In: Dasc.a.I, M. U.:l.. (I-Irsg.): Spr4chphi/tuCJpIJlt'. Em lIIunMtiollfl/es /-/u"dbllch ze;cgtllössiulur For~ ~dJung. Bcrlin. Nt'w York Il)92. S. JJ9·Jü und Gaier, U.: .joh:l.nn Gou:fricd Herder (170441803t. In: Dasol. M. U.a.. (Hrsg.): Spr.uhphi/orophit. 2o.a.O., S. 3.0·362.
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Einleitung: Die V(rwandlung dt:r Wdt
(3) Natürlich fehlt bei manchen Analysen der Humboldt-Forschung nicht der obligatorische Hinweis auf Aris[Otcles, meistens aber gesichts/osu und systematisch ungenau, nur in isolierten Problemstellungen (auch hier ist die ,Energeia'-Rezeption ein gutes Beispid) oder als allgemeine Anspielung. Tatsächlich geht es bei der Relevanz aristotelischer Ontologie für Humboldt aber nicht um einz.e1ne Termini, sondern um einen umfassenden ontologischen Enrwurf. der nahezu vollständig übernommen wird. Ich nenne diesen Zusammenhang Ver-
meidung durch Fragmenlarisicnmg. (4) Die Anal)'se wird zeigen, daß die Omnipräsenz der Begriffe bei Humboldt mcht mit deren vermeintlichem AHgemeinhcitscharakter korrespondiert. und daher auch eine alleinige Rückführung dieser Termini auf einen in Humholdts Zeit gebräuchlichen Wisse.nschaftsjargon und damit eher konrurloscn Kontext zu kurz greift. Die unbestreitbare Tatsache, daß diese Termini im 18. und 19. Jahrhundert insofern idecngeschichdiches Allgemeingut bilden, als sie nicht nur in verschiede.nen theoretischen Entwürfen in jeweils ~pczi.fischcr Bcdeu[Ung verwendet werden (zu denken wäre beispielsweise an den KraftBegriff bei KantYs, sondern auch auf einer Ebene des allgemeinen Gebrauchs zum lexikalischen Alltagsrepenoirc werden, findet keine Entsprechung darin, daß diese Termini ebenso Humboldts Theorie nur verminelt über dritte Positionen erreichen bzw. von ihm aus der allgemeinen Diskussion adaptien werden und damit an systematischer und auch aristotelischer Schiirfe einbüßen. leh nenne diese Gefahr. die mit dcranigen VerallgcmeinC'rungstendcn2.Cn und -suategien verbunden iSt und die mit der Überschreitung der Grenzen der einzelnen theoretischen Entwürfe notwendig einhergeht, Vennl'idung
durch semantische G/obali.sierung. (5) Ein weiterer Vermeidungsgrund ist darin zu sueben, daß die Forschung relativ wenig darüber weiß, wann und wie intensiv sich Hurn· boldt eigentlich mit dem Griechen Aristotclcs, der aJs Philosoph für ihn eher uninteressant chien, beschäftigt hat, also wiederum Vewleidung, diesmal durch einen - das Geschichtliche als Fragestellung völ· lkuiCMt:nd iSI z.um Beispiel. daH in dC'r Forschung dlC' IdC'Ilismus-RC'uplion I-Iumboldu mit K"nt .m eine ~Slimmtl: PC'.f"$On gtknuph .....ird. wihrC'nd diC' t:M.nso wichtige Antil..C'· Rexqnion ther :allgt:mt'in t~m"IUlm wird. T}·pi.Kh (ur dlt'$t Vo,&ehclU""NC' iSI E. Spr.antu) Bcmukung. ~I-Iumboldl (...) hu sich ;an l.wei Geistesm:adutn gd>ikJ~t: :an den Grit'cht:n un
I. AnSIOtc::.les und Humboldt: Königskindl'r philosophisch?
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lig überbewC'nenden - HislOrismus. Das weitgehende Fehlen direkter und die offensichLÜche Ungenauigke.it indirekter Hinweise bedeutet aber geradC' nicht die Nicht·Rdevanz aristotelischen DC'nkens für Humboldts Bildungs- und Sprachkonzeption, sonde,rn z.eigt die Sclbstversündlichkeit, mit der der Idealist des 19. JahrhundertS dem antiken Denker verhaftet und systematisch verpflichtet war. Dies allerdings läßt sich durch philologische Analyse besser aufweisen als durch biographische Spurensuche. (6) Ein sehr wirkungsmächtiger Grund für die Umgehung aristotelischer Ontologie liegt in dem verständlichen Schauder aller "eueren Humboldt-Forschung gegenüber sprach theoretischen ReprisentationsmodeUcn. Hier ist und bleibt Aristoteles Stammvater eines Denkens, das uns heute - nach der kopernikanischen Wende' Kants - als verbraucht, naiv und zutiefst unkritisch erscheinen muß..u. AristoteIes bietet ,.die Grundfigur dieses sprachtheoretischen RepräsC'ncnionismus dC's abendländischen Sprachdenkens" v schJecbthin. Dabei bleibt er derjenige, der die objektive und normgebendC' Dingwelt ebenso behauptet wie den ,Or{;3non'-Charakter der Sprache. Dies macht sein Sprachdenken, das doch so vielseitig ist und in unterschiedlichsten Kontextcn differenziert durchgeführt wird, heute unerwünscht, obwohl nach der Kritik der Erkenntnis durch Kant und der Einsicht in die sprachliche Verfaßtheit aller Erkenntnis durch Humboldtl8 , den unterschiedlich schaaierten Neuformulierungen dieser Transformation von Erkenntnis- in Sprachtheoriel' und schließlich den eminenten anthro.:. Aus die$C'm Grund ... ird du ariSiotdische Repri5c:nt~tionsmodell hiufig \crwendet. um EnlwUrf~ döner gegen du HumboldlSche Moddl abz.ugrenzen. Dies IUt l.um Be;spid Scharf. indem er die \'on eh tluky prisernit'rtl" Umerscht'idung einer O~rnicht'n· von einer liefenstruktur der Sprac:M. dit: Grundl.lgc der .GTC· ~cin soll. nun endgültig ili ci· ne .moderne linguinische Transformation dcs Rt'prisemationsj;wankc:u$" (Scharf, Vtf"' j"hren, a.a.O., S. 101) c:ml3.J'V1. Dic:s gdingt ihM mit Ililfe der anslotdiKhl"n SprachkOnZl'plion, die er dafür folgendermaßen paraphrasiert: .In diesem dreistufigen Bcuiehnungs·MDJtll wird cin iilcntischc$ &in dt'f Dingt' durch homologe sprachunab· hängigc VONtcllunj;cn repmentiert (...), denen ihrerseits wiederum nur lautlich verschiedene: repriuntierende Notationen nachgeordnct sind...... (S. 99). Scharf stdlt daher f~l. daß Humboldts ..Kritik an der tr.l(litiondlen Rt'pr.·st'ntarionl-Auffusung Ari.nOldischcr Provenienz. eine grundüt7Jichc sprac.hphilosophUcM Umwcnung bcdt'ult:t" (5. 21).
:- Scharf. VnfahYt'n. :u.O.• S. 99. Zur Fragt', inwicwot die Ansitzc Humbotdu und 'It'rden eine Metakritik zur Krink du rcinC'n VC'rnun(t dantc:llm. siehe .luch Hceschm, D'l" SpY4C'hphI/OJOplll~, a",.O.• S. 27-45_ :" Vgl. dazu 1-1. SchnidcJbachs ..BcmC'rkungt'n über Rationalitil und Spr.IChc", nach den~n .luch ..du Prognmm r1llt':f ,Tr:uu:formalion der Philosophie' mir tnns:l.t'ndcnt~lpragmati· ~ Mitteln dazu nötigt (Umst., U.\V.). die Kritik der rcincn Vnnunfc durch Kritik der ,pnchlichen Vernunft zu enelun. Der Untersuchung der Sniingungen der Möglichkeil :lI
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EinleilUng: Die Verwandlung der Weil
pologisehen Konsequenzen im 20. Jahrhundert vielJeicht eine Phase gut täte, in der wir die möglichen Leistungen des erkenmniskonstituierenden und erkenmniskritischen SubjektS wicderum kritisch hinrerfragen, um es zumindcst teilweise von der Last alleiniger Verantwortung für alles im Erkannten ja auch immer weltlich Erprobte zu entlasten. In jedem Fall wird ArislOteies schnell zur unerwünschten Person, ebenso wie sich manche moderne Forschung in ihrem neu· zeitlichen Amirepräsemationismus nicht so sicher zu sein sc.heint, wie dies zunächst den Anschein hat.J 0 Daher sieht man sich zur ritualisierten Zelebration \'00 Kritik genötigt, weswegen ich diesen Zusammenhang VermeidmJg dJlrch rprachlheorerische Dallere:cekHrio11 nennen möchte. (7) Daß alle diese Vermeidungsz.usammenhänge cher unbcwußt geschahen und archäologische Erklirungskontextc 2.B. aristotelischer Provenienz eben nicht direkt bestrinen, sondern eher durch Unterlassung nicht erstritten wu.rden, z.eigt etwas über die permanente Unwissenschaftlichkeit genuin wissenschaftl.icher Verdrängungsprozesse. Man denke an die Fruchtbarmachung des kamischen Ansatzes für das Humboldtsche Sprachdenken. Wissenschafurheorerisch gesehen unterliegen solche lnregrationsprozesse fast zwangsläufig dem Problem, daß sie schn.ell vergessen sollen, gar nicht erSt erkennen können oder auch verdrängen müssen. daß auch das heute Selbstverständliche noch vor kurzer Zeit mindestens ebenso umslrinen war und erst in das gleichsam nun alltäglich erscheinende Repenoire einer Forschungsrichtung mühsam und mehr oder minder aufwendig intcgricn werden mußte. Der WahrheitSanspruch einer Forschungsbehaupt'ung muß per ddinitionem seine überzeitliche Gültigkeit beanspruchen und den
)Q
'·on Erkennlnis. dir 'Zugleich .als die B~ingung('n d('r Mi)glichkeit dt'r Erkerllunisgegc,,stindt' gtllen könnC'n. wird d,ann t'ine Analyse dC'f bei Kanl 'mlller schon .als C'ffulll unlU· 5ttlh.:n Bedingungen der Möglichkeit sprachlicher VC'rst;mdigung v\)fgeschahel: Erkenntniskritik wird durch Sinnkl'llik "'C'f'WIlSl~ndigt, ;:l .allcrt:rs1 em1Öglich,. n:lC'hdem die sinnkritischC' Skrpsis dC'frn traditionelle Grundlagen in Frage gesu:lh hallr. Genolu dies abft- transfonniC'n K.lnu reint' Vcrnunlt in sprachliche- Vernunft ..... (Schn:lddbat:h. H.: V<,rnu"ft ,md Grsch,chu. Frankfun .un Main 1987. S. 74). An diru:r Su:lJe- sei die Wissen~duft um cin vorl;iufiges, noch nih('r zu unu~rm:luerndC'S, Bckenmni.s erg..an:u: Auch der VC'rfusc:r h.1t begründetr Zweiftl "m der repnw:nUlioD.isl1~ Khen pr.lchkon'l.Cption,. wiC' Sir AristOll:ln I!'nnvicktlt. und sicht in Humbokh eil1eO drr be.sttn Kntlker und den tnt('n d.luerh.tfun ÜbcrwindC'r der Rcp~m;J.llOnSlhnJri~.Ahasclbsr f-Iumboldt ....,r sieh bek.lnndich so slch<'r SC'incr S..chC' zunich!'l ruchl. wir die" 0(fC'osichdichrn Diffw:nl.Cfl Lß. zwischen der Ahdemlcrtde 'on 1810 Ul:brr tUJ f)erg/~/
dJ,.nJ,. SprtlchJtltdll4m In 8~Zli'bNng auf J/C' vrrJcJllrJmrn I:."po<:hm Jrr SprachclJt'U:/cJrbmg und der K"u',-EmlC"ltung ubcr uhn JahrC" sp~tcr diC"s aufweisen. Zu Humboldu spra..::hIhroretischl'lll Rcifc-prozctl in diest'r untr;alen Frage siehC" Kap. 10.6.
I. Aristotcles und Humboldl: Königskinder philosophisch?
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komplizierten Weg seiner Erkundung und Positionierung möglichst zügig vergessen. leh nenne diesen wissensc.haftstheoretischen Gesichtspunkt. der heute für die Naturwissenschaften weitaus virulenter ist als für die Geistesv.'lsscnschaften. und der in einer Zeit der explosiven Erweiterung des Wissens enorm an Bedeutung gewonnen bal, Vf'Tmeidung durch reflexive Besitmungslosigkeil. (8) Gefährlich indes ist es, berechnend vcrändernde Wiederaufnahmen bereits bestehender .Positionen und Ansätze vorzunehmen, also den Eintritt in die Erinnerungsarbeit nach dem Wiederholungszwang zu wagen: Der. der das scheinbar Bekannte noch einmal anders sagt. indem CI' es in einen neuen Erklärungskontext (in diesem Fall den aristotelischen) stellt. sieht sich schnell dem Vorwurf der langwe.iligen Wiederholung, der Verzerrung des als unverrückbar Vermeinten, des banalen Abschreibens oder bestenfalls der Epigonalität ausgesetzt. Und dies, obwohl doch auch das scheinbar Selbstverständliche nicht nur immer noch Ergänzungen und Widersprüche oder sogar Rcvision durch ncukontextuicrende Wiederholungsarbeit erfahren kann, sondern es auch immer noch subtiler und differenzierter begründer werden kann. Trotzdem und gerade deswegen muß eine Neuinterpretation auch wirklich neue Aspekte ans Tageslicht bringen. Dafür muß aber die Vemleidung der Erinnerungsarbeit durch Angsl vor Wiederho/ungszwang (im Sinne de,r Angst, das Grundsätzliche noch einmal zu sagen und damit hinter sich lassen zu können) ebenso überwunden werden, wie die Leistung der Erinne.rung erst nach d('m Vergessen des Wiederholungszwanges beginnen kann. J ] Dem aristotelischen Fundament in Humboldts Sprachtheörie nachzugehen he.ißt de.mnach, sich gleich zwei Strategien der Humboldt-AriSloteles-Beschäftigung anzunehmen und zu stellen, der Scylla d('r globalen Unterlassung und der Charybdis der omnipräsenten Nichtbestreitung. )1
Mil P. Ricoeur k.lnn m
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Einldlung: Die Verw;lndlung der Weh
des Allcs-immer-schon-gekliirt-Habens. und zwisc.hen diesen hindurch einen Wr-g der Wiederaufnahme, Wiederhervorholung, NeukoJJlt'xwienmg, Ncuinterpretat;on und philologischen euentJeckung zu suchen: Humboldt-ArislOteles-Philologie soll dann semamische Differenzen und Dependenzen des ungeklä.rten Beziehungszusammenhangs Aristotelc$ und Humholdt durch archäologische Kontrastierung aufdecken, was nichts anderes heißt, als Humboldts ureigenstes Projekt der Suche, die ihn zur Em-deckung der Sprache führte, erneut aufzunehmen. Ein Projekt, bei dem die Originarilät des neuzeidichen Sprachtheoretikers nicht deswegen als beschädigt gelten wird, weil sein Denken das kulturelle Gedächtnis des Abendlandes allgemein und der antiken Philosophie aristotelischer Provenienz im besonderen in so eindrucksvoller Weise aufhebt, sondern indem es gerade dadurch seine Originalität gewinnt. J.J Orie11lienmgen: Vorläufige Erinnerung
Zur vorläufigen Erinnerung sollen zunächst zwei BeispieJe einer Humboldt-Aristoteles-Rezeption genannt werden. die vor allem in ihrem Bei· spielcharakter ernstgenommen werden sollen. D. Di Ccsarc hat bislang den entscheidenden und einzigen philologisch ausreichend gesrützten Versuch unternommen, die aristotelische Grundlage der Humboldtsc.hen Sprachphilosophie aufzuweisen. Ihre Studie "Die aristotel.ischc Herkunft der BcgriJfe fQYOV und tvtQYElo. in Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie;')l bildet in gewisser Hinsicht Ausgangspunkt und Anregung für die folgenden Überlegungen. Dies vor aJlem deswegen, weil Di Cesare zum ersten Mal einen glaubhaften und direkten Zusamme.nhang zwischen den beiden Denkern herstellt und theoretisch belegen kann. Der entscheidende Fortschritt, hin· ter den nicht zurückgegangen werden darf, ist. neben dem streng philologischen Vorgehen, vor allem die Identifizierung des Problems in seinem systematisch·theort"tischcn Charakter. Di Ces~rcs rhetorische Frage, ..ob man nicht fü.r die Sprachphilosophie Humboldrs neben der idealistischen. insbesondere kantischen, auch noch eine aristotelische Grundlage annehmen solhe"JJ, ist also nicht nu.r positiv zu bescheiden, die ge.nannte Fragestellung ist ~uch. so Di Cesare...... nichl so sehr in ideen- und wisscnschafugeschichdicher als in theoretischer Hinsichl wichtig" lot • Di Cnare• ..Du: arinotcli.tehc Iierkunfl". :1..:1..0. u Di Cnare. RDie .lnslole!isC'hc Herkunfl-. :1.,1,.0.. S. JO. ... Ebd.
JJ
I.
ArislolC~les
und Humboldl: Königskinder phiJosophi!Cll?
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Die eingangs aufgeworfene Frage also, inwieweit eine biographische Untersuchung zu Humholdcs Aristoteles-Lektüre erfolgversprechend wäre und ob sie normativen Charakter für eine weitreichende Behauptung aristotdisch-humholdtscher Zusammenhänge häuc. kann so zumindest relativien werden, wenn sie selbstverständlich auch nicht ausgeschlossen werden darf. Eine solche biographische Recherche ist - tron ihrer wichtigen Stützungsfunktion - eher illustrierendes Begleitmaterial für einen im Kern zutiefst theoretisch-systematischen Problemhorizont. Vor allem diese Einsicht und die in die Notwendigkeit von Klärungen der genuin aristotelischen Begrifflichkeit ist der Arbeit Di Cesares zu verdanken. Zudem verortet sie den .Energeia'-Begriff im Rahmen der omologischen Diskussion in der Melaphysik. JS Es wird sich noch zeigen, daß genau hier sein systematischer Ort ist.J6 Im Gegensatz daz.u steht eine andere, für den hiesigen Zusammenhang nicht unproblematische Variante.) Aristoteles zu Humboldt in Beziehungen z.u setzen, die hier ebenfalls kurz genannt werden sol1, weil sie in gewisser Weise exemplarisch ist für eine bestimmte Form der ProblemhearheiLUng. H. Mül1er-Sievers geht in seiner .Epigenesis" -Studiel', in der er ..die fundamentale Bedeutung des Übe.rgangs von präformationistischen zu epigenetischen Denk- und auch Handlungsmodellen in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunde.rts herausstellen und den Konsequenzen dieses epigenetischen Denkens in den sprachphilosophischen Schrihen Wilhelm von Humboldts nachgehen«Ja will. sich also mit der Naturphilosophie in Humboldts Sprachdenken befaßt, davon aus, vor aBem über .. ~ Vgl. Di Cesare... Dit: ...ristotdiscne Herkunft.., 01.2.0.• S. J4 ff. ~ Di uu~s Studie Ul duiibt:r hinaus abtr ~uch in den weiteren grundl~enden Punklen zutreUend, e~IKßL det grundsländigen Problemzunmmenh...ng und wirft - UUI eigenu Ausuge - erst einm...J .die Fr;age- n.lch der aristOtelischen Grundlage HumboldlSchen Sprachdenkens prinupicll ",ufo 111 Einulpunkten ist die SlUdie wi~erum niehl dirferenzien genug und neigt daher 2U Problelltverkürzullgen vor Jllem dann. wltnn neben ,Ergon' und ,Energri...' die weitere aristOldi$Chc BcgrirAichkeit, t"lwa ,stoff' und .Form·, ins Blickfeld kommt. Andererseits sind auch manche Erwdterungen nicht unproblem.atiSl:h.:lo 1-H. die Anwendung der .dynJmis'-.enel);cia··RclJtion auf die verschiedenen Ebenen der Spn· che. Vor allem jedoch wird der telltral(' Gerl.lnke nicht weit genug \'erfolgl. Vidmrhr un· ternimmt Di CesiI,n- ihr Projekt .selbsl\'entindlich ohne zu Yenprechen, .luf di~en weni. gen Seiten eiot erscböpfende odrr endgültige Anfwon -z.u geben· (Di Cenre: ..Die wtotcllsche Herkunft-. u_O., S. 30). Auch diCS(: 5rudie wird den Anspruch c::iner solcher Antwon k:.aum einlösen können., die Wi~tt2u(lUhme der Problemnik dienl vielmehr der Intensivierung und Weiierelllwicklun~ des von Di Cente AngC:Sloßenen. Siehe duu auch K;J;p. 605 und Kap. 10J. » Müller·Sieven. H.: Epigenem. Nldlftphi/owpbi~ im prllchJerrJun WiJht-lm von Hlfm-
ho/du_ P.lderbom U•.l. 1993. ~
Muller-Sievers,
E,igm~
.&..&.0.• S. 10.
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Einle;tung:
Di~
Vt>rwa.ndlullg der Welt
die epigenetische Diskussion des spaten 18. und frühen 19. Jahrhunderts vermittelt habe Humboldt aristotelische Ontologie kennengc1crnt und in sein Sprachdenken integriert. J " Zwar gest'cht Müller-Sievers ein, daß Humboldt AriSloteles-Leser war, cr bezieht diese Lektüre aber wesentlich auf die im epigenetischen Komext relevante Schrift Dt! generatione an;malium 4o• die er im Gegensatz zu ",dem recht esoterischen Zusammenhang der Metaphysik"'·l als ehe.r "praktisches Werk"·l klassifiziert und aus dem - nach Müller-Sievcrs' Aussage - Humboldt seine aristorelischen Begriffe ..wahrscheinlich"·J übernommen habe. Diese AllSicht muß. da sie himer die eindeutige Problemqualifizierung und auch die Textarbeit bei Di Cesare zurückgeht, schon insofern als problematisch angesehen werden, als Müller-Sievcrs' lnterpretation nun zwar (s)eine Problem- und Bcgriffsdcucung zuläßt.. in der primär der ..Geschlcchtsunlcrschied zum Paradigma der gesamten Anthropologic"·H wird, diesc Auslegung jedoch das Humboldtsche Theoriegerüsl nur sehr ausschniuhafl crklären kann. Vielmehr iSI anzunehmen und auch philologisch aufzuweisen, daß Humboldt auch als d,rekIer Rezipient von ArislOtcles' ,lheoretischen' Schriflcn zu gehen hat.. und der von Müller-Sievers konstatierte narurphilosophische Diskussionszusammenhang zwar ebenfalls für Humboldt bedeul5:un ist, für d.ie originäre Aristoteles-Rezeption Humboldts jedoch, die auf den theoretischen Kern der Ontologie abzielt, "Uenfalls die ,Begleitmusik' imonien;fS Damit geht auch die sprachphilosophjsch-systcmatische Relevanz der aristotelischen Motive in Humboldts Sprachdenken weit über die Geschlechterproblematik hinaus - wenn sie diese überhaupt im Kern ausmacht. So ist es in einer genuin omologischcn Perspektive auch abwegig, ausgerechnet im naturphilosophischen Zusammenhang eine Initialzündung für das ,Energeia'-Diktum zu sehen%, das im aristotelischen lind humboldlschen Kontcxt theoretischer kaum sein kann. Damit ist nicht bestrinen, daß Naturphilosophie, Ontologie und auch handlungstheoretische Aspekte bei Aristoteles stark ineinandergr('ifen, sich theorerisch und terminologisch überlappen und integriert verwendet werden. Trolzdem zeigen gerade die spezifischen Zusammenhänge bei AriSlOIClcs und HumVgl Müllcr-Sic-vCTS. Eptgt'''cuJ" ·u.O.•. 23-52. ~ Müll,.,r-Slcvers, EpJgmt'JU-. a..a.O.• S. H. U Miillcr- iC\·crs. EpJgrPfNJS, .u..O., .25. Anm. 35. I: Müller- irtcrs. Eplgcrtrm. tbd. d Miillcr.Sit'Vd's. Ep;gmt's;l. ebd. .. Müller-Sic'·ers. EplgrncslS. a.:I.O.• S. 18. •~ Siche d.nu iluch K..tp.6.6 Ur, Vgl. Miillcr·Sie\·crs, /:.·ptgencm, u.O., S..N.
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2. Humboldu E.ntdeckung
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holdr genau, in welchem systematischen Kontext die Begriffe jeweiJs gehandelt werden. Eine zeirweilige starke Präsenz naturphilosophischer Deutungsmuster ist dabei ebenso auffällig, wie eine Rückführung aller Begriffe und Denkmwter auf sie schon aus theoretischen Gründen fehlgehL Müller-Sievers wirft allerdings indirekt ein Problem erneut auf (und triigt auch zu dessen Klärung bei), inwieweit nämlich Humboldts originäre Aristoteles-Rezeption als biographisches Problem kJärbar ist. welche (unbestreitbaren) Einflüsse dem unminelbaren wissenschaftshistorischen Kontext, in diesem Fall der epigenetischen Diskussion des 18. und 19. Jahrhunderts, zuzurechnen sind und welchen Stellenwert demnach die Identifikation des Problems als theoretisch und der Unrcrsuchungsmethodik als philologisch letztlich haben kann. Einen ersten Hinweis auf die KJärung dieser Zusammenhänge bietet Humboldt selbst in seinem sprachontologischen Verdikt, das sich als ein Ergebnis seiner Eßt-deckung aristotelischer Ontologie fast zwangsläufig freilegt.
2. Humboldts Entdeckung 2./ Humboldts Vokabel: Lock",de Versuchung Wie attraktiv, gefährdet und selbstverständlich verwendet das eingangs zitierte ,Energeia'-Diktum als vermeintlicher ..Hauptsatz Humboldts über die Sprache (Umst. U.W.r'·' weiterhin in, ze.igt auch die neuere sprachwissenschaftliche Forschung. Es folgen einige kurze Schlaglich(er locken· der Versuchung, die zeigen können, was eine einzelne Vokabel auszulösen im Stande ist. Vollkommen vergegenständlicht und damit seiner ontologischen Fundierung in Gänze entleert begegnet sie unvermittelt in Glossaren als instrumentalisierter und vermeintlich schnell operationalisicrbarer Begriff zum Zweck der Bildung eincr anwendbaren ,Umcrsuchungskategoric'. So nimmt beispielsweise G. Wolf( in .. Deutsche Sprachgeschichte"· s den Begriff ,Energeia' auf, stellt ihn utilitär neben ,Affixe', ,Monophthonglerung' und ,Parataxc' und bietet eine ebenso knappe wie gebrauchsfertige Definition an: "Ausdruck zur Kennzeichnung des dynamischen Charakters Riede:!, M.: Hijrrn tjM! Jj~ Spr4ciH. D,r "hoanulirclH Dimension Jn' HnmmeMtlJe. frankfun ~m ~bln 1990. S. 52 . • Wolff. G.: fJeutscM Spr4chg~sd"chtt. Ern SIMJIC7Ibluh. TiibinKen u.a. 199•. U
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Einleitullg: Die Verw:alldlung der Weh
der Sprache bei W. v. Humboldt (,energetische Sprachauffassung·)"'''~. In dieser Definition wird die Entwicklung einer Isolierung und Entleerung des Begriffs zur beliebigen und stets einsatzbereiten Vokabel auf die Spitze getrieben, indem seine theoretische Kontexluierung komplett aufgegeben und er als Überschrift zu einer ungenauen Beschre,ibung genutzt wird, dje wiederum ihren Kontext in einer positivistischen Nomenklatur sucht. Der Begriff wird so zum verfügbaren Instrumclll eines wissenschaftlichen Alhagsrcpcftoires und erhält damit ausgerechnet die Vergegenständlichung, die durc.h die lmplantation seines theoretischen Gehalts in die Sprachauffassung gerade verhinden werden soll. Möglich und genützt werden solche Reduzierungen allerdings auch durch die neuerc Humboldt-Forschung, die hier - wohl eher ungewolltBrücken anbietet. Während Di Cesare - die begriffliche Tradition aufnehmend - noch von der "energetischen Form der Sprache" 50 ba.ndelt, spricht Scharf bereits von .. Humboldts energenerischer ldemitätsidee der Sprache usl • Hier wird ein typisches Problem der Humboldt-Rezcption erkennbar: Obwohl beide Forschungsneologismen einen interessanten, richtigen und auch zentralen Gedanken vorführen. der geeignet ist, den Kern Humboldtscher Sprachtheorie zu identifizieren, überanstrengen solche isolierten terminologischen Charakterisierungen letztlich den bereits als unspckukulär demaskierten SaLZ, indem sie in einem Begriff das Gepräge einer ganzen Theorie zu kondensieren suchen. Ein Blick auf die Textpassage, in der der Begriff gebraucht wird, kann deudich machen. warum schon dies eine Überlastung des Begriffes darstellt.
2.2 Humboldts Verdikt: Grundlegende Einsichten Humboldt verwendet - eigentlich alle Möglichkeiten zu jedweder noch so reizvoll anmutenden triumphalistischen Wissenschaftsmetaphysik nehmend - den ,Energeia'-Begriff in seinen Schriften nur einmal und zwarziemlich sachlich und durch Klammern gekennzeichner52 - in der eingangs ziticnen TextsteIle, die sich in seinem sprachtheoretischen Haupl~y
Wolff, Sprachgr$roichlt. a.1I.0.• S, 180. so Di Ccs.ue. D,: _Wilhdm von Humboldt (1767-1835)"'. In; Barsche. T. (Hng.);
KJallik~r
drrSpr.uhpJJiJosophlt!. Von P!aton bis Noam Cho1mky. München 1996.5.275.289. hit':r. 5. 28... 51
Sdurl. Vt!rfahrt!n, a,a,O., S, 105,
~l Auf dic T:lIsache.. daß durch Humboldts Klamme~tzungk('in~fllJls angezt!igt iSI, d... ß I:S
sich hier Itdiglich um eint .beiläuflge BCOlcrkung- handele (wie 2..8. R. Jahn dies beh:luplet), macht auch L. 10st aufmerk.um (vgl. lost. Spracht! ab Wt'rk Hntl wt',kt'nJ,. Kraft,
:1.:1.0.• S. 37).
1. Humboldu Entdeckung
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text Ueber die Verschiedenheit des memcb/ichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengescb/echtes findet. Humboldt formulien hier - in seinem Spärwerk von 1830-35 - die Summe seine.r Überlegungen zur Spr.lchtheorie. Die Texrste:lle, als längere Passage zitie~ mach.t den Rahmen der Argumentation ebenso deutlich wie die: Gefährdungen, die sich bei der Interpretation ergeben können: .. Dit Spnche. in ihrtm wirklichcn Wesen aufgcfassl, ist nwas ~(indig und in jedem Augenblickt Vorü~rgchendes. Selbst ihrt Erh.aJnmg durch die Schrift ist immer nur eine unvollständige,. mumienanigc Aufbewahrung, die es doch erst wieder bedarf, dass man dabei den lebendigen Vortrag zu versinnlichen sucht. Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thitigkeit (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genclische sern. Sic ist nemlich die: sich ewig wiederholende Arbeit des GeiSICS, den articulinen Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig 7..U machen. Unmindbar und streng genommen, in dies die Ddinition des jedesmalige.n Sprechens; aber im wahren und wesentlichen Sinne kann man auch nur gleichurn die Toulität dieses Sprcc.hens als die Sprache ansehen"' (VU 45/46).
An keiner anderen Stelle sagt Humboldt so deutlich und wiederholt, weIche Qualität seine Cba.raktcrisierung der Sprache als ,Tätigkeit' hat. Es geht nicht um ein methodisches Problem der Sprachunrersuchung bzw. des Handelns über den Gegenstand Sprache, es geht - zumindest zunächst - auch nicht explizit um das Erscheinen der Sprache. denn Humboldt fügt bewußt erneut das Subjekt ein, um den Leser an den zentralen Begriff zu erinnern: ..Sie (die Sprache. U.W.) ist nemlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes ..... (VlI 46). Humboldt kommentiert also weiter seine Auffassung der Sprache, er kommentiert nicht (ein ebenso häufiger wie verführerischer Fehler der Rez.eption), was sein.er Ansicht nach ,Energeia' meint. Bezüglich der Sprache geht es nun um diese selbst in ihrem West'n aufgefaßt. Der ,Energeia'-Begriff - a.ls wesen$[hematisierender Kommentar verstanden - signalisiert zunächst, daß das hier entwickelte Sprachverständnis auf die umfassendste und gleichermaßen distinkteste Bestimmung aller möglichen Bestimmungen vom Wesen der Sprache zielt. Diese hier zu findende Unmißverständ.ljchkeit ebenso wie der breitgefaßte Gegenstands- und Ge.ltungsanspruch ist für Humboldt keine Selbstverständlichkeit. Damit ist die fundamentale Frage angesprochen und auch beantwortet, ob die.Wesens' -Charakterisierung hier Wesen als zentrale ontologische Kategorie einer prinzipiellen Seinsverfaßtheit meint oder ob CLn reduz.ierter WesensbegriIf im Sinne eines Gegensatzes von Allgemeinem und Konkretem vorliegt, mithin das ,Energeia'-Diktum also bereits innerhalb einer Reduktionsmodifikation des Sprachbegriffes inventarisien werden
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Einleitung: Die Verw~lIdlung der Weh
kann und damit wahjweisc auf das ,Innere' des Sprnchbegriffes oder auf die menschliche Rede im Sinne des jedesmaligen Sprcchens zielt. Beide letztgenannten Reduktionsvariamcn sind jedoch - für sich genommen defizitär. In Wahrheit überkreuze.n sich in Humholdts Sprachbegriffsklärung mehrere Aspekte einer umfassenden Wesensdefinition. Scharf erkennt djcse Problematik zmreffend in bezug auf die Sprachtheorie gleichermaßen wie auf die Norwendigkeit der dan.us resultierenden Rezeption: .Der 3mbivalcnten spnchlheoretischen Produktionspcrs~ktive - der SlClen Verbindung (und gdcgentlichen Vermischung) von spnchlichen Erschei· nungs- und Wesens-Momenten - sollte eine interpretierende Rezeptionsh.all'ung emsprechcn. dir bc.absichtigt, syncmatische Problemaspc.kte und Konsequenz.en des häufig stillschweigenden und impliz.iten Humboldtschen Changierens zwisc.hen den Ebenen des Wesens und der Erscheinung der Sprache, ihrer Ofl verdr-ektcn Differenz und unthematisienen Dependenz of· fen zu legen und zu crörtcrn"~).
Wenn hier in der Entgegenserzung von ,Wescns'- und Erscheinungsmerkmalen der Wesensbegriff zunächSt kontrastiv erläuten wird, so kann dies letztlich nur modell haft und vorläufig geschehen. Ein grundständiges Auseinanderdividieren dieser beiden Perspektiven ist - wenn man Humboldt gerecht werden will - nicht nur nicht möglich, das .Energeia'-Dikturn ist gerade die verbindende Klammer zwischen den Perspektiven des inneren ,Wesens' und der äußeren Erscheinung. In diesem Sinne ist diese Wesensdefinition der Sprache auf heide Perspektiven gerichret und faßt diese zu einer ganzheitlichen Sprachauffassung zusamrnen.!t4 Ein erneuter Blick auf Scharts Kommentar des Problems zeigt, wie diese ganzheitliche Sprachtluffassung, in der eine ..inhaltliche Problemkolllinuirät" SS besteht, weiter zu verstchen ist. Er beleuchtet die Charaktcrisi('rung der Sprache 31s ,Energeia', wenn er die sprachtheoretische Perspektive nicht nur als ambivalelll beschreibt, sondern gleichzeitig den MotOr der Synthes(' der beiden Blickwinkel von ,Wesens'- und Erscheinungsmerkmalen benennt: die Perspektive der Produktioll. Genau diese " 5.::h,trf. H.-W.: _Differeo7. und Dependenz: \'(Toen und Erscheinung in
Humbaldl~
Spn.chIdee-. In: (den.): Wr/h.-lm t/tm f!JunholJu SflTlr.chdenke1l, (Spnprmol/ zlfm HO. Todest"gJ Essen 1~8~.S, 125·161. hier. S. 128. ~ Dies heißt wiederum nichl. d,tß mlon dlC$e bt:iden Aspekle dCt prlo('hbcu
2. Humboldu Enldcckung
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Perspektive meint Humboldt, wenn er die Sprache als Tätigkeit. als ,Energeia', charakterisien und damit die unterschiedlichen Aspekte in diesem KristalJisacionspunkt zusammenbindet, der ..der Rekonstruktion der ldencität von Verlautbarung und Gedankenbildung"}6 dient. Die Ambivalenz zwischen Erscheinungs- und Wese.nsmerkmalen der Sprache darf daher auch nicht a15 eine ganz andere Ambivalenz inrerpreoen werden, die Humboldt hie,r ausdrücklich nicht meint und die wie selbstverständlich rezipiert wurde: eine doppelte Perspektive der Sprache als ,.Ergon' und ,Energeia', Zwar legt der eingeschobene Satz "Selbst ihre Erhaltung durch die Schrift ist immer nur eine unvollständige, mumienanigc Aufbewahrung, die es doch erst wieder bedarf, dass man dabei den lebendigen Vortrag zu versinnlichen sucht" (Ueber dit VeTschJ'edenheit, VU 45/46) eine solche Interpretation nahe. Diese Aufbewahrung ist jedoch wiederum auf den ,Encrgeia'·Charakter bezogen und hat keinen eigenen ontologischen Status, er exiStiert nur um des ,Energeia'-Charakters willen. Humboldt sagt deutlich wie an kaum einer anderen Stelle, daß hier nicht nur die Wesensdefinition der Sprache gemeint ist, sondern daß eben diese Sprache immer schon ihr Wesen selbst istY Sich des begriHstheoretisch-ontologischen Problems durchaus bewußt, beham er auf dieser Perspektive - unter satzlogischem Ausschluß einer Definition der Sprache als ,Ergon' -, indem e.r seine Bchauptung durch ..in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst" (Vn 45) und ..sie selbst" (VII 46) und "ihre wahre Definition" (VB 46) und ..im wahren und wesentlichen Sinne" (Vli 46) deutlich unterstreicht. Humboldts Definition ist in Wahrheit ein Verdikt. und dies fällt eindeutig aus: Sprache in ,Energeia\ sonst ist sie eben nicht (sie selbst). Die von Scharf zutreffend beobachtcte doppelte Perspektive der Sprache als Erscheinung und ,Wesen' hat also keine Entsprechung in einer Parallelisierung einer gleichsam doppelten Pcrspektive der Sprachbeu-3chtung als ,Ergon' und ,Energeia', Dies mag auf den ersten Blick als systematisch wenig bemerkenswert erscheinen. Die Beobachtung ist jedoch deswegen wichtig, weil die hier durchgeführte Kritik durch das Begriffsraster des Aristoteles eindeutig gestützt wird und den Blick auf Humboldts Kontextuierung ebenso entscheidend wie aufschlußreich verschiebt. So ist an seiner einleitenden Bemerkung in dem hier zitierten zentralen Absatz, es gehe um "die Sprache, in ihre.m wirklichen Wesen aufgefasst"' (V1I 45), nicht so sehr der Begriff des Wesens i.nleress~t, sondern der der hier als Atuibut versteckten Kategorie des Wirklichen. Es geht Humboldt nicht um irgendeine Wes. Vgl. h,uf. Vrrf.hrm, .u.O.. S. 168. ~7 Sl
EinlrituJll>: Die Verwandlung der Weh
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sensdefinition, in der das Adjektiv ,wirklich' nur eine gleichsam verstärkende und insistierende Funktion härte. Es geht, so kann man sagen, Humboldr nicht so sehr um das wirkliche Wesen der Sprache.:als vielmehr um deren wesenhafte Wirklichkeit. Hier nun erklärt der aristorclische Begriff ,Energeia'. die ,Wirklichkeit', wie diese Wirklichkeit gemeint ist: als ontologische Relation zum Begriff der Mögl.ichkeit. ein BegriHspaar, in dem die Wirklichkeit c,indcutig den Primat hat. Der Primat der tvEQYEtCl vor dem ontologischen Prinzip der l)\JvCt~lLS ist aber nicht nur eine 2rgumcntarive Schwcrpunktsetz.ung, die Sekundäres auf den zweiten Platz verweise Primat meint vielmehr, daß alles andere erst in der tvtQYl'.lO und ihren Schattierungen wirksam wird. Das erwähntC Problem der Rczeption der Humboldtsc.ben Gegenüberstellung von IErgon' und .Energe.ia· ist nun, daß l-lumboldt hier eine Theorie des Wesens der Sprache und des Handelns entwickelt, deren gewählte begriffliche Gegenüberstellung Aristoteles nur in ganz bestimmten Kontexten für möglich und z.utreffend hält. Dieser stellt EQYOV und lVEQYElU - zumindest in ontologischen Argumentationen - nicht in kontradiktorischer Form gegeneinander, sondern behauptet ein komplexes Entstchungsmu5Cer des einen aus dem anderen. An di,eser Stelle reicht die vorläufige Feststellung. daß der logisch-konstruierte Gegensatz Humboldr.s zwar insgesamt eine onlologische ßt'haupumg darstellt, aber in der verwendeten Begrifflichkcit keinen ontologischen Gegensar-z kontrastien. ,Ergon' kann daher weder als Terminus für die Sprache als Schrift bzw. für deren Status der ,Nichdebendigkeit' taugen, noch hat Humholdt hier - im Gegensatz zu der massenhaft verwendeten und eine solche Verdächtigung als Gewißheit unterstellenden Etikertierung des Diktums als ,.Ergon-Ene.rgeiaDefinit"ion"s8 - eine doppelte Identifizierung und Differenzierung des Sprachbegriffs vorgesehen. Dies ist vielmehr gleichermaßen selbsterfundenes Zerrbild und Selbstläufer der Rezeptionsgeschic.hte, deren AristOteles-fernen Leicht-Sinn Humboldt nicht antizipieren mochte.
2.3 Humboldts Projekt: Reuende Verwandlung leh fasse die bisherigen Beobachtungen zusammen und bündele sie in einer These: Die aristotelische Ontologie bildet den Rahmen, bietet Begriffe und systematisch auch eine Grundlage für Humboldrs Sprachtheorie. Wie kein anderer systematischer Emwurf ist er nicht nur, wie der Kantisehe, [heoretisch zentral, sondern in Motiven und Begriffen omnipräsent·. In der ontologischen Systematik sind sich Humboldt und Aristoteles day Scharf.
V~rf4hren,
1.;,.0.. S, 168.
3, ErinnerungsStr:IlI.,'git"n
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her ausgesprochen nah, in der Sprachtheorie unendlich fern. Humboldt übernimmt d.ie aristotelische Ontologie und transformiert sie in eine Welt der Sprache. Wie mit Humboldt endgültig das Zeitalter der Repräsentati· on zu Ende geht, ist damit auch das Ende der objektiven Dingwelt des Aristoteles markiert. Die Welt der objektiven Wirklichkeit gehl auf in eine Welt der Sprache. Humboldt konstituiert diese Weh der Sprache genau so, wie AristoteIes die Welt de.r objektiven Wirklichkeit sieht und analysiert. Beide verwenden die gleiche omologische Statik, beide bewegen ihre Weh nach den gleichen Prinzipien, bcide unterliegen ähnJichen Begrenzungen wie sie Emgrenzungen suchen, um den Wirkungskreis ihres Entwurfes auszudehnen. Humboldt erfindet am Ende der Welt diese in der Sprache gleichsam neu und transformiert damit die grundlegende ontologische Tradition des Abendlandes in einen bislang ungenutzten und für die Neuzeit tragfähigen Konstitutions- und Legitimationszusammenhang: ..Nur so gelingt' die Verwandlung der Weh in Sprache, ... (Ueber deli Dllalis, VI 28). Man muß darüber spekulieren, was geschehen wäre, wenn Humboldts Verwandlungsstrategie, die eben durch die Aufdeckung des aristotelischen Welrverständ.nisses sowohl ihre Initialzündung als auch ihr theoretisches Fundament erhält, gescheitert oder unterblieben wäre - unentdeckt bzw. unverstanden geblieben ist sie ohnehin lange genug. Wie ich gezeigt habe, ist die"Verwandlung der Welt in Sprache u (VI 28) eine Form ontologischer Konrinuitärssicherung. Ohne diese epistemische Metamorphose a.ls rettendes Unterfangen eines sich zum zentralen Problem der Gegenwart hin entgrenzenden Sprachverständnisses wäre der ontologische Entwurf aristotelischer Provenienz im Subjektivismus der Neuzeit verstummt. Humboldrs philosophiegeschichdich herausragende Leistung liegt gerade darin begründet, diese Bestandssicherung gleichsam im ,Handumdrehen' vollzogen zu haben, ohne das eigene Projekt zu gefährden: seine Entdeckung der Sprache gelingt gerade durch die Zwangsläufigkeit der Erinnerung, die die Transformation der Weh in Sprache erzwingt. U
3. Erinnerungsstrategien Humboldts Projekt kann auch als großartiges Projekt der Erinnerung bezeichnet und verstanden werden~q: Transformation und Erinnerung sind ,. Vgl. dazu auch Wittgcnslt"ins fordernde Einsichl aw dt"n Phi/oJQpbiJchen Untt:muhullgell: .Oie' Arbt"il des Philosophc::.n 151 cin Zusammc:ntngt"n yon Erinnt"nJngt"n z.u t"inem be-
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Einleitung: Oil" VerwUldlung dC'r Welt
die einander bedingenden Pnnzipien, kontrastive Archäologie ist das Verfahren, das diese Bedingungen aufdeckt. Die vorliegende Studie zur Aris[Qteles-Humboldt-Bezichung wird Humboldts Vorhaben daher mit folgender Strategie nachzeichnen:
Nach dieser. die These von Humboldts Welrvcrwandlung vorstellenden, Einleitung wird zunächst in Rekonstruktionen Humboldls dem allgemeinen Forschungsstand zu seiner Sprachtheorie nachgegangen und darau.f aufbauend - werden die theoretischen Voraussc[Zunge.n entwickelt, unter denen die folgende Untersuchung bzw. ihr Verfahren aufschlußreich sein kann (Kap. 1-3). Im Anschluß an diese Theoriedebarrc, die auch legitimationsdebatte ist, steht Humboldts Gediichtnis Zur breiten Diskussion an, das - die theoretischen Ausführungen zu Foucaults ,Archäologie des Wissens' und Assmanns ,Kulturellem Gedächtnis' hier bereits in Rechnung stellend - eine Spannbreite von Humboldts AntikeVerständnis über seine eigene Aristoteles-Lektüre und Kenntnis bis hin zur ,Energeia'-Adaption des 19. und 20. Jahrhunderts umfaßt (Kap. 4-6). Das in d.iesem zweiten Teil Erkundete thematisiert den ganzen Weg Humboldts in sein Sprachprojekt - und gleichsam auch den Weg der Rezeption aus diesem heraus. Im dritten Teil Ordnung der Wirklichkeit (Kap. 7-9) wird dann -durch ein erinnerndes Intermezzo zum Verlauf der Untersuchung präludiertArisrotclcs' Ontologie als originäres Gültigkeitsfeld einer Ordmmg der Wirklichkeit all hand der zentraJen Motivik ausgewiesen. Drei Perspektiven stützen diese Arbeit am Text, indem sie zunächst nach dem phiJologisehen und theoretischen Terrain fragen, in dem Aristoteles Ontologie betreibt, und dann die Begrifflichkeit erschließen, die die Identifizierung und Demonstration eines weitgehend kohärenten Begriffs von Wirklichkeit möglich macht. Im darauf folgenden vierten Teil zur Ordnung der Sprache (Kap. 10-12) kann das so Gewonnene schließlich als Folie benutzt werden, um Humboldts Transformation des aristotelischen WirkIjchkeitsenlwurfes in eine neuzeitliche Theorie der Sprache aufzudecken. Dies geschieht anhand eben dieser Sprachtheorie, die auf dem Hintergrund aristotelischer Ontologie in den systematischen Horizonten Aufklärung, Format und Verwandlung neu gelesen werden kann. In Folge solcher Kennzeichnung sprachlicher Wirklichkeit und zum Abschluß der Studie wird - deren systematischen Kontext in einem Nachwort zu Humboldts Weh um anthropologisch-hermeneutische und geschichtstheorctische Reflexionen ergänzend - zunächst der Problematik slimmten Zweck" (Wingc.nslcin. L: Phl/Qsoplmchc Untus14cJlImgrn. Frankfurt am Main [6. Aufl.] 1989.1=ln: Wcrkausj;:;lbc in 8 ß~nden . .Bd. I. S. 225-618]. hier: S. J03).
3. E.rinncrungs$tr.lIegicn
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des Verstehens und dann der Aufgabe des Humholdtsche.n Sprachschreibers nachgegangen: Humboldts Weg in eine Weh der Sprache findet sich in sprachlich begriffener Geschichte wieder. Beide Hinsichten bilden den Auftakt zu einem Fazit, das nicht nur in einer sprachtheoretisch fundierten Konkretisierung des Genesis-Begriffes im Horizont des ,Energeia'Diktums reüssien. sondern das den Humboldtschen Sprachwirklichkeitsentwurf erst in den Betrachtungsweisen einer Sprache als Schock und als Schöpfung hinreichend beschrieben sieht.
Erster Teil:
Rekonstruktionen Humboldts Das Verfahren, das zur theoretischen Rekonstruktion der AriscotelesHumboldt-Bezichung angewandt werden soll. kann im Hinblick auf seinen methodologischen Charakter als Kontrastive Arcbäologie bez.eichnet werden. Das Moment der Kontrastivität bezieht sich dabei auf die Vergleichs- und Anschlußbedingungen zweier unterschicdl.ichcr theoretischer Enrwürfe im Kontext ihrer Erinnerung, der Terminus ,Archäologie' signalisiert, daß hier nicht traditionelle Begriffsgeschichtc im Vordergrund steht, sondern die Freilegung der Fundjerungen und Strukturen, in denen jeweils die unterschiedlichen theoretischen Formationen organisiert sind. Beide Verfahrensbedingungen sollen in diesem Abschnitt transparent und so bestimmt werden, daß sie in den darauffolgenden Teilen der Untersuchung operationalisierbar sind. Um aber den On, die Struktur und den Raum eines solchen Verfahrens in der Humboldt-Forschung auszumessen und zu bestimmen, ist es zucrS( notwendig, die bisherige Rekonstruktionsubeit zur HumboldtSchen Sprachtheorie zu skizzieren. Dies erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden die als zentral geltenden Theoreme des Humboldtschen Sprachdenkens in einer systematischen Darstellung konzentriert. Eine rezeprionsgeschichtJ;che Skizze soll dann die ,Verfahren' der Humboldt-Forschung selbst als Teil der Rezeption versteh bar, transparent und damit kritisierbar machen. Anschließend wird die bis daro retrospektive Zielrichtung der Rekonstruktionsanalyse gewendet. Zwei für die Humboldt-Forschung bislang weitgehend ungenutzte theoretische Ansätze werden zu Rate gezogen, um den Blick auf das Humboldrsche Sprachdenken prospektiv zu erweitern und um zu klären. auf welche Verfahrensuchitektur Kontrastive Archäologie konkret a.bzielt.
1. Humboldts Theorie: Stützende Argumente Die in der Einleitung beschriebenen Kennzeichen zum omologischen Charakter des ,Energeia< -Begriffs finden bereits ihre erste Bestätigung, ihre StÜtzung, ihre Analogien und ihre Legitimationen, wenn man den Blick auf das gesamte argumentative Netzwerk richtet, das Humboldt zur Begründung seiner Sprachtheorie anlegt und das um mehrere theoretische Zentren kreist. I In dem inhaltlich zentralen und theoretisch besonders dichten Text der Kawi-E;nl~itungwerden diese Zentren deutlich. Sie werden im folgenden ,Theoreme' genannt, ohne daß der Terminw ,Lehrsatz' hier mit dem Char:lkter der Formelhaftigkeit, der Ahgeschlossenheit oder der Unbeweglichkeit positivistisch beschwert werden 5011.2 Vielmehr soll er dab~ assistieren, immer wieder auftauchende Sammlungs- und Kristallisationspunkte z.u identifizieren, die dje manchmal verstreut wirkenden und zentrifugal auseinander stiebenden Argumente konzentrieren, ausrichten und in einem hermeneutischen Koordinatensystem so anordnen, daß sie als Ner.zwtrk rriüzender A.rgumenreJ das - ohne Zweifel vorhandene - on· t
I
J
Vgl. in diesem Zunmmenmng auch 1.. Josu .1l1zu schwungvoll~ Bemerkung, Humboldts Denkeu verlaufe ~&IOc.hnm spinlförmig. In bald ,rogen, bald w~t~n Schwingungen krNt es um cine ide.1l~ Achse, durchstößt sie gdq;l"ntlich., umspidt. umschlingt sie, um dun wieder weit aushole.nd und mit c.meut~r Schwungkraft die Mine rodIich zu lfc.ffc.n- U05t. L.: Sprach~ ..1J Werk lind wirk~nJc Kr4r. Ei" 8citrllg zlIrCcw,ichtc lind Kmik J~r wugctlsch~n Sprachallf!tusllng S~il "'ilh~/m von HMmbolJt. Ikm 1%0. S. 26). Vgl. hierzu auch die Verw~ndung des Theorern·~iffs ~iJigl"r. L: ~Ferdinand de Saussures historisch-hcrrnc.ncuUschc. Idee der Spn.che. Ein Plidoyc.r für die Rekonstruktion des S:lussurescht:n Denkt:ns in seiner autht:ntisch~n Gesult-. In: Li'lguiftik ,,"d Didaktik. 7.Jg. (1976), S. 210-2..... Die Verfahrensweise der Identifizierung c:in6 Netzwerkes S1ützeOOcr Argumetlle in Hurn+ boldu Sprachtheorie stellt jedoch das gen.1ue G~enleil der Behauplung eines in sich geschlossenen theore.tiscb-dogmatiKhcn Systems dar. Es ist D. Di Ccure zuzustimmen, wenn sie rcsUlellc ..Für du Versuoonis seines (Humboldts. U. W.) Denkens ~ein es sich deslulb als unnün und sogar hinderlich, JUch den inne~n G~ eines Sysl~ml zu suchen. wie es im F.11J der professiondlcn Phil05opbc::n des Idc.1lismus unulißlkh ist· (Di Ccsa.re•• Einlc.irung", a.LO., S. 21). - och ~nen Schriu weiter gebt Trab.1nt in ~nc::r Chauktmstik, wenn c.r fenstdlt. d.1S ~HumboldlSChe Sprachwisscnschaft {_);lI1so gcncle nichl Linguistik der Mac:ht, der GcsC1:zmißigkeil. WiSKI\SCh:Jt der (...) Zwangnysleme (ist, V.W.). l-IumboldLSChe Linguistik iSI .1bcr .luch nicht jenes Austreten .1US der WlSscnschaft. wie es Banhe.s' Semiologir. vorsicht. die sich .selbst als Teil der Lilen.(ur ;lIuSc::rh;lllb
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Erster Teil: Rckonscruklionen Humboldu
gi,närc sprachtheorcrische Gerüst Humboldts hervortreten und begriffljch erkennen lassen. Die folgende Darstellung ist daher sowohl aus methodischen Gründen wie aus solchen, die aus dem Charakter der Humboldtsehen Sprachtheorie selbst hervorgehen, ebenso übcrblicksoricntien wie in Einz.e1frage.n unvollständig. Sie will helfen, die Fülle von Humboldts sprach theoretischen Anregungen zu bündeln und zu ordnen und für den weiteren Gang der Untersuchung verfügbar zu machen. Humboldt - hier im Kontext der Frage, wie im Vergleichenden Sprachsludium über die reincn lexikalischen und grammatischen Elemente und Schemata hinaus an diesen die GeisleskraIt der Nationen erkennbar werden kann - selbst zu diesem ehen nicht nur methodisch gemeinten, sondern auf die Formulierung eines wissenschaftStheoretischen Grundprinz.ips z.ielenden Verfahren; .. Dies erfordert noch ein eignes Aufsuchen der gemeinschaftlichen Quellen der einz.elnen Eigenthümlichkeiten, das Zusammenziehen der zerstremcn Züge in das Bild eines organischen Ganz.en" (V11 45)"
~
des Diskurses der Wi~nschaft sll~lIt; humbolduchC' Linguistik ist vor .l1lC'm Studium - um d.ls huehtr:lbc.ndt' und V\C'! unnougt' DiskUS5ion huvorrufcndc WO" •Wu~nsdtafl' %u nr· meidC'n - St"d".m der S/fbvtTfu;m oJl!r gar der Auj1rhn/fng (Gt·tiJ-lIil) geg/!" dIe S,Jteme, deren Macht nicht gdro&net wird und diC' gtt'.ldC' de.dulb InlC'nsiv zu studit'fC'n sind" (frabant. A~Jiotes. u.O.. S. 103-1(4). Auf die Norwcndigkcit, Humboldu Werk C..) als org.lni~hes Ganz~ zu \·C'~lehcn. wit .luf die T.llS:ache, d:aß Humböldl ein solches VcrSländnis Klbst tlnlJagt. weist auch 'f. Borsehe hin (\·gl. Borsehe. SpmduwndJten, a.a.O.. S. 40). - Stcinthal bemerkt dnu in seinC.'ßl Vorwon zu Die sprllChphilosophistht'll Wukt \ViJhtlm'l VOll H/fmvoldt: "Mall wird jetzt nicht lTIC'hr m~nen dürfen. I'L~ Werk sei bloß cin~ Sammlung aphoristischer Aussprikhe über sprachphilosophisehe Punkte, schoner Sc.ntenun, die man als um J() gcdllnkenreicher prtlSt, als sie rocht 'Zu benimmtem DenkC'n zwingffl, sondun nur di~ beslm GC'dwen j~e.s LC'SC'rs anregen. und Mi denen sich eMn alles SchörM' und WUtre denken lasst. ohM dass es danuf ankim~ genau zou wiuc.n. wu H. dabei gedachi hat und d:abci von jcdC.'l'1l Lc:scr gedicht wissen ""olhe. C...) Es muss gC'r«hle5 Suunen erregrn. Wlc in diesem Mann~ a.I1~ Gedank~. auf wdchem Gebiete auch diese sich bewegen. und in wie "'C'it aus nnandrrlicgC'nden Zeiu'n sie auch ausgcspr()(;hcn scin mögen. C'incn fest geschlouencn Zunmmco:nhang ZC'igen- (StC'inth.ll. Di~ sp"dchphilowJlhudwl Wtrkt, :1.:1.0.• S. J). - WC'1che UndlS\lnsicherheil gu~dezu z.w:angsläufig c:nlSlchcn muß, wird HumoolJu org.lnisches bz..... intt.'gric::nc:s Erkennuusintco:rc:sse nicht mit tben c:inen! solchen enchlosJen. dnon legl V. Thomscns Humboldt-Br...enung. dit' zwis<:hen B~ndC'rung und Nicht'\'efStrhen gd'angen bleibt. ZC'Ugnis ab: .Und doch. 1f0l.7. alln Am:rkellnung (._) und aller ßC'wunderung für die gC'nialC' Gcchnkmarbeit. die uns bei ihm entgegentritt, kann mlln sich - TU(.hdem nun n mit Muht vt'f'SUChl hai. sich durch seinc Sprachphilosophie durchZuarbeiten - vom rein sprach...weruchmlichen Standpunkte aus des Eindruckes nicht tnI\'ehrc.n von ctWU. w:u dn mehr cmpuischen Sprac.lu.uffusung unSC'~r ganz.en ZC'it so wunderlich fcm liegt, ...on so viel Abstraktem und Unwirkli· chem, bisweilen geradrz.u MystlschC'lIl. dass es C':inem schwC'rfilh, die Bedeutung sdnC'r ArbcitC':n jct'Lt "'011 zu würdigen oder selbst nur den Einfluß zu ...entehen. den sit ;auf die Entwicklung dC'r Sprachwissenschaft .lusgeübt haben sollC'n" (ThomsC'n. V.: G~Il'IJI(:J,tC' dt'T Spr~dYoJ)jJJ~"scha{t bis Zkm .~kJ8Ilng dl!t 19. Jahrhlmdt'TtJ. HallC' [SaalC'J 1927. S. 63-6-4).
I. Humboldts Theorie:
StÜlZ~nde
Argumente
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1.1 Das Sprache-Erkennmis-Theorem Das zentrale und heute auch am weitesten rezipierte Theorem ist das Sprache-Erkenntnis-Theorem. J In ihm stellt Humboldt die Frage (und beanrwonet sie bereits durch seine Art der Fragestellung), in welcher Form wir die Welt erkennen k.önnen bzw. wie die ihr inhärenten Gegenstände unterschiedlichster ontologischer Provenienz konstituiert werden. Humboldt ist der erste Sprachtheoretiker der Neuzeit, der in radikaler Weise nicht nur die sprachliche Verfaßtheit der Welt behauptet, sondern diese Welt erst in der sprachlichen Konstituierung als erstellt bzw. begriffen lind erst damit als verstanden und kommuniziert lokalisiert. Humboldt gewinnt diese grundleg'ende Einsicht aus der Erkenntnis, daß, ..wenn wir Intcllectualität und Sprache trennen, (...) eine solche Scheidung in der Wahrheit nicht" (VII 42) existiert. Da aber die geistigen Prozesse notwen~
Zum Sprad,~·Erk~lImms·TJu:orf'm vgl. HaJlno...... O. P.: ~ Wilhdm VOll Humboldts prach. philosophic". In: Zt!irKhn[t {lir DtMIJdJ~ BilJ,mg, 14. Jg. (19J8), S. 102-112. hier: . 102~ lOS, 109. - Borschc. NMmboldt, 2.10.0.• . 1'404-149.150-152. - BorKhc. prarhJr7Hit:hun. :10.:10.0.• S. 207-115. - Oi Cesare. ~Einlcilung", u.O~ S. 31·J6. 78·85. 97. - Oi Ceurc. • Wilhelm "on Humboldt", u.O.• S. 279-281. - Gippcr. H.: .Spnochc und Denken in der Sicht Wilhdm "on HumbuldlS". In: I-Iobcrg, R, {Hrsg.};. Sp"Achr Mild B,/J.mg. Bmriigr ZIIIm IJO. ToJl'ltAg WiJhelm von Hlllmholdu. D.armstadt 1987. . 5J·85. - H~sl~r. G.: .Dic Th~· S~ der Spr1oChl'"cl..ui",iläl dd Dcnkcm In der Aufklärung und be Wilhdm "on Humbold,". In: Welke. K.. (Hrsg.): Sprachr - BM.I.'IIIptJ
lJ"-
Erster Teil: Rekon.'ilruklionen Humboldu
46
digc VorauSSetZung des Erkennens sind und dieser Vorgang ohne die Sprache nicht denkbar iS(. ist die .Sprache (...) das bildende Organ des Gedanken" (VIl 53). Damit wiederum ist über die Gegenstände der Welt
eine entscheidende Aussage
gemach~
denn nicht allein der kategoriale
Charakter des transzendentalen Apparates kann Erkenntnis garantieren, sondern nur sprachlich vemßte ..subjecrive Thätigkeit bildet im Denken ein Object" (VII 55).' Der Kanti.:mer Humholdt erweitert aber den Begriff der Transzendcntalität des Kärugsberger Philosophen mit dem sprachlichen Aspekt um ein weiteres entscheidendes Merkmal. und zwar um Begriff und Charakter des Geschicht(jchen. Dieses Geschichtliche ist uns durch das Sprachliche des transzendentalen Apparates omnipräsent. Humboldt kommt so zur gedanklichen Einheit einer sinnlich fundierten Transzendemaliliit, in· dem sein Spr4cbe-Erkenmnis-Theorcm zunächst, an die menschliche Re~ de und den NationenbegriH gebunden, Kanu Kategoricngerusl zu einem transzendentalen Ensemble empirischer Grammatiken als Voraussetzung aller menschlichen Erkenntnis erweirert.T Durch die Koppelung von Erkenntnis und Sprache ist es dann :tuch legitim) von einer .. historisierten Transzcndentalität~S zu sprechen. Diese aber ist eben systematisch nicht zufällig, sondern konsequentes Ergebnis von .Humbold.ts Analytik"'J. und stellt gleichsam die ..temporale Liquidierung des Kanuschen Kategorienkonzeptes"'o dar.
1.2 Das Gegenstand-Sprache-Theorem Mit der Einsicht in die sprachJiche Verfaßtheit der Erkenntnis - also ..daß Denken bei sich selbst nicht' bei sich selbst, sondern bei der Sprache ist" 11_ ist ein weiteres Humboldt'Schcs Theorem verbunden) das sowohJ aus dem ersten resultiert als auch den argumentativen Boden für dieses bereitet: •
Di~
.1nlhropolöl;is.:he Kl)nscquenz. dicser crkcnntnislhceorclischcn Einsicht hu B. Lic· brucks folgcndermaßc.n skiu.icn.: .. Allcs. was der MC'mch Icbt. fühlt. IUt. denkt. gestalltl. yollbringt er spr.tChlich~ (Licbruck.s. Spra~hr Hlld BtV:kfilS~1II /2/. u.O., S. 21). Und: .Es gibt schlechterdings nichts fur dC:Il Menschc:n, was nicht schon durch kinc Spnchc gc.g;m· gen ist~ (5. 82). 1 Vgl. dnu .luch Bor.schc.,Spr.uhanuchlt'n. a.... 0 .• 5.107 (f. • Schuf. VrrfahrOl• .:1..:1.0.. S. 200. • Ebd. I~ Sch.uf. Vrrfahwl. La.O.• S. 177. 11 Liebrucks. Spr..cht' lind Brollllßut'1n (1)• .1.a.O.. S. 2S7.
1.l-Iumboldl$111('Orie: Slützcnde Argumenw
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das Gegenstand-Sprache-Theorem. 12 Dieses 1.weite Theorem darf trotz seiner systematischen Nähe nicht mit dem erSten verwechselt werden und hat wissenschaftsgeschichtlich eine eigene Stellung. Humboldt ste.lIt sich in bisher nicht gekannter Radikalität die Frage, was die Sprache ist, und zwar .. in ihrem wirk.lichen Wesen aufgefasst" (VII 45). Ich habe in der vorläufigen Sichtung von Humboldrs Verdikt bereits die Aufmerksamkeit vom Terminus ,Wesen' auf den der ,Wirklichkeit' gelenkt. Nun kann auch noch das Possessivpronomen ncht"ig gedeutet werden. Bei der ldcmifizierung des Gegenstandes der Sprachuntersuchung geht es um die Sprache selbst so, daß ihr eigenes Wesen untersucht wird und im Mittelpunkt des Interesses steht. Da.m.it ist nicht nur der repräsentationistischen OrganonIdee eine Absage erteilt, sondern auch jedweder Sprachtheorie, die Sprachuntersuchung nur aus Gründen der Klärung eines irgendwie strukturierten und gewichteten Beziehungszusammenhangs zwischen Welt und Sprache thematisiert. Die Sprache, auf der philosophischen Bühne erst Organon, dann ancilla philosophiae und im (Herdersehen) Übergang zur (Humboldrschen) Sprachtbcoric lJ gleichsam Groupie von ErkenntnisU
Zum Cegmsl.mJ·Sprache· Tbeorem vgl. Bondzio, w.; ~Sprllcht: als Arbeil des Geistes·. In; Welke, Sprache - lJ/:'WußtSi'in - Tätigkeit, ".3.0.• S. 105-116. - Barsche, Humboldl, u.O" S. 136-144. 162-163. - Gicl, K.: ,.Die Sprache im Denken Wilhclm von Humboldls~. In; Zl!Itsdmfl für Padagogik. 13. Jg. (I %7), S. 201-2\9. hier: S. 211-21 ,t - Jägcr. L.: ~Aspckte der Spr:lI:.ht.h('or;(' Wilhelm von HumboldlS", In: Schad, SpracJulrllkcn, 11."1.0., S. 163·179. - Jäger, L.: .. Die Spradllheorie. Willlellll von HumbQldLS". In: Wimmer, R. (Hrsg.); Sprachtl,,~orie.
Dtr Spmchlugriffin \'e'isset/schaft und Alltag. Jahrlluch /986 deI l"still/tl für Jeutrehe Sprache. Düssddorf 1987. S. 175·190. - Liehrucks. ~Humholdt$ Ein$ichl~ . ".a.O., S. ll-H. - Liebrucks. Sprache lind Bcwl(ßuein (1), u.O., S. 82-162. - Mudlcr-Vollmcr, • VOn der Poct,ik zur Linguistik". :1..11.0., 5.224·240. - Scharf, Vrrfahrcn, a.:Io.O.• S. 15-24. - Tr...• b:l.nl, J.: .Idcclll." Bezeichnung. 51cinthals HUll1botdl-Krilik~. In; F.schbaeh, A. und Tn.· bant, J. (Hrsg.); /-littory ofSemiotics. Amsu:rd,1m, Philaddphi:1 1983. S. 251-276. - Trabanl, Traditlo',rn HumbolJu. :1..:1..0.. S. 4)·47. - Di Ceso1r~ ...Wilhclm \Ion I-Iumboldl~. :\.;1.0.• S. I)
278. Zur Einheil VOll Spr:l.che und Denken in der Entwicklungslinie H:l.mann, Hcrder und I-Iumboldl, ...gl. auch Welke, ~Zur phihlSOphischclI und spn.ehlhcareuschell Bcgründung". :1.•.1.0., S. 9·67. hiC'r: S. 41-53. Wt'!kc zeigl hie.r, dllß .Humboldrs spr:l.chphilosophischc Konzeplion (...) ihrem Inhall nach eine Fonscl"zung Herdcrseher und damll auch 1-1:1mJJ1/1scher Gl--dankellgingc" (So 42) ist. Dies betont auch Heeschcn: .Ob Humboldl in der Tndition H,1manl1s und Herders SIcht, .sollte n:tch den ...ielen EinnußwlleNuchungen keiner fr.tgc mehr bedürfen; sie ist positi\' cnl$Chicden~ (HcC$chcn, Dic Sprachphi/o$opIJie, :1,.:1..0., S. 17). - Zum Verhältnis Herder·l-lumboldl vgl. auch Helfer, M.: MHeroer. Fichll."• .Ind Hurnboldl$ ,Thinking ,1nd Sp.:-aking·....u.O. - E. Fiesd SIe!h in die.sem Zusammenhang - im Hinblil;k auf dt"n Terrnillus ,Medium' nicht ganz. unproblematisch - fest: ..Mil ihm (Humboldt. U.W.) t"ndel der Wcg. den Hc.rdcr Ixgann, den Rom:l.l\uk fonserZ!c, und dessen Ziel die Erkcnntnis des GeislC5 durch du Medium der Spr.tche wu M(Ficsd, E.: Die Spr..dlphi/osoplllt' Jer deurse/um Roma1ltik. Tübingcn 1927. S. 215).
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EnaerTeil: Rekonstruktionen Humboldls
theorie und Anthropologie l ", rückt nun selbst nicht nur ins Zentrum der philosophie-historischen Auseinandersetzung, sie nimmt diese in Gänze ein und die bisherigen Gegenstände in sich auf, weil sie das bisher ab eindeutig geglaubte Verständnis eben dieser Gegenstände durch die Einsicht
in deren sprachliche Verfaßtheit fundament.1 erschüttert, diesen damit aber auch die Chance zu einer Reorganisation und Neuformulierung gibt: ..Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich, jol. da Empfinden und Handlen in ihm von seinen Vorstellungen abhingen. sogar aus· schliesslich so, wie die Spn.che sie ihm zufühn" (VB 60).
Dieser Pcrspektivcnwcchscl, der die Sprache ins Zentrum rückt und sie zum Thema und ihre Reflexion zur BedLllgung aUer weiteren philosophi. sehen Auseinandersetzung macht, ist Humboldts originäre Leisrung l5 : Er identifiziert den problematischen Gegenstand der Neuzeit schJechthin. I<
I)
Ditser .s:tloppe Anglizismus ~('i hit"r erlaubl, weil dt"r utinismus "II1CiIJ:I' die ZUspi17.uni; des Spr.lchproblems im 17. und IS. JahrhundC'M nur M:llr eingcschriinkl C'xpliziercll bnn. AI~ Group;(' wird bUI Duden-Definition cin (weiblicher) Fan \'crsundcn, dt'r imm('r wie· der venucht, in möglichst Cllgcn KOnl'Jkt mit der von ihm bewunderten I'('rson zu kom· men, Di~ beschrC'ibt die .sprachphilosophIe' bis Humboldt in zum.ffender Wei~t'. Vgl. duu auch A. Kdlt'r, der dJ.rJuf hinweist. daß ~erst mil dem Ende des 18. Jahrhun· dt'MS, seit Herder und Humboldt ('.{W;}, ( •••) das Inu::rcssc an der Sprache selbst her...or (-Irin, U. W.). du schließlich für dIe Philosophie heute henimrmnd gewordom ist" (Kdlcr, A.: Spr4chphi/owphlL München 11., bcarb. Auß.) 1989, S. 1"-15). - Vgl. in dlC~sem Zusammenh2ng auch T. Borsche zur "Aufgabe einer philosOphis.cht:n Rcßö:ion .tu( die Wahrheit des Sprechens gegenübu dt:r VergegeMtiodlichung der Sprache in dC'r Wi ensch.t.ft~ (...); .Ausdrücklich ....ohl entmal~ von Ham~nn angesprocht:n (...). dann \'on Herder brCIlc:r .tusgeführt (...), wird sie bei Wilhdm von Humboldl schlicßlkh zum zemralt:n Tht:ma. I)urdl ihn sie eine ente und umfa.sSt'nde Geslaltung erhalten· (Borschc, Spr..cha,uuh· '('n, .t.;&,.0.. S. 350-36). - Mil der tdenlifi:r.ierung dt:,. Spr.tc.he .tls untralt:m GegelUt:.lnd durch Humboldl ist jedoch weder verbunden, daß dieser d.tmit auch bereits d;ls ganze En· semble dt:r spnchtlu:oretischt'n Möglichkeitt"n J.u(wcist, noch d:lj~ Humboldt das ht:uli~e Instrull1eOlJ.rium kritiklos akl,eptiercn würde. Deutlich werden bnn dies am Begriff des Zeichens. J. Trab;lll! führl duu :l.US: ~Humboldts Denken über die- Spr1chc. emhah einen ausdrücklichen ,:lnti~cmiotisChen' ZUi;' der wdcndidl isl für d:l'J Verständnis Humboldts. HumbolJt ~lbst SCIZI n:imlie.h immt'r wit'der die Spr.tche gcgen du ,Zeichen' ~b, d.h, er wendel sich ausdrücklich da~~&C'n, die Sprache - oder da~ Wort - als Zeichen :tu verSIt"· hen" (frab;tn" ~Steimh;lls Humbold,-Kritik", .u.O.. 5.153). HumbQldu krilisc:hc Sidu des Zeichenbq;riffs wendet )kh laut Trabant ...or allem .gegen t'int: miQuk der Spnche, wie er (Humboldt. U.W) Sie nit der Antike bis zur Gr-genwan:tls nai...e - Humboldt l.lgt, sie Ki dan Mtnse.hen .ß.llürlich' - hcrrscbn1de Lchre vorfindet~ (S.l5-4). So greift die Prob/emiH-tcbr~bkng Schmiutrs zu kun. (und ist im Ergebni g.tr falsch), wenn diCSt'.r einwendet, .d.tß Humboldt zwar an ...iden Stellen ,"on .üichen". ,SehrirI7.eichen'. ,Lautzcichen', ,Spnch1.eichcn', ,gumnuuKhcn Zeichen', .zeichen des Zeichens', , )'$um ,'on Zeichen' us...•. spricht. abn weder eint' in $ich geschlolScne und s)'stcmatische Zcichentheorie entwickelt. noch irgendwo C'ine prizise De:finilion Kind Zelchenbq;riUs gegd>en
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I. HumboldUl Theoric: StülZcnde Argumente
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1.3 Das Ebene-AnaJyse-Theorem Der bereits beim Sprache-Erkenntnis-Theorem verwendete Begriff der whistorisierenden Transzendentalität"'6 weist auf ein weiteres systematisches Zentrum hin, das mit dem Begriff Ebene-Analyse· Theorem gek.ennz.eichnet werden sollY Je nachdem, auf welcher Ebene Humboldt den Sprach begriff jeweils ansiedelt bzw. angesiedelt sieht, so unterschiedlich fällt auch die spezifIsche Analysestrategie aus. Für ihn gibt es prinzipiell erst einmal keinen Aspekt der Sprache, der nicht identifizierbar oder untersuchbar wäre. Wird einer der Aspekte ausgeschlossen, dann geschieht dies nur als Konsequenz theoretischer Klärung innerhalb des Gesamtkonzepts der Sprachtheorie. 18 Eine Reduzierung durch Funktionalisierung des Sprachbegriffes, wie sie i.n den Bezeichnungen der heutigen ,Beschreibungsebenen der deutschen Sprache' erkennbar wird, wäre für ihn nicht nur undenkbar, seine Definition der verschiedenen Ebenen der Sprache liegt vielmehr quer zu solchen Schablonen. Alle verschiedenen Aspekte der Beschreibung der Sprache sind jeweils in unterschiedlicher Prägung und Intensität an allen ,Ebenen' erkennbar, wiewohl unterschiedliche ,Sprachbegriffe' jeweils u.nterschiedliche wissenschaftliche Tätigkeit verlangen. Besonders deutlich wird dies nicht nur bei der zweigleisigen Thematisierung von Wesens- und Erscheinungsmerkmalen der Sprache, auf die bcreilS hingewiesen wurde, sondern - auf Humboldts Forderung von Intimität zwischen Untersuchungsstrategie und Gegenstand gründend - vor hal~
(Schmiuer... Ein tr.msscmiotisch~ Modell". a.a.O.• S. JI2). Gmauer f~t dagegen Tnbam diese Problem:.uik in: E/~m~"u an Srmiotik. Tübingen U.a. 1996. S. JO. M, 109-111. Trabam macht hier lU dcutlich. daß Humboldts SpracbbcgnH sende g~g("l dcn arislotelischen Z~ichl'n~riH insofcrn .ugumentien. als sich in den Zc:ichel1bcgriffcn Humboldts und Arislotdes zwar die Tc:rmll1i ;m engcren Sinne übe:ruppcn. die diesbezüglichen Mndelle der Spu.chauHusung jedoch vollkummen kontrir sind (vgl. S. 106·107). ,I> Scharf. Verfahren, a.a.O.• S. 200. 17 Zum Ebl'n~-Alla/}'St-Thtoren1 \'gl. Bollnow, ..Humboldu Spr:lc.hphill)sopbie~. \u.O., S, 105-107. - Borsche. Hllmboidl• ......0., S. 154-155. - Di Ces;lre, ~Einlcilung~. -a.a.O., S. 51-56. - Di Cesare. ~Wilhdm von Humboldl", a.a.O., S. 281-282. - Gadamcr. H.-G.: W.h,hrü Imd Mrthodt. GrHndziigr rinrr pbilolfJpbilcbrn HrrmenrHlilt. Tübingen (6. Aun.) 1990. S. «J. - Licbruclu, SprMhr Hnd 8~Hßtfein (2). u.O., S. 33-34. 43.-46. 114, 221-225. - Tnbam,J.: .. Nachwon~, In: Humboldt. Wilhdm voo: OberJie Sprache: Rrdrn vor dn AltadnnlL Hrsg. lind ltommentwrt lind mit einrm N.ubwon wrwbrn von Jiirgrn rTlCb.nL Tübingen 1991. S. 2QO.217. hier: S. 211-213. iehe duu l-B. Humbokhs zurückhaltende .Klinlng' der Spnchursprungsfragc (vgl. Tnbant, J.: • Wilhdm \'on HumboldL Jenseits der Grin.uinir~. In: Gessinger. J. und von dcn.. W. [Hng.l: TlmJrien iim den UrsJ'"lng JrT Sp.ehr {1 Bdr.}. Ikrlin, I e..- Von 1989.
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s. '89·522~
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Erster Teil: Rekonstruktionen Humboldu
allem bei den drei Ebenen der Sprachuntersuchung. Humholdts lnteresse gilt zunächst der Sprache hzw. einem Begriff yon ihr, wie ich ihn heim Gegensrand-Sprache- Theorem geschiJdcrt habe, also der Sprache als Spracbe seihst auf der Ebene ihrer Wesensdefinition (Ehene I). Aber dieses wissenschaftshistonsch revolutionäre Erkenntnisimeresse ist bereits Ergebnis weitreichender wissenschaftssystematischer Verknüpfungsleisrungen. So sieht Humboldt zunächst die Sprache eines jeden einzelnen als Ebene der Sprache (Ebene 2), ohne diese jedoch von den anderen Sprach· ebenen zu isolieren: .Die Rückwirkung des Einzelnen auf die Sprache wird einJeuchtendcr. wenn man, was zur scharfen Bt'griinzung der Begrifft' nicht ft'hlen darf, bt'denkt. da.~s die Individualität einer Spracht' (wit' man das Worl gewöhnlich nimmt) auch nur vergleichungsweise eine solche u>t, dass ::.ber die wahre Individualität nur in dem jedesmal Sprechenden liegt. Erst im Individuum erhält die Sprache ihre lelzle Bestimmtheit" (VU 64).
Sprache gründet also tief in einem humanistischen Verständnis der Individualität, die Humboldt als unhimergchbare anthropologische Grundkonstante behauptet l9 und dit' - wie sich zeigen wird - ebenfalls ihre aristotelische Fundierung nicht leugnen kann. Aber selbst hier, im Kontext dieser zentralen, ja axiomatischen Kategorie der Individualität, wird das Argument nicht isoliert angeführt. sondern in seine Rückwirkungen auf andere Sprachcbenen b!'dacht und auf diese bezogen. Humboldt zielt hier nun auf die drine Ebene der Sprachthematisierung: auf die (Ebene 3) der Nation, denn die ..Geistcscigenthümlichkeit und die Sprachgcstahung eines Volkes stehen in solcher Innigkeit der Verschmelzung in einander, dass, wenn die eine gegeben wäre, die andre müsste vollständig aus ihr abgeleitet werden können'" (VII 42). War die individuelle Sprachebene nicht nur auf die menschlich" Rede insgesamt gerichtet, sondern stellt das jedesmalige individuelle Sprechen sowohl eine Stabilisierung aJs auch eine dauernde Korrektur bzw. Modifikation der Sprache als überindividuelles Geschehen dar 20, so iSt die Sprache der Nationen an die Entwicklung ih" Vgl. Di CCS:lrC, • WiJhclm von HumbClldl", .1;.1.0., S. 176. - Wie für I-Iumboldl ,,"urgrund der Bindung des 1mhropologischen Proiekts.m die Spr:ache das Postubt d
I. l-IumboldlS Theorie: Stütu.nde Argumente
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res nationalen Geistes gebunden. Humboldt folgert dann zu Recht, daß jede Identitätsbehauptung immer auch in der Differenz gründet, denn "der Bau der Sprachen im Menschengeschlechte (ist, V.W.) darum und insofern verschieden (...), weil und als es die Geisteseigenthümlichkeit der Nationen selbst ist" (VlI 43). Das Theorem der Ebenen impliziert also bereits die Versc,hiedenheiten, in denen für die sprachtheoretische Akkreditierung einer besonders bedeutsamen Sprachebene, die die anderen hegemonisiert, ebensowenig Platz bleibt wie für eine ganz bestimmte Sprache einer Nation, die prinzipiell den anderen überlegen sein könnte. 21 Humboldt braucht und gebraucht alle Ebenen für sein ganzheitlich angelegtes sprach theoretisches Projekt, das auch nur in dieser Vielschichtigkeit immer wieder neue, uoabgeschlossene Erkenntnisse, Zurücknahmen und Konturierungen ermöglicht. So kann Humboldt einerseits behaupten, daß sich die Sprache ..über das Gebiet der Erscheinungen hinaus in ein ideales Wesen" verliert (VII 42). Andererseits schränkt er ein, erscheine in dieser Definition die Sprache "als ein durch die Wissenschaft gebildetes Abstractum. Es würde aber durchaus unrichtig seyn, sie auch an sich bloss als ein solches daseynloses Gedankenwesen anzusehen. In der That ist sie vielmehr der durchaus individuelle Drang, vermittelt dessen eine Nation dem Gedanken und der Empfindung Geltung in der Sprache verschafft" (VIl 47). Auch und gerade in den Zwischenräumen dieses Changierens zwischen den Ebenen entsteht Humboldts Theorie, deren komplexe Argumentationen niemals durch lsolation einzelner Behauptungen andere, aktuell ausgeblendete Phänomene bzw. Aspekte im Stich lassen. So ist eine Antwort auf die Fragesrellung, ob Humboldt mehr am Wesen der Sprache oder an konkreten Sprachuntersuchungen interessiert war, müßig, weil dieser sich diese Frage in sölch disjunktiver Förm gar nicht geslC!lt hätte. Vielmehr kennzeichnet B. Liebrucks das Problem z.utreffend, wenn er feststellt: "Die schmale Grenze, auf der sich die Darstellung Allgemeine im Besondere.n c.:cistiert_ Ihm geht es d,uüber hinaus um einen wcsensmißigcn Untemhiw. Spreche.n iu, sooft es geübt wird, ein schöpferisches g... istiges Tun" (Pätsi:h, G.: .. Humboldt und die Sprachwissenschaft In: Hutke, W. und Maskolat, 1-1. [Hrsg.]: \T/ilhe/m "Von H ymbo/dt J767-/967. l:,'rbe - Gegenwart - Zykynft. Beiträge 'Vorge/egl v<m der Humbo/dr- Univernriit zu Ber/in d1J/iiß/ieh der Feier des zweihunderWcll Gtblfftstages ihres Gründers. Halle, Saale 1%7. S. 101-125, hier: 5.118). Vgl. dnu auch J. Trabanl, der feslSlelll. d3ß .die Ankunft des Humboldtschen Oenkens bei der Sprach.... (..) ganz. deutlich eint Ankunft bcoi den Spra(/Jen in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit" ist (Trabant, Traditionell Hymbo/dts, a.a.O.. S. 37) und den.. Apeliolrs, a.a.O.• 5. 127: .. 101 Lichle e.ines neuen I-Ieidentums a /a Humboldt 7.eigl sich n'imlich. d1ß di.'r Turmb:cu zu Babel g"3.r kein Unglück. sondern im Gegenleil Schöpfung eines großen Reichtums isl, und daß nur in der Vidf-ah der versc.hiedenen Bilder der Weh sich der Reichtum der welt erschließt, ... M
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N.
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Erster Tcil: RckoomukliOllen Humboldl$
der lndividualitäten immer zu halten hat, die Grenze zwischen Empirie und Spekulation, ist vom sogenannten Gegenstande selbst gefordert" 21 , So gilt das, was Humboldt im Zusammenhang mit der ,Form der Sprachen' postuliert, im erweitenen Sinne für jede Untersuchung der Sprache(n): .Es versteht sicb indess von selbst, dus in den Begriff der Form der Spr.tchen keine Einzclnheit als isolirte Thawche,. sondern immer nur insofern aufgenommen werden darf. als sich eine Methooe der Spr.tchbiJdung ::an ihr entdecken I"",· (VII SO).
Nicht nur die diesbezüglichen MerkmaJe. sondern auch das Erscheinungs- und Wesensinuresse sind bei Humboldt zwar methodisch gelegentlich getrennt, aber sachlich stets untrennbar.
1.4 Das ReJation-Differenz-Theorem Das vierte, das ReI"I;01J-Differenz- Theorem, hängt in besonderer \'\Ieise mit dem Eben~-Analysc-Theorem zusammen, obwohl es gerade durch seine lexikalische, syntaktjsche und systematische Selbstverständlichkeit nicht unmittelbar auffällt. IJ Ocr Mangel an eindeutigen, identitätszcmenfierenden Definitionen!4 hat seinen Grund nicht nur in HumholdtS die U
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üwrudu. SprlJch,. und Bru:"ßu"", (2)• .La.O.• S. 18-19. - Vor tlnc:r cinst'itigt'n ße1~ch rungsweisc warnt .luch G. P:.iuch und wein die Produktivitit ,'on Humboldu t'mpirischcr Fo~hunG "nhand dcr Kawi-Sp....chen auf (vlil. rilSCh•• Humboldl und die' Sprac;hwisscn. schafi" . 20.;1.0•• S. 105). Zum RdaflOl,-Di!fomz-ThtOrrnt ... gl. Art'tUi, H.: Sprachu.'lSlnuchllfi. DtTGang timT Errtwlcwilmg ':IOn J,.r Antik,. bu ZMr G~gt:niL'arT (1 BJt.). Freiburg, München (2. Aufl.) 1%':', S. 206·209. 211-21.!. - Di C~are, .Einldtung". 01..01..0.• S. 36-40, 57·66, 66-73. - Di Ceur~, "Wilhelm von Humboldt", u.O.• S. 283. - Liebrucks, Sprach~ ~nJ BnlJHpuein (1). 01..01..0., S. 23·33. - Müller-Sievt'fS, Eplgt:nuis, 01..01..0. - Ncur;nh. R.: "Grammatik als Verfahren". In: Welke, Sprach~ - BewHßtsein - Tiitigkeu, ;a.:1.0., S. 117-153. - Trabant... N.u:hwo,,", u.Q., S. 200-217. hier: S. 205-109. - Trabant, Apt'/iow. :a.a.O., S. 17-24.75-77. - Tr;ab;am, 'rraditlonm Humbo/du. 01. •.1.0.. S, 40-41, 55. - Waunabe. M.: .Zum Vcrh;iltnis VOll Natur und Spncht' bei Wilhdm von Humboldt". In: 5.:hmincr, P. (I-Irsg.): MMilum - non mulla? Studim ZNr .Einh~it Jtr Rtfluion" Im Wtr~· Wi/hl'/m VOll Humbo/du. MünSier 1991. S.4}-66. Vgl. dazu auch Stanth.a.ls (nicht unproblt':nuti.schc) Kommmut'rung dicus Problcnu: .Mit 1.11 dem hiingt t'in ge",i.uer Mangel an Terminologie (im iiblichen Sinne dieses WOrt~) zu· .ummm. 0It' Gedanken Ingen ihr Lcilwon .ln sich durch ihrt' Ent.S1ehung; abtt sit' wer· den nicht frei durch tintn gnorisscn Terminus \'trdichltt und gcntmpcll, du Sit ein für 1.1lenul bcntolll und ruft. Sokhc Tttmini wtrdC'1l nur durch ein SYSIt'm gesduffm. und sit' stellen es huaus. Solch tIn SYSlt'm Ithll bO }-L, und er will es nich,- (SttimluJ, .Du Slyl Humboldts". In.: I-Iumboldt. D~ JpriAchphl/osopJ"scMn Wmt'. u.O., 5.13-34. hitr. S.lS).
t. Humboldts The<Jrie: Stülzende Argumente
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Dinge immer neu von verschiedenen Standpunkten aus entwickelnder und entdeckender Schreibweise, sondern auch in sei.nem oppositionellen Denken, das sich in folgender Passage widerspiegelt: .. Der Form steht freilich ein StoH gegenüber; um aber den Stoff der Sprachform zu finden, muss man über die Gränzen der Sprache hinausgehen.lnnerhalb derselben lässt sich etwas nur beziehungsweise gege,n etwas andres als St'Off betrachten (...). In andren Bez.iehungen aber wird, was hier Stoff ist, wieder als Form erkannt" (VII 49).
Immer handelt es sich bei Humboldr um RcJationen, Beziehungen unterschiedlichster Art, die in der Differenz den Ursprung ihres inneren Beziehungszusammenhangs sehen. 25 Differenz ist also genauso identitätskonstituierend, wie Identitätsbehauptungen immer wieder in einem differenzierten Gefüge unterschiedlicher Positionen und Aspekte zerrissen werden und damit eroeut fragwürdig bleiben können. Humboldt entwickelt auch damit ein aristotelisches Denkmuster weiter, das noch Gegenstand näherer Betrachtung sein wi.rd. Hier sei jedoch darauf hingeSl.c.inlh~l
~
nimmt auf di...scn Seiten Stellung 1.U (1... 01 Problem der .$perrigkeit' Humboldtscher Text.... bleibt aber weitgch...nd bei obcrl1ächlichen Eliketten. So verfahre ,.H. $ellen bildend. sondern meisl nur $limmcnd" (5. 26). Humboldt schreibe "meist g.\ßz unpla· stisch~ (cbd.). Immerhin konzediert er: .1-1. denkt klar und deutlich" (5. 27). Doch weiter beißt es: ..aber seine Gedanken (il\(lcn schwcr die Einkleidung in WOrtc" (ebd.). Auch wenn Steimhal auf dies...n Seiten ...her seine eigenen lcktüre·Probleme zu them~tisicren scheint .lls dan cr t'.usichlich den Still-1umboldts analysiert, so iSI es dlXh zutreffend, wenn cr ein wesentliches MOll1elH des Problems in Humboldts Spr1dlYersländnis selbsl lokalisien: ..Die Spt:.1che iSI ihm niehl ein Gewand,. das er frei um seine Gt
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Erster Teil: Rekonstruktionen Humboldts
wiesen, daß das Relation-Differeflz-Thcorem bei Humboldt nicht an die Stoff-Form-Problematik gebunden ist, sondern auch in verwandten thematischen Kontexten (z..B. in der Geschlechterproblematik) oder auch inhaltlich weiter entfernten Aspekten bzw. übertragenen Problemstellungen auItaucht.l6 Zum Relation-Differcnz-Theorem gehört neben den aufgezeigten direkten Relationen auch die Verwendung von indirekten Re.lationcn, also Beziehungszusammenhängen, deren zweiter Teil entweder aus dem ersten rekonstruiert oder erst aufgesucht werden muß bzw. der durch die Vcrgleichung erSt entsteht. Für Humboldt ist es eine standardmäßige Vorgehensweise, das Sprachstudium bz.w. die aUgemeine Sprachkunde aJs Vergleichendes Sprachsrudium zu verstehen und zu betreibcn 17 , das heißt, cr sucht Analogien und Differenzen zwischen und in den einzelnen Elementen und Strukturen auf und bringt diese untereinander und ",mit der Ei.nheit des Bildes der menschlichen Geisreskraft in beurtheilcnde Vergleichung" (VII 45). In den Kontexr des Relalion-Differenz-Theorems gehört auch die Beobachtung, daß Humboldts Organismus-Begriff der Sprache nur dann Erklärungspotellcial entfahen kann, wenn zwischen den Teilen des Organismus eine innere. aufeinander abgestimmte Beziehungsstrukrur besteht, ein Zusammenhang, den Humboldt selbst mit dem Terminus der ,Analogie' belegt und der auf die "analogische Struktur der Sprachc"28 insgesamt verweist. Auch hier präjudiziert also Gcgensta.ndserfassung nicht nur Sprach-, ja WissenschaftStheorie, sie sind untrennbar verbunden. Das "Bild des Organismus wäre unklar ohne den inneren Zusammenhang, der alle seine Teile verknüpft, d.h. ohne die Analogie"' 19 . AnaJogien jedoch sind gleichermaßen Relationen, wie sie auch stimmig sind oder eben Differenzen aufz.eigcn können. Daher gehön die Analogie strukturell ebenso in den Kontext des Relation-Dtfferenz-Theorems wie Humboldts bekannte Slrukturbeobachtung, die Sprache müsse "von endlichcn Mitteln einen unendlichen Gebrauch machen) und vermag dies durch die Identität der Gedankcn- und Spracheerzeugenden Kraft" (VII 99).
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So identirizien Trabant C'benfalls eine Humboldtsche Rcl.uion, wenn er beschreibt, ~wie Humbolch siel! diC' Vcrm:.ihlung von allgemeinem und historischem Spr.u.:hsrudlUm "'ormllt: Es entsteht eine gegenseitige Erhdlung des Konkreten durch das Allgemeine' und des AlIgemC'incn durch (las KonkrC'tc- (frab:mt, Apl!/'ous, a.;".O.• $. 179). lT Vgl. dazu :tuch BOßche, Spr'lchalfsi(/nt'n, .u.O., S. 203. !I Di Cesare, D.: • Wilhe1m ...on Humboldr: Die analogisehc Struklur der Spr;l,che~. In: s.:harf, Sprarhdellkt'lI, a.a.O., S. 67·80. 1'" Di Ccs.ue, RDie :malogische StruklUr ... ~, a..... O., S. 68.
I. Humboldts Theorie: Srütunde Argume.nte
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1.5 Das Wissenschaft-Synthese-Theorem Das fünfte Theorem betrifft Humboldls ganzheitlich angelegtes Wissenschaftsverständnis, weshalb es als Wissenschaft-Synthese- Theorem bezeichnet und in wiederum fünf Aspekten differenziert werden soll. Der erste Aspekt des Theorems betrifft Humboldts Wissenschaftsbegriff direkt: Humboldt konzentriert - holzschnittartig fO.rmuliert - das anthropologische Projekt im Durchgang durch verschiedenste Wissenschaften hindurch auf die Sprache.,}l) Es ist für Humboldts Denken bezeichnend, daß er die Sprachtheorie nur zum Teil aus dieser selbst und ihrem Gegenstand, der Sprache, kondensiert, vielmehr eine Beschäftigung mit vielen anderen Wissenschaften seinem Vergleichenden Sprachstudium vorausgeht.,}! Borsche hat gezeigt, daß Humboldts Erkenntnisinteresse die Thej~
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Zum UliSJf:/Ucha[t-Synrl1/!st!- Theorem vg1. T. Borsche: ~Die Fmge n;tch dem Mensch"n mündet notwendig in die Fmge nach der Sprache~ (Bursche, Sprachallsic;hten, :u.O., S. 1~7). Zum ,Konzenlr.nionsprojekr' siehe ;'lUch Tr;tbant, "Nachwort\ a.;t.O., S.lll. - Trabant weist an anderer Ste.llt darauf hin. daß Humboldts Plan eill('r vl!rgleicbendetl Amhrop%git, also dcr AusgJ.nsspunkl seiner weiteren -;auf Synthest zielenden wissenschaftlichen Be.schäf~ tigung, bereitS .selbst sfnthetisch angelegt ist: ~Die Synthese des Empirischen und Spekulati~ ven. des Historischen und des Philosophischen, des Wirklichen und des Möglichen (die Syn~ these ...on Herder und Kant) liegt daher dem Plan ('iT,t'r f)ergleichtmden AmhropoJogu zugrunde~ (frabant, Traditionen, a.:I,.O., S. 52). - Zum Projekt der "'l'rgleichcndtn Anrhropologit siehe auch Borsche.I1NmbQ/dl. J..a.Q., S. 119-121. - Zur thematischen Breite dl'$ Humboldtschen ,Wissensch:tft· -Begriffes zwischen Bildungsthcorie, Literatut. Kunst. St:lo:t15theorie, Geschichts- und Sprachtheorie Slche auch dje Beitriigc in Schlerath, B. (H rsg.); Wi/hdm f)OJl H"mboldt. Vortragszlkl"s zum / jO. 7odeut.g. ßerlin !986. - Zu Humboldu Vorstellung einer .Einheit' der Wissenschaft ...gl. Riedcl, M.; ~ Willte.lm ...on Humholdrs ursprünglicher Begriff der \ViSSCflschafl~. In: Univermas, ]2. Jg. (I 'l77), S. 8'" 1-847, hier. S. 8·4]. - Tn.bant kennzeichnet Humboldrs Synrheseprojekt 3uch mit der Fragestellung ~ Verzehren oder Vermählen- (Trab:ulI. ~N3Chwortfi, a.a.O.. S. 214.-). V. Rozdcstvenskij weist darauf hin. daß Humboldt ~in seintr Spral'hkonzcption Vor;tussea.ungen und Ergeboi.ssc des gesamten Ensembles (;tuch, U. \v.) du philologischen Wissenschahen~ vereint (Rozdest~ ...enskij, J. V.: ~Wilhelm von Humboldt in der russischen philologischen Literatur des 19. Jahrhunderu~. In: Welke, Sprache - Bewußuein - Tiitigk~it, 01.3.0., S. 178-197, hier. S. 189. - Zum Zu~ammcnhang von Sprache und Kunst vg!. Wohlbrt, G.: ..Überlegungen zum Verhältnis vun Sprache und Kunst im Anschluß an W, v. I-Iumboldl~. ln: Sc.hccrJders.; Dirnensionm der Sprache, ;t:a.O., S. ~O-66 bzw. Wohlfatt, Denken der Sprach,., J.a.O., S. 167-207 (,Humboldt - Die innere Form der Sprachc'). Siehl' dort auch di" Bemerkungen ".ur Beziehung Karn - Humboldt. - Zum Zusammenhang "'on Sprache und .Kunst auch Liebruclu, SpraciJe "/ld Bt:WKßuein (2), 3.01.0., S. 407-515, - Bucher, S.: .. N:lwrphilosophie. Teleologie und Sprachtheorie bei Wilhe1m von Humboldt: In: Schmiuer•.Multl<m - /lQ1I mulrn? :.1• .1.0., S. 29-42, und det einleite:nde Beitrag ...on Schmincr, P.: ~Einhcit und Differenz im Werk Wilhelm ...on Humboldu. Eine Vorbe.merkung". S. 7-1.8. VgJ. Borsehe. fil"nwldl . .1..1.0.• S. 137. - Eine Bcgren:'.Ung VOll W..... Humboldts Imwersali$tisciJcm ETkcmltmJmtl:Teue wird eigcntümlichl'TVI'eise vor allem dann sichtbar. wenn
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Erncr Teil: Rekonslruktionen Humboldu
menfelder bzw. WisscnschaIuherciche Geschichte, Natur. Kunst und Sprache nicht nur erreicht, sondern auch aktiv bearbeitet, wobei die Unman es mit dem sC'int:S Bruden A!ex:andcr. dem schon in seiner Zeit Ixrühmlen N.arurfo rs<:hcr und Gcognphcn. kOnlraSli~: Erst die Summe dicsa ~iden WtTke rcpristntitrl du
WiSU'nschafubild der CfiUcn Hilfu: des 19. Jahrhunderts n;U,C"zu vollnindig. ~hn wird ~ so in dil:S('m Sil1flc ~hauplcn konnen (H.- W. Sch.n! sei Eur di~ Formulierung gc Sl.:rbliehe sonst um'ersucht lasseIl müßIl.', In dem. was er bis jeu ~c1dst('t holt. weiß ich nichts anzuführen, WAS so v i c I bc· wiese. Als ich hier .waneire. aber (...) ich bin f"st üb<.'rzeugt. dal; dIe N.lchwett (dcnn st·in Naml.' gehl gewiß auf einr $ehr späte üb<.r) mein jaigcs Unheil buc.hstäblich wiederholen wlrd" (\Vdhelm VOll JINmboidu Brieft! an KArl GH~fafl von BmJcRmmm. Ilg. und erliuh·rt von A, Leiu.m:um. LeipZJg 19J9. S. 60). Auch in seiner lcu.len Vermutung behiclt W. ". Ilumboldl zunichSI rechr. Alt'xander WUt· de:, obwohl badc ..wie ihr lt'lxnswerk b<-wcisl, t'inander geIStig e:brnbüni g sind- (Mt'ycrAbich. A, v. Numboldt, 1..a.O.• S. 18). von d~ Brüdern det wt'illlW bekanmere. McyerAbieh W~.sl du uni'-ersa.listi$Che Pradikal auch Alexander (wohl mit allzu hehren Wonen) 2U. wu - bis auf die ente Fcststellung - die ihe des WlSSCnsch.afubildes der heiden Bruder tJnterstroeht: .Wt:nn (Alcnndu \'on, U.W.) Humboldt also kein politisch« Me:nJ
I. HumboldLS Theorie: Sriitzcllde Argumcme
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tcrsuchungen zur Sprache biographisch und systematisch das organische Ziel, also das griechische tflo~ des Humboldtschen Werkes darstellen. Die Sprachtheorie löst daher nicht nur die Beschäftigungen mit den anderen Wissenschaften und damit deren Systematik ab, sondern hebt sie im HegeIschen Sinne auf. Jede sprachtheoretische Formulierung enthält cUs Wissen und den Horizont der :rnderen Bereiche als archäologischen Hintergrund. Humboldts Theorie ist daher nicht nur Konsequenz seines Denkens, sondern auch Konsequenz seines Denkens. Diese Tatsache ist für den Kommentar der Texte von direkter Bedeutung, denn wenn .. unter allen Aeusscrungen, an welchen Geist und Charakter erkennbar sind, (...) die Sprache auch die allein geeignete (ist, V.W.). beide bis in ihre geheimsten Gänge und FaJten darzulegen'" (V1l43). so ist sie eben doch nicht die • • elOzlge. Ein zweiter Aspekt des Wissenschaft-Synlhese- Theorems Humboldts ist, daß dieser [rotz der multiplen Argumentatioosstrukrur und der bereits aufgewiesenen Unvoreingenommenheit in der Bewertung von Individuen~ Sprachen und Nationen durchaus zur differenzierenden Beurteilung wichtiger und unwichtiger Aspekte in der Lage ist. Das Vorbild für diese ,Urteilskraft' bieten die Sprachen selbst: "Um daher verschiedne Sprachen in Bezug auf ihren charakterisrischen B:lU fruchtbar mit einander zu vergleichen, muss man der Fonn einer jeden derselben sorgfältig nachforschen und sich auf diese Weise vergewissern, :tu! weiche Art jede die hauptsächlichen Fr:tgen löst, welche aller Spracherzeugung als Aufgaben vorliegen" (VII 45).
:all Kin Fm·schen von philosophischem Geist durchdrungen w:ar, so ",,:aren :auch in SC'iner agenen Pusönlichkeit :alle SC'ine Interessen :aufein.tnder :abgC'$timmt, um im Mit· und Gegeneinmder der Motive eLne: der groß,1rtigsttn Symphonien zu eneugen, die in einer einzelnen menschlichen Pcuönlichkdt sym:hrQni$ien wurden" (Meyer·Abich, A. 11. Humboldt. ,u.O., S. 117). Das Wirk('11 beider Brüder Humboldt h~t in 5t'incr prillz.ipidl untetschit'd...nen Gcsalluheit wesentlich 7.u dem 'olusdjrferenz,it'rtcn wissenschaf15theort'tischen Gefüge der Neuzeit beigelngen. Zum Uni\'C:rs:alismus·BegriH und den Themengebieten der Brüder Humboldt vgl. auch die Beiträge in Hamm'olcher, K. (l-Irsg.): UnrfJerullSmNs und WisJenschaft im WtT,t unJ U",r,tt'n Je,. B~Jcr J-Iumboldt. Fr:anklun:am r.bin 1976. D.1mil iSI w«ler du POlentiai, du Wilhdm von Humboldts Denken für einen (nalurphilosopbUchen) ßrOCkenschl:ag zwischen Nnur- und GeisteswisSC'nscluft bietet. beslliuen. noch 50U und d.uf einem redU7.iestt'O geistcswisSC'nschaItltchen Humbolch-ßild du Won geredet werden. du .IIuf die Sankrionierung heutige.r \1\'isscnschaftsstp:ar.nion hin.1uslicfe. Allein in einel" wisunsch:afuhijtorischen Perspektive, d~ die Rezcptionsgeschichte txider I-Iumboldu emsrnilllmt. e.rgibt sich, d-ß - die Fonnel der Einleitung SC'i hier noch einmoll :aufgegriffen -die Kiimgsbnidn Alex;tndel" und Wilhdm sich sysle.m:alisch wesentlich entfernter w:aren. als Ari~loldes und Humboldt e.s icmats sein konnten.
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Erster Teil: Rekonslruktioncn l-!ul1looldrs
Humboldt weiß also sehr wohl, was hauptsächliche Fragen sind und was nicht, er ist lediglicb nicht bereit, ungeprüfr Dinge aus der Analyse auszuschließen, weil die Gelahr einer Material- und Argumentacionsreduktion auch die einer Gegenstandsreduktion im Hinblick auf das Sprach\'crsrändnjs beinhaltet. Dies har für ein Wissenschaftsverständnis, das Statt nach festen Größen und Haltepunkten zu suchen, Wahrheit gerade in einer Hermeneutik der Unsicherheit und Vorläufigkeit zu entdecken sucht. erhebliche Konsequenzen. Für Humboldt gibt es keine abgeschlossene Wissenschaft. weil die Gegenstände selbst aufgrund ihrer sprachlichen Verfaßtheit ständig der Entwicklung unterliegen. Humboldt weiß, daß der radikale EOfwickluogsgedankc von Wissenschaft an keinem anderen Gegenstand so evident werden kann wie an der Sprache. Hier liegt das eigentliche wisscn.schaftstheoretische Fundament der Sprachtheoric, eben in der Beobachtung, daß die Sprache (wie auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihr) ..etwas beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes" (VII 45) ist. Dieser Entwicklungsgedanke. der ebenfalls wesentlich aristotelischen Ursprungs ist und den dritten Aspekt des \Vissenscbaft-SynI/,ese-Theorems bildet, unlcrscheidet Humboldt von der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden hislOrisch-verglcichcnden Sprachwissenschaft so grundsätzlich, daß sein "unzeitgemäßes Projekt"32 einer auf die Gesamtheit des Sprach.bcgriffs zielenden Synthese nicht nur in seiner Zeir schncU von anderen in die Vergessenheit hineinorganisierl wurde, sondern wlssenschaftstheoretisch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend verschollen, höchstens .. unterirdische Gegenströmung")) blieb. H Der vierte Aspekt dieses Theorems zielt schließlich auf die sachadäquate Uneilsangemcssenheit durch eine problemorientierte Verortung der jeweiligen Argumente. eine Strategie Humboldts J die dem heutigen Leserneben der .. Bruchsriickhaftigkeit J die sein Leben und seine mannigfaltige Tätigkeit kennzcichnet"·u und die .. noch stärker in seinen Schriften her· vortrin"' 36 - die meisten Schwierigkeiten bereitet. Ein Beispiel: ,.Obgleich der Erkenntnissgrund der Wahrheit, des unbedingt Festen. für den Menschen nur in seinem Inneren liegen kann. so ist das Anringen s~incs geistigen Strebens an sie imm~r von Gefahren der Täuschung umgeben. Khr 11 Oi Ceure... I:.inleilung". a..l.O.. S. 11. JJ Di Cenre, ..EmleilUng· •.u.O.• S. I". Jl Zum Verlu$1 du Sprache im plJllflSophucJxtl Diskurs nu:h Humboldt \'gl. louch Kellt1". Sprat:hphlmJophlr. lo.;t..O.• S. JO. - Vgl. Sch.lrf. Vrrfahrrn, .u.O., S. 26·28. J\ Di Ccsare, .EinleilUng". a.;t..O.• S. 27. M
Ebd.
I. Humboldls Tlu'oriC': Stiit1.t.ndc Argumente
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und unmittelbar nur seine verinderlichc Beschränklheit fühlend, muss er sie sogar als erwas ausser ihm Liegendes ansehn; ..... (VJI.56).
Diese Passage wird im weiteren Fortgang noch eingehender interpretiert werden müssen. Für die Beweisführung an dieser Stelle reicht die Feststellung, daß Humboldt hier eine für ihn typische Argumentationsfigu.r vorste1l~ nämlich die, auf den ersten Blick Problematisches oder gar ,Falsches' durch Kontextuierung ,richtig" zu machen. Die Aussage J die Wahrheit liege außerhalb des Menschen, würden wir ohne den zusätzlich hier dargebotenen Kontext auf dem Hintergrund des Sprache-ErkenntnisTheorems als unrichtig oder doch zumindest äußerst problematisch qualifizieren. Eingebunden in die obige Argumentation Humboldts halten wir es aber nicht nur für evident, sondern können aus dem vermeintlich zunächst Unrichtigen sogar- im Sinne Humboldts - ,richtigen' Erkenmnisgewinn ziehen. An diesem Saubeispiel wird besonders deutlich, wie feinmaschig vernetzt die Humboldtsche Argumentation ist und wie gefährlich es ist. ungeprüft und unausgewiescn Einzelargumente aus ihrem Zusammenhang herauszunehmen und in einen theoretisch nicht abgesicherten Kontext zu stellen. Geschieht die Neukontextuierung jedoch kontrolliert und ziclgerichtct, kann man damit Humboldts Netzwerk sich stützender Argumente durchaus näherkommen, weil er eben auch selbst diese Verfahrensweise des öfteren verwendet. Auf den fünften Aspekt des Wissenschaft-Synthese- Theorems hat J. Trabant hingewiesen: "Humboldt verlangt von der Philosophie, sie soUe nicht nur Licht, sondern auch Wänne verbreiten")]. Tr2hams sinnenfreudige Erklärung dieses Humboldts Texte durchziehenden Motivs kennzeichnet Humboldts Kritik am .bloß verstandesmäßigen Vorgehen der rationalistiscben Philosophic"' U zutreffend. Humboldt will sich auch hier von einer Reduzierung des Wissenschaftsbegriffes auf reines Verstandesdenken distanzieren und strebt eine Synthese einer ganzheitlichen, weil ganzen Wissenschaft an. ohne jedoch jemals ..das Gefühl über ,Vernunft und Wissenschaft' (zu, U.W.) stcllen u39 , Die Koppelung von ..Aufklärung und Auf-Wärmung"~o vollzieht also auf empirischer Ebene der Wissenschaft das, was der sprachlich begründete, apriorische Brückenschlag einer sinnlich fundierten Transzendenlalilät erkenntnistheoretisch signalisiert.
)1
Tub~nl, A,ullou-i,
~~
Ebd.
a.a.O., S. 15. - Vgl. duu auch Trabant••Nachwon". :;1.:;1.0.• 5.101·204. " TubVll. ApclwUJ, :;1.:.&.0., .15 (Anm.l). ~ Tnh~nt. Ap~IloUj. ~.;t"O., S. 15.
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Erster Teil: Rrkonstrnklioncn HumboldLS
1.6 Das Wahrheit-Yerstehen-Theorem Mit dem bereits als problematisch gekennzeichneten Wahrheits begriff hängt das sechste und lente Theorem thematisch zusammen, das ich das \Vahrheit- Verslehen- Theorem nennen möchte. und das in HumboldLS These der unterschiedlichen Weltansichten eine ebenso sinnfällige wie radikale Konsequenz gefunden hat.~l Für Humboldt ist alles wirkliche Verstehen nicht nur individuell gegründet. sondern vor allem kommunikativ vermineh. E. Heinte! hat diese Einsicht auf die zutreffende Formel gebracht, Humboldt habe ..dje Sprache im wesentlichen von der Vermittlung her verslWden"~l und verweist auf dessen folgende Bemerkung aus dem Jahre 1812, die nicht nur den Zusammenhang mit dem Gege11StandSprache- Theorem und dem Relation-Differenz- Theorem deutlich unterstreicht, sondern auch zeigt, daß es gerade Humboldts Klammereinschübe sind, die die in ihrer evideDten Unauswcichlichkeit höchst unbehaglichen Wahrheiten enthalten: •... die Sprache ist überall VermlUlerin. erst zwischen der unendlichen und endlichen arur, dann zwischen e.ine.m und dem :lndern Individuum; zugleich und durch denselben Act macht sie die Vereinigung möglich, und entsteht :lUS derselben; nie liegt ihr g2ß2.eS Wesen in einem Einzelnen, sondern muss immer zugleich aus dem andern errathen, oder erahndet werden; sie l:isst sieh aber auch nicht aus beiden erklären, sondern ist (wie. überall dasjenige, bei dem wahre Verminclung Statt findet) etwas Eignes, Unbegreifliches .....
(AnküTzdigllng emer Sclmft über die VaskiJcJu Sprache und Nation, 11I 296). Der Vermitdungscharakter der Sprache ist also weder aHein anthropolo·
gisch gegründet oder gar Ergebnis banaler Alltagsbeobachtung, sondern fußt im Verständnis der Sprache selbst. In diesem Kontext wird Humboldts Klammer des Ebene-Analyse-Theorems verständlich, die eben nichl nur anerkennt, daß alles Verstehen sprachlich is~ sondern daß .dit> Sprache (...) nothwendig zweien angehören (muß. V.W.) und (...) wahr· II ZUIll Wllhrheit- VtrSh'hm- Thtorem '"'gI. Art'IlS, SpracbUlzumuha/t, :10• .10.0.• S. 109·111. Bollnow•• Humboldu SplOlchphilosophit a.a.O.• S. 107-108. - Borsche. fI#mboldt. a.a.O.• S. 156-170. - Borsche, Sprilchil'mchztll, a.a.O.• ~. 256-270, 177-190, 291-J03. JIJJ52. - Burkhardt, A.: ..Der Dialoghegrifr bei VI'ilhtlm "on Humooldt"'. In: Hoberg, Spracht "nd B,IJMng. u.O.. S. 1"1-173. - Di Cts.l~, .. Einldrung", :10..1.0., S, 99·104.Oi Ccsarr, .Wilhdm von Humboldl La.O., 5.178-179. 287-188. - Gadamer. \f'ahrhm lind Mtlhode, :10• .1.0., S...45·.... 7. - Jiger... Ober dil! Individualität". :10..1.0•• S. 88-9". - Junker. K.: ..Zur Kritik an dl!T H umboldt-Adapl'ion drr Neuhumboldti1nt'r". In: Wdke. Sprilrht -/kwußur/ll - TJ/lgNtiz, 3.1.0., 5. 68-93, hier: S. 83-87. - Liebrucks, Sprarht und 8tll:ltfluem (2). 01 •.1.0., .366-)75. ·T Ilcinicl. E.: SprachphiloS(lphlt~. DJrmn"dt (4. Aufl.) 1991, S. 69. M
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I. Humboldts 1'heorit: Stützende Argumtmc
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haft ein Eigenthum des ganz.en Menschengesch.lechts" (V1I 63) ist. Zum Charakter des Menschen gehört daher seine hermeneutische Bestimmung des Verslehenwollens und des Versundenwerdenkönnens. Trotzdem ist Humboldt nicht naiv: ln der Erscheinung der Spr:tche ist alles an ihr be· grenzt, auch ihre hermeneutische Option, und daher ist immer .Alles Verstehen (...) zugleich ein Nicht-Verstehen" (VlI 64). Es würde zu kurz greifen, diese leute These ausschließlich wieder auf Probleme der Kommunikation zurückzuführen. vielmehr fußt auch die Begrenztheit des Verstehens grundständig in der lndividualitiü des Anderen - also im anthropologischen - und der Natur der Sprache - also im sprachtheoretischen - Kontex.t. Gerade in dem Sinne und Maße, wie der Mensch ein lndividuum is~ kann er sowohl nicht vernanden werden als auch nicht verstehen: das Nicht-Verstehen und vor allem das Nichtverstandenwerden ist die sprachliche Garantie seiner Freiheit, weil es ihn in seiner Selbsr-Ständigkeit kennzeichnet und hält: Das oral installiert<.> und medial zelebrierte ,big brother is understandig you' 4J der Spätmoderne ist für Humboldt sprachtheoretisch ebenso unmöglich wie skandalös und anthropologisch abzulehnen, weil in der Sprache eines jeden wie .. in jeder Sprache eine eigemhümliche Weltansicht" liegt (Vll 60). Auf die Problematik des Verstehens und der Wahrheitskonstirution wird noch näher einzugehen sein. Hier sollen die prinzipieUen und wissensehaftsrelevanten Aspekte in den Vordergrund gest<.>Ut werden. Denn so problematisch die Begrenzung des Verstehens auf den ersten Blick erscheinen mag. so sind doch die positiven lrnplikationen nicht nur des anthropologischen und sprachtheoretischen Kontextes, sondern auch die für Kommunikations· und Wissenschaftstheorie unübersehbar. Humboldt kann aufgrund seiner Absage an d.ie reflexive Besinnungslosigkeit des \'Qissenschaftspositivismus.... offen mit Begriffen operieren - wie zum Beispiel mit dem des Charakters".5 -. die sich zwar einer vorschnellen Bestimmung versagen, dies aber ohne Gefahr zu laufen, niches zu bedeuten: eben in ihrer semantischen Nichteindeutigkeit und gleichzeitigen Unbestrcitbarkeit liegt deren produktive Rezeptionsoption,"6 Allerdings macht Für diese Wendung sei die gleicht Rtgrundung gegebtn wie für den Anglizisnlus ,Groupit'. « Insofun gtwinnt T. Borsches Diktum, d.l.ß ..dit Sprache (...) du ~Igcmcine Mcaium des Sdbnbewußtseins" ist, doppeltt Ikdtutung (Barsche. Spr.d,4nuchufI, ~.a.O., S. 201 ~ os Zum ßtgrifr dts Ourakttrs vergleiche :luch Trabvll. T,..dtlionen, a..l.O., S. 52-54. t6 Vgl duu :luch Gad:lmen Bemel"kung. d:Iß ..dem 8edeutungllcbcn du- Wone du gesproc.hC'ncn Sprache-, (...) wie ..Wilhdm von Humboldl C...) gez.eigt tut, C...) tinlt gtwissc SchwankungsbrC'ile wesemlich ist, ...•• Du kl.ue, distinktt Tuminus in d;ano ..cin crsWT· tlMi WOrt und der terminologische Gebrauch eines Wonn eine Gtwaltur. die:m der Sput)
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Erster Teil: Rekonstruktion!.'n Humboldts
dies, wie alle anderen Theoreme auch, die Lektüre für den Rezipiemen schwieriger, nicht einfacher. Trorzdem zielen Humboldts Texte auf Verständnis, was immer dann besonders deutlich wird, wenn zwischen den einzelnen Argumenten und zwischen den unterschiedlichen Theoremen die Verknüpfungen sichtbar werden und Humboldt$ Sprachbegriff damit kenntlich wird. Nur diese dauernde Neurekonscruierung des sprachtheoretischen Gehalts macht Humboldts dialogisch fundieru Syslemindifferenz für dementsprechend dialogbereite Lesarten fruchtbar und gewinnbringend. ofT
1.7 Überleitung Ich kehre zum Ausgangspunkt dieser ersten Dimension der Rekonstruktion, zu Humboldts Netzwerk stützender Argumeme zurück und fasse dies wie folgt zusammen: Humboldts Sprachdenken kreist immer wieder um zentrale KristaJlisationspunktc, dic den zum Teil verstreut wirkenden Argumenten die Richtung zeigen. Sie bilden ein Gewebe, das in sich kohärent ist und in dem sich die unterschiedlichen Aspekte gegenseirig explizieren. Allesamt können sie gleichsam in ein hermeneutisches Koordinatenkreuz~8 eingetragen werden, bei dem die Fülle der ,Einzelheiten; und das ,organische Ganze' jeweils die bei den Oriencierungsgrößcn bzw. Dimensionen biIden 49• Humboldt versteht dieses Netzwerk, worauf sich die Argumente beziehen bz.w. wofür sie sprechen, als lebendige Entdeckung in der Sprache und bezeichnet es daher selbst als Organismus, cht' vt'riibt wird~ (Gadamt'r. "'ahrJmt lind Methode, ...20.0., S. 419). Oit~t produktive .SchwankunS5brdtc· darf ..lItrdings nichl ..15 bcodwlungslose Offenheit interprelien w~r+ den. wie Gadamcn hermeneutische Theorie selbst dies manchmal vernlUten läßt. <4' Ygl. dn.u Di ecsares Feststcllung. I-Iumboldt sei .sowulll :aus Neigung ;lls auch JUS Ab· sicht" dialogisch gewesen (Oi Ccsare, .Einleitung", :1..;1.0., S. 27). •• M. Riede! w...isl im Kontext der modernen KOruititui('rung der Gl'islt's~ und N;twrwis5ellschaften darauf hin. d.lß ~ Wilhclm \'on Humboldt und DroysC'n" 7.U den Yorbereitcm der Differenz. \'on ,uur- und Geist~wi.sSt'nschaften gehören. und """51 glcich7.citig t'inl' Kon+ stituierung dieser Di((c:rC'nz., die nur auf den zu bearbtitt'ndcn Gegenstinden fußt, zurück: ~DiC' UmC'rschcidung z.wi$chen Natur- und Geisleswis~nschahen ist nichl prioür t'in Unlerschied von C('b,ctc.", sei t'S des Körptts oder der s«:1t'. des PhysischC'n oder des Psychischen, des Objekts oder des Subjekts usf.; sie ist mrthodoJogiS€h. nimlich in der Diffcrtnz. von ErJtLirrn und VC'ßzchm als Auffauung.s· und Konnilutionsbe:dingungen möglicher Erfahrungs.....issensch<J.ft fundien· (Riedcl, VmuhC'n odf.'r ErltJiirm?, a....O., S.13). •, Vgl. duu Di ~re: .Einleilung-, ;I..a.O., S. 110: .Humboldts Originalität liq;t nun duin, dt'n hcrmcncutischt'n Zirkd auf das gesamte Sprachnudium aunudehnen.......
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Humboldts Theorie: Stütz.ende Argulllenlc
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um der Behauprung von Kohärenz den größtmöglichen Anspruch zu verleihen; Humboldts Sprache ist ein Organismus, Sein organjsches Wissenschaftsprojekt bedient sich zur EinJösung d.ieses Anspruches einer feinnervigen Wissenschaftssprache, die in gar nichts anderem münden kann als in einer umfassenden Wissenschaft von der Sprache,so In der damit verbundenen Konzentrations- und Integrationsstraregie, die die unterschiedlichen Theoreme zusammenbindet, und die die konzentrische Ausbreitung der unterschiedlichsten thematischen, argumemationslogischen, theoretischen, methodischen und pragmatischen Aspekte der Sprachuntersuchung ermöglicht. legte W. v, Humboldt das Fundament für eine komplexc, umweglge Rezeptioosgeschichte, die ihn heute - zweifelsohne zu Recht - als Begründer der neuzeitlichen Sprachtheoric und -forschung identifizicrt hatS1 oder, pointiert markiert: Nach Humboldt beginnt die ~
~l
Au! den inneren NOlwendigkcilschar.lkter von Humboldu wissenschaflliclJer Entwicklung macht au.:h G. Pätsch aufmerksam, wenn sie bemerk!, es sei eben nicht ~zufillig, daß es Humboldl gelingt. die bislang isolierten Aspekle zu einer harmonischen Ge$illl1tan~ schauunI) zu vereinigcn~ (Plitsch, ~Humboldl und die Sprachwissensch.lft M,a.3.0.• S. 122). Zu Humboldts Siellung in der Geschichle der Sprachforschung vgL Arcns. Spr"chwimllSChafl, a.;1.0., S. 170-171, 179-187. 203-206. - Chrislmann. H.· H. (Hng.): SprachwimmSeJM!1 dt's 19. ]ahrlHtnderu. DannSladl 1977. S. -.(,·47. - Coseriu, E.: ~Humboldl und die modeme Sprachwiss('nschaft~. In: Albredn. J. u,a. (Hrsg.): lincrgt'4t und Ergon, a.....O., S. J-II.- Di Ccsare. ~ Wilhe1m von Humboldl~, a.a.O.• S. 288-289. - Di Cesue: ~Einlei~ IUllg~. a.a.O., S. 11-19. 19-27. - Gadal1ler, \Vabrheil umJ MrtlJode, :l.:I..()., S. 443. - Gipper. 1-1.: MWilhdm von Humboldl als Begründer moderner pracllfonchung~. In: \Virkt'ndes \Vort, 15.Jg. (1965), S. 1-19 und den.: ..Wilhc1m vonl-lumboldts BedcUlung für die modem!: Spr:lchwi~scnsch:lft~. In: Kessel, H. und Thoms, W. (Hrsg.): Die Briider Hllmboldt beute. Mannheim 1968. S. 11-62. Beide Aufsälze geben einen (ausgesprochen) kurzen Abriß ".u zcmra.lcn ProblcJnslellungcn Humboldtschcn Sprachdenkens und sind auch :tu rinden in Gipper. H.: \Vi/be/m von H/fmboldu Bedeutung für TI/cont> ,md Praxis modcnleT Sprachjo,.,chlfng. Münster 19lJ2. Dort auch weitere Bl.'inige zu ,HUlllboldlS Sprachauff:usung' und zu ,Humboldts Sprachliche Well'ansicht. KonSlrukt odcr nachweisbarc Realität?' - Heesc.hl.'n, Dil! SprachpJJilosophi.... ':1.1.0., S. 10-53. - Heintd, Spracbp1Jilosophit, a..I..0., S. 82. - Keller, Sprachpht'/ojophie, ':I.a.O.. S. 20. - Mudler-Vol1mcr, K.: ~HumboldlS lingui~ nisches BeschaHungsprogramm: Logistik und Theoric". In: Zimmcrl1lann, K.. Trab.am, J. und Mudler-Vol1mer, K. (Hug.): Wilhelm tlOIl Humboldt und die amen'kanischen Sprachen: IlIIfrnalionales Sympmium des Ibero-Amen'kamschen lm(irHu PK, 24.-26. September 1!J91 in Bu/in. Paderborn 1994. S. 27-42. - Schar!, H.-W.: ..Einleitung. Dil:'. Anfänge der sprachwissensch:l.hlichen Humboldt-Forschung·. In: den.. Sprachdenkm. a.a.O.. S. 724. - Scharf. Verfahren, 30.30.0.• $. lJ-·H. - Simon, J-' .. WiJhdlll von Humboldts BedeulUng für dil.' Philosophi~". In: Sch;uf, Sprachdenken, ,1..2.0., S. 259-271. - Trab...nt. Apt'liottS. il.il.Q., S. 10. - Trabam, J.: .. Humboldt über eine aktuelle KOlllro\'enc um dic Aufgaben der SprachwiuclIsch3ft". In: Co~eriu. E., E-uwa, K. und Kurschm:r, W. (Hrsg.): Sprach-
winenscbafugeschichu Ifnd SprachfoNchu'lg. Sprdchform und Sprachformen: Humholdt. Gabrlemz. SekigHchl. OJt- \Vest-Kolloquium Berlin 1995. Tiibingen 1996. S. 71-82. - H. Su.·inthal formuliert in der .. Allgemeinen Einleitung" seiner Humboldl-Ausg.1bc gar du
64
Erster Teil: RckonstNktiollen Humboldl$
Sprachwissenschaft bereits trotz exponentieller Differenz.ierung ihrer Methoden notwendig mit der Reduktion des VcrS[ändnisses ihrer selbst, sie wird zur Geschichte der Erosion ihres Gegenstandes S1• der bei Humboldt noch in der größtmöglichen Ex- und Intensität inventarisiert hzw. problematisiert ist. Das phraseologische Überlesen der aufschlußreichen aristotelischen Motive in Humholdts Sprachdenken hat zu dieser Abblendung bzw. Verkümmerung des Gegenstands-Verständnisses in nicht unbedenklichem Maße beigetragen.
unbcsc.h('idtne' Pridikat: .Die Spnc.hphilosophiC' ~ginnt mil ihm (Humboldl. U.W.). in in ihm tnundcn- (Humbokh. DiC' sprllchphiJosophiJchC'n \t'n'k". a.LO.• S. 13). » V&,. dazu luch Jig(r. L.: •• unguage. whal ev~,. ltul may bc'. Oi~ G~schichtc d~,. Sprach-
wisscnschah .1.1! Erl)Sionsgc:scnicbtc ihTes GcgcJ1su.ndes: In: blucltrift fih schufl, 11.Jg. (199]), S. 77-106.
Spr.chv:u~".
2. Geschichten Humboldts: Rezeptionsprofüe Stand bislang die Rekonstruktion Humboldtschcn Sprachdenkens im Vordergrund. wird das rckonsrruktive Anliegen nun gewendet und zwar im Sinne einer meta-theoretischen Untersuchung derart, wie der Humboldt-Forschung eben diese Rekonstruktion bislang ge- oder auch mißlungen ist. Zur Humboldt·Rezeption 5011 daher nun eine historische und damit auch historisierende Skizze entworfen werden, denn ohne Zweifel ist zwar auch .die Aufgabe des Gcschichtschrcibers (...) die Darstellung des Geschehenen" (Uebcr die Aufgabe des Geschichtschreibers, IV 35), .mit der nackten Absonderung des wirklich Geschehenen in aber noch kaum das Gerippe der Begebenheit gewonnen. Was man durch sie erhält., ist die nothwendige Grundlage der Geschichte, der Stoff zu derselben, aber nicht die Geschichte selbst'" (lV 36). Dieser HumboldtSchen Einsicht eingedenk sind innerhalb der jüngeren Humboldt-Forschung bereits mehrere Darstellungen der Rezeptionsgeschichte mit unterschiedlicher Reichweite, Zielrichtung und Legitimationsfunktion unternommen worden, die als Grundlage der folgenden Skizze dienen können. 53 Zwei Probleme fallen bei der Sichtung des diesbezüglichen Materials allerdings ins Auge: Einerseits fehlt bislang eine ausführliche, chronologisch vollständige. allen möglichen Aspekten systematisch nachgehende und damit weitgehend umfassende Studie zur Geschichte der Humboldt-Rezeption. Andererseits greift eine reine Chronologie der (wissenschahliehen) Ereignisse aufgrund des Gegenstandes notwendig zu kurz. denn RezeptionsgeschichtSschreibung ist ja nicht nur immer auch Teil der Rezeption selbst, sondern gerade die Rezeption Humboldlschen SprachdenU
Zur GeschichtC' du Humbokh-Forschung "gI. "or allt.'m Borsch~, Sprar:hallJlchun, 10.3.0., S. lS..... 4 (1. Kapild: ,Einseitigkeit d~r Humboldt-ReZC'plil.'ln in der Spnchl'l'is~n$C'h.afl'). Di Cesare, ~Einleilung", a..a.0.. S. 11-27 (I. ,Scheitern 21s Erfolg. ÜbC'r ('in unze1tt;emißes Projekt'. 1. ,Humboldt .lb Spr:l.chphilosoph und Sprachforscher'). - Mueller..vollmer, K.:
WI/hC'!m 'VOn HNmbolt/u Spr..chwUl~n1cha/t. Em Irommmtl~rttl VC'ruidmu dC'$ $prach'f&u~,ucbaftlich~n N"ch/tmrs. Padttborn I9'9J. S. 1-89 <,Einleitung: Wilhe1m von Hum· boldu spuchwiut-nschaftlichtt achl:lß'). -Scharf, .Einleitung", .l.a..O. und dcrs., VerJ"hrC'll, .1.2.0., S. 2S·J5, lS-H (1.1 ,Vermichtnili und Erbslrdt: Edilion und Exegcst' und U ,Rekl.lmJlilln und Rehabilitierung: cuc Humboldt-Studien'). - Tcah:lJlt, T,..dmontTI,
u.O., S. 59·68 (3..l .Humboldu Wirkung').
66
Erst~'r
Teil: R"kMstl'llkliontn Humboldts
kens ist nur schwer oder um den Preis einer die Differenzen nivellierenden Oberflächlichkeit anhand von eindeutig abzugrenzenden Phasen zu identifizieren. Vielmehr spielen die jeweiligen Perspektiven, Methoden und Interessen, mit denen die Rez.ipienten Humholdrs Werk analysiert, rekonstruiert, weiterentwickelt oder auch nur lexikalisch beraubt haben, eine so gewichtige Rolle, daß aUein ein historischer Abriß und eine histOrisierende Einordnung nur sehr partiell für ein angemessenes Verständnis
hinreichen. Es ist daher sowohl gegenstandsadäquat als auch forschungsprofitabel. im folgenden anstan von Phasen von Reupt;onsprofiJen zu sprechen. die in gewisser, noch näher zu bestimmender Weise über das Schema eines historischen Phasenmodells hinausgreifen und neben der forschungsgeschichdichen auch einer perspektivischen Begründung im Hinblick auf ihre spezifische Zugangsweise zum Humbolduchen Werk bedürfen. Die Folie einer forschungsgeschichtlichen, an den oben genannten ÜberblicksdarsteUungen orientierten, Rekonstruktion der Humboldt-Rczeprion kann dabei helfen, die diesbezügliche Geschichre so nachzuzcichneo, daß erstem ein möglichst weites historisches Panorama unter Einschluß vieler ei.nzelner Positionen zugelassen wird, daß zweitem die Perspektiven und Verfahrensweisen zunächst der Rezipienten erkennbar werden, und daß drittens durch die unterschiedlichen WertUngen und Gewichrungen, die die Überblickdarstcllungen enthalten, deutlich wird, wie sehr auch diese Versionen der Rezeptionsgeschichtsschreibung vom eigencn Standpunkt bzw. der eigenen Vorstellung vom ,authentischen Humboldt' abhängig sind. Die Darstellung der einen Humboldtschen Rezeptiomgeschichre erweist sich in einer solchen selbstreflexiven Perspektive unausweichlich als M Ylhos ihrer seihst.
2.1 Profil 1: Produktive (Miß-)Verständnisse Zunächst zu der hismrischcn Orienrierungsgröße par excellence: Bereits bei Humboldts Tod 1835 unterscheidet sich dessen Wissenschaftskonzepl eines Vergleicbenden Sprachsrudiums von der Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzenden historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft grundsätzlich. ",Als die Einleilung veröffendicht wird", so D. Oi Cesare. "hat die Sprachwissenschaft schon eine in vieler Hinsicht dem von Humboldt gewiesenen Weg entgegengesetzte R.ichtung·~, den von .. F. Schlegel ~
01
Cenre.• Einll"ilung", u.Q... 13.
2. Geschichten Humboldts: Re-ztplionsprofil~
67
(1808) angeregten und durch die Werke vnn Bnpp (1816), A.W. Schlegel (1818) und Grimm (l819) sanktionierten K.omparativismus"S5, eingeschlagen. Trotzdem bedienten sich, wieJ. Trabanr feststellt, die Vertreter der ersten Generation dieser sprachwissenschaftlichen Richtung gerne der Humboldtschen Texte als Zitate-Reservoir. s6 Di Cesare hat daher Humboldts Sprachforschung - die innere Dialektik dieser verqueren Rezepti· onsformation im Blick - zutreffend als ,.unzeitgemäßes Projekt"Sl charakterisiert, das schon in der Anfangsphase bis in das 20. Jahrhundert hinein nicht mehr als allenfalls ,.unterirdische Gegenströmung"SS bleiben konnte. 10 Opposition zu der damaligen vorherrschenden Linguistik stehend, konme ,.Humboldts Projekt"59 seine Wirkung nicht entfalten und ist in dieser Hinsicht einer zeitlich unmittelbaren Einflußnahme auf den ,Wissenschaftsbetrieb' - trotz manch gegenteiliger, nachträglicher Einschätzung - ..in Wirklichkeit ge-scheitert"60. Die Gründe dafür sieht Di Cesare vor allem "in einer Atmosphäre des aufkommenden Positivismus"61. und sie stellt fest, daß .,in dem Maß, in dem sich die Trennung zwischen Philosophie und Wissenschaft vertieft, (...) die empirische Forschung gegenüber jeder Art von ,Spekulation' bevorzugr"b2 wird. Sie umschreibt das brisante theoretische Fundament dieser wissenschaftsgeschichtlichen Problematik äußerst vorsichtig, wenn sie feststellt, daß so ,.die Voraussetzungen für die günstige Aufnahme eines Sprachstudiums. das als Synthesis uanszendental-philosophischer Reflexion und empirisch·linguistischer Forschung entworfen worden ist"6J, entfallen. Di Cesare konstatiert dann in gewisser Hinsicht den ersten eines historischen Dreischritts der Humboldt-Rezeption, wenn sie zunächst Steinthal als den "größten und einzig bedeutenden Vertreter"&! und Bewahrer Humboldtscher Sprachwissenschaft identifiziert. Trotzdem stellt sie den ,unbestrittenen' Steimhal in eine äußerst ,bestrittene' Linie, wenn sie konzediert; "Noch vor Stein thai, doch nicht mit dem gleichen Sachverstand und auch nicht mit dem gleichen Erfolg, hatte Pott die Ei"lehung (1876) hcrausgegc)) EIxt. w. Vgl. Trabant, TraJltiomm, 2.2.0., $. 59.
)i
Di Ctsare•• EinlcilUnif, a.J..O.• S. 11. Oi Ccsare. I'EinJcirung~, ;t.3.0., $. 14. - Zum Verlust der Sprache im pIJi/osophilChen Dis· kurs nach Humboldt vgl. auch Keller. Sprachphilosophie. ;1.3.0.. S. 30. Di Ceure, ~EinleilullgM, .1.2.0•• S. 12.
f>C
Ebd.
61
Di Cesare, .. Einleitunl(' 2 •.1.0., S. 13.
~
Ebd .
•1
Ebd.
SI
SI
"" Di Cesare.
~Einleitung".
2.a.0., S. 14.
68
Erster Teil: Rekonstruktionen HumboldLS
hen und kommentiert (...). Seinem Namen kann noch der von Georg von der Gabdcntz hinzugefügt werden, um dje bescheidene liste derjenigen zu vu· yollstindigen, die als ,Humboldtiancr' des 19. Jahrhundens- vielleicht nicht einm21 ganz zu Recht - erklärt werden können"6~.
Scharf geht auf die problematisierende Parenthese in verstärkender Form ein und stellt zu den .. Anfängen der sprachwissenschaftlichen HumboldtForschung-" fest: Es ist daran zu erinnern. "daR und wie sehr Humholdls nachgdassencs Sprach-Werk - seiner globalen Wirkungslosigkeit im t 9. und schließlich .auch bis tief ins 10. J:ahrhundert hinein zum Hohn - bereits an dessen Gr.1h zum Zanbpfel positiviStisch zementierter (Pott) und hermeneutisch zeltbriencr (Sleinlhal) Vereinnahmung.$- und Ausgabe-Bemühungen (...) wllrdtt"1.
Die 1876 von A. F. POrt veröffendichte zweibändige Ausgabe der Kawi· Einlcitung68 stellt sich für Scharf als ..archaisches Monument sclbstgcnüg· samer Gelehrsamkeit und zusammenhangloser Ausbreitungsmanic" 6'1 dar; ..cs ist dies die rücksichtSlose Linearisierung eines überdimensionalen cha· ouschen Zenelkastens"ro. Der einzige rote Faden der dazugehörigen Einleitung liege .,in ihrer durchgehenden ,Ungerechtigkeit' gegenüber Steinthal"'I, den Scharf - trOtz der o.g. Gegenüberstellung - als positiven her· meneutischen Gegenpart zu Potts Positivismus verteidigt. in Steimhals Bemühen um die Herausgabe der Humboldtschen Werke mit der voran· gehenden Auseinandersetzung mit Pott und der Entwicklung eines eigenen .. Programms zu einer neueo Ausgabe" 72, das schließlich 1883-84 in dem 700 Seiten umfassenden Werk .. Die sprachphilosophischen Werke Wilhelm's von Humboldt'"'J mündet, sieht Scharf dje editorisch-hermeneutische Gegenanstrengung gegen den Positivismus Ponscher Prägung. • ~ Di uurt', _Einlt'itUllj;-, :u.O., S. 15. Wo xhuf. .. Einleitung-, a.a.O.• S. 7. 101
Scharf,
1':
EW.
~,
Scharf,
V~rlahrrn.
1l.a.O.. S. 15. ... Vgl. Humboldt, W. 1'.: Urbl'r (l/~ V~r$rhli·Jrllht:l/ (ICI "'('I/lc""(h~" Spr"chbaut?l uml//nrll EmflltSJ dul d/~ gtuIIgt- f."umckr/Hng drl Mt1lJc/)ctlgelc!JIu/m, mit I.'rldHI~rndf'n Alllnt'r~ Ir/mge" und E:uurJttl. IOW/1' als Ei"lruutlg; W,lhrlm 1.10/1 Numboldt und dir Spr
.1..1.0., S. 10.
•: Stcinth"I, H.; .. Programm ~u tintt- m:utn Ausgam- der sprachptulosopiuschen Werke: Wilhdms \'on Humboldt", In: ZMwmft lieT VoIknpsycholog/t" Nnd PT;fdl'u:is~nJclu.lt, Xlii.
Jg. (1882), S. 101-132. 1J
Humboldt, W. ".: Dir lpttubpbJlosoph/sc/ul'l U'(ork~ U'/Ihr/m'l von HNmboiJl. Hrlg. Nmi "kLm von Dr. H.Smnthal. Bulin 1883-8<4.
2. Geschichten Humbold15; Rezcpdonspr\'lfilt
69
Mit seinen kenntnisreichen Kommentierungen zu den einz.elnen Werken und Werkteilen liegt in dieser ..Steinthaisehen Konkurre.nzausgabe"7\ dem nAnti-Pott"75, eine Leistung der Humboldt-FoTschung vor, die im Humboldtschen Sinne ausdrücklich sanktioniert wird. Steimhal ist, wieJ. Trabant es fomlULiert, .. trOtz aller notwendigen Vorbehalte, die bei einer solchen Aussage zu machen sind. sicher derjenige, der als der ,bumboldtischste' Sprachwissenschaftler im 19. Jahrhundert angesehen werden muß"76 J auch wenn er durch eine an Herbart orientierte Psychologisierung und eine an Hege! orientierte Systematisierung des humboldtschen Werkes dessen ..philosophischen Ansatz (...), den er nicht verstehen kann. auf ziemlich radikale Weise"77 verändert. Nebc.n der Herausgabe der sprachphilosophischen Texte ist es jedoch, so gesteht Trabant zu, vor allem Steintha.ls Leistung, ..sich im Sinne Humboldts jeder Verkürzung der Sprachwissenschaft auf das Programm der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft" 7s widersetzt. zu haben. Trotz der seinerz.eit .. begeisterten ,Renzensionsaufnahme"79 der heute weitgehend unumstrittenen Werkausgabe bleiben neben diesem ..ersten Schritt zu einer wissenschaftlichen Humboldt-Philologic" sO auch Steinthais Bemühungen um eine komplettierte Sprachwissenschaft nicht nur fast vollständig ungehört, insgesamt .. kommt Humboldts Programm zu spät. Als die Arbeiten Humboldts veröffentlicht werden. hat die Sprachwissenschaft bereits dic Richtung der historisch vergleichenden Forschung eingeschlagen"Sl. Die von Humboldt laut Trabant geforderte ..Vermählung von Philologie und Sprachwissenschaft, die darüber hinaus auch noch notwendigerweise auf eine hermeneutische, schöpferische Tätigkeit des Forschers hinausläuft- 82 , findet nicht statt. Vielmehr stelle ..am Anfang des neuen Jahrhunderts (...) die triumphierende historischvergleichende Sprachwissenschaft - zurecht - eine völlige Fremdheit zwischen dem Humboldtschen Geist und den Intentionen der damaligen Sprachwissenschaft fest"SJ. Diese erste Zeit der Humboldt-Rezeption schwankt also zwischen globaler rhetorischer Bewunderung, thematisch-sachlicher Ignoranz und ,. Schm, ~.Einleilung" :I.a.O" $.11. n
Ebd.
,,, Trab:llll. Traditionen, ;l.:I.O., S. 60. 71 Trab:mt. Tr"dititm~'I, ;1.:1.0.• S. 60-61. 18 Trabant. Traditionen. 3.20.0., S. 61. '"' 5I;hm, ..Einleitung", u,O., $. 12. .. Trabant, Traditionen, :1.:1.0.. S. bl. U Trab;ll\l, Traditionen, 20.:1.0., S. 59. '2 Ebd. Trab3nt, Traditionm. 3.:1.0" S. 60.
'J
70
Er:ncr Teil: Rekonstruktionen I-Iumboldu
Wirkungsverhinderung durch die wissenschaftlichen Machrverhälmisse dieser Zeit einerseits und mehr oder minder erfolgreichen Versuchen, an Humboldts Sprachdenken anzuknüpfen andererseits. Nimmt man nur den letzten Strang auf (der der globalen Wirkungslosigkeit begründet ein noch näher zu bestimmendes eigenes Profi!), so soll dieses Rezeplionsprofil, die eklatant ocgacivc Wertung Scharfs von der langfristigen Trag· weite her relativierend, mit aller gebotenen Vorsicht als Profil der produktiven (Miß-}Verställdnisse bezeichnet werden. Denn obwohl Scharf die Bandbreite der möglichen Humboldt-Rezeption mit den Marksteinen hermeneutischer Zelebration und. positivistischer Zementierung nicht nur markant kennzeichnet, sondern auch zu Recht konstatiert, daß allein schon diese Bandhreite signalisiert, daß von einer ,authentischen' Humboldt-Rezeption wohl nur sehr eingeschränkt die Rede sein kann, so können und würden beide genannten Haupt-Vertreter, POtt und Steim.hal, für sich doch in Anspruch nehmen, in Auseinandersetzung mit Humboldts Ansatz eine direkte Linie sowohl der Textsicherung (Charakteristikum 1) und der Gedanken- (Charakteristikum 2) und vereinzelten Themensicherung (Charakteristikum 4) als auch der produktiven WeitercntwickJung (Charakteristikum 3) auszuarbeiten. Dies gilt eben nicht nur für "die Sprachtheorie Steinthals""8\ sondern muß, bei aller Einschränkung, die sich bei der Sichrung und Bewertung des Ergebnisses ergibt, auch für die Bemühungen F. A. Potts i.n Rechnung gestellt werden: "Der Humboldtiamsmus von Pon, sicher weniger ausgeprägt als derjenige $teinthals, zeigt sich weniger in der programmatischen oder philosophischen Reflexion als vielmehr in der Ausdehnung seiner sprachwissenschaftlichen Interessen" S5 • In beiden Fällen wird versuchtso läßt sich festhalten -, das ,unzeitgemäße' Projekt ,zeitgemäß' fortzuführen, ein Verfahren, dem aus heutiger Sicht panieU das Prädikat der Fehlinterpretation anhaften muß86, das aber in der Denkweise des 19. Jahrhunderts, also wahlweise einer Weiterführung in ideen- bzw. geistesgeschichtlicher Perspektive bzw. der Installation und Erweiterung einer neuen wissenschaftlichen Tradition, nicht nur durchaus verständlich .. Vgl. duu vor allem fljngmacher, M.: Organismus d~r Sprad)ld~~. N. Suimhals Weg "'on Numboldl zu flumboldl. Paderbom U.1. 1996. S. 99~197. ,~ Tf:lb;tm, TradltilJ,,~n. a.a.O., S. 62. I(, Auf das wohl b~kanllleste Beispiel einer solchen Fehlint~rpretatjon weist J. Tf:lbant hin: ~Es ist Pon, der 1848 die berühmte ,Humboldtsche Klassifik1tion' der Sprachen in f1cktien:nde. isolierende, agglutinierende uud einverleibende Sprachen in die splö1chwissenschahliehe Liter:.t.tur einführt. (...) Bereiu Steimhal protestiert gegen diese Imcrpretuion (...) und stellt nac.hdriicklich fest, daß die Humboldtsehe Theorie eine Klassifiz.ierung der Sprachen ausdrücklich ablt'hne" (T",bant, Tradwolll'n, .l.1.0., S. 6}-64).
2.
Geschichl~1l
I-Iumbotdu: Reu.-plionsprofile
71
ist1l7• sondern in Struktur, Motivik und HandJungsformen mit dem die Pole der Umstrittenheit des Verfahrens signalisierenden Prädikat.,Vermächtnis und Erbst.reit: Edition und Exegese"!1 treffend umschrieben ist: Vermächtnis bedeutet die in Anspruch genommene ZiclvorsteUung, Erbstreit den wissenschaft(spo)li(tis}chen Charakter. Edition das sichernde. Exegese schließlich das auslegende und entwickelnde Verfahren einer Humholdt produktiv verstehen wollenden Wissenschaft der Sprache. Steimhal projektierr den WeiterentwickJungscharakter seiner Rezeptionstätigkeit selbst, wenn er Humboldts Werk als den ..Boden, in welchem die Sprachwissenschaft Wurzeln zu schlagen hat, und von dem aus sie sich zu erheben hat"lJ<J, charakterisiert. Der - das ,Original' überschreitendeProgreß durch Steinrhal ist also dessen eigenes, als authentisch verstandenes Programm. Laut Borsche setzen zwar mit Steinthal bereits die ..teilsteils Rczeptionen"-'IO ein, nach denen Humboldt nicht nur ..auf alle Fragen der Sprachwissenschaft zwei Antworten, eine, dictirt von seiner Theorie apriori, und eine andere. gefunden in den Thatsachen" 91 habe, sondern ..diese heiden (...) sich (sogar, U.W.) einander aus" 92 -schließen, dieses Splitting der ganzheitlichen Sprachauffassung Humholdts ist bei SteinthaJ jedoch noch insofern reflektiert, als es explizit Grundlage eigener Forschung(-sproduktivität) ist, ohne die Re.ibung mit dem Original zu verlieren. Borsche gesteht dann auch zu, daß dessen .. Humboldt lnte.rpretation (...) im ganzen viel grü.ndlicher, einsichtsvoller und differenzierter (is~ V.W.), als unter dem (...) besonderen Gesichtspunkt einer Geschichte de.r teils-teib Rezeptionen zur Geltung kommen" 9J kann. Es scheim daher opportun, ein solches Rezeplumsprofi/ in dem Charakter des produktiven (Miß-)Versländnisses zu kondensieren. Dies auch deswegen, weil diesem zur eigentlich barbarischen Form des Mißverständnisses, zum globalen Mißverstehen, die reflexive Besinnungslosigkeit Auch vermcimJiche oder lauichlie.hc Fchlinlcrpn:t:nioncn sind im übrigen tradicionsbildend: ~Der unurstörbarc Mythos einer Humboldtschen Typologie der Spnchcn begriindet ohne ied~n Zweifel die b«leulendste .Humbolduchc· Tendenz. in der Sprachwissenschaft. die ~n Nam~o wie: Sldnthal. Finck, Sapir und L~wy g~knüpft ist (lhb:mt. Tr"diliontn, u.O., S. 64). .. Scharf, Vnfahr~n. a.a.O.• S. 25. .. Su'inthal, H.: Dn Unp""'g drr SprAch~. im ZlfsammmhAngr mil d(:1l /rlLr~n Fragen a/Je; Wiskns. Em... Darsr~J[,,,,g. Kn'uk ,md Fortm(widt/ung drrwniig"chslcn Amichzc:n. Berlin (3.• Werm~s l"ntIeitC-rt~ AuO.) un. S. J. ~ Borsch~. SprachlUuichren. a.a.O., S. J9. " Itimh~. D~ Unprlfng dtT Sprach.... a.a.O... S. 114.
11
A
'I
Ebd.
') Borsche, Spr"ch41lsW1un. .1...a.O.. $. 5. (AnmJ).
Erster Teil: Rekonstruktionen Humboldts
72
fchl[, wenn auch in methodischer HinSicht oberflächlich manchmal Nähen benchen. Stcimhals Weg gelangt auch durch Kritik und Lob an Humboldl, durch aktive Auseinandersetzung, zu diesem zurück. M. Ringmacher hat diesen Prozeß :L1s ..Steinthais Weg von Humboldt Zu Humboldt"~ beschrieben. Mißverständnisse der produktiven Art si.nd nach Stcinthal daher weder auszuschließen, noch ungewollt. noch revidierungsunfähig. Zieht man die historische Linie des genannten Rezeptionsprofils weiter, so in es gegen .. Ende des Jahrhunderts (...) vor allem Georg von der Gabclcntz, (...) der die Nachfolge der Humboldtschen Tradition anuin-'s, wom.it bereits mark.iert ls~ wie fljcßend die historischen Grenzen in der Humboldt-Forschung eigentlich sind.
2.2 Profil 2: Fragmentarisierendes Mißverstehen Vor allem den reflexiven Anspruch, den St"eimhal in die Dehane hineinträgt, kann das zweite Rezeptionsproji/ der Humholdt"-Forschung nur schwerlich für sich in Anspruch nehmen. Gerade in diesem Profil, das bereits Mitte des t 9. Jahrhunderts seine punktuellen Wurzeln hat und schwerpunktmäßig von dessen Ende bis in die 60er bzw. 70er Jahre dieses Jahrhundens reicht, bcstand die Meinung, .. Humboldts Werk lasse sich als ein einheitsloses Sammelbecken einzelner Lehrmeinungen msehen, aus welchen man nach Geschmack und Belieben Sträuße flechten könne, um sie alsdann der Kritik zu überanrworten·"~. Die Basis dazu legten djc Vertreter der (vor-)herrschenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderu. die Quellen dieses RezepLionsprofils sind also gerade in der oben beschriebenen Dauerberufung trotz Nicht-Thematisierung zu suchen. Rezeption wird hier zur Aneignung. ja zur lexikalischen Plünderung zum Zwecke eigener Theorieenrwicklung und (häufiger noch) Legitimationshzw. Begründungsstrategie. Dieses Profilmusler, das - in sorgfältiger Abgrenzung zu dem des ersten Profils - als eines des jrtlgmentarisierenden Mißverstehem bezeichnet werden kann, findet mit Weisgerber und Chomsky zwar sowohl seinen Höhepunkt als auch seinen vorläufigen Abschluß, cs wird sich aber bei der Chronologie des ,Energeia-Diktums' zeigen. daß seine Ausläufer bis in die heutige Zeit reichen: Gerade in dieM.: Org..niJm/ltJ J" SprAchiJ~~. H. SuinrhAIs holdt. Padubom u.a. 19%. " Trabant. Tr..dilJ01lOl. a..a.O., 5. 62. .. Bol'$Chc. Spr.achAllucbt~n. a.~O .. S. 5"-55. ...
RingmJ.c~.
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von Hllmboldr
ZM
H/ltm·
2. Geschichten Humboldu: Re:r.eplionsprofile
73
sem Profil sind die ,Energeia'-Rezipienten zu finden. Auf die Grundstruktur dieser auf Legitimation des Eigenen drängenden Originalitätsklaustrophobie, die einzelne Humboldt-Paraphrasen miteinschließt, um sich in der eigenen Theorie nicht dauerhaft aUeine aufhalten zu müssen, hat Di Cesare hingewiesen: ..Man bemüht Humboldts Namen oft genug um des bloßen Glanzes willen und manchmal sogu. um sich ganz andersausgerichtete Thesen und Ziele bestätigen zu lassen or '7. Diese klauslrophobische Legitimacionsfigur findet sich bereits 185t bei Jakob Grimm98 und soll als erstes Charakteristikum dieses Profils bezeichnet sein. Wie subci1 indes die Übergänge vom erSten zum zweiten Profil zuweilen sind, wie also der Sprung vom produktiven Mißve,rständnis zum fragmenlarisierenden Mißverstehen abläuft, hat T. Borsehe am Beispiel von A. Marty vorgeführt. Die o.g. Ausführungen zur ,teils-teils Rezeption' und die bereits beobachtete. an Herbart orientierte, Psychologisierung HumboldlSchen Sprachdenkens durch Steinthai in Rechnung steUeod, weist Bersche auf, wie Marty durch Radikalisierung eben dieser ,teils-teils Rezeption' Steinthais ..Zerlegung der Sprach betrachtung Humboldts in zwei Hälften"'99 nicht nur übernimmt, sondern die bei Steinthai noch konnekriene Doppelperspekcive innerhalb dieser Relation gegeneinander wendet. .Was Humboldt", so Marty, .. uns bietet, ist nicht Psychologie; es ist Spekulation und Metaphysik in jenem Sinne. in dem man ein unfruchtbares Spiel mit Begriffen so genannt hat in Fngen, wo nur Empirie und darauf gebaute exakte Schlüsse eine Lösung bringen können"'loo. Marty. der
,ich hierfür exp~zit auf Steinmal, ,Humboldt-Kritik': .Nicht Metaphysik (...). sondern empirische Psychologie-IOI sei notwendig, beruft, wendet nun - durch Radikalisierung verfremdet - die Steimhalsche ,HumboldtRezeption' gegen diesen zurück, indem e.r seine. falsche Steinthal-Rezepti· on dafür als Argumentationshilfe benutzt: ..Hier hat Ste i n t ha I recht. Diese ganze, mit allen Fehlern der mystisch·spekulativen Methode behaftete Betrachtungsweise muß aufgegeben werden"101. ~
Oi Cesare. ~Einlt:itung", a.,1.0., S. 11. n Vgl. Trabanl. Tr"Jitionm. a.a.O., S. 95 und den.: ..I-Iuntboldt ~um Ursprung der Sprache: Ein Nachtrag ~um Problem des Sprachursprungs in der Ceschichte der Akademie". In: Zeitschrift fiir Phonetik. SprachwUJrmchaft ,md Komm,mikatiom!o,scJ",mg, 38. Jg. (1985), H.5. S. 576-589. hier. S. S77 f. - Zur Bez.iehung Humboldt - Grimm "gl. auch Sch",rf, Vn'fabren, ",.a.O.• 5.17. '" Borsche. Spramllnskbun. u.O.• S. 38. 100 Many, A.: .Ober Spnchref1ex. Nui"ismus und absichtiKhe Spl"1Jchbildung. 10 Artikel 18S4·1892". Ln: deo.: GcummeJu Sehriftm. Hrsg. von J. Eisc.':nmeier U.L 8<1. I.).. Hallt' 1916. S. 1-304.9. Artikel S. 261·28-4, hier: 5.176·277. lCI Stanthat. Der Urspnmg JerSprltehr. a.a.O., S. 370. Itl Marty, OJn., SprltCbrefkx, u.O.• S. 277.
74
Erster Tril: Rekonstruktionen HUllIboldts
Das fragmentarisierende MIßverstehen wird dann noch durch einen erneuren Argumemarionssalto komplettiert. wenn Steinthai ,kritisch gefragt' wird, wie denn ,.mit diesem verwerfenden U rtcil die (sonstigen. U.W.) Lobspruche (gegenüber Humboldt, U.W.) zu vereinigen"- IOJ seien. Aber schon die Argument:ltionsgrundlage ist so abstrus wie deren Gatlg grotesk. Gegen Humboldt - wiederum gegen den substantiellen Gehalt und den theoretischen Enrwurf des Rezepuonsopfers - einzuwenden, was er biete sei .. nicht Psychologic"l04, k:mn diesen ja noch nicht einmal streifen, weil im Kern dessen Sprach- und WisscnschaJts3uffassung gar nicht berührt ist, dieses vielmehr jedem positivistischen .Psychologismus diamc· tral entgegensteht. Manys ,Kritik' kann nicht nur als ein Paradebeispiel der Fehlinterpretation Humboldtscher Sprachtheorie (erste Stufe der Humboldt-Entsagung) angesehen werden, sondern führt durch die abstruse Dreiecksargu~ mentation, die unkenntlich zwischen Humboldt, SteinthaJ und Marty hin und her springt, auch plastisch vor~ wie in der RCl.cprionsgcschichte Fehlinterpretationsketten dadurch zustande kommen können, daß (Fehl-) In· terprctariooen e.rneut fehlinterpretiert werden (zweite 5tuJe der Entsagung). Jede Authentizität verschwindet so irgend wann im Nebel de.r Verweise und Umdeutungen. Als groteske Konsequenz solcher ,Rezeption' tritt dann im Laufe der Zeit eben nicht Humboldrs authentische Theorie gegen konkurrierende Positionen an, sondern - wie zur ,Korrek~ tur des jeweils falschen Humboldts' durchaus geschehen - .Humboldt' gegen ,Humboldt' (dritte Enrsagungsstufe). Die latente und manifeste Gefahr der Bildung von Fehlinterpretationskenen durch die drt"i Stufen der Humboldt-Entsagung sollte hier als zweitcs Charakteristikum des Rezeplion$profils des {ragmentarisiercnden MjßversulJetJS dingfest gemacht werden. Vol1kommen abwegige Conclusionen, hier einmal repräst"ntatioschon vor ihrer Prüfung wie selbstverständlich nistischcr Provenienz, als Prämissen gehandelt werden, sind dann vorprogrammien und begründen den endlosen Kreislauf sich selbst genügender AUtags·Posrulatc:
rue
..So ist ja die Sprache (...) nicht, wie 5 lei n t hai will, primär ein Selbslbe· wußtsein (...), sondern, wie Tiedema n n und vor ihm Lo c k e und Ar is t 0tel e s gelehrt haben. vor allem und in erster Linie ein Mittel zur Kundgabe des eigenen inneren Lebens zum Behuft" der 8«influssung des fremden und erst sekundär (...) auch ein Umersrutl.ungsmiucl (ur das einsame Denkt"n"l~. ElxI. •'" Mmy, Ob" Sprtlchnfl~x. a.a.O., s. m. la! Many, Obn Sprtlchrrflrx, a.a.O., S. 266. - ZUT Bcdtt.ltungJohn Locke$, der zu sci~r uit _nichl nur als einet der wichtigslen Denker des 17. JUirhuodens. sondern auch ~s deren ICU
2. Geschichten Humboldl$:
R(,1.eption~profil . .
75
Die Materialsammlung und die Wertung solcher und weniger dramatischer Ereignisse der verschiedenen Stufen der Humboldt-Entsagung sind bei den Rezeptionsgeschichtsschreibern indes unterschied.lich. Während Di Cesare nach der - nicht unproblematischen (!) - Identifizierung der ..drei Bereiche. in die Humboldt das Sprachsrudium einteilt: Typologie, Linguistik der Struktur und Linguistik des Charakters"I06, weitgehend darauf verzichtet. die ... Entwicklung dieser Richtungen nachzuzeichnen, wie sie von den vereinzelten Rinnsalen des 19. Jahrhunderts zu den zunehmend mächtigeren Strömen des 20. Jahrhunderts fühn" 107 und sich damit begnügt .. Umrisse anzudeutcn" I08• gibt Scharf - einen ebenso ,authentischen' wie anspruchsvollen Rezeptionsbegriff im Hintergrund - zu bedenken, daß nach Steinthai .. die groß~ Pause (Herv., V.W.) der sprachwissenschaftlichen Humboldt-Forschung infolge eines nicht nur wissenschaftsgeschichtlich begründeten Rezeptionsvakuums und entsprechend gravierender Tradirionslücken rund ein Jahrhundc.n- 10'1 dauene. Mit Blick auf die dem zweiten Rezeptionsprofil zugrunde liegende Motivik führt Scharf, die damit verbundene faule Reduktion des Humboldtschen Sprachdenkens entlarvend. hinzu: .. In einer ausgedehnten Grau1.one semi- oder panwissenschafdicher Humboldt-Berufungen, -Anlehnungen und -Nacherzählungen war die Alternative ,e.xegetische Textanalysc versus plakative Autoritiiuzilation' wie auch schon vor Steinthals Edition meistens eindeutig zulaStcn des Werk-Verstehcns enlschieden-liD.
Auch die ..spärlichen Humboldt-Assoziationen bei Croce (1902)111 und Vossler (1904)1ll etwa-lU wertet Scharf .. kaum als notierenswerte Forschungsanstrengungen oder -leistungen- 1I4 • Den umersteUten thematischen Zusammenhang beider expliziert Di Cesare genauer: bedeulMdster Sprachphilosoph~ gah, vg\. den aufschlußreichen Anikel von G. SuC'minger: ,John locke (1632-1704t. In: Oasea!. M. u.a. (Hl1g.): SprachphilosophIe, a.a.O.• S. 308·320, hier: S. 308. '''O'C I · · . a.a. OS I eure, ~ E In · enung .• . 15. 101 Ebd. 10lI Di Cesare•• EinleitWlg". a.a.O.• S. 16. IC't Schuf, Vnfab"". a.1.0.. S. 36. 110
Ebd.
1Il Schuf vttWeist hier- auf B. Croces Schrift: ErutlGf c:ome sacnu dtdf'csprtJs,o"c (' ImgM;· JtiC.l genuale. llalermo 1902. S. 361·371 (dL TübingC'n 1930. S. 336-346).
Schuf vtrWe1St hier auf K. Vosslcrs Schrift: Posirivismus lind IdcalismllJ in deT SprAehwlUenscb4J. HC'idclbcrg 1904. S. 8$-98. In Scharf. Vnfahrm. ;1,.;1,.0., S. 36. 111
I t·
Ebd.
76
Erster Teil: Rekonstruktionen
HumoolJI~
..Zu Beginn des 20. Jahrhundens beruft Vossler (...) sich gegen den Positivismw auf Humboldt; dabei verfolgt er zwar ein eigenLlich Humbolduches Zitl, nämlich die Kre,uivitit der Spnche in den Jit'l~rmscht'n TeXlen zu fassen (...), gehl jedoch von Croces C...) Gleichsetzung von Ästhetik und Linguistik aw"IU.
Für Di Cesare kann daher in Scharfs so betitelter ,Grauzone' auch nicht ..von einer tatsächlichen Rezeption. so doch von einer Auseinandersetzung mit Humboldts Werk gesprochen wcrdcn'"Il&. die sie z.B. in der Fortführung zahlreicher Humboldtschcf Termini in der Entwicklung einer - im 20. Jahrhunden vorherrschenden - Linguistik der Struktur plastisch rcpräsemicrt sieht. So stellt sie zutreffend feSt, daß trotz dieses lexika.lischen Dauerleasings "keine Richtung der Linguistik, auch der deutsche ,Neuhumboldtianislllus' (Weisgerber, Trier, lpsen, Porzig) nicht, der doch ausdrücklich das Erbe Humboldts in Anspruch nimmt"117, dessen "Projekt des Sprachstudiums verwirklicht"lI' hat. Gegen die Urteils-Radikalität, die sich mit dem Terminus ,Grauzone' verbindet., aho einer Zeit "der großen Pause der sprachtheoretischen Humboldt-Forschung", in der laut Scharf "allein die spanische Publikation von Valvcrde (1955) nennenswert"ll., ist, votiert Trabant jedoch für eilUDi Ceu.r~. ~Einlcilung~, .1.11.0., S. 17. - Vgl. dnu :l.uch TrJbanl. TradillQ'U'" /'f,,,,,bo!dfJ, :.u.O.• S. 66. "'D·C 1 · · ,:1..011.OS7 I CSOllre, ~ E 111 ·Cltung ., . I . 111 Elxl. - Di Ccsar~ "erweist hier OIIuf zentrale rublik.uianen des ,NeuhumboldtiOllnismus': W~isgtrbcr, L.: .. Du Probl~m der mncren Sprachfonn und seine Bedeutung für die deulsche- Sprx.llC:~. In: Gnm"nu(h-Roma.. iKb~ Mo"..tJuhr'ft. H. Jg. (1926). S. 241-256. Den.:~. euromOllntik' in der Sp~hwisscnK:hut~. In: G«malf/.J€h-RomamMht' MOliaUschrift. 18. Jg. (1930). S. 241-259. - Ikr.s.: M14ttt'TJprAcht' 14"J Cruusb,/dung. GÖltingen (2. Auß.) 1939. - Den.: .. Dit' Sprache als wirkende Krafl·. 1n: Stlld/l4m GmC'ra/t'. ~. Jg. (1951). S. 127-135. - D~rs.: ~Zum Energt'ia-Begriff In Humbokhs SpfKhbctr",chlung~. In: Wirkt"dl'J \VQrt. 4.Jg. (l953·S4). S. 37...·377, - Dt'rs.: ~Ioner.:- Sprachform als Stil spr:IChIicher Am'erwAndiung der Weh". In: Studium Gmat'/t'. 7. Jg. (1954), S. 571 ,579. - Den.: VOtl den Kriiltt'n dtr deutsche" SprAche. i Bde. Düssdclorf 1950-62. - Oers.: Zur Grund· legJmg der ganzheit/irhm SprMhAuffammg. Aufs.a'lu /92'-1933. Diissddorf I~64. - TriC'r, J.: .. 0:115 sprachliche Feld: Eine AU$t"inandef$C'(zung". In: Neue jalJrbii(her liir \VuJm· 1ehaft ,md j14gt>ldbdd"ng. 1O. Jg. (1934). S. 428-449. - lp.sen. H.: Sprachphilosophit J~,. Geg~nwart. Ph,loJophisch, ForJCh14ngJbttl.·eglC11gt'n. Bc.rlin 19)0. - Oers.: ..Der neue Sprachbcg.riU". In: bit~hnfi {iir Dt'14tschk"nde. '46. Jg. (19J2). S. 1-18. - Ponig. W.; ~Def" Begriff der inneren Spruhfonn". In: lndogt'Tm:muche For~bungt'n. 41. Jg. (1923), S. 1>0169. - Den.. : ..spr:.u:hform und 8«ieutung. Eine Ausein.anderselZung mit A. Many's Sprachphilosophie". In: /ndogt'rmamsclm Jahrb14lh. 12. Jg. (1928). S. 1-20. - Den.: DAS U'IIlIde,. dn Spramc. München U •.a.. (3. Auß.) 1961. lJI Di Ccure. ~Einleirung", a..I.0.• S. 18. "' Scharf, Vtr/Ahrm, 011.11.0., S. 38. - twf rekumen hier OIIuf Va.lvr.rde, J. M.: G14Jlcrmo dc Humboldt y 14 jiloJor:a dcllellgurJjt. M.adrid 1955.
2. Gescllichlcn Humboldu: ReUptLOnsprofil{'
77
ne sanftere Interpretationsvariante, die - bei den Vertretern beginnend, die schon für das erste Reuptionrprofil in Anspruch genommen wurden auch die produktiven oppositionellen Wirkungen mit ins Bild der Humboldt-Rezeption setzt und würdigt: Er betont, daß gerade "weil das Humboldtsche Programm in wesentlichen Zügen der herrschenden Lehre der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts, der historisch-vergleichenden Untersuchung (der indogermanischen Sprachen), entgegensteht, (..,) es ein Reservoir für alle möglichen oppositionellen Sprachwisscnschaftcll dar (-stellt. U.W.), die oft "erbunden sind mit der Erforschung nicht-indoeuropäischer Sprachen-l!o.
In einer solchen Sicht der Lage ist dann auch eine Wertung möglich, die feststeHt, daß es die Humboldtianer selbst sind, "die jenseits ihrer Divergenzen in der Text-lnterpretation gerade Spr:ach-Typologie betreiben, d.ie damit natürlich als typisch humboldtisch erscheint. Das war vielleicht eine Möglichkeit, das Werk Humboldts in positivistischen Zeiten zu ,retten'''121. So finden sich "wahrhaft Humboldtsche Intentionen vor aJlem in den Forschungen zu nicht-indogermanischen Sprachen"lu, wofür Trabant auf Humboldts Sekretär Buschmann als Spezialist für malayo-polynesische Sprachen und auf von der Gabelentz als Sinologe hinweist. 123 ln dieser Sicht ist dann die Humboldt-Berufung der synchronischen Sprachwissenschaft, z.B. die Bloomfields, gegen die histOrisch-vergleichende ebenso zulässig wie die großzügige Spannbreite möglich, die Hjcmlslev und Saussure "ohne große Schwierigkeiten in die Humboldrscbe Tradition"'124 stelh. Die tatsächlich verbleibende Größe der Schwierigkeiten mißt Trabant allerdings nicht aus. Bezeichnend ist jedoch, daß mit: einem Modell des oppositionellen Potentials die Grenzen zwischen dem ersten und zweiten Rezeprionsprofil durchaus fließend werden. Trabant weist noch auf die Rolle Cassirers hin, mit dem Humboldt in die philosophische Diskussion zurückkehrt, und auf die Hei.deggers, mit dem - wie ich gezeigt habe - das Album des (Energeia-) Mißverstehens und auch des Sprachverständnisses um ein weiteres - wohl aber sehr illustres - Bild bereichert wird, auf dem die Sprache als Sprache in absolute Autonomie gesetzt erscheint. 125 111
Tnbam, TraJitiollm, a,a.O., S. 63. Trabant. ;raJiJioflm. ,1.3.0., S. M.
111
Ebd.
llC
Vgl. TrabalH, TraJjljOllt~Tl, 2.:1.0.. S. 65. IH Tr:lbam. Traditiollen. :u.O.• S. 65. I!! Vgl. Traballl, Traduiorltn, a.a.O., 67-68. - Trabant rckurnC"rt hier auf Cassirer•• Oic Kan~ [ischen Elemente in Wilhdm von Humboldu Sprachphilosophit'''. 01.2.0.• und l-IC'idcggcr, Untn-wt'gs lNr Sprache. 'Ul.Q.
llJ
78
Enu'r Teil: RckonSINktiOtltn Hurnboldt$
Es wäre an dieser Stelle unmöglich, der disparaten Lage des zweiten RezeplioDsprofils. des fragmentarisierenden Mißverstehens. in aUen Einzelheiten und Schattierungen nachzugehen. Kennzeichnend ist vor allem das dritte Charakteristikum: Humboldts Werk wird nicht nur einfach fragmentarisch rezipie~ die ,Sträuße< nach Beliehen gebunden und nach dem Kriterium der Ästhetik der eigenen Theorie immer neu zusammen· gestellt, solche Humboldt-Florislik wird auch zu ihrem eigenen Opfer. indem sie ihre !ragmentarisierende Vorgehensweise aus dem Blick verliert, und sich deren Konsequenzen - durch andere oder innerhalb der eigenen Theorie - irgend wann gegen sie zurückwe.ndcn.
2.3 Profil 3: Authentische Rekonstruktion Konstruierte Authentizität Die historischen Grenzen zwischen den Profilen der produktiven (MIß-) Verständnisse und des fragmenlarisieTenden Mlßverstehem sind chronologisch ineinander verschoben. Auch die systematische Demarkationslinie ist äußerst penneabel. Trotzdem ließen sich bereits am Modell beider Rezeptiompro[ile deren unterschiedliche Perspektiven erkennen. und eben diese Perspcktivensichrung macht deutlich, warum sich in diesem Jahrhundert ..seit Mine der sechziger Jahre sowohl in der Philosophie als auch in der Linguistik eine ,Humboldt-Renaissancc< ereignet (Umst., U.W.)"'llo hat. Diese Renaissance und das dazugehörige, dritte Rezeplionsprofill!l, das als eines seiner charakteristischen Attribute zweifelsohne das der Korrektur trägt. wurde eben durch eine Position ausgelöst. die ohne Frage den dramaturgiscbcn Gipfel des zweiten Profils darstellt und die sich - fugenlos in die damit verbundene Anspruchshaltung ei.ngliedernd - wiederum als originäre Humboldt-Rczeption verstand: die Cartesianische linguistik a la Chomsky. Dieser war "fest überzeugt" 128, so Di Cesare, nin Humboldt einen Vorläufer der generativen Grammatik erkennen zu können"'I1'1. Es ist llto Oi Ceurc, .Einlcitung\ a.20.0.• S, 18. m Aurgrund d~r unlcr.schiedhchen Bewertungen der Humbol(h+Forschung wird jt- n.lch Sichtwc:isc der B,,-grirf der .. Humboldt-Ren.loisu.nee" auch von Vcnreu:rn des zweiten Rrzrpriompro[ill bzw. \on .profilüberKhncidcndcn' Positionen in Anspruch genommen. Vgl. duu Gippcr. H. und Schmiut!r. P.: Spr"chrl.'lSsmKh4t J4nd Spr"chplJ//osopbl~ Jm Z~ir"llvdrrRomantJt.
Tübingen 1979. In Di Cuan; .. Einleitung". 20..1.0.. S. 19. Il'I
117-119.
Ebd. - Vgl. Chomsk:\" N.: Cmcsl,zn l.mglfuuCJ: A Oaptcr Tho"gh,. Ncv,' York 1%6.
In
thc Htltor)' o{ RatlOnalur
2. Ges.;:hichlC'n Humboldu: RC'zcplionsprofile
79
Ironie der Forschungsgeschichte, daß dann vor allem mit der Gegenbewegung gegen dessen rezitative Zudringlichkeit Humboldtschen Texten gegenüber ausgerechnet dieser "eine heftige Diskussion über Themen ausgelöst (hat, U.W.), die für die gegenwärtige Linguistik von großer Bedeutung sind" 1)0. Chomsky hat gleichsam, die alltagssprachliche Umschreibung dieses wissenschaftshistorischen Phänomens sei hier statthaft, das Humboldtsche Rezeptionsfaß endgültig zum Überlaufen gebracht und so ..den Anstoß zu einer neuen, lebendigen Diskussion des Humboldtsehen Sprachdenkens"l)l gegeben. Die Erregung über Chomskys Humboldt-Okkupation war auch deswegen so groß, weil für ihn die "nomenklatorische Humboldt-Lektüre" ll2 besonders charakteristisch ist. Scharf, dessen Dissertation von 1977 der gründlichen Zurückweisung der Chomskyscben Humboldt-Anspriiche gewidmet ist, stellt dazu fest: "ln der Rekonstruktion (...) wird deutlich, mit welcher Oberflächlichkeit Chomsky Zjtate oder Zitadetzcn aus dem Zentrum der Humholdtschen Sprachtheorie verwendet, ohne auch nur versuchsweise in diese selbst einzudringen"')) Diese Diskussion ist inzwischen hinreichend und umfassend aufgearbeitet, vor allem durch Scharfs Verhör von 1994, innerhalb dessen Chornskys ..Basisdifferenzierung zwischen Tiefen- und Oberflächenstrukruren"lJi endgültig als .. moderne linguistische Transformation des Repräsentationsdenkcns" us entlarvt wird. l.l6 In einem früheren Aufsatz kommt Scharf bereits zu dem ebenso eindeutigen wie vernichtenden Urteil: ..Es ist wohl gerade die Poime der von W. Oesterreichcr (1981) gestellten Frage: ,Wem gehört Humboldt?' I), keine positive Antwort zuzulassen - insofern spätestens sie privatisierenden Bewerhern die Augen über ihre wortwördiche Gemeinheit öffnet. Wenn nun aber auch in der Wissenschaft lnhesitznahme nur über konkurrierende Auseinandersetzungen möglich scheint, so ist eine negative Antwort auf die Frage, wem Humholdt gehöre, inzwischen völlig risikolos:
LU
Di Cesare... E.inleitung", a.a.O., 5.19. Trabant, TrfJJitiQntn. a.... O., S. 68. Sch.. rf. Verfahre", a.a.O., S. <)6.
III
Ebd.
lJO 111
l)ol Scharf. Il~
Va/ahn',,> a.a.O., S. 101.
Ebd.
Vgl. dazu "'('Ir allem Sch..rfs Ver[almm, a.a.O., S. H-15S und die vcrschied<:nen Vorläufer zu dieser Studie bis zur I)is~. von 1977. - Vgl. :luch Borsche, Spro,chansh'bten, :l.J..O.• S.II·.34. m Sdurf: ~Da.s Verfahren der Sprache. Ein Nachtrag zu Cbomskys HUßlboldt-Reklamation". In: Eschbach, A. und Trabant, J. (Hrsg.): J-/iJtory o[ Srmiotin. Amstenhm. Philadelphia 198.l S. 205-249. hier: S. 205. - Sanfter umih zunachst Borsehe, der in der Weilerführung der Humboldl.$C.hen BegrifOic.hkeit auch das Positive erkennen will. In bezug ",uf l.ko
80
Erster Tcil; Rckorl5lruklioncn Humholdts
Das dritte Rezeptiomprofil beginnt daher mit der Erkenntnis. daß Humboldt wohl wesentlich sich selbst gehört. Neben dem genannten KorrekUtr-Charakteristikum (I) steht daher die Aufgabe einer autJumrischen Rekonstruktion des Humboldtschen Sprachdellkens im Hinblick auf dessen theoretische Substanz im Vordergrund und biJdet so das zweite, das Rekonstruktions-Charakteristikum (2) dieses RezepcionsprofiJs. Heide Charakteristika 1 und 2 haben jedoch eine Voraussetzung, die als Grundannahme den beiden anderen vorausgeht. daß nämlich Humboldts Sprachdenken überhaupt eine in sich stimmige, originäre Theorie darstellt und als solche in ihrer Authentizität aufweisbar ist. Im Sinne einer wissenschaftlichen Reflexion über dieses Problem ist dies nicht nur irgendeioe, sondern die Entdeckung der Humboldt-Renaissance, die Barsche auch als Voraussetzung seiner Sprachansichten formuliert, daß es nämJich möglich und sinnvoll ist, "das Gesamtwerk Humboldts als eine innere Einheit zu betrachten«m. Dieses dritte, das Einbcits-Chamkteristikum ll ?, trägt das dritte Rezeptionsprofil uod ist für die gesamte neue re Hurnboldt-Forschung kennzeichnend. Borsche hat dieses methodisch-nofwen-
1)1
I.VI
die hier zur Debatlc sIehende, Sehr eigensländige begriffliche NUlzun b \'011 .Ellergei~' und .Ergon' durch Weisgerber und von .E.rLeugung' und "adtes Erzeugtes' durch Chomsky gibt Cr vorlaufig zu bedenken: .E~ köome :llso scheinen, als hiuen Weisgerber und Chomsky. jl·der ,lu( seine Weise, die Forderung I-Iumooldts erfüllt, in der Spl'.lchwissen~cha(1 die herrsthend c st.ltisdH~ Bchandlungswc:isc des Gegcnst:lIldes einer dyn.lmisehen unttn:uonlm'n" (Borsche, Sprach,uuichlell, a,,I..0.• S. 221). Danll abl'r llIal:h, Borsche deutlich, warum diese lmerpr<'t"lllion eine Fchlleitur1j:: iSI: _Aus der Sich, Humboldu ist in den bciden modern/m Versionen dyn~mi~cher Sprachwl.s.sellSchaft die ,Vergleichung des SpradlsystemS uUt NalursYStrmcn' eineIl elltschddl'l1dl'lI Sdlriu weiler gerührt, .als deI' Gegensland es erlaubt'" (Borsehe. SprMhllrlsic/'lt'n, :a.~.O .• S. 22:2). Weisgerbers und Chomskys Sprnchwisse.nscha{t arbeiten mit - spnchwisscnschJfdich gcsehen - bcMrcm· dem Instrumenunum, wenn sie in naturwissenschaftlichem Sinne ein Schislll.l vQn Ergon und EIIl.'rgei,l ddinierrl1. Dagegen fiihn Borsche die HumboldlSche Argumenution an: .Die Naturkunde hai es nie mil Geistigem und nie mit Indi\,jduclll"m zu thun. und eine Sprache ist eine geistige Indh'idualitit" (Ueb('r dir Vrrsc!Jiedtmlwlt'rl, VI 151). - Nun schützt die richlige Kritik an FalS\:hcm nicht vor eigenen Interprctalionstchlern. E. Cosc· riu fülln zur Humboldt-Rtuptioll Chomskys aus; _Es ist bedauerlich. daß ein Spraehwissenschafl1er, der l.U Humboldr zurückzukehren meint, so verfährt. als hätten Kam und Hegel nie gelebt. und dabei die wirklichen philosophischell Zusammenl,il1ge sowie die l'igentlichen Grundlagen der HumboldLSchen Spr,lchauff~.ssung völlig ignorlCfl" (Coseriu, E.: Spracht - StrHklurm Imd Funkllorum. Tübingcn [3.. durchg. und ~·erbess. Aufl.J 1979, S.86, Anm. 12). Trotz diesc:r richtiGen FeS:lSI('\lung ist CO$t."rius Operuion;aJisierung des .EnergeiJ.'-Begrirfs und dessen Übcnragung auf bzw. die Parallc:lisierung mil dem Saus~ suresehen l;)ngue-puö!c-Schcma (vgJ. S. 47) lußersl problematisch. Borschl', Spracbamichlen, a.a.O., S. 5-1. Vgl. duu ,luch die plausible Skizzt' von K. Junker: ~Überlegunge.n %,ur Einheit der Konzeplion im Gc~-amtwerk Wilhtlm von I-Iumboldu", In: \Vissmscba/tliche Zt'irsdmft der HII/IIboldr,U'livmiläl zu Btrlin, (Bd.) 3J. Jg. (198-1), S. "99-50].
2. Geschjchlell I-Iumboldts: Reuprjonsprofile
81
dige Postulat u.a. mit einer theoretischen Option eines Denkers begründet. von dem im folgenden noch intensiv zu sprechen sein wird -M. Fou· cault: ..Wenn es sinnvoll sc=in soll, einen Gegenstand auu.ulegen, dann muß man diesem. wie M. FOUC:lUlt es ausdruckt, einen ,Sinn-Kredit (credit de coherence)' einräumen. HO Es gilt, in ihm ein ,Einheitsprin2.ip (principe de cohe.sion)' 2.U finden. aus dem heraus sich die Fülle des einzelnen deuten läßt, um dem Reden über den Gegenstand Sinn 2.U gcbcn"I~I.
Wohlgemerkt ist dieser Foucault-Rekurs und das damit verbundene Posrulat nicht nur auf der methodischen Ebene virulent, es begründet und kommentiert vielmehr den Einspruch, daß diese Einheit für das Humboldtsche Sprachdenken konstitutiv ist. Scharf referiert die Rezeptionslage der Humboldt-Renaissance, die auf dem genannten Postulat aufbaut. in großen Zügen, wenn er zunächst diese ("gleich einem neuen Mcilenstein"lU) "mit liebrucks' monumentalem Humboldt-Werk von 1965"1~) einsetzen sieht, ..dessen immense Komplexität paradoxerweise eine breitere Wirkung blockiert haben mag"U\ ,,(...) gefolgt von einigen wesentljch bcgre:nztcren, glcichwohJ lntensiven und konstruktiven Beiträgenl~), bis schJicßlich mit der exzellenten Monographie von Barsche (1981) mit ihren luziden begriffsgeschichtlichen Analysen der philosophischen (speziell Lcibniz.-Kantischen) Grundlagen und systematischen Konsequenzen der Humboldt.Schen Sprachtheorie eine neue Basis und ein vorläufiger Höhepunkt der sprachphilosophischen Humboldt-Forschung erreicht ist"I4(,.
Auf der Ebene der Textsicherung hat den "Anschluß an SteLnthals' Editions- und DeU(ungsniveau"1~7 der "Abschluß der Humboldt-Edition von HO M. FouColu1t; L'arclJiologjt du SIl'llOIT. P3.ris 1969, S. 195 (xit.n.8orsene. S. 53 [Anm.2)). UI Barsche, SprachamiclJum, ilI.2.0., S. 53. l'j 1U IU
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harf,
.Einleitung~.
,1.2.0.• S. 15.
Ebd. Ebd. Scharf weist hier auf folgendt" Vt"röHentlichungCJI hin: Pleines, J,: .Das Problem der SprA~ ehe bc-i HumbuldL Voraussct'zungcn und Möglichkeiten cincr neuzeitlich-kritischen Sprachphilosophic". In: Gadamer. H.-G. (Hrsg.): Dar Problem dcr Spracht. München 1%7. S. ) 1.....3. - Simon, J.: Philosophie und linguistischt Thr-orit. Berlin u.a. 1971. S. 108122. - Riede!, Vmtc/un oder Erklären? u.O., S. J)4~ 159. - Ders.: .5prec:hen und Hören, Zum dialektischen GrundverhälUlis in Humboldu Sprachphilosophie". In: Zeiuchn"{t fiir philo$ophi$dJt Forschung, -w. Jg. (1986). S. )37·351. - Rcckennann, A.: Sprache und Metaphysik. Zllr Kritik d" sprachlit:hen Vernunft bei Herdff und Humboldl. München 1979. S. 58-106. - S~baß. Das Problem 'fIon Sprache lind Denken, u ..O., S. 48·8). Scharf•• Einleirung a.a.O.. S. 15-16. Scharf, .Einleitung·, ~.a.O.• S. 17. M
,
ErMcr Teil: Rckonslruklioncn l-IumboldLS
82
Flitner und Giel (W'erke I'n fünf Bänden)"'HS wiederhcrgestellr.U'i 1993 weist Scharf noch auf die Sammelbände, die als "Dokumentationen der Kongresse und Kolloquien in Ost-Berlin (1.501, Darmstadr (151) und Düsseldorf (m) sowie einer Vortragsreihe in West-Bcrlio (15J)"'Si entstanden sind und die im Kontext von"W. v. Humholdts 150. Todestag (...) die sprachtheoretische Humboldt-Forschung stimuliert und befördert und damit das Steinthalsche Feuer neu entflammt"l;) haben. Diese Renaissance in Rechnung stellend. können heute, wie ich dies in Kap. 1 gezeigt habe, die zentralen Theoreme Humboldtschen Sprach-
denkens weitgehend als erforscht gehen. Zusammenlassend zu erwähnen sind hier vor allem die Arbeiten von K. Mueller-Vollmer 156, der in Poesie lmd Einbildungskraft. (1967) Humboldts ..Beitrag zur Geschichte der Literarurkritik und zur Theorie der Dichtkunst"IS7 nachgeht. weiterhin 141
H~
Ehd.
Vgl, Humboldt. W......: Werkt" j" [;;II! Hiindell. Hrsg. tJQn Am/n'a> Flimer uml KlallJ Gid. Dummdt 1980-93. I» Vgl. Sprt'u. A. und Bond7.io. W. (Hrsg.): Humhotdl-Grmml-KolI[ertln. Bl'r/in. 22.-15. Okwber /985. Berlin (DDR) 1986. IJI Vgl. H",b~'rg, R. (H rsg.); Spracht ,.nd lJildlmg. Beitriigt 7./lm / JO. TodtSlag \V,lhrlm tJQ1J HumbolJtJ. DarmSladt 1987. 1': ScllJrf. SprilchdenkcIl• .:1 •.:1.0. IU Vgl. Schle.ralh, B. (Hrsg.); \Vj/helm 11011 HllmbQldl. VQrtragsqkbu zm" ISO. Todeil"g. Bcrlin 1986. l~ Scharf. Vufllhrm, .1.3.0.• 5. 39. m Ebd. - Zur besonderen Ent.fJ:l.Inmung mag iiuch die- VOll H. MüJle.r-Si~""ers tu Ehren des 60. Geburlstaß~'S vun K. Mucller-Volllllcr umc:r dem Titel ~Poeuk-Hull1boIJI-llcrrneu tik~ herausgegebene Ausgabe ....On KOilikaslCode. AN Seml~lOr;Cd, 11. Jg. (1988), Nu.l f2. beigetr3g~'n habc:n. Einige der don vcrtrelcnen Beitrage sind indes bereits selbst schon Ergebnis der EntOammung. I~ Vgl. .luch Scharf. Verfahren. a.:I..O., S. 35. Anm. 33 und H. 1ST Mudler- Vollmer, K.; POCJlf~ Ulld €mbIIJun8skrafl. Zur Dichlllngslheon"t! Wi/helm von NumboldlJ..lIit d~r zweisprachigen AUJgdve eines AU{JaruJ /-fumboldu fiir frau dt Statt. Stur!gan 1%7. S. V.- Vgl. auch die Wcitcrführ1JIIg der Proble.m:uik III Den;.: ~ VOl] der Poetik zur LinguiS[ik-' u.O.. in drr Mucller-VolJmt'r feststellt. daß ~die Wende \'on der Poetik 'Lur Linguistik (...) nicht eine einf'o1che- MJtkierung \'on Humboldts Entwicklung· bedt'UlCt, ~sondern ein AusmftSSt'n des Feldes drs romantische.n Spnchbl't;riffs" (5. 240). - Humboldu Bedeutung innerhalb e-im's romantischen Spn..:hhegriffs hai .luch H. Gipper herausgestellt. Vgl. d:l'w auch seine Besprechung d<.'! Anulzes Mudler- Vnllrmrs, der ~jn seine.r Darsu:lIung fünf kOnsUIUti\·C Ph.asen~ umrrschcidet, ~ wobei Humboldt 0115 der eigentliche Schopfe-r der Synthese" der aufgcfühne.n Einzclpositionen und dJmit des so ~cntst:tnd('ncn ,romantl~hen Sprachbeg.riHs'M gill (Gipper, H.: SprllchplJi/oJoplJlt m d(·, Romamik. In: Duca!. M. u..1. [Hr.sg.J: Sprachphilosophit. a.a.O.• 5. I';17·233. hier; 225). Gipp~r kClnzedicn d.1her Humbotdl auch c:in(': wahrhaft .romantische' Fihigkeit, wenn l:r feslstellt. daß sich b~m ..Aufweis von V()rbild~'rn und Par,lJlden~ de-ssen ~unvcrgleichliche Begabun~( zeigt. ~seJbst alte Problemc neu 7.U sthen und in St'ine- eigenC' Sprachphilos()phi~'" zu integriertn (S. 21J),
2. GesdliC"hten Humboldrs: Rezeptionsprofile
T. Barsches bereits erwähnte Sprachansichten
83
(1981)1.~8,
die sicher die bis heute umfangreichste und grundlegendste Studie über Humboldts Sprachdenken darstellt und in der Borsche anhand des für Humboldt zentralen Begriffs der menschlichen Rede dessen gesamtes sprachphilosophisches Panorama entfaltet, über J. Trabants 1$9 Apeliotes oder Der Sinn der Sprache, in dem nicht nur eine fundierte zeichentheoretische Kläru,ng zu finden ist, sondern in dem Trabant Humboldt in die (sprach-) wissenschaftliche Tradition zu stellen vermag (ein Ansatz, der später in Traditionen Humboldts erneut bzw. im Rekurs auf bereits bestehende Arbeiten wieder aufgegriffen wird), bis hin zu H.-W. Scharfs Verfahren der Sprache l60 von 1994, zwei Monographien in einer, in der nicht nur Chomskys Humholdt-Reklamation restlos dekonstruiert wird, sondern in der die vielleicht konzentrierteste und kondensierteste Darstellung H umbaldtSchen Sprachdenkens überhaupt geleistet wird. 1990 hat T. Barsche in Wilhelm 'Von Humboldt l61 dessen Sprachthearie in die Gesamtheit von Humboldts Werk eingeordnet. Die jüngste Gesamtdarstellung der Humboldtschen Sprachtheorie bietet D. Di Cesare 1998 in ihrer "Einleitung" - durchaus monographischen Charakters - zur ,Einleirung' HumboldtS Ober die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechtes, die hier se.it langer Zeit erstmals nicht in der Textvariante der Akademie-Ausgabe (Ausgabe D) erscheint, sondern in der 1836 zuerst von Alexander von Humbaldt eingeleiteten und von E. Buschmann herausgegebenen Ausgabe (C) dokumentiert wird. 16l Ähnliche Erschließungs- bzw. Kommentierungsarbeit hat J. Trabant 1994 mit seiner Herausgabe der Akademiereden Humboldts Ober die Sprache l6J geleistet. Das engere Anliegen der authentischen Rekonstruktion bereits verlassend haben H. Müller-Sievers mit Epigenesis uA (1993) und M. Ring'" Vgl. ßQrscht, SpraclJtllU1.banl, Ape/ioUJ, :1.:1.0.• und ders., TraditioJlen, a.;\,O. If>O Vgl. Sch"rf. Das Verfahren (//fr Sprache, ;\.".0. 161 Borsehe, \Vilhelm tmn H"mbuldt,lI.a.Q. ltl Zum editorischen Zusammenllang sC'i hier Auf die genannte AusgJ.be hingewiesen: Humboldt, W.....: Ober die Versrhiedr!1llml des rtlenschlichtn SpraC"hbaues und Ihren Einfluß tU/fdie geistige Emwt'dc/Hllg des Mt"nsclltngesdJ/uhts. Hrsg. \'on D. Di Cenre. Paderborn U.:I. 1998. S. 129-131. VgJ. \'or ;>.lIenl Mudler-Vollmer. Humboldts SpraC"bwinemchaft. a.a.O.• w() die diffi7.ile Ausgabcnproblcmatik erschöpfend d.argeslclh und aufgekl:an wird. - Als möglichen Einwand gegen den, der 1998('r Ausgabe vorangeneilten, EinleilUngslexl m;\g man ...ielleicht formulieren. daß die Vorliebe Di CesarCll für eine' - Coseriu cr.lhnende - Linguislik der Siruktur allzu deutliC"h aus dem Texl htrvorschweigl. 1.') Wilhelm von HUlllboldl. Obn (fje Spr,1Ch~, a:a.O. 110<1 Mül1er-Sic:...crs. Epigt'nesis, a.a.O.
Erslrr Teil: RckonStruklionen Humboldts
84
macher mit Organismus der Sprachidee l6 !J (1996) idcengcschichclich erschließende. die Theorie Humboldts kontcxruierende und kontrastiv kommentierende Studien vorgelege. Trotz oder gerade wegen dieser beeindruckenden Reklamations- und Rehabilitierungsarbeit l 61.1 zeigen sich allerdings Probleme, die durchaus den organischen Charakter wissenschaftlicher Prozesse illustrieren. Bezeichnend ist heure die zunehmende Entwicklung der aktuelleren Humboldr-Forschung zur Wiederholung des substantiell Erreichten, zur Kryptorisierung und Chiffrierung des systematisch Fixierten und zeitweise gar zur erneuten Infrageslcllung von bereits als sicher Gewonnenem l"]: der Sprung, bei dem aus authelUischer Rekonstruktion kOnstnliene Authentiz.ität werden muß, um weiterführende Theorieentwicklung ,im Anschluß an Wilhelm von Humbold[' zu betreiben, ist nahe bzw. in 110)
llr'> 1~1
Ringll1"du~r,
Orgll1lislIlus. a.~.O.
Mit dieser ßegrifflichkeil kenrruiehntt Sthart das zur Oebal.le slthende. driuc Rezcp' tionsprofil (vgl. Scharf, V~rfaJmm. a..1.0.. S. 35). So nimmt J. Trabant ~dit zwischen Ludwig Jiger ein/:'rscits und Günther Grewendorf und Manfred Bierwisch andcrcrsciu in der Zeituhri[t [kr Sprac"wj$J~fUch41 199J ausge. tngcnc KCllllroverse um die Fragt. W3S eigcmlich Spuchwissensch.lft ist, w.u ihr Gcgenst;tnd ist. welcher T)'p von \VissenschJft Sprachwisseruchafl iSI. welche Aufgabe sie h:ll~ (Trabant. ~Humboldl über ellle ol..ktucllr Konnoverse\ a.a.O., S. 71). zum Anlaß zu prüfen. für wdche($) Design(s) von Sprachwissenschaft Humboldt nun in Dienst {;enommen wt.rdcn kanll. Zun~chst be.u.'uen rr; ~Es war nichl weine Idee. HUlllboldt her:tnz1l1iehen, sondern das war die Idee der Kc,nlnhrnten selbst: Beide P"rteien berufen sii:h ~uf HU01~ bald,. der beide Umenlehmen zu legalisieren scheint. Es ist ein echter Kin:henstreil. bei Jem belde Jicb auf dieselben Heiligen Schriften bezidu:n, um sich dann bessrr die Köpfe im Namen von Sankt Humboldt einschl~gen zu können- (S. 71-72). Tr;l;balll gehl nun d:iIf;lin. anhand der ~Heiligcn Schriften" (S. 71) HumboldlS und der immerhin seligen der Kontr,lhcnlcn ..die Verminlung zu denken~ (t'lxI.), ein lesenswertes Unlert,l.I1gell, dessen Verfahren im Hinblick auf die Humboldc-Exegesc jedoch insofern problenlalisch bleibt. als die dun:haus vorhandenen Hinweise dafür. dan ..man doch von Humboldl aus eine Chomskysche Sprachwissenschaft nidll zurückweisen;' k~n. arg strapaziert erscheinen. Trabilnt riul11t demnaeh rin - obw(lhl seine ~wissenschilftlichen Sympalhien und Interessen clndeutig aut der .Meadschcn· Seile stehen- (5. 81) -. daß die Chomskysche Sprachwissensch;l;ft eben aueh ~ihrt· innere Berechtigung genau wie die historisch.empi~ rische Sprachwissenschaft. die. natürlich in I-lumboldts Programm im Vordergrund Stehr" (ebd.). habe. Hier bleiben uotl. der "on Tn.b~1 vor allem am Schluß hemühu:n multi· plCll wissenschilftstheoretischen und wissenKhafcspragmatischcn Zugänglichkeil Humboldu und der ßereir.sc.h:lfl dt.'S Ve.rmilllers. dessen Wuk für verschiedensIe Zuginge of~ fenz.uhatlen. let7.t1ich Zwdfel. dit' ;luch darauf beruhen. d:lß ~u viel~ kanst'ariene und ~Ibsl gefundene .Zweideutigkeiten" (5. 80) die Argumemation stützen sollen. Auch sind gegen Chomskys Programm mehr Einwände als die. ilurgcUhlten möglich (...gl. S. 75). Ei· ne F..l"Weilerung der Humboldt~Perspektivebielet Trab\l.nt aber allemal. die zudt'm sowohl die wesentlichen Unterschiede der kontriren Positionen als iluch ~Humboldcs For~ schungsprognmm- (S. 76) deutlich henusnellt.
2. G~schichten Humboldtli:
Rez~ptjonsprofilt
85
einigen Fällen bereits vollzogen. H•1l Organische und im Wissenschaftsbetrieb wohl auch unvermeidbare Zeichen dafür, daß das Wesentliche gesagt Ist.
Typisch für solche Anschlußarbeit - in ihrer möglichen Produktivität wie in ihrer unbestreitbaren Problematik - ist die Studie von C. Sterrer, die dem ..Verhältnis von Schrift und Sprache" 169 nachgeht. Sterrer will zeigcn l daß Humboldt ..die FonnuJie.rung eines Bildes des ,Sprachverfahrens'Ul 70 gelingt...in dessen Zusammenhang er auch ein neues Vecständnis von Grammatik entwickelt". Für die Fundicrung djeses Verständnisses durch die Humboldtschen .Standardkategorien' spannt Stetter diese (z.B. das ,Energeia'-Diktum 111 ) allerdings auf das Saussuresehe Anschlagbrett struktunlistisch-gewachsener Terminologie und dehnt damit die Grenzen der interpretation ..Grammatischer Weltansichten"17l über deren rekonstruktivcn Charakter hinaus deutlich aus. So blei.bt am Ende dieser lnteressanten Perspektivenerweiterung ..ein Desiderat: eine Integration der Schrifttheorie Humboldts, die ja bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat, in seine Sprachphilosophie - im Sinne jenes Rückkopplungsgedankens, den wir als ihrc Grundstrukrur ausgemacht hatten. ul7J Dies allerdings um den Preis mancher Humboldt-Regeneration des drincn Rezeptionsprofils. Aber auch aBe Bemühungen selbst um die authentischste Rekonstruktion können nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß Humboldt und dies ist mehr als ein trivialer Allgemeinplatz, sondern Voraussetzung, um seine Aristoteles-Rczeption zu verstehen - selbst immer noch sein bester Kommentator ist, wenn er auch das .Erbe hinterlassen hat~ daß man· che seiner Selbst(v)erkJärungen ebenfalls stark der ErkJärung bzw. des Kommentars bedürfen. Auf die TatSache, daß auch heute noch gerade derjenige, der "sich (...) mit der Sprachwissenschaft (Herv., V.W.) Wilhelm von Humboldts auseinandersetzt. (...) sich in der Lage eines Forschungsreisenden befindet (Umst., U.W.). der über die geographischen Umrisse und einige vermessene Landstreifen hinaus einen noch weitgehend unbeVgl. WQhlfOlrt. G.: .. Überlegungen zum Verhältnis von Spnche und Kunst im Anschluß an W. v. I-Iumboldt: In: Schcer/ders.: Dimt'mionen der Sprache, 01.01.0., S. 40-66. - Borsehe, T.: ~T:H$:lchen. Ideen und Kunst der GtsChichts5Chreibung. Spnehphilosophische ÜberlCl,'\Ingen im Anschluß OIn \X'ilhclm \fon Humboldl~. In: Al!gtmf"i1lt Ztitsclm{t für PIJi/oJophie. 20.Jg. (1995), 1·1.1. 5.19·38. Vgl. Steuer, C.: SdJrif/ und Spracbe. tO. Kapilel: .Wilhelm von I-Iumboldt: Gramnudsche Wd[:l.Ils;c111~n·. Fl'2 n kfurt an1 Main Im. 5.391-514, hi~r. S. 391. 170 Stcm:r, Scbrift ,md Spracht, a.....O .• S. 400. 111 Zur .Eneq;ci;l· -Rezl'ption Stellen vgl. IUp.6. l7l Stcn~r. SchrlJt "nd SprM/)e, 01 ..... 0., S. ]91. m Su·lter, Schrift lind Spmdu·• .1-:;1.0., S. S14. t&t
1"
Erster Teil: Rekonstruktionen H umboldlS
86
kannten Kontinent zu betreten hat"'l7", macht K. MueUer-VoUmcr mit dem komme'Jt;ert.en Verzeichnis des sprachwissenschaftlichen Nachlasses Humholdts aufmerksam. Für ihn ist es ..evident, daß das, was als die Sprachauffassung Humholdrs gilt. nur im Zusammenhang seiner Sprachwissenschaft verständlich isr"17S. Demgegenüber .,galt den meisten Interpreten Humboldts linguistische Forschung ( ) bestenfalls als ein ehrenvolles, aber im Grunde überflüssiges ( ) Nebenprodukt seines Denkens"1 76. Mueller-Vollmer hält dagegen, daß die sprach theoretischen und sprach philosophischen Probleme ..sich nicht unheschadet aus dem sprachwissenschaftlichen Kontext herauslösen lassen, dem sie ihre Entstehung verdanken"'l77. Und auf einen bereits mehrfach erwähnten Zusammenhang macht MueJler-Vollmer aus dieser spezifisch.en Perspektive aulnlerksam, wenn cr diagnostiziert, daß die ..so gut wie totale Nichtbeachrung"'1 7 8 des Nachlasses .. in engem Zusammenhang mit der generellen Ausklammerung der sprachwissenschaftlichen Empirie Humboldts durch die offizielle Sprachwissenschaft des 19. Jahrhundcrts" 179 steht: "Im ganzen gesehen ist daher die Rezeption der humboldtschen Sprachwissemcbaft (HeN., U. W.), was ihren paradigmatischen Charaktcr und ihre em-
pirische Spannweite angeht, nichts als die Geschichte ihrer effektiven Unwirksamkeit"18o.
Für Mueller-Vollmer bringt der Nachlaß dagegen ..die Beweise, wie Empirie und Theoriebildung sich in der Genese und Entfaltung der Humboldtschen Sprachwissenschaft gegenseitig bedingtcn"t81. Sein kommentiertes Verzeichnis des sprachwissenschaftlichen Nachlasses und die entsprechende Analyse von .. Humboldts linguistischem Beschaffungsprogramm"182 bietet nun ausreichend Grund, Anlaß und Material dafür, die-
11<
Mudl('r-Vollmer, J·Jumbo/du SpracJJ1ousellscha/t. :u.O., S. VII.
lT~
Ebd.
111
MueJ1er-Vollmcr, /-Jumbo/dts Spr
I .....
Ebd.
ITb
117
1&1
Mueller-VolJmer. /-JumboMIJ SpMchwismucha[t, <1.3.0 .• S. 6. - Aus di('scr l.wci(e1sohnc ZutTeHclldclI .Perspekti ...e sind Hurnboldt bereits in der (rühen Rel.cption des 19. Jahrhundt"rtS beide Beine. Theorie und Empirie, amput'iert lVorden. So ist er folgerichtig .tOtzitiert' worden. Mudler.Vollmer, Hu",bo/dlJ SpmchwustllSd"'f" -'.1.0.. S. 12.
IV
Mudler-Vollmer.
180
~HumboldtS Bcsch:lffungsprogramm~. 3.;\.0.,
S. 27.
2. Geschichlcn HumboldlS: RcZ<'ptionsprofilc
87
se These zu explizieren, lhr Zusammenhang wi,rd in der zukünftigen Humboldt-'Forschung mit großer Wahrscheinlichkeit nicbt nur eine zentrale Rolle spielen, sondern weiSt über das dritte Rezeptionsprofil bereits heute systematisch hinaus, auch indem es das erste der produktiven (Miß-) Verständnisse erneut konstruktiv erreicht.
2.4 Überleitung Vom Grundsatz her steHt die hier vertretene Architektur einer Kontrasti'Ven Archäologie in anspruchsreduziener Weise ebenfalls einen Ausbau des bisherigen Blickfeldes dar, allerdings wiederum radikal ins (Sprach-) Theoretische gewendet, indem für die Erweiterung der rekonstruktiven Arbeit (des dritten Profils) ein Verfahren durchgefühn wird) das im - zugestandenermaßen interessegeleiteten und dadurch fragmentarischen Durchgang durch die allemal divergierenden Positionc.n der .Foucaultsehen Archäologie des Wissens und des Assmannsc-hcn Kulturellen Gedächtnisses nach einer Orientierung sucht~ die den Blick auf das Humboldtsche Sprachdenken in t.heoretischer Hinsicht intensivieren kann. Der Begriff der ,Architektur' zielt dabei darauf, daß diese Erweiterung vornehmlich aufgrund einer Analyse der theoretischen Strukturen der philologischen Analyse gelingen kann, und richtet das Anliegen der Rekonsl.ruktion Humboldts nun weg von einem retrospektiven Interesse hin zu einem prospektiven. ISJ Es wird an die These der Einleitung angeknüpft, nach der Transformation und Erinnerung sich einander bedingende Prinzipien von Humboldts Aristotcles-Adaption sind und kontrastive Archäologie das VerFahren darstellt. das diesen Bedingungszusammenhang aufdecken kann. Die für eine solche Klärung nutzbaren Theorie-Entwürfe werden im nun folgenden. drinen Kapitel H'4mboldt-Archäologie (nur) in den Passagen vorgestellt, die dieser Orientierung dienen. Sie sollen auch helfen, die eingangs formulierte Erschließung der Humboldt-Aristoteles-Problematik durch das 1Energeia'-Diktum in zunächst theoretischer Hinsicht wiederaufzunehmen. Die erste, spezifische .Frage in diesem Zusammenhang lautet: Was für einen funktio.naJ-rekonstruktiven Wert kann die Recherche von Begriffen für sich überhaupt in Anspruch nehmen?
liJ
Vg1.
3. Humboldt-Archäologie: Perspektivenerweiterung Transformation und Erinnerung sind die einander beditlgemlen Prinzipien der Aristotelcs·Rezeption Humboldts. Kontrastive Archäologie S[cllt demgegenüber das Verfahren dar, das diesen Bedingungszusammenhang aufdecken bon. Das folgende Kapitel macht die theoretischen Entwürfe, die zur Legitimierung d.ieses UntcrSUch\lOgsansatzcs notwendig sind, transparent und entwickelt den Begriff der Kontrastiven A rclJäologie im Hinblick auI sein mögliches Erklärungspotcmial für eine Perspektivenerweiterung der Rekonsrfukrionsbemühungen zur Humboldtschen Sprachtheorie.
3.1 Systematische Wi(e)dererinnerungen: Begriffs-Archänlogie ].1.1 Darstellung M. Foucault thematisiert zu Beginn der ..Archäologie des Wissens"IlH in expliziter Anlehnung an G. Canguilhem 185 die Frage, wie die Geschichte von Begriffen überhaupt untersucht werden kann. Er schreibt, I"
In
FOUC
J. Humbolr.h·Arch:iologie; Pcrspcktivencrwciu:rung
89
"... daß di~ Gesch.id1t~ eines B~griffs nicht alles in a11~m dje seiner fonschreitenden Verfeinerung, sejner ständig wachsenden R.uionalitit, seines Abstnktionsanstiegs ist, sondern die seiner verschiedenen Konstirutions- und Gültigkeitsfelder, die seiner aufeinander folgenden Gebnuchsregeln, der vielfältigen theoretischen Milieus, in denen sich seine Herausar~tung vollz.ogen und vollendet hat- 11ft•
Mehrere Aspekte lassen Foucaults Sicht von der Geschichte der Begriffe profitabel erscheinen. Zunächst werden die Begriffe hier nicht in chronologischem Sinne durch eine äußere Zeitgeschichte verfolgt, die notwendigerweise einen - inhaltlichen - Begriff des Begriffes isolieren muß, um diesen im ständigen Rückgriff auf das vermeintliche Original mit Attributen wie ,nchug' oder Jalsch', ,bereichernd' oder ,defizitär' eüketoeren zu können. Auch die unterstellte Teleologie, die Begriffe in einem Modell der Geistes- oder Ideengeschichte l17 als Geschichte der Rationalität verstanden hat, wird hier entschlossen bestritten. Nicht kommen die Begriffe an ihrem semantisch triumphalen Endpunkt an, sie gewinnen ihren Wert immer neu im Kontext ihrer jeweiligen Konstitutions- und Gültigkeitsfelder. Die scheinbare Geschichte löSl sich in einzelne Geschichten auf, die jeweils von ihrem eigenen ere,ignish~ten, begrifflichen Spektrum erschJossen werden müssen. ISS Die Suche nach dem begrifflichen Original wird durch die Analyse sich verändernder Beziehungen ersetzt:
I'" 111
'11
ncn der erste di,.. nahezu unbewt1;lichcn Strukturen der Geschichte, die .I:rngc DJ.ucr' thematisiert. dcr zwcitt hingegen die Diskonunuititen und Transfomutiollen, ist gemcinRm. d;tß sie d;u Dokument als m.ucr1elle StülU cines cpochenumsp.lnnenden und kollckliven Gcdäehtnwes der Menschheit in Fragc Ste1J~" (Muti, U.: Michel FOMC'fJ~ll. München 1988. S. 39). Hit:r zeigt sich bn-ciu die systematische Opposition zu Assm
90
Er5!cr Teil: Rckonnruklioneo J-lurnboluu
..Man muß den Diskurs mehl auf die ferne Pr:isenz des Ursprungs verweisen; man muß ihn im Mechanismus seines Dringens beh.mddn-'".
\Vir gewinnen so keinen isolierten Begriff, dessen unterstellter autonomer InhaJtlichkeit wir in unserem geistesgeschichdichen Moddl nachforschen, wir gewinnen durch die Ei.nschätzung der diskursiven Formationen Begriffe von Begriffen in ihren jeweiligen GÜlcigkeitsfeldern. Wie bei Hurnboldt und Arisloteles auch finden wir bei Foucault die Betonung des Gebrauchs der Begriffe als Erschließungsraum für dessen Wirksamkeit, und so muß immer auch deren Analyse verstanden werclen.l'lO Die Historizität der Diskurse iSl dabei prinzipiell von der Gesc.hichdichkeit dessen ver· schieden, was wir (Geistes·) Geschichte nennen.
In
t'KI
des betn.chltten Iktnchu:"ß ein. erablien sich als privilcgienC'S Objdn der Wissen duft und ,,1$ Sub;ekl jedtr Erkennlnu· (S. J I). TWlzdel"i oder gCr.lde d~wegt'n iJI das modC'rne Denken durch du ..Vt'rsinken in eintn - nicht mthr dogm,uisc.Mn. M"Indem 2l1thropo10giJehen - Schb(- (S. J]) ch2nkleruicn: .Au~ diesem Schl2f möchte Foucault das Dcnkcn wcckt'n· (cbd.). Fouo.ulls Proickt der Untersuc.hung \on Bq;riffsNoStCrn in LC'J mou t'1 In rhous wird plascisch greifbar. wenn sich Mani mit der Kritik "n diesem Werk .l.US· ein:lI1derset1t~ .Keineswegs verktindet Foucaull duin e'lw Abkchr von der Vernunft; w.as zur Debattc steht. ist j2 gerade die fehlcnde. wissenschaftliche Legilim:ltil)T1 bestimmter Oiniplincn. In l'incm andt'rel1 Punkt hingegrn ist Iier Kritik 1:uzuSlil1lnlrll: Die." ge.waltsame Periodisierung, die Foucault vornimmt. vcrnug nichl zu überzeugen. In scinem Proitkl übcrbgern si.h zwci Intemionell. Eillerseits wiJl er zl'igell, daß sich dic Bedingungen dC'r MÖlllichkeil empiriKhcn Wissens drt.llllalllrunJI~cnd verindcn haben - im Oher~ g.anll vom 16. zum 17. JahrhundC'rt. im Zeiultcr (Icr Fnnzosiuhcn Revolution sowiC' ~if dcr /I.'liu(' unscrcs J.lhrhunJcru. Andcr('rsc:its soll bc:wiöC-n ....·('rdm. d..ß die sogen,tnntcn Humallwi"~IU('haftcn den An"pru.:h ..auf WiuC'llS(.h.lftlichkeil zu Unrcc.ht C'rhclxll- ($. ]S-36). - Vgl. .l.uch Breucr, 1.. Lcusch. P. und M('rKh, D.: Welt~n im Kopf Profile Jer GegmvwTSph,/oJophU' (Band 2: Fr.lnkrdchlh.llicn) D.trrnlitaJt 1996. $. 116-119. - N.lch Foucauh iJt eincs indcs ~gC'wiß.: JC'r Mensch i~1 nicht du iltC'Stc und auch nichl d:u konn.mlrs\(' Problem. das sich (lcm menschlichen Wisscn geslelh h.lt~ (Foucauh. M.: Die OrJnuIlg Jer Dinge. Frankfun am Main [12. Aufl.] 19'J~. s. ~62). Fouc.luh, Archäologie. .1.a.O.• S. ]9. - Zum Bcgriff des DiskunC's in der A ubnologlt· df!5 WU5l'1IS v~l. ,tuch /lohni. FOU(,IfHIt, a.a.O.• S. 42. Siehe dazu :luch: ..Diese Bcuchungen char:cklerisicrcn niehl die Spnchl', die der Diskurs benuI~t, nichl dic Umstinde (im moddlh:l.fl fheoreliJehcn Sinne, V.W.). unter denen er sich cmfaltC'(, sond('m den Oiskuu: sdbsl .als Pr;lXis· (Fouaull, ArchJologlt, a....O .• S. 70). - Vgl. zu dlC'SC'rn zcnfnlcn Probltm im ZUS:l.rnmenhang "on arislouli.schC'.nl. humboldtsehem und foucaulLschem Spracb...C'.utindnis .luch C. BehlcTS IUdie; .. Humboldu .ndik.l.lr RcflUlon über dir Sprxhr' im Liehlr du Fouaulucht'n DiskunalUlyse·. In: DVLC (1989). H. 6J.1. S. 1-24. !khler weist hirr .l.u( die.- sprxh(h~rtti.schr Pcriodisi rung \'on Les mou C'l /I'J rhOfC's, wmn CI" fC'Stsldlt. d",ß ..dir fouC:l.ultsehe Studit:' ganz ci· gendich von dem epocha!-epislemi.schC'n Drcischrin: KJassik ::::: ReprisC'malion; ModunC' = MC'nich: Postmoderne = Spr.tch('~ (5.4) handell_ Dieser Drrischnn werde. so BchlcT$ cbe.mo kühne wie im Prinzip richtige ßehauplung, ..von Ilumboldl bcl'C'iu um , SOO durchl1ufcn" (5. S).
J. l-Iumboldl·Archäologie: Perspeklivencrweilc:rung
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Dieser Ansatz führt bei Foucault nicht zu einer synchron(istisch}en Besinnungslosigkeit gegenüber der historischen Dimension von Diskursen. Begriffe haben ihre Wirksamkeit gerade in der akrualen Ereignishaftigkeit in beziehungs konstituierenden Gültigkeitsfeldern. Diese werden dabei entsc.beidend geprägt durch das jeweilige theoretische Milieu. Diese Milieus beziehen sich sowohl auf das theoretische Milieu der Begriffe in ihrem systematischen Kontext im Text als auch übergreifend auf die diskursive Formation iiber den Texl binaus. Ja gerade in der prinzipiellen Unbegrenztheit des Textesl?l entwickelt sich und gewinnt der Begriff des theoretischen Milieus seine diskursive Qualität, weil er die Beziehungskontexte der diskursiven Formation erweitert und aufdeckL So entsteht in der Komplexität der Struktur der Formation eine Einschätzung dessen, was die Begriffe zueinander sind, denn ein ..Bündel von Beziehungen konstituiert ein System begrifflicher Formation" 192. In dieser diskursiven Veneilung zeigt sich dann, daß die Formationsregeln die Existenzbedingungen der Diskurse sind. 19] Solche Formationssysteme, die niemals historisch angehalten, sondern immer mobil sind,l'H werden gestützt durch die Annahme des historischen Apriori: ..Darüber hinaus entgeht dieses Aprioritl9S) nicht der Historizität: es konstituiert nicht über den Ereignissen und in einem Himmel, der unbewegl,ich bliebe, eine z.eitlose Struktur; es definien sich als die Gesamtheit der Regeln, die eine diskursive Praxis charakterisieren: ..... 1'16.
Die Gesamtheit der Regeln ist grundsätzlich unerschließbar und konstituiert die Archäologie als prinzipiell unabgeschlossenes Suchen von Diskursregeln. Die Erkenmnisziele Foucaults stehen dabei den teleologisch-orientierten Geschichts- und Begriffskonstitutionen - wie sie in der ,Energeia Tradierung des zweiten Rezeptionsprofils ihren ebenso sinnfälligen Niede.rschlag wie auch noch nicht einmal eine die mögliche Produktivität dieses konservativen Forschungsdesigns erreichende Qualität finden diametral entgegen. Die Analyse der Historiker, die durch die KonstituC
-
I·' Vgl. duu Foucauh. ArchiJoJogic. a.a.O.. S. 36. 1'1 Foucauh, Archäo/ogl~. a.a.O., S. 88. I'} Vgl. Fouc.auh, Arr:hi%gi~. a.a.O.• S. 58. 1'04 Vgl Foucaull, Archii%gi~, .u.. O .• S. 109. r'fS Si~ht' duu auch Fouc.aulu gen",ue Abgrenzung des hislorischen \'om rormlien Apriori (\"gl. Fouauh.• Archa%gi~. u.O•• S. 186). - Zum Ikgrirr du ,hislorischen Apriori' auch Mani. FOI.C4Ult. a.a.O.• S. 43: ..Mit dem ungewohntt"n Auidruc:k des .hinoriiChcn Apriori' sind nicht ztiLlose GüJligkeitsbcdingungtn rür Uneile. $Ondcm historische Rtaliriubcdingungtn für Aussagen gemc:int-. 111oo
Fouoult. Archiio/ogi#, a..I..O., S. 185.
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Ersler 'reiI: Rekonslruklioncn Humboldu
ierung eines durch Kausalitäten organlsicncn homogenen Geschichtsbildes geprägt ist, hat die eigentliche Perspektive der Geschichtsschreibung in einem Kominuitärsmodell historischer Tatsachen gesehen. die modellhaft in dem Gesamtsystem Geistesgeschichte zusammengefaßt werden. Damit ist die Vorstellung verbunden, daß dem Modell ;1Uch ,Sein' entsprichl. Nicht subsumicrbare Ereignisse erscheinen so nur noch als Störfälle der Geschichte, die entweder in NcbenschauplätZc eingebunden oder einfach vergessen werden, weil das Wanken der Statik der teleologischen Gcschichtskonzcpcion deren Gebäude immer gleich mit dekonstruicrt. Bei Foucault nun wird die Kontinuität selbst zum Theoricproblem l97 und man würde ihm - und nachträglich auch einer Negativen Dialekrik l '1S Adornos - unrecht tun, wenn man diese fundamentale Kritik als bdang~ lose Allusionen heute als ,postmodern' ausgezeichneter Programmatik abqualifizieren würde. Kausalitäts· und auch Begriffsgeschichte ist sehen so streng befolgt worden, wie sie gefordert wurde. Bereits Arisroteles ist ,sehr produktiv' mit den Inhalten seiner (historischen) Vorgänger umgegangen, und auch wenn er immer zunächst die ,Lehren der Friiheren' wiederholte und abarbeitete, um dann seine eigenen Konzeptionen zu entwickeln, ist er in seiner ,DiskursSlratcgie· von einer starren Kausalitätsgeschichte wesentlich weiter entfernt, als es zunächst den Anschein hat.l'}(l Das antike Projekt versuchte vielmehr, eine wissenschaftliche Diskursethik zu etablieren, die das bisber Gedachte in Rechnung zu stellen bereit ist. Diese Ethik gilt sicher auch für Humboldt1 und dessen Mißtrauen gegen eine Starr durcbkonslruiene und damit ,unorganisch' erstarrte geistesgcschichtlichc Praxis ist offensichtlich, Foucaults Geschichtsverständnis sogar die fundame,nule In-Frage·Stellung solcher Konstruktionen. Gleichsam (ordernd wie prognostizierend bemerkt dieser: ..Solc.hen historischen Analysen stdh sich künftig nicht mehr die Frage, auf welchem Wege die Kontinuitiiten sich haben errichten können, auf weicht" Weist' ein und derselbe Entwurf sich hat erhalten und für so viele verscbiedene Geister zeitlich nachein:tnder einen einheitlichen Horiz.ont haI bilden können, welche Aktionsart und welche UnterstüI2ung das Spiel der Übenr.lgungen, der Wieder.lufn2hmen. des Vergessens und der Wiederholungen . I"121ert ....·100, Imp
I"
VgL Foucauh, Archaologtt', u.O., S. 8-4 ',.. Vgl. Adorno. Th. \v.; Nt'gatNt' DüMmk. Fnnkfun Olm MaIß (7. Auf.) 1991 (Zwciler Teil; " q;:Iu\'e Diakktik. Begriff und K.ucgorien'). S. 137·207. •..., Auch wenn vor allem die mittela.lterlichc Rel.eplion das produ.krivc Ccschieh15anelgnungsprinzip Jes ArisUllcics in der Weise du Khola.slisehen QU.lC'$lio fornl.\lisienc. :co Foucault. ArchdalQgit', a..a.0.• S. 11.
3. Hurnboldl-Archiologit": Perspl'kl'ivcnerwcilcrung
93
es geht nicht mehr um das .. Problem der sich perpetuierenden Grundlage, sondern (um) das der Transformationen. die ;als Fundierung und Erneuerung der Fundierungen gdten-!OI.
Ziel ist dabei gerade das .Denken der Diskontinuität"2Ol. Nicht mehr das homogene Modell wird gesucht, sondem im Unterschied, in der Differenz, wird die Bedeutung des Ereignishaften erkannt. Die diskursive Praxis beginnt also genau nach der Zurücklassung der Kausal.ität, ohne etwa die Beziehungsheschreihung der Elemente zu vernachlässigen. Hier sieht Foucauh: den Paradigmenwechsel des Handelns über das Geschehene: .. Die Diskontinuität war jenes Stigma der z.eitlichcn Veneltelung, die der Historiker aus der Geschichte verbannen mußte. Sie ist jette eines der grundlegenden Elemente der historischen Analyse gewordcn".w.
Dieser Wechsel von der Kontinuitätskonstitulion zur Diskontinuität ist für Foucault nicht nur eine veränderte Methodologie, sondern neues Prinzip diskursiven Handeins in seinen paradoxen Möglichkeiten: ..Ocr Begriff der Diskontinuität ist p;uadox: er ist zugleich Instrument und Gegenstand der Untersuchung; er grenzt das Feld ab, dessen Wirkung er in; er gestattet die Vereinzelung der Gebiete, kann aber nur durch ihren Vergleich festgestelll werden"~.
Dieser Hinweis ist gerade in unserem Kontext der Untersuchung der aristotelisc.hen Motive im Sprachdenken HumboldtS besonders aufschlußreich, weil er die zunächst notwendige Vereinzelung der formationen. die hier umersucht werden, zuläßt, um sie dann wieder anaJogisch zu vergleichen. So gewinnen wir ein Bild der untersuchten Theoriefelder, das diese in ihrer Eigenheit wahrnimmt und trotzdem deren Unterschiede aufdeckt. Die Bruche, die diese analogische Prüfung offenlegt, erscheinen dann nicht mehr als ihre defizitären Verzerrungen, sondern als die eigentlichen Prinzipien eines veränderten Verständnisses von Geschichtlichkeit. Erkenntnisziel ist dann das, was bisher entgangen ist: ..... die lebendige, zerbrechliche, zitternde ,Geschichte'''lOS, die die Positivitäten der diskursiven Praxis aufnimmt und sie Zur Grundlage einer Archäologie des Wissens macht. Die Dezentrierung der Geschichte und die Auflösung des Mythos von der Einheitlichkeit ihres Zusammenhangs läßt damit auch - so Fou::1
!~
Ebd.
Foucault, Archiio/og;~> u.O., S. U. m Foucault, Anh"oiogi~. ;1.<1.0.• S. 17. :00 Fouaull, ArchlWiog~, u.O.• S. 18. m I:OUC2IUh, Archiiologi~, u.O., S. 22.
94
Ersu'r Teil; Rckonslruklionen I-Iumboldu
caulcs vehemem vertretenes Antiegen - seme Schöpfer ins zweite Glied zuruckucten: zuerst ist der Diskurs und dann - vielleicht noch - das Sub-
jekt, nicht umgekehrtlO6: .Der so begriffene Diskurs ist nicht die majestätisch abgewickehe Ma.nifestation eines denkenden. erkennenden und es aussprechenden Subjekts: Ln Gegenteil handelt es sich um eine Gesa.mtheit, worin die Verstrcuung des Subjekts und seine Diskontinuität mit sich selbst sich bestimmen könncn" m .
Die Subjekte sind somit relativ zur diskursiven Praxis und bestimmen nicht diese, sondern sich immer neu ;n dieser. Foucault kommentiert dies inhaltlich und textthematisierend anschaulich, wenn er das Ende seines fiktiven Dialogs im ,Schluß'-Kapitel der Archäologit des Wissens ausgerechnet mit folgendem Zilat ,bestreitet': .. Der Diskurs ist nicht das Leben: seine Zeit ist nicht die Eure; in ihm versöhnt' Ihr Euch nicht mit dem Tode; es kann durchaus sein, dan Ihr Gon unter dem Gewicht OlU dessen. W;lS Ihr gesagt habt, getötet habt. Denkt aber nicht, daß Ihr aus all dem, was Ihr sagt. einen Menschcn macht, der länger lebt als er"lOl.
Dem destruierten S"bjektiviüüskriterium Steht das von Foucault beobachtete Textcharakteristikum des Bruchs gegenüber, sozusagen das Erkennungsmerkmal der Diskontinuität. Dieser Bruch ist nicht nur Erkenntnisprinzip, sondern auch Verändcrungs- und Transformationsmöglichkeit, er ist: Produktionsprinzip. Foucault schreibt: .. Ebenso ist der Bruch für die Archäologie nicht der Brückenkopf ihrer Ana· lysen, die Grenz.e, die sie von fern signalisiert. ohne sie detcrminieren noch ihr eine S~z.ifität geben zu können: der Bruch ist der den Transformationen gegebene Name, die sich auf das allgtmeinc SYstem einer oder mehrerer dis· kursiver Formationen auswirken"lO'l.
Der Bruch ist also ursachenungesteuencs Prinzip der Veränderung und nimmt damit in der Foucaultschen Argumentation eine besondere Steilung cin. 2lO Die Transformauon von Begriffen in ihren Gültigkeitsfc1dern ~
Auf die Bl.'ziehung zwi!\:hen Diskurs und dem s.:höpferischcn Subjekt kann hier nielli näher eingegangen werden. es stelh aber dir :l.I::nlrale Pft)blcnlalik in Foucaulu Denken z.ur Etablierung eines autonomlL"n Text~rjffs dar. - Vgl. duu ;luch Krt'm~r-Marictli, A.: Mlch~J FOIIGtlclt - Der ArclJaoJog~ drs WISsens. Frankfun am Main 1976. S. 1().4 ·117 (.Du Fehlen des Autors'). m Foucauh. ArchioJoglt', a.",.O., S. 82. 10l Fouuuh, Archiolog~. a.a.O.• S. 101. m Fouc:ault, Archiiologlc, :1.:1.0.• S. 251-25L m Vgl. d~u auch Kremcr-~hric1ti, Mich~J FaMulII,. La.Q..• 22·JS: ,Ocr Bruch in den Feldern dC'S Denkens·.
3, HumboldtoArchJologie: Pcrspcklivcnerweilcrung
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wird gerade durch ihre Differenz bestimmt, analogisch untersucht und in singulärer Praxis des diskursiven Ereignisses erkennbar. Um die Beobachtung der Veränderung von Diskursen in der problematisierten Form - auch im ,methodischen' Sinne - zu ermöglichen, führt Foucault eine Reihe von Termini (Schwelle, Einschnit~ Serie) Tableau, Bruch, Wechsel, Transformation, Gewicht) ein, die hier nicht alle Gegenstand näherer Analyse sind,211 Diese dürfen aber nicbt eine trügerische Silhoueue der Hoffnung auf methodische Nutzbarkeit abgeben: Foucault stellt - trotz gegenteiliger Behauptung mancher Rezipienten - kein neues methodisches Instrumentarium vor, mit dem man - nur die Werkzeuge des wissenschaftlichen HandeIns verändert neu gewonnen - die Prohlemgeschichte oder die Geschichte der Probleme neu angehen an. Er charakterisiert die Archäologie selbst als "Diskurs über Diskursc"212, keine neue Geschichtswerkstatt also, aber die Sichtungen der Bedingungen der Möglichkeit ihrer Statik, ihrer Veränderung durch und mjt diskursiver Praxis. A. Kremer-Marictti dazu: .. Mit Absicht hat die Archäologie am Rande des Wissens und der Herrschaft Stellung bezogen und sicb das Recht auf den Blick über alle Wissenschaften und gesellschaftlichen Kräfte ein geräumt"211.
J. J.2 Prüfung Es ist nun zu prüfen, was spezifisch aus diesen Funden Foucaultscher Archä.ologie für die vorzuschlagende Verfahrensarchitektur und damit rur eine kontrastiv-philologische Untersuchung zur Aristoteles-Humboldt-Beziehung zu gewinnen ist. Zunächst drei Einschränkungen: (I) Worum es nicht geht, ist die Anwendung der oben genannten - nur scheinbar methodischen - Begriffe auf die hier angesprochenen Problemfelder. Hier hat uns Foucault beabsichtigt aUeine gelassen. 21 " (2) Es ist sinnvoll, 'Foucaults Erweiterung des Textbegriffes für das vorliegende Verfahrensmuster nur bis dorthin zu verfolgen, wo es die :n Vgl. Fouc,Iult, Archiiologii", a..1.0., $. 13. - Fou(;tuh verbindet mil der Them:nisienmg dieser Begrifre auch die Kritik an anderen, wie' z.B.,1n dem der .Tradition', der g,eSlalte, ~dic Streuung der Geschichte in der Form des Gleichen emeutzu denken- (5. 33). Von diesen BegrirJen, von _denen jeder auf seille Wci,se in das TIlema du Kominuitäl Abwechslunlf (ebd.) bringe. müsst' nun sich IÖSl"n. - Vgl. dnu auch die krealiv-synlhelische Kurzcharakleri5lik zentraler Termini im Zusammenhang bei Blanchot, FOHcalClt~ a_:;1.0., S. 25-26. 111 Foucaull, Archiiologii". ,1 ..... 0., 5. 292. m Krcmer-Maneui. Michel Fouof/jh, a.a.O., $. 6. !14 Zumindest in der ,Arcbiologie dl:s Wissens'. In Sp:lICren Schriflen, die Foucault am College de Francr verfaßl, geht er dan.uf ein (vgL Kremer-Manclti, Michel FqHcd"lt, u.O.. S. 28).
96
Ersrer Teil:
RekCln~ruklionen
HumbQldts
Konrextuierung der hier z.ur Debatte stehenden schriftlichen Zcugni'sse im engeren Sinne umersrützen kann. Wlr wollen und müssen auch weiterhin unterstellen, daH es einen ,authentischen Humboldr' gibt. Die von Borsene aufgenommene Foucaultsche Anmerkung, nach der ngewöhnlich die Ideengeschichte dem Diskurs, den sie analysicn, einen Kohärenzkredit gewährt (Umst., U.W.r~IS. muß trO(7. Foucaults Kritik daran ebenso aufrecht erhalten werden wie das daraus resultierende Einheitscharakteristikum, das U.3. das dritte Rezeprionsprofil kennzeichnete. (J) Foucault "versteht seine Archäologie als Alternative zum unvermeidlichen Eklektizismus der Ideengeschichtc"116, als Anti-Geistesgeschichte. Dies kann insofern eingeräumt werden, als diese deren strenge Konstruktion als KausalitätSgeschichte diskursrneorctisch dckonstruieren hilft. Dagegen wäre eine Geschichte der Denkweisen, soweit dieses Konstrukt Motive und Spu,ren zu bündeln versteht, deren kontrollierte Adaption transparent macht und die Geschichte von Begriffen in ihren Gültigkeitsfcldern kommentieren hilft, durchaus zulässig.:ll7 Gleich vier Aspekte können - das "kritische Anliegen der Archäologie" 2lS unterstreichend - damit für das weitere Verfahren festgehahen werden: (I) Produktiv ist erstens Foucaults Reflexion ins Grundsätzliche. Sie hilft, eine GewichtSverlagerung der vorliegenden Untersuchung zu initiieren. Erst unter der Charakterisierung der Fragestellung,Wie ist Humboldt zu aristotelischen Begriffen gekommen, und hat er sie richtig verwendet?' als sekundär wird der Weg frei für die eigentliche Analyse der begrifflichen Formationen. Mit Foucault kann also die Radikalisierung der Fragestellung ins Theoretische unterstützt werden. Di Cesares diesbezügliche Kennzeichnung erhält damit eine neue Qualität. (2) Produktiv ist zweüens die Stellung der Begriffe: Deren Individualität als Teile einer Gesamtheit von Aussagcn 219 wird im Foucaultschen m FOUC3Ull. Archilologle. a.a.O.• $. 213. 11' M:lfIi. FoucaHIl. :1...;1.0.• S. 4J. 111 Vgl. dazu .lUch Manis Bemerkung. dalt .die idc.:aliSlische Auffassung, die von Fouc.:auh m.:ackicrl wird. C•..) in der modernen WisscnschaftsLhc:orie weitgehend überwunden" ist (Marci, FouC4ult. a..a.0.• S. .JJ-.f4). ,I.ll Mani. FoucaHIt, :I.. •.:a.O.• S. 44. m l:ouC.:Iult vcrstellt unl'er Auss:lgen nichl logische Propositionen. grammatik.:alischc Silze oder den Sprech:lkt. sein Ausg.:angspunkl ist vielmehr .der ch:lousche R:;lum aller effektiYen AusSJgen" (M.:arti, FC/lu/fuJt. 01.:1.0.• S. 41). Blanchol merkt zum Begriff der Aussage bei Foucault an, d.:aß diese ger:ade .seltcn ist. einzigartig. (...) nur beschrieben sein will odtr lediglich wioororgcschlicben. our in Bezug stehl zu ihren externen Möglichkeitsbcdingun-
98
Erster Teil: Rekonstruktionen HumboldLS
Ein hierzu in Bezug stehender Aspekt ist, daß das PrinzIp der Ähnlichkeit die Analyse von AnaJogien - auf die Nähe zum Humboldtscben ,Analogic'-Begriff im Kontext des Relalion-Differenz-Theorems sei hier explizit hingewiesen - ermöglicht:
..Ist es allgemein auch derselbe Typ von Ähnlichkeit, den man zwischen Cu vier und Darwin und zwischen demselben Cu vier und Linne (oder Aristotc.lcs) ausmacht? Keine Ähnlichkeit an sich zwischen den Formulierungen, die sofort erkennbar wäre: ihre Analogie rührt her vom diskursiven Feld, wo man sie gewahn",!2l.
So muß sich bei der Untersuchung des Aristotelischen und Humboldtsehen Dcnkens eine ganz spezifische Form von Analogie und Ähnlichke.it herausstellen, die nur aus der Untersuchung in den Feldern und der Identifizierung der Felder als spezifisch theoretische Räume selbst kommen
kaHn. Ergebnis solcher analogischen KonrraSlierungen wird dann nicht die unerbittliche Vereinheitlichung dieser Begriffe in erzwungener semantischer Deckung sein, sie wird auch in der Differenz llJ das Gegenteil erkennbar werden lassen: ~Der archäologische
Vergleich hat keine vereinheitlichendc, sondern eine verviclf:tchende Wirkung" l14 • Nun gih gerade rezeptionsgeschichtlich nicht, daß analoge Wirkungen auch kongruente Ursachen haben. Gerade die vermeintlich ,getreue' Rezeption hat durch - unsachgemäße - Vervielfachung den Blick auf die wahre Bedeutung von Begriffen versperrt. Das mag Humboldt geahnt haben, als er die Begriffe ,Ergon' und ,Energe.ia' in Klammern setzte, um die vermeintlichen Treuhänder zu warnen. Wie man heute weiß, weitgehend vergeblich. Während für den Sprachrheoretiker des 19. Jahrhunderts aber - der das Projekt einer enggcführten Begriffsgeschichtc mit intuitiver Leichtigkeit verläßt und den ,Energeia'-Begriff wie selbstverständlich transformierend und nicht redigierend in einen neuen Kontext stellt - zugestanden. ja eingefordert werden muß, die Rezeption dieses und anderer aristotelischer Begriffe auch in d~ren nellern - spracbtheoretischen - Gültigkeitsfeld .l2! 2lJ
rOUC.lult, t1rchiiologlt. .1..01.0., S. 204. Vgl. dazu .luch Fouc.l.ult: 80;tgcgen n;mll1t die Archäologie zum Gegensland ihrer Be· schreibung, w.l..s rn.l.n gewöhnlich für ein Hindernis hilb: ihr Vorhaben ist nicht. die Unterschiede zu überwinden, sÖlldcrn sie zu :IlJalysieren, z.u sagen, worin sie gcn:lU bestehcn. und sie zu unf(>Tschejden (Fouc.luh, Archäl)/ogu" :1 ..1..0., S. 243). Fouc.l.uh, Arch4tJloglt. u.O., S. 228. K
Uf
J. Humboldt-Archiologie: PC'rspc.klivC'llerweilC'rung
99
wahrzunehmen, kann diese Konzession für die ,Energeia'-Rezipiemcn Humboldts nicht gelten. Sie sind eben nicht auf der theoretischen Höhe ihres ,verehrten Lehrmeisters', wenn sie das venneintliche Begriffs-Original zur Berufungsinstanz und zum Angelpunkl ihrer neuen Systeme, zur Legitimacionsfigur schlichtweg behaupteter Kausalität funktionalisieren. Oder anders awgedrückt: Humboldts Transformation des aristotelischen tvtQyEo.a-Begriffes folgt fundamental anderen Regeln als die Adaption des Humboldtschen ,Eoergeia'~BegriIfes durch die Humboldt~Rez.ipienten. so die unvermeidbare Schlußfolgerung. die an Foucaults Archäologie sichtbar wird. Humboldts diesbezügliches Verfahren zu analysieren bedeutet indes - so die hier zu formuljerende Option - ein archäologisches Unterfangen W , das eben nicht im Sinne einer historischen Geschjchtsschreibung der Begriffe vorgeht, sondern eine theoretische Rekonstruktion leistet, wie die Transformation des Wirklichkeits- in einen Sprachdiskurs gelingt. denn: .,Die Zeit der Diskurse ist nicht die Übersetzung in sichtbare Chronologie der dunklen Zeit des Denkens" 226 • Soweit die Aspekte, die für die Architektur eines ,Verfahrens~ Kontrastiver Archäologie aw dem Foucaultschen Ansatz zu gewinnen sind.
3./.3 Oberleitung Es ist - das bisher Erreichte erweiternd - zu untersteHen, daß Humboldt bei seiner Transformation der Welt der Wirklichkeit in eine Welt der Sprache - einer Transformation, die eben nicht zuerst als inhaltliche Übenragung oder Veränderung, sondern als Transformation der Beziehungen daherkommt 217 - sehr wohl eine (für ihn) selbstverständliche Suategie der Verarbeitung zentraler Motive des abendländischen Denkens verfolgt hat, also eine Struktur des Wissens soleber An aufsuchte, die wir heute in und mit dem Begriff des Kulturellen Gedächtnisses kondensieren. Dem nachzugehen ist keine entgegenstellende Korrektur des bislang Entwickelten, sondern dessen oppositionelle Ergänzung. Foucault betritt selbst den
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Am Begriff der Itrd)iiologj~ h:u die Krilik ~ingeset'zt. inwiC'rem .DiskuNe über DiskursC" in
Jukurntler Prau immC'r nur $ich selbst zu themalisiertn drohtn. GC'rade Foucauh versuchl jtdoch. dcn Begriff der Arehiologie aus den Diskumn selbst zu gC'winnen. DiC',J unn die Archäologie, indem si~ .\'cNuchl. nichl die: G«lOlnkcn. die Vormllunge:n. diC' BildC'r. die: Themen. diC' HeimsuchungC'n zu dcofinierC'n. die- sich in den DiJkuf$tfl vn-~e:n oder manircstium; KIndern jenC' DiskufSC se-:lbst. jene Diskurst' als bC'stimmten Re;dn GC'horch~dc P...klikco" (Fouauh. Ar('blloiogl~. u.O.. S. 198). .oiC' ArchäologiC' hnn sound du isl einc ihrtt HOlUp12ufgabcn - dcn Surnm~um einC$ Diskuncs cmellen" (s. 210). Foucault. ArcbiioJogic. LLO.• S. 178. Vgl. Foucault.ltrch;wJogi~. a.a.O., 5.1%.
100
Emu Teil: Rekonstruktionen Humboldts
schmalen Grad, der die heiden Ansätze aneinanderfügt, wenn er im Kontext der Klärung dessen, was die AnaJyse von Aussagen charakterisiert, auseinanderscu[; ..Gewöhnlich betrachtet man bei der Analyse der bereits vollzogenen Diskurse diese .:tls von einer wesentlichen Bewegungslosigkeit affizicn: sie sind bewahrt worden durch Zufall oder die Sorge der Menschen und die Ulusionen, die diese sich über den Wert und die unsterbliche Würde ihrer Worte haben machen können. Sie sind aber künftig nichts anderes als im Staub der Bibliotheken aufgehäufte Graphismen, die in einem Schlaf liegen. ~u dem sie unaufhörlich hingeglitten sind, seit sie ausgesprochen worden sind, seit sie vergessen worden sind und ihre sichtbare Wirkung sich in der Zeit verloren hat. Höchstens können sie noch hoffen. bei den Wicdcrcntdcckungcn der Lektüre aufgenommen zu werden. Höchstens können sie sich darin als Triiger von Zeichen freilegen, die auf die Instanz ihrer Äußerung rückverweisen. Diese Markierungen können, wenn sie einmal e.nlz.i((en sind. höchSl'ens in einer Art Erinnerung, die die Zeit durchquert, Bedeutungen, Gedanken, Wünsche, begrabene Phantasmen freilegen. Diese vier Glieder: Lektüre Spur- Entzifferung - Erinnerung (...) definieren das System, das gewöhnlich erlaubt, den vergangenen Diskurs seiner Bewegungslosigkeit z.u entreißen und für einen Augenblick etwas von seiner verlorenen Lebhaftigkeit wiederzufindcn"m.
Damit in - auch weil Foucault dieses Vier-Glieder-Projekt als insuffizic.nt kennzeichnet und dann erweiten!.!') - über Humboldts Projekt der Aristotdes-Erimlcrung schon ebenso Kenntnisreiches wie Erweitcrungsfähiges gesagt.
.u, L.>'i
FOUCAUlt, Ard1ä%glJ!, J.l.0., S. 178·179. Fouc;1ult formulierl den weiterführenden Einw.lnd fölgenderrna()en: ...Nunliq;t du B~ sondere Jer Aus.s:lg~nanaJyse nicht darin, die Texre :ms ihrem aklUellen Schlaf wiederauf:tuw~'Cken. um das Aufblitzen ihrer Entstehung wiedenul1nden, indern ffi3.n dk noch ;tn ihrer Ob,·rfI~cbt' ablcsbaren Zeichen beschwört. Es handelt sich umgekehn duum, sie w:ahrcnd ihres ganzen Schlummers zu verfolgen oder vielmehr die Jem Schlaf.
3. Humboldt-Archiologlr:: Perspcktivencrweitcrung
101
3.2 Die Unweigerlichkeit des Emdeckens: Erinnerungs-Arbeit 3.2./ Darstelhmg
J.
Assmann hat in seiner systematischen Analyse dessen, was er als Das kulturelle Gediichtnü1JO bezeichnet, den Begriff der Erinnerung mit dem der Kultur gekoppelt. Dies ist für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsam. leh referiere im folgenden grundlegende Aspekte seiner Studie, d.ie er selbst als Beitrag zur allgemeinen Kulturtheorie bezeichnet, und die "vom Zusammenhang der drei Themen ,Erinnerung' (oder: Vergangenheitsbezug), ,Identität' (oder. politische Lmagination) und ,kulturelle Kontinuierung' (oder: Traditionsbildung)'"ZJI handelt, und werde dann aufweisen, welchen Nutzen man für die vorliegende Untersuchung daraus ziehen kann. Die Darstellung folgt einer engen Linie, die sich an der Aufklärung der Begriffe ,Erinnerung', ,Gedächtnis' und der Bedeutung der ,Schrift' in diesem Zusammenhang oriemicn. Sie will und kann keine systematische Da.r5teIJung des Assmannsehen Ansatzes i.nsgesamt sein und blendet vor allem die Theorie und Praxis der kulturhistorischen Aspekte, die Assmann anhand breiter ,Fallstudien' belegt, bewußt aus. Hier stehen die aUgemeinen kulturtheoretischen Aspekte zur Diskussion. "Jede Kultur bildet", so Assmann, ..etwas aus, das man ihre konnektive Struktur nennen könnte. Sie wirkt verknüpfend und verbindend. und zwar in zwei Dimensionen: der Sozialdimension und der Zeitdimension"n!. Diese konnektiven Strukturen sind es, die GeseUschaften so zusammenhalten können, ...daß sich die Handlungslinien nicht im Unendlichen verlauJen, sondern zu wiedererkennbaren Mustern ordncn"w. Damit sind schon die beiden Char:1kteristika von Riten angedeutet: die Wiederholung und die Vergegenwärtigung...Je strenger sie einer festgelegten Ordnung folgen, desto mehr überwiegt der Aspekt der Wiederholung. Je größere Freiheit sie der einzelnen Begehung einräumen, desto mehr steht der Aspekt der Vergegenwärtigung im Vordergrund"2}4. Assmann sieht nun einen entsc.heidenden Bruch in dem Wechsel von Mündlichkeit zur Schriftlichkcit, den er auch als Paradigmenwechsel der Handjungsformen von der Liturgie ZU.f Hermeneutik versteht. Assmann schreibt: 1»
Anmann,
J.: D4s kIlIturdie GtJärhtm'!. S"hrift, Ermllerung und polimche ldmlität in
frJiht'-n f/Qrhlm!turnl. München (2.. durchges. Aufl.) 1997. DI As,m,mn, On! k'llt"relle Gedächtnis, :u.O., S. 16. m Ebd. u, Assmann, Da! kulture/Je Gedii'rbcnis, :u..O .• 5.17. 2).0
Ebd,
Erster Teil: Rl:konstmktionen Humboldl$
102
"Im Zusammenhang mit dem SchriJtlichwerdcn von Überlieferungen vollzieht sich ein allmählicher Übergang von der Dominanz. der Wiederholung z.ur Dominanz der Vergegenwänigung, von ,ritueller' zu ,tcxrudler Kohärcn7.'. Damit ist eine neue konnektive Struktur entstanden. Ihre Bindekräfte heißen nicht Nachahmung und Bewahrung, sondern Auslegung und Erinnerung. An die Stelle der Lirurgie trin die Hermeneulik"'l.lS.
Um die Rolle des kulturellen Gedächtnisses einzuordnen und zu spezifizieren, secHt er es vergleichend drei anderen Formen gegenüber. zunächst dem mimetischen Gedächtnis. dem Bereich, der ..sich auf das Handeln'" bezieht: "Handeln lernen WLr durch Nachmachen"236, Die zweite Form des Gedächtnisses ist die der Dinge, in die ",der Mensch (...) seine Vorstellungen von Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit und Schönheit, und d.amit in gewisser Weise sich selbst investiert"ll7. Die drine Form nennt Assmann das kommunikative Gedächtnis, das er sorgsam vorn kulturellen Gedächtnis vor allem, was deren unterschiedliche Viskosität betrifft - trennt.l.l! Der Bereich des kommurlikativen Gedächtnisses ist der der Sprache insofern. als deren kommunikativer Aspekt zum Tragen kommt, denn ",auch die Sprache und die Fähigkeit. mit anderen zu kommunizieren, entwickelt der Mensch nicht von innen, aUS sich heraus, sondern nur im Austausch mit anderen, im zirkulären oder rückgekoppelten Zusammenspiel von Innen und Außen"Zl'J. Die Überlieferung des Sinns ist nun dem kult.urellen Gediichmis 140 vorbehalten. Es hat in einer Erinnerungskulrur insofern synthetische Funktion, als es "einen Raum bildet (Umst., U.W.), in den alle drei vorgenannten Bereiche mehr oder weniger bruch los übergehen"' H1 • Daß die "Zirkulation kulturellen Sinns"2<62 nun die "Möglichkeit einer umfassenden revolutionierenden Transformation" lH erfährt, hat mit der Entwicklung der Schrift(-lichkeit} als Speicher zu tun: "Erst mit der Schrift im strengen Sinne ist die Möglichkeit einer Verselbständigung und m Assmann. Das kullurelle Grdä.htnis, a.a.O., S. 18"
n, Assmaßll, Das kultllrelle Gedächtnis, u.O., S. 20. m Ebd. Ln
Vgl. daz.u Assm:linn, Das ku/tureJ/e Gedächtnis, a.:\.O.. $. 56.
LJ,
Ebd.
HO
Assmann wt'ist auf die Enrwicklungsgeschiduc dieses BcgriffC$ hin, wenn er konzediert: ~In diesem Zusammenhang definierte Konrad Ehlich lext als ,wiederaufgc.nommrnc: Mil~ teilung' im Rahmen einer .zerdehnlen Situation'. Dito Urnene de! TeJ(les ist das BoteninsriluL Aus dem B~riff der z.erdehncen Situation entwickelee sich. was Aleida Assmo1nn und ich spilC~r im Anschluß an Jurij LOlman und andere Kuhunheorctiker das ,kuhurdIe Gedächtnis' bezeichnet haben (Assmann. Das kulrurrlJe GtdA"
Jll lU
m Ebd.
J. HI.lmboldt·A rchäologi~: Pcrspckl-ivcntrwcitcrl.lng
103
K.omplexwerdung dieses Außenbereichs der Kommunikation gegeben"l.f·. Den Begriff des kultureJlen Gedächtnissrs organisiert Assmann daher als ..Oberbegriff für den mit den Stichwörtern ,Traditionsbildung', ,Vergangenheitsbczug' und ,politische Identitat' umrissenen Funkrionsrahmen·2-4~. Es ist auffällig, daß hier auch mit Termini operiert wird, die wir bei Foucault bereits als äußerst problematisch bzw. untauglich identifizien haben, z.B. den der ,Tradition'. Aber eine Bewenung dieses Vorgangs, die sich ausschließlich einer oberflächlichen komparatistischen Orientierung verdankt., wän höchst unzureichend. Dies wird offenbar, wenn man Assmanns Begriff der ,Erinnerungskulrur' nachgeht: .. B~i d~r Erinnerungskuhur hand~h es sich (... ) um di~ Einhaltung einer soz.ialen Verpflichtung. Sie ist auf die Gruppe bezogen. Hier geht es um die Frage: ,Was dürfen wir nicht vergessen?' Zu jeder Gruppe gehört, mehr oder weniger explizit, mehr oder weniger zentral, eine solche Frage. Dort, wo sie z.emral ist und Idemitiit und Selbstverständnis der Gruppe bestimmt, dürfen wir von ,Gedlichtnisgemeinschaften' sprechen. ErinnerungskuJwr bat es mit ,Gedäcbtnis, das Gemeinschaft stiftet', zu tun.. l ....
Wäre damit ein Vergangenheits begriff solcher Provenienz postuliert, der diese als objektiv gegebene Norm definien? Assmann bestreitet dies und legt dagegen Wen auf die Konstruktiviüt a.11 dessen, was als vergangen begriffen wird. Denn nicht nur .... wie die Gedächtniskunst zum Lernen, 50 gehön die Erinnerungskultur zum Planen und Hoffen, d.h. zur Ausbildung sozialer Sinn- und Zeithorizonte. Erinnerungskultur beruht weitgehend, wenn auch keineswegs ausschließlich. auf Formen des Bezugs auf die Vergangenheit. Die Vergangenheit nun, das ist unsere These, entsteht überhaupt erst dadurch, daß man sich auf sie bezieht" l41 . Hier kommen wir Foucaults Archäologie noch langsamer nahe als Humboldts Aristoteles-Projekt, aber in diesem Dreieck ist schon die Selbstverständlichkeit angedeutet. mit der Humboldt seine aristOtelische Erinnerungsarbeit versteht: ,Energeia" konstituien sich in den konstruierten Kontexten, den Gültigkeitsfeldern und ihrem begrifflichen Ensemble. So kann nun auch die Kritik Assmanns am Begriff der ,Tradition' richtig gelesen werden, die einwendet, ..der Begriff Tradition" verschleiere ..den Bruch, der zum Entstehen von Vergangenheit führt, und rückt dafür den Aspekt der Kontinuität, das Fortschreiben und Fortsetzen, in den Vordergrund"!-48. Genau !U ltS
1_ z,<1
1"
Assnunn. D~J It"b/irtl/r GrdMhmu. ;&.,1.0., S. 13. A.ss1J\Ulll. Das JlI~JUlrr//r GrdiichtniJ, :1.2.0.. S. 24. Assmann, DM It"lt"rrllr CrdiJchmu. L.1.0.. S. JO. Assnunn. D~J Jt",b",r~JJt GeJiichmu. a.a.O.. S. J I. Assnunn, Das hlINnlit GeJ4dun;I, u.O.. S. 34.
104
Erstrr Teil; Rekonstruktionen J-Iumboldts
dieser naive TradirionsbegriJf aber, den schon Foucault kritisierte, kann nun auch mit Assmanns Unterstützung destruiert zurückbleiben. So ist es bezüglich des ,Energeia-Diktums' nützlich - die eingangs posrulierte Option eines semantischen Tores in dessen Erschließungscharakter konkretisierend und Assmanns Ansatz der Erinnerungsfiguren opc.rationalisicrend und ins Theoretische wendend -, von einem Eritmemngsfomlal zu sprechen. denn auch solche erschli,eßenden Formate sollen wie die Assmannsehen Erinnerungsfiguren .. durch einen bestimmten Raum substantüert und in einer bestimmten Zeit aktualisiert sein, sind also immer raurn- und zeit-konkret, wenn auch nicht immer in einem geographischen oder historischen Sinn"H9. Sie entstehen aus dem ..Zusammenspiel von "Begriffen und Erfahrungen"150 und sind neben dem Raumund Zeitbezug auch durch ihren Gruppenbezug15l und ihre Rckonslruktivität 251 gekennzeichnet. Innerhalb eines theoretischen Raumes können sie so als Versinnlichungsstrategien verstanden werden, denn "so abstrakt es beim Denken zugehen mag, so konkret verfährt d.ie Erinnerung. Ideen müssen versinnlicht werden, bevor sie als Gegenstände ins Gedächtnis Einjaß finden können"25J. In diesem Komext wird dann d.ie Opposition des Gedächtnisses gegen die Historie erneut offenbar, denn es ist njcln nur das kollektiv-soziale, an eine Gruppe gebundene, auch Humboldts diesbezügliches "Gedächtnis operiert (...) in be,ide Richtungen: zurück und nach vorne. Das Gedächtnis rekonstruiert rucht nur die Vergangenheit, es organisiert auch die Erfahrung der Gegenwart und Zuku.nft"15~. Ein Konstrukt der Erinnerungskul[Ur, dem wir im zweiten Abschnitt stärker nachgehen werden und das helfen kann, das vorhandene Material zu Humboldrscher ,Gedächmisarbeil' ~.9 A5sm~lln, Das kulturt'//~ G~diichmis,
m Ebd. - Assm:l.Ilfl verweist in
J.,1.0., S. J8.
Ji~sem Zu.s~mmellha.ng explizit ~uf den k:antisch<:n Zuum-
m<:nh~ng 'o'on ,Bt1;riU' und ,Ansch:1Uung' (S. 38IAnm.18]).
AssrnJ.nn führt zu diesem Kriterium ~us: ~Das KollcktivKediichtnis haftet an scinen Trigerl) und ist nicht beliebig übcru'agb:u. Wer ~n ihm teilhat. b~Zl.'ugt damit seine Gruppenzugehötigkeit. Es ist desh~lb nicht nur raum- und z~it-, sondern auch. wie wir sagen würden: lJ~mllä/$konkret· (Assmann, Das k",llurell~ Gedärlmlll, a.1.0., S. 39). .m AssmJ.Jln führ! zu diesem Kriterium aus: ..Mit der Gruppenbezogenheil hingt ein weiteres Merkmal des Kollekcivgcdiichmisses engst'ens zus;tmm~n: seine RekonSlruktivil2t. Damit ist gcmcillt, daß sieb in keinem Ccdichmis die Vergangenheit ~s solche zu bew~hren o,'emug, sondern daß nur das von ihr bleibt, ,was die Gesellschaft in jeder Epoche- mit ihrem je.....eiligen Bt'zugsnhmen rekonstruieren kann' (...). Es gibt, mit den Wonen Jet Philosophen 1-1. Blumenberg, ,keine reinen Fakten der Erinnerung'~ (Assm.lnn, Dm kultunll~ Gediit"hmis, a.a.O., S. -40). .t)J AssnJann, Dm kl4lzJlrelle G~d1icbmis, a..a.O., S. J7, J~ Assmann, Dlli k",lz"r~lle GdiichtmJ, a.a.O., S. H. 151
J.
Humboldl-Archäologi~: Pl'rspcklivencrw\!it~rung
105
zu sichten und zu ordnen. Assmann besteht in diesem Sinne mit M. Halbwachs, dem Assmann wesentliche Beiträge seiner Theoriebildung verdankt, gemeinsam darauf, daß ,.der Begriff des kollektiven Gedächtnisses gerade keine Metapher (ist, U.W.), da es ihm (Halbwachs, V.W.) ja auf den Nachweis ankommt, daß auch die individueUen Erinnerungen ein soziales Phänomen sind",m. Jedenfalls ist Vergangenheit für beide, für Assmann und Halbwachs, aber auch für Foucault und Humboldt, ..eine soziale Konstruktion, deren Beschaffenheit sich aus den Sinnbedürfnissen und Bezugsrahmen der jeweiligen Gegenwarten her ergibt. Vergangenheit steht nicht naturwüchsig an, sie ist eine kulturelle Sc.höpfungU2Sb • Eine jedesmalige Schöpfung, die in Bcgriflen konstituiert und an ihnen identifizierbar wird. Für Humboldt zählt bei seiner .Energeia-Adaption/ deren Charakter als Figur der Erinnerung, weil ,.für das kulturelle Gedächtnis ruchr faktische, sondern nur erinnerte Geschichte" 2s7 zählt. Hier nun wird deutlich, welchen Wen AristoteIes' Theorie für Humboldt hat. Die Wertung, die Humboldt indirekt vornimmt, ist eindeutig: ..Nur bedeutsame Vergangenheit wird erinncrt, nur erinnerte Vergangenheit wird bedeutsam. Erinnerung ist ein Akt der SemiocisierungU2s8 • Damit ist jedoch auch der Charakter solcher Sem;otisierung ebenso festgemacht wie die Notwendigkeit seines kontrollierten Vollzuges begründet, denn ,.mit dem unvermeidlichen Wandel der sozialen (und auch theoretischen, V.W.) Milieus setzt Vergessen der in sie eingebetteten Erinnerungen ein. Die Texte verlieren damit ihre (Selbst-) Verständlichkeit und werden auslegungs bedürftig. An die Stelle kommunikativer Erinnerung tritt fortan organisierte Erinnerungsarbeit u 2..59. Einer Arbeit, der Humboldt sich - durch den zeitgeschichtlichen Rahmen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts initiiert - hier stellt und damit - auf der Suche nach textueJler Kohärerlz l60, die die historische Zeitlichkeit der Texte wie sclbstverständJich übergreift - scine lheorelische Flexibilität beweist: "Durch das kulturelle Gedächtnis gewinnt das menschliche Leben eine Zweid,imensionalitär oder Zweizeitigkeit, die sich durch aUe Stadien der kulturellen m Assma.nn, DaJ k"hllrdlr GtJiichtniJ, ....:1.0., 5. 47. ZS6 Assmal1n. DaJ kullurellr CeJiichmiJ, :I.a.O., S. 48. %)7 Assmann, DaJ kulturell< CeJiichmu, :1.a.O., S. 52. BI Assmann, DaJ kllllurellt CeJiicbtm'j, a.a.O., S. 77. ß9 Assmann. DaJ kuh"relfe CeJiichtnij, ... .1.0.• S. 65. 1100 Vgl. dazu auch AJisma.nns Bemcrkung: ... D~r Hauplunlcrschied zwischen lurudler und rituellcr Kt)hären~ liq;t darin, daß ritudlc Kohärenz ...u( Wi«lerholung b;lSicn, d.h. Variation ausgeschlossen wird, \",ährend lcxtudlc Kohärenz. Vari:l.tion z.uläßI. s~ar ermu· tigt- (AJismann, DIIJ kulturelle GtJächmis, ),.a.O., S. 97).
106
Erster Teil; Rekonstruktion"n HumboldLS
Evolution durchhält. Die Erzeugung von Ungleichzcitigkeit, die Ermöglichung eines Lebens in zwei Zeiten. gehört zu den universalen Funktionen des kulrurcllen Gedächtnisses, cl.h. der Kultur als Gedächtnis" 261 • Diese theoretische Flexibditiit wird begleitet durch Humboldrs zweite, seine philologische Flexibilität: "Textuelle Kohärenz bedeutet die Herstellung eines Beziehungshorizoms über (den) der Schriftlichkeit inhärenten Bruch (zwischen alt und neu, V.W.) hinweg, eines Horizonts, innerhalb dessen Texte über die Jahrtausende hinweg präsent, wirksam und anschlußfähig bleiben. Wir können drei Formen solchen intcrtextucllcn Anschlusses unterscheiden: den kommentierenden, den imitierenden und den kritischcn" l61 . Es entspricht Humboldts Denkweise, seinem Selbstverständnis und seinen Möglichkeiten, sich nicht eindeutig zwischen den Formen des Anschlusses zu entscheiden, sondern aJle drei wie selbstverständlich zu nutzen.
3.2.2 Prüfung Die Darstellung hat bereits den Assmannsehen Ansatz. explizit auf Humboldts Projekt der Rettenden Verwandlung antiker Ontologie bezogen. Es sollte deutlich geworden sein. daß - wie Humboldt in seiner Erinnerungsarbeit den Anschluß an Aristoteles sucht - eine Möglichkeit zu einem Anschluß auch zwischen Foucault und Assmann besteht. Zusammenfassend sind folgende Punkte festzuhalten: (1) Humboldt leistet ebenso selbstverständlich wie theoretisch reflektiert Erinnerungsarbeit, wenn er durch das Erinnerungsformat des ,Energeia'-Diktums hindurch auf aristotelische Ontologie zugreift. (2) Humboldt weiß um den fundamentalen Gegensatz von Historie und Gedächtnis, kann den aristotelischen Gültigkeitsraum der Begriffe stehenlassen und ist so in der Lage. einen analogen Gültigkeitsraum sprachtheoretischer Konkurrenz anzulegen. (3) Humboldt beherrscht die philologischen Techniken, ohne sie zu so.lehen zu degradieren. (4) Humboldt hält aristotelisches Wissen im Kontext der Arbeit am kulturellen Gedächtnis für solches Wissen, das bedeutsam ist. Soweit die Aspekte, die für die Architektur eines ,Verfahrens' Kontrastiver Archäologie aus dem Assmannschen Ansatz zu gewinnen sind.
2"
~6~
s.
Assm:mn, Das ku/turtlle Gediichmu, öl.~.O.. Sol. Assmann, DaJ kulturelle GcdiidJtms, a.3..0., S. 101·102.
J. Humboldl-Archät'llogie: PCfsptkti\'CllCrwt'itcrul'lg
107
3.2.3 Oberleitung Es werden im folgenden noch einmal die eorscheidenden Merkmale zusammengetragen, die nach der retrospektiven Sichtung der Rekonstruktionen Humboldu und der prospektiven Analyse theoretischer Perspekti.... en nun die Entwicklung eines Begriffes davon zulassen, auf welche Untersuchungslinien das hier sk.izziene Projekt einer Komtrast.ivell Archäologie gerichtet ist.
3.3 Kontrastive Archäologie 3.3.1 Begriff Anhand der theoretischen Kontexte wurde die These der Einleitung aufgewiesen, daß Tramformation und Erinnerung einander bed;ng~nde Prinzipien von Humboldts Aristote1es-Adaption sind. Kontrastive Archäologie stellt nun das Verfahren dar, das diesen Bedingungszusammenhang aufdeckt, indem sie zwei. Untersuchungslinien nachgeht: (1) Erstens der der Transformation, die definiert ist als die Übertragung von ontologischen Schemata in veränderte Gültigkeitskontexte. Die Transformation ontologischer Schemata ist dann gelungen, wenn das dem einen Kontext zugrunde liegmde begriffliche Raster eine mehr und oder minder analoge semantische StrUktur zum Vergleichsraster aufwcisL (2) Zweitens der der Erinnerung, die defmien ist als Zugriff ,mf zentrale Motive abendländischen Denkens und auf deren Vergegenwärtigung abzielt. Erinnerungs-Arbeit ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, weitgehend unverkürz~ nicht fragmentarisierend und nachvollziehbar eine Übertragung solcher zentralen Motive vorzunehmen, diese aber trotzdem nicht einfach wiederholl, sondern sie in einem bislang unbeschriebenen Kontext rekonstruiert und damit neu konstituiert. In diesem Zusammenhang ist es dienlich, beim ,Energeia'-Diktum von einem Erinnerungsformat zu sprechen. da es den Raum erschließt. in dem Erinnerung sich etabliert hat. Kontrastive Archäologie bestimmt so den Charakter eines Verfahrens, das diese Umersuchungslinien nachzeichnet. Als Verfahrenscharakter ist er auch deswegen sachgemäß, weiJ er sowohl Humboldts eigene Arbe,itsWeise identiflZiert als auch inhaltlich die grundlegende These der Wirklichkeit-Sprache-Transformation zu stützen ve,rmag. Es ist R. Haym zuzustimmen, wenn er bereits 1856 illustriert:
108
Ersl~r
Teil: R~kon5ITuktionen HumboldlS
..Sein (Humboldts. U.w') eignes wissenschaftliches Verf2hrC'n ist von dcmsdbC'n Streben beherrscht und von einem nahezu ähnlichen Erfolge begleitet, wie dasjenige. das er als das beständige und allgemeine Verfahren der GriC'ehen bez.eichnet. Wie diese nach seiner Darstellung a 11 e WukLichkeit bthandelten, so behanddt er die Wirklichkeit der S p Ta ehe -W.
3.3.2 Überleitung Humboldt unterstellt dem aristotelischen Denken Bedeutsamkeit. Mit dieser (an-)erkannten Bcdeutsamkeit korrespondiert., daß Humboldts Emdcckungsarbeil der Sprache ebensowenig zufällig auf aristotelisches Denken trifft, wie die Ergebnisse seines Transformationsprojcklcs beliebig sind. Im Kontext der Theorie des und Humboldts Arbeit olm Kulturellen Gediichtnir initijert vielmehr konsequente Erinnerung eine zu erinnernde Konsequenz. auf die B. Liebrucks aufmerksal11 gemacht hat: "Erst wcnn menschJjches Tun durch die Sprache gegangen ist, ist es menschli· ehes Tun gewesen" 1M , Humboldts Projekt der Sprache gewinnt in dieser Perspektive nun n.icht nur den Charakter unweigerlicher Ent·deckungsarbcit, es steHt sich auch - Humboldts theorctische Einsichten aus- und deren Tragweite ermessend - eine ebenso unweigerliche Frage: ..Wer war dieser Humholdt?"26S Liehrucks Antwort skizziert die viel1eicht wichtigste Voraussetzung für das Projekt einer - doch so unspektakulären wie vernünftigen - Transformation einer Welt der Wirklichkeit in die Welt der Sprache: .. Er war, um es mit einem Won zu sagen, ein sdbstindiger Mensch. Er war von einer Sdbstandigkeit, die uns im Leben nur sdten begegnet. Er war so sdbstandig, daß er sich mit jedem Satz in Frage stellen konnte. Er stellte sich dem größten Gegenstand, den der Mensch hOlt, seiner Sprache. Er stellte sich der größten Erfindung des Menschen, die rast der Erfindung des Organismus gleichkommt, als ihr vielleicht erster Enldecker. Wir verlassen ihn (...) mit ~\
H:I.)'m, R.: Wilhelm 1)01/ lIumboltlt. Lebensbild untl Cbrrrlfkttrilllk. Berlin (Nachdruck Osn;abrück 1965) 1856. S. S79. - Es iSI erstaunlich. mie welcher Sicherheit und Tiefe Haym ..-iele Ged-ankcn Humboldls ;lUfschlußreich idCnlifizien haI. I-linler die Wertung Howalds. n:lch der H:I)'ms Biogr:lphie ..noch wien
1, Humboldt·Archiologie:
P~rspcktivencrweilerung
109
de.m Bewußtsein, daß auch die Superlative unserer letzten Sätze eingezogen werden müssen, wenn sie ihren Zeigcsu,b- und Erweckungschankter erfülh haben"!"'.
Humboldt steHt sich der sozialen Verpfli.chtung des Nicht-Vergessens. Seine Erinnerungsarbeit generiert kein rituelles Echo, sondern ist aktiver Neuvollzug. Weil er zu einem theoretischen Leben in differenten Zeiten fähig ist. übergreift HumbolJts Gedächtnis die Zeit als starres Gefängnis der Kausalitätsgeschichte. Es erinnm durch die Rekonstruktion der theoretischen Anschlußfähigkeit der Texte in Vergangenheit. Gegenwan und Zukunft und ist damit originäres Medium der selbsterarbeiteten und fremdinszenierten RekollStruktiOtJcn Humbo/dts. RckotJSlTuktionen Hlfmboldts zu analysieren hieß demnach erstens, die entscheidenden Theoreme seines Sprachdenkens danustellen, zweitens zu untersuchen, wie in der Rczcptionsgeschicbte die unterschiedlich intendierten und gelungenen diesbezüglichen (Re-)Konstruktionen entstanden sind, und driuens aufzuweisen, welche neuen Rekonslruklionsperspekliven noch gewonnen werden konnten, die weitergehende Ergebnisse und Schlüsse zum Humboldtschen Sprachdenken zulassen, a.ls sie bislang erkennbar waren. Nach diesem Durchgang ist es nun möglich, in HumboldtS Erinnerungsarbeit direkt einzugreifen und seinen diesbezüglichen Weg nachzuzeichnen: Humboldts Gedächtnis.
~
Ebd.
Zweiter Teil:
Humboldts Gedächtnis Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind die von Humboldt selbst geforderten Perspektiven, mit denen man der Antike als intellektuellem Gegenstand der Betrachtung näherkommen kann. 1m folgenden soll daher zunächst Humboldts Bemühen um die Konstruktion eines Bildes der Antike nachgezeichnet werden. Dazu werden vor allem djc Texte Humboldts gelesen, die er selbst als (Zwischen-) Ergebnisse dieser Konstruktion angesehen hat. Alsdann wird die Problematik der HumboJdtschcll Antike-Rezeption in einer für den Tegeler Philosophen gegenwärtigen Perspektive auf die in diesem Zusammenhang unvermeidliche Fragestellung focussiert.. ob nämlich u.nd auf welche Weise Humboldt AristotelesLeser war, wie sein Bild des griechischen Philosophen aussieht, auf weIche Texte er schließlich zugegriffen, wie er diese verarbeitet und welches Lektürescbema er angewandt' hat. Der Zukunftsbl.ick läßt den Rezipienten Humboldt schließlich selbst als Rezipierten zurück: Das ,Energeia'Diktum wird in der Zeit verfolgt von seinem Stcinthalschen Ausgang bis zur Gegenwart und erschließt somit erst vollständig den dreidimensionalen Zeithorizont von Humboldts Gedächtnis.
4. Humboldts Panoptikum: Gebildete Antike w. v. Humboldts Bild der Antike ist Gegenstand mannigfaltiger Untersuchungen und weiterführender Legitimacionsansuengungen - vor a,lJem im bildungstheoretischen Bereich - gewesen.! In dem in der Forschungsliteratur mehrfach gebrauchten Terminus des ,Bildes' kondensiert sich jedoch bereits deren entscheidendes Ergebnis und auch die besondere Problematik, die mit. Humboldts Antike-Rezeption verbunden ist. Wie selbstverständlich sieht Humholdt in der Geschichte - zumal der des allen GeiecbenJands - nur das Material für die Konstruktion eines idealisierten (gleichwohl nicht immer unkritisch idealen) Panoramas der antiken Geisteswelt, an dem er bewußt die eigene Selbsthildung im Zugriff auf als bedeutsam Unterstelltes betreibt. Trotzdem in Humboldts Antike-Bild auch nicht uneingeschränkt solipsistisc.he Spiegelung, d.ie rationale Argumente und Gedankengänge vollkommen entbehrt. Humboldt versucht vielmehr, in "wohltemperierter Leidenschaft" 2 die Waage zwischen persönlicher Besc.häftigung und Vermittlung wie aucb zwischen den historischen Fakten und der idealistischen Projektionsfläche zur Entwicklung einer anthropologischen Orientierungsgröße zu halten, die nach seiner Auffassung Vorbildcharakter für das 19. Jahrhundert und darüber hinaus haben kann. In keinem der von ihm untersuchten Wissenschaftsbereiche hat Humboldt die selbstgesetzte Zielvorstellung, ,soviel Welt nur als möglich zu ergreifen und so eng, als er nur kann, mit sich zu verbinden so ernstgenommen. wie in der Antike-Rezeption. In der aus diesem Erkenntnisinteresse wie selbstverständlich resultierenden produktiven Ungleichzeitigkeit ist daher auch begründet, daß "sein Bild von der Antike in keiner Weise temporär fest umgrenzt ist" 3, vielmehr in der Konstruktij
,
Vgl. vor .aJlern Gluinski. S.: Anti)(/,' "nd M()J~rne. Die AntIke II/S Bi/dungsgcgemt4nd bt'i \('i/he/m 't'on Humboldt. Aachtn (Diß.) 1992. Sieht at/eh dit Zt/ummtnslellt/ng der Forscht/ngslilcr;alur in Kapitel 4.6. - In den Rekonstnlklions~mühung~n zum Humboldlschen Alllikc·Bild wird auch das Kardinal-Problem dC1' Humboldt-Rezeption insgesamt offenbar. R. PfciHer stellt dazu fesl: .Humboldt gc:hön zu d~n vidgen;:ll1nlen - mil Bewunderung oder mit Schdt~n, mit Li~be oder mil Haß -, aber 2.t/ den kaum gdesc:ncn· (PfeiHer, R.: ~ Wilhdm von Humboldt. der HumaniSI~. In: Dit Antikt, 12. Jg.{1936], S. 35). J I-Iowald. E.: WillJdm von Ifumboldt. Zürich 19'*'4. S. 49. ) Pr:LJlg. H.: •Wilhdm von Humboldu Ansduuung vom Wesen dc:r Antike". Ln: Die: AntiJu, 12. Jg. (1936), S. 131-154, hier: 5.131. I
114
Zweiter Teil: l-!umbol
on ein Über-Zeit-Motiv konstituiert wird, das insofern auch eine sinnenhafte Erläuterung in Humboldts Leben selbst findet, als sich dieser nicht Dur vereinzelt und wie in den anderen Wissenschaftsbereichen m.it deutljehen biographischen Schwerpunkten, sondern Zeit' seines Lebens mir der griechisch-römischen Anüke intensiv beschäftigt hat.~ Dieses prinzipielJ unabgeschlosscnc Projekt der Amike- Rezeption ist so gleichermaßen gcistesgeschichdiches Fundament und orientierende Begleitung seiner wis· senschaftlichen TheorieentwickJung in den verschiedenen Wisscnschaftsgebieten, denn "kaum einen Tag (seines Lebens, U.W.) scheint er (Humbold~ V.W.) ohne Umgang mit anriken Schriftstellern verbracht zu haben"S, Schon im 14. Lebensjahr beginnt diese intensive Beschäftigung, die bis ins hohe Alter nur mü sehr kurzen Pausen andauert. H, Weinstock stellt z.u Recht fest, daß "das Griechentum (...) das entscheidende Bildungserlebnis Humboldts schon in den wichtigen Enrwicklungsjahren u6 VgL uillien.j.: G. d~ fh,mbQIdt f't la Grhc. Modell' 1.'1 hmoiu. tille 1'J1I3. S. 11. - Vgl. Flitncr. A. und Umcrbcrger. R,; ~Einführung in die hriften 1.ur Antike~, I,n: Humboldt. W. v,: "'erke in fünf HänJe'l. J-1rs8' '1101/ A, r/ilner ,mil K. GII~I, Oarlllsudt 19110-93, Bd, V. S. 3611·3911. lucr: S. 36l:t .s FlinwrlUntuberger: ~Einführung Antikc\ ,uD" S, J6S, - Humbollh stelh dies in 8C'iller Königsbtrl;er Zeit fotg,cmltrm.1oßen fut: ~UeberhJupt hUljt' ich niC' ti lien T:tg. ~Is Inll Gmtcr"J ooer l..alimJ oln. Dir Acten \'C'rCJ" 1935 (!) \'I!r· offentlichten Abhandlung RHurnboldl$ ·pr.lchstudien und die: deuLSche Bewegung. Die. ~
4. Humboldu Panoptikum; Gebildete Antike
115
ist. Hervorzuheben ist hier vor allem der Einfluß seines lehrers J, J. EngeP, dessen .. Unterricht. und Umgang" nach Humholdts eigener Aussage in seinem von 1767 his 1828 reichend.en schriftlichen Lebenswuf .. vorzüglichen Einfluss auf ihre (Alexandcr und Wilhe1m v. Humboldt, U.W.) Bil-
dung" hatte (XV 524). So wundert es
nieh~
daß er bereits mit 18 Jahren seihst diesbezügliche eigene Texte publiziert hat. 8 In seiner Schrift Sokrates und platon über die Gottheit, über die Vorsehung und Unsterblichkeit (r 1-44) konfrontiert Humboldt auf Engels Anregung hin' Fragen und Reflexionen aus seinem eigenen philologischen und philosophischen Studium mit TextsteIlen aus Xenophons ·A:rroJ.lvttlAoVf.UJ.lOtet. deren Titel er hier - njcht unüblich - mit .. Denkwürdigkciten (I 7) übersetzt, und dem U
Erneut".rung du Volksge(bnk('ns~ (S. 70) signalisien allzu deutlich die vollkommen yerquere Gleichsetzung von I-Iumboldu Nuionens1udium mil dem ,Volksgcdankc.n· iener Jahre und die für die Weisgerber-Schule typische - dennoch systematisch und in1ellektuell vollkommen abwegige - Konsequenz. nach der aus dem Energeia-Diktum etwa die For+ derung nach Untersuchung der Muuer$ptlliche herzuleiten sei. Nur als tOtale Besinnungslosigkeit kann daher ~uch Llmmen gcistlosC' Bemerkung, die gleichwohl den GeiSt dieser J,lhre atmet. angesehen werden. daß wie im Nationalsozialismus :auch Humboldl yor der Aufgabe der ~Erneuerung unseres Begriffes Volk" (S. 72) gt'Sl'anden habe:. Lallllllers preisl dann nQl:;h die ...51arkc. verbindende. ungebrQChelle Kraft unserer gemeinsalllen Sprache. die tiber yerordnele Grenzen die nalürlichen Bindungen nicht erschlaffen läßt~ (5. 72) und erweist sieh SO (ungewollt) :als schwarLCr Prophu kommenden Großmacill wahnsinns. 0.111 solche gefährlicht'n Absurditiilen indes weder Ausnahmen sind noch datt sie ohne historische Wcgbereimng auskommen mulhell, zeig1 ein Blick au( O. Harn:u:ks Aufs:m. von 1888. in dem er u.a. knnst:Hien, Humboldl sei .. 7.U allen Zeilen. in Rom, oder P1riS und Madrid. von inniger Freude erfülh, cin Deutscher :z.u sein (H1rn:ack. 0,: ~Goelhe und Wilhelm YI1n Humboldt In; Vjschr. f. Lu. GtJch., I. Jg. [1888). S. 115-243). N1chträglich(' Rclalivierungcn solchen Unsin~ lusen die Skepsis gegenüber dem Autor eher noch stciJ;en. als daß sie überzeugen können (vgl. 5. 238) und machen die Gefihrdungen überdeutlich, die Wissenschaf1 erleidet. wenn sie ihre Emstchungsbedingungen yergißI, ralionale LegilimauolIsll.Ilslrengungen umerl.:ißt, Abhängigkeiten YCTschweigt oder sich gar bewußt odel"' öpportunisti.sch in den Dienst illcölogischcn Machtmißbtlliuchs mU1. - Vgl. in diesem Zuummenh1ng auch die Oisscronion von Herkendell. H.-J.: Dir P~olllichJuitlidt!t! \t'ilhelm tlon Nl4mbolJu I4nJ Jas 'tIÖllt;sch~politisdu Mensclu!rIbJ1J. Heidclbcrg 1938. 1 Zum Ei.nfluß Engels auf Humboldts Antik~Studien vgl. \1.,1. Scurb, 1-1.: 'J/j/JJI:lm tlO" Hl4l1lbQltIf. \t'erden I4nd Wirkm. Düsseldor1 1970. S. 28. - LOlhbolz weilt ebenfalls auf die Bt'<1eutung Engels' hin (~1:1. LOlhholz: "Humboldu Verhiltnis·. a.a.O., S. 486). - Zum Zusammenhang der frühen ßildungsph'ue Humboldls mit den Lehrern]. H. Campe, G. J. C. Kunth, C. W. von Dohm, E. P. Klein und schließlkh J. ].Engd -:luc.h BOl'$Che, Wi/helm 'IIOn Hl4mboldt. a.a.O., S. 11. - Ebenso Doye. A.; .Humbold1. Wilhe1m von~. In: Allgem~ine Df.'l4lsd1t BIOgraphie. Hd. Xif/. Berli.n (Nachdruck Berlin 1969) \888. S. 338-358. hier; S..B9. - Ein(' detaillierte Zuummen(:lssung zum frühen Unterricht Humboldts bielet C. M. Sauter in WiJ;'eJm von Humboldl u/ld die deutKhe AufkLirung. Berlin 1989. S. 34-39. • Vgl. Flilner/Unterberger: .. Einführung Amike a.I.O., S. 368·379. • Vgl. Leir:z.molnll. Wilhdm tl<m Humboltll. l.a.O.• $.16. Y
Y
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116
ZwdlCr Teil; Humboldu GC'dichtnis
10. Buch aus Plarons N6~lOl.. In der den Überset~ungen voransr('.hcoden Einleitung kritisiert Humholdt die ..Schwärmer und Betrüger'" (I 7), die es in der Zeit des Sokrales und Platon wie zu seiner Zeit gegeben habe, und forden srarr dessen ,.unpartheiische Wahrheitsfofschcr" (I 4). denn .. was heisst Aufklärung des Zeitalters, wenn nicht a.I1gemeiner verbreitete, (...) vorurtheilfreic Schäzung der Dinge'" (I 2). Kennzeichnend ist bcrciLS hier sein vehementes Unbehagen, Geschriebenes auch zu veröffentlichen, wiewohl er in cücsem Falle J. F. Zöllner. der der Herausgeber des ..Lesebuches für alle Stände zur Beförderung edler Grundsätze, echten Geschmacks und nützlicher Kennlnissc"'O war, in dem die Schrift dann schließlich 1787 und 1790 erschien, nachgab. Humboldts intensive und von ihm häufig explizit gemachte PI:uon-Lektüre", von der sein idealistisches Denken zunächst beeinflußt ist, ist dabei erstes lndiz auch für die Selbstvcrständlichkeit seiner Aris[Ot.c1es-Rezeption.l~ Humboldts Sokrates-lnteressc wird schließlich durch die Xcnophon-Lektürc (der Autor der 'AvCtßamc; formuliert in dem von Humboldt rez.ipierten Text seine Erinncru.ogen an Sohlaes) deutlich, so daß insgesamt ein J ntercsse schon in den frühen Jahren unterstellt werden muß, sich neben den griechischen Schriftstellern auch die bedeutenden griechischen Philosophen zu erarbeiten. Daß gerade die Lektüre der letzteren ebe.n nicht schwärmerisch und unkritisch ist, zeigt Humboldrs Platon·Besprechung in der Einleitung, die auch als früher aristo[e1ischer Brückenschlag gewertet werden kann; .,PIaton redet blass von Bewegung, und scheint keine andre Veränderung i.n der Natur zu kennen. (...) Auf alle Fälle hat Platon die Art, wie Geister, und wie Körper wirken. nicht gehörig von einander unterschieden" (I 6). Ein .. Fehler" (I 6). den Zöllners "zwanzigjähriger Kavallier" U mit Blick auF die damalige - noch defizitäre - BegrifFsenrwicklung in seiner nmännüchen Einleiruog"'4 großherzig vergibt. Unter Zuhilfenahme einiger kurzer biographischer Rahmendaten soll nun zunächst eine Rekonstruktion von Humboldrs Entwurf anhand sei· Vgl. tur Veröff~nlliehungsproblen1aljkder Schrift Kes~l. E.: Wi/helm von Hllmboldt. Idee /im/ \VirklichktiL Srungan 1967. S. 2-4-25. 11 Zum achwti~ der PI:uon-ßesc-hiftigung in den Scbrifreo HumboldlS vgl. tn der StudienausgWc von Fllmer/Gid folgende Tex15tellen: I1IH.. 60, 62.100.250,180; 1143, 10ft, 351; 111293,593: V 26, 17~, 368f.,J74. lJ Pies in .luch dar:lll ablesbar, daß Humboldl hier sehr wohl rinen Mangelspün. Er schreibl Olm 11 Januar 1793 an Wolf; ..Vorzüglich hahe ich gerade fasl bJ"ß Dichter. einulne Slükke :l.US Historikern und den P!:l.IO gdC'.5~n •.alsQ l.auler ScluiftSlcllcr die sehr zu einer idealischen Vorstellung führen. Die welche davon d;u Gegenthc-.illhiten. (...). rehlen mir noch ganz" «(Humboldt an Wolf am 23.J:mu-ar 17931. :I..a.O.. S. 29). U Wertung ZöllnerS zitien naeh der B~mcrkung des Hcnusgebus zu Humbold15 Schrift (11). 10
n
Ebd.
4. J-1umboldts P:mopdkum: Gebilden' Antik(
117
ner zentralen Texte zur griechischen Antike vorgenommen werden. Dies ist nicht ohne Schwierigkeit. denn die - fast durchweg erst posthuml 5 veröHentlic1nen Texte geben ein unvollständiges Bild von Humboldts Antike-Rezeption, weil sie aufgrund ihres unterschiedlichen funktionalen Charakters nur teilweise den weiten Problemarisierungsspielraum Humboldts erschließen 16, wie dieser in den Briefen an F. A. Wolf und an Carolioe ebenso euphorisch und plastisch wie (in den philologischen Befunden) gewissenhaft und detailliert formuliert wirdY Eine weitgehende Reduzierung der Textgrundlage (die Briefe werden gleichwohl kommentierend herangezogen) ist aber nicht nur vertretbar, sondern im vorliegenden Kontext aus zwei Gründen sogar geboten: Einerse,its sollen explizit die Ergebnisse von Humholdls Konstruktionsunternehmen aJs originä.rem Projekt ohne große Erläulcrungsbedürftigkc.ir ernstgenommen und so der Gefahr begegnet werden, den Gehalt der Texte biographisch und intentional gerade durch übermäßigen Kommentar zu simplifizieren bzw. deren Unebenheiten zu glätten. Anderersei[S ist ein weiteres - in diesem Kontext signifikantes - Phänomen an den Texten zu beobachten: die Präsenz aristotelischer Termini springt hier deutlich ins Auge; dies kenntlich zu machen, ist daher ebenfalls vorrangiges Ziel der folgenden Darstellung. Die jüngere sprachwisseoschahliche Humboldt-Forschung hat in dessen Antike-Schriften indes wenig Anreiz zur Betätigung gesehen, ja diese Betätigung vornehmlich bildungslbeoretisch-anthropologischen Untersuchungen überlassen. So erfuhren Humboldts Texte in dieser thematischen Hinsicht eher Begnadigung denn Untersuchung. IR Und das, obwohl auch "das Antikebild der Vertreter der deutschen Klassik keineswegs einheitlich" llJ ist, es U Vgl. Scoafrmin.
F.: WiJhe/m f,JOfJ HHmbu!d,_ CI'" üvembj/d. Prankfurt olm Main 1952. S. 91.
Vgl. PlitntrlUotcrbl'rger: .Einführung Antikc". a:a.O., S. 368. I' Vgl. St Wesentliche über dJis Gricchc.nbiJd des gelehrten Oilenam:en gesa.gt sein" (Börschc, Wilhclm VOll Humboldr, .1.•.1.0., S. 17). ßorschl's prohlemattsche Kon~cqu('nz zur Arbeit .tn Humboldu Antike-Bild I~ulct - obwohl jNter ~ndcrt' \'Qn Humboldt Ix-arbdt(tt' Wis~ensch3fulxord('_h eing(oend besproc.hcn wird - denn .tuch: ..ihm iSI kein (igcner Teil d(r D,trlitcllunS gcwidm(l~ (ebd.). r" Müller, No.: MemdJl:llbild ulld j-/lIlnllmsml(S der AJ/II·ke. Srlldie" tur Gtn:JJ/cbre dcr L,r"atHT und Ph,!osopl)le. Frankfurt Olm Main 1981. (,zum Antik(bild WiJhdm von Humboldu'. It
an-
S. 303-315) S. J03.
1\8
Zweiter Tt:il: Humboldts Gedächtnis
einer detaillierten Darstellung der Humboldtschen Argumentarion auch in den differenzierten Bereichen semes Denkcns durchaus bedarf, und mancher Verweis auf die omnipräsente Allgemeinheit der griechjsch-römischen GeiSteswelt in den Werken der Klassik und Romantik deutlich zU kurz greift. So blicb es letzdich bei sehr grundsärzlichen ,Würdigungen', Aber auch wenn für den sprachwissenschaftlichen Kontext - bis auf einige, aber doch sehr deutliche Akzente, wie 2.8. in Latium und Hellas - zunächst wenig zu gewinnen scheint, gestartet die sehr facencnrciche argumentative Perspcktivik und Icgitimatorische (Eigen-)Logik Humboldts, die im deutlichen Gegensatz zu dem ersten Eindruck eintöniger Griechenidealisierung bzw. z.u dem ihm sicher teilweise zu Recht unterstellten "Griechcnkult"!O steht. Einblicke in ein theoretisches Gefüge, das in den sprachwissenschaftlichen Schriften dann virulent wird bz.w. zur Ausbildung kommt. Um diesem Fundament nachzugehen. werden nun einzelne Termini aus den Überschriften - wie ,Studium" ,Betrachtungen', ,Charakter', ,Geschichtc' und .Einleitung' - als aufklärungversprechende Leitbegriffc verwendet. um die verschiedenen Richtungen der Argumentation aufzuzeigcn. Durch die auch für den Term.inus ,Bildung' charakteristische doppelte Hinsicht von tätiger Konstruktion und inhaltlicher Qualifizierung des Gegenstandes gewinnt HumboldLS Gebildete A'ltike als Problematisicrungsfolie dieses Unternehmens dann eine dreifache Bedeutung: In seinen Untersuchungen k.ristallisiert dieser erstens für den Leser antikes, geistesgeschichtlich als bedeutsam untcrSlelltes Bildungsgut heraus 21 , cr sicht dicses GUt zweitens selbst als seinen eigene,n Bildungsgegemtand an und bildet in der Integration dieser Perspektiven die djesbezüglichen Essentials schließlich drittens in einem Griechenbild ab. das das historisch Gegebene nur noch als Background für eine - gleichwohl gewollte und transparente - Konstruktion des menschlich Idealen begreift. 21 N Borschc, \fMhe/m wn HumbolJt, a.~.O., $.17. 11
11
Bemerkenswert in diesem Zus.J.mmt.llh:mg ist :.luch die- Bemerkung Schaffstcins. nach der in der Betonung des Bildungswertes der Amike-Bcsch:iftigun~ Humboldl entscheidend über Wolf hinausgehl. Hier ist demnach ein wichtiger Aspekt bauglich der Frage :.lufgefundcn, was I-Iumboldls originärer Beitrag zur damaligen Diskussion w-.tr (vgJ. SchaHstein, \V,i"dm '(,1(>11 Huml1o/dl. 01.:1.0.• S. ').I). - Ebcnf;alls von 7.t.'.nlral~·r Bedeurung ist die PcslSldlunS' die H. Flashar in ~il1em ~usgel.eichncten Anikd RWilhrlm von Humboldt ulld die griechische litemur·, In: Schlernh, B. (1-1 Bg.): \f'i/he/m '(,1on Humboldt. Vortrttgszyklld ZItJl/ HO. Todestag. ßerlin 1986. S. 82-100. llucht: RFl'1lgell wir nun, worin die spcl.irL\ch HumboldtSChc Ausprägung dieses ..Ilgemeinen Griechenbildes: lit·gt. so ist es \'or allem di\.' Wendung ins Prt\gl'1lmnutische und Emph;l[isehe~ (S. 87), Besonders kompakt und die Grundzüge dcr :.I.llthropologischcn Zidrichrung \'on Humboldts Grieehenstudium identifizierend merkt H. Isham Qn: ..Sharing his generalion's cnthusiasm for anciem Grecce, I-Iurnbold! believed thaI swd}' of Creek culturr in its bro:ad~
4. Humboldts Panoptikum: Gebildett Anuke
119
4.1 ,Studium', des Griechischen insbesondere Humholdt nutzt vor aUem die ausgedehnten Perioden seines Lebens, in denen er Privatmann ist, zum intensiven Studium. Er ist 1791 als Legationsrat erst einmal aus dem Staatsdienst ausgeschieden.D Die Jahre nach der Heirat mit Caroline verbringt er zumeist auf den thüringischen Gütern des Schwiegervaters, von denen aus er auch Reisen nach Erfurt" Berlin" Weimar und Jena, wohin er schließlich 1774 ühersiedelt, uncernimmt. 1792 ist cr in Aulchcn, genießt dort die .. beneidenswürdige Ruhe und Einsamkcit":H und widmet sich intensiv dem Studium der griechischen Literatur. Schon hier wird deutlich, daß Humboldts '-nteresse am klassischen Griechenland im wesentlichen den Dichtern gilt. Er schreibt am 3. September an seinen Freund K. G. Brinckmann: ..Was meine Studien betrifft, bill ich, seit meinem Hiersein, allein mit Griechischem. und zwar mit Pindarl Aeschylus. und. meiner Frau wegen. nebenher mit Homer beschäftigt"!5.
In der Zurückgezogenheit von Auleben faßt Humholdt den Entschluß, eine Art Programm für eine Zeitschrift zu verfasseo, die den Namen ,Hellas' tragen soU. Aus einem Brief an F. A. Wolf vom 1. Dezember des gleichen Jahres stammt die berühmtc Tiefstapelei Humboldrs, als ..Philologe von Metier"16 könne er .. nicht studiren"17, eine Zurückhaltung, der sein
1ft
would promOle ~ true philosophical knewledge of m~n (...). j:or HumbClllh lhc H(llt'ni~ world wu J unity öf diverse' forees. a eultural unity whieh his own umes lacke
11
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II
Zweiter Teil: I-Iumboldts Ged;ichtnis
120
Göttingc.r HochschuUehrer Heyne schon in Humboldts Studienzeit vehement widerspricht. 1S In zahlreichen, späteren Briefen. U.3. mit dem Altertumsforscher und Philologen F. G. Welcker, wird vielmehr deutlich, daß Humboldt auch in philologischen Fragen über hohen Sachverstand verfügte. Das Griechische beherrscht er perfekr,!9 Auf die Anregung Wolfs. des .. berühmten Professors der alten Literatur und Beredsamkeit an der Universität Hallc"JO, den Humboldt im Sommer 1792 besucht hat und zu dem er engeren Kontakt sucht, geht nun der Impuls zu einer erneUlen Beschäftigung mit der Antike zurück. ll Diese mündel U;3. in das .Hcllas·JI
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Vgl. zur Bedeutung
Humboldts diesbezüglichem Studirnintcrcssc :luch Schaffstein. \Vi/)u/m tlotlI-lHmboft:ll, .:\.3.0.• S. 15. - Zum Studium HumbQldu bei C. G. Hc)'nc: insgesamt ygl. yor allem Saul(~r, I-Iumbllidl und du deHtsthr AlIjkliirHlIg, ;1.:1•• 0., S. U8-17J. Zur RI)lIe J-1cynes im KVnJexl der and~ren Göuin~er 5tudirn ygl. Kt"sse1, \ViII,c/m VOll !-Iumbold,. a.a... S. 37. - Zur Bewertung von Humboldu philologischen Kt"lllHllis:.en durch !-leyne vgl. Scurb.. Ulilhelm von Ilumboldt, a.a,O., S. 38. Vgl. Bergl.tr. P,: U'dht'lm VO'l /-Iumboldt i" Selbltuugnmrn "nd Bl1Jdoklfmrlltetl. Rein· bck bei H:'Imburg 1982. S. 47. - Auf Hurnboldts frühen Griechisch-Unterricht wriSt auch Kes,f'I. Wilhelm von Numboldt, a.... O .• S. 24, hin. Mamnn. Ph.: ~Einleitung·. In: deN'. (I-Ir5);'): Bnefran R A. \Vol[. a.a.O.. S. 2. Mmson berichtet auch übcr die W(.·dlSd\'I,l1e Geschichte der Frcundsch;U't zwisch"ll Humboldt wld Wolf. ß"g:mn diese ab 1792 schnell intensiv :I.U werden und war sie in der Zeit z.wi.schcn 1797-1808 weiler \'on cltr Erörtcrung philologischer Fn.geslellungen bl.w. V(ln Wolfs ßil~ ten um lSrnlung und Vt"rmitrlun~ Von Konuluel1 bcstimllll.lpb rs ...or allem in der Zcil .lb 1808 narke Spannungen. die :lugcnscheinlieh daher rührten. daß Wolf die ihm von I-lumboldt z.ul:edadHc Aufgabe innerhalb der Reform des preußischen Untc.rridHswcsens nicht erfüll,'., wollte. Dit·s ~hei[j~rll~ [emlich an W(.Ms ~Eil'c1kclt, Widerborstigkdt und d;:r in seiner Berliner Periode sprichwörtlichen Arbt"ilsunfähigkcit~ (S. 6). Wie lIlIensi ... die Frt'undsehafl in ihrer Anfang.Sl.cit zumindest \'on I-Iumboldls Stil(' ..us war, d.1voll l.eugt sein Brichn Wolf \'001 15. Juni 1795: .. Es hai mich frappin. daß Sic in Ihrem Bricfe bc· merken, daß wir eigentlich wenig Gesprich mit einander gepflogen in den ftohen glücklichen Tagen. die wir hier mit einander ...erleblCl1. Auch ich hme schon vorher bei mir dieselbe Bemerkung gemacht. und l:S hat mich yon neucm darin bestitil;l, daß die Freundschaft .so ungl.tublich mehr auf den Empfindungen, Gt'Sinnungcn. Char..klC'r, der ganzen An zu st'fn. als auf dnzdnen, wenn gleich noch so wichtigen hlern und Mernungen beruhl. Ulld SO viel mehr d.lher aus dem Anschauen, Umgehrn, bloßen Beicinandersc)'n, als aus cigt"ntlichen Cespric.hclI, den ger..de ihr cigclJthiirnlichcn Gc.nuß z.ielu.· [Humboldt :lll Wolf am 15. Juni 1795J, a.a.O., S_ 116_ Vgl. StJ.dlcr, HHmbQ/tfu Hild, ".:1_0.. S. 7. - Auf dit" Tus:lche. daß erst Wolf I-Iumboldt das Griecht"olum ric.htig erschloß, weisl E. Keud hin (vgl. Ki"Ss,'I. Wilbtlm von Numbold,. a.a.O., S. 43). - A. Lt"iu:mann h~b[ hervor, Humboldt habe für ~dOls Studium der gri«hischcn Spra~he und Lirer.\fur wie der gCUffiU;'ll Dastinwcrhiltnissc c1C$ k..bssiJichcll AJtcrrums- wohl ~keinen besseren und kundigeren Führer (...) fißden~ können _:lls Wolf(lein.mann. \tI"IJJl~/m wn J-/umboldt, a..1.0., S. 3 I). - I-Iowald bcuichncl Wolf im Kont~XI dL't Erei~niue des J:thre.s 1792 :l1~ den .. wJ.hren Raltent.ingrr, der die Urncht' der nun ~insclz(ndcn k(lß1.~lllrienel1 und .1usschlid~lichell BcschäftigunJ; (Humböldts, U.W:) mit den Gritthen wird- (I-Iowald. \V,lhelm VUII "hlll/bolJE, a.a.O.• $. 51). VOn
04, Humboldu Panoptikum: C~bildete Antike
121
Projekt, unter dem sich Humboldt eine ..Schrif[t]U J2 vorStellte, ..die ohne ein Journal zu sein, fortliefe", und die ..allein der griechischen Linerarur gewidmet wäre, und weib Uebersetzungen aus aUen Arten der Schriftsteller, theils eigene Aufsätze·.)} enthalten soUe. Weihnachten 1792 kommt Wolf, der Humboldt zur Erstellung einer programmatischen Studie ermuntert. nach Auleben, und bereits am 23. I. 1793 geht das fertige Manuskript an Wolf ab. Und obwohl Humboldt einige Tage nach Abscndung massive Zweifel an sei.ner ,Griechenskizzc' bekommt, wird sie Humboldt ist erleichtert - von Wolf positiv beurtci.lt.J~ Humboldts Text Ober das Studium des Alterlhums, ,md des Griechischen insbesondre (I 255-281) vOn 1793 trägt so noch alle Charakteristika einer Selbsrvergewisserung über das eigene StudiumJ), ..wie es denn überh..upt" Humboldts .Absicht ist, nur zu versuchen, das für sich minder KJare in ein helleres Licht zu stellen" (1 258). Der vom Autor in 43 Paragraphen eingeteilte Text beginnt lexikalisch und systematisch mit einem aristotelischen Paukenschlag. Humboldt, nach dem Nutzen fragend, warum die Überreste des AJtertums überhaupt studiert werden sollten, nennt zwei Gründe: .. Einen materialen, indem es (das Studium, U.W.) andren Wissenschaften S toff darbietet, den sie bearbeiten" (I 255). In Paragraph 2 folgt die Komplementärperspcktive: nD c r f 0 r mal e Nu zen kann wiederum zwiefach sein, einmal insofern man die Ueberreste dcs Alterthums an sich und als We r k e der Gattung, zu der sie gehören, betrachtet, und also allein auf sie selbst sieht; und zweitens indem man sie als Werke aus deI'" Periode, aus welcher sie stammen, betrachtet, und auf ihre Urheber sieht- (I 155-256). Humboldt handelt also hier schon wie selbstverstiindlich mit dem aristotelischen BegriHspaar Stoff und Form und verwendet es als den Gegenstand differenzierendes Ordnungsschema. Er begründet nun, warum vor allem die Nation als Studjenobjekt der Geschichte so geeignet isrM', und stellt fest, daß der Charakter des Zustandes der Nation .. n:ach allen SClnen Seiten, und in seinem 11
[Hurnboldllon Wolf am I. Dec. 17921, a.
U
Ebd.
)4
J)
Vgl. Fliln«/Ulll~Tbt-rger: ..Einführung Antike". u.O.. S. )76. Vgl. z.u dies« Schrift .luch die DilT$lcllung vc'" Quillien. fllfmbolJI cl ~ Gre«. u.O.. S. )}-43.
~ v~.
daz.u: .Du Studium ci~ Nation gc....;ahrt ~hl«ht~rdings alle diqe.nigC'n Vonhcilt. wmhc die Gc.sc.hichtC' übtthaupt cbrbi~tcl. ind~m di~lbt- durch Beispidc \'on Handlungen und Bt'Kthc.nhcit~n die Mrnschmkcnnmw erweitert. di~ Beunheilung5kraft 5Chlirft.. d~n Ctunln~r «höht und ...u~": alxr es thut noch mehr. Indem es nicht so,,·ohl dtm Fadrn ,luf an
122
Zweiter Teil: HumbolJu GeJÄ(hmi$
ganzen Zusammenhange enlwikkclt. nicht blass die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Char2ktcrzüge unter einander, sondern auch ihre Relationen zu den äussren Umständen, als Ursachen oder Folgen, einzeln untersucht werden· {I 256) muß. Das im 1. Kap. ausgewiesene Relation-Differenz-Theorem findet hier seine erneute Bestätigung. Humboldt verlangt nicht nur die Aufweisung der inneren Analogien des Charakters, sondern auch die der äußeren, die in der relativen Differenz verstandene Vcrorrung zu den gegebenen TalSachen. Der Begriff des Charakters erschließt sich nun u. a. über die Menschenkenntnis, die HUl1lboldt definiert als "die Kenntniss der verschiedenen intellektuellen, empfindenden. und moralischen menschlichen Kräfte, der Modifikationen, die sie durch einander gewinnen, der möglichen Arten ihres richtigen und unrichtigen Verhältnisses, der Beziehung der äussercn UmSlän· d e auf si c, dessen, was diese in einer gegcbnen Stimmung unausbleiblich wirken müssen. und was sie nie zu wirken vermögen, kurz der Gcseze der Nothwcndigkcit der von innen, und der Möglichkeit der von aussen gewirkten Umwandlungen" (1257). Humboldt erklärt dann, an welchen menschlichen Tätigkeitsprofilen diese Kräfte der Menschen enrwickeltJ7 und auf welche Weise ,philosophische' Menschenkenntnis erlangt werden kann. Er skizziert ..zuerst - um vom Leichtesten anzufangen - den ha n dei nd e n Me nsehen" (I 257), der als Träger des praktischen Lebens "seiner moralischen Würde wahrhaft eingedenk ist" (I 257), Ollsdann den .. Historiker im allerweitesten Sinne des WOrtS" Cl 258), geht über den "Philosophen" J$ (1 259) zum Künstler, dessen ..einziger Zwek (...) Schönheit" (I 259) ist, und beschließt schließlich seine Analysc, in der er den ..Menschen mit Flciss abgesondert in einzelnen Energien betrachtet" (I 261), mit ..dem blass G c n i csse n den". von dem nsich eigentlich nichtS sagen" ließe, "da der Eigensinn des Genusses keine Regel annimmt" (I 260). Hier begegnet 37 J-lumbolot wdJt n<,ix'nlx-i noch d.tn.uf hin, daS ..alle Unvollkommenhellen ~ich .lou( Mi,· verh~ltnissc dtr Krifte7.urukbringen l.lSScn (Umst,. U.W.r Cl 158). ... Zum .1'hilosoplKo' mukl Humboldt an: .. A~r wenn .auch dltser du ganu Erkt.nnlniss\'erTTlÖgen aU$m~n soll. ",,('nn es (emu \'on dem Gebiete dt.r Encheinungen In du Gebiet Jer wlrkhchtn Wesw ketnen .londren Wtl;. als durch die praktiM:he Vernunft gitbt. 'IlI('nn Freiheil und NO\h....endigkdl eina allgemein gWll'1enddl Gc:sac:s allan zu B<'wcisen für dit wichligsttn. ülx-ninnhchell Principien führen können: so muss die m.lnnighlligslt IkobachlUng der. in andren und andrcn Graden gemischt<'n mcnschlichen KnJIC: auch di('ss Geschäft um vieles crleiehlem, und .Im sicherSlen da.! u-hen lusen. was allgemein ist und sich in jeder Mischung glcich crhilt- (I 259).
.. , Humboldu f'~nuplikum: Gebildete Antike
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also die humboldtsche Adaption des ,Energeial-Begriffs in einer Bedeutungsvariante, die den Alltagsbegriff ,Tätigkeit' bereits extencional überschreitet, die die Bedeurung, die später als (Rück-) Überserzungsangebot in der Kawi-Einleitung auhaucht, jedoch in lediglich reduziener [ntensi• •. on ,vorwegmmmt Humholdts Tätigkeitsanalyse zielt hier auf eine solche Fähigkeit zur Kenntnis des Menschen, die geeignet und ..vorzüglich nothwendig iSt, um das einzelne Bestreben zu Einem Ganzen und gerade zu der Einheit des edelsten Zweks, der höchsten, proportionirlichsten Ausbildung des Menschen zu vereine n • (I 26 t). Mögliche Reduktionsvananten weist Humboldt daher un(cr Zuhilfenahme rnstoteJischer Termini zurück: .Denn das Beschäftigen einzelner Seiten der Kraft bewirkt leicht mindere Rüksich( auf den Nuzen dieses Beschäftigens, als Energie, und zu grosse auf den uzen des Hervorgebrachten, als eines Ergon, und nur häufiges Betrachten des Menschen in der Schönheit seiner Einheit föhn den zerstreuten Blik auf den wahren Endzwek zurük'" (I 261-262)39. Die ontologische Alternativlosigkeil von .Ergon' und ,Energeia' ist hier bei weitem noch nicht so apodiktisch wie in der Kawi-Einleitung, Humboldcs Wertung deutet aber schon an, daß über 40 Jahre später der Primat der ,Energeia' einen alles andere aufhebenden Charakter annehmen wird. Er unterstützt dies gleichsam insistierend wiederum durch das bereits eingangs verwendet'e ar:istotelische Strukturmuster, wenn er resümiert, daß ..jene Kenntniss (zwar wirkt, U.W.), wenn sie erworben ist, gleichsam als Material; aber gleich heilsam und vielleicht noch heilsamer wirkt gleichsam ihr e F 0 r m. die Art sie zu erwerben" (1262). Es ist auJgrund der theoretischen Verwendung der Termini ergo anzunehmen, daß Humboldt das Panorama der arist'Otdischen Ontologie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht nur beherrscht, sondern schon selbstverständlich zur eigenen Theorieentwicklung und für das selbsuuferlegte ,Studium' anderer Wissenschaftsbcre.iche als Erklärungs- und Erkennmishilfe verwendet. Humboldt beschließt damit seinen allgemeinen, grundsätzlichen Teil (paragraphen 1_13)-40 und geht nun in den Paragraphen 14-17 zu ,mctho,. Vgl. dazu: .Am auff~lIC!ndsten ist di~r Unu~rschi~ txi dC!n eigt"ntlichen Gtlstesproduktt'n.....tnigu b
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Z""eit~r Teil: I-lumboldr$
G«Iächlnis
dologiscben' Überlegungen bezügljch der Frage über, nach welchen Kriterien sich Nationen als Gegenstand der Untersuchung danach kategorisieren ließen, an welcher dieser atlonen nun das Charaktersrudium nicht prinzipiell (dies geht laul Humboldt bei jeder Nation), sondern eben am besten durchführbar sei. Er nennt vier Punkte. Eine Nation ist für das St"Udium dann geeignet, wenn "I., je nachdem die von ihr vorhandncn Ucbcrreste ein [reuer Abdruk ihres Geistes und ihres Charakters sind, oder nicht" (I 263); weiter ob ..2. (...) der Charakter einer arion Vielseitigkeit und Einheit - welche im Grunde Eins sind - besizt" (1 263); ..3., je nachdem eine Nation reich ist an Mannigfaltigkeit der verschiedenen Formen·; schließlich" 4., je nachdem der Charakter einer ation von der Art ist, dass er demjenigen Charakter des Menschen überhaupt, welcher in jeder Lage, ohne Rüksichl' auf individuelle Verschiedenheiten da sein kann und da sein sollte, am nächsten kommt- (1264). Daher setzt Humboldt nach der Auswahl einer besonders geeigneten Nation dann auch auf eine intensive Untersuchung eben dieser einen und nicht auf cLnt wohlmöglich oberflächliche Untersuchung möglichst vieler ationcn.~l Wer aber die bCSlgeeignetc Nation zur Untersuchung is~ ist für Humboldt keine Frage. Die vier Kriterien implizieren zunächst, daß nur noch die ..alten Nationen" (I 264) in Frage kommen und .. Alte nenne ich hier ausschlicssend die Griechen, und unter diesen oft. ausschliessend die Athencr" (I 26S)~1. Humboldt führt jetzt eine Reihe von PlausibilitätSargumellten an, warum die Auswahl so und nicht anders sein müßte. die im Vergleich zu seinen theoretischen Argumenten nicht besonders belastbar sind.~) Kennzeichnend ist aber, daß nun die Sprache ins argumentative Feld geführt wird, wenn auch die Anwendung dieses Kriteriums auf .. die Griec.hen" (I 265) - zumindest wie Humboldt dies durchführt - wiederum wenig zu überzeugen vermag. Die folgend.en Paragraphen widmen
I' ~:
U
Vg1. dnu: ..AlIt'in ~usser dt'r Immcnr>iu:t dieser> Studiums komllll es nlt'hr auf Jen GrJd der Inlt'nsion :lJl, mic dem Eine Narion. als Jut dt.fl der [xlension. mit wekhem eine Mengt' \on Nalionen srudin WlnJ. Isl C$ ~bo r:uhnm, Mi Einer oder CUlem Polar sithen zu bleiben;.ro iSI es gUI. diejt'nigC'n zu wahlen. wekhr glcielualn ntC'hrne .Indrr reprastnlirrn· (I 1M). Zur Einsfellung Humboldl.s 7um ~hen Rom \'ßI. .luch U'inc 8emC'rkung im 8rief .Ill Brincknunn vom 3. St-ptrrnMr 1791.:. ..dlC' Alten sind . 1111." xhnfUldlcr bloS 2 Nalionen. und wcnn mJ.n es genau nimml nur Eina. dn- Griechcn, da diC' KÖmi.Khen Schnfutrl1CT. als solche. im Grunde Griechen heißen mussco'" [Humboldl :lJl Brindrm1nn 1m 3. St:pu~m~r 17921. u.O., S, 21·12. Vgl. z. 8. HumbolrJu h:iufig venuchle Anwt'ndung seincr Individuatiliitsargumcllullon auf dir Cri«hcn: _Dir UC'berr~lt der Griechen 111Igrn die meislcn Spuren der InJividu.llität ihm UmC'ber an sich. Die bcuichdichsrcn sind die Iittentischtn- (I165).
.J.
Humboldts Pa.noptlkum: Gcbildclc Autikc
125
sich troC7..dem intensiv dieser .Klärung', warum eben gerade das Griechi· sehe und die Griechen besonders umersuchenswen smd. Hjer wechseln sich nachvollziehbare Emzelbeobachw.ogen mit (zu) kühnen Vermutungen ab, die noch - Humboldt wird i.o seinen weiteren Ausführung'en durchaus auch von dieser Strategie abgehen - wenigstens von der Spannung zwischen Argument und gewünschtem Ergebnis getragen sind. So bleibt er ebenso allgeme.in wie insistierend. wenn er in Paragraph 25 resümierend bemerkt: ..Aus allem Gesagten ist also ein e g ro s seTend e n z der Griechen, den Menschen in der möglichsten Vielseitigkeit und Einheit auszubilden,unläugbar" (1270). Die Paragraphen 26-36 widmen sich dann der hisroriographischen und mentalitätsgeschichdichen Fragestellung. wie es die Griechen in der Ausbildung ihres Charakters überhaupt so weit und konkurrenzlos haben bringen können. Hier werden unterschiedliche Gründe angefühn: Die notwendige Muße zur Bildung, crmögljcht durch die Sklaverei (26). die Möglichkeit zur politischen Partizipation durch eine Verfassung (27), die Grcifbarkeit und Sinnlichkeit der Religion (28). das Ehr- und Nationalbewußtsein (29) und schließlich der Polis- und ,Föderationsgedanke' Griechenlands mit seinen Einzelstaaten, der allerdings bei aller Individualität der Slaaten den gegenseitigen Austausch fördene und durch Konkurrenz Profilbildung zuließ (30). Die notwendige Offenheit und Veränderungsfähigkeit waren dann nicht nur in der Lage. das daraus entstehende Potential fruchtbu zu machen: .. Die Phantasie des Griechen war so reizbar von aussen, und er selbsl in sich so beweglich, dass er nicht bloss für jeden Eindruk in hohem Grade empfänglich wu, sondern auch jedem einen grossen Einfluss auf seine Bildung erlaubte" (I 274), eine tolerante Religionsanschauung, für Humholdt sicherlich besonders reiz'voll, "übte schlechterdings keine Herrschaft über den Glauben und die Gesinnungen aus" (1274). Ein ebenfalls deutlicher Zug, der sich durch Humboldts Griechenbild in diesem Text zieht, ist die Bewunderung für deren ästhetische Kompetenz: .. Ein ( ... ) vorzüglich charakteristischer Zug der Griechen iSt die hohe Ausbildung des Schönheitsgefühls und des Geschmaks und vorzüglich die allgemeine Ausbreitung dieses Gefühls unter der ganzen Nation- (1275). So bleibt Humboldt fast nichts übrig. als sem zuvor programmatisch geraßtes und - es sci fairerwe.ise an die Funktion des Textes erinnert - ja auch als funktional bzw. programmatisch verstandenes Urteil noch einmal in der Form zu bestätigen, daß "sich daher in dem Griechischen Charakter meistentheils der ursprüngliche Charakter der Menschheit überhaupt, nur mit einem so hohen Grade der Ve.nei-
Zwtitcr Tcil: HUlI1boldts Gedächtnis
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nerung versezt (zeigt, U.W.), als vielleicht nur immer möglich sein mag" (I 275). Die schon aJs rhetorisch anvisicne ,Nationen'-Frage, .. 0 b 1eie h t eine andre an die Stelle der Griechischen treten könne" (1 277), wird dann auch abschlägig beschieden und nur aus apologetischen Gründen prinzipiell für möglich gehalten. daß ..sich nun in irgend einem noch unentdekten Erdstrich eine solche Nation zeigen wird, welche mit djescr Eigemhümlichkeit die übrigen. oder ähnliche, oder höhere Vorzüge, als die Griechische, verbände, ..... (I 277). Die Abhandlung schließt in den Paragraphen 37-43 mit - zur Qualität der einleitenden allgemeinen
$cudjenkriterien zurückkehrenden - Bemerkungen HumboldLS zur Notwendigkeit und zum Charakter philologischer Arbeit. Diese ist notwendig, weil das bloße Berichten und die .Schilderung der Griechen" (I 278) durch andere nutzlos ist: "Es bleibt daher nichts, als eignes Studium übrig" (1278), eine .,unmittelbare Bearbeitung der Quellen selbst durch Kritik und Interpretation" (I 279),ergänzt durch einordnende und überblickende ...Schilderung des Zustandes der Griechen" (I 279), und schließlich .. Uebersetzungen" (1280) mit dem dreifachen Zweck der Übersetzung für andere, die das ..Original nicht selbst zu lesen im Stande sind" (I 280). der Verständnisoprimicrung für den Leser des Originals und schließlich - am wichtigsten - der erschließenden Umcrsrürzung der Tätigkeit des Übersetzens ab Einweihung in den Geist des Textes selbst. als immer vorläufig gemeinte und auf den akriven philologischen Vollzug rekurriere.nde hermeneutische Option. M.it dem etwas elitären Hinweis, daß ..das Studium des A1rcrthums die grösseste. ausgebreitetSH; und genaucsle Gc.lehrsamkeit" (1 280-281) erfordert, die sich .. narürlich nur bei sehr Wenigen finden kann" (I 281), enden diese wiederum funktionalen Bemerkungen zu Humboldts Programm, das doch vor allem - dies sei hier das Resümee - Ziel und Bedingungen seines eigenen Studiums versrehen läßt. 25]ahrc spärer, am 21. 4. t 818. schreibr er an Caroline, er habe .,einen alten Aufsatz neulich durchgelesen über die Individualirät der Griechen und die Ansicht des Allerrums"H. Und weiter: .. Du erinnerst Dich vielleicht noch seiner. Er iSt mehr eine Skizze. in Para· gnphen geschrieben, und h,n Anmerkungen von SchiJIer und dem Koadjulor Olm Rande; auch Wolf hatte ihn und brachte mich eigentlich davon ab. Ich härte ihn weiter. d.h. ausf'Ührlicher. denn er iSt in sich vollendet. umarbeiten sollen. Er ist mir das Beste und Gedachtesee. was ich je gemacht habe. und hat ~.
WJIN/m "nd
Caro/m~
von H"mboldl m ,h1Tn Brufm. 7. Bde. Hrsg. \'on Anna \'on S) -
dow. B~rlin 1913. hSleJ Band: Im K:ampr mil Ha,.-dcnberg. Briefe \'on 1817·1819. [Humboldl an CMQline arn 11. April 1818] S. 181.
... Humbtlldts Panoptikum: Gebildl:".te Antike
127
mir wirklich, was mü so einer alten Arbeit selten der F:lll ist, Freude gern:lcht" n .
4.2 ,Betrachtungen' zu Hellas und Sprache Dieses Skizzenhafte trägt Humboldts Griechenidea.Lisierung auch in den späten Jahren seines römischen Aufenthalts. Für den Preußlschen Residenten beim Päpstlichen St'uhl. der sich das Land der alten Griechen aus den Texten erschließt und der im realen Griechenland seiner Zeit nie gewesen ist, ist Rom der Ort, an dem ihm durch die antiken Zeugnisse hindurch das konstruierte ,Hellas' als Gedankenraum erneut präsent wird, ~6 Drei Fragmente sind in diesem biographischen Kontext entstanden, von denen Lalium tmd Hellas oder Bel'rachtungen über das classische AIterr.lmm (III 136-170) von 1806 wahrscheinlich das erste istY Sein ') Ebd. ~ Zur Bedeurung von Humboldu Rom-Aufelllhah vgl. auch Eberl. H,: Wilhrlm von HHmboJdr und dlt, delltKhe K!tJmk. Ldpzig 1931. S. 31-38, - S, Wald mAnn weist in St'iner Sludir
D,(' BeJelltllng def römuchm AufenthallJ fiir U'ilhelm W1l flHmboldu geutlRt und ""'menfl:h4JtlicM Entwidtl.ng darauf hin. daS .Humboldl innerhalb drr Mauern der Tibustadt den Widerschein hellmischen Gl~ist('$ $.1h (Umst-, U."".r (Wa.ldmann. S,~ D,e BrJeul'lI'lg dn römuclmt AHfenthalu fur U'Jhcl", IIOn Humboldu geßtlgr wnJ iDl5w'Jsm4rl;c~ EntwlcklunR. Münc.hrn fDiu.) 1953. S, 79). Waldm.ann glitden Humboldu romische lksdültigung in die grolkn &reicht Anlhropologir, ,Wehbild'. Ästhrtik und künstlerischr Produklion. tiM Schematisierung, in dit Auch d~ Antike-Bcschiftigung - gC.... URrnußtn quer dnu - eingrordntt wird. Für W,olIdmAnn ist Humboldl ganz .KI.1$sizisl-. dtr .in der E....igen Swh anen großen PlJUl. die SchilZt der Antike zu erschließen- (S. 78), entwirfL Trotz. der sehr minutiösen und gelungenen Beschreibung der rinzelnen S..chvCThalte mag für Wald manns Untersuc.hung geradr das gtlten, was dieser für Humboldls Antikc-BeschiftigunG ftsl5tdlt; .. Man glaubt, sdn Herz spr«hen tu hören" (5, 78). - Ltuzmann weisl du..ur hin. d.. auch der London-Aurcnthah 1817-18 und dir donigt MöglichkC'il des 8ucha des .P;anonma vl'ln Athen', der Elginschen Monumente und des phil:lIlei~chen Frieses nach Humboluls eigener Ausuge z.u dessen Amikc-ßild noch einmal Entscheidendes beigeIngen hat: .Eine ul\gc.. hnt~' Vt.rt'irJung brachle der londoner Aufenlhah für Humboldu Auf· fu)"ung der Antike: hinter den römiKhen Eindrücken und der Rdiquirn römischer KunSl. die er früher ;als weihevolltn lksit2. in srin Inneres aufgenommen und mil dem 8estt.n und Wenvollm'n in sich verschmolzen haue. hißltr dirsem .1ntiken D.utin sol.uugm .aus zwri~ Itr Hand lai sieb ihm hitr dit pronr zum wahren antiken Dasein. 7.um Gri«bmtum dtr .1hrnn Ztil ;auf. und es wu ihm von der GUnsl des Sc.hiclw.ls veq;önnl, rinen Blick in das ldoble Ltnd AthM und sallt KUIISI zu lun ....ir Moses. l.um:.tl dir .S1arkt SehnsuchI, Athen )tlbn noch zu schauen. ihm nicht mchr erfüllt wurde- (Ltitzmann. Willnlm wn H.m· hoM. :Io.:1o,0.• S. 67). Zur genautf"en DJ.t'Stdlung dtr anuilltn Dtnkmiltr sit.ht S. 68-69. •, Ob
«
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Zweiler Teil: HumboldlS G~ikhUliJl
Bemühen um eine historische Verortung und Legitimierung seiner Geb,/deren Antike ist hier weügehend verlorengegangen, ja es ist in gewisser Weise opportun, yon einer An Enthistorisierung in Humboldts Griechenhild z.u sprcchcn;48 Das heißt nicht, daß sich auch in Latium und Hellas keine historischen Anknüpfungen fänden. sie werden nur fundamental anders bewertet und erfahren eine andere Rolle. Trotz dieses qualitativen Schrittes Zur Idealisierung aber wird E-Iumholdts diesbezügliche Darstellung nicht etwa simplifizierender, sondern noch komplexer. Es ist daher sinnvoll, Humboldts Argumemationsgang unter dem selbS[gewähllcn Leithegriff der ,Betrachtungen' nachzuvol1ziehen, der auf eine Erweiterung der Perspektivik hindeutet. Für Humboldt gibt es, so stellt er eingangs fest, "einen vierfachen Genuss des Alterthums: in der Lesung der a.Itcn SchriFtsteller, in der Anschauung der alten KUI1S[werke. in dem Studium der :lltcn Geschichte, in dcm Lcbcn auF dassischcm Boden" (111 (36).
Der klassische Boden Roms bietet llun fÜT den Genuß seiner selbst und de.r anderen drei den "höheren Standpunkt. mehr Vollständigkeit der Uebersichr" (IJl 136), für Griechenland hingegen hegt Humboldt "Empfindungen tieferer Wehmuth" (lU 136). "das Altenhum" ist ihm die "bessere Hcimath, zu der man jedesmal gern zurückkehrt'" (I11 136). In der hier als historisch begriffenen Grundstrukrur des Heimat-Motivs ist dann auch begründet, ..dass die Beschäftigu.ng mit dem A1terthumc die Untersuchung nie zu einem Ende und den Genuss nie zur Sättigung fühn" (lU 137). Auch IS Jahre nach seiner Selbstvergewisserung über das 'studium der Alten' ist arisrote1ische Terminologie wie selbstverständlich im Programm, denn wenn Humboldt gerade an den Griechen die "Behandlungsart" (111 137) zur Betrachtung der menschlichen Natur schlechthin sucht, so wi.1I er ..,mit der höchst möglichen Freiheit von stoffartigem Interesse immer nur diese Form vor Augen (...) haben, diesen Uebergang vom IndividueUen zum Idealen, vom Einfachsten zum Höchsten, vom Einzelnen zum Universum, ihn wie einen freien Rhythmus. nur mit ewig verschiedenem untergeJegtem Texte überall enönen (...) lassen" (III 137). Humboldts Diktion ist auffallend triumphalistischer geworden, .hat aber den argumemativen ·Boden von 1793 noch nicht verlassen, denn auch hier angegebtn. Zur Daticrungsproblem;tlik vgl. auch FlitncrlUmrrbergrr. ~Ein(iihrullg Amikt", a.a.O.. S. 38·t - 111 372 (. - Humboldt. W.....: SuhJ ungtd,.IIcku AHfsiitu iib" das kumische Altertum. Hg. Wl1 Albl'rt Le;tzma"f1. Leipzig 1896. S. XIII·UV. '. Vgl. Müller, Mt.mche"bilJ u"d flum4lllismHJ, :u.O., S. 308.
4. HumboldlS P,moplikum: Gebilden: Anlike
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warm er, "nicht das Sichtbare und Unsichtbare so zu trennen, als sey eins bloss die Hülle des sonst unabhängigen Andern" (Ill 137). Humboldt beschreibt also sein Unternehmen, "alles im Ganzen und Einzelnen, nur mehr oder minder, symbolisch zu behandeln" (ni 137), e.rkenntnistheo· retisch und wissenschaftsmethodologisch als imegrienes Projekt. Daß er dies ausgerechnet mit der aristotelischen Stoff-Fonn-KonsteUation leistet, illustriert die Selbstverständlichkeit der Verwendung dieses Repertoires auch 1806 und leitet auf die folgende TextsteIle hin, in der Humboldt - im Kontext der Klärung des lndividualitätsbegriffes~9 - seinen uislOteiischen BegriHsrahmen erheblich erweitert: .Nichts Lebendiges und daher keine Knaft keiner Art kann als eine Substanz angesehen werden, die entweder selbst, oder in der irgend etwas ruhte; sondern sie ist eine Energie, die einzig und allein an der Handlung hängt, die sie in jedem Moment ausübt- (111 139), Humboldt verwendet hier außer dem typischen aristotelischen Substanz-Muster, das noch Gegenstand näherer Betrachtung sein wird, drei Termini, die semantisch aneinander gebunden den Energeia-Begiff annähernd erreichen, nämlich den der .Energie' als Prinzip der Wirksamkeit, den der .Handlung' als Prinzip der Tätigkeit und den des .Moments' als Prinzip von Aktualität. Das prinzipiell Unvollständige jeder Entwicklung drückt sich gerade dann darin aus, daß ..keine Kraft mit dem, was sie bis jetzt gewirkt hat, vollendet ist (Umst., V.W.)" (111 139). und kommentien HumboldtS durchaus plausiblen - allerdings auf einen naiven Religions-Begriff zielenden - ontologischen ,Anti-Gottesbeweis", nach dem ..unveränderliches Wesen" (lU 139) eine contradia!'o in adiect.o da.rstelle. So kommt Humboldt zu dem namrphilosophischen Schluß, daß ..die individueUe Kraft des Einen (..) dieselbe mit der aller Andern, und der Natur überhaupt" (111 139) sei und der daraus resultierenden anthropologischen - gewollt paradoxen - Konsequenz eines immer kollektiv gebundenen und trotzdem in prinzipieller Umcrschiedenheit gründenden lndividualiditsbegrifrcs. Denn "obne das wäre (nicht nur, U,W.) kein Verstehen, keine Liebe und kein Hass möglich" (lJi 139). es besteht auch genauso "zwischen Idee und Leben (...) ein ewiger Abstand" und ..ein ewiger Wettkampf" (llI 140). Es würde an dieser Stelle zu weit führen, der permanenten Verwendung aristotelischer Termini und ihren platonischen Überschneidungen in Humboldts Aufsatz im einzelnen ... Vgl. d.uu: .5ovid sich auch ein ChV"1kter O.lCb sc1nen Acuuc:rungen und selbst sbncn Ei· gcnsdufu."n schildern l15sl. SO bkibt die cigcntlKhe lß(hvidu~liut immer vc:rborgc:n. un«· kLarlich und unbc:grcißich. Sie iSI du Leben dl"S IndivKluunu SC'lbst. und der Thdl, det "on
ihr erscheim. ist der gcringst'c ,In
ihr~
(111 138).
Zwcill'r Teil: Humboldt$ Gedädllllis
130
nachzugehen. so Sie ist vor allem terminologisch breiter, als noch in der ,Griechenskizzc', und bestimmt und trägt den Gang der Argumentation über weite Strecken, ohne selbst explizit zum Thema zu werden. Humboldts allmähliche Klärung des Organismus-Begriffes ist mit der Verwendung der Termini darüber hinaus ebenso verbuoden 51 wie der Aufbau eines StrukturmuSlcrs JristOteiischer Provenienz. So erhält der
Begriff der ,Gestalt' hier beispielsweise bereits sowohl seinen formalen als auch seinen sinnlichen Aspekt und damit den im aristotelischen Kontext typischen Doppclcharakrcr, wenn Humboldt ausführt: ..Die Gestalt steht unter den ewigen Gesetzen der Mathematik des Raums, hat" zur Grundlagc die ganze sichtbare Natur und spricht auf mann.igfaltige Weise zum Gefühl" (llJ 140). "Kehrt man" jedoch mit Humboldt zunächst "zu den einz.elnen Eigenschaften des Griechischen Geistes zurück, so findet man die Form der gelämcncn Individualität (...) in folgcnden Momentcn: 1. darin, dass alles in ihm Bewegung, ewig mannigfaltig quellendes Leben ist.
und es ihm mehr auf Streben. als auf Erstrebtes ankommt. 2. dass das Streben immer idealischer und geistiger Natur ist. 3. dass es ihm eigen ist, in der Wirklichkeit den wahren und rein natürlichen Charakter der Gegenstände aufzufassen, 4. und ihn in der Vef3.rbcitung idealisch zu behandeln.
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Vgl. dazu: .. F..s iSI einmal nidn "on fC:SlC'n. durch unvenndcrlkhc Granzen ulnJiduicbcncn Substanzen. sondern VOll ewig w<:chsclndell Kraftenergien die R~'dc; es i~l fefller überollI eine gleiche. \'idlcicht eilll' eillzil:)c KrOllt. die mehr \'cnchicdl'lll' An.\idncl\ dc~~lhclI Rcsuhals, als \lerschiedene Resuh;ite ~cbl; und dJS Idcal iSt nur ein Ged:mkenbild, das ebell darum die Allgemeinheit der Idee habe" k:mn, weil ihm die BCSUmmlhcil des IJ\dividuunu nungdl (111 139-1 ~O). - ..Zu dem Urberg:ange vom Endlichel1 zum Unendlichen. der immer nur idealisch iSI, !.lugen aussc.hlieSSl'lld die $C.ha(fenden Kräfte des Menschen: Einbit~ dungskr.tll. Vernunft und Gcmuth. und diese bL-dicl\el1 .sich gewis5t:r Formen. welche nur SO\'icl vom Sloff "nnehmend. um noch sinnlich 1.U bleiben, mit eiJ;l"'ntlichen Ideen in genauer Verwandtschafl sIchend, und d:lhcr allbcslimmbar, immer einen sokhcn Eindrock hel'1lOrbringen. dOlSS ihre Bdlimnllheit niemals ~chrilnkendc Gränzc .schcint~ (111 140).Und: ~Dit' Empfindung fügl z.u der Form dcs]elztercn die Gcw.tll du Gefühls. und folg, den leiu'nden Idecn des Gemüdu (111 141). Vgl. duu: MD... wglt'il:h Leben und Otl;anis.uion sich wechselseitig fordern. so spr.1ch dt'n Griechen in dem Organischen zugleich die \'on innen aus bildende' Kr.tfl :m. nieser "orherrschendc Begriff des Organismus in ihm machtl' nun, dass er ;lUl'S scheuu.' und \.'er:l,ch~ ICle, was sich nicht in klarel\ Verhältnissc-" zu Theilen UI\(I Ganzen aus emander legl(" W-.lS Ilicht Se.iJlen Stoff und seibsl seine Form der Idee eines G.1f\ztn unterordnete. W:l$ mdtl eint innere.. frei wirkende Kraft athmetc (1.11 141). - .Der menschliche:' Gei$t haI cine unliugb.1re Kr.tft, unmillc1bar Jic1hsl und in seiner eigenlhürnlichslcn Gestall alJJ sich bcrauszU5l'rahlen. an einem Stoffe zu hahen. sobald dieser nur VOll einer Idee, al~ etwas seiner Natur Vtrwandu:m, bc... wungcn !sI, und :In ihm erk('nnbar zu sc)'n~ (111 1+4). M
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4. Humboldt$ Panoptikum: GC'bildett Amikt
131
5. dass er bei der Wahl eines Stoffs immer, soviel es möglich ist. die Endpunkte alles geistigen Daseyns, Himmel und Erde, Götter und Mensehen. zusammennimmt und in der Vorstellung des Schicksals, wie in einem Schlusssteine wölbt" (In 141).
,Geist' - als Wesen des Charakters verstanden - hat, so Humboldt, sowohl eine Intcgrarionsleistung im Hinblick auf die Realität und Idealität zu erbringen als auch eine höchstrnögliche Vollkommenheit anzustreben. Nu,r dann fußt er nicht in einem Begriff von bloßer Personalität, sondern in Individualitiü, die durch ihren idealischen Charakter erst das Attribut ,geläutert' erwirbt. Der ,Geist', der die fünf Kennzeichen des Läuterungskatalogs in Gänze subsumieren kann, ist aber allein der ,griechiscbe\ und dies ist weniger Bemühen, sondern, hier beginnt Humboldts riskanter Umkehrschluß der (Ver-)Sclbstverständlichung griechischer Idealität, natürlicher Zu-Fall: .. Mehr aber sinnlicher, als intellectueller Natur liebt der Grieche nur was sich ohne Mühe zusammenfügt, und die Idee unendlicher, immer wieder in sich organischer Theile ... (lU 142). Hurnboldt beschließt damit seine allgemeinen bzw. einleitenden Bemerkungen, die gleichwohl den theoretischen Kern des Aufsatzes darstellen. Für Lalium und Hellas wählt er also eine ähnliche Struktur wie zuvor für das Programm von 1793. Der zweite Teil der ,Betrachtungen' hat dann auch wieder einen die theoretischen Aspekte aus- bzw. durchführenden Charakter wie den Rekurs auf Konkretes zur Srützung der allgemeinen Ausführungen zum ZieL Allerdings, und hier mag wohl der entscheidende Unterschied der beidcn Texte liegen, fälh dies ,Konkretc' in Latium und Hellas wcit allgemeingültiger aus als in dem ersten Textbeispiel. Vor allem die thematisierende Einordnung trägt weit mehr den Charakter eines eigenen, konStruierten Bildes. Humboldt leitet diesen zweiten Teil des Textes folgendermaßen ein: 0(
..Nachdem wir das Bisherige im Allgemeinen vorausgeschickt haben. wollen wir jetzt, die hauptsächlichsten Gegenstände, aus denen sich der Griecbischc Geist noch erkennen lässt, durchgehend. versuchen, kurz. und in wenigen Momenten das vorzüglich Charakteristische an ihnen darzustellen" (TlI 142).
Humboldt tut dies nun - die ,Gegenstände' bereits stark in seinem Sinne vergegenständlicht - "nach einander an der Kunsr, der Dichtung, der Religion, den Sitten und Gebräuchen, dem öffentlichen und Privatcharakter und der Gcschichte (lU 142). Für das vorliegende Untersuchungsimcresse ist es nicht zweckmäßig, über die aJlgemeine Wertung hinaus dem Argumentationsgang nachzugehen. 51 Es finden sich gedankliche Motive U
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Vcl. zum Zu.s;ammcnhang \'on Kunst, Rtligion, Lileratur und Philosophie ~I$ Kulturopcr.llionen in H1Jmboldt's Antike-Bild Q1Jillien, HumboJdr t't Ja Grece, u.O., S. 87-106
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Zweiler Teil: HUlIlboldlS Gediidllnis
aus dem ersten Teil hier erneut wieder, so Z.B. die Konfrontation :tristore· lischen und platonischen Denkens 3m Beispiel der Kunsr SJ , der Humboldt wie dem griechischen Charakter allgemein ein Höchstmaß an organisch geworden er Sclbs[VcrSländlichkeil unrerstcllt.s~ Auch bei dieser Darstcl~ Jung erweist sich der aristotelische Begriffsrahmen mit ,Form', ,Stoff' und )Werk' als brauchbar. 55 Glejches gilt für die Dichtung56, in deren Kontext Humboldt zum erSlcn Mal auf das zunächst überraschende Thema der Schlußpassage von Lat.ium und Hellas zu sprechen kommt: die Sprache.
iJ
(Chilpiltt' JrI: L'cspril gre<:: lel> produnions cuhurclles: art, rd;~ion. pOc.sie Cl phiJosvphic. l< beau, Ir divin, le poCliquc), Vgl. dazu: ~At1cm idl berufe mich JU( das Unheil eines tedeo, der die Amikt" Init gCSUll~ dem Gefühle :LU sehell ... er~tetll. ob - es \lcrhahe si.:.h auch mit der Wahrheit, wie es wollt" es nicht wenigslCllS \lollkommcn $0 schelm, als habe der Griechische Künstler Seim:n Wtg \lOIl der IJtt aus und nleht1.ur ldet hin t;cllommcn. Dann \'crstt:h, es sielt von sdb$l. doUs bei der KunS!, in der nothwendis [rlee und Erfahrung, Y..usammcntn.'len. nie VOll einem Ausschliessen, SOndern nur vnn einern Vmwlllcn einer \'OU beiden die Rcd e seyn k.lJUl M
(111 In). Vgl. dazu: .Dle Gri«hische Kunst behernchu: die M;mnighltigkeit der Natur durch den elnf;l,Chell Begrifr des organischell VcthälllllSSes. und gd.\lll;;le zu Schönheit und Ch:lraktcr. ohnt: unmittelbar nach ihllCII7.U SIreben ... (111 143). n Vgl. duu: ~Aber ~'ie die reilll: Form dcr Verhähnisu' in Jl:r r:i1\zcl/l1:1I Go:t:a.ll vorwahet. ebenso thUI sie in der Maunigf2higkcit llll·hrerer \·erblilldm:r. und die bIossen. g,\nz bedeulUngslos, nur als lieblich versr,hlungene Linien genommenen Ul11ri$~e ,·ints B;'lc.:h~n:r.ls oder eints TriIOnen ulld Nyrnphenzuges besll'il'en und ull1gcben,l;leich tin"lll ;\I\sdm,icgenJ,'n Element. die wirklichen Gcst:llten. wic d.u Silbl'nmaH die \'(Iorle und Bil
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4. Humboldts P:UlOplikum: G~bildett Antikl'
133
Fast beiläufig wird konstatiert, daß nicht nur .. keine unter allen uns bekannten (Sprachen, U.W.) so reich an mannigfaltigen Rhythmen ist (Umst.• U. W.)'" wie die griechische. sondern ..auch den Verseinschnitten so passende Wortcinschnitte dar" (-bietet, U.W.), und "so weit mehr dcn Charakter der tönenden Natur als einer einzelnen menschlichen Empfindungsart" (lU 148) uägt. Diese formalen Kriterien korrespondieren da.her mit der hohen inha.ltlichen Qualität der griechischen DichtungS], die vor allem in ihrer organischen Ganzheitlichkcit von der der anderen Sprachen unterschieden ist.58 An der griechischen Religion gefällt Humboldt (und er knüpft damit an das Denken seines frühen Programms an), daß sie .. nicht in einer Reihe erweisbarer oder geoffcnbaner Wahrheiten bestand, sondern ein ln begriff von oft wide.rsprechenden Sagen und UeberlieIe. rungen war" (111 154). So entspricht es dieser sinnlichen Religionsauffassung auch, wenn Humboldt feststclh, daß "der Grieche (...) aUe seine Göuer, mehr oder weniger, als Söhne des Bodens an (-sah. U.W.). den er bewohn,," (In 155). Ein besonders markanter Punkt in Humboldt Griechenbild zeigt sich nun im vierten der von ihm untersuchten Aspekte, den Sittcn und Gebräucbcn. Humboldt hält fest: .. Rechnel man dazu nun noch die Musik in der Ausdehnung, in der sie di~ Griechen nahmen, und die Abdemieen der Philosophen, so sieht maat dass die Griechen ausser ihrem öffemlichen und häuslic.hen Leben noch ein drittes hanen, das keine andre Nation in dieser .Ausdehnung kanme, noch in diesem Grade benutzte. Denn das EigenthümJiche davon liegt darin, dass es sich mit Dingen beschäftigte, die nichl unmittelbar auf einen äusseren Zweck gerichlet waren, dass es frei war von den Fesseln des Staats und der Gesetze, und doch fondauemd um einen grossen Theil und zwar der gebi.ldctslcn Bürger " Vgl. d;a2.u; RDenn es in. ;lls ginge der Zweck ;llIcr Griechischtn Dichter nur dahin. du MtnschcngeschlC(;hl. in seinem Gegt'nsuz und seinu Gtmeinschafl mil den GÖllern, und zugleich mit ihnen umcrgcordnel dtm Schicksal, ;lls Eine kolossale Gcsu.h dvzu5u:llen. So mächtig und 50 rein strebt alles dahin zusammen. Alles tU Individuelle wird dahtr ver· schmäht, und mil FItiss vermieden. Nichl der Einz.elnt. sondem der Mtnsch soll auflf~ u:n in dcn bestimmt geschiedenen. aber cinfaellcn Züg~n Stines Charaklcrs (111 150). l.i Vgl. dazu: ..Alle Dichtung, die sich. crrtichle sie auch von gtwisstn Seilen einzeInt Vorzüge' \'or ihr. von der Griechischen en(ferm. oder hinter ihr zurückbleibt, geht entweder :r.L1 cinsdrig auf die: Idee. oder klebt.tn d~r Wirklichkdt. oder- hat nielll Knh diese mit vol· ler Sinnlichkeil noch symbolisch zu erh"Jten. Die Eigenlhümlichkcit der Griechischen ist, nur d"rauf gerichlet zu ,S;~yn. und alle Mine!. diesen Zweck :r.u erreichtn, zu bt-.silZ~n. wo· zu. um es mit Einem Worte zu sagen. g~hön, den Typus der dit g"nze Schöpfung belebenden Ku!t zu fühlen. Ocno dieser T}'pus bestellt darin. den jedesmaligen MOU1<:.nt der Wirkung nicht als für sich lxdeulend und isoli,t, sondern .tls Ausdruck dtr gannn Unendlichkeit dt'.r Kn.ft gthen zu lassen, dertn schon entwickelte Aeusserungcn er :lIs Re'sul~ tat in sich trigt. und deren noch nie.': gesdll'n~ ~r in $tint'r Idee andruter (111 151). R
R
134
Zweiter Teil: HUlTIboldu Gcdilchlnis
Bande schöner Geselligkeit schloss. in der Alter und Jugend eine gleich passende Stelle fanden'" (1Il157),
Ein Blick auJ Humboldts Biographie und Werk läßt mehr als erahnen, daß dieses ,dritte Leben' in einem erweiterten Sinne für Humboldt die eigentliche idcaljsche Lebensform darstellt. So erscheint auch seine Kritik an manchen griechischen ,Begleiterscheinungen' dieses drillen Lebens, wie 2.8. die ..Liebe zu schönen Jünglingen" (111 158) und die nicht zu leugnende TatSache, ..dass das weibliche Geschlecht in Griechenland einer geringeren Achtung genoss" (lU 159), zwar glaubhaft, seine prinzipiell positive Einschätzung kann dies aber kaum beeinträchtigen. Dies gilt auch
für die von ihm zugestandenen negativen Erscheinungen "an dem öffentlichen und PrivatCholrnkIer und der Geschichtc'" (111 160) der Griechen.5'J, ja gerade die Fähigkeit zur Integration der Widersprüche macht den griec.hischen Charakter in Wahrheit aus. hO rEer liegt ihre Stärke, denn >lalIes geistige Leben des Menschen besteht im Ansichreissen der Weh, UmgcStahen zur Idee, und Verwirklichen der Idee in derselben Welt, der ihr Stoff angehört, und die Kraft und die Art, wie dies geschieht, werden durch die äusseren Lagen nur anders benimmt, nicht geschaffen und festgesem" (lU 165). Man hat Humboldt vorgeworfen, in LaLium und Hellas kündige sich ei.n G.riechenbild an bzw. werde bereits durchgeführt, das ncben mancher Kritik vor allem von geblendeter Bewunderung gekennzeichnet sei. Dies ist eine äußerst vorschnelle Plakation, die selbst über die Qualität mancher - durchaus zugestandener - Griec.henplakation bei Humboldl kaum hinauskommt. Vielmehr war Humboldt sich seiner bildenden Konstruks' Vgl. d:azu: RDer polilischl' Ch:anlkter der Griechen ist oft und nichl m.it Unrt.'Chl ein Gegenstand des Tadels und Selbsl d~ Spottes gewesen. Er bewies, vorzüglich bei den Atheniensem, unliugbar Mangt! a.n Stitigkdt unJ ofl nicht geringen Leichtsinn. Indess \'rtläug/leien sich doch niemals 2wei Dinge in demsrlbtn; Anhänglichkeit an Volksgleichheü und \'alcrllindischen Ruhm" (11I 160). tIÖ Vgl. d;tzu: ..Dil' Angeln stiner wundervollen Eigelllhümlichkeil sind also die Intensitäl dieser krafrvollen Beweglichkeit. und ihre n:llürlich richlige und gleichförmige Slimmung, die' ihn im Arussern zu Klarheil und Richtigkeil. im Innern zu Fesligkeil, Constquenz und der höchsten Kl:arhcit des inneren Sinns. der Idealität fihig 1n2cllll:- (III 162). - RAuf diesc Weise konntt: der Griechische Charakter die sonst unbtgrcit1ichste.n Widt'fspriichl' in sich vereinigen: auf der eincn Sc.iu: Geselligkeit und Trieb nach Miuht'ilung. wie ihn vielleicht keine Nation je gekannl hai. auf der andem Suchl nach Abgezogenheil und Einsamkeit; auf der einen bcstindiges Leben in Sinnlichkeit und Kunsl. auf der andem in der tiefsinnigSll'n Specularion; ..uf det l'im:n den \'crächtlichsten Leichtsinn, die ungeheuente lnconsequcnz, die ungl:aublichSle Wandc:.lbarkeit. wo dir Bewq;lichke.ir und Re.izMrke.i1 21· Il'in I,errschlen, Jour der ",ndem die musterhafteSIe Beharrlichkeit und die: strenl:-sle: Tugend, wo sich ihr Feuer. als ernste Kraft. in den Grond ...eslen des Gemüths sammelte" (111 162).
-4. I-Iumboldu Panoptikum: Gebildclt' Antike
135
[ion nicht nur bewußt, er relativiert besinnungsvoU auch die eigene PI ausibilitätsargumentation, wenn er konzediert: ..Auf die Fragt also, wie kommt es, dass jene hinreissend schöne Form der Menschheit allein in Griechenland aufblühte? gicbt es an sich keine befriedigende Antwon. Es war, weil es war" (111 1(5).
Mit diesem wissenschaftlichen Erklärungsverzicht beschließt Humboldt seine ausgedehnte Sichtung der fünf Momente des Griechischen Geistes und beginnt - ganz unverhofft - den Schluß seines Aufsatzes mit einem .Exkurs' über die Sprache, der auf den ersten Blick ebenso deplaziert wirkt wie auf den zweiten ein zwar noch zögerliches - aber dennoch das immense Potential kommender Studien erahnendes - EnrwickJungsprogramm heranbildet.61 Als sei er selbst unsicher gewesen, ob das bisher Gesagt'e mit seinen herkömmlichen ,Betrachtungsweisen' wirklich den Kern der Problematik des Charakters der Nationen erlaßt. stellt Humboldt sich aus diesem Defizit heraus faSt zwingend eine neue ,Betrachtungsweise' vor, zu der er apodiktisch konstatiert: .. Allein einer ist von durchaus verschiedener Natur, ist der Odem, die Seele der N,nion selbst, erscheint übernIl in gleichem Schritte mit ihr, und fühn, man mag ihn als wirkend oder gewirkt ansehen, die Untersuchung nur in einem besti.indjgen Kreise herum - die Sprache" (II1 166).
Nun wird zunächst doch an die vorherige Argumentation angeknüpft und der Defizitcharakter alles Bisherigen unterstrichen: "Ohne sie, als Hülfsmittel zu gebrauchen, wäre jeder Versuch über Nationaleigenthümlichkei,cn vergeblich" (Ill 166). Der doppelte Charakter der Sprache als ..wirkend und gewirkt" wird hier von Humboldt bereits deutlich herausgestrichen. Die immensen sprach theoretischen Konsequenzen dieser Ansicht werden zunächst in der Akademierede von 1820, letztlich dann aber vor allem in der KawiEinleitung erst knapp 30 Jahre später in allen ihren Schattierungen sichtbar. Aber mit dieser Akzemsetzung ontologischer Qualität kommt Humboldt keineswegs zum Schluß, die wesentlichen Pflöcke seiner zukünftigen Theorie bereits einzuschJagen und damit das Feld abz.ustecken, in dem eine in Sprache transformierte Welt erfaßbar, verstehbar und theoretisch lebensfähig wird. Gegen das aristotelische RepräsentationsmodelJ wendet er ein, daß .,den nachtheiJigsten Einfluss auf die interessante Behandlung jedes Sprachsrudiums (...) die beschränkte Vorstellung ausgeübt (habe, U.W.), dass die Sprache durch Convention .. Zur ,Entde<:kung' der Sprache im Kontext der Anrike-Rt'uption bei Humboldt ...gl. auch
Quillicn. Ht4mbo/dt
Cf
i4J
Gr~C('.
0I.11.0., S. 9.
'136
Zwciu~r Teil: HumboldL$ Gedächtnis
entstanden, und das Wort nichts als Zeichen einer unabhängig von ihm vorhandenen Sache, oder eines eben solchen Begriffs'" (11 I 167) sei. Nun ist diese Ansicht - Humboldt macht hier cin ungenaues, vorläufiges Zu· geständnis - "bis au.f einen gewissen Punkt freilich unläugbar" (IlI 167) richtig, zu Ende gedacht aber .. tootet (...) sie C...) allen Geist und verbannt aUes Lehen" (111 167) und begründet so die ..wiederholten GemcinpHilze· (1ll 167) über das Sprachsrudium." Humboldt stellt demgegenüber zuerst fest: ..Gcnauer untersucht zeigt sich nun aber von allem diesem das gerade Gegemheil" (UI 167) und nimmt dann diHerenzierter 5[1:1Jung. zunächst in bezug auf das, was ein ,Wort' ist: .. Das Wort ist freilich insofern ein Zeichen! als es für eine Sache oder einen Begriff gebraucht wird, aber nach der Art seiner Bildung und seiner Wirkung ist es ein eig· nes und selbstständiges Wesen. ein Individuum" (III 167)63. Dann skizziert er die Sprache, die ..eine Welt (sei, V.W.), die zwischen der erscheinenden ausscr, und der wirkenden in uns in der Mjtte liegt" (lU 167). Auch die Konvcnrionalitätsproblematik wird ergänzt bzw. spezifiziert, denn Sprache "beruht freilich auf Convention, insofern sich alle GI.icder e.ines Stammes verstehen, aber die einzelnen Wörter sind zuerSt aus dem natürlichen Gefühl des Sprec.henden gebildet. und durch das ähnliche natürliche Gefühl des Hörende." verstanden worden'" (UI 167). Sprachstudium ist dann Analogiestudium "zwischen dem Menschen und der Welt im Allgemeinen und jeder N:ltion" (rH 167) und eine wünschenswerte wie letztlich auch unumgängliche Konsequenz des bereitS entwickelten IndividuaIirätsgedankens wäre dann - unter ßerücksichtigung eines solchen Sprachbegriffs -, ndie verschiedenen Sprachen so sehr zu vervielfältigen, als es immer die Zahl der den Erdboden bewohnenden Menschen erlaubt· (LII 168).
C
Humboldt n,"nm diese Aligemelnpiätu auch. nämlich daß "du SpnaehslUdiulII eJllweder nur zu äusseren ZWt.'Cken. oder zu gclcgemliehu Entwickelung noch ungeübter Krirte norhwendig; d.lS$ di," beSt... Methode' die .am kürzesten l.U dem mceh.anisehen Verstdlcn und Gebnuehen einer Spnche führende: dass jwt' Spnche, wenn man sich ihrer nur rt'Cht zu bedienen welss, unsct;ähr gleich gut iM; d.lss e$ bnscr sern würde, wenn .alle N;\Iioncn sich nur über den Gebr.aueh einer und ebenderselben v,"rsrunden. und was es nocb $ÖlISt für Vorunht'iJ... die:ser An geben mag (1.11 J67). Vgl. dazu: .So w,"nig das WOrt ein Bild der Sache ist. die« baeichnet, eben 110 wenig ist es auch glt'iduam eine bIosse Andeutung. dus diese: S.lchc mit dem Venl.lndc ged;1,cht. odcr der Phantasie w,rg,"stdh werden soW (HI 169). - wSo offenbm sich daher das Won. als ,"in Wcsen einer durchaus eignen N:uur. du insofern mit einem KunSTWerk Achnlieh· keit h.lt, als es ,lurc.h cine .sinnliche, der N.lwr abgeborgte Form dill:' Idl'e möglich m.acht, die au$SU allt.r N.a(ur ist, aber freilich auch nur iMofcrn. da übrigens dit. VCf'S(:biwt.l1hd~ tcn in die Augen springen (111 169). M
r.)
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4. !-lumboldu Panoptikum: Gebildelt Anlikt
137
Humboldt nimmt nun neben dem im Begriff der Analogie angesprochenen Relation-D'fferenz-Theorem(;4 auch noch das Erkenntnis-SpracheTheorem" systematisch vorweg. Er dringt don-hin vor, indem er das bisl:wg zum idealischen Charakter Entwickelte auf dem Hintergrund des ariSlotelischen Strukturmusters auf die Erkenntnisproblematik bezieht; "Denn der reale aufgdasste Stoff soll idealisch verarbeitet und bchemcht werden, und weil Objectivitii.t und Subjectivität - an .sich Eins und da.sselbenur dadurch verschieden werden, dass die sdbstthätige Handlung der Rene· xion sie einander entgegensetzt, da auc.h dou Auffassen wirkJiche, nur anden modifieine Sdbmhätigkeir ist, .so sollen beide Handlungen möglichst genau in Einer verbunden werden- (111 168).
Das imegriene Modell von Sprechen und Denken gewinnt so eine wichtige Fundierung in der Integration \1on Objektivität und Subjektivität, die Slof(-Form-Entgegensetzung gibt dafür das strukrurelle Muster ab, wie die lntegr:.uion des einen in das andere gelingt; So wird Objektivität nur als Subjektivität verständlich, weil Denken nur im Sprechen die Form der Selbsttätigkeit erlangt. Humboldt spielt hier noch ungehemmt mit Termini, so 2..B. mit dem des ,Kunsrwerkes', die ihren abbild-theoretischen Ursprung allz.u o(feozulegen scheinen. Trotz.dem ist ihm in Lalium und Hel/as bereits stichhaltig, welche vehementen Konsequenzen sich damit verbinden, daß ,Tätigkeit', als handlungslheoretische Außenseite eines ontologisch fundjenen Entwicklungsbegrifies verstanden, ein prinzipiell unabgeschJosse'" Vgl. duu: ~DK Spril(h~ muss daher di~ doppeclu Nalur du Wch und d.es Menschen anIJcbmen, um dit' Einwirkung und Rüc.kwirkung badcr auf einander ....echsdseilig zu befördern; oder sit' muSJ vidroehr in ihrer eignen, ncu g«e:haffenen, die eigtntliche N:uur be:ider. die Rt:aliul des Obi~ und d.es Subj«D. vertilgen, und von bcidem nur die idtlle Fonn beibeh.alten· (111 168). - .. Du Denkcn be:hmdclt nie eincn Gtgen.!i~nd isolin, und br.auchl ihn nit in dtm Ganzen seiner Rulitit. Es schöpfl nur ßaiehungen, VerhihniSJc, Ansichtcn ab. und yerkniipfr sie (111 170). •~ Vgl. dazu: ~Die Sprache isr nichts anders, als das Complement des Dcnktns, du Bcsrrc!Kn, die äU$.!i('fen Eindrücke und die nlXh dunkeln inneren Empfindungen zu deutliche.n Begrifftn zu crhcben, und die$t zu En.C'Ugung nc~uer Btgrjff~ mil einander zu verbinden~ (1.11 168). - .. Das Wort ist nun bei weittm nicht bloss ein leeR'$ Subslnrum, in das sich diesc Einzdhtitcn hineinlegen lusen. sondcrn es ist C'ine sinnlicht Form, die durch ihre schneidende Einfx.hhc:it unmiudbar anmb-t, da5'S auc,h der ;lusgedrückte Gegcn.!il;md nur nxh dem Ikdürfnw des Gedankens vorgcJldlt werden soll, durch ihre EnulI:hung aus einer selbsnh.uigen Ha.ndlung des Gnste.s die bloss auHasse:ndcn S«:I~I~ in ih~ Grenzen zutÜckwti51, durch ihr~ Vcränderungsfihi;,keil und die: An.tlogie mit den übrigm Sprxhdeme:l1Ito den Zuummenhang \'o~rcitCl. den das Dcnken in de:r Weh zu finden, und in sanen EncugniSlen hervonubringtn bemüht ist. und endlich durch seine Fluchtigkeit auf keinem Punkt zu venvcilen, sondern von ;llIen dtm jedesmaligen Ziele zuzucilcn gebim:[" (111 170). M
138
Zwriler Teil: Humboldu Gedächtnis
nes Prinzip sein muß. und daß ..das jedesmal Vorgestellte wede.r immer vollkommen ausgemahit, noch fcstgehaltcn zu werden braucht, ja dasselbe vielmehr von selbst immer neue Ueberginge darbietet - eine Unbestimmtheit. ohne welche die Selbsuhätigkeit des Denkens unmöglich wäre - und die sinnliche Lebhaftigkeit, die eine Folge der in dem Gebrauche der Spt>che rhärigen Geiste,kraft ist" (111 169-170). Humboldl wird noch einige Zeil brauchen um zu identifizie,rcn. daß die Integration von Sprache und Tätigkeit in einem umfassenden ontologischen Entwurf einer Wirklichkeit der Sprache die radikale Konsequenz ist, die er zichen muß. Die Linien sind 1806 aber bereits deutlich vorgezeichnet eben auch dadurch, daß das ,Charakter-der- ationen-Projek[, mit der Sprache eine neue Betrachtungsweise gewinnt, die in Zukunft die vorherrschende sein wird.
4.3 ,Charakter', eine idealische Ansicht Hat Humboldt in seinem Studium des Alterthllmr und i.n Latium und Hellas noch in abnehmender Intensität und mit unterschiedlichem Legiti. mationscharakter Historiographie betrieben, verläßt er in Ueber den Charakter der Griechen, die idealische und historische Ansicht desselben (VIl 609-616), einem Text, der wahrscheinlich von 1807 stamm~, den Boden geschichtlich fundiener Darstellung endgültig. Da die kurze Studie, die Humboldt in 13 Abschnit"le umeneilt hat. in den ersten zehn Abschnitten starke Analogien zum ersten Kapitel der Einleitung der Geschichte des Verfalb und Umerga,'ges Jer griechischen Freistaaten aufweist. ist es wahrscheinlich, d~ sie ein Entwurf zu dieser wesentlich komplexeren und umfangreicheren. erst noch folgend~n, Schrift war. Humboldt gesteht die qualitative Veränderung hin zu einem durch und durch gebildeten Amike·Bild offen ein, ja macht sie zum Programm seiner weiteren Studien. wenn er gleich im ersten Satz konstitutiv feststellt: "Die Griechen sind uns nicht bloss cin nützlich historisch zu kennendes Volk, sondern ein Ideal'" (VII 609). Und aJs wollte er apologetisch der Kritik vorgreifen, die gegen dieses Projekt sowohl den historischen aJs auch den qualitativen Abstand einwenden könnte, fügt er hinzu: ,,1hre ... Zu Urbn drn Ch.r,."Jun dn- Cnrchm, dir u/uJIKM Imd hutorUcht Anrlmt JNftJbr-n f~h len \'trlißlicht Uug.ni$~ wir brit:Oichr oder wnsugr Dokumrnte. di~ ~inc: dndC'\lligr D~· (irrung zulassen. Aus inh~ltlichrn Griind~n iSl jedoch die Datirrung A. Lcifzm.lnns IUr du Jahr 1807 durchaus wahrscheinlich,
4. HumboldlS Panoptikum:
Gebildel(~
Antike
139
Vorzüge über uns sind von der Art, dass gerade ihre Unerreichbarkeit es für uns zwcckmässig macht, ihre Werke nachzubilden, und wohlthä[ig, in unser durch unsre dumpfe und engherzige Lage gepresstes Gemüth ih.re freie und schöne zurückzurufen" (VII 609). Humboldts Idealisierung des GriechenbildC's geht einher mit unverhohlener Kritik des gesellschaftlichen, politischen und geislcsgeschichtlichcn Status quo des beginnenden 19. Jah.rhunderts. Eine Ansicht, die er zu Beginn des zweiten Abschnittes noch einmal deutlich markien: ..Dies ist keine zufällige, sondern eine nothwendige Ansicht. Nichts Modernes kann je etwas Antikem an die Scite gestellt werden' (Vll 609). Humboldt sucht nun Argumente. diese Ansicht zu belegen, aber diese haben sich deutlich verändert, sie sind nicht mehr vorderhand historisch, sondern phiJosophisch: "Dieser Geist unterscheidet sich von dem modernen, wie die Wirklichkeit von einem idealischen Gebilde irgend einer Art. Dieser nemlich ist reiner und voller Ausdruck von etwas Geistigem, ver.lOlasst, sich in jedes seiner Theil(' immer tiefer zu versenkcrl. und fühn auf Ideeneinheit, da die Wirklichkeit hingegen das Geistige nur andeutet, ...• (VII 610).
Humboldt iSt seine indirekte Realitätsverweigerung. die durch den Vergleich zum Ideal der Griechen eine Kritik eben dieser konkreten Realität einläuten will, deutlich anzumerken. ln dieser kritischen Spannung ist "das Gefühl für das Alterthum (...) der Prüfstein der modernen Nationen(V1l610)." Hat sich Humboldts Kritik der aktuellen Verhältnisse des Denkens seiner Zeit durchaus radikalisien, so ist der Inhalt seines idealen Griechenbildes in etwa gleichgeblieben. Wieder sind es die Freude des Griechischen Geistes ..an Gleichgewicht und Ebenmass- (VU 610) und der WiHe
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J. Quillie.-n "(rweist auf de.-n geiSlt"Sgl"SChichuichen KOnlnt, in dem Humboldt diese Kon· fronl'ation \'ornimmt, we.-nn er feststellt: ~11 est connu, el ce.-t cxr:rgut" le resume bien, que JA Gr«C' a exuci une veritable fascination sur taut le dix·hui,i~me.- sitcle Cl, 31lOut le Inoios, rur Ie.- dcbut du dix-neuvieme sittlc allc.m~nds Ct, comme I'Ceri, F. Rosc.m~weig dans H~gC'1 Imd de.-r Staat: ,Plus nous approchons de 1.1 !in du sin:le, plusl'Antiquitc est erigtt cn mo-deJc poUf le.- prnmt'. L"Antiquitc, d plus prCcisement 1.1 gr(Cque. tend ii dC'Vcmr I.. clc qui QUVfr ~ la comprchension du presc.-:nI allenand. On co uouvc un cmtfr de n.yonnemeot important sur un vcnant de cene phiodc.- d.105 Je.- sillage de Winc:kdmann, a\'C'C sa u-pre. scnution de 1.1 Gr«e comme Ja palriC' dC' Ja bColUtC Cl du bon goüt rt sa theorie de J'imiution dC$ Grt"O, puis dc.- Huder. qui C'.II'Xtcrisc 1.1 civilisation gTttque (ommC' une Ocur unique dans I'hinoire.- dc.- I'humanitt. Mais on e.n retrouve aussi. sur !'autTe \'ersant, 1.1 re'prktntation system1ti~e.e, organisce.-, si,utt dans le SySltme.-, chez Hc.-gd. 11 est done legitime d'affimler que tOUIe' celle periodt' ('St fonement marqutt par ce.- qur: "on '" ap~Jc I'h~lI;niJme •..• (Quillie.-n. Hllmbo/d, cr L:t Griu, 1..1.0.• S. 7).
140
Z..... eiter Teil: Humboldu Gwächtnis
und di~ Fähjgkeit...auch das Edelste und Erhabenste nur da aufnehmen zu wollen, wo es mit einem Ganzen z.usammenstimmt" (VII 6)0). die Humholdt überzeugen. Er bringt dafür einige Beispiele und stilisien schließlich, den personalen Genie-Begriff seiner Zeit hypostasierend, die Griechen als Volk zum kollektiven Gen.ius. Denn die Dinge der Welt in integrierter Einheit zu denken, das "thut (...) im Lehen (...) nur das Genie, und zwar das höchste von allen Genien, das eines ganzen, lebendig zusammenwirkenden Volkes" (VII 610). Humboldt greift erneut den I.ndividualitätsgcdankcn in der Form auf, daß diese individualität des Menschen .,Eins mit seinem Triebe'" (VB 610) sei. Er Stellt fest. daß das, ..was also wunderbarer Weise nur Werk des Genies seyn zu können schien, aus biossem Hingeben an die Natur entstand (UmS[., U.W.), wie überhaupt immer im Menschen das am feinsten Ausgebildete sich unmittelbar an das Ursprüngliche anschliessl, von dem es gleichsam nur deutlichere Umschreibung oder Ucbcrsetzung ist" (VII 611). Trieb .aber ist, so Humboldt, mit einem deutschen WOrt gesagt nichts anderes .als ..Sehnsucht, und der Mensch hat daher nur insofern einen bestimmten Charakter als er eine bestimmte Sehnsucht hat, und da diese nur durch Krafl de.nkbar ist., nur soviel Charakter, als er moralische Energie besitzt" (VU 611-612). Man ist überrascht, in welcher Vidfalt Humholdt hier wieder auf aristotelische Terminologie zurückgreift. Er bindet mit diesem lnstrumentarium die Natur des Menschen an die Dynamik eines Handeins, das mit dem Terminus ,momlisch< nicht als zufällig geschehen, sondern als spezifisch gewollt unterstellt wird. Noch deUllicher wird Humboldt dann im sechsten Abschnitt: .. Das Grundb~str~b~n des M~nschen ist auf unbegrinzte Erweiterung d~r ver~inten Enugi~ s~iner EmpfingJichk~it und Selbstthätigkeit, und da ~r zu· gleich das Sichtb
,Energie' tritt also auch hier als Synthesc.motor alles Getrennten bzw. Entfremdeten auf, eine Bedeutu.ng, die insofern die in der Einleirung entwickelte Auffassung von der erweilenen Bedeutung des .Energc.ia'-Begriffs unterstreicht. Und ist Humboldt hier in der auf Ontologie zielenden handlungstheoretischen Perspektive aristotelischer Terminologie und Systematik schon unverhohlen nahe, so bleibt er deren repräscntationsverfangencm Zeichen verständnis gerade dadurch demonstrativ fern, daß er den Begriff des ,Zeichens' in dessen konservativer Bedeutung unberücksichtigt läßt und durch die Einführung des Symbolbegriffs thco·
... Humboldu
P~noplikum:
Gtbildele Amike
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riebildend umgeht. Für Humholdt, der hier mit dem Symbolbegriff in unterschiedlichen funktionalen Komexten spielt", gewährt das Symbol zwar nur zum Schein Vereinigung, ist aher trotzdem nicht nur repräsentierendes ,Zeichen' für das von ihm unabhängig objektiv Geschehene, sondern deutet hin auf das, was Humholdt emmal im sprachtheoretischen Kontext umer dem Begriff des ,Begriffs' verstehen wird.69 Er wertet damit in der Verweigerung der einfachen Übersetzung des griechischen O(,~lßoAOV dessen Bedeutung radikal um. Das aristOtelische Zeichen verständnis aher wird hier gerade durch seine Nicht-Verwendung in diesem erweiterten, wirklichkeit'skonstituierenden Kontext destruiert und damit in seiner begrenzten Reichweite vorgeführt. Die ontologische Qualität der Argumentationsstratcgie zeigt sich in ihrer vollen lntensität nun am letzten Satzteil: tn der ,Gestalt' wird das AlJgemeine als Besonderes ebenso erkennbar wie das Besondere auf das Allgemeine verweisr, eine Argumentation, die so genuin Teil aristotelischer Ontologie ist, daß dieser Satz fast wörtlich auch in den Büchern der Metaphysik stehen könnte. Humboldt ordnet im folgenden semen Katalog des griechischen Charakters, der letztlich immer auf organische Integration alles Differenten zielt 70, ohne in diesem Durchgang durchgreifend neue Gedanken zu formulieren, die substantiell über sein bisheriges Antike-Bild hinausgehen. Er gibt aJlerdings zu bedenken, daß die Griechen zwar zur organischen Synthese fähig waren, allein aber ..das Absolute (".) auf abstractem Wege ergründet" (VB 613-614) werden muß. So resümiert er die ersten neun Abschnitte des Fragments mit einer in ihrer Dringlichkeit geradezu prophetischen AufgabensteIlung für einen integrierten Wissenschaftsbegriff im beginnenden 21. Jahrhundert, der das Abflauen der Modeme in dessen restriktivem Charakter gewahren und prospektiv zu redigieren suchen müßte: .. Vgl. d;az.u: "Seine (des Griechen. V_W.) haupwchJkhslc Enc:rgie w~r die KUlISI, du Gebiet der 5)'11100Ic" (VII 612). •• Vgl. d.li'.u auc_h Humboldls Ak"demierede \'011 1820. in dcn'" R:Uune.n er festStell!: .Dem Ven-l'andes2Cl. welcher dit Einheil det Begriffs hervorbringt, enlSpricht, als sinulichb' Zeichen. dje des Worts...... (Ueber Jaf vtTglcu:hnldc Sprad1JluJ'HITr in Baieh""g aH! J~ wrschledmen EfHKhtn Jer prat"htmU:K'trhftlg. (V 21). 11) Vgl. duu: .Richtiges Vt'rhihnw zwischen Empf;inglichkeit und Sdbsllhitigkeil, innige VerschrJ1('lzung des innlichen und G~tigen. Bewmren da Gleichgewichu~1 und Ebenmuses in der Summt" alltt Bennbungm. Zurückfuhren ~on Allem auf du ....irkliche. handdnde Lehm. und D.,uslellcn jeder Erh.abenhcit im Einulnt"n in der ganun Masst der Natianen und des Menscltcngeghlcchtl. sind g1eic.hnm dic formale.n Bcsundtheile dcr menschlichen 8eslilllmung. und diese findcn sich in dem Gri«hlsc.hen ChanJuc:r gende mit ;tllcr Ikstimmlhdl der Umrisse• .allem Rciehlhum der Form. alh:r Mannigfaltigkeil deT Bewegung, und "Ut'r Sürkc und Lebendigkei~ der Farben gcuichnet" (VII 6Il).
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ZWeil('f
Teil: J-1umboldu Gedächtnis
.. Hierin können nun die Neueren die Alten übenreffen, die Verbindung n:aeh der Trennung, schwieriger. aber auch grösser, als die vor dersdben. kann der Nachwelt vorbehalten bleiben, und so sind die Griechen ein Muster. deren Unerreichbarkeit zur Nachahmung .:lRSpoml. SUtt von ihr abzuschrecken"
(VII 614).
Die Unterstellung, Humboldt häue sich in geblendeter Verehrung eines Griechenideals seine Argumente zu aktiver Vergegenwärtigung dieses Ideals selbst verStellt, ist somit zumindest vorsc.hnell und sicher nicht durchgängig richtig. Die verbleibenden Abschnitte zehn bis dreizehn dienen der Umer~ mauerung des Entwickelten und dessen Verdeutlichung. So weist Humholdt auf, daß ..,in der Poesie der Stil der PlaStik herrscht; die Philosophie Hand in Hand mit dem Lehen geht; die Religion sich in dieses und in die Kunst verweht; das öffentliche und Privatleben den Charakter fester 7,usammcn schmelzcn, statt ihn zu trennen und zu zerreissen'" (Umst., U.W.) (VlI 614), und wird gleichwohl nicht müde anzumahnen: ..Das Gegenbild hierzu findet sich in uns" (VII 614). Humholdt schließt mit zeithistori· schen Betrachtungen zum Klassischen, das ..in dem Lichte der Anschauung" (VlI 615) lebt, und dem Romantischen, das "vorzugsweise im Helldunkel des Gefühls verweih (Umst., U.W.)" (V1l615). Beide Formen sind - gemessen an der zu leistenden Aufgabe - defizitär. So bleibt für Humboldt zuletzt .. nichts ohne Zwiespalt" (Vil 615) und führt ihn zu einer Form der Resignation, die doch nichts anderes ist als melancholischer Ge· leitSchuLZ seines zuvor rationa.l als grumhtändig identifizierten Schismas zwischen Realität und Ideal: .. Eine eigentliche Lösung dicses Wider· spruchs, eine wahre und eigentliche Verbindung des antiken und modernen Geschlechts in einem neuen dritten lässt sich (für Humboldr, U.W.), auch bei der freigebigsten Einräumung einer unendlichen Perfectibilität, nicht denken" (VlI616).
4.4 ,Geschichte' als Verfall Über das EntStehungsdaturn der Geschichte des Verfalls und Unurganges der Gnoechuchen Freistaaten (111 171-218) liegen eindeutige Zeugnisse vor. Sie entstand in Rom im Herbst 1807 und bildet damit das dritte der römischen Antike·Fragmtnte. Es ist wohl seine Begeisterung für den griechi· schen Redner Demosthenes, die ihn zu dieser difftren:zienen~ gleichwohl wieder unvollständigen und in weiten Teilen montiert wirkenden Studie
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... Humboldts Panoptikum: Gebildete Anlike
inspiriertJI Es ist anzunehmen, daß Humboldt durchaus plame, sich hier einmal als Geschichtsschreiber im klassischen Sinne zu betätigen. Sein Ziel aUerdings, zwar ..eine Geschichte des Verfalls und Unterganges der Griechischen Freistaaten zu schreiben, aber diesen Punkt aJs den welthinorischen Mittelpunkt aller uns bekannten Geschichte zu betrachten lll72 , signalisiert schon, daß Humboldt auch in dieser Schrift anderes erreichen will: wieder steht ein gebildetes Griechenpanorama auf der Tagesordnung des Preußischen Gesandten, der in den letzten römischen Jahren deutlich dazu neigt, das antike Rom allenfalls als verfallene Durchgangsstation Ln das Reich des Idealen, aJs unvollkommenes Abbild des griechischen Geistes anzusehen. Und so ist es auch kein Wunder, daß der ,Ve,rfaU' der griechischen Freistaaten seinen Grund kaum in der als Ideal wahrgenommenen antiken Realität haben kann oder darf, sondern ..dass EntartUng die Schuld des Verfalls Griechenlands nur zum Thcil trug, der mehr verbo.rgene Grund aber eigentlich darin lag, dass der Grieche eine 7.U edle, zane, freie und humane Natur besass" (nI 17t), die griechische Antike für Humboldt demnach mehr Opfer als Täter ihres Untergangs war. Und Humboldt fügt defätistisch hinzu: ..So geschieht es oft, um nicht mit f.rbittrung zu sagcn immer. in der Geschichte, in der lebendigen und leblosen Natur. Die barbarischen Völker besieglen fast immer die höher gebildeten" (11"1 172).
Humboldt bietet ei.n dreischrittiges Raster an, um diese ,Verfallsgeschichte' der ,besiegten Gebildeten' historisch zu markieren. Er nennt ..drei Perioden (...). in deren erster die Freiheit und Unabhängigkeit untergraben, in der zweiten vergeblich zu retten versucht, und in der drirlen auf immer verloren wurde" (IIl 185-186). Humboldts Schema und seine ,historischen' Begründungen, die in unserem Zusammenhang weniger interessant und daher nicht Gegenstand der hiesigen Betrachtung sein sollen, sind ein sicheres Anzeichen dafür, daß er auch hier seiner eigenen Theoriebildung mehr vertraut als komplexe und induktive Geschichtschreibung betreibt. Vielmehr soll "die Darstellung des Ve.rfalls der griechischen Freistaaten (...) den Einfluss des griechischen Geistes auf die Folgezeit und unser Verhältniss zum AJrerthum klar machen, und dadurch über den Gang der Menschheit und das Streben des Einzeltlcn Licht verbreiten" (llIISS). a
Zum F.nlStehungslunmmcnh:mg ygl. Flilllcr/Unlcrbergl'r: .. Einfiihrung Amike , ~.,l.O., S.389-392. n Humboldt, W. v.: \Vi/hel", wn l1umboldtJ Bril'[e un). G. Sd)u~jghäHser, zum usw, Ma/ nach den Orlginuh'" IJtrausgegebtn IfUJ rr/iiuurt fI{)1/ A. LCItZm41/n. [Hwnboldl :ul Schwei~hiu$~r.lm4, November 1807]. Jena 1934. S. 41.
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Zweiter Teil: Humboldu Gcdädllnis
Schon aus diesem Grunde ist Humboldt bei der Schilderung hisfori· scher Eckpunkte nicht nur sehr interessegcleitet. er spannt auch den Bogen des ö(teren gerne mehr anhand von Vorbildern und an militärischen Ereignissen entlang. als die Argumentation in sachljcher Analyse der historischen Probleme und politischen Konstellationen zu fundieren. Deutlich wi.rd dies an einer der wenigen Stellen seines Werkes, wo er explizit auf Aristotcles zu sprechen kommt. und dies in einer Weise, die in ihrem Charakter beiläufiger Belobigung durchaus typisch ist. ..Die wahre Periode des Verfalls Griecheol.ands w:ar schon die Regierung Philipps und Alcxanders; nicht bloss die innere Freiheit. sondern auch die äuss~ re Unabhängigkeit war d:lm:zls schon zum amen geworden; und doch lebten in dieser Periode Pruiteles und Apelles: die feinste Blüthc Atheniensi· scher Beredsamkeit entwickelte sich in lsocrat<:s. Al~schines und Dcmosthenes; Arisloteles erstieg den Gipfel seiner GrÖssc. und Pl;uo reicht bis an die· sc Zeit" (111 172).
Trotz solcher Verfallserscheinungen betOnt Humboldl, daß die Griechen ihre Unabhängigkeit nicht kampflos aufgaben, eine Unabhängigkeit, mit der auch ihre Freiheit nicht nur im Äußeren verbunden war. Innere Frei· heit und äußere Unabhängigkeit sind zwei Aspekte, die sich daher immer, so Humboldts anthropologisch-politologische These, beim Verfall historisch-soz.ialer Gemeinschaften einander bedingen, ..denn überaJl geht in der physischen und moralischen N,uur die einzelne Kraft nur aus der ge,ammten hervor" (111 175). Wenn Humboldt aber wieder ..Griechen sagte, (...) besonders Gedach, U.W.) die Athenienser" meinte (UI 181), dann gesteht er selbst zum Cha· takter seiner Verfallssrudie ein, daß es unmöglich ist, ..bei Raisonnements, wie das gegenwärtige, der Begierde zu widerstehen, alte und neue Zeit, vergleichend, zu Resultaten für das äussere, noch mehr aber für das innere, tiefere Leben in Ein Ganzes zusammenzuziehn" (111 182). Humboldt hat damit seinen Plan eines auf das Ideale zielenden "Raisonnements" (lU 185) dargestellt, diesen noch einmal zur anderen Seite einer gänzlich aller Fakten entbehrenden einseitigen Darstellung hin abgegrenzt (,.,Jedoch wü.rde man mich ganz und gar misverstehen, wenn man glaubte, dass ich die Geschichte bloss zu einem Anlasse misbrauchcn wollte, ihr fremdartige Betrachtungen an sie anzuknüpfen- [lIl 185J) und beginnt nun mit dem ersten Kapitel der ..Einleitung", über das die Verfallsstudie niemals hinauskommen wird. Drei Punkte si.nd in diesem Passus besonders interessant. Zunächst erreicht HumboldtS Griechenverehrung hier ihren qualitat.iven Höhepunkt. Die Griechen sind ihm nun endgültig das vollendete Volk der Mensch-
4. Humboldu Panoplikum: Gcbildclc Amike
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heit]} und werden dadurch nicht nur zum exklusiven Umersuchungsgegenstandl\ sondern im Studium der Griechen ..schöpfen wir (...) crwas mehr als Indisches, ja beinah Göttliches" (lU 188). Damit ist Humboldts letzte Station der Griechenidealisierung, die ,Vergöttlichung', erreicht. Eine Hypostasierung, die jedoch nicht allein im Raum steht, sondern korrespondiert mit einer massiven Realit:ätskriti.k an den Verhältnissen seiner Zeit.'s Je vehementer Humboldt das beginnende 19. Jahrhundert kritisiert, desto größer wird der Abstand zu seiner versinnlichtcn Id.ealvorsrcllung7(" d.ie Aspekte stieben zentrifugal auseinander, die aktuelle Situation wird als Konsequenz. der Verfallsgeschichte gedeutet, der nur in einer Form idealischer Therapie beizukommen ist. Aus anStrengender Vergleichsarbeit des Studiums wird erst resignative. dann religiöse Unerreichbarkeit17 des Ideals, die damit begründer und versinnlicht, wird, daß uns die Griechen so nahe sind, wie diesen die - du.rchaus menschlichen - Götter des Olymp es waren/R Damit wird das historische Studium nutzlos~ und da Humboldt trotzdem keine Theologie betreiben will (und dieser letzten Versuchung auch nicht erliegt), wird aus dem Charakterstudium Philosophie. dic sich durchaus religiöser Muster bedienr: Die Brücke zwischen den Weltcn kann nur noch die Idee, nicht 7J
1.
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...
Vgl. dazu: ..Wir haben in den Griechcn cin~ Nalion vor uns. unrer deren tlücklichcn Hän· dcn allcs. was. unscrm innigslen Gefühl nach, da.'> höchsu: und reichste Mensdlendascyn bewahrt, schon zu lemer Vollendung gereift war~ (111 188). Vgl. dazu: ~Es iSI daher mit dem Sludium der Griechischen Geschichu:' für uns nichl, wie mil dem der Geschidne ;1.ndertr Völker~ (111 1118). VgJ. zur Rollc Hcr"'"s bei der Bildung dics.:s Motivs auch Sauu;r, Humboldt und die dt'IltICht' Aufkliirllllg, a.a.O.• 5.141 und zum geistesgeschichdichen KOnleXI $. IM~ 167. Vgl. dazu: •WC'nn wir unsere beschränkte, enghen.ige, durch IJusend Fes~cll1 der Willkühr und dcr Gewohnhcit gedrUckte, durch zahllose klcinliche. nirgcnds lie.! ins Lclx-n eingrei~ fende Beschäftigungen Ztrspliuene L.:lge mit ihrer freien. rdn n:lc.h dem Höchslen in der Menschheit strebendcn Th.iligkeiL unsere mühvoll durch wiwCThohe Versuche langsam reifenden Werke mit ihrcn. dic dem Gein, wie aus freier Füllc, entStrömtcn, unser dumpfes Hinbrüten in klöstcrlicher Einsamkcil, oder gecl:lnkenloscs Umtreibcn in lose verknüpher Geselligkti\ mir dem heiteren Frohsinn ihrtr. du/'("h jtde hc;iligslc lbnde befestigten Bürgergemeinschaft vergleichen; so müsste, seiht m.an denktn, da~ Andenken :an sie uns lraurig und nicdergesc.hl.1gcn mac.hen. wie den GefJngnen die Erinnerung ",n ung('hcmmten l.c:bern;genuu, deo KnllkClI du Andenken :ln ungesehw:ichlc Gesundhcit, den Bewohner dcs Nordens das Bild cinCllralienis.:hen Frühlingsl;lgs" (111 189). Vg,1. duu: ..Wir ilhmen ihren Muslern n:ach mil dem BewwstSeyn ihrer Unerreiehb.arkeil; wir erfüllen unsere Phant:asle mit den Bildern ihres freien. rciehbcgoabrcn Lebens mit dem Gefühle, dass es uns <'ben so vt'rSagl ist, .als es ihnen das leichle D:ascyn der Bewohner ih· rcs Olymps w;ar" (111 189). Fluhar h.al diue Struktur mit dcm T.:rminus ~Programmhumanjsmus~ gckcnn:zcichncl (Fl.1shM, ..Wilhelm \'on I-Jumboldt und die griechische Litc.r:atur", 2.",.0., S. 85).
Zweiter Teil: Humbotdl.!; Gedächtnis
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mehr die Anschauung der Erscheinungen Icisten 7":l, denn "die Wirklichkeit ist nicht das Gefäss, in welchem ihr Wesen uns überliefert werden kann" (III 192) und ..wie die Kunst, ist aUfs Antike immer reiner und voller Ausdruck von etwas Geistigem, und führt auf Ideeneinheit; ladet ein, sich in jeden seiner Theile immer tiefer zu versenken, fesseIr durch freiwilligen Zauber den Geist in bestimmte Gränzen, und erweitert sie zur Unend· lithkcit" (111 193), Humboldt hat sich hier njcht nur schon weit von jedweder realistischen Darstel.lung entfernt, es ist auch kein Zufall, wenn er nun ausgerechnet zu literarischen Formen der Verehrung greift, um seine Hauptthese noch einmaJ signifikant in den Mittelpunkt zu stellen: .. Also noch Einmal: nichts Modernes ist mit etwas Antikem vergleichbar: mit Görtern soll sich nicht messen irgend ein Mensch; und w~s das Ahcnhum umerschcidet, ist nicht bloss Eigcmhümlichkcit, sondern allgemein geltender. Anerkennung erl.wingcnder Vorzug~ (111 196). Und .,wenn wir kurz zusammenfassen sollen, welcher cigcmhümliche Vorzug, unsrer Mcynung nach, die Griechen vor a.llen 2.ndern Nationen ausz.eichnet. so ist es der, dass sie.• wie von einem herrschenden Triebe. von dem Drange beseelt schienen. das höchste Leben. als Nation, duz.uSlcllcn, und diese Aufgabt' auf der schmalen Gren7.Iinie auffassten, unter welcher die Lösung minder gelungen, und über welcher sie minder möglich gewesen seyn würdc (01197). M
Soweit Humboldts erSter Punkt, den er im weiteren ausführlich begründet, vor allem im Rekurs auf die Organil.ität allen griechischen Dcnkens und Lebens und den koUektiven Genie-Gedanken, Humboldr argumentiert - so der zweite auffällige Aspekt - auch in der idealisierten Verfal.lsgeschichte offensiv mit aristotelischen Gedankenmu~ stern. So kommt es ihm beispielsweise nicht nur d;\fauf an zu zeigen, ..dass, da einmal himmlischer und irrdiseher Stoff im Menschen gcpaan,., Vgl. d.a7.u~ ..Das Modcrll~. in irg~nd t'inC'r Gauung. sobald nicht von bh)S$ posilivrr Kenntniss und mcch,mischer Geschicklichkeit diC' Rede i5t. mil dem Anliken zu \·ergleichen. '*wcisl eine eben so unrichtige Allsicht des Altcnhunl5. als es ullrichtige Ansidll der KUllSt :uueigl. wenn je c.'in bestimmter Gc.'gcnsund der Wirklicl1keit du SchönhC'it eines Kunstwerks;m ditO Seite' gesetzt wird. Denn wie- Kunsl unJ Wirklkhkdl, so liegen d;lls Altcnhu/Il und die ncucrt' Zeit in zwei v('rschiC'dentn Sphär('n, die sich in der trscht'inung nirgcmh. in Wahrheit aber allein d~ berühren. wohin nur die Idee. nie die Ansd13uung reicht. in dcr Urkraft der N~tur und der Menschheit. "0ll der jt'lIe beiden yeo:chiedcne Bilder. diese beidcn verschiedene Bemühungen sind. sich im Oasern Gehung l.U 't'f:rsc:haffen (111 191). M
4. HUlllboldlS
P~noptikum;
Gebildeu: Antike
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sind, es ungerecht ist, beide einseitig zu scheiden" (lU 203), es ist bereits de,r lEnergeia'-.Begriff in mehr als seiner handlungstheoretischen Perspektive im Blickfeld, wenn Humboldt nicht nur aristotelisch, sondern explizit anti-platonisch argumentiert: ..Was hier Trieb genannt wird, heim vielleicht richtiger selbstthätige Idee. Ic.h vermied aber diesen sonst allerdings gleichgehenden Ausdruck, weil er zu dem Misverst:\nd verleiten kann, als läge djc Idee fertig da und führte oun nur sich selbst nach und nach aus, da, meiner Ueberzeugung nach, das Walten der Grundkräftc der Natur. der lnbegriff und die Norm :t.Ilcr ldeen, in einer sich erst durch ihr eignes Wirken beStimmenden Thätigkeil besteht· (Ill 204).
Und zum wiederholten Male ist es der Begriff der .Energie', der als Bildungsprinzip von Humboldts anthropologischer Grundkonstante, dem fortschreitenden Individualitätsgedanken. angenommen wird: ..Wie daher jeder irgend würdige Charakter Kmft und Energie des Willens, so fordert ein idealischer noch insbesondre, dass der jedem Menschen beiwohnende intel1ecluellc Trieb zu einer so bestimmten und herrschenden Sehnsucht werde, dass cr dem Individuum eine eigcnthümlic.he, den Begriff der Menschheit mehr oder minder erweiternde Gestalt gebe. Wie das Leben überhaupt als ein theilweis gelingender Kampf des Geistigen mit dem Körperlichen betrac.htet werden muss, so ist die Bildung der lndividuaJität durch die Herrschaft des sie lenkenden Grundtriebs der äusserste Gipfel des errungenen Sieges. Sie ist ebendadurch der letzte Zweck des Weltalls'" (11I 207).
Humboldts nur auf den ersten Blick paradoxe Quintessenz ist dann, daß zur Erreichung dieses Zweckes alles "immerfon in Thätigkeit und in schöpferischer Thätigkeit verharren" (111 213) solle, und es daher vor allem unrichtig ist, die Werke der Griechen ..statt mit ihnen selbst l mit den Gattungen, zu welchen man sie in wissenschaftlicher Beziehung rechnen kann. zu vergleichen, statt aus ihnen nur rein und klar den grossen und anrnUlhigen Geist ihrer Urheber zu schöpfen, in denselben Regeln und Theorien suchen zu wollen" (lU 214). Humboldt kommt nun zum Schluß und damit zu einem dritten Aspekt, der, wie das Sprachproblem in Latillm und Hellas, etwas montiert wirkt und in der Tat sogar inhaltliche AnaJogien zum letzten Teil der früheren Betrachtungen aufweist. Er hat zunächst - zu einer erkenntniskritischen Sichrweise zurückkehrend - festgestellt, daß die Einfachheit der Idee sich "ähnlich einem vielseitig geschl.iffencn Spiegel, einmal nur in der Vielfachheit der Erscheinungen erkennen" (Jll 216) läßt. Das damit angesprochene Problem führt ihn nun weiter und er kehrt noch einmal zum Symbol begriff zurück:
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Zw('itC!r Teil: Humboldls Gedächtnis
"Dcr Grieche behandelte ..lies symbolisch, und indlom cr alles, was se,ioem Kreise naht, in cin Symbol umschafft, wird cr selbst zum Symbol der Menschheit, und zwar in ihrer z.artcstcn, reinsten und vollkommensten Geml," (11I216).
Ganz offensichtlich ist dem SymboJbegriH also nicht nur erkennrrusmeofetisch synthetische Kraft zu untersteHen, Cf wird auch im KOlHcxt der Vollkommenheitsbestimmung gebraucht. Um diesen Begriff des Symbols nun näher 7;u bestimmen. führt Humboldt eine neue Differenzierung ein, die nicht nur sein Anliegen konturiert, sondern indirekt ein seit langem virulentes Problem der Humboldt-Forschung lösen hilft. Humholdt schreibt: "Dcr Begriff des Symbols wird nicht immer richrig gefaSSt. und ofl mit Jcm der Allegorie verwechselt. In heiden wird allerd.ings ei,ne unsichlb,m: Ldee in einer sichtbaren Geslalt ausgedrückt. aber in bcidcn auf sehr versclliedene Weise. Wenn die Griechen den Bacchus nach Flügeln (I n. 19,6. Paus.) wbenannten, den Mars in Fesseln bildeten, so waren dies allegorische Vorstellungen, und cbcnfal,ls eine solche war die Ephcsische Diana. Denn es war eine deutlich gedachle Idee willkührlich an ein Bild geknüpft. Hingegen ßacchus und Vcnus selbst. der Schlaf. den Musen als Liebling beigesellt (Paus. 11. 31.5) und so viele andre Gestalten des Altcrthu01s sind wahre und eigentliche Symbole" (IIl216-217).
Es geht bei der ,Symbolisierung' als Vorgang nicht einfach darum. ein Bestimmtes zu seiner Verdeutlichung als etwas anderes zu sagen, also um eine reine Ö1A'lyoQtn. Hier ist die gedachte Idee lediglich willkürlich an ein erklärendes Bild geknüpft. Beim ,wahren und eigentlic.hen Symbol' hingegen ist diese Verknüpfung ebenso wenig beliebig, wie es die daraus resultierende Bedeurung ist. Dem Symbol ist seine Bedeutung vielmehr ge~ genstandskonstitutiv. es ist kein Bild für erwas anderes, kein allegorisches Zeichen, sondern bedeutungs konstituierende ldealität. 8o IQ
Zum sprachtheorClischcn Gehalt des .S)'mb{)I·~Begriffs \'1;1. SchJrf. V~rfa"rt'll • .1.11.0., $. 18>. Sch.lrf brtom hier z.un3chsl, dait ~Jcr Symbol-Begriff ein typisches und gewidluges Bcispitl für dic inhaltliche Entwicklung der Humboldtschcn Terminologie iSl (Umst.. U.W.). deren \'crKhieJene Stadien gtlt'{;emlich in ein und dcm~t1ben Text (...) nebcnein.an· der z:u fUlden sind~ (cbd.) und illustriert d~mil nicht nur dic hier z:ugrundcliegendc These alJmiihlicher BcgriffsemwiekJung bei Humboldt, er forden für die Kenntli\'hmllchung die$t'S Pr07.tSses- expliz.it eine ~archiiologischC' Interpretationshallung- (ebd.). Zur kOnz.eplu, ellrn Reichweile dt'S ,symbol' -Begriffs schließ! er an; _Innerhalb der .Iusgebrt'itetem Hum· bolduchen Analytik und ihrer Kons~uen7.Cn steht cl,u Konzept der SymbrJIincrHng rür den konsututionstheoretisch :avisierten Intall dt'r Artikulauons:arbeit, für den syntaktisch· scm:lf1tischcn, wcltill\'~reticrenden Effekt des Synthetisierens~ (ebd.) - Gluinski deutet den Symbolbcgriff auf bildungst.heorclischen Hintergrund, wenn cr .Iufzcigt. daß Hum·
~.
Humboldtli Panoptikum:
G~bildet~ Anlik~
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Dies hat nun aber nicht nur erkenntnistheoretische Konsequenzen und richtet sich auf Humboldts Sprache-Erkenntnis- Theorem, sondern kommentiert auch einige problematische Begriffe. die Humboldt selbst zur Erklärung seiner Sprachtheorie verwendet. Bislang wurde der Begriff des ,Organismus' vermieden, eben wegen der in der Humboldt-Forschung häufig angeführten Unterstellung, dieser habe hier sozusagen eine Allegorie, eher noch eine Metapher zur evidenten Kommentierung seiner sprachtheorerischen Theorie herangezogen. Damit wird der Begrlf( des Organismus ausschlielUich durch seine Erklärungsprodukrivität begründet, die er in spezifischen Kontexten. zum Beispiel dem sprachtheorerisehen, entfalten kann. Dies ist - so die notwendig zu ziehende Konsequenz. der Allegorie-Symbol-Alternative in der.Verfallsgeschichte' - niclJl Humboldts Vorstellung des Organismus-Begriffs. Er ist keine Metapher im Sinne einer bildhaften Übertragu.ng, die Sprache iSt nicht wie ein Organismus, sie- ist ein Organismus im Sinne eines erst erkenntnis- und letztlich dann auch sprachtheoretisch fundierten Wahrheitsbegriffes, der einer Weltkonstitution in der Sprache gleich einer semiotischen Synthesis verantwortlich ist. leh werde zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anhand eines Beispiels aus der Forschungsliteratur auf diese Fragestellung zurückkommen. Bis dorthin reicht Humboldts Warnung: "Denn das Symbol hat das Eigemhümliche. dass die Darstellung und das Dargestellte immer wt."chselswcise den Geist einladend nöthigen länger zu verweilen und tiefer einzugehen, da die Allegorie hingegen, wenn einmal die vermittelnde Ide~ aufgeJunden ist, wie ein gelöstes Räthsd, nur kalte Bewunderung oder I~ichrcs Wohlgefallen an anmuthig gelungner Gestalt zurücklässt. Die blosse und eigenrliehe Allegorie ist den Griechen s~hr fremd, und gehört, wo sie sich findet, wohl noch meistemheilli späten Zeilen an; denn wo der Sinn gewichen ist, die Symbole zu erkennen. werden liie leicht zur Allegorie herabgewürdigt" (111218).
4.5 ,Einleitung' zu einem philologischen Projekt Obwohl erst 1816 erschienen, stehen Einleitung und Übersetzung zu Aerchylos Agamemnoll metrisch übersetzt (Vnj 117-221) durchaus im baldt die Gri~'Chtn als .symbol du MenschhC'it' :lus%(.ichn~t und di~ Wes~ n.lch;eei~hn~t. wi~ dieser Begriff inh:alt1ich und mlll~rilli 7.U füllen ilil ("gI. Glaz.inski. Anf/A-l'" Hnd Mod,.,.11('. a.a,O.. S. 6, 161-1301).
Zwein'( Tcil: t-1umboldu Gedächmis
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Kontext der Ereignisse des Herbstes 1792. Mit ersten Aischylos-Übcrsctzungen hat Humboldt bere.its in dieser Zeit begonnen. So sollte Humholde für Wolf, der die griechischen Tragiker in einer deutschen Ausgabe herausgeben wollte. z.B. die Bearbeitung der Dramen des Aischylos übernehmen. Aber erst 1796 intensiviert Humboldt sei.ne Übcrsclzungsarbcit am Agamemnon, und es sollte noch 20 Jahre dauern, bis das Ergebnis seines Versuches, den griechischen Agamcmnon-Text so ins Deutsche zu übersetzen, daß das Versmal! des antiken Textes in der Übersetzung erhalten bleibt, veröffentlicht wird. SI In Humboldts Übersetzung folgte in der Tat der Rhythmus der langen hzw. kurzen und der betonten bzw. un· betonten Silben dem gleichen Schema wie im Originaltext. Dieses an j. H. Voß - Humboldt hat hier dessen Homcrübersctzung als Vorbild und weist auf die Verbindung auch expljzit hin - angelehnte ,radikal-philologische' Programm ist später hi'iufig sowohJ wegen seiner erbarmungslos formalen Systematik wie auch wegen der am Ergebnis abi esbaren praktischen Undurchführbarkeit eines solchen ,Übersetzungsideals' kritisiert worden.81 Es soll trotzdem - zum Abschluß der Sichtung Humboldtscher Antike-Texte - ein kurzer Blick auf den z.weiten, theoretischen, Teil der Einleitung zu diesem Projekt geworfen werden. Ocr erste Teil .1
C
HumbolJt weist ;,\ur dil' tlngc Emstchl,lngsztit ;Ull r.ndr. der Einleitung sdb~t hin und konzc(liert so am 13. Februar 1816: Sehliesslich muß ich noch bemerken, dass ich dit:sclbc (dic übcrsetzunl>. U.W.) im Jahr 17'.16. :mfieng, sic 180oj. in Alb"lIo umarbeiutc und endigte, und dass seitdem nicht leichf ein Jahr verstrichen ist, ohne Jass ich daran gebessert h;ltte- (VIII 146). So stellt 1\. Leitl'.mann beispielsweise fest: ~I)a" dieser Versuch einer wirklith kongcnialen Verdt'ufschung, bei t.!"f die ptX'tisch" Größe und erschüttermle Erhabenheit des Ongim.l. ~cdichts, dts Unl'ppichs, wie es Goethl." n"nmc. wietle.rl;wboren und .lUrS neue lebendig geworden sein müßte. rnißlungt:n ist, dJ hingebendste Kleinarbeit deli Genius niemals erreich('n kann, darf uns nicht Ilindern, den Veßl,lch sdbn zu bewunde.rn. bei dem die größten Meist'er der z.cilgeniissisC'hcn A[len'l,I111swisst"lIschaft, Wolr und Hermann. ratend, helrend. billigend mitgewirkl haben" (Leit:tmann, \tI,lhe/m 'V{)n Hlfrnboidl. u.O., S. 64). - Ent· schil'(lellcr und in dc.r Terminologie über die Grenze d('r Unangclllcssenheit deutlich hin"u~ urteilt Howald: Wu man 7,U hören bekommt. ist nur \'orgctäuschtc Erhabenheit. ist \'ielmchr Knmpf und VetKc.'Waltigung" (J-lowald. E..: DeuHch-!r ~l;1rum Graecorum Ct RomanClrum' beeinnulh war (vgl. Howald. Mo",ik. :I.a.O.• S. 120). - Ungewollt o.':xelllplarisch wirken in diesem Kontext auch Humboldts eigene. sinnfälfige Worfe aus dcr Einleitung bezüglich der .Kassanclra-' und der ,Klytimncstra'-Szcne, nach denell ..es s(hlechterding~ nOlhwendig WAr (UmsI .• U.W.). in diesen Scenen $0 viel Aunösungcn, .ds möglich. ,lUch in der Udxrsetz.ung bcizubch"hen. cl" gerade. durch dies< Aunösunl/.en der klagende und j;unrnernde Charakter ver.;Ürkt wir(!, der diese Scenen bez.eichnet" (VII' 143). M
4. Humboldls Panaptikum: GcbildclC Anlike
151
stellt eine in ihrer literaturwissensehaftlichen Qualität durchaus bemerkenswerte Interpretarion des Textes dar (VTII 119-129), im drinen, philologischen, Teil (VIII 137-146) bemüht sich Humboldt anhand konkreter Beispiele. noch einmal erläuternd und legitimierend, der .. Bewahrung des Rhythmus durch richtige TOnSe(l;ung (...) noch mit einigen Worten (zu, U.W.) gedenken" (VUl143). Ein Bück besonders auf den zweiten Teil ist jedoch nicht nur deswegen sinnvoll, weil hier u.a. Humboldts Selbstverständnis als Philologe erkennbar wird, sondern weil die dort ausgefühnen Gedanken die Verbindungen zwischen dem ant.iken, dem philologischen und dem sprachphilosophischen Erkcnnmisimeresse herstellcn. n Humboldt gesreht bezüglich des Ziels seiner Unternehmung zunächst ein, daß ..ein solches Gedicht (...), seiner cigenthümüchen Natur nach, und in einem noch viel andrem Sinn, als es sich überhaupt von allen Werken grosser Originalitaet sage,n lässt, unübersc.czbar" (VHI 129) ist. Dies begründet sich schon daraus, daß "kein Won Einer Sprache vollkommen einem in einer andren Sprache gleich ist" (VIlI 129). Derlei - am Begriff des Wortes theoretisch durchgeführte und versinnlichte - Sprachreflexion fühn ihn dann noch einmaJ zur Kritik an der naiven Repräsentationstheorie, denn anstatt "ein Wort (..) Zeichen eines Begriffs" (VIn 129) ist, zieht sich .,das unbestimmte Wirken der DenkkraFt in ihm zusammen'" (Vl n 129), Das WOrt ist eben nicht bloß Zeichen, sondern .. individuelles Wesen, von bestimmtem Charakter und bestimmter Gestalt" (VIH 129). Humboldt zeigt im folgenden die Entstehungsbedingungen des 50 verst'andenen WoTtes auf und verweist in einer Parallclisierung zur Phantasie des Künstlers auf die .. reine Energie des Geistes" (VHI 130). In der Produktionsperspektive dieses durch den Geist gebildeten Wortes wird dann jedoch deutlich, daß ein Wort in der einen Sprache von der Bedeutung her niemals einem Wort in der anderen Sprache vollkommen entsprechen kann. Vielmehr ist es die Verschiedenheit der Bedeutungen. die diese konstituiert. Humholdt begründet dies wieder mit dem Symbolbegriff, den er schon in den frühen Schriften zur Antike verwendet hat, und bekräftigt seine anti-konvemionalistische Haltung in der Zeichcnmeoric. indem er den Begriff des ,Zeichens' erneut von dem des ,Symbols< differenziert: ..AUe Sprachformeo sind Symbole, nicht die Dinge seIbst, nicht verabredete Zeichen, sondern Laute, wdche mit den Dingen und Begriffen. die sie darstellen, durch den Geist. in dem sie entstanden sind, und immerfort entstehen, ..." (Vut UI). " Zum Zus:unmcnhang der damaligcn Diskussion ~u einer Theorie dl1r Übersetz.ung vgl. FuhrmAnn. M.: .Von Widand bis Voss: Wie \o'crdcuLSchl ßlan anlik... Autorcn?~ ln:}tthrbuch drs FrC'It'n D~Nrsd1t", Hochstifts. Jg. 1987, S. 1-12.
1;2
Zwtiltr Teil: Humboldu Gedächtnis
Diese Sicht einer Wellkonstirution durch die Sprache impliziert nun Un· übersctz.barkcit von Texten im Sinne einer loralen semantischen Deckung. Mit dieser theoretischen Einsicht gibt sich Humboldr aber - und hier wird sem Sc.lbsrverständnis aJs Philologe ebenso deutl.ich, wie sein Projekl spätestens an dieser Stelle die posthum unterstellte Naivität verlien nicht zufrieden und benennt den schmalen Grat, den die Übersetzungs. qualität letztlich ausmacht: ..Solange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, haI die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht; wo abC'f die Fremdheit an sich erscheint, und vielleicht gar das Fremde verdunkelt, da vcrräth der UebcrSC[7.cr. dass er seinem Origin3,1 nicht gewachsen ist" (VllI 132).
Aus diesem Grunde darf die Übersetzung auch .. kein Conunentar seyo" (Vlll 133) uod .. kci.ne Dunkelheit emhalten, die aus schwankendem Wongebrauch, schielender Fügung entsteht" (VUI 133). So erscheim HumboldlS Insistieren auf der korrekten Übersetz.ung des Versmaßes, sei· ne Forderung nach einer ..Treue, dje das Fremdartige des Originals nicht abgestreift hat, sondern an sich trägt""'" in einem anderen. die formale Option c.ntscheidend überschreitenden, Licht: die Genauigkeit der Erhal· wng des Versmaßes ist nicht nur Bild. sondern auch Sicherheit dafür. daß nicht nur der ideale Sinn der beiden Texle korrespondiert, sondern daß gerade die sprachtheoretisch fundicne Korrespondcnz von Sprache uno dem Geist der Nationen für diese idealische Sinnübertragung die Gewähr bieten kann.8~ Es ist demoa('h sowohl plausibel als auch wahrscheinlich, daß Hurn· boldl die philologische Et,hik 8(', die er bier enrwickelt, und die den eigcm· Ijchen Kern seiner zunächst sehr formal wirkenden Forderung nach ..,Reinheit und Richtigkeit des Versn13sses" (VHI 135) ausmacht, nicht nur in der literarischen Übersetzung hat walten lassen, sondern auch i.n der Adaption philosophischer Terminologie zu realisieren sucht, So ist der ,Energeia'-ßegriff eben nicht der ,dunkle Kommentar', sondern die be· g'fiffliche Schärfung des theoretisch Entwickelten . .Eine Annahme, die Humboldt auch in diesem Text der ,Einleitung' durch sachgerechte Ver· ~
Fuhrmann, ~ Von Wicl:and bis V()U", :1.3..0.• S. 9. U Vgl. in dit$t'm z.usammenhang auch Pl:ash,lr, ..Wilhdm v\)n I-Iumboldt und ,He grie<"hisc:he LilCl'"o1tur", .1•.1.0.. S. 94• .... Wit' weil HlJm\}Ql,h :auch motivlltional von einer nur sich lidbsl l;cnügt:ndcn philologischen Htigkeit I:Jltf~rnt iSl, wird .luch $thon im Brief an W('llf vom IJ.J3.nu.lr 179} deut· lieh, in dem ~'r die.' Obe.'rselzertatigkc.il ..eine undankbare, und doch so nure.' A~it" nennl, die er nur .lUS cin... r ~cnthu$iaSfi.schen Lidx- für du Origin:al~ hcnu~ \,trsitht
40 I-Iumboldls Panoptikum: Gtbildcu: AJ1Iikc
153
wendung aristotelischer Termini wie ,Form', ,Stoff' und ,Gestalt' erneut bestätigt. Den Boden der rationalen Argumentation verliert Humboldt lediglich immer dann, wenn nicht nur das aus den friihen Texten ungehemmt weiter tradiene Griechenlob - hier nun anhand des Versmaßes - erneut zelebrien wird, sondern ausgerechnet "die deutsche Sprache unter den neueren allein den Vorzug zu besitzen scheint (Umst., V.W.), diesen Rhythmus (der Griechen, U.W.) nachbilden zu können" (VIIl 136). Die Einsicht in die sprachtheoretisch begriindete Entwic.klungsperspekrive der Konstituierung von Bedeutung jedoch zeichnet auch diese ,Einle.itung' in ihrem hohen programmatischen Anspruch aus, den Humboldt sowohl in der Vorläufigkeit jeder Übersetzung und damit in der notwendig immer neuen Wiederholung solcher Unternehmung konsekriert sicht, als auch im Schurz des Originals vor einem hemmungslosen Übersetzungsrelativismus, das sich in der Beliebigkcit der Umdeutungen und Übertragungen nicht selbst vergleichen muß: .. Auch lernt der Theil der Nation, der die Alten nicht selbst lesen kann, sie besser durch mehrere Uebersetzungen, als durch eine, kennen. Es sind eben so viel Bilder desselben Geistes; denn jeder gicbt den wieder, den er auffasste, und darzustellen vermochte; der wahre ruht allein in der Urschrift"
(VIII 1l6-137). Mit der Option philologischer Sorgfalt im Liebte einer Vermittlungsori-
enrierung der Texte komplettiert Humboldt so in dieser ,Einleitung' sein Panoptikum gebi.ldeter Antike, das über die Enrwicldung eines Grieehenideals hinaus und unter Zuhilfenahme zahlreicher aristotelischer Begriffe und Strukrurmuster ein Welrverständnis kondensiert, in dem die Sprache immer nachdrückJicher als Charakter-verstehende und Bedeutung-schaffende Aktivität identifiziert. wird.
4.6 Zusammenfassung Faßt man die entscheidenden Punkte von Humboldts Antike-Bild anband de.r untersuchten Stationen zusammen, ergibt sich folgendes PanoramaR7: 11
Vglo 'Zum Antik~-Bild HumboldlS. l,.um biographischen Hintergrund und :tum gdStOiteschichtlichen Kontext: Aron, E.: Die d~uf$che Erw~(kjmg des Griechentums dNTCh Winckelmdlln und Herde'. Hcidrlbcrg 1929. - Berglar. \V,U)c/m 'Von HHmboldl, a.a.o., $. 42-54,68-78. - 8onnski. K.: Die' AlIlI.{·c in Poetik Hnd KHnmbeort~ tlQm ttllsg<11lg des kld.Jmchrn ,1ltt'ftums /1/05 dill Gonhf' ul1d \Vifl)elm VQn I-lumboldt. Hrsg, vun R. Newtld.
154
Zweiter Teil: J-1umbuldu Cc(l:khtni$
Die antike Welt ist für den Tcgelcr Philosophen. Theoretiker und Phi· lologeo Beschäftigungsgegenstand über die ganze Lebensspanne. Antike bedeutet für Humboldt vornehmlic.h das alle Griechenland und spez.ielJ die atheniensische Geisteswelt. Sein (ntercsse richtet sich vornehmlich auf die SchriflStdler Horner, Pindar, Aischylos, Arislophanes und - in der römischen Zeit - schließlich auch auf Demosthenes. 88 Eine Erschlic,ßung des griechischen Geistes kann nach Humboldls Auffassung nur durch authemischc philologische Arbeit an den Originaltexten und damit durch aufwendiges und intensives Selbststudium gclingcn. 89 Diese Aufforderung zur Gcnauigkeü im einzelnen korrespondiert mit Humholdts Idealisierung der griechischen Welt, i.ndem er diese - das Unterfangen explizit eingestehend - erst rekonstrukliv bildet und dieses Bild im ex- und impliziten Vergleich mit der Wahrnehmung der gegenwäni-
,m
lc.ip7.ig 1924. 5.1Y)-318. - Ephnim. c.: Wand"J J~f Gmchnlb,JJ~f 18. jahrhllndl'rt. Ikm 19J6. - Anhat.•Wilhdm "on Humboldl und die' gri«:hische Liter.1tur-, .1.;\.0.C"rbe. G.: UhC1'Jl-'lZ,mg lind Auffass,mg gr,~cJmc:ht'r I)/chrlmg b~1 \f'IJhr/rn VOll JlumhoJdt. "-lunchtn 19~5. - I h.rn~ck. 0.: \'fI,lhtlm Wn l-IumhoJrJI. ßC'rtin 191 J. S. 25·~L Barln, W,JbrJm '110" HumhoM, ".3.0.•. 69·87.136-1"6, - Ho\\·.alcl. Wl1ht/m von Hllmboldl, 10 •.1,0.. S. ~~·(,O, 7'J·SI. 114-115. - Kathier. S. A.: \tI,JheJm flO1l Numboldr lind dn Staat. E.i" Hrltrag Zlir G(,H'hlchlclIJculuht'r Lrbc.'lUzrstaltlmg IUlI 1800. Munchen, ßl'r1in 1927. - Kusel. Wilhe/m 'tto" Nllm/wlr/t, a.a.O., S. 9)-121. - Lt'ilzm~nl1, \f'IJht'lm V{l/I J-lumboJd, 1 .... 0 .. S, 31·J2, 44....9. 64-65. - Licse, II.-J.: W,JJu:/m tlCm J-fllmboMI 'md ,J,II AJItT/um. Em 8rllrag 7lfr Ch.1",klt'nsul,t f~iflr' Pt
c.:
10..20.0_ - rfcirfer. _Humboldl. der Ilum;Jnist-. ;J..... O. -I)f;lllg, .Ilumboldu AIIS(hJuung·. u.O. - QuiIlKß. H"mboJdr t't L. Creu• .u...O. - IUrlI7.JIu, J.-.'\. von: \'C'IJhrJm tlCm HllmboJdt. Der Wrg $r"," g(,lmgrn Enttl.'lCkJlfng. Münehen 19J9. S. 32-35. 60-76. - Riedd. M.: .HumlxJldlS unpriinglicher 8q;nW, a.a.O., S. 8'*'4. - Rchm, '«'.: Gnl'Chmrlun und CCH'rbt.'ull_ Ct.'fl'hlChlt.' t.'lnrJ Glallb('nf. Bem (-4. Aun.) 1%8. - $curla, W,Jht'Jm '!lOrI HlImholdt, ;1.10.0., S. 117-13 I, 1)7- Ud. h1ffstcin. U',Jht.'(", tun /-1l1mboldt, a.:I..O.• S. 88-101. 171-175. - Spranger, L .. Wilhcllll \"On !-lumbQldl-. t n: D,u hllm.111muchr Gyml/.15IHm. "6. Jg. (1935), S. 65·77. - Sprangl'r. 1:..: \t',JJJ('Jm V(ln }-J.. mboJdt und du' l1u""allllilmdu.• ßcrUn (1., uO\'crand. Aun.) 1928. . 4~b-4'J1. - St"dler, Nllmuoltlu ihM, .1 •.1.0. - Wl"inslock. ..Einleitung: ,McnschcnbilJ und Menschenbildung'·, u.O.. s. 7-18. Hervor7.uhrbcn ist die \'or .Illern in ihrf.'n bildung5lha>rdischrn P;as5iI\;cn JUsgczeichnClf.' 5IUdie \ I)n B. GIninski: AmI1ft lind MoJrrne. Drr: Am'Re ah BIJJ:mgJgr:grfHMnd I"" \t'iJhrJrn w" JlllmboJdl. a.a.O. Sif.'hc dort :lUch die: Zu»mml:':nfassung und ßemosthcncs In .seinem Bnd' ;an Sc.hwt'ighauscr \om 18. Juli 1807 cllplizil.J.n (\'I:l rllumboldl an hwelf;h.J.ustr.llm 18.Juh 18071 u.O., S.36). ... Vgl. Stadlcr. NlfmboJJu 8JJ, .lI.1_0.• 5. 63,
... Humboldls P,lIlOplikum: Gebildete Alltike:
155
gen Realität und Perspektive des beginnenden 19, jahrhunderts konfrontiert. Gebildete Antike ist also - im andauernden Widerstreit der zeitübergreifenden, ja zeitlos gültigen, Wahrnehmungen - immer auch aktuale Zeitkritik, In der Beschäftigung mit diesem Thema fallen bei Hurnboldt Vergangen.heit, Gegenwan und Zukunft zusammen. 90 Nur in begrenztem Ausmaß dagegen und häufig mit nur kommentierendem Charakter geht diese - durch das Ideal mögliche - gleichzeitige Realitätskonfrontation in Humbo/du GedäclJlnu negativ aus: ..Als entscheidend und elementar für die gesamte Beurteilung der Auseinandersetz.ung Humboldts mit der Antike bleibt" vielmehr mit B, Glazinski ..die grundlegende Bejahung und Wertschätzung der Moderne als der Zeit der Tätigkeit und Bildung im Hier und jetzt der gegebenen historischen und politischen Situation fesrzuhalten· 91 • Studium ist für Humboldt immer lndividua/iläcr-, wir würden im aus· gehenden 20. jahrhundert um den Preis mancher Verkürzung des Anliegens sagen Idemitätsemwicklung. Vor allem auch aus diesem Grund kennzeichnet sich Humboldt hier abermals als Schreiber der unvol1zogeneo. Einleitungen, eben weil die Durchführung, die aktive Auseinandersetzung mit der Antike als Leseprozeß, nicht delegicrbar ist und damit die Aneignung durch einen Kommentar aus zweiter Hand fehlschlagen muß, der ja immer nur unvollkommene Darstellung wäre. Vielmehr mull das Individuum - wie auch der lndividualitätsbegriff von Humboldt anband des Griechenbildes auf den Ebenen Menschheil, Griechentum und Person gleich dreifach invcntarisien wird -selbst Individualitätsarbeit und damit .c Zur den d~n\U I'dullie:n::nde:n Um'e:rsuchungspers~kri\'en und dert:n gegenseitigen produkti\'e:n Erpn~ung me:rktj. Quillien .In:.- L'auue: te:mcrail de: pr~me:r le risulUI de 1'.Inalysc, c'~I-l~ire le l.lblnu, mis cn formt syslcmatique, de 1.11 Grece: auquc:l parvie:nl HumbolJ( l·t d'clUdie.r, en s'appuY.lnl sur Ja tCXICS indipendamment de leur duc. commem ce: (:.Ible:
156
ZwclIcr Tril: HumboldlS GedächtniJ
aktive Bi/dungrarbeit leislcn.92 Dafür aber ist der griechische Geist nicht nur alternativlos gut gee.ignet. sondern auch ideal genug, um stets himer ihm zurückbleiben zu können. Zum Zwec.ke des produktiven Vergleichs studiert man demnach die Griechen, "studin man (...) eine Nation, nicht Bücher, sondern Menschen"'}). Humboldt föhn dieses Anliegen unter der Gefahr mancher Stigmatisicrungen vor, die aber weder der Entschuldigung noch der Verurteilung durch die Forschungsliterarur wirklich bedürfen, weil sie im Argumentationsgang ihre vorher offenge.legrt Funktionalität bewahren. Ocr .,Griechenfreund"~. der .. Philhellene Humbold["/ß kann so ein breites Panoptikum an Motiven und Problcmarisierungsperspcklive.n anbieten, das trotz aller Bezüge zum Denken und zum ..Griechentaumd"" seiner Zeit originär bleibt: Er riskiert die Idealität in nachvollziehbaren, teilweise aber auch heute fremd erscheinenden Varianten zum Zweck realer Bildung, politisc.her Fundierung und geistiger Erinnerung. ,Nur' dafür bemüht er sich um eine eigene individuelle Erinnerungsleistung, deren geistige Inhal[(~ und philologischen Vollzug er als bedeutsam untersteHt und erweist, und gerade darin besteht der ideale Charakter seines Unternehmens. Daß der ,Ve.rmittlungsdcnker' Humboldt vielleicht ein Begeisterter, aber kein Eiferer war, entspricht auch der Tatsache, daß er in den ,Schulplänen' keine Hegemonie des Griechischen und Lateinischen forderte, sondern den philologischen glcichberechtigl neben dem histori~~
Vgl. d..zu P. Su.dlt-r: .Onu ;!,bcr iSI kt'incswrt;s N;I,chlm\ung lIufwrndig; SOlIdern Olt' Furm dt'S Studiums enlbindC'l in jrdcm, der Sich ihm ... idmct. dieselbrn I\nhe. denen $ In Studium gilt" (SuJler. Ill4mboldu BIld. u_O_ S. SO). " [Ilumbolth an 8ri'Kknunn.lm J. Scplt'mbc:r 1791J, L.LO.. S. H . ... Sprangt'r, •Wilhdm ~'on Ilumboldt-, a.....0 .• S. 67. - In U'Jht'/m von Httmboldt ttnd du' 111lm:tn1l4wdu stt'lh Sprangu dif' These vor. HumboldlS Griec:ht'n;l,uffanuog habe in d('( römischt'n Zt'it t'inen .Ronumisit'rungsschub' erhaltt'n (vg1. Sprang<':r. Hl4mboldt I4nd d,e Nkman;t4wJt'r, ::1.1.0,. ,;481). Ot'r Th~e soll hirr nicht im t'inzdnl:n krilisch n;l,chgt'gangl:n wt'rden. E5 in ledoch d;tvor zu wunen, J~r groBen Z;I,h! der 11l1l~rprtur\ zu folgt'n_ die clie Entwicklung von HumboldlS Amikebild in tin hiogl'.. phiseh-hi5!orischcs Rmcr l.'inordntn. weil .sIe tIer Gd;!,hr zu t'r1iegen drohrn. dit' aumlligen KOntinuitätt'n eh{'l\so wir dt'n .allmihlichen Aufb;l,ucmn.kler "on Hum~,ldlS AOIlkt'-"ßild. wit' ICh ihn aufzu7.Clgt'n vUluchc habe-. zu '·t'rdt'dm. ~ Muuon. P.: ~Einle'fUng·. In: deu. (}-luG_); 8ntft /In F. A. W()/{. u.O.. _2. ~ 8t'rgl.lr, Wühelm von f1i1mboIJt, a.a.O.. S_ 44. Vit!t' Inlt'rpme-n H"rwl"fKn. Humboldt <".dldcht unnotigerwcl$(') mt.sehuhJigt'nd. auf dit' Griccbcmt'rt'hrung in dessen uilgt'nönischt'm KOntt'xt. Es ist ..ixr durchaus unrichtig. aufgrund dit'S('r wiehugt'n r~md· lung zu Wt'nungl'n zu kommrll wit' der folgendrn: .Er (I-Iumboldt, U.\v.) blil:b In t'in Zwischenreich 2\\-ischcn ffi;l,rmorn·ide;ller Griechcn-Irrraliliit und konscrv...riv·fomchriu· liehem Prtußt'n·Ktlsmopolitismu5 cinCt'$chloucn - Symbolguf.llt aller dt'ulSch..n Zwiespalt{'· (Bcrgl.ar. \Vi/bdm wn Hl4mboldl. a....O .• S. S").
4. Humboldls Panoptikum: Gt'bildtte Andke
157
sehen und madlematischen Unterricht sehen wollte. Die alten Sprachen sind in der Realität, das weiß Humboldt sehr wohl, nicht die "alleinsel.igmachenden Blidungsmitte.l'"'1. wiewohl sie zur Bildung des Menschen unverLiehtbar sind. Die besprochenen Texte Ober das Studi#m des Alterthums und des Griechischen insbesondre von 1793, Latium und Hellas oder Betrachtungen über das classische Alterth'"1J von 1806, Ueber den Charakter der Griechen, die idealische und historische Ansicht desselben von 1807. Geschicht.e des Verfalls und Unterganges der griechischen Freistaaten ebenfalls von 1807 und schließlich die Einleitung zu Aescbylos Agamemnon metrisch übersetzt von 1816 zeigen aber noch zwei weitere in diesem K.ontext zentrale Aspekte: Zum einen hat das Sprach problem h.ier noch erschließenden Charakter und ist funktional in die Thematisierung des griechischen Denkens eingebunden. Die inhaltliche Qualität und die Konsequenzen der sprachtheoretischen Bruchstücke geht jedoch - vor allem in Latium und Hellas - bereits weit über eine reine ,Dienstfunktion' hinaus. Gcnau deswegen wirken sie zuweilen ,deplaziert', nicht wegen ihrer inhaldich problematischen Verortung, sondern weil sich hier zunehmend eine Theoriebildung ankündigt, die den Rahmen einer funktionalen Rolle im Unrersuchungsgang des griechischen IdeaJs bei weitem sprengt. Interessant ist aber vor allem der zweite Aspekt, auf den ich anhand einiger ausgewählter Beispiele hingewiesen habe: Langsam, aber immer komplexer, baut Humboldt hier unter Zuhilfenahme der zentralen Termini ein ontologisches Strukturmuster ariStotelischer Provenienz auf, er betreibt die Gegenstände erklärende, aber diese auch immer noch suchende Theorieenrwicklung, die ebenfalls erSt in der Kawi-Einleitung - wie die Sprachtheorie auch - ihren Höhepunkt erreicht. Diese Beobachtung läßt sich auch an anderen Texten, die hier nicht besprochen wurden, aufweisen, z.B. an den beiden Horen-Aufsätzen von 1795 Ueber den Gesch/echlsunterschied und dessen EinflJw auf die organische Nawr (1311334) und dessen Fortsetzung Ueber die männliche und weibliche Form (I 335-369). Bereits in dieser frühen Phase hat Humboldt das terminologische Repertoire präsent, das aber erst in seinen späten Schriften zur theoretischen Ausreifung kommt. J
" Sudlu. H"mbolJu 8i/J. ~.l..O .. S. 193.
5. Humboldts Aristoteies: Biographisch-philologische Passagen Es stellt sich nun - die Perspektive von Humboldts Gedächtnis im HorizOnt der Zeit auf eine für den Tegdcr Philosophen gleichzeitige Ebene konzentrierend - die .Frage, auf welche Weise Humboldt AriSlotelCS geleeo hat, wie er de sen Texte verstanden hat und mit welchen Schriften er in welcher lmensität konfromien war. Wie stellen sich die biographischphilologischen Passagen dar. in denen sich Humboldt das Denken des an· tiken Philosophen aus Stagira, der Schüler Platoos und Erzieher Alcxandcrs des Großen war, erschlossen hat? Wckhes differenzierte Bild bietet sich, fragt man nicht vorderhand nach dem aristotelischen Werk als einem für alle Rezipiemen gleich-gültigen substantiellen Sinnzusammenhang, sondern analysiert ausdrücklich Hllmboldt5 Aristmcles in seinen spezifischen Entstehungs- und Ausdrucksbedingungen ? 'Im folgenden wird der Versuch unternommen, das Humboldtsche Aristoteles-Bild anhand von dessen eigenen Ausführungen zum Thema in drei verschiedenen Passagen zu rekonstruieren. Vorangestellt werden einerseits eine Komextuierung von Humboldts Unternehmung in den geistesgeschichtlichen bzw. wissenschaftstheoretischen Kontext, in dem er Thcorieenrwicklung berreib[, und andererseits die Klärung der Frage, innerhalb wdcher Grenzen die biographisch-philologischen Passagen richtig rekonstruiert werden und welches Erklärungspotential sie behaupten können. Ein in diese Klärung integrierter Forschungsüberblick skizz.ien die bisherigen Darstellungen zum Thema und bereitet damit die erneute Klärung in den drei Passagen vor.
5.1 Humboldts Kontext: Rezeptionsdisparitäten Um Humboldts Aristoteles-Rekonstrukrion zu verstehen, muß zunächst sein diesbezügljcher Komext, die Aristoteles-Rezeprioo im 18. und 19. Jahrhunde~ i.n ihrer wissenschaftshlstorischen Konsrruktion und ihrer wissenschafrssystematischen Disparität betnchtet werden. Humboldt begegnet in seiner Beschäftigung und Behandlung mit Aristote1es im Grunde ganz. als Vertreter seiner Zeit, die über weite Strecken von einer An omnipräsenter Nichlbesrreitung gegenüber Arisloteles geprägt ist.
5. Humboldls AriSLOlcles: Biognphisch-philologische Passagen
159
Prominenres Beispiel in Kants Kritik der reinen Vernunfl: .. Kam hilft zwar·... so konstatiert O. Höffe, "Aristoteles' Autoririit weiter zu untergraben. Dabei bedient er sich aber, zumal in der Kr V, über weite Strecken Aristotelischer und aristotelistischer Begriffe, die ihm über die deutsche Aristotcles-Tradition - wichtig ist Christian WolH - vermittelt sind"'98. Die lndifferenz der thematisierten und unthematisierten Rezeption in dieser Zeit ist - u.a. auch durch die mittelbare Vermittlung aristotelischen Gedankenguts durch die sog. ,Sekundärliteratur' - extrem groß. Die Rezeption wird wiederum implizit oder explizit rezipiert Wld läßt das aristotelische Original im Netz der Verweisungen undeutlich werden, eine Tatsache, für die das Problembewußtsein erst noch wächst und die slch auch im Lese-Verhalten der ,GebiJdctcn' widerspiegelt. Zumindest an oberflächlicher Lektüre bzw. der Kenntnis vom Hörensagen oder durch Sekundärtexte führte für den philosophisch Interessierten im 18. und L9. Jahrhundert an Aristotcles nämlich kaum ein Weg vorbei, auch wenn dies nicht für die Breite des aristotelischen Werkes, sondern für ganz bestimmte Wissenschaftsbereiche, wie etwa die poetologische bzw. kunstthcoretische99, die naturphilosophische 1oo und die ethische Diskus.. HöHe.', 0.: JlI'Hfoulj·$. Müncht-II 199f>. 5.1112. - Zum Problem der Verwendung aristOldischer ßcgrific bei K.lm und d~'m Phiin(lmcn eines ,indirekten Arislotdismus' ygl. auch L. Minio-Paludlo: ..Oie aristotelische Tl1Idition in der GeistesgeschidllC In; Moraux. P. (1-1 rsg.): Arütoreles ill der lltlfi'T~lt Forschung. O:umsudt 1968. $. J 14-3)8, hier. S. 317-3 \8. 9\l Gt'r.lde in der kunsuhL'Oretisc.hen bzw. poetologischen Diskussioo wurde sich hiiufi g explizit \'on arisu)l(·lisehen Positionen wahlweisf' abgesetzt b1.w. e.5 wurde diesen zugestimmt. ViiI. d:llu yor allem den zweiten Band von Borinski; DI/~ Antike 11/ Poetik Ulld Kumuheo1u• .1.;1.0.. in dem die Übergänge und Querverbindungen bei uhlrcichen Vcr~ lrClCro dCUllich werdcll (u.a. Winckclrnann. Le:ssing. He.rdcr. Harris, Widand, Goethe). Zu ciru:r cher crg.in"!cndcll :11...· gl'gcllleiligcn Einschätzung kommt H. Prang, der festStellt. ~eille wirklichphilosopmschl" (Herv., U.W.) Auseinandersetzung mit PhllO und AriSlotdes finden wir UIII 1800 (...) in Deut.sehland- noch kaum (Pnlllg, .Humbold15 Anschauung" a.a.O., S. 1-45). Dies ist nur d:tnn zUlreHend, legt mlln den Terminus .philosophisch' in c:i~ nem c:ngeren Sinne .,u.. und zieh dJmit auf Meuphysik und Wis$ellsch:tflSthl'Oric-. Aristo-teles' Schriften zu ,praktischen' Disziplinen wie Ethik und Poedk sind durchaus Gegensund von Leklüre und Diskussion. IOC VgJ. Müller-Sievers, Ep'g~ncm, .l.a.O., S. 13-2-1, JO-51. - R. Löw differenziert in seiner Djssen'alioll Philosophie des Lebendigm, Frankfurt 1m M!lin 1980, den Begriff des OrgOlni$d,c1/ bet Kam und zeigt den hohen Differenzierungsgrad auf. der sich ergibl. versucht man dem ArislOtelisnlUi im 18. und \9. Jahrhundert aueh nur anh.l.nd eines einzigen Beispiels nachz.ugehen. Seine in vier KJpilel gegliederte Studie gehl VOll der BegrÜndung der Naturwissenschaft durch Aristotdcs JUS, beschreibt die Entwicklung einer Theorie des Ortanisehen vQr und bd K,l.l\l und bestimmt schließlich Jen systematischen Ort ...on K.lnu Philosophie des Ory;anischen, nichl ohne den Kantisehen Ansatz eine,r dngehenden Krilik zu unterziehen. Löws Analyse iSl auf ein. dem Thema in seiner systematischen Differcnzienheil angelllcssenes, brelles l'exl\'crstiindni$ gcgrUodcl. So wcrdcrt bei Kam u.a die M
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Zweilcr Teil: J-1umboldlS Gediichlllis
sion lOl , galc. Dies har Folgen für den rezeptiven Gebrauch: Man setzt sich - Kanu subtile Gerissenheit durch oft weniger gescheite explizite Verwendung substituierend - von Arisrotcles wahJweise ab oder stimmt bestimmten. häufig angeführten. TextsteIlen und Positionen zu, um sich einen Anknüpfungspunkt für die eigene Argumentation z.u organisieren. Trotz oder gerade wegen dieser - jedem nicht transparenten ,Kanon' notwendig anhaftenden - Oberflächlichkeit, die vor allem in der geläufigen Selbstverständlichkeit seiner diskursiven Verwendung zum Ausdruck kommt, fehlt es bei vielen Denkern dieser Zeit nicht an kürzeren Hin- bzw. Verweisen, häufig aber an detaillierten Darstellungen und aus~ führlichen Erörterungen, die konkrete Textbezüge und -analysen enthalten und eindeulige. systematische (Rück-)Schlüsse auf die theoretische Substanz des spezifischen aristotelischen Originals in dessen jeweiligen Entstehungszusammenhängen zulassen. Über die Anwesenheit und Relevanz aristotelischen Denkcns in den Texten dieser Zeit und eben auch bei Humboldt jedoch sagt dieses Phä-
IGI
drei Kririkc'lI ulJd die Mttaph.Y5UdJf1I AtlftJ1I8sgrfinde der iUUr-oJJJ55f,uch"fr hcrang{'zog{,ll. bei AriSlOleles werden de amma, dt cac/a, die Ni~'o""lChis('ht Ethik, Jt gcner'IItOIU' amma/ium, de hi5tOTW amm.,/ium. Je mOlu 1IIJ1ma/ium, Jt patlibfd ammalmm und die Mtll jedes lVirkungs~l'schiehlliche Bemühen uhlreicht'n Schwir-rigkeilCII. Zun:ich$l einmal erwähnt fast jede größere synthelische Arbeit mil Ausnahme fachspezifischer biologischer Ei.llzeluOlersudlungen AriStoH~lcs in irgendeiner Weise" (Hünemörder, ehr.: "Zur Nachwirkung des ArislOteies bei den Biologen im 19. und zo. Jahrhundc:rt~. 11l~ Wiesncr, J. (Hug.): Aristol,./tS-, lVerk HIIJ Wirk/mg. [2 Ude.] ßcrlin 1987. S. 621-(,JI [Bd. 2], hier: S. 622). Zur Str;1lcgie der ArislOtdes-Rezcplionen slelh t'r d.tnn entlarvend fest; ,.Ebenso wichtig ist die jeweilige Slr:negit der ArgumcllIil.tion des modemen NalUrwissenschaftlers. IUil der er dc:n SlagirilelJ sich sdbsl und dem mögliehcrweise cxtrem fort+ schrittsgläubigen Leser gegenüber verteidigt. Dies geschieht bei m"nchmal etwas g(innerhaher Anerkennung dcr Pionierleistung des AristOlcles ;1ls Begründer mchrcrt'r Einzelwissenschahett nicht sdlen dadurch, d.tß bed3ucrnd OOn sogar mit erhobenem Zeigefinger tadelnd festgendlt wird, daß bei diesem oder jenem biologischen Problem der große Mann unbegrciOicherweise geirrt bbe, obwohl er doch greifb"r oahe an die richti+ ge, eben die zur Zeil des Autors mod~rnc, Erklärung herangekommen wa.r- (ebd.). HünClllördcr m'lchl hier deutlich, wie nahtlos du 19. und 20. Jahrhundert die RezeptiollsmuSlc;r des 17. und 18. Jahrllund<'-fu in bezug auf Aristoteles üb
5. Humboldls ArislOldcs: Biographisch-philologische P;lsugen
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nomen gelehrter Verweisung und auf Legitimation bedachten Zitation, das in seiner Substanz häufig den komplexen Sachverhalten aristOtelischer Werke. nicht einmal nahe kommt, zunächst nur wenig aus. I01 Und es ist auch kein isoliertes Phänomen der Neuzeit. Vielmehr steht diese auf einzelne Themen und Erkenmnisinreressen gerichtete und auf die philologischen Probleme der Texte wenig bedachte ,produktive' Adaptionsstrategie durchaus in einem - gleichwohl um Länge.n anspruchsvolleren Traditionszusammenhang. G. Bien erweist dies am Beispiel eines der damals meistdiskutierten Werke des AristoteIes, der Nikomßchischen Ethik: "Die hlOge Kommcmierungs-, cl.h. zugleich auch Wirkungsgeschichtc der Nikomachischen Ethik des AristoteIes (wie auch seiner übrigen Schriften) zerfällt deUllich in zwei Perioden: in die der schol:lstischen Imerpret:ltionstradition eincrseiu und in die der neuzeitlichen philologisch-geisteswissenschaftlichen Zuwendung zum Text andercrseits"'O).
Bien sieht die erste Tradition von ..antiken Kommentatoren (...) über die gricchisch-byzantinische, die arabischc, syrische und jüdischc, die latcinisch-mittelalterliche, die lateinisch-humanistische und die protestantischscholastische Schulphilosophie der frühen Neuzeit" ICH reichen und kon· staticrt, Aristotcles werde hier im Grunde als gleichzeitiger, besser noch zeitloser, AULOr gelesen, der auf cin bestimmtes Problem hin unmittelbar befragt werde. Diese Befragung, die vor allem ei.n Interesse am Gcgensr.and und dem jewciligen aktuellen Bezug hat, crfolgt als (cxummanente Exegese und schließt die Erörterung philologischer Probleme im neuzeit11)1
IOJ
O:llt mit :arislotc!ischel) Begriffen m~hr selbstverständlich als systematisch genau umg~ J;angen wurde, ja daß siezulll allt;lglichell Repertoire gchönen. zeigt auch der Bricfw~ch~ sei zwischen Goelhe und Humboldt vom I. Dezember J8J I b7.w. 6. Januar 18n. Goclhe $leih fest: MUnd durch eine geheime psychologische Wendung. welche \'ieJleicht sludien 'Zu werden verdient. glaube ich mich 'Zu einer Art von Produklion erhoben zu haben, weiche bei völligem Bewußlsein dasjenige hervorbrachte, was ich jeut noch selbst billige, ohne vielleicht jem.lls in diesem Flusse wieder schwimmen zu können, ja was Arisrote1e.s und andere Prosaisten einer Art von W:almsinn zuschreiben würden- <'Vi/lulm t/on Humbotdl. Sei" Leben Ulld \Virken, aargf.'Sulll in Bri~rl!lI. T.-18/'bJJehr!rl'l Ima Dokum~ntl!lI seiner Zeir. Hrsg. von R. Freese. Darmsudt 1')86, S. 755). Humboldl entgegnel: ,.Der Ari~ ~tolclis<:he Ausdruck \\'(nigSlens, wenn man ihn aueh noch so sehr als ein bloßes Extrem arl$iehl. hat gewiß niemals ~uf Sie gepaßt und paßt auf keines Ihrer Werke. ~uch nichl auf den ,Wenher' und den ,GOIZ'. Ihre Oiduung stammte \'011 jeher aus Ihrer l:ianzen Nalurund Weltansichl" (S. 758). Bien. G.: MVernunft und Ethos. Zum I\usgangsproblcm der AristOlelischen Elhik" rEin~ leitung des Herausgebers]. In: AnslOlclcs: Nlkomaehiscbe Ethik. Auf Grundlage d. Obl.'rs. uon E. Rolfes brsg. VOll G. Bi"". Hamburg (-+., durchges. Aun.) 1985. S. XVII~L1, hier: $. XVII.
a.
10+
Ebd.
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Zweiter Teil: I-lurnboldl.s GtJSrochtnis
lichen Sinne einer kritischen Textwissenschaft erst einmal aus. Es geht "iehr um eine möglichst originäre Rekonstruktion des Denkens eines Aurors des 4. Jahrhunderts VOr Christus, sondern um die .. Wahrheit des Dinge"'105 und die Produktivität des jeweiligen Beitrages für die aktuelle phi· losophische bzw. theologische Diskussion. IOb Im 18. Jahrhunden äoden' sich diese Rezeptionsoption grundlegend. lo " In einem wissenschaftlichen Gefüge der Neuzeit, das sich von der alteuI~
Ebd
1010 0;15, was Bien hier als ente Periode l>c:uichnt'l, blclet SIch in Wirklichkeit 1ls ein
~ujkr~1
diHcrcllzicncs Fl.'Id von Abfolgen und RCUPLiol\s!'tr:au:git'll dar. die. O. Höffe uott'r der Rubrik .Amikc \lud ~liltd:lhcr' in die Profile .Friihl.cit'. ,Chriue;ntum, Isl:l.m.Judemum' und ,Dir große AfiSloteles-Rl."zcplic)fl' untc·rsdu:idet. HöHe wc:isl gl"UI.lI1:Jch. in wekhc:n Sequenzen w;c welche Texle' gelesen wurden und 5tdlt die Rezeption in den wiS$en~ schafuh;nor;schrn Konl~t. 51' ist es Für den 'Zenr.lum Antik(' und Millebllcr in der T.11 chal"2ku~riSlisch, dall gan7 beuimn\le Werkt- GegenstanJ der Bcubl."itung wcrdclI und t1,mn wi~"(lcr w'uchwindCil (...gl. Höffe. Ariuore/lJ, a..t.O., S. :U.."'-Z7?). Erst in der Rezep· tion in ,Neuzeit un(1 Gl.'gellw:m' n:rhreill:n sich das Bild dun;h l.'int" im nlod('rncn Sinne' yerm.ndene' Ve-rwiuelUCh.lftliehung dl'utlich (S. 171J-287). - Zur Geschichlc des Arislfltclismus siehe auch die st'hr dichte und f:lc('l(cnrcichc Danlellung von E V:II\ Steenberglll'n, der seinet' ",·;ssl.'nschaftshistorischell ·kiz1.C cil\l:11 kurl.c:n Überblick Übel' d;c \,(111 AriSto· tCll$ bcarbt-;te~en Tlwmellbereiehe- \'()r,lllSte-lif (V:IO Slct'nbcrghen, F; _Arislotelismus", In: RillC!'. J. fHrsg.]: Hmorm:lul \Vol'lerbudJ der Phll(JJ.uplJie_ Ih.~c1 \I ..l, ud. ,. s. 50R·517),I. Düring Stellt in seiner Studie ~ VOll ArlslOt'clcs his Leibni? . Einige Hauptlinien in der Gcsehir:hte dt's Answttlismus· u.a, hCl"2us. wie Jer zum Teil übcrlll3dnige Arisl()ld;smus ill seiner Gcs('hic1l1c hiiurig aud, neuere Entwicklung verhinden Im, Ikadllung findet in st'incr Unlcrsuchunj;, d;e cr lediglich 11\ die heiden l-Iauptpcril)dcll Drr amikr ArlJ/OIe/u· }/lUJ und Der Ilu
5. H umboldlS Arislotdes: Biographisch-philologische Passagen
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ropäischen Geschichte emanzipieren will und sich selbsl als hismrischhermeneutisch zu begreifen sucht, tritt die Entdeckung der jeweiligen ..Wahrheit der eigenen Zeit" 108 zugunsten einer Rekonstruktion des fremdgewordenen Verständnisses der Werke, die ..auf dem Wege histOrisch-philologischer Vermittlung zunächst einmal textlich eingeholt und präsent gemacht werden muß" 109, in den Hintergrund: ..Für diese wissenschaftlich-philologische Zuwendung zu Aristoteies gilt es nicht, seine Schriften und ihre Wahrheit philosophisch-engagiert auszulegen, sondern sie und ihren Autor zunächst einmal aus den eigenen, nunmehr fremd gewordenen Voraussetzungen zu verstehen MllO • Humboldt Steht, wie viele andere Gelehrte seiner Zeit., genau in der Mine zwischen diesen beiden Rezeptionsmethodologien: Die Tradition ,mittelalterlicher' Wahrheitserklmdung bzw. -konfrontation ist in Wirklichkeit noch nicht vorbei und wird weiter genutzt, allerdings mit zwei folgenschweren Abstrichen: Einerseits ist sie radikal säkularisiert und verliert damit ihren geistesgeschichtlichen Zusammenhang. Andererseits büßt sie das Verfahren bzw. die formalisierten Untersuchungsrcgcln der auf Offenbarung gerichteten Prüfung ein, die für die Erkundung einer als gleichzeitig-gültig unterstellten Wahrheit notwendig sind und die im scholastischen Mittelalter selbstverständlich waren. 111 So erfährt diese Rezeptionsmethodologie eine grundlegende systematische Trivialisierung, ohne jedoch im wissenschaftlichen Diskurs vollständjg obsolet zu werden. Die aufkommende Tradition der Neuzeit hingegen, die in einem historisch-hermeneutischen HoriZOnt Wahrheitsskepsis betreibt und die Differenz zwischen sich und dem Text nicht nur erkennt, sondern systematisch bearbeitet, ist in heuristischer, editorischer und methodologischer Hinsicht noch nicht hinreichend ausgebildet. Darüber kann auch die zunehmende Zahl der Aristo[.eies-Bearbeitungen und Kom.mentare im 17. und 18. Jahrhundert nicht hinweg täuschen. In einer solchen Phase, in der sich die einzelnen Methodologien historisch und systematisch übereinanderschieben, ist es vorprogrammiert, daß ,Wahrheiten' aus isolierten Textpassagen - nun ohne den sicheren Halt des unsicher gewordencn Weltbildes - wie aktuale ,Nutzwahrheiten' weiterverwendet werden und nicht nur unkenntlich neben neuzeitlicher philologisch-historischer Kritik der Texte stehen, son11»1 Bien. ItIt Ebd. 110 111
R
V~rnunfl
und Elhos", 3.a.0., S. XVIII.
Ebd.
Hier iSI vor :lllem d.1S rhetOrisch·dialektische Grundprinz.ip der Sc:holastik, di~ Quaestio. zu ntnnen, ~in Unltrsuc:hungsverfahrcn, bei dem eine These von einem rngenden, einem Oppon~nlen. krilisch himerfr:> wird. Ocr Respondem haI dann die Aufgabe. die These: zu vcneidigen.
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Zwdlt"r Teil: Humt.lOldl.s G«Iäclllois
dem beides auch ohne weitere Erörterung des Legitimarionszus.ammenhangs oft gleichrangig im Argumentationsgang verwendet und bewertet wird. Humboldt verwendet ebenfalls heide methodische Vorgehensweisen, die in ihrem formalen Charakter verstümmelte Wahrheitst>rkundung als zeitlose Konfrontation von Behauptungen wie die historisch-kritisch gewordcDc Wahrheitsrkepsis hermeneutischer Provenien7., und eben in dieser - zunächst durchaus besinnungslosen - Doppc1bödigkcit des Bezugsrahmens, die sein rezeptives Verhalten kennzeichnet, unterscheidet er sich kaum \'on den anderen Denkern seiner Zeit. Diese Beobachtung ist deswegen wichtig, weil sie eine für den Übergang vom 20. i.ns 21. Jahrhundert auf den ersten Blick nicht unminelbar einsichtige Konsequenz enthält: Die unterschiedlichen Rezeptionsmodaliläten sagen - und dies ist für Humboldes Aristot.c1es-Rcz.eption konsuculiv wichtig - so gUl wie nichts über die unterstellte BedeuLSamkeit der jeweiligen Inhalte. deren Verwendungsproduktivität und tatsächlichen Grad der weiteren Verarbeirung bzw. theoretischen lnst'allation aus. Wohl geben sie hingegen Auskunft über den Spielraum der Skepsis und Kritik, die aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensstrategien bei der Auslegung der Texte möglich werden. Humboldt ist sich in einer Zeit, in der Aristotcles auch wieder als Grundlage der Entwicklung philosophischer Systeme - G. W. F. Hcgel ist hier das markanteste Beispiel ill - genutzt wird, dieser Zusammenhänge zunehmend bewußt, wie sich dies z.B. auch anhand des Problemhorizontcs des Geschichtschreiberaufsatzes feststellen läßt. Humholdt beschäftigt die Frage, wie historisches Verstehen möglich ist, explizit und es ist. ausgerechnet der politische Freund und spätere enge Mitarbeiter in Fragen der Bildungsorganisation F. D. E. Schleicrmacher llJ , der zur philologischen bzw. historisch-hermeneutischen Verwissenschaftlichung der Arislotelcs-Rezeption im beginnenden 19. Jahrhundert Entscheidendes beiträgt. J H Während beide sich einmal darin einig sein werden, daß ..Vcr'I!
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11<
Vgl. dnu vor ",!lem die Aristotelt"s·Rurplion Hq;ct\ in d~St"n VIJr/t'Jung('" IibeT dIr (ieJChKhtt Jt"r 1'h//tm)pJm. Direkl I:ißt Hc:-gd _m der f."z)'~·/opiiJ't (...) deli rlöhepunkt des .1bsoluu:n Geistes. di~' «(:.il;cne) Philosophie. in Aristoli~les' Gcd.1nkell der (/)cOna. im Sichselbst-Denkt'n aeJ l$ötltich~'n) Geistes. gipfelr.- (Höffe. AruUlII'It'J, .1..1.0.• S. 282). Vgl. Scurl.l. \V,lbelm tJOfl Humbo/dt. a.3.0.. S. } 16. Vor allem !khleiermachefS. aber auth I-Iumboldu Interesse (ür die Bildungsrdormen dnerseits Und r\rislOtclN amlcrem:il$ in keincswegs zufällig. O. Höfft' weist auf einen Zunmmenhanl:: hin. der 7.ul1lindeSI Schltiemlacher bekanlll gewes.:n sein dürfte: .Am 19. M3fl. 1255 schreib, dlt wichtige Anistenfakulul von P:uis du Stu(liuril aller (lamal~ bC'kanmen Schrifun des Aristotdc5 vor, ,1150 nicht nur die /ogu'll /lm'
5. Humboldts Arisloteles; BiQgl'3phisch·philQlugische P::lssagen
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stehen (auch daher, V.W.) nicht selbstverständlich ist, weil die Singularität des verstehenden lndividuums nie ohne weiteres in der Allgemeinheit des sprachlichen Gegenstandes" "s aufgehen kann~ ist es Schleiermacher, der diese Einsichten mehr noch als Humboldt auch auf dem Wege der philologischen Arbeit an den philosophischen Klassikern gewinnt. Als eine seiner wichtigsten Leistungen zählt heute die Übersetzung der platonischen Dialoge, aber auch der philologischen Aufarbeicung und Krilik einzelner aristotelischer Werke widmet Schleiermacher sich gezielt. Dies wi.rd u.a. in de.r Rede vor der Berliner Akademie vom 4. Dezember 1817 "Über die ethischen Werke des Aristoteles u1I6 deutlich1 in der Schleiermacher die drei Werke des athen ischen Philosophen analysiert, die den Terminus 'HlJl"xfJ. in der Überschrift tragen,II1 Der kompetente Exeget arbeitet hier nicht nur philologisch·komparatistisch, sondern stellt auch in bis dahin nicht gekannter Weise die Autorschaft der einzelnen Werke fundamental in Frage. Dies sind weitgehend neue bzw. in ihrer Art und Weise neugestellle Fragen für ein grundsätzlich anderes Text- und Philologieversrändn.is aJlgemcin, mir Sicherheit aber revolutionär für die Aristoteles-Rezcption seiner Zeit, wenn Schleiermacher in seinen Ausführungen auch auf die Tatsache bzw. Tradition rekurrieren kann, daß Aristoteles-Erarbeitungen. wie unterschiedlich gründlich sie auch sein mögen, im t 7. und 18. Jahrhundert zunächst einmal häufig Übersetzungen sind. 1I8 Ein bewußt eher randständiges Beispiel als Beleg der Selbstverständlichkeit solcher Unternehmungen stellt die nachstehende Aufzeichnung dar. Humboldt notiert in Eutin am 23. August 1796 zur Begegnung mil Goethes Schwager J. G. Schlosser mit deutlich zurückhaltender Bewunderung in sein Tagebuch: m Borkopp, P.; .E D. E. Schleicrm::lcher~, In: Lutz, B. (Hrsg.), Melzler Phj{osoph~" LexIkon, SnlUgart (1., ilklUaJisieru und erweiterte Aull.) 1995. S. 79+-796, hier: S. 796. 1lio Schleiernucher, F. D. E.; Gtsamtausgab~ der Wl.7kc. I)ritte AbteilHng. Zur PlJilos()phi~. J. IM. /835. [Reden und Abhandlungen, der König!. Akademie der Wissenschaften vorgemgenJ. S. 206-)3). 111 Schleienn::lcher meim hier die EIIJ/!mischc E.,hik (bt'nu.nm nach dem AriStotC'1es-s.:hu!er Eudemos von Rhodös), du FragmcnI der Großm E,hik (e~n in de:r Tradition dem Ari$totdes zugeschriebener Auszug 3US den :Inderen E!hiken) und schließlich dic von Ari· 5totl'les sdbsl rcdigime und umf::lngreiche Nikomachl$ch c Ethik, sein ethisches H::lUP1werk, du crsl nach AriS!Oleles' Tod von desse:n Sohn Nikomacho5 ycröffcntlichl wurde. '11 Diese 'rr~dition Sltl7.t Ende des 15. bzw. Anhng des 16. J.hrnunderts cin. Dazu Q. Höffe: .Ende des 15. Jahrhundens beginnt (Umst., U. ~), zunächst unter philologischell Voruiehen, die driue AriSIOtcles-Rezeplion deS Abendl:l1ld~. Dcr Philosoph wird wic viele andere: ;lntike Schriftsteller im Uncxt ediert und sowohl ins Lateinische als ::luch in die Volksspnchen uberse:l7.t. Aus dieser Zeit st~mmt du Vorbild für ::llle späteren Gcsamt::lUSgibtn. die rünfbandige AltNna (1-495-98t (Höffe, A r;1totl."1cJ, u.O., S. 279).
Zweiter Teil: I-lumboldts Ced:ichmis
166
..Gegen mich war cr (Geheimrat Schlosser, U.W.) jedoch recht freundschaftlich und gcfiilJjg. - Was mir
Da Humboldt ansonsten vom Geheimen Hofrat Schlosser, der seit seinem Ausscheiden als Direktor des Hofgerichtes in KasseJ J 794 in Eutin lebt, nicht nur wegen dessen .. höchst trivialer und gemeiner'" (XlV 321) KantKritik, sondern auch wegen dessen fehjendem ..Scharfsinn'" (XIV 321) wenig hält, zeigt., daß die Übersetzer-Tätigkeit für Humboldt in dieser Zeit nichr prinzipiell positiv konnoliert ist bzw. daH sie für ihn mehr als Handwerk, denn als intellektuelle Tätigkeit gilt. Übersetzung ist hier ganz offensichtlich weder eine Frage von Begabung, noch von Kritikfähigkeit oder gar von Genialität, sondern von Fertigkeit. Über die Korrekturen bzw. Ergänzungen dieses Übersetzer-Bildes in der Agamemnon-Einleitung 20 Jahre später ISt bereits gesprochen worden. Zurück zu Schleiermacher. Auch für den Begründer de.r neueren protesunlischcn Theologie waren die ersten Studien zu Arisroteles zunächst mit Übersetzungsarbeit verbunden. In seiner Hallenser Studienzeit von 1787-1789 hörte er bei J. A. Eberhard zunächst aristotelische und platonische Ph.ilosophie und studierte im Eigenstudium nicht nur die ethischen, sondern auch die metaphysischen Schriften. In Verbindung m.it einer in diesem Kontext eOlstehenden Übersetzung der Nikomachirchen Ethik verfaßte er u.a. einen Aufsatz. zur aristotelischen Gerechtigkeitstheoric. 110 Über 20 Jahre später, 1811/12, liest der Berliner Professor dann selbst zur Geschichte der Philosophie. Eine Vorlesung auch zu Aristote1es, die lobende Beachtung fand, u.a. durch den Historiker B. G. Nicbuhr, der 1810 Mitglied der Akademie geworden war und bis 1812 ebenfalls an der Berliner Universität Geschichte lehrte. An diesen biographischen Eckpunkten wird SchJeiermachers lebenslanges Interesse am .ganzen' Philosophen Aristoteles deutlich, ein Interesse, das sich gleichwohl nicht auf die Auslegung der Texte beschränkt. Auch auf ed.itorischem Gebiet gibt SchJeiermacher wichtige Impulse. So geht die Entschließung der Berliner Akademie L817, von Immanuel Bekker nun endlich eine verläßliche Edition des 11., E~n(~ns in den Reiseugcbüchern findrt sich noch dn weilenr, eher ncbcnslchlicher Ari· sloldes-Hinwcis. Humboldl C'rwähn! hier, d;lß J. H. Voss die P~rik de$ AristOlcles in einem sptl.ifischen ZUS1lllmcnhang 0111$ Beweis seiner Argument1uion verwendel (vgl. XIV 316).
11:> Vgl. K..3.nu.cnb.llch. EW.; F. D. E. SchJmmlamC'r. Rcinbek bei H.lImburg 1967.5.19.
5. Humbol(lu Arinocclcs: ßio\;nphiscb-philolol)ische I\uui!ell
167
Corpus der Aristotelischen Schriften erstellen zu lassen, auf seine Anregung zurück.!:!1 Auf der Seiten-, Kolumnen- und ZeiJenzählung dieser Ausgabe beruht bis heute die Zitierwelse der .aristotelischen Werke. IU Es ist anzunehmen, d.aß Schleiermacher, auch wenn die menschlichen Beziehungen zwischen ihm und Humboldt nicht sonderlich eng waren l '!). mit diesem neben bildungstheoretischen .auch philologische Fragen erörtert h.at bzw. Humboldt zumindest die diesbezüglichen Forschungen SchJeicrm.achers kannte, ihm also der Problemhorizom nicht nur präsent. son· dern - wenn .auch nicht zentra.ler. so doch immerhin - zunehmend Gegenstand der Reflexion w.ar. Die Kenntnisse Humboldts und Schleiermachers in bezug auf AristOteIes wenn schon nicht zu parallelisieren, so doch mindestens Analogien in den gelesenen Texten zu vermuten, dafür spricht auch noch eine weilere, auf den zweiten Blick ausgesprochen bemerkenswerte bzw. folgenreiche Konstellation: Für beide, den Tegeler Philosophen und den Theologen, ist es F. A. WoLf, der sie beim Studium der ,Alten' anlcitet. 124 Im Briefwechsel zwischen Humboldt und Wolf läßt sich klar erkennen, wie sehr letzterer den Freund und Schüler zur Aristoreles-Lektüre drängte. Die zunehmende .anaJytische Schärfe Humboldts bei der Verwendung aristotelische,r Termini läßt es als höchsrwahrscheinlich erscheinen und bestätigt den Verd.acht, daß Humboldt diesem Drän· gen nicht nur Ln dem engen Zeitraum in der Mitte der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts, in dem AristoteIes ausdrücklich Them.a des Briefwechsels war, sondern später auch selbstverantwortet und von eigenem Interesse getrieben zunehmend nachgab. Aus der extrinsischen Motivierung des Freundes und Mentors wird ein intrinsisches Interesse an der Sache seibsL Ist man allerdings gezwungen, in dieser Sache um die Briefzeugnisse herum Rückschlüsse zu formulieren (s. Kap. 5.3), so steht es hingegen außer Frage, daß Humboldts Raster aristotelischer Begriffe immer komplexer und zunehmend genauer. eben .ausgereifter. wird. und daß dies auch Ergebnis eines gesteigenen philologischen und philosophischen Problembewußtseins in dieser FragcsteUung sein muß, das Humboldt bereits in Vgl. Bien. ~ Vt."munft und Ethos". 1.:1..0., $. XVIIJ. lU Vgl. AriJIOubs 0POIf (j 8J~.). Ex 'tc~m;on~ Immlfnlu/iJ 8~ltkm. ceJttlil Aclf.ti~mia ReglA BlI"d~le.a, etllt/ll .:A/rn'1Il quam cur41liJ Olo[ Gigon. Bulin 1831-70. ll.) Vgl. Scurb.. Wilhr/m 't'On Hlfnlbaldt. ~.a.O .• S. j 14. - Trondem hauen Schlci~muchu und Humbokh allein schon drs.....tgm ausrckhcnd Zdt zum Gespräch. weil Schlcinm.acher ab 1815 all~ kirt:hli<:hcn Funkrion~n für di~ F;unilir Humboldt \\'ahmahm (vgl. Gippcr, H.: .sprachphilosophir in dC'f Romantik". In: DascaL M. u..l. (l-Ing.~· Spr.w,phiJosophK. Ein l1ft~l"m..ks fIandblfch znrgmössisehV' Forsch.ng. Ikrlin. N~"", York 1992. S. 197·2JJ, hier. S. 215. w Vgl. K~tunbach, Schltltrm4dJn, u_O~ S. 26. IJ.
Zwcilcr Teil: }-Iulllboldls Gedächlnis
168
frühen Jahren ausgebildet hat. Humholdt hat den originären Aristotcles erst noch zunehmend gesucht - und den doppchen Bezugsrahmen divergcmer Rezeptionsmodalitäten seiner Zeit "je verlassen.
5.2 Humboldt(s) Bibliothek: Grenzziehungen
rur
Daß Humholdt philologisch-editorische Erkundungen im Hinblick auf ArisLOteJes auch in späterer Zeit noch zunehmend sensibel wurde, zeigt der Brief an Wolf, den Humboldt zwei Jahre nach Schleiermachers Akademierede am 16. August 1819 schrieb und aus dem man neben seinem philologischen Erkenmnisintcrcssc U.2o. entnehmen kann, welcher Arislotclcs-Ausg"3hc HUl1lholdt sich in den späten Jahren u.a. bediente: .. Ich wünschte in der Politik des Arislotclcs Einiges gcnau nachzulesen l besitze aber nur die BaseIer Ausgabe slimmtlicher Werke von 1550. Könnten Sie mir nicht, liebster Freund. die besten Hülfsmi(tc! zum Studium dieses Buches nennen?"lB Und zwei Monate später, am 12. Oktober 1819. heißt es: ..lch schicke Ihnen Ihre Bücher, liebster Freund, nach unendlicher Zeit (...) zurück. (...) Wenn ich Ihnen mehr Bücher wieder· schicke, als Ihnen gehören, so schicken Sie mir das Uebrige zurück; vermissen Sie noch etwas, so sagen Sie es mir. Die Ordnung fängt erst an bei mir einzukehren"126. Solche Unordnung in Humboldts Bibliothek mag als Sinnbild für den Zustand der aktuellen Forschung in der Frage der Humboldt-Aristotcles-Beziehung figurieren. Blickt man auf die diesbezüglichen KJärungsversuche der Bibliothek zu Humboldt., so in man in gewisser Weise über eine systematisc.he Kontinuität überrascht, die erst auf den zweiten Blick deutlich wird: Trotz Schleiermachers hermeneutischem Votum und Engagement für die Paralle.lität von phiJologischer Genauigkeit und historischem Verstehen (die dieser im übrigen selbst bei seiner Aristotclcs-Rezeplion nicht durchgängig einhielt I2'), funktionieren Interesse, Anlage und Ergebnisse der Untersuchungen zur Humboldr-Aristotcles-Bezichung im 20. Jahrhunden häufig nacb der Schablone des 17. bzw. 18. Jahrhunderts, also ebenso zurückhaltend und unkontextuiert wie weitgehend
1.1:) I:'
1:-"
niumboldt an Woll adl 16. August (819), a.LO•• S. J 19. [Humboldt;ln WoU am 12. Qklolxr (?) 1819). u.Q., 5.320. - übn- du Darum des Brirfes ist ich da Henusgtbu Ph, M:mson nicht gAnz sichtt. wmll'~cn u dieses mit ciOC'm Fngcuichcn \'ersichL Vgl. Bicn...Vernunft und Ethos·, ~O., S. XVIII-IX.
S. l-Iul1lboldlS AriSLOldes: Biogr2phisch-philologisch(' P.lS5oIgcll
169
plakativ und fragmcmarisicrend. Ln einer gewagten Spielan realisieren sich hier die Reste: des uivialen Auslaufmodells des Rezeptionsmusters mittelalterlicher Wahrheitserkundung ahermals, in dessen Rahmen man lieber die Nützlichkeit für den eigenen Ansatz prüft (hierin liegt die eigentliche geschichtliche und mcthodische Trivialisierung), als dem substantiellen Gehalt der Fragestellung in deren originärem Kontext nachzugehen. Im wenig ausgetretenen Trampelpfad einzelner Untersuchungen, deren implizitc Unübersichtlichkeit gerade für Vermutungen Spielraum zu eröffnen scheint, bleibt daher auch hier durch obligatorische Nennung, Unterlassung und Nichtbestreitung vieles offen und unterläuft damit die Sperrigkcit der Problematik durch gefahrlose Eingliederung in den eigenen Gedankengang. So erwähnt die Forschungsljtcratur AristoteIes selbst im spezifischen Kontext der AntikeRezeption Humboldu entweder überhaupt nicht (z.B. Berglar, Müller, Weinstock, Rantzau, Scurla 128), als obligatorischen Hinweis, der aufgrund der HumboldtSchen Aristoteles-BehandJung eben unumgänglich scheint (Glazinski I19 ), mit indirekter Erläuterungs- bzw. Kontrasrierungsfunktion für die unterschiedlichsten systematischen Zusammenhänge ohne kritische Analyse des arinotelischen Werkes selbst (Barsche, Kessel, Spranger, Menze, Hayrn IJO ). häufig nach dem Muster. ..Auch hier bewährt sich also die a.lte Aristotelische Einsiehe, daß ...... 131 (dann folgt irgendeine ,Einsicht'), oder auch mit dem immer wiederkehrenden Verweis auf ganz bestimmte TextsteIlen in Werk und Briefen des Tegeler Philosophen, die aber dann ebenfalls kaum oder gar nicht gedeutet werden 111 Vgl. BCfl;lu. \t'i/hdm wn Hl4mboldt. "'.20.0. - MüU('r, Mm,m('nb,!d ,md Hl4m,muml4s, a.a.O. - Weinstock.•Einblung: .Meß5chenbild und Menschenbildung'~, :11.2•• 0. - Exem· pl.uisch für das Forschungsuneil eincr niedrigen Wenigkeit d~ Arinoteles für Humboldt ist daher das von R.lnlzau, wlJht.Jm wn HJlmbold,. a.a.O.• der dem :nhenischen rhiloso-phen in t-1umboldts \Veg m·ner (Humboldls, V.W.) g(';$I'gtn E"twicklung keinen Platz. einrJunu. Di('.stn Weg geht die übtrwirgcnde Mehrheit der Forschungsliter.uur. - Aueh Scurlas monumentolles Werk :tu Humbnldu BiOßr2phit erwähnt Aristolele.s nicht und bestreitet damit in der l)'pischen I ndireklhcil dessen Einfluß auf \Verdm 'md W;1k~1 Hum· boidIS (vgl. $cur!... WillJtlm 1/(1'1 Hl4mboldt, u.O.), In Vgl. Glnill5ki. Antik, HmJ MotJn'ne. .1.1.0., S. 128. uo VSI. Borsch.... wJhf'lm von NHmixJIJt. ;1..1.0., S. 112 (Konlut: Wissenschaftstheorie), 142 (Konlt'Xt: Spr2chthoorie). - Kessel, WiJhcJm wn HHmboldt. u.O.. S. IJ5 (Konlut: Gcschichuthrorie). - Vgl. Spn..ngcf, H..mboldz Ilnd Jif' HUmllnltiiUlJ('C. :a..a.O., S. 160 (Kontort: KUßSllhcorlt'). S. 164 (Komm: Dichrungnhcoric), S. 165 (Kontext: Kunsuhrorit'), S. 2)4 (Koßlort: ErkenntniStheorie). S. 328 (Kontext: Ästhetik), S. 404, 406-407 (Komat: Ethik). - lttt'nze. Hl4mbolJu L~h,c. u.O.• S. 73 (Konlt'Xt Erkenntnistht'orit'J, S. 271 (Anm. 6) (Kontat: Anthropolog~, PolitikJ. - I-I.1Ym. \t',JJHlm von HltmbolJl, a..LO.• S. 69 (Konullt: Wtssenschutstheont'). Ul Spr:angtr. U"mbolJt I4nd J,(' HllnwnltlizsiJn. a.a.0.• $. 234.
170
Zw~iltr
Tc.il: Humboldls Gcdädllllis
(Spl"anger, Swcet IJl). Nur wenige haben den - durchaus Problembewußtsein signalisierenden -MUl, Zweifelhaftes oder gar Unrichtiges zu sagen, und bCSlreiten sowohJ den Einfluß des Aristotdes auf Humboldt (Menzelll) wie die diesbezügliche Textkenntnis des Tegeler Philosophen (wiederum Menze u .). Manche Publikationen enthalten dagegen brauchbare Erläuterungen oder nehmen immerhin lebensgeschichtliche oder texts-ystematische Einordnungen vor (Haym US). Trotzdem bleibt die Thematik weitgehend ein blinder Fleck der Humboldt-Forschung, wie sich dies auch an den kondensierten Zusammenfassungen zum HumboldtSchen Leben und Denken über die ganze Spanne der Forschungsaktivitäten deutlich zeigt (z.B. Dove. Paterna., Schmirz l .16). Alles in aJlem ein UmUl Spnnger. fllfmbo/Jt .md J,t Ih;mamblwdu, "'..21.0" S, 467.- S\lo'W "'n"'Il>'endet in seiner z.wnbandigen HumbolJt.8iognphie den Namen Ari5(ottl~ nur nn ~in~ige::c Mal. und l.W
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5. HumbolJLS AristOldcs:
Biographisch-philologisch~ Passagtn
171
gang mit dem Thema, der erSt durch Di Cesarc 1J7 wirklich korrigiert wird, die in der Korrektur dieser Problemauk auch die wissenschaftlichen Maßstäbe zu deren Erörterung setzt. Auf dem Weg donhin in allenfalls die Studie L. JOSlS zu bemerken, die nicht nur vollkommen zu Recht über das ,Energeia'-Diktum die Aristotcles-Humboldt-Verknüpfung vornimmt und damit den eingangs formulierten Ansatz vom ErinneYlmgsformat des Diktums bestätigt, sondern die auch den ontologischen Charakter - J05t formuliert diesen in analoger Bedeutung als "eigentlich metaphysischen Hintcrg'rund"Uil- dieser Verknüpfung angemessen identifiziert. Eines muß allerdings konzediert werden: Ocr Gegenstand selbst, Humbo/diS Arisloreles, macht viele der skizzierten Unterlassungen, BeiläuIigkeite.n und Verwirrungen durc.haus verständlich und naheliegend. Das Bild des anriken Philosophen, wie Humboldt es entwickelt, ist in der Tat aus sehr umerschiedlichen Aspekten und Blickwinkeln verstreut wirkender Ansichten und Argumente zusammengesetzt, die auch noch nach sehr unterschiedlichen Verfahrensweisen (mindestens zwei habe ich ge.nannt) von Humboldt zusammengetragen werden. Dieses Bild zu rekonstruieren erfordert daher, ebenfalls eine multiple UnrersuchungsperspektivLk einzunehmen, die diese für Humboldt symptomatische Verfahrensweise erneut nachvollzieht und damit eine gegenstandsadäquate Blickrichtung cnrwickelt. 1J9 Beschränkte Erklärungsreichweiten. die dieses weitgehend alternarivlose Untersuchungsvertahren jedoch in einigen Punkten mit sich bringt, sind ebenfalls abzusehen: So kann z.8. der Lektüreproblematik (Welche aristotelischen Texte ha[ Humboldt wann eigentlich gelesen bzw. studien?) - trotz unbestreitbarer und m:mch eindeutiger ldentifikation - nur "bis zu der Unwissenheit, die sich mit deutlichen Gründen rechtfenigen läßt""40, nachgegangen werden, womit diesbezügliche Urteile zumindest auc.h -auf Plausibilitätsargumenten ruhen müssen, die den über die theoretische Rekonstruktion hinaus nach eindeutigen historisch-biographischen F~It·,.
des l,weibllnJertJun Gebllrutag~s ihrrs GrHllJus. Hall~. SulC' 1967. S. 11·28.Schmiu. 10.1.: .. Humboldt. Wilhc1m von". In: Lutz. (Hrsg.), PJ"/QJQph~n Luikon, ;t.a.O..
s. <404-408. -
1J1 l.J.
Eine Ausnahm~ bildet Di CM:ar~, "Wilhdm von Humboldt". u ..O •• S. 285.
Di ware, .Die aristotelische Herkunft-, a.•_O. Jon. Spracht ..ls \f'n''' .nd wirltrndr X"..[r. a..l.O.. S. 25.
•". Daß an sokhcs V~rfahr~n ;tUch Humbokhs Fahigk~iten und Intentionen entspricht, darauf wmt tT selbst im Brid" an Wolf v(lm 23. Dcumbcr 1796 hin; "Wenn ich l.U irgend nwas m~hr AnJagC', als di~ ..1IC!TmeistC'n bnitze. so ist ('S l.U on~m Verbinden SOnsl gewöhnlich als g~trennl angesWener Ding~, on~m Zusammenn~hmcn mehrerer Scit~n. und dem Emd«.ken der Einheit in einer Mannigfaltigkeit von Ecschdnungen- [Humboldt an Wolf am 23_ [X1.C'mbtr 17%1. u..O., S. 170. 140 Ha)'m z.iti~n hier Humboldl .sclbsl (Haym. WiJh~Jm wn fI.mboJdt, a.a_O.• S. 82).
172
ZwciterTt'il: l-IumboldlS Gedächtnis
Belegen Fragenden nur teilweise befri.edigen können. Vor allem nämlich begegnet Humboldt - und dies soU hier a.ls stä.rkster Beweiszusammenhang an- und durchgeführt werden - in seinen Schriften und Briefen selbst geradezu als K.enner der aristotelischen Philosophie H1 , ein Wissen, mit dem er souverw umgehen kann. und in dessen Rah.men er sich als kompetemer Analytiker erweiSt.. Man muß si.ch daher vor allem auf die Ergebnisse von Humboldts Arbeit selbst verlassen~ und 'Von dDr! aus auf die notwendigen Voraussetzungeu schließen. Ein weiteres, in der Forschungsliteratur häufig angebrachtes, Argument muß allerdings von vorne herein stark relativiert werden: Ich habe ge· ze.igt, daß auch die enthusiastischsten Abschnitte von Humboldts Grieehenbild nicht nur immer auch einen sachlichen Kern beinhalten, sondern daß das in ihnen enthaltene Urteil über bestimmte Personen zudem durchaus auch Schwankungen unterliegt. Dieses zeitweilige Auf und Ab in der philologisch begriindeten und liter.ansch empfundenen Zuneigung sagt aber über die Frage der eher konstanten BedeulSamkeit und inhaltlichen Relevanz des jeweiligen Vertreters für das Denken Humboldcs wenig aus. Diese Beobachrung gilt auch umgekehrt: Humboldt iSt mehr Kenner als ,Liebhaber' aristotelischer Philosophie, ein von ihm selbst z.ugestandener Sachverhalt, der zu.r Verwirrung um die Relevanz-Frage sicherlich beigetragen hat. Daraus jedoch eine Randstäodigkcit aristotelischen Denkens für Humboldt abzuleiten. ist im Kern weder ein ralionales, noch ein auf Humboldt wirklich passendes Argument. Humboldt hält auch Dinge für wichtig und bearbeitenswert, die ihm auf den ersten Blick nicht liegen. für dje er keine unminelbare Sympathie hegt, und interessiert sich gerade auch für solche Probleme. die sein bis dato entwickeltes BiJd eines Sachverhalts stören können. Nur in dieser liberalen Offenheit konnte HumboldtS ArbeitSweise, möglichst viele Wissenschaftsbereiche und Ansichten in sein eigenes Denken zu integrieren. diese produktiven Ergebnisse zeitigen. Die Frage, ob Humboldt für AristoteIes so emphatisch cntnammt war wie für einen Teil der griechischen Dichter, ist irrelevant; was zähJt, ist die system.atische Substanz, die in seinem Denken verwenet wurde. Hier ergibt sich durchaus ein überraschendes Bild. Die nachfolgende Zusammenstellung der TextsteIlen und der auf dieser fußenden Rekonstruktion orientiert sich an den Textsorten Brief (BriefUl
Di CC:s.lr~ qu~lifj:tien in dinem Zuummcnhmg Humboldu Aristottles-I\enntnis zu RC'C-ht ~1s _Itef" (Ih Ctsue, .. Die :u;stOlclisdlt' Iitrkunft". ~.1.0.• S. 33). - Lolhholz vutritt die - t-Iumboidu Denkweiu durch~us richtig vct'tlc:hc:ndc - These. u.a. dessen ..Tri~. den gri«.hischen Gt'isl nach dUc! (Hert.• U-'l~) Scoitl~n hlß kcnnt"n zu lernen·, habe .. ihn auch zu ArisloldC5 gefühn- (Lothholz, .. Humboldl.S Vc:rhiltnis". a.a.O., S. "8'.J).
S.
Ilumboldl~
Arim>tdes:
Biogr:aphi$C.h-philolot;is<:l1~ PJSs:tg~n
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passagen), Werk (Werkpassagen) und Vorlesung (Vorlesungspassagen) und umgeht so eine allenfalls als Hilfskonstruktion taugliche thematische Differenzierung des Problems. Vielmehr sind die Themenfelder, die Humboldt mit und in seinen Aussagen und Bemerkungen zu Aristou:les idenLifiziert, häufig demonstrativ ineinander verschränkt. plakativ vorgeführt oder manchmal auch nur ad libitum aneinandergereiht. Die AristoteIesDarstellung Humholdts stellt sich allerdings in Briefen, Werken und Vorlesungsmanuskripten durchaus verschied.en dar, weswegen hier nicht nur ein durch den Gegenstand bestimmtes, nützliches Differenzierungskriterium geboten wird, sondern auch Rückschlüsse auf die Struktur der AriSt'oteles- Kenntnisse Humboldts möglich werden, Der Terminus Passagen bezeichnet dabei eine offene Vorgehensweise, die im Durchgang durch die einz.e1nen expliz.iten Aristoteles-Hinweisc die unterschiedlichen Argumente und Aspekte zusammenstellen. diese in ihrem Zusammenhang verdeutlichen und schließlich ein Resümee formulieren will. Die Rekonstruktion von H umboldts AristoceJes knüpft an die Überlegungen des 3. Kap. an, die für Humboldts Rezeption in besonderem Maße das Motiv der Suche nach Bedeutsamem unterstellen. Der direkten Frage nach dem Aristoreles-Rezipicnten Humboldt wird in den Vorlemngspassagen zusätzlich einc indirekte nach dem Metaphysik-Kcnner an dic Seite gestellt. um die tbeoretischen bzw. ontologischcn VerknüpFungspunkte, die aristotelisches Denken i.n und mit dem Humboldts erfahrt, aufzudecken. Hier wird also das Bild um geoau den thematischen Gesichtspunkt erweitert, der Kern einer Auseinandersetzung um die Bedeutung aristotelischer Ontologie im prachdenken Wilhclm von Humboldts sein muß, um die These vom allmählichen Aufbau eines aristotelischen ontologischen Rasters in Humboldts Denken zusätzlich zu uß[erm:i.uem.
5.3 Briefpassagen Für die Humboldtsche Aristoteles-Rezeption ist vor allem der Briefwechsel mit Wolf bedeutsam, bis zu einem gewissen Grade auch der mit Caroline l -4l und A. W. Schlegel. lH Mit anderen - durchaus regelmäßigen - Briefpannern, wie z.B. mit seinem Jugendfreund. dem schwedischen 141
ld
WJhr/m ImJ Cmnmr uon HlimbolJt In JJrrn B~fl'7l (7 Bat.). Hrsg. wn An"" wn SyJarr. fkrlin ( c:udruck Osn.lbrück 1968) 1906-16. Snefu:rc/'y/ ZU'lIt/,tn \(liJIJrlm t:On ""mbo"t HnJ AlIgNu WUhr/rn Schlrgt!_ Hrsg_ txm Atb"t Lmzmalln 1711/ rm" Ein/eil/wg von BertholJ Dt/brllck. Hal1~ 19O1t
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Zweiter Teil: HumboldLS Gedächtnis
Diplomaten K. G. Brinc.kmann lH oder J. G. Schweighäuser"'s, der von 1798 bis 1799 Hauslehrer bei Humboldt war und mit dem dieser in den darauf folgenden Jahren weiter in Korrespondenz stand, scheint Humboldt über diese spezielle Problematik kaum ein Won gewechselt zu haben. und das. obwohl in heiden Briefwechseln durchaus über Fragen der Amike gesprochen wurde. Auch im schriftlichen Gespräch mit C. G. Körner 146, das mit größeren Unterbrechungen immerhin den Zeitraum zwischen 1793 und 1831 umfaßt. oder mit dem Philologen F. G. Welckcr l <41, mit dem Humholdr seit dem Ende der römischen Zeit 1808 bis 1830 korrespondierte und der nun wirklich ein kompetenter Gesprächspartner gewesen wäre, spiell Aristoteles keine RoUe. Und das, obwohJ in beiden Briefwechseln die Auseinandersetzung mit den ,Alten' bzw. diesbezügliche philologische Fragestellungen durchaus direktes bzw. manchmal auch indirektes Gespr3chsthema sind"~11 Ja selbst im Briefwechsel mit F. SchiJler zwischen 1790-1805 findet das Thema offensichtlich keinen Platz. H ' Dieser Umstand ist ein wichtiger Hinweis auJ den Charakter, den Humboldt der AristoteJes-Rezeprion beimißt. Denn die Exklusivitär des vorderhand in Frage kommenden Gesprächspanners sagt weniger etwas über die Randständigkeit oder Wichtigkeit des Themas bei Humboldt auS, sondern bekundet zunächst, welch' qualitätsyolJen personalen, diskursiven und systematischen Bezugsrahmen Humboldt für die Erörterung differenzierter Probleme benötigt. Über Fragen hoher Komplexität und von spezifischem Charakter spricht Humboldt immer nur mit jeweils herausragenden und besonders fac.hkundigen Gesprächspartnern, in diesem speziellen Falle eben mü Wolf, dem hervorragenden klassischen Philologen und Professor in Halle, der seit 1807 M.itglied der Akademie war und den Humboldt vor allem in seinen jungen Jahren sehr bewunderte. Humboldt ist auf den Kenner Wolf angewiesen, um seiner eigenen Defizite gewahr zu werden. Vgl. I-Iuml,oldl. Hum/,oldts Hm1t' (In Karl Gusrllf) V()II Brl1lckma,m, :1.."1.0. I<' Vgl. Humboll.h, Hl4mholdl$ Bmft ,m;. G. SChu.~lgJ,iiHsrr • .u .o. I . Vgl. Humboldt. w. ,'on: \l/llhc"lm film HHmboldu Bnt'f~ an ChnStlall Coltfnl'd Korner. Hrlg_ wn AJbttn Lmzm.mn. 8erlin 1940. (= HiSl. lud. Jb7). 111 W,Jhc:lm tIOn HumboldlJ Hnefr 0111 F. G Wtlcfur. Hrsg. '(."0" R. Ha)m. lkrlin 1895. IU Vgl. [Humboldt;an Komer;am 28. Q\'rmbcr 1812], L.I_Q.• S. 9O-9J und der d..t.r.auffolgendc (I) Hric-( mt "ier J;ahre sp.tn·r rHumboldl an Körner;llm 17. August 1816]. u.O.• S. 9-4, m Jem I-tumboldl steh mll. dt'OI Agamcmnt"ln bc-, Körner wieder m Erinnerung bringen. ,tin ~Andenken (...) tmcuern· (ebd.) ,.,,11. - Vgl. auch (Humboldl an G. G. Wclckcr ;IIln 5. Fcbru;l,r 18UJ. u.O.. S.lJ-2~. - (Wclckcr.an l-tumbolJt;llm 13. J;anuu 18DI. a.•..• S. 81~IOO. Il~ Bnt'ftL~rhsrJ I.fL·,f€hm SchlJler "lid Wdhr/m von Humholdr. Mit Anmt'rk,mgrn von A. LMzmll"n. Slung:lrI (J .. vcrmrhnc r\uO.) 1900. IU
S. Humbc.ldlS Aristotdes;
B;ogr~phisch-philologiscll(>
Passagen
175
GleichwohJ ist das seltene Vorkommen aris[Otelischer Fragestellungen im Humboldtschen Briefwechsel sicher auch Indiz dafür, daß Humboldt sich in der Tat zunächst für den anriken Philosophen weder begeisterte noch ein spezifisches Interesse hatte, vielmeb.r braucht er ihn aus Gründen der Vollständigkeit seiner Bildung und, noch wichtiger, um die vielen Texte seinerZeit:, für deren Verständnis Aristoteles einfach Voraussetzung ist, besser verstehen zu können. Am 18. November 1793 schreibt er über der Dissertation des Griechisch- und Hebräisch-Spezialisten und späteren Professors am Grauen Kloster in Berlin G. L. Spalding Vindicille
philosophorHm Megaricorum tentanwr, mbjidtur commentarius in priQl'em partem libelli de Xenophane, Zenone el Georgis ... von 1729 sitzend - an Wolf: .. Ich lese eben Spaldings Commcntar - doch den Titel kann ich mir bei dieser Einzigen Frucht seines Geistes (wenigslens seines prosaischen) ersparen. Die vindicille Megaricorum haben mir sehr gefallen. Es iSI nirgend tieC- und mit ächter Philosophie eingegangen, aber es ist h.i$lorisch hübsch zusammenge stellt, und mitunter s[c]harfsinnig darüber raisonnjn. An dem kritischen Thcil bin ieh eben. Sie sagten mir viel Gutes davon. Ob ich eS finden werde. soll mich wundern. Ich glaube es kaum. Ich bin mit, der Materie, selbst mit der An Schriftstellern (Aristotdes. Se)(tus u.s.f.) ganz. unbekannt"l~. 4
Wir werden später sehen, daß Humboldt hier in einer diffusen Mischung aus Neigung, AngSt und vornehmer Zurückhaltung ticfstapclt. Tatsächlich weiß Humboldt über die aristotelische Philosophie 1793 bereits Grundlegendes und Entscheidendes. Was jedoch unterstellt werden muß ist, daß er die Bedeurung dieses Wissens für sein Denken noch nicht richtig einschätzen kann, es sind ihm weitgehend noch äußerliche, nicht verarbeitete. Kenntnisse. So lautet seine knapp zwei Monale später formulierte Selbsteinschätzung denn auch: .. Was ich noch lesen muß? Vorgenommen hab ich mir (wenn auch nicht una sen"/!, doch ehe ich etwas zu entscheiden wage) Dionysius HaI. die Musiker {insofern sie den Rhythmus betreffen. ganz. genau. das Uebrige raptim (in schnellem Durchgang, U.W]), Aristol-. Rhet. und Poet. Ciceros Orat. Bücher und von Quinctilian wievid? kann ich selbst noch nicht sagen. da ich ihn nur wenig kennc"l~l.
Humboldt spürt damit ein Defizit in bezug auf seine Aristotcles-Kenntnis, das er zu mindern sucht, hier einmal durch die Lektüre der Rhetorjl..~. Humboldr neigt in den beiden folgenden Jahren dazu. seine ohne Frage lHumboldt ~n Wolf olm 1ft November 179J], ...... 0 .. S. 72. 'SI fHumbolJt an Wolf ~m 16. Januilr 179"1. ;1.2.0.• S. SS.
ISoG
Zwdtc:r Teil: I-Iumboldls Gt'dächtnis
176
vorhandenen Defizite gegenüber Wolf zum Dauerlamcßlo über die eigene Unwissenheit zu stilisieren, so daß hier nehen gesunder Selbsteinschätzung auch bereits die für Humboldts diesbezügliche Ausführungen typische Koketterie im Spiel sein dürfte. Er weiß, wieviel Wert Wolf auf die
Kenntnis der Texte des Stagiriten legt, und signalisicn dem kenmnisrciehen Lehrer lieher einmal mehr. noch nichts zu wissen, auch. um nicht über die Gegenstände hemmungslos befragt zu werden: Underscllcmem als Selbstsc.hutz wird hier betrieben. sicherlich nicht ohne scharfsinnige Einschätzung der philologischen Bcgehrlichkeiren Wolfs. Daß dieser ihn indes mit M
15.]un; 1795: • Wer näne wohl gedacht, liebster Freund. daß. nachdem wir soviel vom ScboL Ar;st. gesprochen, ich ihn so wenige Tage spälcr selbst im I-lause hab<'ll würde. Sie werden sich zwar wundern, wie meine Frau ihn mir vor dem Gebuftslag gegeben. Allein das gicng durch eine Uebcreilung von ihr. und durch die sie sich vcmcth, und nun habe ich die Freude und das Buch um soviel früher. Für Ihre Bemühungen und schnelle Besorgung meinen innigsten Dank; ich will sehen, ob ich Ibocn den Gebrauch. den ich von dem großen Foliamen mache, durch cimgc Bemerkungen über eint' oder dit andere Stelle zeigen kann" IU. Tatsächlich haue Wolf CaroJine J. S. Vaters Aristotdes-Kommentar beschafft, und zwar als Geschenk für HumboldlS Geburtstag am 22. Juni, (Humbokh an Wolf un JO. M~ 171J..4 J• .l.a.O.• S. 103, m [Humboldt.lll WolLarn IS.Juni 11951. .a•.LO... 117-118.
l~
J. Humboldls AristOldes: Biogrnphisc.h-philologische P;us~gen
177
das - so berichtet der Brief - frühzeitig ausgehändigt wu.rde. Nun richtet sich Humboldts Freude, wenn überhaup~ offensichtlich nicht ausschließlich auf das Buch, sondern auch auf die Begleitumstände und die simple Tatsache des Beschenktwerdens. Gleichwohl ist es ein weiteres, explizites Jndiz für seine Beschäftigung mit aristotelischem Gedankengut, das er, so eine wesendiclle und bislang weitgehend unterschätzte Tatsache, wie viele andere seiner Zeit offensichtlich auch stark aus Kommentaren bzw. aus dem bezogen hat, was wir beute mit dem Schlagwort ,Sekundärliteratur' belegen. Humboldt muß nicht AristoteIes (direkt) lesen, um die systematische Substanz von dessen Werken zu kennen. Ln diesem Sinne vermitteltes bzw. mittelbares Wissen spielt in Humboldts Aristoteles-Reservoir eine ebenso wichtige wie selbstverständliche Rolle.l~ Der zitierte Brief vom 15. Juni enthält in der Tat aber auch einen sehr ausführlichen lünweis zu.r d.irekten Kenntnis des aristotelischen Werkes und deutet die spezifische Sichtweise, die Humboldt au.f den athenischen Philosophen hat, an, Er schreibt: I~
So ist H umboldt beispiel.. . weise sQwohlmit der Liter:ltur der ,Allen' wie aueh mil Aristoldes' l'ot'lik U.a. durch die ChamJuenstik".der Memchen, Situn, Meimmgm, Zeiwngell von Anlhooy Ashley Coopcr, Third Earl o( Shaftesbury, in Berührung gekommen. In die· scr dreibändigen Ess;l;)'>Sammlung, die 1711 crslm:lls (.fSchie.n und deren Themcnspcktrum \'on der Ethik und ÄSlhetik bis hin zur N;l;tur- und Rdigionsphilosophie reicht. 7.1> tien Sba(u:sbury des h:iufigeren aus der POt!tik. so in Band I, 1~2, 14J,242, 243, 244, 2.45, 246 und in Band 111 66. 251). 280. Er macht die aristOldischt' Schrift selbst nur am Rande. 7.um Gegensund d~'r Untcn;uchun~, bl,$pricht aber wiederum Kommentare zu ihr. Diese T;l;\S;l;ehe madll die verschiedenen Ebenen deI' Aristotclcs-Themuisierung im 16., 11. und 18. Jahrhunden wie auch die Schwierigkeil einer Rekonstruktion, W'3S I-Iumboldt nun aus der Lektüre aristotelischer Schriften sdbsl an Kenmnissen hatte bzw. W;tS ihm davon ,nur' vermiue!t ii~r Drine (bzw. Viene) bebnnl war, sehr gilt deullich (vgl. Shafusbury, A. A. C., Third E~rl 0(: CbarolcUriuia 0/ Men, MlI1meJ'J, Opiniom. 'Tim es. 3 Bde. London [Nachdruck Hilddhcim 1978J 1711). - Zum Einnuß Shaftesburys auf Humboldt vgl. auo::h Di Cesare...Einleitung". a.a.O.• S. H. - Weitere Aristotcles·Kenntnisse hai Humboldt ;tUS J. Harris' SchriF! Hennel oder Philolophische UnteNHchul'8 iiber die Allgemeine Grammntik. Halle 1788:. in der eine Füllil VOll TexteIl des Arisloteles zitiert werden, z.B. De interpret~ljOl/t', De partibul anima/iHm. die Metaphysik. die Nikomacbiscbe Elhik, die Physik, dic Antflytica prior4 und De anima. Nicht zufällig .....ähh daher Huris auch ;Im An(-ang des 'l.WcilenBuches. wo (.r im crstc.n K.lpitd über Defin;tiQnen und bestimmende Wörter handelt, die folgenden beiden Beispiele als Erliuterung: ~Und -so gelangt der Anikcl dureh ei.nen leichten Ueberg:lng, von seiner Krdt. ein Verhä/mil. :luch ~u der. einen VorzNg tu bezt'ichnen; d. h. wenn er vorher eine groJÖblJ/ichc \'orhergcg:mgene Erkenntnis andeutete, so sel7-t er nun eine Art VOR ll/lgemtfiller und wllkommeneT HckannlKhafl \'oraus. So heißt 6 lI'Oulnl;, 0 t' r Die h I er. her den Grieche" soviel als Homer (...); und 6 ElUytl{liT1)t;. Der 5 tag i r i I. sol'ie! als AristoteltJ; nichl als wenn es auf~er Horner weiter keinen Dichter, und außer ArislOt,,/eJ weiler keinen Sugiriten gibe, sondern nur nicht so btruhmte Dichter und Philosophen" (S. 180).
Zwdler Teil: Humboldts Gcdiichtnis
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.. lndcß war der AristOldcs nicht vergessen. Ich habe wirklich die ganze P ('lik vorliufig durchgelesen, und in meinem niehstcn Bride denke ich Ihnen Zweifel genug zou schicken. Diese Poetik ist cin höchst sonderbares Produkt, und in Rücksicht auf die Ideen hat vorzüglich das Problem: inwiefern ein Grieche, in dieser Zeit, dieB Werk schreiben konnte? mein Nachdenken arn meisten gespannt. Es ist in der That ein gar sonderbares Gemisch von Individualitäten. die d:arin vcn~inigt sind, und schon aus diesem einzigen Werk halle ich es für eine wichtige Untersuchung. den AristOleIes in seiner Eigcmhümlichkeit zu chuak:lcrisircn, z.u zeigen, wie cr in Griechenland aufstehen konnte und zu dieser Zeit aufstehen mußte. und wie er auf Grie-chenland wi.rkte? Sie w'\Indern sich vielleicht. und vielleicht mit Rt'Cht, dan ich den Stagirite.n glcichum ungriec.hisch finde·l~~.
Diese Attribution, Aristoreles sei ,ungriechisch', hat wesentlich zu der Einschätzung beigetragen, Humboldt habe AristoteJes nicht nur nicht originär rezipiert, sondern cr h:'lbc d.iesem sogar prinzipiell kririsch gegenüber geSlanden. Ein Blick auf den weiteren Fortgang des Briefes belegt, daß diese Ansicht falsch ist. Zwar merkt Humboldt an: .. Aber läugnen kann ich es nicht. Seit ich ihn kannte fielen mir zwei Dinge an ihm auf: 1., seine ei· gentliehe Individualität, sein reiner philosophischer Charakter scheint mir nicht griechisch ...•. Dann aber wird klar, was im Kern gemeint ist: Eben dieser philosophis he Charakter- nämlich scheint Humboldt .auf der einen Seite tiefer, mehr auf wo:entliche und nüchterne Wahrheit genchtet, ;J,u( der andern weniger schön, mit minder Phantasie, Gefühl und geistvoller Li· ber.tliüt der Behandlung, der sein Systematisiren wenigstens hie und d;J, entgegenstehl. 2., in gewissen Zu13l1igkeitcn iSt er (Arinotelcs, U.W.) so g;J,nz. Grieche und Athemenser, klebt so an griechischer Sitte und Geschmack, daß es einen für diesen Kopf wundert. Von beiden Sätten f.and ich Beweise in der Poctik. oder vielmehr ich glaubte sie z.u finden·l~.
Natürlich wird hier noch einmal deutlich, daß Humboldt sich allgemein und in dieser Lebensphase besonders für die Schriftsteller und die ästhetische Dimension der literarischen Texte der ,Alten' intcressien. Tro[zdem ist AristOteles ebe.n nicht unwichtig, sondern Humboldt weiß hier bereits um (und fürchtet in gewisser Hinsicht auch) die systematische Schärfe des aristotelischen Denkens, ein Denken, das - wie dessen Autor - vor allem einen Charakter hat: Philosophisch zu sein. Zusätzlich schränkt er sein vorheriges Urteil insofern ein, als auch bei AristoteIes griechischer Geist zu finden sei. Und daß Humboldt insgesamt vor dem großen Philosophen hohen Respekt hat, zeigt die folgende Textstdle: 1\'
(Humboldl
Itlo
Ebd.
Ml
Wolf 1111 15 Juni I795J, u.O.. S. 118.
5. Humbnldts Aristoteles: Biographisch-philologische I'assa!)en
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.. Die Poetik scheim mir übrigens weniger ein großes Werk. als das Werk eines großen Mannes. Dieser blickt hie und da, indeß nicht häufig heraus. und gegen den KUnStTichrer wäre nach allgemeinen Ideen aJlerlci einzuwenden. So wenig bedeutend ich aber die Poetik Ln philosophischer Rücksicht halte. so sehr ist sie es gewiß in historischer, und von dieser Seile hat sie m.ich unendlich i,ntcressirt. Bedenken muß man nun wohl auch, daß das Büchelchen, soviel ich weiß, nur Fragment eines großern ist-mo
Humboldt läßt hier nicht nur bereits die in seiner Antike-Rezeption übliche Personalisierungsstrategie von inhaltlichen Fragestellungen erkennen, sondern weist auch darauf hin, daß das 2. Buch der Poetik, das wohl Jambos und die Komödie behandelte, verloren ist. ISS Dies spricht zunächst für seine editorische Kenntnis der aristotelischen Schriften; auch diese Problematik ist ihm zumindest immer bewußt. Wichtiger aber ist, daß Humboldt hier - obwohl er dies für die Poetik in Abrede stellt - beginnt, mit Aristotcles eine ganz bestimmte Form des Denkens, eben das der ,Wissenschaft', zu personifizieren, eine Beobachtung, die vor allem in den \Verkpassagen ebe.nso offensichtlich wie explizit wird, und die hier nochsozusagen verkehrt herum - als Manko formuliert wird. Eine Doppclbödigkeit der Argumentation, die ein weiteres, besonders signifikantes, Merkmal VOll Humboldts AristoteIes bedeutet: Der große Mann ist deswegen weniger ein Grieche, weil er um so mehr "übernationaler .Beg'ründer der Philosophie und Wissenschaft schlechthin"lS9 ist. Er ist nationenungebunden, weil sein Denken so grundsätzlich ist, daß es selbst den Rahmen des griechischen Geistes überschreitet bzw. fundiert. Aristoteies ist mithin alles das, was Humboldr unter ,Wissenschaft' als zunächst neutralem und :lbcndländisch tradiertem Konstrukt versteht - ohne daß er sich selbst in diesem Sinne für einen Wissenschaftler hält. ,Wissenschaft' ist das aristotelische fdeal, das neben dem anderen (griechischen) Ideal wie selbstverständlich besteht, ohne jedoch in gleicher Weise enthusiastisch überhöht zu werden. Mit einem WOrt: Hegt Humboldt für die griechischen Dichter emphnrische Verehrung, so verehrt er Aristoreles rational. Dieses - hier noch negativ verschlüsselte - Motiv kommt in den Wcrkpassagen dann zur positiven Ausprägung. Zunächst aber geht Wolfs Insistieren. sich doch bitte mit Aris(Ore!es intensiv zu beschäftigen, unaufhaltsam weiter. Ph. Marrson identifiziert hier klar ein persönliches Anliegen des Mentors und weist darauf hin, daß Wolf Humboldt 1795 offensichtlich aufgefordert hat, "den theoretischen {Humboldt.ln Wolf;am l5. JUlli 1795J. :1.:1.0., S. 118-119. m Man,son, rh.: "Kommentar-. In: den. (Hng.): Rri~f~ an F. A. \'(/01[. il.;a..O.. S. HI. n, $tuller, HHmboldu Bild, ,\.:1.0, S. 75.
1)1
180
Zweiter Teil: l-IumbQldu Gedächtnis
Teil zu einer geplanten NcubearbelNng der Poetik des Aristotcles zu liefern" IbO. So sind Wolfs bisherige Aufforderungen durchaus imcrcssegcleitet, weswegen sich Humboldt erst einmal weiter entschuldigen muß. Kaum zwei Wochen später, schon im nächsten Brief vom 26. Juni. zeigt ef. daß ef nicht viel weiter gekommen ist: .Bei $0 bewandten Umstinden werden Sie es mir. hoffe ich. schon verzeihen, wcnn mein Brief noch heUlt' ohne Fragen uber den Arislotdes erscheint. So etwas gehört doch immer zu den Bcschaftigungen. die Stimmung und Heiterkeit fodern und heides hat mir mein Befinden nur in sehr geringem Grade gelassen. Aber der Arislotclcs beglcucl mich n.ach Berlin, und wird gewiß nicht weiter hinausgesetz.t. Auf Ihre Abhandlung über Arislotcles ästhetische Ideen bin ich äußent begierig, d
Offensichtlich sind die aristotelischen Schriften wenig geeignet, Hurnboldt in Stimmung zu bringen. Wolfs Drängen ist indes noch stärker ge· worden und Humboldt muß nun bereits zum bei Wissenschaftlern bekanntlich ebenso nutzlosen wie immer rhetorisch gemeinten Instrument des ,allerletzten Versprechens' für einen Abgabetermin greifen, um den fremdgesetzten und zunehmend wohl auch eigenproduzierten Druck zu kanalisieren. Nochmals sichen Humholdt, schon zwei \'<'ochen später, zu: ... ln 3 Tagen gehe ich nach Berlin. Dort hoffe ich allerlei Vergnügliches zu erfahren. Dieß und einiges über den Aristotcles erhalten Sie, I.iebster Freund, heute über 8 Tage, wo ich wieder schreibe. Adieu!"\b2 Es vergehen nochmals zwei Wochen, und am 17. Juli steht Humboldt nun wenigstens nicht mehr mit leeren Händen da. Er schreibt:: ..Wenn ich :lUch nicht ganz genau Won halte. theurt'r Frt'und." so können Sie doch nicht S:l.gcn, daß ich leere Versprechungen m:lche. Hier ha~n Sie in dt'r 160 Itt
I"'"
Mauson. .,Einleitung", L:LO.. S. 3. [Humboklt alI Wolf ~ 26.Jußl 179S}. u.O~ S. 11 . [Humboldt an WoU;lm 6.Jull 179S~ J...LO.. S. 123.
5. Humboldt$ Aristotdcs: Biographisc,h+philologi$ehl.' P:liss~gen
181
That Fragen über das erste Drincl der Poetik. Wenn ich mich aber dieser Fragen rühme, so ins nur ihrer Existenz, nicht ihrer Besc.haffenheit. Ich habe sie im Lesen, wie sie mir einfielen (so wollten Sie es ja) niedergeschrieben, aber heute, d;t ieh sie im Zusammenhange überlese, möchte ich mich doch beinah meiner i"curia :schämen, Es wird Ihnen vor.tüglich zweierlei d:lran auffallend sern. I., muß es, dächte ich, in djesen ersten 6 Kapiteln bei weitem mehr bedenkliche Stellen geben, als ich angemerkt habe und 2., bin ich bei den bemerkten so ausführlich gewesen, daß mich Ihre Zeit dauert, wenn Sie es lesen wollen. Der letzte an sjch verzeihJiche FehJer entstand nun freilich bloß aus Mangel an Sorgfalt; aber der erste darf mir nichl so ungestraft hingehn. Ich muß wirklich gestehen, daß ich sehr genau gelesen, und alle Stellen angemerkt habe, wo ich wirklich anstieß, und mir nicht zu helfen wußte, und daß ich von diesen sehr gewissenhaft hine übergangen habe. Alle übrigen also sind von der An, daß ich einige Rechenschaft über sie geben kann. Von welcher An diese ist, bille ich Sie nun durch Gegenfragen zu prüfen, die ich nach Möglichkeit beantworten will. Um die Gefälligkeit dieser Gegenfrage.n bitte ich Sie in der Tim recht ernstlich; es ist überhaupt mein Fehler auch bei dem ernsthaftesten Vorsatz zu leichtsinnig zu lesen. Ich helfe gern dem Ausdruck, wo er mangelhaft ist, nach, übersehe dadurch manche wirklich verdorbene Stelle, wenn ich auch ihren Sinn errathe, oder misverstehe auch wohJ in der That andre. Mit Einem Wort: es fehlt mir an kritischem Mistrauen. Gegen diesen Mangel würden Gegenfragen trefliche Dienste thun. In Absicht meiner Fragen haben wir ja wohl schon abgemacht, daß Sic bloß beantworten, wozu Sie jedesm;al gleich Lust haben, und mich mit allen übrigen auf Ihren künftigen Commemar verweisen, ..... tu.
Humholdt hat sich also mit eher wenig Begeisterung an die abgemachte Aufgabe gesetzt und doch nicht den ganzen Text, das erste Drittel hingegen sehr genau, bearbeitet. Just seine Kritik hält er für zu weich und undifferenziert. Vor allem aber befürchtet er, Wolf könne ebenfalls diese Kritik für zu weich und zu unkritisch eracbten. So ist Humholdt froh, daß dieser selbst wieder - im Hinblick auf die Herausgabe der Poetik-Schrift - Entwürfe schicken will Humholdt fordert diese Anfang September an bzw. läßt damit indirekt ihre Zusendung zu: .. Die Einrichtung mit dem AriSloudes billige ich recht sehr. Das Einzige, was ich daran auszusetzen haben möchte. ist daß ich fürchtc, Sie schicken mir zu spät oder langsam. Verzeihen Sie die Besorgniß, aber bei Ihren Geschäften ist sie doch so ganz eitel nicht. Sobald Sie mir schicken, gehe ich gewiß anS Werk, und so streng ich vermag. Daß ich vielen Stellen vorübergegangen bin, glaube ich gern, wahrscheinlich auch solchen, die nicht eben Meuchelmörder und versteckt sind. Ich bin in der Kritik und vielleicht leider nur da zu gutmüthig"lbt. ll-lumboldt an Wolf W1 17.Juli 1795], u.O., S, 123-12-4. I.' [Humholdl.ln Wolf.lm I. September 1795], :l..l.O., S. 125-116. ItJ
Zweiter Teil: Humboldu Gedächtnis
182
Die An und Weise, wie Humboldt das aristotelische Werk bearbeiten will, zeigt viel über die Problematik, wie er sich als Rezipient Ariswteles gegellüber verhält. Zunächst wieder ein deutlicher Hinweis auf Wolfs Auftrag: ..Wozu Sie mich in Absiclll des Aristotdes auifordcrn, habe ich hin und her bedachti aber wenn ich es recht genau überlege, so, glaube ich. iSI es besser, Inan läßt VOll diese. Bearbeitung alles Philosophische weg, und macht sie bloß kritisch und historisch. Sie wünschen nemlich, wie es mir scheint, eine Abhandlung beizufügen, die eine erschöpfende Theorie über das Wesen der Poesie aufsteUe. A.lIein dicß hat unend.liche Schwierigkeiten. Freilich ist man durch dje jetz.ige Lage der Philosophie, vorzüglich durch die Kantischen und Schillerschen Bemühungen, jetzt mehr zu leisten im Stande, abcr die Foderungen sind :luch soviel gröHcr, und der Vorarbeiten noch immer nicht genug. So etwas ausz.umachen, trtordene cin eignes Buch: \'(Iire aber auch dieß nicht, so glaube ich, stände so etwas in einer kritischen Ausgabe, und überhaupt neben ArinOIeles ponik am unrechte.n On. Die Poetik ist doch eine bloße Skize, enthält bloß J, 4 wichtige (abcr auch capitale) Ideen, und ist, wenigstens meines Erachtens, übrigens für die Philosophie und Acsthetik ganz unbedeutend. Für die Geschichte hingegen und das Empiri.'iche der Künste ist sie unsc.hänbar. Sagen Sie ob Sic hierin mit mir einerlei Meynung sind., lieber Freund, sonst bin ich immer sehr erbötig, auch hier meine Ideen mit den Ihrigen aU.'izuwechslen. Der Gegenstand iSI zu interessant, als daß ich es nichl wünschen sollte, Auch möchte ich um alles in der Welt nicht. wenn Sie schon Mehreres hierüber gedacht, oder gar niedergeschrieben hätten, Veranlassung werden, daß Sie da... jetzt wenigstens liegen ließ('n"'6~.
Hier nun begegnet eine der rypischen Überraschungen, für die der Philologe Humholdl immer gut ist. Neben seiner Zurückhaltung der Wolf· sehen Unternehmung gegenüber wird nämlich deutlich, wie unprätemiös und sachlich der Tegeler dem antiken Philosophen auf einmal begegnel. Humboldt äußert sich ebenso nüchtern wie klar und analytisch. Die Begeisterung als Form der Aneignung - wie bei den Dichtern - unterbleibt hier und we.icht dem differenzierten Urteil, was sowohl für Humboldt wie für den heutigen Leser kei.n Nachteil, sondern eminenter VonciJ ist: Vollkommen vorurteiJsfrei analysiert Humboldt in fünf Aspekten das, was seines Erachtens an d.iesem philosophischen Werk relevant ist. Es ist erstens "doch eine bloße Skize"'l66 (QualiJizierung von Textstrukrur und ·charakter), zweitens ("nthält es ..3, 4 (...) Ideen" 1"7 (Ergebnis der Analyse), die drittens "wichtige (aber auch capitalc) Idcen"I"S enthalten l~) 1116
[Hum\xJldl [Humboldt
Ebd. ,.. Ebd.
161
~n ~n
Wolf.lm l. Scpl('m~r 1795], a.:II.O., S, 126-127. Wolf am \, St'ptcmber 1795j, ,u.O.. S, 126,
5. /-IumboldlS Arist()te!<.'s; ßiogJ':lphisch-philologischc P.l$Sagen
183
(Gewichtu,ng des Ergebnisses), viertens sind diese ..für (...) Philosophie und Ästhetik ganz unbedeutend"169 (Ausscheidung nicht relevanter Anwendungsgcbietc) und dahcr für "Gcschichtc (... ) und (... ) KünStc (...) un-
schätzbar"170 (Relevanzgewichtung und Anwendungsproduktivität). Was auf den erSten Blick vielleicht wie .Abqualifizicrung' aussehen kann, zeigt daJler vielmehr sowohl Humboldts Analysefähigkeit wie sein unterschiedliches Verständn.is von antiken Philosophen und Dichtern. Die Ordnung begrifflicher Zusammenhänge machte den antiken Philosophen interessant - und auch brauchbar. Flashars zutreffende Bemerkung, die ..Humboldtsche Ausprägung dieses allgemeinen Griechenbildes (seiner Zeit, U.W.) liege (...) vor allem (in der, U.W.) Wendung ins Programmatische und Emphatischc" l7I , gilt für dessen ArislOtcles-Bild also gerade nicht. Anders als bei den Dichtern ist Humboldts Blick bei dem Philosophen nicht durch EmphaLie gestört oder durch die Gefahr einer der Analyse vorauseilenden Programmatik gar versperrt, und es ist diese für Humboldt typische theoretische Vorurteilsfreiheit, die es ihm Zeit seines Lebens ermöglicht hat, so viele unterschiedliche Ansätze in seinem Denken zu integrieren. So wird der Wissenschaftler Aristotcles eben wissenschaftlich untersucht und gebraucht, eine Sachlichkeit der Unternehmung, die Humboldt in den Werkpassagen auch explizit weiterführt, und die als weiteres Merkmal seiner Aristoteles-Rczeption festgehalten werden soll. lndes ist auch am 25. September von \Volfs Arismteles noch nichts ein· getroffen. Humboldt genießt es zunächst offensichtLicb, den Spieß um· drehen zu können: ..Wie geht es mit dem Arislou=lcs? Ich hofte immer, daß einmal eine Lieferung ihrer noten ankommen sollte, aber bis jetzt leider vergeblich. Vereiteln Sie ;a meine Hofnungen nicht!"m und spricht nun schon wesentlich realistischer und konkreter von der Schließung seiner AristQ[c1es-Defizitc. Er will nun endljch die Einseitigkeit seiner Griechen-Kenntnis überwinden und das Bild vervollständigen: "Habe ich die HauptRedner und den Aristotcles (der dann folgen soU) hinter
mir, so kann ich schon sichrer seyn, daß meine Kenntniß der G.iechen nicht mehr einseitig isl. Vor dem Lesen des Aristophanes war sie es sehr. Arisloph. fühn einen unläugbar in eine ganz neue Scene ein; ein Gleiches müsseo einigermaaßen noch die Red neo thun; und ebenso auch Aristotclcs, der mir eine ganz eigne Originalität, die auf den erSte.n Anblick sehr von der Griechischen lfl't [HulJlboldl 3n Wolf am I. ~plember 1795], a.a.O., S. 127.
Ebd. 111 Fb.shar, _Wilht'lm vOn I-Iumboldt und die. griC(.hischc Liu:ratur", 3.a. ., S. 87. In [l-tumboldt ;10 Wolf Am 25. September 1795], a.a.O., S. 129.
11'0
Zweiter Teil: Humbolc.hs Gcdichmis
184
Art .bwcicht. und dann doch wieder so sehr mit ihr übereinstimmt, 7.U besitzen scheint" 17J .
Das U (tcil des ,ungriechischcn' fällt also am 9. November 1795 bereits
dcuuich milder aus als noch im Juni. Im Januar des darauffolgenden Jahres hat Humboldt nun bereits das Manuskript Wolfs, bei dem es sich wahrscheinlich um die Nachschrift eincr Lnl Jahr 1790 gehaltenen Vorlesung über AristOtclcs' Poel-ik handcIrem...mit großem Vergnügen und mannigfaltiger Beichrung" 17S durchgc~ lesen. Aber auch Humboldts Prohlcmhewußtscin für aristotelisches Denken ist noch einmal deutlich gestiegen: "Ihren Untersucbungcn über Aristoldcs Poetik, und deI" I-Ierlcitung seiner Haupudecn aus dem Plato danke ich sehr viel licht und Belehrung über dieß schwierige Buch. Auch wer, auch bei diesem offenbar nicht überall recht zweckmäßig nachgeschriebenen Collegio ist es mir über:lus auffallend gewesen. wie. sehr nur Sie gemacht sind, feine Untersuchungen dieser An zugleich mil der nothwendigen Kritik und doch nichl mit einem schlechrcrdings nicht weiter bringenden Scepticismus zu führen. Ich bewundere Ihre- Belesenhe-it, Jhren Scharfsinn ..... 1111.
Dem Lob des Lehrers folgen dann einmal ganz. andere aristotelische Perspektiven, denn ausnahmsweise würdigt Humboldt auch die ,ungriechisehe< Seite des Aristotcles - wiewohl dies die große und durchaus positiv konnolierte Ausnahme ist. Das multiperspekuvische Aristoteles-Bild Humboldts wird durch den Kontrast zu dem bisher Gesagten gut deut· lieh. Humboldt schreibt: .. Ihren Inslanz.en gegen Aristoteles ~li""T1UU; und seine Darstellung n'i>v X(IO' ökou kann ich 7.war meinen Bei.faU nicht versagen, indeß \\fl'nn Arlslotclcs hier i.rrt, so irrt cr bloß weil er den wahren und recht eigentlich philosophi· sehen BegriIf der Poesie empfand ohnc ihn deutlich 2.U denken, was sich, glaube ich, leicht deutlich machen läßt, wenn man d:l.~ Wesentliche der poeti· sehen Form von dem Zufälligen des Stoffes ulltcrschcidet" m .
Hurnboldt verteidigt hier Ariswteles gegen Wolfs Einwände und ve.rbindet seine positive Aristoteles-Bewertung oHcnsichtljch mit einer Kritik an
In
17.
[Humbolch ~n Wolf ~1l1 9. Novtmbcr 1795], .1.1.0., S. lJ3. Hit'rfür fllhn M.mson plausibl.... Gründe ...n. Zu dem cdiwri$chcn Zuuml1lcnhang und z.u :ulllcren Vui1n1en der Deutung bzw. Textidemifikation "gI. M:mson... Kornnient1r", 1.2..0.• S. 46-4.
an WQJ(:l11l 5. Januar 17%}, 1.1.0., S. IJ9. (Humboldl;an Wolf 1m 5. J.lnu:u· 1796 J. 11.,1,.0., S. 1H. n-lum~,lth;an Wolf .lIn 5. j:utU:lt" 1796J. ;1,,1.0.. S. 143.
11'1 j1-lurnoolul Po. In
5. Humboldls Arisl(llcle.~: ßiogf1lphisch-philölogischr P.lSugcn
185
der Wolfschen Imerprecation. 17' Eine ganz andere Sichtweisc, in der Ari5toteles das Recht zugestanden wird, einmal g'riechisch zu sein und an die Stelle der (philosophischen) Rationalität die (literarische) Empfindung zu setZen. Ausgerechnet mit aristotelischer Terminologie des Form-StoffPaares will Humboldt dies transparent machen. So wunden es auch nicht, daß dieser für durchaus eigenes Denken in Beschlag genommen wird: .Und sollte es nicht das gewesen seyn, wohin Arislotdcs z.ielte? daß nemlich der Dic.hter, auch wenn er buchstäbliche Wahrheit behandelt. nie die Wirkung hervorbingen will. die der Historiker (selbst der am meisten dichrungsreiche) ~J.bsichtigen müßte, das Wissen und die "Erfahrung zu bereichern, und dem Ver s t a nd e Fälle zur Beurtheilung vorzulegen, sondern die ginz.lich entgegengesetzte. auf die Einbildungskraft z.u wirken, und das Herz durch Leidenschaften :w rühren"L".
Selbst die Niedrigwertung des Metrums für die Poesie durch Aristoteles wird diesem nicht übelgcnoOlmen: "Daß Aristoteles ausdrücklich das meIn/rn Olls nicht nOlhwendig z.ur Poesie erwähnt. in iiußcl"$l auffallend. Indeß glau~ ich nicht, daß er gleic.hsam aus Furcht den Gcgensatz: ein Homer in Prosa bleibe doch ein Dichter unterdrückl habe. Das Wesentliche der Poesie würde er auch dem prosaischen Homer sicherlich nichl abgesprochen haben, ,lber dic :iußerc Form doch unstrcitig, was hingegen die Modernen, dic eine poetischc Prosa annchmen, nichl dürften- lllQ•
Dem Zugestä.ndnis folgt eine ausführliche Erörterung von EinzeIproblemen, die detaillierte Hinweise darauf geben, wie philologisch genau sich Humboldt mit dem Text beschäftigt hat.l lli So kann das - für Humboldl zunächst nicht ganz so freiwillige - Briefgespräch zwischen ihm und Wolf über Aristotelcs Poetik mit dem Brief vom 10. März 1796 dann auch mit konkretem DankbarkeitSgcfühl dafür enden, daß Humboldt viel gelernt hat. Anschaulich formulierte er dies in einer Disputation mit Wolf über cine spczifische Textstellc, in deren Verlauf HUOlboldt die Interpretation des Mentors übernimmt: "Für die Erläuterung der Stelle im Aristoteies tausend Dank.. W:a.hr ins. daß ich jetzt die Sachc sehr simpel finde (Kolumbus Ei!)"ltl. I"
Daß Humboldl dir 1'0C'tik j;'Cgf'n Wolf ycne:tdJgt. d;u;auf "'CiSI ;auch r. 8. Sudler hin (ygl. Sudlcr. f/MmbolJu Bild• .u.O.• S. 76).
17't
Ebd.
110 [Humboldt an Wolf ;am S. Janu;u 17%~ :1.;1.0.• S. IH·I ,H. 111 Vgl. dazu ;auch du Mmusknpl . du im Anh;ang 7.11r Brief· ausgabe tmsolU .ibgcdruckt In (Ilumbokh, Bn~f~ >In F. A. U'olf. u.O., S. 361+367). III [Humboklt iln Wolf ~m 10. Min. Il'%}. :1.....0 ... S. 150.
ZweilC~r
186
Humholdt hat,
50
Teil: l-IumboldlS Gcdichtnis
ist anzunehmen, in diesem Briefwechsel nicht nur einen
großen Teil der Schwierigkeiten seiner Beschäftigung mit Arislotelcs über-
wunden, cr hat sich auch. und dies läßt sich ebenfa.lls anhand des Briefwechsels e"mehmen, zunehmend intensiv mit aristOtelischen Texten beschäftigt.
Sicher nicht aus Zuneigung, sondern aus biographischer (Wolf) und systematischer (Komplettierung seines Griechenhildes) 01. Daß dies bereits in den (rühen Jahren seines Lehens in allen diesen Facetten der schwierigen und
mühseligen wissenschaftlichen Arbeit geschah, öffnet Humboldt für diese Fragen sowohl in thema.rischer wie auch methodischer Hinsicht und ermög-
licht ihm, später auf diese Kenntnisse zurückzugreifen und sie auszubauen. Die intensive philologische Arbeit am aristotelischen Text ist ihm nun nicht mehr fremd. Daß das Thema auch im weiteren Dialog mit Wolf geräusch1o· se Kontinuität erfährt. davon zeugt eine Vielzahl der Verweise, in denen Aristoteles auch in den folgenden Jahren in irgendeiner Form indirekt Gegenstand der Diskussion iSl. I8J Als von Humboldt gekannte Texte des Aristoteies können nach der Sichtung dieses Briefwechsels weiterhin mindc· stcns die Rhetorik und die Poetik vorausgesetzt werden. Außerdem kennt Humboldl eine Fülle von Sekundärliteratur zum Thema. aus der ihm nach An und Umfang auch andere Schriften bekannt sein dürften.l~~ Einen ergänzenden Hinweis über An und Umfang von Humholdts Aristoteles-Lekrüre kann man dem Briefwechsel mit Caroline entnehmen. Humboldt schreibt an sie am 1. Dezember 1823 von ßurgömer: .. Ich habe nichts von trockenen und mühevollen Studien hierher mitgenommen. Die wenigen Stunden, die mi.r vQn der Gesch.iftsschröberei und dem Spazierengehen, Leutesprechen usf. bleiben, lese ich fast bloß die Ethik des Aristot'e1es und den .Bhag-avad Ghi', den Schlegel herausgegeben hat. Beide behandeln eigentlich dasselbe Thema, den Zweck aller Dinge, den WeTt dt'S Lebens, das höchste Gut, den Tod als den Anfang eines neuen Daseins. Im Aristotdes ist die Erh:abenheit eines großen und beinah ungeheuren Geistes und der gebildemen Nation des Erdbodens. in dem indischen Gedicht die vielleicht noch rührendere des höchslen Altertums und eines zu tiefsinniger Betrachtung gleichsalll geschaffenen Volks. Ich lese \1011 beiden eigentlich im· mer nur wenig, aher jeder LaUt ergreift mich mit einer zum eigenen Nachdenken anregenden Stärke-IIS. lU Vgl. [Ilumboldl ~n Wolf ~m 18. Juni 17'J71, a.a.O.• S. 185 -ll-lumboldt an Wolf ,Im 22. ~bi 1793J•.u.O., S_ 53 - [llumbotdt:,ln Wölf ilm 25. Oklob
s. 11 umboldls Ar;SlOtdl.'S; Biognlphisch-philologi.sc.ht. PlSsagen
187
Neben der Erweiterung des Nachweises dessen, was Humboldt von Aristotcles gelesen hat (die Nikomachische Ethik in hier offensichtlich gemeint), läßt sich aus der Passage abermals erkennen, wie hoch Humboldt Aristoleles schätzt, und daß dieser - im Gegensatz zu manch früherer Aussage - durchaus den Geist des so verehnen griechischen Denkens ausdrückt. Humboldt schätzt aristotelisches Denken bier als besonders bedeutsam und anregend ein und verortet die Themen der Ethik durchaus im metaphysischen bzw. reJigionsphiJosophischen Kontext. Caroline teilt dieSe Hoch-, Ein- und WertSchätzung dagegen nur sehr zurückhaltend: ..Du liesest in Deiner Einsamkeit den Aristoteles?"'86, fragt sie am 6. Dezember zurück. "Es ist, glaube ich, ziemlich de.r einzige alte SchriftsteUer, von dem ich nur eine einzige Rede einmal gehört. Mich dünkt, du hast mir einmal eine frei übersetzend vorgelesen. Gibt es eine gute Übersetzung von ihm ?"IS7. Humboldt konnte also AristoteIes Hießend im Original lesen und die Übersetzung quasi flüssig voruagen. In seinem nächsten, sehr kurzen Brief vom 14. des Monats hat Humboldt denn auch auf die seltsame Frage seiner "lieben Li"lill nach einer Übersetzung (lieber) nicht geantwortet1 sondern freut sich ..ewig mit inniger Liebe Dcin"'189 auf das bevorstehende Wiedersehen. Daß die aristotelischen Schriften auch in der intensiven Tegeler Forschungs:teit Humboldts ab 1820 weiter Thema waren, dies läßt sich genauso am Briefwechsel mit A. W. Schlegel ablesen. Und es sind zunehmend die sprachtheoretischen Aspekte, die hier interessieren. Schlegel schreibt in dem sehr ausführlichen Brief, den er zwischen dem 29. Mai und 4. Juni 1822 verfaßtc, an Humboldt: "Aristote1es wirh die Frage auf, ob die Sprache der Natur oder der Übereinkunft ihren Ursprung verdanke? und entscheidet sich Dach der Erfahrung von der unüherseblichen Verschiedenheit der Sprachen für das letzte. Das Dilemma des großen Denkers war, dünkt mich, nicht" recht gestellt. Wenn man die beiden Begriffe N:ltur und Übereinkunft übersent durch Noth· wendigkeit und Willkühr, so sieht man gleich, daß noch ein drittes in der Mine liegt, nämlich die menschliche Freyheit, die sich nach naturgemäßen Gründen selbst bestimmt. Es war eine Einladung, nicht eine Nöthigung der Natur. Hier liegt das große Gebiet der edJtrcn Spuchbildung, das Symbolische"I'lO.
I"
[uroHne an Humboldt am 6. Dezembn- 18231, .La.0.• Bd. 7, .20l.
In
Ebd.
I" [Humbokh;1O Cuoline am I'"
,-4. Donnoo J8lJ~ a..a.O.• 8<1, 7,5. 204.
Ebd.
1"Cl [Schlq;e1 an Humboldlllrn 29. Moli - 4. Juni I822J, u.O.. 5.69.
188
Zwrilcr Teil: Humboldu Ccd:ichlllis
Wie sich zeigen wird, ist Schlegels Arisrolc!cs-Inrcrprctarion nicht ganz zutreffend. Dies ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung. Wichtig ist, da.ß Humboldt - wiederum durch andere - auch mit dem Gedankengut aristOtelischer Schriften, diesmal dem des "OQYovov. bzw. genauer von nEQl te~lftvda~. konfrontien wird. SchJegel iSt in der Beschäftigung mit dem sprachthcorecischen Denken des Aristotdcs in dieser Zeit nicht allein, was sich auch darin ausspricht, wie selhsr"erständlich er die oben zitiene Textpassage in seinen Argumentationsgang einbindet. Humboldt steht dem in selbstredender Indirektheit kaum nach. Über vier Jahre später. Olm 18. September J 826, schreibt er - wiederum mit der ,Bhagavad
Gitä' beschäftigt - im Kontex, philologischer Erönerungen: ..Es ist allerdings richtig, daß der gewöhnliche lebendige Gebr.louch diese Wörter wohl vermischt und nicht immer in bCSlimmlt~n Gränzen fcsthalt. aber der philosophische thut das Letztere, und die Gid scheint mir ebenso wohl, wie cin Platonisches Gespräch oder CiJl Buch d,'s Aristotc.les, ein mCI':t-
• hcr AII fsatz, . ... "141 . p.hYSlsc
Wohl cin ungewollter Ausblick auf ontologische Einsichten, deren volle Konsequenzen fiir sei.n eigenes sprachtheoretisches Denken Humboldt zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen kann. Daß Hurnboldt indes den sprachtheoretischen Problemhorizont Schlegels im Hinblick auf AristoteIes kennt und immer stärker reflektiert hat, dies zeigt die Auseinandersetzung mit der Repräsentationstheorie in der Akademierede Ueber das vergleichende Sprachsludium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung (IV 1-34) von 1820.
Soweit die Hinweise zu Hllmboldts Anstoltles, wie sie sich im Durchgang durch den Briefwechsel des Tegeler Philosophen entnehmen lassen. Sie sind von einer starken Entwicklung gekennzeichnet. die sich nur in der diaJektische Bewegung des wissenschaftlichen Diskurses bilden konnte. Der Disputant Humboldt erlaubt sich die ablehnende. annehmende, nachdenkliche u.nd fordernde Haltung gleichermaßen zum Zweck der eigenen Selbstvergewisserung.
5.4 Werkpassagen Humboldt hat AristoteIes auch explizit in seinen Werken genannt und uns aus dieser Sicht und Schreibweise heraus eine Art textliches Portfolio. einen Steckbrief einschlägiger Informationen und Standpunkte, gegeben, 1tl
[I-Iumboldt.,ln
hlt"gd Im 18. Sq)lC'mbeT 1826). 20.20.0•.. 105.
5. HumboldlS AristQfelcS: Biographisch'philologischc Passagen
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die zwar die bereits aus den Briefen herausgearbeiteten Merkmale wiederholen, ergänzen und schärfer stellen, jedoch in aufbereiteter Form stärker in den jeweiligen funktionalen Zusammenhang integrieren. Knapper, aber ehen auch strukrurierter und inszenierter als in den Briefen. wird man in den Werken zunächst erneut mit dem Phänomen konfrontiert, daß sich ..Humboldts Bild der Griechen (...) auf die Betrachtung herausragender Persönlichkeiten"l9! gründet und dies auch für Aristoteles gilt. 19J Die längste und aufschlußreichste Werkpassage fi.ndet sich ausgerechnet in Humboldts sprachtheoretischem Haupttext, der - biographisch und systematisch - den Schlußpunkt hzw. das Kompendium seines (sprach-)theorctisehen Dcnkcns darstellt, der Kawi-Einleitung. Sicherlich genau kein Indiz dafür, daß Humholdt Person und Werk des Stagiriten für randständig hält. Im Abschnitt Charakter der Sprachen. Poesie und Prosa schreibt er: ..Die Sprache soll, ohne eigne Selbstständigkeit geltend zu machen, sich nur dem Ged;mken so eng, als möglich, ansehliessen, ihn begleiten und darstellen. In dem uns übersehbaren Gange des menschlichen Geistes kann mit Recht Aristotelcs der Gründer der Wissenschaft und des auf sie gerichteten Sinnes genannt werden. Obgleich das Streben darnach natürlich viel früher entstand und die Fortschritte allmählich waren, so schloss es sich doch erst mit ihm zur Vollendung des Begriffes zusammen. Als wäre dieser plötzlich in bis dahin unbekannter Klarheit in ihm hervorgebrochen, zeigt sich zwischen sei· nem Vortrage und der Methodik seiner Untersuchungen und der seiner unminclbarsten Vorgänger eine entschiedene, nicht stufenweis zu vermittelnde Kluft. Er forschte nach ThatsaGhen, sammelte dieselben und strebte, sie zu allgemeinen Ideen hjnzuleiten. Er prüfte d.ie vor ihm olufgebautcn Systeme, zeigte ihre Unhaltbarkeit und bemühte sich. dem seinigen eine auf tider Ergründung des erkennenden Vermögens im Menschen ruhende Basis zu geben. Zugleich brachte er alle Erkenntnisse, die sein riesenmässiger Geist umfasste, in einen nach Begriffen geordneten Zusammenhang. Aus einem solchen, zugleich tief strebenden und weitumfassenden. gleich streng auf Materie und Form der Erkenntniss gerichteten Verf:1hren, in welchem die Erforschung der Wahrheit sich vorzüglich durch sch:ufe Absonderung alles verführerischen Scheins auszeichnete, musste bei ihm eine Spr.ache entstehen, die ei.nen auffallenden Gegensatz mit der seines unmittclb;uen Vorgiingers und Zeitgenossen, des Plato, bildete. Man kann heide in der That nicht in dieselbe Entwicklungsperiode stellen, muss die Platonische Oiction als den Gipfel einer nachher nicht wieder erstandenen, die Aristotelische als eine neue Epoche bc· ,,~ I'U
GlilZinski, Amik~ Hl1t1 Motlt'mr, :1.:1.,0., S. 128. Vgl. dazu auch Prang, der in diesem Zwammeonhang auf die Bedeutung deos Arist'otC'!eos hinweisl (Prang, ~Humbotdt.:i Anschauung". a.a.O., S. nJ), trotzdem aber zu dem Ergebnis kommt, Humboldt scheine ein "wirklich erlebnismäßiges Verhältnis zu eincrn griechischen Philosophc.n - etwa Plato und Arisl0tcles - (...) nicht ~ehabt zu haben" (S. 144).
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Zweiter Teil: HumbolJIs Gedächtnis
ginnend ansehen. Hierin erblickt man aber auffallt'nd die Wirkung der ci· gcmhümlichen Behandlungsart der philosophischen Erkenntniss. Man irrte gewiss sehr, wenn man Aristotclcs mehr von Anmuth cntblösste, schmuckJose und unläugbar oft hane Spr2chc einer natürlichen Nüchternheit und gleichsam Dürftigkeit seines GeiSles zuschreiben wollte. Musik und Dichtung hatten einen grossen Thcil seiner Studien beschäftigt. Ihre Wirkung war, wie man schon an den wenigen von ihm übrigen Unheilen in diesem Gcbie· tc sicht. tief in ihn eingegangen und nur angeborne Neigung konnte ihn zu diesem Zweige der Literatur geführt haben. Wir besitun noch einen H)'mnus voll dichterischen Schwunges von ihm, und wenn seine cxoterischen Schriften, besonders die Dialogcn auf uns gekommen wären, so würden wir wahrscheinlic.h ein g:tnz anderes Unheil über den Umhng seines Styles fällen. Einzelne Stellen seiner auf uns gekommcnen Schriften, besonders der Ethik zeigen, zu welcher Höhe er sich zu erheben vermochte. DIe wahrhaft tiefe und abgczognc Philosophie hat auch ihre eignen Wege, zu einem Gipfel grosscr Diction zu gelangen. Die Gediegenheit und selbst die Abgeschlossenheil der Begriffe gicbt, wo die Lehre aus 5cht sc.höpferischem Geiste hervorgehr, auch der Sprache eine mit der inneren Tide zusammenpassende Erhabenheit" (V1I200-201).
Es ist erstaunlich, zu welcher Reife Humboldts Aristotcles-Bild in dieser späten Phase gediehen ist. Humboldt geht i.n diesem Abschnitt der ..fortschreitenden Bildung des Geistes" (VII 199) nach und fragt nach dem spezifischen Charakter bz.w. Stil einer Sprache} der der Beschreibung dieser Entwicklung am nächsten kommen kann. Er richtet seine Betrachtung auf "die Epoche der Entstehung der Wissenschaft'" (VlI 199) und konstatiert, eben diese.,Wissenschaft fordere im strengen Verstande die prosaische Einkleidung und eine poetische könne ihr nur zufällig zu Theil werden (UmSl., U.W.)" (Vn 199). Humboldt stellt fest, daß .in diesem Gebiete nun (...) der Geist es ausschliesslich mit Objecuvem zu thun habe'" (VII 199) und so ist größter Wert auf eine Sprache zu legen, .,die letz.te Schärfe in der Sonderung und Feststellung der Begriffe und die reinste Abwägung der zu Einem Ziele zusammenstrebenden Sätze und ihrer Theile" (Vll 199) gewährleistet. AUerdings wirkt der Charakter des wissenschaftlichen Gegenstandes auch wieder auf die Klarheit der Sprache zurück, deren nGebrauch in diesem Gebiete Kälte und Nüchternheit" (VU 200) initiiert. Nun folgt die oben z.itierte TcxtsteUe, in der Aristotcles zum Vorbild eben jener, von Humboldt durchaus akzeptierten und positiv konnotierten, Sachlichkeit wird. Da ist zunächst der große Mann} der ..Gründer der Wissenschaft" (VIl 200). Mit Aristoteles bietet sich laut Humboldts Aussage geistesgeschichuich eine ganz neue Qualität dar, die sich nicht stufenweise, sondern auf einmal herausgebildet habe. Humboldt lobt den Empirismus des Aristoteles und seine dialog·ethische Vor-
5. HUl1lboldlS AristoteIes: Biographisch-philologische Passagcn
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gehens-weise, erst die Lehren der Früheren zu besprechen, um dann z-u neu.en Erkenntnissen zu kommen. Vor allem aber brachte ,.sein ries-enmässigcr Geist" (Vll 200) alles bisher Dagewesene ,.in einen nach Begriffen geordneten Zusammenhang'" (VIl 200). Aristote!es ist also gleichermaßen der synthetisierende Geist (als der Humboldt sich in methodischer Hinsicht ja auch selbst versteht) und auch derjenige mil den klaren, eindeutigen und um allen "verführerischen Schein" (VII 200) entrümpelten Begriffen. Humboldt trennt nun PlatOn und Aristoteles geistesgeschichllieh klar voneinander ab, siNiert beide als nicht vergleichbare Marksteine jeweils ihrer eigenen Epochel9~ und bietet dann - die Einschätzung der frühen Jahre mehr komplettierend als revidierend - ein umfassendes Aristotcles-Bild an, in dem dessen "von Anmum emblösste, schmucklose und unläugbar oft hane Sprache" (VlI 200) eben nicht mehr Indiz "einer natürlichen Nüchternheit und gleichsam Dürftigkeit seines Geistes" (VH 200) ist. Denn auch Musik und Dichtung sind ein Teil seiner Persönlichkeit gewesen und "tief in ihn eingegangen" (VII 201). Die Gegensetzung mit den klassischen Dichtern ist zunehmend einer ganzheitlichen Sichrweise gewichen. Humboldr weist dann noch auf Überlieferungsprobleme hin, lobt die besondere "Höhe" (Vn 201) der aristotelischen Ethik und schJießt mit einer fast metaphysischen - zumindest aber idealistischen Bemerkung einer zum Geist kommenden Sprache, die auch die Metaphysik aJs Wissenschaft bedeuten kann, die"wahrhaft tiefe und abgczogne Philosophie" (VII 201). Diese späte Werkpassage, in der Humboldt im übrigen bereitwillig mit dem Materie-Form-Muster argumentiert, ist für das Aristotcles-Bild Hu.mboldts von vielfacher Bedeutung. Zunächst begegnet Humboldt hier, vor allem in der erstcn HäJfte, als echter Kenner des athenischen Philosophen. Die entschuldigende Unbeholfenheit der Briefe an Wolf ist voll· kommen verschwunden, Humboldl weiß, wovon er redet, und er weiß, daß er es weiß. Seine philosophiegeschichtliche Einordnung, sowohl in bezug auf die Vorsokratiker als auch auf Platon, ist souverän und stimmig. 19-0
Pür Humboldl iSI es durchaus sclbSlverS!i1ldlich, AriUOlcics in verschiedenen Fom1(~n und KontcJo:tcn als Zeitangabe 7.U veno.·cnden. So z.B. in dem nachlriglich gestrichenen Sau. in Ober dll$ om,ke nUlIter In Sag/mt von 1800·1801: "Zu Plinius Zeit lhalen sie (eherne Vasen zur Schal1ventärkung, U. W.) schon kein!: gute Wirkung mehr, und ßjnhelern)' vcrmuthel mit Grunde. d.us man sie in Gri«henl:l.I1d schon z.u Ari$toll·Jes Zeil nicht kannle" (111 1(4) oder auch in der RI'lf'f1sioll ':lfm Wolfs A/Hga}N? Je' Odyssee von 1795, in der es heißt: .. Der Herausg. erklirt sich an mehreren Stellen der Vorrede bald ernsthaft, bald mit feiner Ironie über die SillC, diese gr.tmmuiblischen Dinge als geringfügige Kleinigkeiten zu verachtcn, gegen .....elcht' .tHein schon dic Betrachtung sprechen wille. wic subtil die all e n 'nltQrislen von Aristotdes .tn über diese GegenSlände zu raisolllliren pflegten" (I 372).
Zweiter Teil: Humbl)ldu GcdädHllis
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Zudem erhalten wir einen weiteren, fur diese spate Periode schon eher selbstverständlichen Text-Hinweis darauf, daß ihm die Ethik des Arisro(eies gUt bekannt ist. Entscheidend ist hier aber ein anderer Umstand, nämlich die Humboldtsche Akzeptanz des Arisroteles als den Philosophen der kJaren und distinkten Begriffe, als den systematischen und auch in der Sprache unmiHverst.1ndlich wissenschaftliche Ordnung herstellenden Philosophen. Daß Humboldt d.ies in dem gleichen Text so ausdrücklich feststellt, in dem er auch - gm ISO Seiten vorher-das ,Energcia'-Dikturn als zentrales sprachtheoretisc.hes Erinnenmgsforrnat ein.richtet, läßt Vermutungen, er habe diesen Terminus höchst unaristorelisch, ei.nfach falsch oder gar beliebig verwendet, als philologisch vollkommen absurd erscheinen. Humboldt weiß klar und deutlich, was er sagt, und tut dies mit dem theoretischen Repertoire .,eines tharen- und (... ) ideenreichen u ausserordendichen Mannes (VIl 203), der nach 1830 für ihn neben Kam zur wichtigsten theoretischen Stütze sei.nes Sprachdenkens wird und dessen BeurreiJung nun jene Unsic.herhe,it der frühen Jahre vermissen läßt. Humboldt ist -nach einem schwierigen und Umwege nicht entbehrenden Weg endgültig beim athen ischen Philosophen, dem bewunderten ,Wissenschaftler', angekommen - und kann die rationale Verehrung nun auch für die eigene Theorieentwicklung nutzen. Gleichermaßen unpriitcmiös ist aber schon seine Umgangsweise 40 Jah. re vorher, wenn sie auch noch einer gänzlich anderen Rezeptionsmcthodologie (Kap. 5.1) verhaftet bleibt. rn seinem grünen Buch. den Ideen zu einem Versuch, die Griinzen der Wirksamkeit des Staats zu beslimmen, von 1792, in dem Humboldt unter den Maximen des Bildungsgedankens und des Individuums seine liberale Staars3uffassung entwickelt, taucht Aristoteles - sicher nicht durchgehend zu Recht - als Legitimation des eigenen Ansatzes auf. Humboldt schreibt zunächsr: "Allein schon die Natur der Freiheiubeschränkungen unsrer Staaten. dass ihre Absicht bei weitem mehr auf das geht, was der Mensch besizt. als auf das. was er iSl, und dass selbst in diesem Fall sie nich, - wie die Alten - die physische, intellektuelle und moralische Kraft nur, wenn gleich einseitig, üben, sondern vielmehr ihr bestimmende Ideen als Gesezc, aufdringen, unterdrükt die Energie, welche gleichsam die Quelle jeder thätigen Tugl'nd, und die nothwendige Bedingung zu einer höheren und vielseitigeren Ausbildung ist" (ldeen zu cinem Versuch, die Grä,Jzen der Wirksamkeit des StAats zu bestim-
men, I 104). Es ist hier die starke bzw. freie Stellung des lndividuums, die Humboldt gegenüber dem Staat geltend machen will. 1m Sympathie- und Systemvergleich. in dem Humboldt wieder ei.nmal die guten ,Alten' und problematischeo ,Neueren' in einer spezifischen Fragestellung kontrastiert - dies-
5. I-Iumboldls AristOldcs:
ßiog~phi!i(;h-philologische
Pass;lgen
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mal, ob man nun die Glückseligkeit in der Tugend oder umgekehrt suchen soUe -, wird Kants .,künstliche Maschinerie" (I 105) der Ethik zunächst kritisiert und dann, die eigentliche Auseinandersetzung umge· hend 3 mit einem Aristoteles-Zitat totgeschlagen: ",Ich verliere kei,n Won über diese Verschiedenheit. Ich schlicssc nur mit eincr Stelle aus AristoteIes Ethik: ,W2S einem Jeden, seiner Natur nach, eigenthümlieh ist, ist ihm das Bestc und Süsseste. Daher auch den Menschen das Leben nach der Vernunft, wenn nemLich d.. rin am meisten der Mensch besteht, am meisten beseligt'" (I 105). Humboldt begegnet hier - ganz Kind seiner Zeit - als Rezitator aus dem Zusammenhang gelöster TextsteIlen. auf der Suche nach Legitimation. Daß dies allerdings in einem seiner Werke geschieht, das mit dem Terminus Wirksamkeit nicht "on ungefähr im Titel eine der Hauptbedeucuogen des griechischen Wortes t\'EQYELCl enthält, ist ein weiteres Indiz dafür, daß Humboldt bereits früh der Gedankenwelt aufgeschlossen gegenüber steht, die sich um dieses Erinnerungsformat konzentriert. Humboldts Aristoteles-Kenmnisse kommen ihm auch zwei Jahre später in der Rezension von ]acobis \Voldemar sehr zu Gute. Er kann die in Jacobis Text enthaltenen Thcmatisierungen der aristotelischen Ethik uneingeschränkt identifizieren und auch bewerten: .Jn dem Ictz.ten ausführlichen Gespräch über Tugend und Moralität giebt der Vf. zugleich (Th. 2. S. 210-244. u. Beil. S. 285-294) einen körnigten Auszug aus der Moral des Aristotc!es, der das Gedankensyste.m des Stagiriten in bündiger Küne und mit philosophischer Präcision darstellt. und den wir ebensowenig als die vonrefliche Uebersenung eines schönen Stücks aus dem Plutarch (Th. 2. S. 178-205) unerwähnt lassen können" (Reumion von]t1cobis WoldemtlT,l 310).
Sowohl die Bewertung als auch die Tatsache, daß Humboldt diesen Abschnitt Jacobis nicht explizit bespricht. zeigt die selbstverständJiche Umgehcnswcisc Humboldts mit dem Gegenstand, ein Ergebnis von Hum· boldts Studien, das er noch einmal anhand des in den Ideen thematisierten Problems des Zusammenhangs von Glückseligkeit und Tugend illustriert: ..Allein die Einsichl dieses Zusammenhanges bleibt immer ein tiefer Blick in die Innerste Natur des MCr15chen. Deo alten Philosophen, vorzüglich dem Aristole1es, entgieng er nicht. Ihnen war der Mensch 7,U sehr ein G..nz.es; ihre Philosophie gieng zu sehr von den dunklen, aber richtigen Ahndungen des Wahrheitssinnes aus" (I 303). AristoteIes aJs durchaus dunkler, aber vor allem ganzheitlicher Denker und tiefer Anthropologe.
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Zwcil.er Teil: l-Iumb
Nochmals zwei Jahre später zeigt sich dann die ganze Hin- und Hcrgerissenheir Humboldr$ in seinem Aristoteles-Bild, die Zeit seines Lehens kennzeichnend blicb und erst in der Kawi-Einleitung die ,Auflösung' erfährt, die dem KonflLkt angemessen ist: eine philosophisch-theoretische. So wimmelt es in Humboldls Schrift Ueber den GeschlechlSUnlerschied und dessen Einfluss auf die organische Natur von t 794 einerseits nur so von aristotelischen Termini: ..Aber wo die Männlichkeit herrscht, ist das Vermögen: Kraft des Lebens. bis zur Dürftigkeit von Stoff l:::n1blösst; und die entbehrende Sehnsucht auf ein Wesen gerichtet, das der Energie zugleich Stoff zur Thätigkeit gebe, und, indem es durch Rückwirkung ihre Empfinglichkeit bcschäftigt, ihre glühende Heftigkcitlindrc" (Ueber de,z Ge$chlechtslmterschied und dessen Einj1uH (luf die organi$che Natllr, I 320).
Andererseits wird Arisroteles in der philosophiegeschichtlichen Schc.I1lausierung eindeurig auf die - für Humboldt so ,unschöne< - Seite verbannt. Zunächst Humboldts Thematisierung im laufenden Text: ..Denn ist gleich jedes :ichte Werk des Genies die Frucht einer freien, in sich selbst. gegründeten. und in ihrer Art unbegreiOichen Ucbereinstimmung der Phantasie mit der Vernunft; sO kann ihm dennoch bald die miinnlichere Vernunft mehr Tiefe, bald die weiblicher{' Phanmsie mehr üppige Fülle und reiz.ende Anmulh gewähren" (Ueber den GesrhlechtsllmcHchied und denen Ein/11m all! die OI"gdnische. Natur, 1321).
Und dann die anfangs zögerliche, aber doch überdeutliche Komrastierullg männlicher und weiblicher Philosophie in der eingefügteo Fußnote: "Diese Vergleichung in einz.elncn Fällen wirklich anz.ust'ellen, ist schon dar~ um von vielen Schwierigkeiten begleitet, weil selten zwei Köpfe übrigens Aehnlichkeit genug zeigen, um gerade diesen Umerschicd auffallend sichtbar zu machen. Nur also um a.n Beispiele zu erinnern, sey es erbubt, hier Homer und VergiI, Ariost und Dantc, Thompson und Young, P la tO und Ar ist 0 tel es l'inandcr gegenüber zu stellen. Wenigstens dürfte niemand leicht in Abrede seyn, dass, in Rücksicht J;uf ihrc Gegcntheile, in den zuc.rst genannten, wenigstcns in Vergleichung mit der aus ihnen hervorleuchtenden Kraft, mehr Ucppigkeit der Phantasie herrscht, da aus den letzteren die Form der Vernunft mit einer faSt an Härte grnnzendcn Bestimmtheit spricht" (1321).
Eine iUustre Reihe von Namen, die Humboldt hier zusammenstellt, und die trotz der zuvor unterstellten Unmöglichkeit des Unternehmens io der Schematisierung - vor allem durch die vorgenommenen Attributicrungeo - an Deutlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig lälk Humboldt weiß, daß es ,unwissenschaftlich' ist, was er hier tUt, (ut es aber trotzdem und
5. Humboldts AristQt'dl"s: Biol;nphisch-philologischc Pass:lgen
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verbannt den Gedanken schließlich in eine Fußnote und damit an den Ort, an dem sich häufig die interessantesten und in ihrer Ungeschütztheit eindringlichsten Gedanken der Geistesgeschichte begegnen. Ebenfal.ls etwas versteckt wirkt der Hinweis in Humboldts Werken darauf, daß dieser auch die Politik des Aristoteles kannte, so in den PrüfUtlgen der Untersuchungen iiber die UrbewoJmer Hispaniens vermiuelsl der vaskischen Sprache von 1820-2 t. Im Kontext der dort vorgenommenen Besprechung diverser Publikationen zum Thema führt Humboldt unter Punkt 43 zu "einer eignen Sitte der Iberer" (IV 195-196) an, daß diese bei "Aristoteles (Polit. VII. 2,6.) erwähnt (Umst., U.W.r wird. Diese ist dergestalt, "dass sie (die Iberer, U. W.) nemlich soviel Spicsse (6ße:A(OXO'U~) um das Grabmal eines Kriegers steckten, als er Feinde umgebracht hatte" (IV 196). Wenn Humboldt bereits solche speziellen TextsteUen kannte, so kann die Kenntnis des übrigen Textes problemlos vorausgesetzt werden, 2umal sich Aristoteies' illustrierende Bemerkung im zweiten Kapitel des siebten Buches der Politik [1324b] auch noch in einem Kontext befindet, der dem Problemhorizonl der Humboldtschen Staatsschrift von 1792 entspricbt: [1324al "Daß nun diejenige Staauverfassung notwendig die beste iSl, deren Eimicblung z.ufolge jedweder obne Ausnahme sich wohl bcfindcl und glücklich lebt, licgt auf der Hand" 1%.
Auch fü, Humboldt. So zeigt die Chronologie der Werkpassagen neben neuen Hinweisen zu Humboldts Lektüre, daß Aristoteles den Tcgeler Philosopben ci." Leben lang in sehr unterschiedlichen Kontexten beschäftigt hat. Kaum zwei Jahre vor der Kawi-Einleitung, zwischen 1827 und 1829, schreibt Humboldt in dem - nicbl nur in der Überschrift Analogien zu seinem späteren sprachtheoretischen Hauptwerk darbietenden - Text Ueber die Verschiedenheit.en des memch/ichen Sprachbaues zur RoUe des ,erSten Wissenschaftlers' AristoteIes in einer entmythologisierten, antiken AufkJärung: "Mil Alexaodcr treten die Ideen von Weltherr.schaft und Welthandel in die nicht mehr durch Fabeln entstellte Geschichte ein; Aristotcles gründet ge-naueTe Naturforschung und grössere Strenge in jeder wissenschaftlichen Be-handlung. Durch Rom und Karthago wud. wenn auch das Wissenschaftliche nachstand. alles dies weiter fortgeführt und sichrer befestigt" (Ueber die Verschied~TJheiten des meTJS"chlichen Sprl1chbl1ues, Vl 114). l~ Aristotdes: PI>/ilik. Übi.'rst'tzi 1I0n E. Rolfes. In: DarTllSt..dl 1995. Bd. 4. S. 239.
l)hilosophisclJe Schrillen in sechs Bii"dt'n.
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Zweiter Teil: Humboldu: Gedicillnis
Humboldr steht nun - in den 30eT Jahren des 19. Jahrhundens - an der Schwelle, die aristotelische Ontologie mit Hilfe des Energeia-Diktullls zu einem Fundament seiner Sprachtheorie auszubauen. Nach Sichtung der Brief- und \Verkpassagen erscheim diese Unternehmung, wenn nicht unmittelbar als notwendige Konsequenz, dann doch als Nutzung einer naheliegenden Möglichkeit, für die Humboldt sowohl über den nötigen Background als auch über die wesentliche Einsicht in die Bedcutsamkeit ansloteljschcn Dcnkcos verfügt.
s.s Vorlesungspassagen Aber noch ein weiterer Rückgriff in Humboldt$ Biographie ist norwendig, um seine Hinwendung zur aristotelischen Ontologie zu erklären. Diese hat - und der Durchgang durch die Passagen von H umboldts Denken gewinnt nun ei.ne neue thematische Qualität hinzu - unmittelbar mit Humboldts Mctaphysik-Kennmisscn und den daraus entstehenden Verknüpfungsmöglichkeiten zu run. Diescn Kenntnissen Humboldts soll im folgenden insofern nachgegangen werden, als sie d.ie hier zur Debatte stehende Problematik betreffen, und zwar anband einer Textsorte, die bisher noch nicht Gegenstand der Untersuchung war: das nachgearbeitete, gleichsam ,überdachte', Vorlesungsmanuskript. Hierzu muß man wiederum in Humboldts Jugend- bzw. frühe Studienjahre zurückgehen. A. Leitzmann hat fcstgcncllt, daß in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts unter Humboldts Lehrern J. J. Engel eine herausragende Stellung einnimmt l9b : "Am wichtigsten wurden die philosophischen Vorträge Engels, des Philosophen für die Welt, in dem die Berlin noch völlig beherrschende Aufklärung sich in weniger trockener, durch gefühlsmäßigen Zusatz erheiterter, liebenswürdiger Form darS[el!te"'l'I7. Es ist demnach zweckmäßig, vor allem die Metaphysik-Vorlesung "Engels aus dieser Zeit und Humboldts Mitschrift darauf zu untersuchen, was Humboldt hier in thematischer Hinsicht und mit be1'Wo
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Für Humboldls Bild der .Alten' sind n"türlich vQr allem Heynes Vorlesungen bL-deuttond. So sei hier der ergänzende: Hinweis angcfühn, d;tß Humboldl Aristotelcs durch Hcync auch "Li Editor zemraler Schriften des Abendlandes hnnte: .. Bei dil."sero web!."' ,,"u( dem wir den Homcr- erhalten haben. mÜSSl'1l sieh II;Hur-lich seht \'id falsche leSOlrte.n eingeschlichen h:lben. Die erste kritische :lusge m;tchte Aristotdcs, O'.i'M)OIr;; nt \111}h1xo;.. «Heyne über Homer>. In: HUl11boldl. Brif!fc an F. A. \Vo/[. u.O.• S. 333-352. hier: S. 3J7). Leit'7.ll1:mn. \Vilbe/m '%Ion flumbold/. a..a.O.. S. 26.
5. I-Iumboldl$ ArisIOH·I~s: Biographisch-philologische Passagen
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sonderem Blick auf das aristmelische Gedankengut zur Ontologie gelernt hat. 198 Zunächst zum Umfeld der Jahre 1785 und 1786: Haben die Brüder Humboldt bislang Unterric.ht durch den Privatlehrer G. J. C. Kunth erhalten, so vermittelt dieser seinen beiden Schülern nun U merricbt bei den führenden Gelehnen in Berlin. Die Humboldts nehmen, von der Stadtwohnung in der damaligen Jägerstraße aus, am kulturellen Leben Berlins teil und lernen so u.a. auch die Venreter der ,Berliner Aufklärung' kennen. Herausragende Persönlichkeit dieser das geistige Be.r1in prägenden Richtung ist bis zu seinem Tode 1786 M. Mendelsohn, einer der bevorzugten Treffpunkte das Haus des Ehepaars M. und H. Herz, in dem die nicht immer homogenen Positionen von Engel, Moritz, Zöllner, Dohm, Klein, Teller u.a. im Gespräch aufeinandertreffen. Dafür sind Privatvorlesungen vor geladenen Gästen cin hä.ufiges Instrumentarium. an denen auch die Brüder Humboldt teilnehmen. Diese Form des GedankenaustausGhs über Vortrag und Gespräch zu wissenschaftlichen Problemen ist aber bei weitem nicht die einzige Form, Themen in die geseUschaftl.iche Diskussion zu steHen. So bildet sich um H. Herz herum zum Beispiel der ,Tugc.ndbund', ein Treffen von Leute,n meist in HumboldtS Alter, in dem - ganz. im Gegensatz zum aufklärerischen Gedankengut - das Schwärmerische der .Spätaufklä.rung' durch Begegnungen mit rituellem bzw. zcremonieUem Charakter z.um Ausdruck kommt. Humboldt ist in dieser Zeit kein trockener, puritanischer Rationalist (und sollte es auch nie werden). sondern ein an vielen Aspekten dieser für ihn neuen Welt interessierter junger Mann auf dem Weg in den Staatsdienst. In den Privatvorlesungen erhält Humboldt grundlegende Informationen zu zentralen Wissensgebieten, seine TeLlnahme an drei Vorlesungensreihen zur Logik, zur Metaphysik und zur Praktischen Philosophie bei Engel ist U.a. durch die M.itschriften belegt, die Humboldt von diesen Vorlesungen angefertigt hat. Nun haben diese Manuskripte nicht den Charakter worrwörclicher Transkriptionen des gerade Gehörten, vielmehr hat Humboldt spä.ter zu Hause - so bemerkt Herausgeber Lcirzmann - jeweils den "gesamten systematischen Aufbau der Materie an Hand des Lehrbuchs und nach der Erinnerung aus den Lehrstunden dargelegt" (VII 467). Sie sind schon insofern ,überdachte' Vorlesungsmanuskripte, als sie teils mehr, teils weniger als das Gehörte wiedergeben, mit Sicherheit aber persönliche Gewichtungen und Schwerpunktsetzungen enthalten. Von den von Humboldt besuchten Vorlesungen (zu erwähnen sind aus den drei bislang genannten I.,.
Zur ausführlichen OuslcJ]ung der M~laphysik·Vorlesung. si~he S.:l.uter, Humboldt und Jl~ J~u(fche Aufkliirung. ;1.<1.0., S. 65-87.
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Zwc:ilC~r
Tdl: t-1umboldlS Gcdächlnis
auch die von E. F. Klein über Naturrecht und von W. v. Dohm über Nationalökonomie) sind nun vor allem die von Engel interessant, und hier noch einmal besonders die Metaphysik.Vorlesung. Engel war seit 1776 Professor 3m Joachimstalcr Gymnasium und lehrte Logik, Ethik und Rhetorik. aber auch PhiJosophiegeschichte und Grammatik. Zum Kontext muß angemerkt werden, daß die Popularphilosophie der Spätaufklärung sich zu dieser Zeit der grundlegenden Kritik Kanu weitgehend nicht öffnete, die kritische Dimension also in den Vorlesungen kaum oder gar nicht zum Tragen kommt. Engel, der als Mitherausgeber und Auror der Aufsatzsammlung Philosoph für die Welt (1775 und 1777 erschienen) einer breiten Öffe.ntlichkeit bekannt geworden ist, sieht seine Aufgabe 1785 duin, eben dieser interessierten Öffentlichkeit das aufklärerische und wissenschaftliche Gedankengut oahezubringen, allerdings bei Wahrung der angemessenen begrifflichen und systematischen Strenge und Genauigkeit. Die kritische Haltung Kafits wird gerade aufgrund ihrer ,unpopulären' subtilen Diklion und unterstellten gedanklichen Dunkelheit und damit u.a. auch wegen der Schwierigkeit ihrer Vermittlung - abgelehm. Gle,ichwohl sind die Vorlesungen Engels auch nicht gerade leichtverständlich und alles andere als eine trockene Abhand.lung diverser systematischer Probleme zu den Themen Logik oder Vemunftlehre (VIl 363405), Me/aphysik (VII 405-459) und Praktische Philosophie (VII 460-464). In der Logik-Vorlesung, die nach ei.ner Einleitung in zwei Teile, einen crsten, betrachtenden Teil und einen zweiten, sehr kurzen ausübenden Teil, gegliedert ist, bietet Engel vor al1em im ersten Tei.l eine wiederum in drei Kapitel gegliedcCle. streng durchgeführte und komplex strukturierte Besprechung zu den Themen ,Begriffe', ,Urtheile und Sätze' (hier hat Humboldt kein Manuskript himertassen) und ,Schlüsse' an. Auf der Grundlage der VernunfLlehre von H. S. Reimarus. die 1766 in dritter Auflage erschienen ist, stellt Engel systematisch vor allem eLoe Lehre von den Begriffen vor, die deudLch macht, welch' wichtige RoUe die theoretische Logik in der rationallstischen Aufklärungsphilosophie spielt. Reimarus' klares und ebenso anspruchsvolles wie verständliches Lehrbuch erleichtert diese Einführung in die Logi.k, die gleichermaßen auch eine in die Erkenntnislehre darstellt. l99 Vor dem sehr kurzen Text zur Vorlesung über die Praktische Philosophie findet sich nun die ausführliche Darstellung der Metaphysik- Vorlesung Engels, ein Umstand, der für Humboldts Interesse an dLesem The-
I'" Vgl. zur Logik- Vorlesung vor ;allem Borsche, SprachanJlcbtm, ter, Humbo/dt und d,e deuuchc Aufklärung, 3.:1.0., S. 50·64.
~.a.O., S. H7+ ISO und S~u·
S. Humboldts Ariswlcles: Biographisch-philologische Passagen
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ma spricht. Engel selbst, der sich in der Metaphysik nach eigener Aussage nicht so sicher fühlte, legte J. G. H. Feders Logik und Metaphysik nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse zugrunde, ein gängiges Handbuch dieser Ze,il (1786 bereits Ln sechster Auflage erschienen), das nach T. Borsches Ansichl eher ..sehr vorsichtig die verschiedenen Lehrmeinungen referiert und im Zwei.felsfall für den gesunden Menschenverstand"2°O plädien und das Engel in Hinblick auf die Auswahl der referiertcn Positionen wesentlich freier verwendete als zuvor Reimarus' Werk bei der Bearbeitung der Logik. In seiner Darstellung jedoch ging er wieder streng systematisch vor. Gleich am Anfang erhalten wir für den hiesigen Zusammenhang die entscheidenden Hinweise. Engel referiert bzw. diskutiert nach einführenden Bemerkungen zur Logik von Möglichkeit und Wirklichkeit ausführlich den Substanzbegriff wie die möglichen unterschiedlichen theoretischen Positionen hierzu. Ausgehend von Fedcrs DarstcIJung201 diskutLcrt er den Ansatz Descartes' und die Konsequenzen im "atheistischen System" (VIJ 409) Spinozas und konfrontiert diese Posilionen mit der Leibnizens. Eine Konfrontation, die hier noch keinen Ausgang in einer Entscheidung für die eine oder andere Seite findet. Vielmehr enthält der kommende Teil ein ganzes Bündel von Begriffen t die nicht nur in der damaligen Ontologie eine wesentliche Rolle spie1en t sondern die, und das ist hier entscheidend, aUe eine lange und wirkungs mächtige aristotelische Tradition haben: So der ,Substanz'-BegriHt die der ,Möglichkeit', .WLrklLchkeit< und .Existenz', in einer späteren Passage die der ,Qualität' und ,Quantität', und schließlich auch an zentraler Stelle der der ,Kraft'. Nun werden alle diese Begriffe zweifelsohne auf ihrem Leibnizschen Hintergrund diskutiert, können aber auch in dieser Diskussion ihren aristotcljsehen Hintergrund kaum verleugnen. Häufig bemerkt Engel bei der DiskussLon dieser Termini. daß sie "zu allgemeine Begriffe (seien, V.W.), als dass sie definin werden könnten" (VU 422). Er geht diesen dann trotzBorsche. Sprachllllsichlen, u.O., S. 1-48. ~l Vgl. .Feder, J. G. I-I.: Logik Jmd M~14pllYS,k. Fra.nkfurt u..1. (S., verm. AufJ.) 178J. Feder definiert hier die Subsunzc:n .1ls ..die: dgemlichen Dinge. im Gegennt'u ,sowohl auf die einzelnen Eigenschahen, die wir in der Vorstellung "bsondern. :tls auf den äussc:rlichen Schein überhaupt, das Phinorncn, oder denjenigen auf un!erc: Erkenntniß"rt sich brzie· henden vt.1'WOrrenen Schrin, worunter das lnnerst~ Absolute und Ursprüngliche sich uns ve.rbirgl- (S. 258). Es folgl die Bespr«hung der Termini ,Nothwendig, l.ufiJli~, vecinder· lieh, unvcrinderlich' (vgl. S. 261.2(4), ,Wesen' (vgl. S. 2604-270). ,Einhe:it, Ordnung. Wahrheil und Vollkommenheil' (vgl. 5.170-273) und schließljch der .Knft' (vgl. S. 273.277). in deren Erörterung cr deutlich "laChi, daß ..du Dunkle, du hiebe)' cin jeder in dem allgemeinen BtgriHe \'on der Kraft bmlerken wird. sich auch (Unul .• U.W.) in dcn Begriffen von den mancherlc)' Arten der Krifle findet" (S. 275).
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200
Zweilcr T('il: I-Iumboldu Gedächlnis
dem nach und es gehört wohl gleichermaßen zu Engels Darstcllungs- wie zu Humboldts Rezeptionsweise, die hist'Orisch-syslcmatischen Zusammenhänge nicht immer deutlich zu machen. Vielmehr werden konträre bzw. ergänzende Positionen für die Diskussion hauptsächlich aus dem Kreis sowohl der englischen (Hame, Hume. Locke) und französischen (Bannet, Buffon, Maupcrtuis). aber auch der deutschen und speziell Berliner AufkJärer (Cochius. Ebcrhard, Lambert, Mcndclsoho. Merian, Planoer und Sulzer) gewonnen. Ich erwähne dies vor allem deswegen, weil hier cin für diese Zeit typisches Rezepuonsmustcr vorliegt, das zwar die aristotelischen Traditionen nicht ausdrücklich erkennbar macht, ihre gedankliche begriffliche Omnipräsenz allerd.ings unbestreitbar ist und für den Rezipienten voraussetzt. In Engels Vortrag sprechen verschiedenste Subtexte mit, von denen einige sichtbar gemacht werden, einige jedoch unsichtbar bleiben. Arisroteles ist einer die,ser unsichtbaren Subtcxte, die hier mitsprechen, aber gleichwohJ bestimmend sind. Ein Blick in das Handbuch Feders bestätigt dies. 102 Hier wird nämlich AristoteIes eine grögere Rolle zugeschrieben, a.ls dies in Engels Vortrag zum Ausdruck kommt. Das Buch ist in zwei große Teile gegliedert, den der Logik und den der Metaphysik..Feder bespricht systematisch die beiden Problemfelder und bieter neben neuen und nicht mehr ganz so neuen Positionen vor allem eine eigene Darstellung der heide.n TheOlenbcreiche an, die sieh an den ph,ilosophischcn Problemen und der systematischen Darstellung von Standards orientiert und eben nicht an der Abarbeitung von als historisch gekennzeichneten Positionen. $0 wird in der Logik auf über 200 Seiten zuniichst eine systematische Darstellung offeriert, der anschließende Abriß zur "Geschichte der Logik"lOJ umJaßt gerade einmal JO Seiten, Ähnlich verhält es sich im Metaphysik-Teil des Handbuches. Nach gut 170 Seiten systematischer Darstellung findet sich ein eher spärLicher Abriß zur ..Geschichte der Metaphysik"l004 von knapp sieben Seiten, der lapidar mit der Feststellung des § 7 endet: "Die Bestimmung der Metaphysik ist noch immer ungewiß geblieben"2os. Feder ist hier ganz offensichtlich auf eine philosophie-historische Legitimation seiner systcma· tischen Srudien bedacht, eine wirkliche Rolle spielt die historische Dimension jedoch nicht. TrotzdcOllohnt sich ein Blick in diese wenigen Seiten. Hier ist nämlich ArislOteles nicht nur der einzige, dem ein einzelner der sieben ParagraVgJ. Fl,.-der. Logik ,md M~laphysik. u.o. ~ Fl-dcr. Logik und Met<2phYfik. :11.3.0.• $. 134ff. lOf Foocr, Logik und M~taphYjik, 2.2.0., $. -417--425. lO5 Feder, Logik und Metaphysik, u.O., S. 425. lOJ
5. I-Iumboldts Aristotdts:
Biographisch-philolo~ischt:Pusagl.'J\
201
phen gewidmet ist. er nimmt auch von den sieben Seiten allein eine einzige in Anspruch. Don heißt es: "Materialien zu einer Wissenschaft, in welcher der Geist des Philosophen durc.h den sinnlichen Schein auf die Grundbeschafftnheiten und Grundkräfte der Narur, auf die Ovtro; OVtQ, eindringen sollte, in welcher unteßucht werden sollte, W:lS bey dtr bestäncLigen Cin::ulation der Materie, die Dinge bey ihrem Wesen erhielte; in welcher also der Grund aller Wissenschaft ent· decket und befestiget, in welcher die Grundbegriffe de5 menschlichen Den· kens erörden werden solhC'n - Zu die5er Wissenschaft war bereits reicher Stof vorhanden; als Valer AriSlotdes kam. und das System schuf"n.
Aristoteles wird damit als bedeutender Gründer der Disziplin, als Syslcmgrunder und -fundierer ge,kennzeichnet, eine Wertung, die durchaus in das Bild paßt.. das Humboldt von dem athcnischen Philosophen in diesen Jahrcn entwickelt und später dann in der gezeigten Weise ausbildet. Dies alles deutet darauf hin, daß die Philosophie des Aristoteles in Engels Vorlesung eine selbstverständliche Rolle gespielt hat. Humboldt hat diese Anteile womöglich enrweder von Engels nicht gehört oder eben nicht aufgeschrieben. Gekannt haben wird er die Zusammenhänge indes sehr wohl, denn das Nacharbeiten des Vortrages mit Hilfe des Federsehen Handbuches hat Humboldt auch Dinge studieren bzw. Kenntnis davon nehmen lassen, die nicht explizit Thema der Veranstaltung waren. Dies wird auch plausibel, wenn man Engels Bedachtsamkeit auf begriffliche Genauigkeit bedenkt, denn die immer noch gängige Metaphysik Leibniz.enz und WolHs bietet für eine solche Begriffsschulung nach Feder nun gerade keine stabile Grundlage: "Aus Leibniuos Ideen schuf Wolf das vollstindige System. Man müßte frey. lieh vom Vorurtheil sehr verblendet seyn, wt'nn man nicht den Haupdehler dieses Systems bald gewahr werden sollte, daß zu viel auf willkührliche oder schwankende Begriffe gebaut, und daher manches, so anfangs bewiesen scheint, im Grunde nicht bewiesen i5t"]07.
Fedcrs Urteil über AristoteIes ist in dieser Hinsicht wesentlich besser aus-
gefallen. Für eine zwar subkutane, dennoch wichtige Rolle des Aristoteles in Engels Vorlesung sprechen auch die heiden auf den ersten Blick eher randständigen SteUen, in denen explizit auf AristoteIes rekurriert wird. So argumentiert Engel im Kontext der ,Ursache-Wirkung' Diskussion: "Etwas Ewiges, und zugleich Geschaffenes ist unmöglich. Denn was geschaf. fen ist, mws einen Anfang haben, und was einen Anfang hat,luno nicht ewig z:. FWtT. Logik :C1 FWff, Logik
IInJ M~r4physik. a.a.O.• IInJ
S. 42Q.-411. M~t.ApbYlik, a..a.O.. S. 424,
202
Zwdu:r Teil: Humboldts Gedächtnis
sein. Ich weiss daher nicht, was Aristotdes meint, wenn cr sagt: die Weh ist ewig, aber ewig von Gon gewirkt" (VII 416).
Aristotc.1es ist selbstverständlich präsent, und wenn es nur im explizitcn Ausschluß einer kritischen Auseinandersetzung ist. lOl Dies wiederum änden sich in einer späteren Passage. Engel diskutiert zunächst - und dies macht den eigentlichen systematischen Kern der Vorlesung aus - die Lcibnizsche Monadologie209 und kommt dann über die Somatologie zur Pneumatologie. umer deren TItel die Seelenlehre diskutien wird. Ln der auch im damaligen KomeXt: weiterhin virulenten Frage "Ist unsre Seele immateriell, oder materiell?" (VII 436) wird dann nach der sokratischen und platonischen Position schließlich der aristotelische Standpunkt mit einem Zitat aus dem erSten Buch von ItEQl. ~'tr.<.ilc; (Aristo· teles referiert und würdigt hier die bisherigen Positionen zur Seelen-Problematik) vorgeführt: .. AristoteIes war der erSte, welcher ihre ImlllllotCrialität deutlich behauptete, und zu beweisen suchle. ,Einige' s:tgt er ,gl:\ubcn, dass die Seele aus Thcilcn bestehe; dass ein lloodrer Theil denke. ein andrer begehre. Aber was ins, das die Seele zusammenhält, wenn es in ihr mehrere Thcile gicbt? Der Körper nicht. Denn die Seele scheint im Gegentheil den Körper zusammenzuh.ahen. Denn, wenn sie ihn verlässt, so verdunstet, und verweset er: 1lO Unter den Nw·Platonikern bat sich Plotin vorzüglich durch einen Beweis für die Immaterialitit der Seele berühmt gWl3cht" (VI14J7).
Diese TextSteIle ist auf den zweiten Blick für Humboldts Aristoteles-Rezeption bedeutender als man denkt. Humboldt bzw. Engel zitieren hier mit lteQL $lT/.i)r; nicht nur einen in der Geschichte des Aristotelismus sehr bedeutenden Text, dieser Text hat auch aufgrund seines Charakters als ,Spätwerk' eine wichtige Besonderheit: Am Anfang des zweiten Buches findet sich eine kurze und knappe, aber dennoch sehr luzide und umfassende Skizze der aristolelischen Omologie in all ihrer - durch die zentralen Begriffe konstituierten - systematischen Komplexität. Aristoteles ist hier, wie dies im zweiten Teil dieser Studie erkennbar werden wird, begrifflich wesentljch eindeutiger und systematisch geschlossener ab bei den entsprechende.n Begriffsdefinitionen in der Metaphysik, in der zum Teil verschiedene Definitionen bzw. Erklärungsmodelle übereinanderliegen :ot
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An ~in~r w~ittrcn - für den syslcrn;ltisch~n Zuurnrnrnhang ch~r unwichtigen - Slcll~ wird ArntOldo a.b PLuon·Raipiem g~nvun (VII J8S·}"). Die Monadologie nimml ;luch in Fcders O;ustcllung c:inCll breiten lUum e:in (vgl. Feder. LogJlt NnJ MnapbYlllc, u.O., S. HJ·JJ7). An dincr Stdlc in in du Vorlesungsmiuehrift e:ine Fußnote e;ogdügt. in tief du Zit201 im Origin:cltnt wicdergq;ebc:n und die TcxcSltllc:u~ \i'IT.6JS: I. 5.1-4 ~ngcgcbc::n wird.
5. Humboldts Aris[ofl.'les: Biogrnpniscn~philolol;iscnr Pasugen
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bzw. sich noch im Werkstatutadium befinden. Es ist - bei Humboldts Interesse am Thema in dieser Zeit - anzunehmen, daß der junge Zuhörer Engels es nicht bei der Kenntnisnahme dieses Zitates belassen, sondern den Text auch in seiner Gänze zur Kenntnis genommen hat. Dafür spricht auc.h die zu Beginn der Vorlerungrpassagen im Rekurs auf Leitzmanns Bemerkung. bei den Vorlesungsmitschriften handele es sich eben nicht nur
um .Kolleg;enhefte" (VII 467), (ormu\;erte FestStellung, daß Humboldt hier durchaus eigenes Te.xtstudium mit eingearbeitet bzw. dies zumindest nebenbei betrieben hat. lII Es ist also der Text Engels und indirekt auch der Humboldts, in dem letzterer das hön und es so ausdrückt, wie er es für richlig und wichtig hält. Damit und unter dem Gesichtspunkt des Textcharakters von 1tEQt ~'uxiir; als spätem, zentrale Gedanken des Stagiritcn synthetisicrenden Werkes, erhalten wir einen prinzipielJ systematischen und auch für Humboldt historisch in Rechnung zu stellenden Hinweis: Um die aristOtelische Metaphysik zu kennen, muß man nicht nur in dieser Zeit nicht unbedingt AristoteIes lesen - auf das Problem der ,Sekundärliteratur' habe ich hingewiesen -, man muß auch nicht unbedingt die Metapbysik lesen, um die Ontologie des Aristoteles zu kennen. Vielmehr ist es sogar einfacher und substantiell vollkommen ausreichend, die zentralen begrifflichen Parameter genau aus dem Text zu entnehmen, mit dem Humboldt hier, nicht einmal 20 Jahre a1~ im Kontext der SeeJenlehre konfrontien wird. Die ontologische Begriffiichkeit des Aristoteles aus dem Text von neet ll'UXiit; zu entnehmen, ist im übrigen eine in dieser Zeit durchaus gängige Vorgehensweise, die auch Leibniz selbst - wenn auch mit ganz anderem Ausgang - wählt. l12 Daß Humboldt indes hier nicht expliziter auf Einzelheiten eingeht bzw. diese ausarbeite~ ist dem Charakter der VorlesungsnUrschrift geschuldet, deren systematischer Angelpunkt ja nun einmal die Leibnizsche Ontologie bzw. deren Weiterentwicklung ist. Daß er jedoch gar nichts vorn aristotelischen Kontext gewußt hat (und daß Engel dies nicht auch zumindest erwähnt hat), obwohl viele der wichtigen Begriffe i.n der Vorlesung eingangs auch noch ge· nannt und expliziert werden, ist nicht nur äußerst unwahrscheinlich, es widerspricht auch Engels breitem philosophiegeschichtlichem Horizont und Humboldts Studiensrrategie in dieser frühen Zeit. Spätestens durch die Engel'sche Vorlesung kommt der junge Humboldt unminelbar und !lI
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Auch F~a zitien im \ibrigen in seinem Kapitd übu die 5lee!('nlehre im ZunmmenJung mit d('r - ,ab5chligjg beschitd('O('n - Klirung der .Einfachheil der denkrndC'n Substanz.... (F~C'r. Logik /lind Mtl#phYlJt. u.Q.• S. 3S3) AriSlou~lts' f)(' 1II"'nIlil (vgl. S. 3S4). EbC'n, T.: .EnldC'ChiC' und Mon"dC'. BC'mC'rkungC'n zum Gwnuch C'ines wstotdischC'o Begriffs bci Leibniz..... ln: Wicsner.j. (Hf$g.): ..... ri.uOl('/C'$. W"k /lind WlThng. 2. Bde. 8C'rlin U.1. 1~87. 2. Bd. $. 560-S83, hier: S. 567.
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ZW('ilcr Teil: HumboldtJ Gfilächtni3'
mittelbar mit aristotelischer Ontologie in Berührung. eine Vorlesung. die auch durch ihre zahlreichen Subtexlc im gedanklich-architektonischen Sinne das Attribut ,überdacht' verdient. Ein ergänzendes Wort muß noch zur Stellung des Leibnizschcn Systems in dieser Vorlesung gesagt werden. C. M. Sauler weist darauf hin. daß Engel .. seine Ausführungen zur Monadologie als dem zugrunde gelegccn Welterklärungsmodcll"llJ vor allem auch daz.u dienen, "die Steilung des Menschen im Gesamt'gcfügc"21~ der Wdt zu bestimmen. Sowohl die der Behandlung der Monadologie vorausgehende Klärung der ontologischen BcgriHlic.hkeit wie auch die nachfolgenden Ausführungen zur Körper-Geist-Problcmatik. zur Seelenlehre und zur Kosmologie sind in dieser Hinsicht funktional. Saute.r führt nun weiter aus, daß Engel von der Le,ibnizschen Lehre durchaus abwe,icht~ also nicht die Monadologie einfach rcferien~ sondern kritisiert und in seinem Sinne weiterentwickelt. So stelle Engel beispielsweise fest, daß ..alle Substanzen Kräfte s i n d (Umst.. U.W.)" und daß ..Substanz und Kraft (...) unzertrennliche Begriffe" sind (VII 413), für Lcibniz hingegen sei ..das die Kraft Fundierende die Substanz· zu . Dieser Umerschied ist über die logische Differenz hin.aus folgenreicher, als man zunächst annehmen möchte. Da bei Leibniz dje SubSf,anz se/bft durch ihren Werdecharakter gekennzeichnet ist, wird sie dieses privilegienen Status als .. einf.aches~ unteilbares, selbständiges und vollständig bestimmtes Wescn"216 nun gleichsam durch die Parallelisierung mit der Kraft und den damit begründeten gegenseitigen Bedingungskontcxt prinz.ipiell voneinander unabhängigen Entitäten beraubt. 21 ? Sauter stellt fest: .Mit der Gleichsetzung von SubSUn2 und Kraft dagegen wird der Ansatz der Substanz als Wcrdegesen vcrschuneL Zu konsulieren ist hier in Engels Meuphysikvorlesung die Aufgabe des emdechialen Grundzugs der Monade und damit eines wesenLlich~ Momentes des Lc.ibniz.schen Subsl'anzbegriHes"21 .
Während demgegenüber in Humboldts Mi[schrift ..die Kraft als eine Eigenschaü an (Herv., U.W.) einem Ding vorgestellt" wird, dessen Wegfall zwar dem Ding seine Ausrichrung nimmt, nicht aber seine Existenz"ll'l. geht das integrierte Leibnizsche Modell davon aus. daß das damit "angem Sautn, Uumboldl "nd d,~ J(,Huchr AufkLirHng. u.O.• S. 65. l!' Ebd. m SaUleT. Humbuld, und d,e deutsth~ A,uflrlarHng, ...a.Q.• S. 67. 11. Ebd. 111 Vgl. zu diesem Problem ,luch Fedtr, LogIk u1Id Mttllpl'Jsik, u.O.• S. 279-180. :zu SaUltr. I-lumbolJt und di~ de,mch~ Aufkläru"g• .I,a.O.• S. 67. !19 Ebd.
i. HUlllboldl~ Ar;sIOlflcs: Biographisch-philologische Passagen
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sprochene teleologische Moment (...) der Substanz (...) inhärent ist, genaucr: sie (die Substanz, U.W.) ist als diese Entelechie bcsrimmr"no. Unzweifelhaft rührt Engels DarsteUung bzw. Humboldts Rezeption dieser Darstellung nicht nur an den Grundfesten des Leibnizschen ModeUs, hier sind auch fundamentale Aspekte aristotelischer Ontologie angesprochen. l2l Ich gehe hier nicht weiter auf diese spezielle Problematik l.!O
Ebd.
L'1
ZU dC'n Modiftkaliorn:n dl.'T aO$totdischm Tammologie durch Lcibniz hat T. Eben in seiner tudie ..Enldechie und Monade. Bemerkungen l.um Gebnu h ctnes .lrUtOidischen Beßrirrs bd Lcibniz". u.O.• \'omehmlich ",nh.and des 8ospicl) der Entclcchie Sltllung gtnommen. Eben S1~h l.unichn feu, d..ß ..,Entelechie' (...) ein« der liu~1 ut (Unut.. U.W.). die Ldbni:r den tinf.achen Subsunzen seiner Mmphysik gibt" (5. 360). Weittr fühn tr aus: .Oer Begriff der EmdechiC' t.rl.aubt "ihm (Lcibnil., V.W.). sich sowohl von ~lem Begriff dC'r dc. 21$ durch UtWUßlsC'i n tharaktcrisicrte res cogitans, wie ihn dir: Cme.(ianer Ycrtreu~n (",), als auch V(ln .!tm Sc:e1('ob~ ..iff der 2rislotdisch·schol.tstisd,en Tradition und ihrer Smfllng va" ~nima v('g... t~liv.1. ~nsitiY1l und inlcllccliva abz.usetzen. Dit Emelce.hie .soll. wie die Sedt der aristolC'lisch-.scholastischen Traditioo. ein Lchensprinz.ip (principc.' "in!) scin. ohne doch .auf bdebte Körper im Sinnc dimrTrMlition. d.h. ~uf sokhe. die durdt lIhrungnufDmmco und Wachstum char:tkterisien sind. eingeschra.nkl zu sein. Ger:tde weil der ß~riff der Entdechit so ...t>.nig spcx.ifisch und, ,edenf.alJ) in drm VC'rsl:ändnis.
206
Zweiter Teil: Humboldl5 Ccdädu.Ilis
und auch ähnlich gelagerte differentielle Punkte ein, um den nachfolgenden Klärungen nicht vorzugreifen. Es ist aber wichtig festzustellen. daß Humboldt in der Metaphysik-Vorlesung Engels nicht mit der ,reinen' Leibni7...5chen Lehre konfrontiert wird, ja eigentlich in dieser Hinsicht mit gar keiner ,reinen' Lehre. sondern mit Komexruierungen und Vcrmiulungsprozcssen Engels. die den ,überdachten; Text zur Metaphysik als ein differenzierr geschichtetes Konglomerat unterschiedlichster sichtbar gemachter Ansätze und weitgehend unsichtbar bleibender SubtClC(C erscheinen lassen. So ist denn auch die in der Vorlesung ..zu Tage tretende gra· vierende und folgenreiche Differenz zu Lcibniz' Begriff der Monade (...) Resultat der Modifikationen, die Engel in Anlehnung an Wolff an dem Leihnizschen SubstanZ· und Krafthegriff vorgenommen hat" m . Engel drückt Lcihniz also schon einmal mindestens durch den Wolffschen Transformationsfilter, was u.a. die beschriebenen Konsequenzen bewirkt und chara.ktcristisch für den gan7.en Text ist. lll Daß dies j«loch so ist, ist für die Klärung unseres Zusammenhangs ein wichtiger Hinweis. Es bedeutet nämlich U.3., daß die teilweise so apodiktisch ausfallenden Urteile, ob die richtige Definition des .Energeja'-Begriffs Humboldrs von dessen philosophischer Vorbildung her nun eher in einer eindeutig Leibnh~schen oder eindeutig aristotelischen Tradition 7.ll suchen sei, z.umindesl mit dem Instrumentarium begriffsgeschichLlicher und biographischer Provenienz kaum zu fällen sind. Erst in der Rekonstruktion im Text Humholdts selbst ist hier eine Eindeutigkeit zu erkennen. die sich aus der Zwangsläufigkeit der dem Text inhärenten Theorieentwicklung ergibt.
5.6 Zusammenfassung Die Unrcrsuchung zu Humboldu Aristoceles endel an dieser Stelle. Es ist im Durchgang durch die Passagen eine Fülle von präzise belegbarem Be· weismaterial, von plastischen Beispielen und unsicheren Spuren zum Pro· blem vorgelegt worden, die alle auf eines hindeuten: AriSlOle!es spielt im Denken Wilhe.lm von Humboldts eine wesentliche, gleichwohl aber auch m SlutU. Hllmbo/dl lind J,~ J('1I1KM AII/1tlflrlmg. 1.1.0.• S. 68. m Zur lkdt'Ulung Lcihniuns fur di~ Erk~n"tru.slchrc des KhlUhnt~n J1hrhund~m \'gl. beSöndc'n Barsche:. pr.IChannchun. 1.1.0.. S. 156·170. Dorsche: 7.cigt dirs~ Bedeutung CU!lang dcrSchrift McJlIfllUJnCJ Jt: CoglJltu:lllC, Vt"nwl' Cl Mro luft dic I.cibnit 1684 crstm11s in An" ErHJitorum ,·uo(fcntlichtc.
5. HumbolJts Aristott:les: Biographisch-philologische Pitssagr.ß
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häufig verdecktC' Rolle. leh fasse die wichtigsten sechs Punkte noch einmal zusammen: (1) Humboldt kennt von Aristotcles mindestens folgende Tcxte: Zunächst die Poetik, die er sich in weiten Teilen durch gründliches Studium erarbeitet hat. Weiterhin kennt Humboldt die Texte der Rhetorik, der Politik, der Nikomachischen Ethik, von De anima und auch die sprachtheoreösche Schrift De interpretarione in unterschiedlicher lmeosität. Da Humboldt in seiner Bibliothek in Tegel über eine Ausgabe sämtlicher Werke verfügt, sind ihm auch die anderen Schriften ungehindert zugänglich. Aber bereits mit den aufgeführten Schriften kennt Humboldt ein breites Spektrum aristOtelischen Denkens, weil das Themenspektrum gerade dieser Schriften weit über die engere Besprechung der jeweiligen wissenschaftlichen Einzc1fragcn hinausgeht. (2) Für Humboldt ist Aristoteies die Personifizierung der ,Wissenschaft' schlechthin, und zwar verstanden als nüchternes, rationales und vorurteilsfreies Unternehmen. Dies ist. nicht Humboldts Bild der Wissenschaft. Trotzdem ist diese ,Wissenschaft' das aristotelische Ideal, das neben dem anderen (griechischen) Ideal d.er schönen und wahren Dichtung wie selbstverständlich bestehen kann und besteht, ohne jedoch in gleicher Weise enthusiastisch überhöht zu werden. Humboldt verehrt die griechischen Dichter emphatisch, Aris[Qteles und das, wofür er stellvertretend einsteht, rational. Der athenische Philosoph, der grof~e Mann, wird deswegen u.a. als ungriechisch bezeichnet, weil er der alle Grenzen und Zeiten überschreitende Stifter und systematische Begründer der Philosophie und der Einzelwissenschaften schlechthin ist. (3) Dem Respekt vor dem Stagiriten korrespondiert ei.ne Haltung, die dessen Denken ei.ne hohe Bedeutsamkcit für die abendländische Geistesgeschichte und auch für Humboldt unterstellt. Gerade weil Aristoteles der Begründer der abendländischen ,Wissenschaft' ist, sind die thematischen Kontexte, in denen Humboldt dieses Denken akquiriert, ausgesprochen anspruchsvolle und inhaltlich zentrale Kontexte. selbst dann, wenn Humboldt diesen hohen Anspruch durch seine je weilige Rezeprionsstratcgie n.icht immer gleichermaßen einlösen kann. Aristoteles wird in jedem Fall als hohe Autorität anerkannt. (4) Aufgrund seines Aristotcles-Bildes als des ,Archeryps' des alles fun dierenden ,Wissenschaftlers' ist es Humboldt trotz der Bedeutsamkeitsoption möglich, reflexive Distanz zu wahren. Scin Umgang mit den Texten ist sachlich, voruneilsfrei und von hoher analytischer Schärfe. Humboldt nimmt den ,Wissenschaftler' - eine .Fehlinterpretation des großen Mannes durchaus fürchtend - als solchen ernst und 4
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Zweiter Teil: Humbofdu Gt.-dächlnis
schaut lieber zweimaJ hin, bevor cr ein Urteil über Aristotelcs oder eines seiner Theoreme ungeptiift posrulierr und weitergibt. (5) Systematisch bleibt Humboldt in seiner Aristotelcs-Rezeprion in wei[cn (inhaldjchcn) Teilen und über weite (systematische) Strecken den diesbezüglichen Rezeptionsdisparitäten des 17., 18. und 19. Jahrhunderts verhaftet. Auch ist seine Rezeption von sehr unterschiedlicher gedanklicher u.nd philologischer Qualität und Intensität. Über das 19. Jahrhundert weit hinaus weist dann die Verwendung aristotelischer Ontologie in der Kawi-Einleitung, in der Humholdt in der parallelen Theorieenrwicklung zweier ,Systeme' eine geradezu wegweisende und bislang k
6. Humboldts Erben: Chronologie zum unaufhaltsamen Aufstieg eines Allgemeinplatzes
Als Zukunftsperspektive von Humboldts Gedächtnis steht nun das im Blickfeld, was aus Humboldts Rezeption des Aristoteies wiederum von Dritten aufgenommen bzw. genutzt wurde. Hier ist natürlich vor allem das .Energeia'-Dikrum zu nennen, das nicht nur eine in der HumboldtRezeption einziganige Übernahmegeschichte im doppelten Sinne erlebt hat und bis heute erlebt. Nur selten sonst i.n der Geistesgeschichte im all· gemeinen und in der Historie einzelner- zumallheorclischer bzw. philosophischer - Termini im besonderen hat sich eine Vielzahl solcher unterschiedlichen Interpretationen anhand eines cinze.lnen Begriffes gebildet wie in diesem spektakulären Fall. Drei Grunde mögen für den unaufhaltsamen Aufstieg dieses Dikrums in besonderer Weise verantwortlich sein: (I) Wie die Rekonstruktionen Humboldts offensichtlich gemacht haben, in die Humboldtsche Sprachtheorie bis weil' in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nur selten in zufriedenstelIender Weise nachvollzogen worden. Eigentlich herrschte über lange Strecken bezüglich der entscheidenden Theoreme mehr Unsicherheit als Gewißheit, ein Umstand, der zur Rezeption von vermeintlich Griffigem, zur Mystifizierung des Inkommensurablen und zum theoretischen Plagiat von als zentral unterstellten Formeln besonders einlädt. (2) Das Diktum selbst stellt einen auf den ersten Blic.k sehr breiten und weiten Interpretationsspielraum zur Verfügung. Es erklärt sich nicht unbedingt aus seinem näheren textlichen Umfeld, in dem es plazicn ist, sondern steht, als Explikation des an dieser Stelle sonst nic.ht Explizierten, zunächst einmal isolien da und bezieht sich scheinbar auf eine Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte. (3) Humboldt steht mit Hamann und Herder am Anfang einer wissenschaftlichen Entwicklung. die die Sprache zum alles fundierenden und alles revidierenden Phänomen menschlichen Denkens und Handelns ausbauen wird, ja die das menschliche Sein vollkommen neu bestimmen sollte. In diesem wissenschaftlichen Zeitraum sind Ansätze besonders gefragt, die einen Anknüpfungspunkt für die eigene Theorieenrwicklung bieten, damit sich dann wiederum der wissenschaftsgeschichtlichen Aufgabensituation gestellt werden kann: legicimarori-
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Zweiter Teil: HumboldlS Gedächtnis
sehe Fundierung als sysrcmalische Gefahrenminderung wäre hier das Stichwort. Humboldts Erbe'l beginnen daher unweigerlich und mit Gewißheit gegen Humholdts sprachtheoretische Absicht (dessen wirku.ngsgeschichtlichc
Option ist sicher wesentlich bescheidener ausgefallen), das ,Energeia'Diktum zu einem Meilenstein der Wissenschaftsgcschichtc auszubauen, weswegen an dieser Stelle eine Chronologie dieses ebenso beispiellosen wie unauj7Jaltsamen Aufstieges eines Al/gemeinplatzes versucht werden
soll. tndes ist die weitläufige Nutzung des Diktums nicht durchweg negativ zu sehen. Vielmehr besticht eine Vielzahl der Interpretationen durch hohe Kreativität und Produktivität der aus diesen entwickelten Ansätze. Allerdings führen sie - und dies soU hier als ein entscheidendes Kriterium definiert sein - oft eher von Hurnboldt weg :tls zu ihm hin, dagegen eigentlieb selten - und dann auch nur in Einzelfragen - wirklich über ihn hinaus. L. JOSt, der mit seiner Studie Sprache als Werk und wirkende Kraft. Ein Beitrag zur Geschichte tlnd Kritik der energelischen Sprachatlffassung seit Wilhelm von Htlmboldtll~ neben Di Cesare den anderen der beiden wichtigen wissenscha.ftlichen Bciträge zur ,Energeia'-Problematik bei Humboldt geleistet hat, formuliert dies folgcndcrmaßen: nBeim Lescn neuerer sprachphilosophischer Literatur gewinnt man oft den Ei.ndruck, man sci in der Bestimmung des Wesens der Sprache. abgesehen von verfeinerten und methodischeren Beweisführungen, grundsätz.lich kaum über Humboldl hinausgekommen"225. Dies hat g:J.nz offensichtlich wescnliich auch mit der Fehlinterpretation bzw. Stagnation in der Aufklärung des ,Energeia'-Diktums zu tun, denn, so Jost, nein seither erzielter Fortschrin müßte sich ge.rade auch an der Interpretation des Ergon-Energeia-Satzes zeigen, da die damit erfaßten Probleme den ganzen Kreis grundsätzlicher Fragen der Sprachphilosophie betrcffen"lZ6. Ich setze zur Prüfung der nuo folgenden Ansätze an dieser Stelle die in der Einleittlng angeführte onrologische Inlerpretation des ,Energcia'-Diktums als Grundlage für eine Kenndichmachung und Bewertung der verschiedenen Positionen vorauS und verwende diese mir dem Anspruch, da!! sie als aristotelische Inrerpretationsvarianre diejenige ist, die Humboldts Verständnis nicht nur Olm Rande, sondern mitten ins Zentrum trifft. Dies allerdings um den Preis, daß es nach dieser Bestimmung und den daraus HO
Vgl.Jost. L.: Spmcbt" alJ Werk Imd wlrkmJe Kraft. Ein Bt'ltrtfg zur Gesd)ldm' smJ Knlik
der tf1ergtl;sdu!I/ Sprachauffassullg seit Wi/lJe/m TIlm Numboltlt. Bt'rn 1960. lD Jo.~l, Spra(b~ah \Verk u"dwirlttmdt Kraft, :1.,1.0., S, 81. 116 Ebd.
6. Humboldu ErbeIl: Chronologie zum Aufstieg eines Allgcmeinplonzcs
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folgenden sprachtheoretischen Konsequenzen nicht mehr so einfach weiterverwendet werden kann. Vielmehr müßte sich der Rezipient fragen lassen (und ich verkehre damit JOSts Argument in sein noch konsequenzenreicheres Gegenteil), was es nach der Humboldt gemäßen Interpretation eigentlich noch sprachlheoretisch fundamental Neues zu sagen gibt. Das Erinnerungsformat des .Energeia'-Dikcums würde sich in dieser Hinsicht seihst als Immunsystem gegen allzu produktive SeJhsrvcrständlichkeit seiner cige_nen Verwendung erweisen. Die Weiterentwicklung der sprachtheoretischen PerspektJve nach Humboldt zeigt sich in dieser Sicht als sehr viel schwierigeres und mühseligeres Unterfangen, als es die nun nachstehenden Ansätze vermuten lassen, und nur selten ist dies im 20. Jahrhundert wirklich gelungen, Am Ende der nachfolgenden und notwendig nicht vollständigen Liste (eine solche Liste ist bei der Fülle des Materials nahezu uncrstellbar) wird au.fgrund der verschiedenen Ansätze versucht, aus ihnen eine offene Typologie der ,Energeia'-Rezeptionen zu kondensieren. Trotz der quanritativen Unvollständigkeit repräsentiert die in sechs Etappen gegliederte Chronologie die ganze Bandbreite des möglichen Interpretationsspielraums, eine Tatsache, die bei der Sichtung der einzelnen Entwürfe über die Spanne der Humboldt-Forschung hinweg alsbald faßbar werden wird. Die Ordnung folgt nur i.n groben Zügen, nicht jedoch in allen Einzelfällen einer chronologischen Systematik. Wo die Ansätze und deren Interpretation dies ratsam erscheinen ließen, wurde das historische Ordnungsschema zugunsten personeller, systematischer und editorischer Verknüpfungen und der Sichtbarmachung von Traditionslinien zurückgestellt.
6.1 Positionen von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Nimmt man für die Entstehung des ,Energeia'-Diktums die ErsteUungszeit der Kawi-Einleitung von 1830-1835 an, so vergehen gut 10 Jahre, bis Humboldts Vokabel bewußt in die Rezeptionsgeschichte eintritt211 , und ~
Zur Interpretation F. K. Beckers, dit' 1.eitlich wohl noch \lor der Sleimhals Iit'gt, jedoch wissenschaltSRcSchichtlich und systematisch wenig !x.mcrkenswc:rt ist. merkt JOSI mit Blick Juf dc:n eng .Ion l-luml>Qldt selbst orientierten Anntz ;In: ~ Wenn Humboldt und Becker d:tssdbe ngen, iSI cs tatsächlich nicht dasselbe'" OOst, Sprachr II/S \Verk Imd udr kenJe Kr4ft. a..:I.O.• S. R7), und dies. obwohl ßecker ohnc I'roblcme Epigonc" (ebd.) be1.eichnet werden bnn. - Auf die Verknupfung. daß die ,Energcia'·Raeption Steimhals 1848 bereils auf die Nennung des Diktums durch den Ruge-Schüler M. Schaslcr ,illtwortel, 4
w ..
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ZWcllC'r Teil; Humboldts Ge
am Anfang dieser Rezeprionsgcschichrc steht eine der vielleicht besten In-
terpretationen, dlC das ,Energeia'·Diktum je erfahren hal. 228 H. Srcinthal, der in seiner Schrift Die Sprachwissenschaft Wi/h. v. H umboldt's und die Hegel'sche Philosopbiel'l'J von 1848 zunächst nahezu prophetisch warm: "Humboldt hat kei.nc feststehenden Formeln. die man sich aneignen, mit einer gewissen Geschicklichkeit handhaben könnte, ohne dass man ihren wahren Geist erfasse hat"'Z)O, iSl dann auch mit der explizitc.n Verwendung des ,Energeia'-Dikrums eher zurückhaltend. Zunächst zitiert er einfach die Humboldtsche Texrpassage, di,c ich an dieser Stelle noch einmal wiederhole. um das Verständnis der verschiedenen Imerprctarionsansätze am Original HumboldtS transparem messen zu können. Sreimhal 7itien Humboldt (und man achre auf die Hervorhebungen und Auslassungen des ersteren): .,.Die Sprdcbe in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst ist etwas beständig und in jedem Augenblick Vo r übe rg e h t n d es .... Sie ist kein Werk (Ergon), son· dern eine Thätigkeit (Energeia).... Die Sprache als eine A rb e i t des Geis t es zu bezeichnen, ist schon darum ein vollkommen richtiger und adaquatCf Ausdruck, weil sich das Dasein des Geistes überhaupt nur in Thätigkeit und als solche Denken liisst"m.
Stcinthal imeressiert sich also vor allem für deo Entwic.klungscharakrer der Spracharbeit. Daher folgt auch keine explizite ,Energeia'-Imerprclalion, vielmehr sucht Steinthai weitere Texrstellen Humboldts und systematischc Kontextc 3US, die eben dieses Erkennrnisintcrcsse weiterführen. Eine solche Vorgehcnsweise ist zunächst eine durchaus Humboldrschc Erklärungsvariantc, der ja selbst in der vorgeführten Texrstelle aus der KIZwi-Einleiturzg vor plakativen Ausdeu[Ungen eher zurückschreckt. Damir wäre Steinthais ,Energeia'-Definirion, die im Kern nicht mehr ist als die Hervorhebung von ihm als zentral erach[c[er Termini, zunächst einmal der dies 1847 in seiner S[Udj~ Die Elemc!Ul' dl'r phl/o10ph;1chm SprachwU$t'nid)(~!, \Vil-
hdm 1/on HNmbolt/u, aUi il!;lIem It'l'rkt': Ober dlt, V~rrchll~denht'it Jn mellSch/iehen Spraehbalft'f untl ilm:n EinfluiJ dU! Jit' gMtlgt' Entwiekl'bmg du Mmuht'ngc1chltdm, In 1Y1U/1IlI(ücht.'r Entwickelung dargt'm:/J/ ,md kritiKh erlä.uurt. Berlin 1847, nennt, weist M. Riedel hin (vgl. Riedd, M.: Hören ANf Jie Sprl'chr. Die "krodmatuche DimUlSioll der HmnnltHtik. Fn.nkfun am Main Im. S. 61, Anm. 26). UI Vj;l. l.ur 11lIerpret'lllion des Encq;ei;t-S:lIZt"S von $leilllh:ll bis in die Mine dieses J;;!.hrhundem ;lUch die DUSleJlung von JOSt. Spracht' "lI Wt'rk und wirkent/(' Kraft, :1 .... 0 .. S. 81~ 134.
m Steinth:ll. H.: Die Sprachwii~mch4t Wilh. tI. H,tmboldl 'slInJ Jie Hegt/'lebt' PhiloJOph/f!. Bulin (Nachdruck Hild~sheim, Ncw York 1971) 18"8. lJO Sleinthal, Dil' Sprachwme"scbil{' Humbald/ 's, a.<\.O., S. ) I. m Zit. n;o.ch Sttinlhal, Dit' SprachwiJS~tlfcha{t HumboIJt'$, 3..;1.0., S. 61.
6. I-lurnboldts Erben: Chronologie zum Aufnieg eines AJlgemeinpLuzes
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abgeschlossen und man könnte mit D. Di Cesare zu dem Schluß kommen, daß hier, in der Hcgel-Srudie von 1848, ..der EvtQyua-Satz die zentrale Rolle nicht"2Jl spielt. Geht man aber nicht nur den expliziten, sondern auch den impliziten Hinweisen auf den gerade aristotelischen Erklärungskomext nach, ergibt sich jedoch ein vollkommen anderes Bild. Besonders plastisch wird dies im Zusammenhang der Klärung von HegeIs Geisneleologie, in der Steinthai ..das Verhältniss der Hegeischen Philosophie zum Gegenstande des Erkennens etwas näher betrachten"2.H will. 1m Rahmen dieser Klärung merkt Steinthai zunächst an: ..Die Form der Entwicklung des ursprünglichen, göttlichen lnhalts ist die dem reinen Denken inwohnende Form, und die Darlegung diese,r Form ist des reinen Dcnkens eigene Thätigkeit"2J~. Diese TextsteUc ist neben der Einführung des Terminus ,Tätigkeit' nur ein Beispiel dafür, wie zahlreich und auch kritisch bedenkend Steimhal im ganzen Text von 1848 das aristotelische Stoff-Form-Schema anwendet. V $ Aber damit ist seine Verwendung ontoDi CCS:lre, .Die aristotelische Herkunft~, a.a.O.,S. 31, Anm. 4. .!.JJ Steintlt:ll, Die SpYtld'WlueTlu!Ja[t IlumboIJt~, :I.a,O., S. 3, m Steil11h:al, Die SpriJehwliSeTlSduf{t fhtmbQltI, s, a;a,O., S. .ol. m Vg1. dOl.tu auch: ~Im ansch3u~n(len Denktn geschieht die wahre. Versöhnung, indem der Sloff von Anf,mg an durch menschliche, denkende Sinnlichkeit in seiner Wahrhcit erfasst und festgehalu::n wird. Wir schauen du Allgemeine im Be$ondern~ (Steinthai, Di"e Spraehwissemch4t Humbold,'s, ,u.O., S. 18). - .Denn es liegt in ihm in der ThaI eine Doppdseiligkcil, und indem man sagl: die Porm, so ist darin schon: die Formen enrnahen. Die 'Form der Spracllc ist ihre Begrenzung. Die Grenze ;tbcr hat immer eine doppelte Beziehung, eine innerc auf die begrenzte S:lehe und eine äusscre gegen alle anderen S:acllen, VOll denen sie eben abgegrcnzt isl. Die :luSS"cre ist aber von der innerrn durch;lus nichl getrennt, sondern iSI nur die Beziehung immer :l'.weier Grenzen oder zwcier inneren Bez.iehungen \Iuf einolnder. Die innere Beziehung dcr Grenze, ihr(' Beziehung auf d;\" von ihr betrenzle Sac.he, in eine durch.lus in sich einfache. Die Form der Sprache ist nur diese cinfOl.che jnrle~ re Beziehung; oJer die Grcn1.l! der Sprache in ihrer inneren Bel.ichung nennen wir Fonn. In illr liegt die aussere Be7,iehulJg:l.o sich, eingesehJossclJ, noch nicht enrnltel wld oUenbar. Diese lsl immer eine in sich vielfache, weil die Abgrenzung gegen aussen lIidfach ist. Sie ist von jener einf:lehen inneren abllingig, da sie nur die BC2.iehung mehrerer inneren auf einander in, und kann darum nur bestJmnll werden, .....(.nn jene liclton gegeben sind. Alle diese Bcz,khul1gcn liegen :iber in der Einheil der Grenzt. Also treibt die Form, in welcher mehr enthalten iSI, als iri ihr zUl1äehS"l ausge.sprochen liegt, da sie nur innere Bc:t.iclmng der Grelli~e s('in will, dies(' :ib(·r ohne äussere Beziehung g;ar nicht gcdaehl werden kann, unsere Betrachtung über di(' einzelne Sprache hinaus 1.U all ('n Spr;achen, und indem sie.- so di/! Beziehung llller bcs:onderen Spr:lChen zu Stande bringt. nötlugt sie uns, diese alle .lls besondere Formen der allgemeinen Sprachidee oder der Icl« der Sprachvollendung ;lnzuschcn, welche d;lrum nicht zuglcirh Ol.ueh im inneren Gelriebc der Idee zusammenhangslQs sind, weil sIe iusserlich so erscheinen" (S. 77-78). - ~ Wir wollen nun hier sowohl durch Thatsachcn, als auch durch Betrachtungen über die :ltur der Sprache nach Humboldu: Bestimmung(!n zeil:;en, dass eine $()Ieh~ gefordeTie und von M;anchen für die Spil'l.e der SpnchwisseJHehaft gehallene allgemeine Form ein leeres Gcdankendinll i51~ ($. 80). z.l1
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Zweiter Teil: Hum!>Qldts Gt:dächtnis
logischer BcgrifIlichkc.it aristotelischer Provenienz noch lange nicht abgeschlossen. Steinthai merkt weiter an: "Gewiss, wie könnten wir wohl nach der Erkenntniss der ewigen Vernunft streben, wenn wir nicht die Gewissheit hätten. dass wir den Inhalt dieser ewigen Vernunft schon von Urbeginn in uns tragen, aber wohl zu beachten. der Möglichkeit nach! Ja, diese Möglichkeit, die nach ihrer Verwirklichung strebt, ist es allein, die uns zur Erkennrniss treibt; die Möglichkeit muss zur Wirklichkeit werden"ll6.
Mit \'(Ii.rklichkeit und Möglichkeit sticht Ste.inthal hier also ins Zentrum aristotelischer Ontologie und fragt schließlich ebenso provokant wie begriffljch unzweideutig: "W i e bringen wir jene Möglichke.it der Wahrheit in uns zur Energie. zur Wirklichkeit?u2J7 Ocr im 17. und 18. Jahrhundert semantisch äu.ßersl vielschichtig besetzte Begriff der Energie wird hier de.mnach ganz aristotelisch, man möchte in diesem Zusammenhang sagen puritanisch, übersctl.l. In Stcinthals frühem Text ist die zurückhaltende Thematisicrung der .Energeia' demnach i.n eine gar nicht so zurückhahendc Verwendung aristOtelischer Ontologie insgesamt eingebunden. Daß dies im Rahmen der Klärung der Hegeischen Geistphilosophie erfolgt. ist einerseits insofern eine Relativierung der direkten Arisroteles-Rezeption. als ja auch Hegclgerade in der Geistphilosophie - Rezipient des athenischen Philosophen ist und manch begrifflicher Gebrauch Ste.inthals dieser Tatsache geschuldet sein wird.2J 1I Andererseits macht die Vcrorrung dieses begrifflichen MM:ln spm:IH gcwohnlit:h ...on eintm doppelten Elcmtnu.· in dt'r Sprache, welches man, um es 7,unkh$t mit den Olllgemeinn...n Ausdrücken zu bent'nnen, ;als ein inneres und dn ~usse res (,,,), oder J.ls 5tOff und Furm (...) bcstimrnt M(S. 90). - "Die Form der Spnc:he ist also nicht ihre Lautform, M,ndern die Form ist die Schöpfungswc:ise oder Form der Lautfon n . Oder denkt man sich. wie man muss, die LaUlform seIhst als nichts Festes, sondern olls Cl+ WJ.S, deS$t'n Duein nur uarin besteht, immer ... ()II neu~'m für einen AUI;C'nblick ge.schaffl'n zu werden; kun, nimmt m.l1l die Lautform J.ls Laurformung, so hu diese einefScil!> als Form zum Sioff den Ged.\Ilkcninh:llt: andererseilS ab
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6. HumboldlS Erben: Chronolog;(' zum
Auf$ti~
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AlIgl'meinpJnz~
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Komplexes in der Erkenntnistheorie und Geistphilosophie den hohen Stellenwert des lnstrumemariums wie den wissenschaftstheorensch sehr grundsätzlichen und alles weitere bedingenden Anspruch deutlich. Blickt man demnach nicht nur auf den Terminus ,Energeia' selbst, sondern behält seinen theoretischen Kontext von Anfang an im Auge, hat mit diesem Text Steimhals die Energeia-Rezeption von Humboldts Erben ihrensicherlich eher glücklichen und in theoretischer Hinsicht Maßstäbe setzenden - Anfang genommen.J3'i Drei Jahre nach der kontrastiven Studie z.ur Humboldt·Hegel-Beziehung geht Steinthal dann 1851 im Rahmen seiner Untersuchung zum Ursprung der Sprache, im Z"sammenbange mit- den letzten Fragen alles Wissens: E,:ne Darstellurig der Ansicht Wilhelm von H"mboldts~ verglichen mit denen Herders und Hamanns 2J,O genaucr auf das ,Energeia'-Diktum ein. Bereits zu Begi.nn des Humboldt-Kapitels knüpft er an die These, die schon in deI Hegcl-Schrift eine zentrale Rolle spielte. daß die Sprache nämlich einem ständigen Entwicklungsprinzip unterliege, derart an, daß in dieser Perspektive auch eine andere Art von Sprachwissenschaft zu for· dem sei. Steinthal schreibt: .. Daß diese Betrachtung der Sprache als eines Dinges keine Spr.1ehwissenschaft aufkommen ließe, sah Humboldt klar, und so lautet sein erster Satz. dahin (...); die Sprnche ist kein fertiges ruhendes Ding, sondern etwas in jedem Augenblicke Werdendes, Entstehendes und Vergehendes; sie ist nicht (Herv, V.W.) sowohl ein todtes Erzeugtes. als eine fortWährende thäl'ige Erz.eugung, kein Werk, ergon, sondern eine Wirksamkeit, energeia - kurz. Spracbe ist nur Sprechen""2~I.
Steinthai interpretien Humboldt hier gleich doppelt vollkommen richtig. Zunächst wählt er mit ,Wirksamkeit' eine der zentralen und durchaus deo Geha.lt des aristotelischen Terminus treffenden Übersetzungen und geht damit unpriitentiös einen Weg, den viele seiner Nachfolger nicht einhalten lJ'
Auf die im LtibniZSoChen KomCXl bereits diskulir;orlcn Sch:mic:rungel1 des Krah-BC:l;riffcs und wie Humboldt den Begriff dann schließlich in scinl'n sprachtheorerischen Schriften vc:rsu.nden wissCll will, geht StcinrnaJ ebcllhJls ein: • Wir müssen aber MIIll'rken. dass Humboldr unter Kuft, Wl'nn er von gl'istigcr TMr;gkeit spricht, etw;l,S andt'1'6 Versl;l,n· del1 wiuen will, als was man gewöhnlich da.runtt'r versteht, wenn von Naturkräfll'n dil' Rtdc ist, won.l,h die K.r.lfl nur r:ine l'ndlic.he K.ategorie bildel (Sleintbal, Du SpraeJn&issenschuft NHmboldt's. u.O., S, 39). Sleimhal. H.: Dcr Ur-sprung der SpMf'he Im Zusamml'nhllllge mit den lctufm Fragellld/rs Wmens: Eine Darsu//ung Jh' "'tmeht \VI'/hr/m v. Humbo/dts, fJt!rg/icb~" mll de"~!lI-trr d~N uml H"mu,mt. 8erlin (J,. AuO, [Nachdruc.k Hildl'.shdm, Ne....· York 197•. 1. Auf!, J 8511) 1888. Ste;nthal. Dt!t' Unprung der Spr-adJc. u.O. (I. Aufl), S. +-5. M
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Zweiter T~il: Humboldu Gooiidllnis
konnten oder wollten: er arbeitet einfach philologisch sr3([ spekulativ, cin Vorgehen, das im allgemeinen zumindest krassen Mißverständnissen vorbeugen hilft. Aber noch ein anderer, in der Folgezeit häufiger Fehler wird hier nicht gemacht. Steinthai nimmt Humboldt wörtlich und erkenm so dessen zentrale und konstitutive These, daß die Sprache nämlich überhaupt kein ergon, sondern eben nur energeia sei. Genau das in Humholdes aristotelisch geschulte und sprachtheoretisch konsequente Sicht der Dinge. Humboldt will den ,Ergon'-Charakter der Sprache explizit ausschließen, was 5tcimhal hier - wenn auch zunächst um den Preis einer
nicht unproblematischcn Reduktion ganz anderer Art - erkennt und vollkommen zu Recht her3ussucicht. Der Nachsatz, Sprache sei eben nur (akruales) Sprechen, ist in einer vordergründigen Auslegungsweise sicher nicht zutreffend. Humboldt hat in der Kawi-Einleitung diese These wohlweislich mit dem Zusatz "unmittelbar lind streng genommen" (Vli 46) versehen. Es ist also ein umfassenderes Verständnis von Sprechen erforderlich, es muß als menschliche Rede begriffen werden.l~l Das weiß auch Ste.inthal und fährt deswegen fort: "Will man den Ausdruck scharf nehmen, so läßt sich wohl sagen: es gibt k ein e 5 p ra ch e. so wenig wie es Geisl gibt; aber der Mensch spricht, und der Mensch wirkt geistig. Humboldt konnte sich den Geist nichl anders, denn als geistige Thät'igkeit denken, und die Sprache ist ihm die sich e w i g w i ed c rho Iend e Ar bei t cl es G c i stes. den art'iculirte.n but zum Ausdrucke des Gedankens 7.U mal:hen"w.
Wieder, wie zuvor schon in der Hegel-Studie, ist es der tätige Zusammenhang zwischen Sprache und Geist, den Steinthai hie.r als zentralen Angelpunkl anführt. Steimhal diskutiert dann die Konsequenzen, die sich aus einem solchen Sprachverständnis ergeben und ste.Ht in bezug auf die von ihm zu klärende Sprachursprungsfrage fest: "Sobald die Sprache nicht mehr als daseiendcs Material, sondern als Spracherzeugung angesehen wird, kann man nicht fragen. woher das Material? vielmehr ist es der Ursprung der Sprache im Geiste, ihr Zusammenhang mit der gesJmmlen GcistcSlhätigkeit, worauf jetzl. das lmercsse geht. Woher die Sprache? wird gefragt; Antwort: Sprache ist Sprechen, Spracherzeugung, also blol~c Thätigkeit. welche frei in der Tiefe des menschlichen GemÜl.hs CIHspringt" w . Aur dio:,sc T;a.lS~Che II,lI VOr ;allem Barsche in seinen SprachansiclJu'l aufmt.'rksam gemacht. in denen be::rciu im Unl('rlitel die zentrale Stellung des B~gnff' der menscMlChl'll Rede' m d" SpMchplJl/OfuplJlt \Y/ilhrlm 11011 IlumboldtJ hruusgcstelll wird. H' teimhal, Der Unprutl8 der Spraebl', 20.01.0., $.5. 1.' SteintluJ. Der Unprutlg dcr Sprac"~. :1..:1.0., S. 6~7. lH
(,. Humboldts Erbcn:
hronologic zum Auf$ticg cinc$ Allgemeinphll2es
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Ein solches Sprachversrändnis, das dic Sprache (...) ..überhaupt nie h t "1'45 als ..erschaffen"N6 versteht, sondern diese ..weit mehr sei b s lt h ät i gaus der innersten Natur des Menschen hervorbrechen (Umst., U.W.t l " l sieht, zielt dann auJ eine für Humboldt und Steimha.1 zentrale anthropologische Grundkonstante. Die Sprache wird, trotz ihres ,historischen', d.h. immer schon gewesenen, Charakters, den Steinthai folgendermaßen chara.kterisicn: "Ist ;Uso auc.h die Spr:lche nie als Ding aufzufasst:n, sondern als Thätigke:it, so ist sie doch, so wot menschliches Wissen in das Altenhum 2.urückz-eic.hl, immer durch einen schon gebildeten Sprachstoff bedingt, immer nur Wiedererzeugung und Umgestaltung, nicht ursprüngliche Spr:tchschöpfung"!~S,
gleichermaßen, eben weil sie Sprache als Tätigkeit ist, z.um Garanten der menschlichen Freiheit: die freie Tiefe des sprachlichen Gemüts ist die Garantie für die ebenso freie Fülle aller menschlichen Dcnk- und Hand~ lungsmäglichkciten. Stcinthals ,Energeia'-Ausdeutung von 1851, in der dem Diktum im Kontext der Sprachursprungsfrage genau so viel als möglich an ErkJärungspotential zugemutet wird, hat damit dessen aristotelischen Charakter in vielerlei Hinsicht implizit berücksichtigt, vor allem aber Humboldts Intention explizit verstanden. Die darin zum Ausdruck kommende Ausgewogenheit des Steinmaischen Uneils ist in der Rezeptionsgeschichte des Diktums nur noch selten erreicht wordcn 1'49, eine QuaEbd. z"" Ebd.
!d
Ebd. m Steinlh..l, Ocr' UrsprHng drr Sprllchr, a_".O.• S. 8_ l'~ SIei.ntha.lstellt seine Aru:ichlen zur ,EneTßeia'-lnrerprculion allerdings selbst in lrieht mo· difizierl.C'r bz.w. neukomutuicrler Form in den zum Teil f'rheblich ab.....eichenden NcuaunJ.gen df'r Ursprungsschrift erneut du. So in derdrincn, "bcrm"ls crweiterten Aunage \'on 1877, die unter dt'm litl'l Drr Ursprung der Spra(/)t: Im ZHsammrnhangt' mir J('1l Ittzten Fragrn al/cs \{'isuru. fmt Danttlhmg. Kririk Imtl ForuntwicklHng J" 1Jorz;;gJirhswrI Amldm'tl wm Dr. N, SrcimlJilI veröffentlich! wird und in der STC'inthJ.1 seine prin~ zipielle Argumenution zwar bribehilt. sich in der Eindeutigkei[ des Urteils jcdoch crwas zurücknimml und die .Energcia'-PJ.ssagc in die vom bildenden OrgVl des Grd;mkcns einreiht (vgl. S. 61-62). Auch formuliert er im K:l.pitd "Kritik und Foncnlwicklung der J-1umbolduchcn Ansicht" (S. 113-143) ZW;Ar kein dirdlles Dementi, sein IntrrCSK und damit die KomexlweruJlg du DiktumJ hat Sich jedoch ,'on der Ontologi~ in d;~ Psycholo~ gi~ verschOMn: .J-lumbokh wollte dir pr.lche nichl als ein .Ergon' an 'X'crk. fanen, aber er hiiu(' si~ auch nicht sollt.n als t'in W ~ sen fusen: das mit ontok>gischcn Kal~gorien zu bq;reifcn "'irr.. Er hat dir. Spr.aehe - und hier liegt wiwt'r SC!in Verdienst - ~nt' .Enc:q;ria' gt'nannl. eint' ,Arbeit d('s Gt.'iSlCS': dJ.raus lemen wir. dass ihr~ Bn.nchtung in di~ Psychologie grhön" (S. 119). AbgcschOl dJ.\"On, d~ diesn Sinneswandd weniger t.inrr neuen ln[trpret..m on des Diktums als Slcinthals vcrindmrm Inurtssc: in dieser Zeil und scint'm Anlicgt'n, Humbokh weilcn.uC:l1lwickdn, ~ntspringt. erhih man aus Kinc Ikmckung ci-
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Zweiter Teil: Humboldts Ged:ichtni.s
Jitäl, die auch in der folgenden Bemerkung zum Ausdruck kommt, in der die akrualen und geschichtlichen Aspekte, die beide notwendig zur Sprache gehören und die der aristotelisch fundierte Humboldtsche ,Energeia'Begriff integrierend auslül~ dargestellt werden: .die geistige Thätigkcit ist kein Tanz. daß sie vorüberginge ohne C[W3S Bleibendes zurückzulassen; sie ist vielmehr zeugend, schaffend. Und so ist auch die Sprachthätigkeir des Geistes- 1SO zu verstehen, für die SteinthaI schließlich - in vollem Ein· klang mit dem sprachtheoretischen Erinnerungsformat der ,Energeia' feSlstcllr: ..Nur der Einzelne spricht, und dennoch gchän die Sprache nie dem Einzelnen, sondern der Gesammtheit; und eben darum ist die Sprache nur gegenwänig und dennoch Erzcugniß dcr vergangenen Jahrtausende"'!~l.
Der Literaturwissenschaftler R. Haym hat fünf Jahre nach der ersten Ausgabe von Steinthals Studie zur Sprachursprungsfrage im Jahr 1856 und über zehn Jahre nach Schlesiers Erinnerungen an \Vilhelm 'Von H U11Iboldr!Sl von 1845 ei.ne umfassende Biographie des Tegelcr Philosophen vorgelegt. die bis heute - auch in ihren Deutungen das Denken Humboldt betreffend - als Standardwerk gelten kann ..BJ Haym ist ein kompetenter Humboldt-Kenner und hat mit viel wissenschaftlichem Einfühlungsver-
1'10 m
m. m
nen indirekten wichtigen Hinweis: Humboldt. und wohl au h die SlcinUu.IKbe-1nte'T're-latiOiI von 1851. -Jehen du .l:ncrgeta· -Diktum in ei~m genuin ontologiKhrn ZUs,1mmcnhang. Zur Kntik Cassircrs an SteinthaIs, auf Herb.m (ußenden, Appen.eptiDnsps)'eh()I('l~ gie \'gl. JOSt, Sprachr als UI,.,k u"d fl;"kmJr Kraft, .1.",.0.. S. 84. der- in di&m Zusammenhang auch Insgesamt der Frage nlochgq;angen iSI. wie sich uinlhals EneT);eiaIntnpretujon unter dem Eindruck der Psych<:llöt;ie gewandelt hat. Duu stellt CI z-usammcnfaS$l.'.nJ fesl: _Herrn"nn SU'inlhal übernimml lollc wt$C:11I1ichcn Aurrusungc:n !-Ium· boidis und vcn;uchl sie psychologuch zu brgrIiTld~n· (S. 91). Di~ psychologische Deulung dc:s Ergon-Energeia·Satzc:s bestl.'hl JOSIS Meinung n",eh vor lollcm darin, daß .du HaupIgewicht (...) auf die- Untersuchung drr Spr~chljjtI8k~11 gelegt- (cbd.) .....ird: "Dabei wird .11les gClslige Gt'SChchcn "u( dic ps)'chischr Mechanik der Apperzeptionen z-uruckl)cfiihrt(ehd.). JOSI h:ih Sleil1lhlol allerdings 1.UgUIC. d:aß die-ser sich gegen .eim· f:ll~(;he m:l.l('riali· stische PSydlOlogic· (S. n) gewandl h:al. -In dcr ,'ienen, abl:rmals vermehrten. Aunal;l' \/on Stcinth"ls Ursprungsschri(t, die 1888 ulller dem gleichen '!ite! wie die dritte Au~t;"bc (irmiert, ist cbcTlfloll$ die grundsan.liche IlIIerprct';llion \'on IK51 bcibeh'lltcn und wil' in der drilltn AuO"ge durch die TlIesc \'om bildc.nden Oqpn des Gcdankcru kOlllclCtuicrt. Allerdings in in der Textpamgc (cin Indiz daHir. daß $teinlh;t! sie tlOehmlols iihcrdachle) bcssergetrennt, .....as Humboldt.s und was -Jeinc cigcncn Reflexionen sind (vgl. SlelIllhal, H.: D" Unf'Tung dn Sprachr Im ZlIfljmmmhangr mll Jm fttzten Fragrn iJ//('J \tI/JS""'S, [mr DArrrc//ung. Kritik 14",' ForlCnta:,ekbmg dtrfJorzugllC'hstnJ AnSIchten. Bcrlin ,.... looomals erw. Aull. lachdruck HiWdihrim. Ncw York 1974)] IS88. S. 59·60). Steinthal. Orr Unprung J" Spr.zdu. ,L.a..O.. 8Sleinthal Dror Unprllng drr Spr~chr• •.01.0., S. 11. Vgl. Schlc:siu. G.: EnnnC'Tllngrn IIn W. v. IIwmbolJt (1 BJr.). lutlgan ISH/H. l-bym. Wtlhrlm von HumbolJt. ",.",.0.
6. Humboldls Erm-n: Chronologie zum Aufstieg eines Allgemeinpl,1IUS
219
mögen dessen Leben und Werk auf über 600 Seiten dargestellt. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fehh in diesem Buch, das auch als ..eine nuanciene und zutreffende Gesamtdarstellung von Entwicklung, Voraussetzungen, Methoden und Ergebnissen des sprachwissenschaftlichen 2S4 Werkes Humboldts"1S5 gelt'cn kann, eine genuin sprachtheoretische Ausdeutung des ,Energeia'-Dikrums. Es entspricht aber ganz Hayms Stil und zeigt die hohe Qualität des von ihm erstellten Lebembilder und vor allem der Charakteristik Humboldts, daß er statt dessen eine stärke,r anthropologische Einordnung vornimmt, die zwar Humholdts Ansatz in omologischer Richtung verkürzt, diesen in anthropologischer Hinsicht jedoch aufschlußreich kommentiert. So stellt Haym zunächst fest, daß - will man das ..allgemeinste Wesen"ß6 der Sprache beStimmen - man sie als nein Product des intellectuellen Instinctes der Menschcnnatur"151 ansehen muß und sie in dieser Hinsicht wie diese Menschennatur "ewig lebendig"158 ist. Sie ist .. ganz Leben und ewige Gegenwart"2S9, sie ist - Haym zitiert Humboldt - .kein Werk (r Qyov), sondern ein Thätigkeit (tvtgYELCl)"'60. Nun nimmt die Thematisierung des Wesens der Sprache die anthropologische Wende: ..Und zwar ist es der volle und ganze Mensch, welcher in der Sprache energin. Immer wieder kömmt Humboldt auf diesen Punkt zurück und wiederhoh schärft er ein, daß, wenn von einem allgemeinen Sprac.hvermögen die Rede sei, nicht eine isoline Kraft darunter zu verstehen sei, sondern der garo.e Mensch, in der Toulitit seiner Kräfte, sofern dieselben in der Richtung auf Spracheneugung thitig seien"!'l. Haym macht hier nicht nur die anthropologischen Voraussetzungen von Humboldts Sprachbegriff deutlich, er ist auch der erste, der die EnergeiaVokabel zur eigenen Begriffsbildung - hier des Verbums ,energieren' \IerwendeL. Dies wird nicht die letzte solche Schöpfung sein, die von diesem aristotelisch-humboldfSchcn Begriff ausgeht, und Haym stellt hier zweifelsohne eine der besseren Schöpfungen \Ior, erstens, weil sie überzeugend komextuien ist, und zweitens, weil mit der Verbform auch grammatisch das Tätigkeitsmoment der Wortbedeutung umerstricben Besser _ weil unmiß\'erstindlich _ ware C!S gewC'sen, halle Jasl hi('r den Terminus .spr:lIchtheorcllsch' gew~hlt.. m Jas!. Spra.he alt Werk ImJ vl/11umJe Kr
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Haym. Wilhelm 'VOn H.mboIJt. :1..1.0.• S. "96--497.
Zw~jter Teil:
220
Humlx,ldts Gediclnnis
wird. Allerdings ist diese Art des Neologismus niemals ohne Gefahren, wie sich an anderen Ansätzen noch eindrucksvoll zeigen wird. Haym geht noch elllc.n Schritt weiter und bezieht diese anhand des .Energeia<-Dikrums idemifizierte Sprachtätigkeit des Menschen auf dessen prinzipielle Vermiulungstätigkeit und koppelt diese elementare Tätigkeit an das in diesem Falle einmal sinnvoll kontexruierende ,Energie' -MotJv:
.Aus dieser Qudle a~r entspringend. nimmt sie (die Sprache, U.W.) auch Theil an der le~ndigen Energie des: menschlichen Wesens. In ihrer Thitigkeit schmdun dieselben Gegensitze zusammen, dcnm lebensvolle Einheit der Mensch ist.. Der aJlgcmein.ste Ausdruck ihres Seins und Wirkens ist: Ve r-
mittclung"l6l. Für Haym ist die Sprache damit ..theilhabend an der lebendigen Energie des menschlichen Wesens"l6J und als solche nicht nur ..Vermiltlerin zwi· sehen dem Menschen und der Narur"l,,\ sondern auch ..zwischen dem Menschen und dem Menschen"'265. Dan Haym diesen - auf dem ,Ellergeia'-Dikrum fußenden - Begriff von Vermittlung als Integrationsperspektive alle.n menschlichen Seins dann auf die ..Nähe.re Analyse des Sprachverfahrens" 266 bez.ieht. z.eigt, daß er mit diesem VermittlungsbegriH grundlegende Aspeku: der Humboldtschcn Sprachtheorie nicht nur asso-zücrt, sondern identifiziert. So ist Hayms Explikation eines im ,Energcia'Diktum fundierten Verständnisses der ..Genesis der Sprache" Z67, obwohl der ontologische Zusammenhang hier weitgehend verschüttet bleibt, eine gelungene, wenn auch das Potential bei weitem nicht ausschöpfende, Unternehmung der Rczeptionsgeschichte, die i.n der Sprachtheorie die un~ mittelbare systematische Konsequenz ganz.heitlicher Anthropologie eilt· deckt. Noch einmal muß kurz zu H. Steimhal zurückgekehrt werden. In seiner 1883-84 veröffentlichten Humboldt-Ausgabe 2M1 legt Sreinthal großen Wert auf den schon in der Überschrift Form der Sprachen sichtbaren Form-Begriff, dessen wesentliche Erörterung allerdings bei Humboldt auf die .Energc.ia'-Passage erSt folgt. Steinthai diskutiert nun den Form·Begriff intensiv und in dessen Ausprägung der komplementären Stoff-FormW Haym. WJIte'/m von HHmboldt, u ..O., S. 4'17. UJ !l>4
Haym. W'Jht"lm VOll Humboldt. ';1.;1.0.• S. 500. EbJ.
'" Ebd
Ha)·m. WJht.lm WI'I H",mboIJz. a.LO.. S. )OO-S12. ", Haynt, Wdht.lm wn Humboldt• .I.LO.• S. S12.
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Ilumooldt, \"f. ,.•: D,e' lprachphllosophucht.n ~'tTkt' W,/INlm'1 t'On HNmboltir. HNg. und n-Irf,in 'V01I Dr 11. Stt.intha/. Ikrlin 1883-84.
6. Humboldts Erben: Chronologit l.um
Aur$ti~·g
eiTles Allgemeinplatzes
221
Konstellat-ion durchaus auch im aristorelisch-humboldtschen Sinne.269 Er betont den Integrationscharakter der Form270, macht deren unterschiedliche Aspekte als Erscheinung und Gesetzmäßigk.eit kenntlich und betont die daraus resultierende Ambivalenz des Begriffes. 17I Dem folgr eme subtile Zuordnung der Stoff-Farm-Problematik auf die Sprachaspekle, die nicht immer uneingeschränkt den Humboldtschcn Gedanken wiedergibt. Eher renektiert Stein thai selber c(Was freier über den Gegenstand und eröffnel mögliche Interpretationsvarianten.272 leh lasse eine nähere Be· sprechung beiseite, weil sie hier nicht von Relevanz ist, wohl aber hat sie Konsequenzen für die Auslegung des ,Energeia'-Dikrums. Da Stcinthal auch den Täcigkeitsbegriff sehr weit faßt, kann die Argumentation im folge,nden eine eher überraschende Wendung nehmen. Vom Tätigkeitsbegriff her argumentierend stellt Steinthai für Humboldt zunächst fest, daß, ..selbst wenn man sich ein absolut wahres System als schon gefunden dächte, so würde eine Geschichte der Philosophie immer noch ihren Wert behaupten; nur müsse diese nicht die Systeme als solche für die Hauptsache halten, sondern die Philosophen selbst als Mensc.hcn"*VJ. Aus dieserdurchaus Humboldt gemäßen - Auffassung geht dann die folgende, für die Geschichte des ,Energeia'-Diktums folgenschwere Interpretationsverschiebung hervor: ..Dies beruht auf H.s Schätzung der Kraft. der Energie. Jede Energie ist individuell, und jede Individualität ist Kuh. In der Kraft hat H. die Gewissheit der Leistung, des Objects, mag dieses ein philosophisches System, eine Sprache oder eine sirtliehe Tat sein. Daher hat er schon früher (1792) dem Sraatsmanne geraten, niemals unmittelbar Werke zu fördern, sondern Kraft zu wecken und ihre Freiheit zur Entfaltung zu gestattcn" m .
Nun ist es unbeS[rittcn, daß hier Humboldts Ansichten inhaltlich durchaus angemessen interpretiert werden, und es ist ebenfalls unbestritten, daß sowohl der ,Energie'-Begriff in Humboldts Denken eine spezifische Rolle spielt als dieser auch in gewisser Hinsicht in das gedankliche Umfeld bzw. Vorfeld des ,Energeia'-Begriffs gehört. Beide sind aber mitnichten deckungsgleich, denn während der eine stärker auf die ästhetische, ethische, poetOlogische und letz.tlich auch subjektivitätstheoretische Diskussion abzielt, ist der andere genuin ontologischer Natur. Humboldts U~
vtI. Humboldt. Dit sprachphilosophischw \,{Iukr, '1.;1;.0., S. 256-260.
VgJ. Humboldt, Dit sprachpbiJosophiJchm Wr,.kr. a.~.O .• S. 156. 11I Vgl. Iiumboldt, Du' sprachphjfo$opbiJ~br" \tIt'Tke. 01.01.0., S. 257. m Vgl. Humboldl, Di~ $pra~},philosoplJiJchrn Wl!'rkr, 11..01.0., S. 258. zn Humboldt. Dit spra~hp}'iJo$ophiJ(h'!n Wt"rkt", u.O., S. 259. m Humboldt, Dit sprachphilo$Opbischell Wake. ;\.:11.0., S. 259. V\l
222
Zweiler Teil: HUlnooldu Gediichlllis
,Energic'-Bcgriff kann sein ,Encrgcia"-Diktum allenfalls kommemieren
bzw. in begrenztem Maße semantisch anreichern, substantiell (cr-)klären kann er es jedoch nicht. Eine Gleichsetzung der beiden Begriffe, die $tcimhal hier zu suggerieren vermag, wäre hingegen systematisch grundfalsch. Vor dem Hintergrund der Leibuizisch-Wolffschen-Metaphysik
und den Horizont von HUl1lboldts Ueber Göthcr Hennann lind Dorothea vor Augen mag die Kraft-Energie-ReDexion $tcinrhals hier durchaus plausibel und in der Einfachheit ihrer Struktur geradezu aufdringlich sachgemäß wi.rken, Humboldrs Gedanken trifft der Schüler aber in dieser Passage des Kommentars entweder gar nicht oder sein Kommentar gehört zumindest nic.ht an diese Stelle - was auf das gleiche hinausläuft. Dies hat zwei folgenschwere Konsequenzen: einerseits für Steimhal selbst, der den Energeia-Begriff im folgenden stark verkürzt. Er dient, wieJost feststellt, Steinthai allenfalls als gebrauchsfertiger Komplementärbegriff: "Energeia ist die Formung des Gedankens, Sprache das Organ, durch welches er ge~ bildet wird"·!75. Diese Indienstnahille des Begriffs durch Stcimhal ist in der aristOtelischen Begriffsperspektive allein weder richtig noch in sprachtheoretischer Hinsicht letztlich vollkommen falsch. Schwerer aber wiegt, daß Steinmal mit der unausgesprochenen ,Energie'-,Energeia'-Parallelisierung eine Tradition einläutet, die im folgenden kaum mehr aufwhaltcn sein wird. Steinthals Ausgabe ist ja mindestens bis Leitzmanns AkademieEdition der cmschcidcnde Zugang zu den Humholdtschen Schriften zur Sprache und hat damit in dieser Hinsicht rczeptionsgeschiclltlich Slark gewirkt. 276 Aber auch SteinthaI selbst werden durch Subjektivierung, Psychologisierung und Entontologisicrung des Humboldt.'ichen Tätigkeitsbegriffes Meinungen wie die folgende möglich: "Die durc.h die SprachTätigkeit des Volkes gewordene Volks-Sprache ist nach der Weise ihrer Entstehung ganz und gar subjectiv"l77. Hier wirft sich der Steinthalsche Schatten - trOtZ der nachfolgenden Rclativierung, die Sprache sei "auch ein Organ der objectiven Erkenmnis"17S - schon hin auf die monumentale Humboldt· Verirrung Weisgerbers. Stejmhals anfängliches Verständnis der Humboldtschen Spachtheorie und genauso das des ,Energeia'-Bem joS!. Spracht als \Vt'rk ,md wirlu"Jj' Kraft, .1..~.O .. S. 90. l1h Insr,[ern ist }051S Frage positiv zu beamwort<'n. n.1.ch der .lbgeklin werden mülhe. ~ wi.· weitl-lumboldt in der Polgeuit gerade durch Stcinthals Sicht und Intt'rprerJ.lion auf sp.\itere SpracMorscher gewirkt hat. schOll rein d"durch, d.. ß seine Humboldt-Ausgabe die bequemste und .. 01 leichtesten zugingliche W3f bis zum Erscheinen der Abdemie-Ausgabe. Sdbsl gcwis5f1' Urteile und Vorurteil.. über Humoolclls Sprachphilosophie dürhclI auf Steimhals Ausgabe zurückzuführen scin~ UOSI. Sprache als Werk ImJ 'Wirkende Kraft. a.a.O., S. 92). Für cl.u .Energeia· -Diktum schein! dies mehr als wahrscheinlich. m l-Iumboldl. Die JprachpIJllosopJmcht'" \(Ierkt. a.:I.O.. S. 275.
m Ebd.
6. Humboldts
Erb~n:
Chronologie zum Aufstieg eines
Allgcmeitlpl:uz~s
223
griffs, wie es in der Hegel-Srudie und der ersten Ausgabe des Sprachursprungstextes noch stark zum Ausdruck kommt, verliert durch die zunehmende Rolle der Psychologie, die zu kreativen Verknüpfungen von Begriffen und die vielfach erweiterten Interpretationsspielräume, die Steinthal sich zubilligt, deutlich an (Erinnerungs-)Format. Die Folgezeit der direkten und indirekten ,Energeia'-Rezeption stellt sich dar als ein Konglomerat unterschiedlichster, teilweise gegenläufiger, Ansätze, für die aber die durch "SteinthaI eingeleitete Verankerung der Sprachwissenschaft' in der Psychologie"l;><'! nur eine der möglichen und folgenschweren Fundierungen bietet. Ich verLichte auf eine ausführliche Erönerung dieser Zeitspanne des auslaufenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, weil L Jost hier eine konzise Darstellung vorgelegt hat., die in de.n grundsätzlichen Beobachtungen und Argumenten kaum einer Ergänzung bedarf.l80 Kennzeichnend für alle AnsätZe dieser Zeit, die sich zunehmend - und teilweise auch zugestanden - von der engeren Humboldt-Interpretation entfernen, ist die Isolierung einzelner Aspekte des Humboldt'Schen (und auch Steinthaisehen) Sprachdenkens. Da es aber gerade Humboldts These war, erst ein umfassendes Verständnis vom Wesen der Sprache werde einer ebenso profunden Sprachtheorie und -wissenschaft das nötige Fundament geben, muß hintc,r aJl djese Entwicklung ein deutliches Fragezeichen gesetzt werden. Der Griff von der psychologischen zur physiologischen Untersuchung der Sprache entspricht dem Erkenntnisimeresse, Sprache vor allem "als Lebensäußerung des Menschcn"llli zu begreifen. Die Lautform in ihrem trivialen - weil um ihren inneren Konterpart reduzierten - Verständnis steht nun im Vordergrund: Sprache als Gesprochenes wird zum alles beherrschenden Zielpunkt der Untersuchung, man sucht in den Ijteralen Zeugnissen die oralen Phänomene, fahndet nach dem "psychophysischen Mechanismus der Sprechaktc"181. Im Interesse der Junggranunarikcr bricht sich das positivistische Interesse an "den geschichtlichen Umgestaltungsprozessen"lS3 der Sprache Bahn, und als Ausnahme ist hier lediglich H. Paul zu nennen, der sich zwar auch wie Steinthai auf die Assoziationspsychologie beruft. jedoch in einer An skeptischem Positivismus auf die metaphysischen Voraussetzungen dieser Psychologie zwar verzichten will, gleichwohl aber um die Gefahren der ..Selbsttäuschung"lS4 des Positivismus weiß. Zentral V, :ao zu m ~IJ Ui
}OSI. Spr,uhe
als Werk und wirkende Krafl, 3..3..0., S. 92. Vgl. JOSl, Sprache ab Wtrk und wirkende Kraft. u.O., S. 92-104. JOSt, Sprache als Wt'rk ulld wirkende Kraft, 3..:0.0., $. 92. lOSt, SprtJcJ)t d.U \\,lfTk und w;rkelldr Kraft. 20.:0.0., S. ')3. JOSt, Sprache alJ \Vtl'k und w;rkend~ Kraft, 2.:0.0., S. 94. lost, Sprache als \tlrrk Hnd wirkende Kraft. :0.:0.0., S. 95.
Zweilcr Teil: HumbQldts
224
Ged~chmjs
ist bei ihm die SrelJung des Subjektes: "Sprache ist, im Anschluß (Herv., U. W.) an Humboldr und Steimhal, ,Energeia', Sprechtiüigkeil, psych%gi,scher Prozeß. Psychische Prozesse aber vollziehen sich einzig und allein in den Einzclgeistern"2H5. Paul, für den Sprachwissenschaft trolZ dieses individuellen Ansatzes immer gleichgesetzt mit Sprachgeschicbte ist, faßt damit die "Sprache als eine Energeia" in ziemlich reduzierter Form auf, und so darf man mit )051 PauIs Denken "geradezu als Exemplifizicrung des allerdings eng und einseitig verstandenen Humboldrschen Gedankens von der Sprache als Sprechen und des Sprechens als cmcr ewig sich wiederholenden Arbeit des Geistes (...) bctrachten U136 • Damit ist bei Paul vom Humboldtschcn Gedankengut aUenfalls ..der Grundgedanke vom Sprechen als einer schöpferischen Tiitigkeir" 287 übriggeblieben. Ein anderer Vertreler dieser Zeit, in der die Humboldtschen Anschauungen substantiell immer mehr an Bedeutung verlieren, ist F. N. Finck. Finck ..versuchte eine anthropologisch begründete Typologie der Sprachen aufzustellen lt288 • in der der Begriff der Nationalsprachen eine besondere Rolle spielt. Für Finck ist der deutsche Sprachbau nicht nur ..Ausdruck dCUlscher Weltanschauung"- 289, seine .. Folgerungen aus der inneren Sprach/onn des Delttsch en U.z90 gelten Jost auch als äußerst gewagt, so daß er schließlich zu dem Schluß kommt: ..Oft scheint Finck nationaJcn Stolz und gewisse ethnologische Einsichten über Charakter und Mentalität der Völker mehr hineingelegr als auS der ,inneren Form' der betreffenden Sprachen herausgelesen zu haben uZ91 • Wichtiger aber als Finck, der auch in Fachkreisen wenig Anerkennung fand, sind in einer Zeit, in der die ",Sprachwissenschaft ,Handwerk' geworden war und fleißigen Kärrnerdienstes bedurfte (Umst., U.W.)"Z92, von JOSt so bezeichnete ..,Könige'. die mit dem bereitgestellten Material bauten"2f1J. Hier sind vor aJlem W. Wundt und A. Marry zu nennen. Nach Wundt, der in seiner breit angelegten Völkerpsychologie 2?4 eine psyc.hologische Untersuchung der Sprache vorgenommen hat, kann man laut JOS( .. unter inne.rer Sprachform nur die psychischen Motive [die Energeia!] verstehen. die die äußere Sprachm
Ebd.
116 JOSl, Sprache ab Werk una wlfkmde Kraft, ;1..2.0., S. 96-97. :111 Jost, SprMhl' ah Wt'rk uml wirkendt' Kr4{l. -;1.;1.0.• S. 99. :w JOSt. Sprache al! Wt'rk IIndwirkmae Kraft. :I.a.O., S. 101. m Zil. n;u:h JOSt. Spracht' 4/s \1"/t'rk lind w;rktnde. Krdft, :1.2.0., S. 101. m J05l, Spracht' ab Wl'rk lind 'Unrkcnde Kraft• •1.:1.0., S. 10 I. 191 JOSI. SpracheWerk und tvlrkl'nde Krafl, a.a.O., S. 101-102. Jfl1 JOSI. Spracht' ab \Vt'rk und wirkt'nde Kraft. öl.:a.O., S. 10 I• .m F..bd. 1+t Wund... W,: W#kerpsychotogit'. Eim~ Untl.'rsuchung der Ent'U'lckluIIgsgl.'setze '!JOII Spr<1.chl.', Mythus Nlld SI/tt. Sruugart, Leipz.ig 1908 H.
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6. Humboldu Erben: Chronologie 7.um Aufstieg eines AllgcmcinpJuz.es
225
form als ihr [Ergon] hervorbringen 42'J5. Diese Sichtweise. die mit dem Humboldcschen Diktum so gut wie gar nichts mehr zu tun hat, ist symptomatisch für eine Rezeptionshaltung, die den substantiellen Gehalt des ,Energe.ia'-Begriffs nun gä.nz.lich negiert bzw. in der dieser durch unterstellte A.nwendungsbezogenheit vollkommen verdreht wird, eln Vorgehe.n, das gleichermaßen auch für A. Marty charakteristisch ist. Allerdings ist zuzugestehen, daß nun häufiger als vorher auch gar nicbt mehr der Anspruch originärer Humboldt-Rezeption erhoben wird bzw. die wissenschaftsgeschichdichen Bezüge durchaus komplexer werden. l % Der Tegeier Philosoph aus den Tiefen des 19. Jahrhunderts. den man auJgrund der voUkommen veränderten geistesgeschichtlichen Lage auch gar nicht mehr verstehen kann, dient nur noch zur Legitimation und als Folie für die eigene Theorieentwicklung, ja häufiger noch für eine pragmatische Anwe.ndungswissenschaft unterschiedlicher Provenienz.. die vermeintlich oder tatsächlich dringend gebraucht wird. Im Gegensa[l, zu Paul vertritt Wundt allerdings keinen individual psychologischen, sondern gerade einen sozialen Ansatz im weitesten Sinne, also ist ..auch für ihn die Sprache eine ,Energeia" (... )""297, aber diesmal ..im Sinne einer psychophysischen Tätigkeit des gesellschaft.lichen (Herv.• V.W.) Menschen"198. Dies ist jedoch nur ein diJferentielies Merkmal der Humboldt-Adaption in dieser Periode. Von einer Homogenität der Rezeption läßt sich hier in keiner Weise (mehr) sprechen, vielmehr sind .,Ieidenschaftliche und grundsätzliche Auscinandersctzungen aZ99 kennzeichne.nd, was bereits eil1 Blick in das Inhaltsverzeichnis des erSten, einleitenden Stückes von A. Martys 1908 erschienenen UntersHch,mgen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik lind Sprachphilosophie 3OO eindrucksvoll belegt. Marty läßt hier im wahrsten Sinne des Wortes keinen wissenschaftshistorischen Stein seiner Zeit mehr auf dem anderen, und das zweite Stück .. Über Form und Stoff in der Sprache, insbesondere auf dem Gebiet der Bedemungen UjOI zeigt dann den uneinholhar hohen Grad an Komplexität, den die Rezeption am Beginn des 20. Jahrhunderts bereits erreicht hat. Das .Encrgeia'-Diktum hat seine - sich zu Beginn der Rezeption zumindest andeutende - oor!~~
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JOSI, Spracht' aIJ Wt'1k ,md 'U'frkCl/de Kr4t. a.a.O., S. 102·103. Vgl. zum Beispiel M:uty, ..Über Spn.chrcflex, Nativismus und :\bsicbtlicbe Spncbbildung. 10 Anikel 1884-1892", :I.a.O., S. 150-265. JOSl, Spracht aLJ "'t'rk ,md wirktnde Kraft, a.a.O., S. 104.
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Ebd.
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Jost. Sprache als \f/t'rk 'md wirkmdt' Kr41. ;1;.:1.0., S. 101. Man}" A.: Umtrsuch"nge'J zur Gr-ulfdlegJmg dt!r- allgemeinen Gr-ammallk und Spr-ach~ phi/oiOr/ut. l-blJe .•.d.5. 1908. Many. Umt!rluchullgen, ,u.Q.. S. 101ff.
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226
ZwciterTcil: Humboldts Gcdichtnis
mieTende und stabilisierende Kraft nicht nur eingebünt. es ist (gemeinsam mit anderen Begriffen, wie zum Beispiel der Sprachform) Gegenstand von Normierungsprozessen in der lneucn' Sprachwissenschaft geworden.
6.2 Positionen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1960 Auch für den Neukantianer E. Cassircr spielt der FOfOl-BcgriH in seiner Philosophie der symbolischen Formen YJ2 in unterschiedlichen Schanicrungen eine wichtige, wenn nicht die z.entrale Rolle. Sein in die drei Teile Die Spracbe, Das mythische Denken und Phiinomenologie der Erkelmt"is gegliedertes Werk von 1923-1929 entwickelt ei.llC Theorie der geistigen Ausdrucksformen der Sprache, des GeiStes, des Mythos, der Kunst, der Religion und der Wis· seilschaft, in deren Minelpunkt der Symbolbegriff steht. Der Mensch ist für Cassirer weniger ein ..animal rationale, sondern, viel umfassender, ein animal symbolicum"JO.l. In Anlehnung an KalltS transzendentalen Idealismus stellt Cassirer fest, daß der Mensch die Welt eben nicht als natürliches, sondern als symbolisches Universum erfährt, seine Welt der Bedeutungen ist imlller durch Sprache, Mythos, Kunst und Religion vermittelt bzw. konsrituiert: ..Sie (Sprache. Mythos, Kunst und Religion, V.W.,) sind somit nicht verschiedene Weisen, in denen sich ein an sich Wi,rkJiches dem Geiste offenbart, sondern sie sind die Wege, die der Geist in seiner Objektivierung, d.h. in seiner SdbslOffcnbarung verfolgt"~. Die zentrale crkenntnis- und sprachtheoretische Konsequenz bereits angezeigt:
iSt
damit
.. In dem M:lße. als sich diese Einsicht in der Wissenschah selbst emfotltl'! und dun:hsclZt. wird in ihr der naiven Ab b i Id I h ('0 ri e der Erkenntnis der Boden entzogen. Die Grundbegriffe jeder Wissenschaft. die Mittel, mit denen sie ihre Fragen stellt und ihrc Lösungen formuliert, erschcincn nichl mchr als passive Ab b i Ider eines gegebenen Seins, sondern als sclbstgeschaffenc intellektuelle S y mbo Ie.. ~.
ln dieser symbolischen Weltcfschließung nimmr nun das .Prinzip der menschlichen Tätigkeit im Rahmen eines alle die genannten Dimensionen Jfl! CJssir~r,
N:iJ
E.: IJhilompJnr der 5ymboliJehen Form('11 (J 8,ü.). DUl11sudt (10., unveriind. Auf!.. RcprognJischl'r Nachdr. der 2. Aufl.) 1994, Jost, Spmr:JJ~ al5 \V~rk ulld wirkemle Kraft, a.a.O.• S. lOS.
~
<:assiJTr, Phi/omplJlt' llt'r 5ym/xlll1dJel/ Formen (I.
)M
C.usircr, Phl'/(uoplJil' der sym/lOluc/ml Formen (I. Tnl.· Dir SpradJt), ,u..O .. S. 5.
Tt,b Dlf~_ Sl'rMht).
a.a.O.. S. 9.
6. Humboldl$ Erben: Chronologie zum Aufslieg einC$ Allgcmeinplat7.es
227
umfassenden ganzheitlichen Kul[Urbegriffes einen wesentlichen Platz ein, eine als radikaler Prozeß verstandene Tätigkeit, die letztlich die Selbstbe· freiung des Menschen im kulrurellen Prozeß initiiert. Um nun dies genauer zu fassen, stütZt sich Cassircr u.a. auch auf Humboldt. Seine philosophie-historische Einordnung (z.B. des Formbegriffs) erscheint jedoch zunächst aUzu grobmaschjg: "Denn wie die modeme Spracbphi/osophie (Herv., V.w'), um den eigentlichen Ansatzpunkt für eine pbiJosophische Betrachtung der Spr:tche 1-U finden, den Begriff der ,inneren Sprach(orm' auJgestelh hat - so läßt sich sagen, daß eine analoge ,innere Form' auch für die Religion und den Mythos, für die Kunst und für die wissenschaftliche Erkenntnis vorauszusetzen und zu suchen iSI"J06.
Cassircr erweitert also die Reichweite des - für ihn zentralen inneren Formbegriffs auf die ;"mderen kulturellen Operations- bzw. Daseinsfelder und versteht die Aufdeckung der Strukturen dieser inneren Form als selbstgesetzte Aufgabe seiner Unternehmung. Ln dem Kapitel nun, in dem Cassirer sich explizit auf Humboldt bezieht, wird dieser - nach einigen gar nicht so unschmeichelhaften Bemerkung'cn zu dessen Dcnk- und Schreibweise (.. Humboldt ist zwar im Grunde ein durchaus systematischer Geist; aber CI ist jeder bloß äußeren Technik der Systematisierung feind Uj07 ) - zunächst als Exekutor von Kants kritischem Projekt identifizIert: "ln diesem Sinne ist das Objektive nicht das Gegebene, sondern es bleibt stets das eigentlich z.u Erringende (... ). Mit dieser Bestimmung zieht Humboldl die sprach philosophische Konsequenz aus Kanu kritischer Lehre. An die Stelle des metaphysischen Gegensatzes der Subjektivität und Objektivität ['ritt dje reine tr:lns1:endentale Korrciation"}O~.
Bei der Suche danach, wie diese transzendentale Korrelation denn nun im Vollzug vonstatten gehen könne, trifft Cassirer - Kants erkenntnistheoretischen Synrhesis-Begriff immer im Hintergrund - auf Humboldts Tätigkeits-Begriff. Dafür muß er zunächst feststellen, daß ..die eigentliche Idealität der Sprache in ihrer Subjektivität gegründet ist (Umst., Cusirer. pJulosopl1lt' der symbo/urJuu Form~" (1. TCII: Die SprMh,,), a.a.O., S. 12. lOl Cassirer, PlulosoplJw J~'T symboliuhen Formen (1. Tt'il: Die SprMbcJ, ;1..:a.O., S. 100. - Vgl. dazu -.luch Khon weniger Khmeichelhaft: "NichI in :L1len Teilen seines sprachphilosophi~ Khen U'lU spr2chwissc:nsch
)Ol;
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228
Zwt'ilt'r Teil: HumbQldts Ged;iduuis
U.W.)""..lO'I. und geht dann - die kommende Argumentation fundierend tl.nd den ontologischen Charakter des Projektes bereits ebenso plastisch wie hintergründig explizierend - zum "z w c i te n Grundmomcnt der Humboldtschen Sprachbcrrachtung" J10 über: Jede Betrachtung der Sprache muß .genelisch' verfahren: nicht in dem Sinne. daß sie sie in ihrer zeitlichen Entstehung verfolgt und daß sie ihr Werden aus bestimmten empirisch·'Ps)'chologischcn ,Ursachen' zu erklären versucht. san· dern in dem Sinne,. daß sie das fertige Gefüge der Sprachbildung als ein Abgeleitetes und Vermitteltes erkennt. das erSt verstanden wird, ..... enn es uns gelingt, es aus seinen Faktoren auf7.ubaucn und die An und Richtung dieser Faktoren z.u bestimmen".!' i.
Cassirer setzt sich hier nicht nur eindeutig von der Tradition Wundts und Martys ab, er leistet auch - mit Humboldts genetischem Begriff des Sprachverfahrens - die fundamentale Wendung des Problems ins Erkenm· niStheoretische und eben auch ins Ontologische. Ein äußerst gelungener Rückgriff auf f-1umboldt, der sich 1I.a. in der folgenden Tcxrpassage ausdrückt, mit der Cassuer schon einmal kurz vor seiner ,Energeia'-Ausdeu· rung Platz nimmt. Zunächst wird der prinzipiell dynamische Charakter der Sprache apodiktisch festgestellt: .. Diese Mannigfaltigkeit der Erzeugungen (setzt sich, V.W.) zwar nicht zur sachlichen Einheit eines Erzcug. nisses, wohl aber zur ideeUcn Einheit eines in sich gesetzlichen Tum zusammen"JI2. Ocr Ergon-Charakter der Sprache wird damit nicht nur ausgeschlossen. Cassirer verweist auch au.f die innere Gcset7.mäßigkeil menschlicher Tätigkeit und damit auf deren ontologischen Charakter. Er stellt fest: .,\Vas wir das Wesen und die Form einer Sprache nennen, das ist daher nielns anderes, als das Beständige und Gleichförmige".lIJ. Cassircr, hier auf die innere Form der Sprache zielend, ist nun soweit, das ,Energeia'-Dikwlll Humboldn auszudeuten, und zwar in folgend.er Hinsicht: ..Daher ist im Grunde .lUch niemals das einzelne WOrt, sondern erst der S.U1. der wahrhafte Tr.iger des sprachlichen Sinnes: denn in ihm erst enthüllt sich die ursprüngliche Kraf[ der S y n t he s i s. auf der alles Sprechen. wie alles Verstehen wlerLt beruht. Ihreo knappsten und schärftsten Ausdruck erhält diese Gesamtsicht in der bekannten Humboldtschen Formulierung. daß die Sprache kein Werk (Ergon). sondern einc Tätigkeit (Energeia) sei und daß da. her ihre wahre Definition immer nur eine genetische sein könne"}I'. ~
Cassirer. Philosopble du symbo/ischnl Form~1 (I. Teil: Dj~ Sprache), :1.:1.0.. S. 103. "0 C:L~sircr, PJu/osoplJ/e der f)'mbolisrhcll Formen (1. Tell: 01(' Sp'ftJcbe). ;\,3..0.• S. 10·1.
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Ebd. Ebd.
m Cassirer, /Jhilosophu der symbolischt'n FOnllm (1. Tcj/~ Oll! Spraclle). :u.O., S. 105. Jll
Ebd.
6. Humboldu Erben; Chronologil.' ~um Auf.slieg r.incs AUgemeinpl~lzl.'s
229
Die Einordnung des Dikrums in die grammatische Reflexion zum Satz mag zunächst überraschend wirken. sie weist aber in der Kontcxtuieruog mit der erkenntnistheoretisch Kantischen und auch schon sprachtheoretisch HumboldtSchen Synthesis im Hinblick auf djc Sinnkonsotution weit über die zunächst enge Fragestellung hinaus. Vielmehr kann Cassirer aufgrund des von ihm hergestellten Kontextes die Möglichkeit des sprachlichen ,Ergons' nicht nur konsequent ausschließen (und damit Humboldts Intention gcnau treffen)31S, es gelingt ihm ebenso, den Synthesisbegriff auch auf die weileren Aspekte aristotelischer Ontologie im Sprachdenken W. von HumboldtS, wie zum Beispiel die Stoff-Form-Relation. zu beziehen - selbst wenn der Kantianer Cassjrer eS sicb nicht nehmen lassen will, den diesbezüglichen Königsberger Umweg. der wohl allenfalls ei.n zusälzljcher Seilencinstieg ist, herauszustcl.len.Jl6 Was bleibt, ist ein Verständnis des ,Energeia'-Diktums, das sowohl die sprachtheoretischen Konsequenzen bei Humboldt richtig deutet als auch das aristotelische Fundament des Begriffes berücksichtigt. Dies wird Cassirer auch dadurch möglich, daß er einer der wenigen Interpreten Humboldts ist, dje über sehr fundierte Kenntnisse der aristotelischen Ontologie verfügen. So enthält der dritte Teil der Pbilosophie der symbolischen Formen, die Phii1Jomel'lologie der Erkenntnis, eine profunde Exegese und Deutung einiger entscheidender aristotelisch-ontologischer Bcgriffe.J17 Gegen eine subjektivitätstheoretische Reduktion des ,Energeia' -Diktums ist Cassircr damit nicht nur ausreichend immunjsicTt, vielmehr besticht seme Ausdeutung auch durch ihren Aristoteles und Humboldt gemäßen integrierten Ansatz: ..Aus dem Ineinander dieser Motive und aus dem verschiedenen Verhiiltnjs. in das sie l.ue.inandr.r neun, ergibt sich die ,Form' de.r Sprache, die jedoch nicht sowohl als Seiosform, :als vielmehr als Bew
O;eos bnn JOSt
~l1erdinss nichl sehen. weil
er d:lmil seinen eigenen Ansuz, der dirsC' Op·
dOll oHcnhih, ßt'fihrdt'n würde. Jost spricht d3hcr lieber d~von, d.tß Cassirer ..nichi nur
die Grstaltw (Formen), sondern dit' Grstalumg sdbsl 'Zu erfusen. den GeiSI in seiner symbolsch:iffl.'ndcn Titigkeil :tll durchsch:iulw. im Ergon Jj~ En~rgcia l:H sthrn Oo.sl., Sprache als \Vt'rk und ott;trkende Kraft. .J.a.O.• S. 109). Jl' Vgl. dnu; _I m BegriH der Syndlesis iSf zugleich d:LS drillt' der großtn Gegl.'ns.lIzpaar<: erreicht, unlcr denen Humboldt die Spnche bl't.I;lchtel. Auch dieser Gegenul7" ;lueh die Unruscheidung von SlOff und Form, die Humboldu Gesamunsichl beherrschl, wurzelt im Kanlisehc:n Ged;lnkenkrl'isc:- (C~ssircr. PhI'losophk Jer symbQluchen Fonnen. Teil; Die Sprache!. :1.a.O., S. 106). Cassirtr zcigl '~nichl. was diesem .Ged:inkenkrci5t'· alles:ifl-
rl.
gr.hört. JI1 Vgl. zum Beispiel Cas.sirrr, PhlJosopMe Jt'r symboUschen Fonnm. (J. Tttl: Phiinomenoto-gie drr Erkc1I1ltnil). u.O•• S. 230-232. <498. 531.
230
Zwt"iu:r T~il: Humboldts Gedächtnis
absoluten, sondern immer nur relative Gegensätze - GegensätZe des Sinnes und der Richtung der AufIassung" JI8 .
Cassircr unterläuft so - auch mit dem Rückhalt eines aristotelisch veranlwonctcn und durch Humholdt sprach theoretisch transformierten ,Encrgcia'-Begriffs - jede gegenständliche Erkcnntnis- und Kultunhcoric.31~ Daß er dafür das zugrundclicgcndc Diktum schon als "bekannte Hurnboldtsche Formulicrung"320 kennzeichnen kann, ist Beleg dafür, daß in dieser zweiten Phase der Rezeptionschronologie von Humboldts Wendung diese bereits unaufhaltsam zum dauerhaften Repertoire sprachwissenschaftlicher Bcgründungs- und Legitimationsstrategien geworden ist. L. Jost hat E. Cassircr 31s einen der Wegbereitcr L. Wcisge.rbers bezeic.hner. j21 Wir werden noc.h sehen, ob an dieser ebenso gewagten wie ungeheuren Behauptung nicht doch etwas Wahres dran sein könnte. Be· vor jedoch L. Weisgerbers wirkungsmtichtige Position ausführlich besprochen wird, sollen drei weitere Ansätze genannt werden, die eher unbemerkt von der Forsc.hungsliterarur geblieben sind, und die ebenfalls das ,Encrgeia'-Diktum in differentieller Weise interpretiert haben. Daß sie vergleichweise nur im Schatten der \Vissenschafrsgcschichte zur ehrono· logie des Diktums beigetragen zu haben scheinen, sagt jedoch nichts über die Qualität der Ansätze aus, was vor allem für das erste Beispiel gilt. P. Matthes hat 1926 in ihrer Studie Sprachfom!, Wort- und Bedeuwngs. kategorie und Segni! Überlegungen vorgelegt. die sie selbst als Philoso-
phische Untersuchungen ,:m Amchlllß an da.s Kategorienprob/em in der gegenwiirtigen Sprachwissenschaft J21 bezeichnet. Matthes fragt hier u.a. nach der Relation von WOrt und Begriff und den daraus abzuleitenden Konsequenzen für die Konstiruierung von Bedeutung. Um den zweiten Teil eines eigenständigen Versuchs einer philosopbischen Bearbeitu.ng des Problems zu fundieren, geht Matthes in ihrer Studie (in deren Einleitung 'If C01,.~in:r. Phl1olOpln'e d~r
Jf~
JlQ )11 )!l
symbolischt.'" Farmen. (J. T,.,l: DIl Sprachd. O1.a.O.. S. 2J7. Vgl. duu auch l. JOSts Bemt:rkung: ..Cusirer bctT:lchtct (Un15t., U.W.) mehl das Werk (Ergon). also die verschiedenen kuhurdlen Schöpfungen als Ergebnisse, sond~nJ dl~ VoriluHctlung, die alltm El7.rNgnisslm z"grunde !J('gcnde schöpferische Tiitigkeit (Encr. gj~/Em~rgeiar Oost, Sprache II/S \VrTk und wirkende Kraft.. :1.:1.0.• S. 105). In der Tal besprichl Cas~irer den Terminus ,Enel'ßie' sowohl aus kulturphilosöphischer wie auch aus physikalischer Sich, (vgl. Cassirer, PhilosophIe der symbolischen Formtn, .1,:1,.0., I 'Jf. und 111 5iO ff.). In der Deutung des ,Ent'rgeil'·Diktums hiih sic.h Cassin:r jedoch eng an den s~1.ifiseh auszulegenden Terminus. Cassirer, Philosophie der slmbo/l'scJun Formen (I. Tell: Di~ Sprache), a.a.O., S. 105. VgJ. Jon. Spr,rche als \V~rk Nnrl wirkenrlt' Kraft, :1.:1.0.. S. 105. Mmhcs, P.: Sprachfonn, \Von· und BerlculungsRilugone und Brgnfl. Philosophisrh,. U,/tersuchungen im Anschluß an das Kauguntnprob/em in der g~g~nw;inigC1l SpracJJ1lI/Jsctl. schaft. H~llc 1926.
6. Humuoldts Erben: Chronologie zum
Aufsti~g
eines Allgemeinplatzes
231
mit dem Titel Aufgabe auch über das Problem der Begriffsbildung bei AristoteIes gehandelt wird) von einem ersten Teil aus, in dem die bisherige.n Bearbeitungen seitens der neueren Sprachwissenschaft behandelt werden. Sie spannt dabei den Bogen von W. v. Humboldts Kawi-Einleitung über die Semasiologie Reisigs und Haases, die psychologistische Richtung. in der u.a. auch H. Paul besprochen wird, bis hin zu A. Non~en und R. M. Meyer. Humboldts ,Energeia'-Diktum steht in dem dem TegeIer Philosophen gewidmeten Kapitel gleich vorne an und wird lediglich noch eingeleitet, von der vollkommen zutreffenden Bemerkung, daß in der Vielzahl der Umdeurungen seit Humboldt viel von dessen originärem Ansatz verlorengegangen sei. Über den Tegeler Philosophe.n selbst wird allerdings - manches Urteil der Rezepoonsgeschichte zu entschuJdjgen suchend - auch gesagt, daß es schwierig sei, dessen "Gedanke.n eindeutig zu fassen, was ja auch die Ursache so vieler Mißverständnisse war"J2J. Nach dieser einführenden Passage geht Matthes nun direkt ins systematische Zentrum vor: ..Für Humboldt ist die Sprache, wie er wiederholt ausspricht und wie es durch sein ganzes Werk hindurch klingt, kein abschließend Erzeugtes, kein .Wcrk 4 (ergon), sondern e.ine ,Er.teugung', ,Tatigkeit' (energeia). Sie ist ,die sich ewig wiederholende Ar bei I des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen' (.. ym.
Matthes paraphrasiert bzw. zitiert also zunächst die TextsteIle Humboldts und fügt TIDt ,Erzeugung" eine Humboldts Denken adäquate Übersetzungsmöglichkeit und von ihm an anderer Stelle (VII 44) ja auch selbst verwendeten Terminus hinzu. Nun weiß laut Matthes Humboldt selbst, daß diese Einsichten noch nicht weit genug greifen: "Doch diese Definition ist (auch ihm, U. W.) zu eng und wird immer wieder erweitert, denn schon viel früher (früber nicht im zeitlichen Sinne) beginnt diese geistige Schöpfertätigkeit, schon in der Bildung des artikulierten LautCS"lI5.
Manhes interpretiert die TeX"tstelle also im Hinblick auf den zweiten von ihr zitierten Humboldt-Satz (der ,Zwischen'-Satz: ..Ihre wahre DefInition kann daher nur eine genetische seyo" [VII 46] fehlt ruer bewußt) und zielt nun - unter Zuhilfenahme einer späteren Passage aus der Kawi-Einleitung, in der Humboldr u.a. auf die nicht nur prinzipielle "A b s ich t und Fähigkeit zur Bedeutsamkcit" (VB 65, Herv., P. M.) des arcikuMatthes. Sprllchform, :I.a.O.• S. 14. w Mauh~ Sprachform. a.a.O.• S. 15.
JlJ
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Ebd.
232
Zweiter Teil: l-IumboldLS Gcdädltni.s
liefreo Lautes hinweist - auf die Voraussetzungen der Artikulation des Menschen. Wie sie den Gesamt'zusammenhang von vn 45-46 jedoch einschätzt, zeigt sie indirekt bei der Thcmatisierung ihres eigentlichen Themas, der Sprachform: .,ln demselben Sinne beweglich. beinahe unfaßbar,
jedenfalls gar nicht definitorisch fi.xicrbar ist auch der Begriff der Sprachfor01"'316. Matthes möchte sich also einerseits in heiden Fällen einen Imcr-
prctationsspiclraum sichern, versucht aber auch, die von ihr konstatierten Humboldtschen Selbsterläuterungen in der Kawi-Ei,deiwng zu begründen. Denn in bezug auf Humboldls Feststellung. daß ,.das in dieser Arbeit des Geistes. den articulirten Laut zum Gedankeoausdruck zu erheben, liegende Beständige und Gleichförmige, so vollständig, als möglich, in seinem Zusammcnhange aufgefasst und systematisch dargestcllt'" (Vlf 47), eben daß dies .,die Form der Sprache" (VII 47) ausmache, merkt sie an: .,Doch kaum ausgesprochen, empfindet Humboldl die Enge und Ab· strakthcit dieser Dc.fi.nition; wieder löst, sprengt und weitet er sie")l7. Ich gehe an d.ieser Stelle nicht der Frage nach, ob Matthcs Einschänung hier richtig oder wenigstens wichtig ist. Entscheidend ist. da.l~ damit ihre Auslegung des ,Energeia' ·Diktums eigentlich beendet und nun durch neue systematische Verknüpfungen zu erweitern wäre, würde Manhes nicht kurz darauf noch auf die Swff·Form-Problemalik zu sprechen kommen und diese nicht nur Humboldts Intention entsprechend zutreffend interpretieren, sondern auch - fast beiläufig - deren aristotelischen Hintergrund aufdecken, Matthes schreibt: "H.ier ist aJso das Begriffspaar Form und Stoff, ganz im Sinne der arisLOtclisehen Metaphysik genommen, Hier wie dort die Relativität des St'Offes der Form gegenüber (,cidos', aber auch .morphe', der ,hyle' gegenüber). aber auch die Erfassung der Form als .energeia', während der Stoff bloße ,Dyna. mist ist; auc.h daf~ im Begriff: .Eidos' sowohl ,Form' wie ,Wesen' liegt, würde sich durchaus mit der Humbodlschen Auffassung deckcn" m .
Ich lasse an dieser Stelle die (bei näherem Hinseh.en nicht ganz unerheblichen Unschärfen) in der Interpretation des aristOtelisch-ontologischen Gerüsts beiseite, Tatsächlich findet sich hier die erste, derart kla.re und komplexe fdentifikation des Hintcrgru,ndes der aristotelischen Ontologie für die Humboldtsche Sprachthcorie. Ein wichtiger Meilenstein in der Aufklärung des Diktums, der sich weitab von der ,großen Rezeptionsgeschichte' abgespielt hat. Nun führt Matthes leider ihre ,Entdeckung von Ferne' n.icht systematisch weiter, geht mehr dem Verständnis der inneren Ebd. JtI Mauhes, Spr.:clljonn. a.a.O.. S. 16. m Ebd. 1140
(,. HumooldlS Erbt-.nl Chronologie zum Aufslieg cin~
AlIgcmrinplat~(,5
233
Sprachform nach, "um dessen Verständnis man mit immer neucr Mühe und zum Teil mit letzter Resignation ringt" l29 , wendet sich grammatischen Reflexionen und der selbSlgestelhen Aufgabe der Klärung der Relation von Won und Begriff und den damit zusammenhängenden Fragen der Bedeurungskonstituierung zu. Trotzdem liegt hier, 1926, eine wichtige und elementare Erkenntnis vor, die zwar nur als grundlegende Option im Konjunktiv formuliert wird, die für die Erschließung der humboldt· sehen Sprachtheorie durch das Erinnerungsformat der ,Energeia' jedoch höchst bedeutsa.m gewesen wäre - und vielleicht auch deswegen gleich wieder vergessen und durch die Vielzahl der anders lautenden Interpretationen verschüttet wurde. Ähnliches Gewicht können zwei andere Positionen niChl behaupten, weswegen sie hier nur in knapp katalogisierter Form Erwähnung finden. W. Schulz bemerkt 1935 einereits den Grundcharakter des Diktums, wenn er in seiner allgemeinen Humboldt-,ßiographic')}O für die Sprache feststellt, daß .in ihr mchlS stausch, sondern alles dynamisch ist (Umst., U.W.). Sie ist kein Werk. sondern eine Tätigkeit"J}l. Problematisch erscheint dann andererseits die weitere Sprachthematisierung des Autors, der .ihre (der Sprache, V.w.) Wurzeln (...) in der lebendigen Volksindividualitäc"·m liegen sieht. Neben der Tatsache, daß 1935 eine solche Formulierung in DeutSchland kaum wertfrei formuliert werden kann, ist ihre Plazierung im direkten Umfeld des ,Energeia'-Diktums sinnwidrig. Ganz anderer und trotzdem ähnlicher Natur ist R. Pfeiffers Komextuicrungsangebot in seinem 1936 veröffentlichten Aufsatz WiJhelm 'VOll Humboldt J" , in dem er diesem als Humanist nachgeht. HumboldtS Verhältnis zwischen dem Geist der Griechen und dem eigenen thematisierend, greift er desse.n These auf, daß der griechische Geist nur im gründlichen Studium des Griechischen selbst erfaßt werden kann. Eine inhaltliche Analogie zwischen djeser These und Humholdts ,Energeia'-Dikturn konStruierend bemerkt er: "Nur so kann die Dynamik griechischen Geistes für den deutschen fruchtbar werden; denn Sprache ist tvt:gyElO wirkende Kraft, nicht EQYOV fertiges Werk (... t JJ4 . Die Übersetzung als ,wirkende Kraft' verdeckt hier wiederum den ontologischen Charakter, ein Umstand, der durch die problematisch thematische Komextuierung nur noch verstärkt wird. Mauhes. ,rachform, 1.a.O., S. 17. lJO Schutz.. W.; Wi/hrlm (1011 HMmboidl. (1767·183$). In: Andrns. W. und ,·on Scholt. w. (I-Irsg.): lJIt Grojkn D~MIJChnt. NtM~ Jt"tsch~ Bwgr«pb,r. Ikrlin 19J5. s. -450-463 (Rd. 2). m SchulT.. W,lJ,t/m 11011 HMmbolJt. a.a.O.. S. -4,S6.--457. 'J1 Schulz. \l'dhtlm VOI1 HumbolJt. u.O.• S. -457. U) Pfrif(er, ~Humboldl. dt'r HUflUnist~. a.:I.O. JJ< P{riffer•• Humboldl. dt'r Hum2.nis(~. u .. O ... S. -4S.
)Zt
Zwciter Teil: )-Iumboldu Gedichlllis
234
In der Zeit von Schulz und Pfciffer hat das Wirken L. Weisgerbers bereits begonnen. Die Ei»/eir,mg J3S und die Geschichten Humboldt.s H6 haben die problematische Rolle, die Weisgerber in der Geschichte der Humboldt-Rezcption einnimmt, bereits identifiziert und klassifiziert. An dieser Stelle soll nun anhand des ,Energcia'-Begriffs eine differenzierte Kritik der Humboldt-Rcklamation Weisgerbers vorgenommen werden, ('joe Reklamation, d.ie mit der Selbsttitulicrung einer .. Energetischen Sprachwissenschaft"'''] einen besonders plakativen und das Diktum direkt adjektivisch in Dienst nehmenden Charakter angenommen hat, der in der Geschichte des Diktums und auch der Sprachwissenschaft (siehl man von Chomskys Übergriff auf den ,Gcnesis'-Begriff einmal ab) wohl einzigartig ist. Weisgerber hat den wissenschaftshistorischen Prozeß, der schließlich in der Schule der energetischen Sprach(inhalts}forschung, innerhalb derer vor allem die Mutlerspn.che als Grundlage der spf2chlichcn Wcltansicht untersucht werden sollte, gipfelte, selbst folgendermal~en skiz· Zlen: .Daß die wissenscbaftliche Spr.ac.hbctrachtung sich über die geschichtlichvergleichenden Formen des 19. und des beginnenden 10. JahrhundertS hinausentwickeln mußte. W:lT auch in der deutschen Sprachforschung seit Ende des ersten Weltkrieges erkannt. Es entstanden Strömungen der beschreibenden Sprachforschung (il) Korrespondenz zu den weltweit'cn Wirkungen F. de Saussures) und der Verlagerung des Nachdrucks von der gestalthaften zur geistigen Seite der Spnche (unter starker Nachwirkung der Sprach.auffassung Wilhe1m von Humboldts). D.as weitete .sich n.ach dem zweiten Weltkrieg, ebenfalls in Weiterführung humbolducher Gedanken, zu der Strömung der energetischen Sprachwissenschaft. {...} An dieser SteUe ist feSizuha)un., daß djese energetische Sprachwissenschaft um die Mille des Jahrhunderts für ein gutes Jahrzehnt im Mittelpunkt der Spr.acbforschung im deutschsprachigen Gebiel stand"m.
Diese energetische Sprachwissenschaft ist für Weisgerber 1973 vor allem eine der großen Richtungen der (deutsc.hen) Sprachwissenschaft, die im Gegensatz zur (von amerikanischen Ansätzen beherrschten) Linguistik stehl, innerhalb derer nach seiner Ansicht die Sprache zum .. Versuchsobjekt für strukturalistisch-formalisierende Verfahrensweisen")J9 gemacht Siehe don .luch di~ K.nrik von 8o~h~ an Wwg~rbcn re· dukrioni.stiK.~mSprach~ff(\,&1. Bonck, Sp,-.cb.mnchun, a.a.O., S. 39-70). )~ Vgl. Kap. 2.2 und auch die don mgrgeMm LirCfatur Wt"isgcrbn"s. JJ1 Wcisgerbt:r. L: ZWt";17lal pr.eM. DUlsmt" ung"'lJtli 197J - Enngt"tJJcht" Spr~cbarlSU'Pt IChafL Düssddorll9n. S. 19. m Ehd. 1M' Wci.sgcrlxr, bu;mill Sprilcht". u .. Q .• S. 11. Jß
VgL Kap. 1.1 der
Em/~;:lmg.
6. Humboldts Erbcn: Chronologie: 1.um Aufslit'g tines Allgemeinpl;ttze:s
235
wird. Es ist hier nicht der Ort, diesen wissensch:a.ftshistorischen Proze.ß im allgemeinen und Weisgerbers Weg dorthin und die diesbezügliche Konfrontation im einzdnenJ-lo nachzuvollz.iehen und zu bewerten. leh lasse es daher bei der Bemerkung bewenden, daß es doch etwas seltsam anmutet, wenn in einem solchen apologetischen und allzu einfachen Schema zwei Richtungen gegeneinander kontrastiert werden, in denen einerseits F. de Saussure und andererseits W. v. Humboldt als Stammväter gehandelt werden. Hier stimmt wohl in der tmerprctation beider Grundlegendes nicht. Systematisch irrig und daher allenfalls aus Weisgerbers spezieller wissenschaftsgeschichtlicher Position zu erklären ist auch die Bewertung des sich in die Ecke ge(d/k)rän(g/k), Sehenden, daß, ..wählt man den Standpunkt hoch genug (UmsL, U.W.)"', die eine Richtung (mit einigen anderen gemeinsam) gleichsam diesseits der guten, der ,energetischen' Demarkationslinie, .zu einer Sprachbetr.1chtung mit Einschluß des Menschen"J-IJ beiträgt. während in der strukturalistischen Betrachtungsweise .Sprache zu behandeln unter mÖglic.hstem ZutÜckdriingen des Menschen" JH versucht wird. Aus heutiger Sicht ist klar, daß Weisgerbers Kontrastierung weder vollkommen falsch ist, noch den wissenschaftssystematischen Kern und seine Konsequenzen wirklich erfaßt. Allerdings hat Weisgerber sich zugestandenermaßen bemüht, Saussures Denken in sein eigenes zu integrieren, weswegen er "zwischen der heutigen Linguistik und F. de Saussuref<J4j nicht nur deudich trennte, sondern auch mit wenig systematischem Glück versuchte, den langue-Begriff in sein munerspraehlich-orieo[iertes System zu integrieren.J'" vgl. zu den frühen SchriftC'fl Wcisgerbers vor allem die Aufglznmmlung Zur C"mdle· gung Jer g~nzhmlich~n SprlJchlJu!fasslmg. Aufsälze 19}1-19JJ. Düssddorf 1964. Nicht verschwiegen werden d;art Weisgerbt'rs Wirken während des NatiOn;tlsozillismus. Die liIci der Sc.hriftc:n in diese:r Zeil zeigen die diC$bniigliche ForxhungJ
).cl
,)41
Ebd.
Weisgcrbt'r, Zfllt'lm41 Sprache, ;t.a.O., S. 69. ,.. Vgl. Weisgerbcrs diesbezügliche wissensduflShislorische Bemerkung .F. de Saussurcs Aufruf, d;tß auch die synchronische Iktrachlung WISKnschafuchaukter habe, war zeir· geschichdich fillig. und von d;t .lUS ist auch du surke Echo. du ~ fand, vcrstindlich.. EIwu wu ;t\s Unierströmung nie au(gehön hme. formiene sich zu erhöhttt Aktivitäl. f>.hn könnr~ f;l5t von einem Akt geschichtlicher Gerechtigkeit sprechen - wenn nichr dieser l4J
236
Zwei(('t Teil: Humboldu CetlkhUl.u
Ocr ,Ene.rgeia'-BegriIf hingegen spielt in so vielen Texten Weisgerber eine Rolle, daß eine Gesamtbesprechung der Verwendung des Diktums geradezu unmöglich erscheint, seme Deutung ist nicht durchgängig kongruem..lO Ich wähle an dieser Stelle einen kleinen Text aus dem Jahre 1954 aus, weil dieser einerseits die Gedanken Weisgerbers zum Problem in kondensierter Form enthält, andererseits interessaotcrweisc bislang eher seltener Ge~enstand eingehender Besprechung war. In dem cigentljch als Rezension z.u R. Jahn angelegten Artikel ..Zum Energeia-Begriff in HumholdlS Spr.achbetrachcung",m bespricht Weisgerber grundlegende Aspekte seiner Intcrprct:uion und merkt zunächSt :lfl, .. daß die Formulierung der entscheidenden StelJe bei Humboldt seit je als Schwierigkeit empfundcn wurde und daß sie bis in die jüngste Zeit hinein Anlaß zu Fehlinterpretationen gegeben hat")"". Neben der durchaus zutreffenden rezeptionsgeschichtlichen Bemerkung wird hier bereits ein zentrales Problem von Weisgerhers Interpretation deutlich. Humboldts Formulierung nämlich als ,entscheidend' zu qualifizieren, ist in der hier vorgenommenen und für die Wcisgerberschen Schriften durchaus charakteristischen Fonn nicht angemessen. Weisgerber mutet dieser TextsteIle deutlich zu viel 7.U~ wenn er sie zum Angdpunkt des gesamten HumboldtSchen Denkcns hochstilisiert. Sie ist ja vielmehr das Erinnerungsformal, das einen - wenn auch sehr gelungenen - Einstieg in die komplexe Materie Humboldtscher 5prachtheorie vom ontologischen Standpunkt aus zuläßt. Überanstrengt man das Diktum aber in einer solchen Art. wird der Zugang durch d.iese Porm der Überb,srung und der damit notwendig einhergehenden Isolierung und des Redukrionismus geradezu versperrt. Entgegen Weisgerbers Auffusung enthält der Begriff nicht dje gesamte Humholdtsche Sprachauffassung, diese wird vielmehr undeutlich, verljert man die z.ahlreichen Kontexte, in die das Diktum eingebunden ist, aus den Augen. 50 hat Weisgerber durch die Bildung des plakativen Attriburs ,energetisch' schon den cOlschcjdcndcn Fehler für seine ,Sprachwissenschaft' gemacht. der Gel:tnruf .lllnlählieh verderblich!:' Formen angenommen h~tle~ (Wtisgerbcr, ZW<"mllll SpradJ~. u.O.• S. SJ). - Vgl. du.u .tueh JOSt, pramt: ab Werk Nml 'IJ.'IrJunde Kraft• .1..1.0., 5.111·112. )f' Vgl. \'Or ~c::m die zusmul'lmfasJ<'J1de D.tntdlung in Zu-eim.J Sprtuhe, .1..1.0.• 5.104·1 .. 0 und 5~zidl :.uch die iu&ersl problc::m.tltselMo Deutung dd Humboldl.Khen Diktums im KOntdlt der ..AufwertUng dei Ikgrifft$ Volk" (5. 111). in dc:rcn IUhmen tT' - :.Ib.u neologißisch vcm.hrmd - fesutdlt. d.tß Humbokll mit mne!m ..GN.tnken der Encrgn.t C...) dic Quellt des 5prachlichen, die nlcnschliehe Spr.lchfihigke!il in die! Stellung des .Energiacn,rums' rück,- (5. 110). ~ Wtisgerbtt. L: .Zum Enc::rgei.t-Begriff in l-lumboldt$ Spn.ehb~lradlluntl". In: Wirkende$ WOrt •• , Jg. (19S"), S. }7"·}77, ~1
\tleisgerbcr...Zum Enc::rgc.ia-8egriff·. u.O.. 5. J74,
6. Humboldts Erben: Chrollolögir zum Aufuirg tinC$ Atlgcmdnptuzes
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theoretische Gehalt des Diktums ist ihm durch diese Form der - gleichwohl ständig beteuernd abgewiesenen - Vergegenständlichung des begrifflichen Instrumentariums bereits verstdlt. Schon Humboldt und AristoteIes gemäßer wirkt Weisgerbers BeobachtUng, daß es sich um ein deutliches ...Gegenüber (von, U.W.) Ergon und Energeia·}<'! handelt und daß .der Wortlaut keinen Zweife''')49 läßt...daß die GegenübersteUung \tIt'rk (Ergon) - Tätigkrit (Energt'ia) nicht zu beziehen ist auf den vorangehenden Satz, daß das Geschriebene nur in vortragbezogener Verlebendigung Sprache lst" Jso. Und in der Tat hat ..der Gegensatz Ergon - Energeia (...) nichts mit einer Gegenüberstellung von schriftlicher Erhaltung und lebendigem Vortrag (...) zu tUn, sondern geht auf die zwei Auffassungen von der Sprache aligemeill" JS1 • Dies ist durchaus zutreffend, doch gleich in der Explikation dieser Beobachtung macht Weisgerber seinen zweiten, und noch ungleich folgenschwereren Imerpretarionsfehler, der sich - wie bei ihm häufig - in kleinsten Formulierungsvarianten, ja in Wortteilen, ausdrückt. Weisgerber schreibi, zunächst ganz harmlos und treffend, daß ..schon die Tatsache, daß die deutschen Wörter durch die griechischen erläutert werden und nicht umgekehrt! (...) nicht belanglös" JS2 ist. Dann aber kommt das, was ich bereits als monumentale Humboldt-Verirrung bezeichnet habe. Nach Weisgerber ..sucht Humboldt (Umsr., U.W.) in dem ganzen Abschnitt die eigentümliche Daseinsform des Sprachlichen zu beschreiben")SJ. Genau das aber versucht Humboldt nicht. Er versucht vielmehr, diese Sichtweise mit dem Ergon-Terminus sogar explizit auszuschließen. lhm geht es nicht um die verifizierbare ..Daseinsform des Sprachlichen" JS \ sondern um das ,ungeteilte' \tIesen der Sprache. Weisgerbers Fiktion einer konkretistischen Sprach-Energeia ist demnach so ziemlich das Gegenteil von dem, was Humboldt in der Textpassage, die auf den ontologischen Charakter der Sprache ziele, sagen will. Weisgerbers Zug fährt nun unaufhaltsam auf dem das Sprachverständnis Humboldts vergegenständlichenden Gleis seiner (auch bald) inhalts· orientierten Sprachforschung, eine systematische Fchlstcllung, die dann ci· oe ganze Kette von herbeigewünschten (Fehl-)Intcrprclationcn nach sich zieht: Humboldts .. Überlegungen konzentrieren sich"Hs, so Weisgerber, .... Ebd. • Wcisl;erbe.-r...Zum J'\;l Ebd. IU Ebd.
».: Ebd. >'J
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Entrg~iJ-Bcgriff" •.1.;1.0.• S.
375.
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Zweiu:r Teil: Humboldu GNI:ichtnis
..dann mehr auf die Einzelsprachen, und hier stößt die Aufgabe. die Form einer Sprache zu bestimmen. auf die Schwierigkeit, daß die Sprache etwas .beständig Vorübergehendes' ist, also kein ,Werk' im Sinne des in sich Ruhcnden")S(, usw..Energeia' wird also - die vorgenommene Reduzierung auf einen gegenständlichen Tätigkeiubegriff nun wiederum zum dauerhaften KonfliktpotcntiaJ und damit zum ,Kampfbegriff' der Sprachforschung erweitert - zum Dauerregulariv der Sprachuntersuchung, das in dieser Hinsicht fast alles, mit Sicherheit aber viel zu viel wird bedeuten müssen. Es kann benutzt werden, wo immer es von Nöten scheint, und Weisgerbers Interpretation des Diktums wird damit zum eindrucksvoll(st)en Beispiel dafür. wie dies in einer falschen WeichensteJlung der Emwicklung der ,Sprach theorie' verbraucht wurde und damit konsequenzenreich und zynischerweise ausgerechnet in dieser systematischen Fehlstellung seine weiteste Verbreitung erreichr har. Am Anfang des Weisgerbc.rschen Sprachbegriffs und damit der ganzen von ihm begründeten Forschu,ngsrichtung steht so eine monumentale Fehlinterpretation Humboldts, über die: auch manch hilfreiches 'Forschungsergebnis im ein· zeinen nicht hinwegtäuschen kann. Es ist ehen nicht Humboldt, bei dem man ..förmJich spürt (Umst., u.W':)"nl wie er ..damit ringt, etwas adäquat in Worte zu fasscn/o}SII, und schon gar nicht will Humboldt mit Hilfe des Diktums herausfinden, "was sich gerade im Hinblick auf die Daseinsform der einzelnen Sprachen mit den geläufigen Begriffen nur sehr schwer sa· gen läßl"jS9. Vielmehr offenbart sich Weisgerber hier als Ringender um sein eigenes Sprachforschungsinteresse, für das er Fundierung und Legitj· nu,tjon sucht. Diesem Interesse folgen dann dann auch Weisgerbers weitere Ausführungen in diesem und in anderen Texten, in denen er in oder vielleicht hesser trotz einer .energetischen< Sprachbelrachtung die Möglichkeit gesehen hat, njcbt nur Humboldts Wesensaussage zur Sprache soziologisch zu instrumentalisieren, sondern auch in einem Modell einer konstruierten Zwischenwell" - ..einer wahren Welt zwischen dem Bewußtsein und den Gegenständen")6Q - den Zusammenhang von I-Iumboldts Diktum mit anderen zentralen Theoremen, etwa der ldemität von Sprechen und Denken und dem Zusammenhang von Sprache und Weltansichl. auseinanderzureißen. In einer fragwürdigen, häufig nicht näher erläuterten, Konslruierung von Zusammenhängen verschiedenster HumboldlScher TextSlcllen Ebd. m Ebd. u. Ebd. }~ Ebd. )~
~ We.lsg~,
ZtrrmtaJ Spr"cIJr. u.Q.• S. 1'49.
6. Humboldts Erben: Chronologie zum Auf5"lieg cines Allgemeinplalus
239
läßt dies rur ihn auch ,.keinen Zweifel (daran, V.W.), worauf es Humboldt' ankommt: jede einzelne Sprache, das heißt also Sprache in der Erscheinungsform der Muttersprache. ist ihrem Wesen nach kein daliegender Stoff. sondern eine Verrichtung, ein geistiger Prouß, und diese Hinweise ergänzen sich mit den späteren Gegenüberstellungen Eruugtes: Erzeugung; Werk: Tätigkeit, Arbeit des Geistes, Emanation des Geisres, um den Hintergrund zu beleuchten, auf dem die Antithese Ergon: Energeia deutlich wird"Jf»l. In fast ironischer Weise bestätigt sich hier die These, daß das Erinnerungsformat der ,.Energeia' nur der Einstieg für viele andere Aspekte des Humboldtschen Sprach begriffes ist. Interpretiert man niimlieh den ,Energeia'-Begri.ff falsch, deutet man auch die anderen Termini unzutreffend, wie Weisgerber dies hier sicher ungewolIr am Beispiel des Stoffes der Sprache zeigL J62 So verirrt kann Weisgerber dann auch folgende - hiStorisch und system:nisch gleichermaßen abstruse - Konsequenz formulieren, an der so ziemlich alles schief ist: .. Humboldt hat hier weder Harris noch Herder noch Aristotelcs (!, U.W.) vor Augen (so geläufig ihm das war, was don für sein Problem. das doch keiner noch in seinem Sinne gesehen hatte, brauchbar war)"l6J. Schief nicht nur deswegen, weil die aristotelische Fundierung des Begriffes nicht nur nicht gekannt, sondern explizit ausgeschlossen wird, sondern weil auch der Zusammenhang des ,Energeia'-Begriffes im 17. und \8. Jahrhundert nicht richtig gesehen wird. Weisgerber schreibt: ..Zwischen der Aufnahme des Begriffes deI'" energ;tl (!. U.W.) bei Hanis samt seiner Verwendung in Herdcrs Laokoon-Kritik von J 769 und dem Humltol
.MI:
Wdsgcrber. ~ZUnl Encrgeia-B...-grür-. a.;1.0.• S. J76. Dies gilt auch für dit" innere Sprachform, dit" Wcisgt:rber nidll nur g~hichllich dcnkcn und wit:derum im Predingungen seine Spr:lochkri(U'.in dcr Einmaligkdl ci· nl'.5 ptrsönlichell Lebens entfallet unJ d;lmit auch seinem spr:1lehliehen Sch,,(fen d~n ptrsönlichen Stempel aufdrUckl. Du aJl~s iSt als eine große Einh~il zu sc:hen; den Schlilssd zum Vc'Uündnis aber liefen (hier eiulDal, U. W.) die innere Sprachförm als der geschichtliche Grund\'organg dl'5 sprachlichen Al1\'crwanddn$ der Welt~ (Wcisgerber. L.: ~1J1nere Sprachform als Stil sprachlil'hcr Anvcrw.lndlung der Well~. In: Studium Gt'IIeralc, 7. Jg. (1954), H. 10. . 571-579. hier. S. 579).- VgJ. dazu auch Jen frühen Aufsuz Weisgerbcrs .0,\$ Problem der inneren Sprachform und seint Booeulung für dil" dculSChe Spnche~. (0:
~
Gn-malU5Ch·Romamsche M01llwsrh,.,!t. 14. Jl>' (1916), S. 2041-156.
Weisgerber, .Zum Encrj;cia-BcgriW, a..a..O.• S. 376.
Zweiter Teil: Humboldu Ged:ichmis
240
boldt \'on 1835 liegt die g:mu Entwicklung, die der EfJergi~.Begriff(!, U.\V,) im ausgehenden 18. Jahrhundert im Deutschen durchgemacht hat und in der Herder selbst eine gewichtige Rolle spielt: die Angab(':~ d:aß das WOrt Ent'rgic 1787 durch Herder seinen wissenschaftlichen Sinn .wirkende Kraft' bekommen h;d)(~ (...), trifft auf jeden Fall den Umkreis. in dem die Tradition der ;r,ri· 5totdi.schtn tnerg('td sich von den Erscheinungsformen der Tatigkeiten auf die dahinter stehenden, in ihnen wirksamen Krifte yeniefte. Und diese Ab· wandlung konnte niemand willkommener sein als W. v. Humboldl"164.
Nun ise das, was W<=isgerber hier als Umkreis deklariert, durchaus plausibel idemifjziert. Die nachstehende Behauptung. daß vom Terminus der Energie .. eine gerade Linie (..) zur Gegenüberstellung Ergon: Energel'a"J#· verlaufe, ist allerdings ebenso nebelig wie die hier offen zu Tage tretende Unsicherheit in der Frage, welche Rolle d.ie a.ristotel.ischc ,BegriffsvariantC' für Humboldt nun letztendlich spielt. Ergebnis dieser waghalsigen bcgriffsgeschichtlichen Konstruktion ist dann die Interpretation der ,Energeia' als ,wirkende Kraft', eine willkürliche Emonlologisierung des Begriffs, die diesen zunächst aus dem Humboldtschen Gedanke,ngotng ausläst, um ihn dann wieder - subjektivitätstheoretisch und sprachsoziologisch - funktional 1.U plazieren. Weisgerber geht für diese Unternehmung noch einmal auf den diesbezüglichen, von ihm konstatierten ..Umkreis"J66 von ..Humboldts Altersformulierung" JirJ cin und hebt nun endgültig den mahnenden Finger: _Wenn Humboldt d n Ausdruck En~rgeu, (nicht die tnergia von 1-I;arr1S und Herder) heraufholt, um etwas, was er in uhlreichen Ansätzen zu fassen suchte., noch einm;al :LU verdeutlichen, so halx:n wir ;a.lIen Anl;aß. diese letzte dn· prägsame Formel ganz. ernst zu nehmeo"x.-.
Daß Weisgerber trotz. seiner eigenen Verwendung des Diktums dann davor warnt, ..die Rede von der Sprache als Energeia nur a.ls nach geplappcrte Formel"J(,'J z.u gebrauchen, und sie mehr "als ständige Aufforderung zum Vollzug eines der schwierigste.n Gedanken der Sprachberrachrung")70 gesehen werden muß, wirkt ebenso rhetorisch und verloren wie seine durch ihn ja selbst nicht eingelöste Unternehmung, man ",solle einem drohenden Schlagwortcharaku:r (des Di.krums, V.W.) vorbeugen" J]). So ab· ~
.IM
Ebd. Ebd.
Ebd. Jt,J Ebd. .... \'(Ieisgertxr. ..zum Encrge'~-!kgriff"". a~.O.• S. J76-J77. ,.. Weisgerber• .zum EnergC'I,lI·8eg.riW. a.a.O.• S. 377. I": Ebd.. )11 Ebd. W
6. Humboldts Erben: Chronologie zum Aufstieg eines Allj;cmeinplm:es
241
gesichert kommt dann - radikal imeressegcleiret - der energetische Sprachforscher)n noch einmal auf sein eigentliches Thema: ..Sprache in aJl ihr~n Erschcinungs(ormt:n ist für Humboldt 'A.jrkt:nd~ Kuft: als Sprachlahigkt:it in d~r Menschheit, als Mutursprache in d~r Sprachgem~inschaft, als sprachliches Verfahren im Einzdlebc:n. Und was er "or allem begreiflich machen wi.ll ist Muuusprache als ,Totalität' (nicht Summe!) des .Sprechens' (aller Aktualisierung einer Sprache)-J7).
Die darin zum Ausdruck kommende, in fast jeder Hinsicht reduktionistisehe Perspektive der Spn.chuntt"rsuchung ist dann auch - Weisgerbe.r interpretiert hier seine vier Erscheinungsformen der Sprache: das Sprechen, den Sprachbesitz des einzelnen Menschen, die Sprachen der Völker und die Sprachfähigkeit bzw. das Sprachvermögen des einzelnen Menschen)74 - auf die .. Hauptgegenstände, die einzelnen Muttersprachen" j1S bzw. deren ,Daseinsform(en)' gerichtet, für deren Verständnis man die "deutlich auf die ,Wirklichkeit' der Muttersprache zielende Vergegenwärtigung von Sprache als Energeia")16 braucht. Vor allem in diesem streng focussierten und damit äußerst einseitigen Sinne versteht Weisgerber auch die Auribution der ansonsten sehr ungenauen ,Kraft'-Vokabel als ,wirkend'Y7 Die ,Wirklichkeit' Weisgerbers trifft dann, auch wenn sie als Übersetzung des griechischen Terminus zunächst anderes vermuten läßt, eben weder das humboldlSche noch das a.ristotdische Verständnis, weil sie allenfaJls die halbe (und wahrscheinlich noch deutlich weniger) Wirklichkeit dessen meint, was Humboldt mit Hilfe des aristotelischen Beg'riffes für eine ,Wirklichkeit' ontologischer Provenienz behauptet. Damit versteht Weisgerber Humboldt günstigstenfalls zur Hälfte und es gehört zur Tragik und zur systematischen Brillanz Humboldtschen Sprachdenkens gleichermaßen, daß der, der es nur ha.lb versteht, es im Prinzip gar nicht versteht. Die von Weisgerber als zentral en.chtete Wechselbeziehung von ,Wirklichkeit' und ,Wirkung' kann dann auch njcht mehr erklären als eben die Option ihrer Wechselbeziehung, als erklärende Aussage bleibt sie weitgehend tautologisch. Weisgerbers Auffassungen sind Gegenstand engagierter und z.um Teil hitziger Auseinandersetzungen geworden. Die Bewertungen signalisieren m Vgl. dazu auch Wt:isgerber, Z'U1f!/mll/ Sprach~. 1.10.• S. 140-149. m Wc:isgcrbcr••Zum Ent:rgeU-lkgriff·, 1.....0 .• S. Jn. .l1< JIS Jl'I.
Vgl. Jost, Spr.chc-.b Wnk lind flJIYkc-nJ~ Kr4t, a.a.O. S. 111. Weisgcrbc:r, .zum Enc.rgc:ia-Begrifr-, u_O... S. Jn. Ebd. - Muttcnpracht bcdnllc( für Wcisgcrbc:r sowohl gcisuehaHcndc, kulturtngendc als
auch geschichtsmXhugc Knft (vgL Jost, SprllcM.u W"* 'md Trirknuu Kr41• .LLO.. S. 116)m VgL Wcisgcrnu. L: .Dic Sprache als ...irkcndc Kraft·. In: St"dilim Gcnnak.... Jg. (195 I).
H.J.S.I27-US.
ZWcill:r Teil; Humboldu GedÄ.:hlnis
242
enthusiastische Zuneigung}~R. bezeugen grundsätzliche - Kritik allerdings nicht aussparende - ZustimmungJ71, nebmen wissensch3Itshistorische Relativierungen bz.w. kontrastive Überlegungen zu Humboldt und Wcisgerber380 vor, formulieren Skepsis in Einzclfragen JS1 (d.ie aber bei näherem
Hinsehen oft deutlich mehr bedeuten) und reichen schließlich bis hin zu deutlicher Kririk 182 in dem Sinne. wie sie hier formuliert wurde. Auch J7J
il"
Vgl. Jost, Spr,r(b~ Wl.'Tk Ifmi ullrkl'nJe Kraft, 10.:1.0., S. 109· 118. LcidC'f vtrlil'r1 JUSI in diesem K.1pil~1 stint ""sonsten u.chgercchlC' Trellnschärfe und Diffucnzlerungsfihigkcil. So wird Wt:isg<.'rbcr s.:hcm in der Einleilung als ~un('rmüdlich('r Vtrfechler und Wonführer d~r Encrgeia-Thtie~ (5. 10) bcH,:id\J1CI. Für JOSlSeUt mit _ussirer und \'Qdsgcrbcr (...) tin neu~ C'S Versläl1dnis der GrullJged.1nkcn HurnoolJlS ein, und Weisgl.'rbcr erscheint ge(3(lclu al$ tlll HHmbQIJ, rf'dl1JItJ~$~ (S. I:H). So ühcrnimnll Jost dcnn auch Wcis{;erbtn [merpltt,nk\ll tier Cntrgl:'ia.11s wirktndt Kn.ft und nilisien stint Uc-wundcrung, in cillcr u!>ell.lristhcn Ge!>cn· überstellung Humboldts.:htr und Weisgerberseher TCXlfn.gmeme bzw. ZiUlfl.'fUn, die: Sc:ill t' Ansidll bdq;I'Il, dJ.ß man "OhI1C Obwreibung s,lgen (kann., U.W.). daß l-IumbolJt~ Sprach· philosopllie erst jef7.I, un(l dies vor a!ll'm dank Wc:isgcrbers anrel;\c:nder F(.rschung, wiSsenschaftlich (ruchlbar zu wtrden \'er.'Opricht~ (S. 12R). Die nopptltt Krilik .an Hllmboldl und 311 Wcisgerbcr, die 7.;1ghafl für beide eine gdegemliehc Übtuchiil7.Ung ocr Sprache konsl.Ilim (vgl. S. 128), kolnn nicht darüber hinwtgduschen. d;d~ Jruit _'lf/eisgerb{'rf t'lgrllt' LtlllHrlg(S. 118), nOleh deI" ldlSchen Sprachtheorie nicht angemessene - Ansiehl kritisiert. Dies IVird zum Beispiel beim Begriff der .Zwischcllwclt' (vgL 87-88) und bei der Entl.l.n'ung dcr Weisgerbersehen Krart.lnterprel2tioll deutlich, bei der sich I.lul Junker die Termini .Wirklichkeit' und.Wirkung' nur gegenscilig erklären, ohne jcd(lCh cin darüb,'r hinausgehl.'ndcs Erklärungspotenlial zu entfalten (vgl. . 76-77). Thyssen, J.: ..Die Spncht ab ,Ent'rsei~' und d.t5 •Weltbild' der 5pr:tche (eine kritische Bt·· lrachtung 'Zu L. Weisgerbc::r.; Spr:tchphilosophic)~. In: LC'xiJ. UI. JI>- (1953), I-Ll, S. )01-)07. Vgl. Borschc. Spradul1ISlcbum, ;\.a.O., S. 59·70_
.w.
J1'I J80
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6. Humboldls Erbcu: Chronologie ".um Aufstieg eines Allgemeinphl7.e1
243
sind die Weisgerberschen Ansätze von seinen Schülern intensiv weitergefühn worden. 311J Insgesamt kann man sagen, daß die Kritik in dem Maße zunimmt, in dem sich der historische Abstand zu Weisgerbers Arbeiten und vor allem zu seinem Wirken vergrößert. Eine - die hier vorgenomme kritische (und sicherlich den Weisgerberschen Ansatz nur in Ausschnitten würdigende) Durchleuchtung nicht einschränkende, aber in ihrer Bewertung relativierende - Bemerkung muß jedoch auch deswegen gemacht werden, weil sie eine wichtige Information zur Geschichte des ,Energeia'Diktums und auch der Humboldt-Forschung enthält: Weisgerber geht wie selbstverständlich davon aus und weist an vielen Stellen darauf hin, zwar ,im Abschluß an Hurnboldt' zu argumentieren, versteht djes aber ganz im Sinne einer Weiterführung. Manche der hier vorgeführten Kritik wäre für ihn keine, und so wird dies U.a. auch von Wcisgerber-Rezipienten gesehen. So hat JOSt z.B. mit der erst reduktionistischen, dann den ,Energcia'-Begriff funktional erweiterndenJS4 Srrategie Weisgerbers für eine .. Wiedergeburt der Sprachwissemchaft")8S nicht nur kein Problem (und gesteht dies auch für andere Wendungen Weisgerbers, wie z.B. das ,Worten der Welt· ZU 1l6), er sanktioniert dies auch ausdrücklich als Teil des Weisgerberschen Projektes, ..die Höhenflüge Humboldtscher Sprachphilosophie in die unentbehrliche Kleinarbeit exakter sprachwissenschaftlicher Forschung"J87 einzufügen. Im Hinblick auf den Wirkungs begriff Weisgerbers stelh JOSt fest: .,Freilich (!, U.W.) hat H u m bol d t diese mit dem Wesen der Sprache gegebenen Wirkungen ni c 111 au sd rü c k I ich als Energeia bezeichnet, doch ergibt sich diese Ausweitung sc1bstversändJich; sie ist überdies in sei.ner ganzen Sprach~ und lebensphilosophie begründet (Herv. aufg., u.w.,"m.
Eine solche Argumentation würde uns heute zu Recht als unwissenschaftlich erscheinen, war aber zu Ze.iren des Forschungsschwerpunkres ,Sprache und Gemeinschaft' in den SOer und 60cr Jahren nicht nur sanktioniert und auch wesentlich verbreiteter, als man heute vielleicht meinen möchre, es dokumentiert auch die Euphorie, die diese Richtung der Sprachforschung in der Geschichte der Sprachwissenschaft hervorgerufen hat. Für die damaligen Vertrerer ist klar: ).) Vgl. Gipprr, H. (Hrsg.): Sprachr. Sth/iml ZHr Wr/l. FrUlchrififlir Lea \'(Itugn-ber; Düs·
sddorf 1959. ) ~ Vgl. JOSl. Sprachr als Wl'Yk HnJ wirkrnJr Kraft, a.a.O.• S. 113. )~ JOSt. Sprachr ab \'(IC'l'k ulld wirkende Kraft. :1..:1..0•• S. 110. I" Vgl. JOSI. Spradll' 'ils \l/n~ ,md wirkrnJl' Kraft, a.:I..O.• S. 117. J'T Weisgcrbtr. Von den Kräften
d~r
deHCf
Gri'mmacik. ;\.,1.0., S. 25. m JOSt, Sprach~ 4/1 \Vl!'rk '411([ f1)irkenJ~ Krafl. ~a.O., S. 114. zogt'nt'
244
Zweiur Teil: Humboldts Ccdidnnis
..Aus den Umermchungcll \l!eisgerbers ergibt ruh: Die Muucrsprache offenbart ihre Wirksamkeit -als Kraft geistigm Geslaltem (Umschaffen der Weh in das Eigentum des Geistes = Worten der Weh), als Mizschöp!er;n des kulturelle/I Lebens und als bewegende Kraft in der Geschichte jeder Sprachgemeinschaft. In dieser dreifachen Wirkungsform erscheint die Sprache- als cin ,quinta essentia', ein allgegenwärtiges Element, ein Äther, der die Lichtstrahlen des Geistes lligt, cin Inbegriff von Kraft, eine Encrgcia"Jll'J.
Eine euphorische Interpretation. die die Humboldtsche Sprachthcoric allerdings vollkommen unter sich begräbt. Angesichts solcber Wirksamkeitsmystik kann JOSts These von der Johannes-Funktion' Cassirers für
die Weisgerbersehe Sprachauffassung zudem nur aJs ganz und gar abwegig bez.eichnet werden. In der Zeit, in der Weisgerber das ,Energcia'-Dikrum in der gezeigten Weise als Kulminationspunkt seines Denkcns priisentiert, hat sich die lnte,rprctation des Diktums jedoch auch allgemein bereits weitgehend vcrselbständigt und damil einc Pluralität angenommen, die längst i.n die weiteren Rezeptionsphasen von 1960 bis heute hinaus weist. Als Beispiel dafür sei die ebenso kurze wie fehlerhafte und sinnwidrige ,rflichterwähnllng' A. Diemers und l. Frenzels angeführt, die diese in ihrem Lexikon P!Ji[osophic)'IO unter dem Stichwort "Sprachphilosophie"J~1 vorgenommen haben. So heißt es doTt lapidar umer dcm zweiten Punkt .,Aspekte der Sprachc",39l: .,An dem so abgegrenzten Begriff der Sprache lassen sich verschiedene Aspekte aufzeigen. Schon tv. v. H u m bol d r harte von der Sprache als .ergon' (d.h. einem System von Regeln und einem Vorral von Wörtern) und ,\Is ,energeia' Cd.h. der immer wiederholten Sprcchtätigkeit) gl:sprochen I&3'U.
Wie aus dem bislang Dargestellten hinlänglich deutlich geworden ist, hat Humboldt nicht nur nie von dem gesprochen, was hier behauptet wird; häue er die ihm voUkommen zu Unrechl umergeschobene doppelte Sprachbclrachrung jedoch in dieser Form terminologisch entwickelt, wären die diesbezüglichen Erklärungen der Auwrell auch noch falsch. Hier wird deutlich, daß nun binnen kU.rzem eine Phase beginnt. in der nicht nur alles möglich ist, sondern in der die Quali.fizierung vorn ,Allgemeinplatz' in teilweise grotesker Form an Bedeutung gewinnt. l" jou. SprtJchl' als Wtrk und w"lte'jJ~ Kraft, ~.a.O .. $. 124. JOM) Diemer, A. und Frtn;~.d, I. (Hrsg.): Phi/osopJJlt'. Dtll Fischer L~xjkort. Fnnkfun llm Main 1958. j9j Diemer I Frcnzd (Hrsg.): Philosopbit'. ~.;\.O., S. J07-J27. m Diemer I Frcnzd (Hrsg.): Pbi/osophit. :L;\.O.• $. JOS. )'13
Ebd.
6. l-IumboldlS Erben; ChrOtlQlogie 1.um Aufslie& eines AlIgemcinpl~tzc.s
245
Vorher sind als Abschluß der zweiten Phase der Chronologie aber noch zwei weitere Positionen aufzuführen und zu diskutieren. Zunächst wird 1959 von genuin philosophischer Sei[(~ ein InterpretatioDsangebot vorgelegt, das auch als solches analysiert und bewertet, werden muß. M. Heidegger begegnet in seiner Spärphilosophie Unterwegs zur Sprache J'f.4 auch ..Wilhelm von Humboldts Sprachbesinnung" J95 und damit fast zwangsläufig auch dem ,Encrgeia<·Dikrum. Nun täuscht ein erster, nur vordergründig verstehender, Zugriff auf den Titel von Heideggers Unternehmung über den wahren Charakter der Sprache hinweg: ..So sind wir denn allem zuvor in der Sprache und bei der Sprache. Ein Weg zu ihr ist unnörig"J %. WeiJ dies so ist, gilt es ihm, ..die Sprache als die Sprache zur Sprache (zu, U.W.) bringen""7, eine zentrale Aussage Heideggers. die nicht nur sein nun einzulösendes Programm beschreibt (und daher auch nur ..klingt [Herv., U.W.] wie eine Formel")9a, lieber einen ..Leitfaden" J 9l) für das kommende Philosophieren darstellen soll), sondern die Perspektive bekannrgibt, unter der er die bisherige Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie bewerten und einordnen will. Für diese Sichtung des ,Bisherigen' geht Heidegger nun ausgerechnet auf die beiden Sprachthearien ein, deren Autoren hi~r i.n besonderer Weise ZUJ Diskussion stehen. So wird zunächst der aristotelische Entwurf anhand der zentralen Passage ItEQL EQ~ulVElat; dargeboten, als ..Notbebclf....oo über(ge)setzt und dann in Heideggerscher Terminologie interpretiert. Auffallend ist dabei seine Strategie, den - hier nicht zur Debauc stehenden - repräsentationistischcn Grundcharakter der Passage mit Hilfe fundamenralomologiseber Bcgriffilcbkeit wie z.ß. dem Terminus des .Zeigens....ol ausz.ulegen. Heidegger stellt dann zunächst die abendländische Geschichte der Sprachphilosophie großzügig resümierend - fest, daß ..seit dem Griechentum das Seiende (Umst., U.W.) als das Anwesende erfahren wird"-«I2 und überrascht - auf dieser Beobachtung aufbauend - mit folgender Verknüpfung: .. Die im griechjschen Altertum anhebende, auf mannigfachen Wegen angestrebte Betrachtung der Sprache sammelt sich aber zu ihrer Gipfelhöhe in WiLhe1m von Humboldt""OJ. Die I~'
Hcideggl'r, M.: Unterwegs zHrSpradu. SlUtlgan (10, AuO,) 199), IY) H~idcggcr, Unteru:rgs 701<1" Spra~h~. a.J.O., S. Z46. 1'lI, l-lcidegget, Untrrwrgl Zl
Ebd. Ebd•
...a I-Ieidcgger, U"tc"'~('gt l(;l Hcideggcr, Umtr'IPrgl
tNr Spra~hr, O1.J.O., S.
Z44-24S. Z/lr Spra~ht!, 01..1.0., S. 1iS.
, Ebd. •~) I-Ieid<'ggt"r. Umcru:tgr zl
a.~.O ..
5. 246.
246
Zweilcr Teil: HumboldlS Gt'dächlnis
fundamentalen, ja sich diametral gegenüberstehenden, Unterschiede von Aris[Q[clcs' Repräsenrations- und Humboldts KonstirutionSlheoric der Welt durch Sprache übergeht Heideggcr geflissentlich und zwar trotz der Tatsache, daß die Kawi-Einleitung, diese "erstaunliche, schwer durch· schaubare, in ihren Grundbegriffen dunkel schwankende und doch überall
erregende Abhandlung"'-4Ool im ..Für und Wider, genannt oder verschwiegen, die gesamte nachfolgende Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie bis zum heutigen Tag.... 05 bestimme. Erst im folgenden wird klar, worauf Heidcggcr zielt, daß nämlich das ganze bislang entwickelte Sprachdenken eben nicht die Sprache als Sprache verstanden habe, sondern da!) ihre alles umfassende Gemeinsamkeit in der von Heidegger unterstellten Gegen· ständlichkeit des SprachbegriHes bestehe. Auch Humboldt habe sich ,seinsvergessen' um eine Definition der Sprache bemüh~ ein Vorgehen, das Heideggcr - die diesbezügljchell Probleme eher umfahrend als bearbeitend - kategorisch ablehnt. Als Beleg für seine Humboldt-Charakteristik führt er dann die ,Encrgeia<··Passagc an, bei deren Interpretation cr deren onto· logischen Charakter unberücksichtigt läßt: .,Hier sagt Humboldt"~06, so Stellt Heidcgger implifizicrcnd fest, "daß cr (Humboldt, U.\XI:) das Wesentliche der Sprache im Sprechen sieht....o7 . Der ontologische Charakter wird demnach unterdrückt, um der (fundamental-)olltologischen Kritik Raum zu geben, deren Perspektive hier auch in der späten Philosophie Heideggcrs unüberhörbar mitschwingt. Was nun folgt, ist einerseits die wirkungsmächtige Charakterisicrung Humboldts als Jdealist 408 und andererseits die Feststellung, daß .. sein (Humboldts, U.W,) \'Qcg zur Sprache nicht so sehr von der Sprache als der Sprache hcr bcnimmt wird, sondern von dem Bestreben, das Ganze der geschichtlich-geistigen Entwicklung des Menschen in seiner Totalität, zugleich aber in seiner jeweiligen Indivi· dualität, historisch darzustcllcn«409. In diesen beiden - prinzipiell nicht unrichtigen - Bestimmungen komplettiert Heidegger jedoch seine Reduktion des Humboldtschcn Ansatzes soweit, daß cr auch bei der Auslegung des ,Energeia' ·Diktums auf die falsche Fährte geraten muß. Zunächst unterstellt er dem von ihm so redu-
~
Ebd. Ebd.
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Hcidegger, U1Itt.'I'Wt!8s zur Sl'rJcht!, 2.a.0., s. 2"7.
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Ebd. Vgl. HC'idcggcr,
U1/r~rwl.'gf
ZU" Sprs,chc. ".a.O.• S. 147. - Darolu(. daß M. l-Ieidq;gCf mil st';ncr !-!umboldt-llllcrprt'12tion sehr zu dCSSl.'n einsciligC'r RCl.l·p,il)n "ls Icitalisl beigt'uagen h.lt. hal D. Di C('~.ue hingl"wicsen (vgl. Di Cc-sare. u.O., S. 31, Anm. 11). I-leid('~cr. Unter'U'egJ Znr SprMhr. a..1.0., S. 248-2049.
~Die
,uistOtclischt'
I-1crkulI(t~,
6. I-Iumboldts Erben: Chronologie zum Aufslieg eines AlIgcl11cinplau.cs
247
zierten Humboldt die Reduktion als dessen eigenes Programm: ...Humboldr bringt die Sprache als eirJe Art -und Form der in der menschlichen Subjektivität ausgearbeiteten Weltansicht zur Sprache -410. Dann folgt die entsprechcrJde Auslegung des Diktums, die das gcfaßte Urteil nur noch bestätigen kann. Heidegger fragt...zu welcher Sprachc"-411 Humboldt die Sprache bringe und anrwonet. das von vielen vor ihm bereits als so naheliegend empfundene und daher häufig verwendete lntcrpretationsmustcr nicht ablehnen könnend: K
..Zu einer Folge \/on Aussagen, dje in der Sprache der Metaphysik seines Zeitalters sprechen, bei welcher Sprache die Philosophie von Leibniz ein maßgebendes WOrt mitspricht. Es bekundet sich Olm deutlichsten dadurch, daß Humboldl das Wesen der Sprache als Energeia bestimmt, diese jedoch g-anz ungriechisch im Sinne von Leibnizens Monadologie als die Tiitigkeit des Sub· iektes verstehl" m .
Hcidegger kommt zu dieser - Humboldts Dikrum mit der Hilfe Leibnizens reduzierenden und auch verschiebenden -Interpretation nicht aus der Analyse der Humboldtscben Texte und gründet diese auch nur rudi· mentär auf eine geistesgeschichtliche Argumentation, sondern entwickelt diese als conclusio getarnte Behauptung aus der puren Konsequenz seines eigenen Gedank.enganges heraus. Eine erstaunlich offen daliegende, in ihrem Vorgehen durchaus neue Imerpretationsvarianre, die jedoch ihren funktionalen Charakter kaum verdecken kann. Die EntOnrologisierung und vor allem Entarisrotelisicrung des Humboldtschen Diktums ermöglichen Hcidegger dann erst die griffige und schlagfertige Kritik, cine Kritik, die ihm bei Anerkenntnis des aristotelischen Fundaments und der damit verbundenen Reichweitc des Humboldschen Ansatzes in dieser Form gar nicht möglich gewesen wäre. So mündet Heideggers Argumentation nach dieser zügigen Abarbeitung aristotelischer und humboldrscher Spr3chtheorie als Stellvertreter des ,Bisherigenf dann auch endgültig in das eigene "Sinnen (...) der Sprache als der Sprachc", innerhalb derer wir .. nicht mehr nach allgemeinen Vorstellungen wie Energie, Tätigkeit, Arbeit, Geisteskraft, Wehansicht, Ausdruck uns umsehen. in denen wir die Sprache als einen besonderen Fall dieses Allgemeinen unterbringen. Statt die Sprache als dieses und jenes zu erklären und so yon der Sprache wegzunüchten, möchte der Weg zu ihr die Sprache als die Sprache erfahren lassen"~I.\ 410 I-Icidcg~er,
Umcrwtgs zur Spr/1.chc, ...... 0., S. 249.
"11
Ebd.
_12
Ebd. 1-Ic:idcggCI", Ul1tf'ruJ('gI ZHr Sprache, a_.I.0.• S. 250.
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248
Zweiter Teil: Humboldl.$ Gedächtnis
Es ist hier nicht der Ort, Hcideggers Ausführungen im einzelnen nachzuvollziehen. Daß der vermeintliche Flüchtling Humboldt in Wahrheit aber ein von Hcidcgger Getriebener war, damit jener die Sprache als ..das vom Sein ereignete und von ihm durch fügte Haus des Scins"H4 verfolgen konnte (und damit, wie es B. Liebrucks formuliert, .,ins schlecht Transzendente ausgcrutscht"~aist), läßt d.ie Frage offen, wie Hcidcggers Argumentation ohne diese funktional-reduz.ierte geistesgeschichtliche Leiter, deren Sprossen ihm hier AristoteIes und Humboldt waren und die er Unterwegs zur Sprache wegwerfen zu können glaubte, ausgegangen wäre. Die hier als Demütigung ausfallende Idealjsmus-Etikcuierung hätte ihm ebenfalls kaum weitergeholfen. Mit dem kompletten Humboldt aber wäre Heideggers Weg an ihm vorbei wohl gar nicht möglich gewesen: Unterwegs zur Sprache kann man vor allem bei Humboldt bemerken, da!! man in einem - allerdings ganzheitlich anthropologisch und sprachtheoretisch gemeinten Sinne - immer schon don ist. Und daß das don sein immer schon ontologische Qualität hat, diese Einsicht wäre bei einer aristotelisch verstandenen I.ntcrpretation des ,Energeia' -Diktums wohl unvermeidbar gewesen. Unterwegs zur Sprache führt - im doppelten Sinne - kein Weg an Humholdt vorbei. Als lerzte Position soU nun noch abschlicHend die von L. Jost selbst von J9S9~16 bzw. 1960 Erwähnung finden. Dessen Verdicnslliegt freilich nicht auf interpret:\lorischem Gebiet, sondern in der bereits vielfach demonstrierten Fähigkeit des Autors, die Rezeptionsgeschichte des ,Energeia' -Diktums - zum ersten Mal in dieser Form - zum wissenschaftlichen Problem z.u machen. Hierin und in der Tatsache, die aristolelische Fundierung des Begriffs (mil- )erkannt z.u haben, liegt der eigentliche Fortfl~
II('id(gger, M.: Ub~r den I-IlIm~msmus 11949). S. 11. 2il. nach josl, SprMh~ alJ U/t-rk lind wtrkc"J~ Kraft, ;1.:1.0.• S. 130. - Zur Encrgtia.1ntcl·prclation Hdd(,~cr5 sich c auch JOSt, ~imJ(h~ fils Wcrk lind wirkelldt Kraft, a.a.O.. S. 128-I.H. bei der er sich wl'S~nt1ich auch aur d~n Tcxl Ob('r den HUmmll$ml/J stutzt. josl Sicht eine' gelungene Int('rprCI~tion I-Ici-
deggcl'$, bei der diesc:r sich ",ber 7.ugtstandt-ncrmaJ1t-n nicht explizit :luf Humboldi bC1.ie. hc, in rler folgenden Passage aus den Erläuterunge" Zj, f!ijIJn[i1U /)I(:}J/ung \'on 194-4: .. Die pl'1lchc iSI nicht ein verfügbares \'<'erkzcug (und nicht nur ein ßcst.l.rld \'on Wörtcm und Regeln der '«'anfügung). sondern dasjenigo Ereignis, das über die höchste Möglichkeit dc.{ Mcnschsdns YCrfügl UOSI, Spra(h~ alJ \Vrrk ffnd flIlrkenJt' Kraft, ;'1.1.0., . 132). Liebrucks. B.: Sprache und Bf!'fL'ußts~i" (7 Bdr.). BJ, ]: Sprat:h~. \Vi/1ulm von flumhold/M. Fr~nkJun:lm M:.in 1965. S. lJS. So legt JOSt seine Dissertation zunächst unur dcr Überschrift D,e Au/faSJHllg du SpraclJl' als ElIcr8l!W, Bcrn IQ59. "or. .Ein Jahr spitcr er.scheint sie d~nn in der hier rezipierten FQrm unt~r dem Titd Spr,ldJt! a/.$ \ffnk 'md ·u:ir!uml.. Kr.,fL Em lJeuroJg zur G~schl(htr und Kn'tik der fm~r8~tlSchlm Sprachalifflluu1l8 sm Wilhelm '1/,11I J-Iumboldl. Ikrn 1960. (= Sprache und Dichtunj;. N.F. Bd. 6). M
~l) <14
M
6. Humboldts Erben: Chronologie zum Aufstieg dnes AlIgl.'.mcinpl:lllC'S
249
schritt, für den Jost in der Geschichte der Erforschung des Dikrums steht. Zusammen mit den frühen Positionen Steimhals, den ungenuczten und gleichwohl treffenden Annäherungen Manhes und letztlich der grundlegenden systematischen Charakterisierung durch Di Cesare gehört er damit zu den Marksteinen dieser Forschungsgeschichle. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen hat Jost selbst keine besonders überzeugende Interpretation des Diktums vorgelegt. Die gesamte Rezeptionsgeschichte im Visier verschwimmt der Blick auf das Humhold Ische Original, das - der Wissenschaftslandschaft der 50er und 60er Jahre jedoch durchaus entsprechend - lieber kreativ ausgelegt, kritisiert und weiterentwickelt als zuvor wirklich verstanden wird. So nennt JOSt gleich in der Einlc:irung den ..Ergon-Energeia-Satz" (...) ..jene durch ihre übertriebene Einseitigkeit best«hende Definition der Sprache" 417 • Und obwohl Jost die Eigentümlichkeit der Definition genetisch nennt, verhaut ihm eben diese Charakterisierung als Definition den richtigen Zugang. Jost, für den es ebenso richtig sein muß, daß die Sprache zumindest auch Ergon sein kann, wie er die Annahme für unmöglich hält, daß Humboldt sich bei seiner umerstellten ,Definitionsarbeit' irgend wie geirrt haben könnte, bleibt in diescr - das Diktum als Formel verstehenden - Sichtweise gefangen, kann so die von ihm selbst produzierten Widersprüche nicht auflösen und muß sich daher geradezu zwangsläufig auf die Seite der ,Weiterentwickler~schlagen. Trocz der aber oberflächlich bleibenden Anerkennlnis des Erschließungschaukters des Diktums H8 und der Aristoteles verantworteten Verknüpfung des Gedankengangs mit ontologischen Aspekten 41 ', bleibt eine der Kemmesen von JostS Interpretation des Ergon-Energeia-Satzes 420 die Beobachrung, daß Humboldt hier eine Übertreibung vornimmc .. Übenreibung: die Sprache sei kein Ergon, kein Werk....!I ... Die Gedanken Humboldts weiterführend"·m stellt Jost zudem fest, daß .. Ergon und langue in einer toten, aber der Sinnerweckung fähigen Seinsform ,existieren' (Umst., U.W)"4H. Ich gehe der Argumentation nun nicht im einzelnen nach, das Beispiel mag stellvertretcnd für einen der zentralen Argumemationssuänge josrs stehen, der auf den - gar nicht Humboldts Problem darstellenden - Gedanken zielt: "Wenn wir also die Kategorien subjektiver und objektivierter Geist annehmen und anerkenJost, Spr«h~ ~b W..rk IUlti '\&.rkmJc Kuft. a..a.O.• S. 9. 411 Vgl. JMI, ,/,r/Aclu /Ab Uhk .."d U:lrJUt.d~ Krd{t. a.a.O.• S. IJ. '" Vgl. JOSl, Spr/AcM A/S Wnk IIlld :;Jlrlr..nJ~ Kr4r. LLO., S. 104. ·.n Vgl. JOS1. SprAh.. als W..,,t "nd uol,lm,d.. x,4/t. ,u.O.• S. 1S·)6. 'JI Jost, Sp,..,cb.. Air U'..,.. lind fl:;rlttnJ~ K"Aft. a.a.O.• S. IS. lU Jost, Sp,ach.. A/S \V~,1r "nd 'fllrrlr.."d~ X,.4t. ~a.O .• S. 16. 'n J st, Sp,.".h.. 11/' Wf"1r NI/tl 'U,,,,t..,,Jr Xr4t. a.J..O.. . 17. 11 '
250
Zwcilc:r Ttil: Humbokhs Gl-d~chlOi$
nen, so ist damit auch die Wirklichkeit des Kulturgutes Sprache (als langue) erwiesen, und die Sprache ist auch Ergon (Herv. aufg., U.W.)"-4N. Humboldt wird - so die doppelte Konsequenz - ebenso funktional für die angewandtC' Sprachforschung g~UtZt, wie sein Diktum zunehmend mit anderen Positionen verglichen. komexruicn und letztlich systematisch gleichgeschaltet wird. Die parallele Argumenutionslinie J0515, nach der "sich für den Ergon-Energcia-Satz ein anderer. eigentlich metaphysischer Hintcrgrund"'llj ergibt, nimmt sich dagegen eher bescheiden aus und bleibt weitgehend ohnl.' Folgen für die Deutung. Energeia ist dann für ihn auch nicht viel mehr als für Weisgerber, nämlich ,,(bc-)wirkende Kraft.... 16 • die in ihrer ..Rückwirkung" (..) "eine über den Augenblick hinaus reichende Wirklic.hkeit und Wirkung....17 bekommt und die einen ihrer wesentlichen Kontexte im Umfeld des - ganz. unontologisc.h gemeintenEnergiebegriffs findet:ua Der immer wiederkehrende - und dann auch meist richlig gesehene und differcnzicn zugeordnete - RückgriH auf aristotelische Omologie41' wirkt demgegenüber ni.cht nur blaß. sondern kann die Hegemonie der subjcklivitätSlhcoretischen, äSlheti ehen und teiJwcise auch psychologisch-soziologischen Argument3rionslinie nicht verdrängen. Daran ändert auch die - Josts konkrete Interpretationen des Diklums durchaus widersprechende - Aussage nichts, .. Humholdt habe den Terminus Energeia (als hapax legomellon in seinem Werk) nicht sehr abweichend von diesem philosophisch beSlimmten und lf:;ldiencn Sinn verstanden" uo. Im Hinblick auf die im Erinncrungsrormat des Diktums angezeigte aristotelische Fundierung der Sprachtheorie Humboldls bleibt die Bemerkung folgenlos. In solchen ParaUelführungen mag ein Grund dafür zu suchen sein, daß das ,Energeia'-Diktum mehr und mehr z.um Allgemeinplatz wird,. an systemaLischer Schärfe deutlich einbüßt und sich seines Charakters aJs Aushängeschild fast beliebiger sprachlheorclischer bzw. sprachwissenschaftlichcr Position bum noch erwehren kann. In Josts pluralen Inlerpretationsansätzen kündigt sieh damit bereits dic dritte Phase der Rezeption des ,Energeia'-Diktums an. Eine systematische Geschlossenheit har diese Rezeption zwar auch bis 1960 nicht erfahren, bis donhin war dic Szene jedoch noch weitgehend übersichtlich und die lnterprcl':uionsvari,~,
JOSI, Sprach, als ",hk lInd u'/rkt.'nJt Kr.,!t. ;a.a.O.• S. 18,
Ui
Jl;I!II. Spr.,cht.' als \t't'7'k Ilnd ,«:/r.'I1J". Kraft. ,u.O.. S. 25.
,~
JOSI. prdcht.' als Wn* lind u'/rktnJt K.raft. L.I.O.• S. 36.
•~, Ebd. Spr-.uh, ./1 \V,rk ""J t&/rkt.'nJt.' Kr,,!r. .I.a.O.• S. 37-56. Vgl. JOSI. pra~ht.' au \Vn'k "nd 1J;lrkt'nJ, K,..ft. a.a.O.. 54-55. Vgl. JOSl, Sprach, als \Vt.'Tk ulld u:i,.kt.'"Jr Kraft. ".<1.0.• S. 55.
_:t Vgl. JOSI. ,~ • )0
6. I-Iumboldts Erben: Chronologie: 1.um Auf$lieg eines Allgemeinplaues
251
anten in den meisten Fällen zumindest bemühL, originäres Humboldtsches Sprachden.ken einzufangen - wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg, wie ich zu zeigen versucht habe. Dieser Horizont öffnet sich nun und verliert vollends sowohl seine klare inhaltliche Linie als auch seine Anspruchshomogenität. Es gibt kaum mehr erwas, für das das ,Energeia'-Diktum nicht stehen kann, und es gab auch in der Geschichte des Diktums noch nie so viele Imcrpretationsansätze) wie von 1960 bis zum Ende des 20. jahrhunderts. Grund genug, nun einen Katalog zu erstellen, der ausgewählte Positionen der letzten 40 jahre in chronologischer Form herausarbeitet. Mehr aus Gründen der Quantität als der Qualität der Ansätze wird der Zeitraum noch einmal in vier Etappen unterteilt, um die Übersichtlichkeit des Kataloges zu gewährleisten.
6.3 Positionen der 60er Jahre Am Anfang der disparaten Rezeptionsentwicklung des ,Energeia'-Diktums in den letzten 40 jahren steht H.-G. Gadamer, der 1960 in Wahrheit ,md Methode Grundzüge einer philosophischen HenneneutikJ,JI zu entwickeln sucht. Für Gadamer ist die Sprache das primäre Medium, in dem sich der Prozeß des Verstehens ereignet. Da er in Anlehnung an seinen Lehrer Heidegger Verstehen aber nicht als eine spezifische menschliche Handlungsweise unter anderen begreift, sondern in ihr die grundlegende Verfahrensweise siehL, in der der Mensch sich als Subjekt auf die Weh beziehtJ ist auch die Sprache nicht allein lnstrument der Kommunikation, sondern fundamentale, ja seins mäßige Vorausserzung aller Konfrontation bzw. Abgleichung verschiedener Horizonte. (Sprachliches) Ver ('ehen ereignet sich in der Verschmelzung solch unterschiedlicher Horizonte, der Horizont der Gegenwar1 und der der Vergangenheit sind und stehen nur vermeintlich für sich. Verstehen ist damü das Paradigma für den ebenso grundsl,1ndigen wie in seiner hermeneutischen Struktur zirkulären Vermittlungscltarakrer allen menschlichen Daseins, eine Argumentauon, die Gadamer in den drei großen Teilen seines Hauptwerkes, der Freilegung der Wahrht!iufrage an dt!r Erfahrung der Kunst, der Ausweitung der Wahrheitsfrage auf das VtTstehen in den Geisuswissemcbafttm und schließljch der Ontologischen \Vendung der Hemreneutik am Leitfaden der Sprache entwickelt. "1 CadamCf,
I-I.~C.: \t~hrlHu
Tübingcn (6. Aun.) 1990.
,md ftfN},oJC Grundzuge ein" phJowphifchcn fh:nncncM,iJt.
252
Zweiter Teil: I-Iunlboldts Gcd.ichlnis
Ocr dritte Teil signalisien also bereits im litel, daß e hier um ein OntOlogisches Verständnis der Sprache gehen soll, gute VOr.lussetzungen für eine Interpretation des ,Encrgeia'-Diktums, die dessen mSlotelischcn Charakter nutzt und im Hinblick auf eine diesbezügliche Deutung ernst nimmt. Gadamer, sicher kein Humboldt-Exegct im enge.ren Sinne, geht jedoch anders VOf. Im letZten, gleichwohl zentralen Kapitel des Buches, das die Spraclu als Horizom einer ht'rmeneuti.schen Ontologie bestimmen will, geht er unter dem Stichwort Sprache als \Velterfahrung gleich zu Beginn auf Humboldt ein. Dessen .,modernes Denken"'.fJl (und auch das Herdcrs und anderer) möchte laut Gadamer ..srudiercn, wie sjch die Natürlichkeit der menschlichen Sprache - eine mühsam dem R..tionalismus und der Or~ thodoxie abgetrotztc Einsicht - in der Erfahrungsbreite der Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus entfaltet. Indem es in jeder Sprache einen Organismus erkennt, sucht e in vergleichender Betrachtung die Fülle der Mittel z.u srudieren, deren sich der menschliche Geist bediem hat, um seine Sprachfähigkeit auszuüben"·)J. Dies ist zwar keine unrichtige, gleichwohl doch eine sehr reduzierte Sicht der Dinge. die gleich danach selbst von Gadamer wieder e.rwe.itert wird. Will man nämlich .. Humboldl. dem Schöpfer der modernen Sprachphilosophie, (...) gerecht \Verden"·m , muß Illan ..sich der Überresonanz erwehren, die die von ihm eröffnete vcrglci~ chende Spr.lchforschung und Völkerpsychologie cruugt hat"~J". Ohne Zweifel wird hier erkennbar, daß Gadamer weder Humholdt-Kenncr ist, noch das sprach theoretische Original und die pragmatisiercnde Rezepti· onsgeschichte sauber trennen kann. So beläßt er es denn auch bei einigen die Theorie erläuternde.n, die Rezeptionsgeschichlc leise berichtigenden und HumboldLS Denken in groben Linien skizziercnden Bemerkungen, i.n dene.n immerhin deutlich wird, daß Humboldts .. lmeresse an der Indivi~ dualirät (...) durchaus nicht als eine Abkehr von der A.lIgemeinheit des Begriffs zu verSlcheo"H6 sei, daß "die Vertiefung in die Individualität der sprachlichen Erscheinung selber als ein Weg zur Einsicht in das Ganze der menschlichen Sprachverfassung gemeint"·m ist und daß es für Humboldt zwar .. Untersc.hiede in der Vollkommenheit de.r Sprachcn"4 38 gab, daß bei ihm abe.r .kein vorgeJaßter Maßnab"' ü9 gilt, "unter den er die MannigfaJHZ
G;ad;aml.'.r.
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U~h,.fH-ll MnJ MtthoJ~. a.:a.O.,
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6. Humbl)ldu Erbtn:
hronologit zum Aufstieg eines AIIgl;'nlcinplllt2cs
253
tigkeit der Erscheinungen zwängt, sondern (...) dieser Maßstab aus dem inneren Wesen der Sprache selbst und der Fülle ihrer Erscheinungen-HO gewonnen wird. Die .Energeia<-Interprttarion Gadamus paßt in etwa in diese Form der Problembearbeirung. Fast schon unvermeidlich für den philosophischen Hermeneuten wird im Horizont eines vehement subjektivitätstheoretisch inventarisierten Verstehenskonzepte5 zunächst die für Gadamer systematisch naheliegende und durch die Rezeptionsgeschichte allseits bekannte Kontextuierung gewählt, daß nämlich Humboldts Weltansichten-These ihre Fundierung vor allem in der .von Leibniz zuerst entwickelten Metaphysik der JndivjduaJ;tät·~1 habe: ..Es ist das monadologischt Universum Leibnizcns. in das sich die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus einzeichnet...... 2• In gewisser Hinsicht deutet sich hier schon Gadamers Grundmustcr der Humboldt-lmcrprctation an, das sich in modifizierter Form in eine Reihe mit dem des Lehrers Heidegger stellt. [m ontologischen Argumentationsl.usammenhang werden Humboldts sprachtheoretische Positionen zunächst ungenau beschrieben und dann (als) .unontologisch' interpretiert. um schließlich das eigene. eben als ontologisch verstandene und behauptete Sprachkonzept darbieten zu können. In dieser Kontextuierung kann folgerichtig Humboldts ,Energeia<-Diktum nicht mehr allzu viel oder gar alles bedeuten: In der ..Erweisung der Sprachansicht ab \Veltansichl .....H hat Humboldt "den lebendigen Vollzug des Sprechens. die sprachliche Energeia als das Wesen der Sprache erkannt und dadurch den Dogmatismus der Grammatiker gebrochen....·.... Wiewohl diese historische Bewertung in gewisser Hinsicht angemessen ist, ist die hier vorgenommene Stigmatisierung des ,Energeia<-Diktums entweder eine Reduktion in dem schon mehrfach aufgeführten Sinne. oder sie zielt bereits hin auf Gadamers daseinsorienuerten Sprach begriff, der das ,Energeia<-Dikturn im doppelten Sinne aufheben, also ablösen und gleichz.eitig miteinbez.iehen, soll. In beiden Fällen bleibt Humboldts Intention in ihrem ontologischen Grundcharakter. der auf das Wesen der Sprache aus ist. unberücksichtigt, und das, obwohl hier explizit auf das Humboldtsche Postulat der Wesensbestimmung rekurriert wird: Dieses wird nur äußerst reduziert eingelöst und ist damit in seinem Anspruch zwar eot-deckt (und nach der Zurücklassung Humboldts auch Gegenstand von Gadamers Untersuchung). in der Explikation des möglichen Geha.lts des ..0
Ebd.
"I G~1.mCT, W.hrhtit ~J U.)
4ft
..nd Mtlbodt'. 1...1.0.• S...<W_
Ebd. Gad1.mt:r. W.hrht:u IUJd MrlhoJr. a..a.O.• S.....6Ebd.
'Zweiu~r Teil: H urnboIJt.~ Ccdichlni$
254
,Energeia'-Dikrums bleibt der Anspruch jedoch unerkannt und allenfalls lapidar. Nach solchem Humholdt-Verständnis scheine der Weg frei für GOldamees Thematisierung der ..Sprachlichkeit der hermeneutischen Erfahrung",m, nach der die "Sprache nicht nur eine der Ausstattungen ist (Umsl., U.W.). die dem Menschen, der in der Welt ist, zukommt, sondern auf ihr (der Sprache, U.W) beruht, und in ihr stellt sich dar, daß die Menschen überhaupt Welt haben"·-46. Humholdts Gedankengang bereits einfallsreich modifiz.ierend, seine Absicht sicher mißverstehend. das Erkenntnis-Sprache- Tbeorem jedoch im Grundsatz treffend und dann wieder unnötig beschränkend, führt Gadamcr dazu aus: .. Dit's D
Wie bei Heidegger - im weiteren Verlauf der Ausdeurungcn jedoch er-
folgreicher - wird demnach bei Gadamer die gleichermaßen anerkennende wie auch in Anspruch und Dcmung stark herabgesetzte Humboldtlnterpretation zum Ausgangspunkt eigener Überlegungen, und zwar von solchen, wie Humholdt sie in vielerlei Hinsicht schon eingefangen hal"te..... l1 Zeitweilige Desorientierungen über den Zusammenhang von Humboldtschem Original und rezeptionsgeschichdicher Phänomenologie tragen dazu bei, ehen auch das ,Energeia"-Dikmm nur in dem gewünschren, und nicht (irgcnd-) einem anderen, Zusammenhang sehen zu können.
G~am('r. W'abrJwt
IH.J
Method~.
Ujo
a..:a...O.. S. 447. G,ubmer, Wtlhrb~ZlllrlJ MttlJodt', :I....l.O., S. "'6-
U1
GadamCT,
U)
W'tlhrb~;llmJ Mttbod~,
1"\'0.. S. ·447.
.... Dies gih sicher auch rur Gad.amcrs bc:ruhmtc Wendung: .XIß, du \·USI.&Ddcn ""c.rdcn kanll, iSI Sprx:tK (Gad.amc:r, \l'tlJ,rbc,t lind Nt'thoJt', .a..:a...O., S. -478). M
b. Humboldrs Erben:
Chronolo~il."
zum Aufstieg eines Allgemeinplarzt5
255
In B. Liebrucks Humboldt·Monographie"''''? von 1965 spielt das .Ener· gcia'-Diktum kaum eine zentrale RoUe.·~ Dies \jegt einerseits am generellen Ansatz Liebrucks, der "in allem, was Humboldt (Herv. aufg., V.W.) geschrieben hat~m, dessen Stellung .,zwischen der Spekulation und den Erfahrungswissenschaften""'S2 betone. Dies sei ..eine so nur ihm (Hum· boldt, V.W.) eigentümliche Stellung und Betrachtungsweise der Welt. Sie diktiert Inhalt und Stil""'5}. Das Erkenntnisinteresse Liebrucks ist also obwohl seine Vorgehensweise selbSl philosophisch ist - njcht ausschließlich auf den ,philosophischen' Humboldt gerichtet. und in gewisser Weise muß das ,Energeia'-Diktum ja vor allem als zentraler Bestandteil d.er genuin sprachtheoretischen bzw. ·philosophischen Perspektive Humboldts gelten. So erwähnt Liebrucks denn auch das Diktum immer im (beiläufigen) Zusammenhang mit anderer. zeit:weilig auch aris[Qtclischer Terminologie: .Und doch ist die Unterscheidung zwischen Stoff und Form wichtig, weil der Stoff dem konservativen Moment in den Sprachen (Herv., V.W.), die Form dem vorwärcstreibenden angehört, wenn Form als evEQYEUl gedacht wird, Das konservative Moment ist an die Masse des Volkes gebunden, das vorwärtstreibende an die Einzelnen"·~, Eine solche Argumentation ist typisch für Liebrucks: sie ist theoretisch nicht' ganz richtig und trotzdem erstaunlich LllteresSant und nachdenkenswcrt.,m Vor allem aber ist Liebrucks, und dies macht einen großen Teil der Qualität seines Werkes aus, immer zurückhaltend. wenn es um die Übernahme von scheinbar Formelhaftem geht. Man ist nicht zu Unrecht geneigt, dies alswenn auch indirekte - Kritik an der bisherigen Humboldt·Rezeption zu interpretieren. In seinen scharfsinnigen und differenzierten, aber dennoch luziden Analysen entgeht Liebrucks der Versuchung, sich an vermeintlich Sicherem festzuhalten, das dann flugs wieder vergessen werden muß. um weiterzukommen. Vielmehr sind ihm gerade die nicht so häufig als Zitate verwendeten Reflexionen Humboldrs Anlaß für breitangelegte und intel· ligente Recherchen zum Zusammenhang von Sprache und Bewußtsein. Auch in anderen Zusammenhängen als dem des ,Energeia'·Diktums warm er daher vor der schnellen Verwendung verme,intlich einfach zu... ~ Vgl. Lie.brucks. Spr;Jrhr Hnd Bewußtsein (2), ~.a.O. uc So wird auch bei Liebrucks die. TelCmdle. Humboldu im Zunmmcnhllig gar nicht vl>rge· fühn (vgl. Liebrucks. Sprac'hcII.1It1 8t'ulI.flmil1/21, u,D., 5, 52}). ~)' l.iebrucks, Sprudle ,md Bt'wHßtmn (2), a.,\.O., S. 7.
EtxJ. •n Ebd. OJ
Liebrucks, Sprache "nd Hl'WlI.flw.'jll (2), ;I..l.0.• S. 2%.
4~
Zweiter Teil: I-lumboldts Gcdichlnis
256
gänglicher Begrifflichkeil: ..SO dürfen wif (beispielswe.ise, V.W.) das Idealische nicht im verwaschenen Wortsinne von idealistjsch Icsen"~S6. Da solche Sorgfalt typisch für die Vorgehensweise Liebrucks is~ erkennt er auc.h die Verstrickungen der Rezeptionsgeschichte wie kaum jemand vor ihm. Vorsichtig formuliert er. ..Ocr idealistische Humboldt (Herv. aufg.) U.w.), den man begreiflicherweise zue.rst sah, soIl das Wesen der Sprache in der Energie gesehen haben«~)7. Ohne dies expliz.it zu machen, spielt Licbrucks an dieser Stelle (njcht nur) auf das ,Encrgcia'-Diktum an, vermeidet es aber, dies für eine vorschnelle Beendigung der Argumentation zu nutzen. Vielmehr nimmt er hier den Ausgangspunkt für eine weitere Problemat,isierung der ,idealistischen< Humboldt-Attribution. denn .. mit der Verknüpfung von Empfänglichkeit und Selbsuätigkeit in der Sprache ist (UmsL, U.\V.) diese idealistische Abstraktion überschritren"-+511. Ähnliche Vorsicht findet sich auch i.n Sachverhalten, die heute in der HumboldtForschung wieder diskutiert werden. Anders als H. Müller-Sievers sicht Liebrucks beispielsweise in den ..die Naturphilosophie streifenden Überlegungen....5? allenfalls "einen der großen Umwege (Herv., U.W.) (...). auf denen Humboldt (Herv. aufg., U.W.) sich seinen SprachanaJysen nähen....60 • Liebrucks bereits angedeutetes Mlj1verständnis des ,Energcia'Dikrums bleibt daher auch deswegen eher geringfügig. weil es durchgängig nicht allzu wichtig genommen wird. Vorbereitet wird die Präsentation an einer Stelle z.ß. zunächst durch einen Mix aus Saussureschen und aristotelisch anmutenden Überlegungen. Für Liebrucks sieht Humboldt zunächst "in jeder Einzelsprache (la langue) die Sprache (le langage) gegenw:irrig.... lll . Und weiter heißt es: .. Dir Sprache iSI sowohl im Sprcch.kt wie in den Gebilden drr Einzelsprache Möglichkeit, wenn auch, wie nicht anders ges:tgt werden kann. wirkliche Möglichkeit. Dabei hat weder die Wirklichkeit vor der Möglichkeit den Vor· rang noch umgekehrt. Ah Wesen der Sprache - so könnten wir sagen - dcnke der Mensch, während cr in der Einzclsprache sprrche"4f>2.
So vorbereitet. führt Liebrucks dan.n in dem Kapitel über Artikulation und Best'immtheit 46l eher am Rande (s)eio ,Energeia'-Verständnis ein. Zunächst "müß[c man, wenn man schon von einem Wesen der Sprache Ht
Lil:brucks. SprdClJc Imd Bcwlfßucin (2), 11..2.0., S. 18. Liebrucks. Spracht' Hnd ßt"WHßurin (2), 2.:1.0., S. 28.
4~
Ebd.
4Mo
m l,.iebruck.s. pracht' Hnd Bt'WIfßudn ('1), a.2.0.• S. 29. 4loO
Ebd .
.... Liebrucks. Spr...cht. wnd BewJlßtJein (2), ;u.O.• S. ,)3. ~
Ebd.
O(,j
Liebrucks. Spr...cht' IfPld Bt'W"ßmin W. :u..O .• S. IOI-llb.
6. Humboldls Erben: Chronol\)gie :tum Auhticg eines Allgcmcinplal:te5
257
spricht, die Sprache als das Wesen der Einzelsprachen verstehen (Umst., U.W.). in genauerem Sinne aber hat die Sprache kein Wesen, weil sie im· mer zugleich Ereignis und Wesen iSt"464. Auch wenn dies auf den ersten Blick nicht den Anschein hat, trifft Uebrucks hier sowohl das Humboldrsche Sprachverständnis, das ja ebenfalls einen aufs Transzendentc reduziertcn Sprachbegriff ablehnt. als auch in weiten Teilen bereitS die onwlogische Qualität des Wesens- und damit auch des ,Energeia'-Begriffs. Dies jedoch selbst nicht erkennend. wechselt Liebrucks die Argumemacionscbene und entwickelt eine sprachLlleorerisch mögliche und in der Rezeptionsgeschichte auch populäre, aber den theoretischen Kern n.ur sehr bedingt treffende Komexruierung: "In der Artikulation haben wir du Wesen der Sprache insofcrn in nuce, als in ihr die Einheit von Dynamis und Energeia, die Einheit von drr Sprache und den Einzdsprachen in immer wiederholten Gestaltungen des Einzclwones. der Sätze und Perioden. schließlich ganzer Literaturen crschcint"·~.
Das gedan.kliche Muster, das Splitting zwischen Sprache und Sprachen durch die ,Dynamis'·,Energeia'-Reiation (hier als Möglichkeit-Wirklich· keit·Rclation verstanden) zu erklären, ist zwar naheliegend und entfaltet auch ein gewisses - vor allem sprachwissenschaftliches - Erklärungs- bzw. Legitimationspotential, es hat aber mit dem aristottdisch-ontologischen Fundament nu_r begrenzt zu tun. weiJ im antiken Theorie-Kontext der Primat der Wirklichkeit die Möglichkeit vor allem zu seiner eigenen Kon· stituierung braucht. Von einer weitgehenden Beliebigkeit der ,Dynamis',Energcia'-Rclation kann also ebensowenig die Rede sein, wie die Focussierung und Pragmatisierung dieses Zusammenhangs im Hinbl.ick auf die Frage nach der Beziehung von Sprache und Einzclsprachen weder systematisch zwingend ist, noch in Humholdts Perspektive bei seiner Verwendung des ,Energeia'-Diktums überhaupt im Mittelpunkt der Problem hetrachtung steht. Auffallend ist, daß vor allem solche Interpreten der Rezeptionsgeschichle diese Parallelisicrung vornehmen, die in der Tradition SaUSSUIes argumentieren. Dessen Trichotomie von parole, langue und langage ist jedoch nicht ohne größere Brüche auf die Ebene der HumboldlSchen 5prachbetrachrung zu übertragen. Zu Liehrucks HumholdtWerk bleibt insgesamt zu sagen, daß trotz der Unschärfe in einem für ihn sehr speziellen terminologischen Problemzusammenhang zahlreiche Thematisierungen und Erläuterungen vorgenommen werden. die seh_r wohl das Humboldtscbe Verständnis treffen und das aristotelische Fundament ständig durchschimmern lassen. Vor allem aber Liebrucks Verknüpfung ... Liebrucks. pmrht Hnd 8MlJIJpul!in (1), ;u.O.. S. 101. ..~ Liebrucks. Spr.ldu und ß~wHßuei" (2), ;u.O.• S. 102.
258
Zweiter Teil: I-Iumboldts Gedächtnis
eines sprachthcoretisc.hen \Vesen- und Ereignisbegriffes und die so verstandene Verortung der ,Encrgcia'-Problematik in der Erörterung eines doppelten, spracb-/erkenntnjstheorerisch und konkret ,sprach- bzw. sprcchtärigcn' Artikulationsbegriffes kommt einem aristOtelischen Ver· ständnis der Humboldtschen Sprachlheorie schon ausgesprochen nahe: "Oie Artikulation in der jeweiligen Sprache iSI 7.war bestimmte Arrikulation. Aber zugleich ist sie allgemeines Artikulationsvermägen. Der Mensch spricht niemals in einer Einzdsprachc, sondern immer in der Einheit von Einzdsprache und der Sprache. Diese Einheit ist die Artikularion"-4I)6,.
Und gerade dieser ursprünglichen, sprachlich-lranszendclllalen Einheit wegen liegt "das \Xfescn des Menschen (...) nicht in seiner Existenz, sondern in seiner Sprachlichkeir"~(,7. Ebenfalls 1965 h:n auch C. Menze das ,Eoergeia'-Dikrum gedeutet. In seiner Untersuchung \Vilhelm von Humboldu Lehre und Bild 'Vom Menschell~6~ wird eine Interpretation vorgeschlagen, die es sowohl aufgrund ihrer entschiedenen Position als auch wegen ihres plastischen Argul1lentationsganges wert ist, im einzelnen dokumentiert zu werden. Die Konsequenzen, die man sich mit der einen oder anderen Entscheidung für die Annahme eines bestimmten theoretischen Fundaments des Dikrums auch für die darauf aufbauende Interpret,uion des Humboldtschen Sprachdenkens einhandelt, werden hier besonders deutlich. Menus Prämisse. die er U.2. als eine Kritik an der Studie von L. JOSt formuliert, ist apodiktisch: "Entschieden widersprochen werden muß (...) der Auffassung GOsts, U.W.). den Humboldtschcn Energeia-Begriff mil dem des Aristotelcs zu identifiziercn"~r.'J. Wie beispielsweise auch für Heideggcr und Gadamer iSI der Begriff für Menze statt dessen im Leibnizschcn Horizont zu se.hen. Beharrlich JOSts Kontextuierung in Frage stellend, merkt er zudem -an: .. Leib· nil. wird zwar im Zusammenhang mit einer Abhandlung von Cassirer (...) erwähnt. Doch geht Jost dieser naheliegenden Anregung nicht nach. Die grundlegende Unterscheidung zwischen der aristorcJisc.hen und der leibnizschen Auffassung der Energeia kommt JOSt überhaupt nicht vor den Blick....70. Wie Menze diese Unterscheidung reaJiter sieht l erläutert er an~ hand einer Kritik an einem weit,eren ,Energeia' -Rezipienten, an E. Heimei: .. Der auch von Helnte! vertretenen Ansicht, Humboldt habe mit dem Begriff der Energeia auf einen Grundbegriff der aristotelischen Metaphysik 7.ucück"106
Liebrucks, Sprache und BCWHßtSl';" (2). ;1.;1.0., S.
~"
Ebd.
~ MCllzc. C.:
104.
\T/iJJ,elm VOll HltmboldlS LC!brt' 'Illd Bild '110m ;\f~tlSchi·". R.uingcn 1965. """ M"nzt', J-Iumb()lJt-s ["J, rr, a..l.O., S. 315. m EbJ.
6. HumboldLS Erben: Chronologie zum Aufslieg ~illcs Allgemeinplatzes
259
gegriffen, kann nicht ohne weiteres z.ugestimmt werden. Eine solche Auffassung verkenm den grundlegenden Wandel in der Bestimmung der Energeia, wie ihn Lcibniz. durchfühne: für Aristotcles steht das Seinsvemand"ü von vorneherein unter dem Aspekt von Dynamis und Energeia. S. Met.IX 6, 1048230ff. Für Leibniz ist Energeia im Sinne von Kraft (ÖUV(lf.l.t~ qua vis activa) gemäß seiner Emendation des Substanzbegriffes das Wesen des Seienden selbst (Gerh.Phil. rv 469 u.ö.) und nur deshalb kann Sprache auch zum ausgezeichneten Kriterium des Menschseins werden"·?1.
Es ist dem dritten Teil dieser Studie vorbe.haJten, den aristotelischen Bestimmungen des Energeia-Begriffs genauer nachzugehen und damit einsichtig zu machen., warum eine diesbezügliche K.ontextuierung weit-aus näher liegt. Entscheidend an dieser Stelle jedoch ist, daß Menze sich hier eindeutig zwischen der aristotelischen und leibnizschen lnterpretationsvariante entscheidet, um die Bedeutung des Diktums vom ontologischen Begriff der ,Wirklichkeit' weg hin zu der nicht nur der ,Tätigkeit', son· dem - stärker noch - zu der der .5elbsttätigkeit' im monadologischen Horizont zu verschieben. Dies mag auf den ersten Blick auch deswegen unproblematisch erscheinen, weil Humboldt selbst die Vokabel ,Tätigkeit' durch den ,Energeia'-Begriff erläutern läßt. Daß Humboldt und Mcnze jedoch zwei ganz unterschiedliche Bedeutungen des Täligkeitsbegriffes haben, wird deutlich, geht man den sprachtheoretischen Konsequenzen nach, d.ie Menze nun aus seiner Interpretation ableitet. Zunächst verortct er vollkommen zutreffend das ,Energeia'-Diktum im Zusammenhang einer Klärung des Wesens der Sprache: .. Die aus Humboldts Sprachphilosophie am häufigsten hervorgehobene und am meisten zitierte Wesens bcstimmung der Sprache, die auch Herder gegenüber eine kopernikanische Wende in der Sprachbetrachrung bedeutet, betont den Energeia-Charakter der Sprache"· n . Für Menze wie für Humboldt ist Sprache ..der Ausdruck, die Selbstlärigkeit des Geistes. (...) Nur in dem Akt der Hervorbringung ist sie sie selbst, ein geistiges Organ, das in jedem Akt, in dem es tätig sein soll, erst erschaffen werden muß"·7J. Der Charakter dieses Aktes ist aber für Humboldt ein anderer als für Menze. Während letzterer in der Betonung des subjektivitätstheoretischen bzw. individuaJpragmatisehen Aspekts in diesem notwend.ig und vorderhand ein anthropologisches Problem sehen muß (..Sie [die Sprache, V.W.] ist nur sie selbst in ihrem Vollzug, in der Tätigkeit, und deshalb ist für Humboldt die ,Definition' von Sprache weitgehend mit der des Sprechens identisch"m), sieht m McnZt', H/41nboIdIJ Lehrt, ~.2.0 .• S. 367. m Mtnze. f1umboftfU LehT~. :.1.... 0., S. 229. m Menu. HHmbofdu LdJrt. 2.,l,.0., S. 730. m Ebd.
260
Zweiter Ttil: Humbokhs Gedächtnis
der Tegeler Philosoph - viel umfassender - einen erkennrnls- bzw. sprachtheoretischen Problemhorizolll. Menzcs Sicbt ist daher auch nicht durchgehend falsch, sie ist nur stark reduziert und bringt lediglich einen Aspekt zur Geltung, den Humholdt zwar auch, aber ehen weder ausschließlich noch an erster Stelle gesehen hat. Bereits an dieser Stelle gerät Mcnzc mit seiner weiteren Argumentation ins Schlingern. Zunächst noch durchaus im Humboldtschcn Sinne argumentierend, hält er ei.ostwcilen fest: .,Die Bestimmung der Sprache als Energeia leigt, daß es nie eine in sich abgeschlossene Sprache gibt, sondern Sprache ist immer ein organisches .Fortschreiten, ,ein Entfalten eines Ganzen aus einem Ganzc.n u ,.fi'5, und stellt sich der dann wohl unvermeidbaren Frage, wie denn der ,Ergon'-Bcgriff zu demen sei: .. Der Sinn der Gegenüberstellung von Ergon und Energeia liegt vor allem darin, daß Sprache als ständig lebendige Er2.cugung und somit als etwas imlTler Vorübergehendes kein faßbares und kl1r zu umreißendes Objektivgebilde darst.e1lt, dessen sich der Mensch zum Zwecke der Verst'ändigung wie eines be1itbigcn Gegenstandes bedienen hnn. Als Tätigkeit., als Energeia liißI sie
sich vielmehr nur genetisch bestimmen. Sie ist ihrem Wesen nach cin geistiger Prozeß, der nie l.U einem Abschluß gelangen kann, sondern sich ständig neu erzeugt" ~J~.
Es iSt bereits deutlich geworden, daß sich"'J.n der Sichtweise der rmerpreten zum ,Ergon'-BegriH sehr gUt ablesen läßt, wie diese es dann nut dem .Energeia'-Dikrum halten. Menzc erkennt die Bedeutung der Humboldtsehen Exdudicrung des ,Ergon'-Charaktcrs der Sprache bis zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen zutreffend. Aus diesem Grund gelingt auch seine sprach theoretische Deutung noc.h genau bis an diese Stelle. Nun aber muß - wie bei vielen anderen Interpreten vor ihm - das scheinbar von Humboldt noch Unerklärte eben auch erklärt werde.n. Damit beginnen die Probleme.. Mcnzc schreibt: ..Sprache als Energeia ist aber keine resultatlos sich veutrömende Tätigkeit des Geistes. sondern sie leistcl das Gesprochene:. Das Gesprochene kOlnn aber nicht als etwas ,Unsprnchlichcs' bezeichnet werden. So sind unabhängig von dem sprachzeugenden Akt selbSt Wortformen, Lautgebilde, synt2ktischr: Schcmu3, (este Regeln, von denen nichl gesagt werden könnte, d1ß sie nicht zur Spr1chc gehören. Zwar werden sie erst im Akl des jeweiligen Sprcchens aktu11isiert und in djcser Wiedererzeugung lebendig; aber diese Wiedererzeugung ist notwendig an
diese schon vorgegebenen Formen des Objeku\'gcbildes Sprache gebunden"'m. Ebd. ~h. Ebd. m Menu. Nu.mboldtr Lehrp. 2.~.O .. S. ~t)
2JO-131.
6. Humboldls trbcn:
Chronologie 7.um Aufs[;~g eines AlIgrmcinplatzcs
261
Seine zuvor vorgenommene subjektivitätS[heoretischc Radikalisierung und Reduzierung des ,Energeia'-Oikrums zwingt Menu nun dazu, seine Ausführungen so zu ergänzen, daß der Begriff nun außerhalb seiner - zuvor beschränkten - Extension wieder erweitert bzw. von außen semantisch neu gesichen werden muß, und zwar mit Hilfe des ,Ergon'-Terminus. Menze versucht dies, indem er argumentiert, ..daß diese Sprache als die Energeia des Geistes nicht nur erst in dem einzelnen Akt der Verwirklichung zur Sprache wird, obwohl sie zur Akmalisierung dieses Aktes bedarf, sondern als etwas Sinnvolles schon vOr dem Akt des jedesmaligen Sprechens selbst cxistien".vs. Die Erläuterung des Problems fällt folge.ndermaßen aus: .. Daher darf die Bestimmung der Sprache als reine Tätigkeit des Geistes nicht als eine. völlig neue Erzrugung der Sprache im Augenblick des Sprechens gefaßt werde.nj denn das Sprechen des Meoschen bezieht sich immer sc.hon auf Sprache als Werk. Selbst wenn es als ständige Neuschöpfung begriffen wirdund Humboldt läßt keinen Zweifel daran, daß er Sprache zunächst und vor allem anderen so versteht - bezieht sich dieses Neuerschaffen doch auf das in der ,Sprache' sdton Vorgegebene. Sprechen meint keine creatio ex nihilo, sondern die Ak[ualisierung und Aneignung von etwas potentiell Wirklichem i,n dem Sprechen des Menschen. Dieses potentiell Wirkliche ist jene ,Sprache', in der der Mensch, will er Mensch sein, immer schon lebt. Deshalb ist die Sprache Ergon, sofern sie Energeia und Energeia, sofern sie Ergon ist"m. So nimmt Menze dann doch noch die Position ci.n) die zunächst abgelehnt wurde: Er hält es nun für möglich, daß die Sprache eben doch a"ch Ergon sein könne. Dann sind auch andere Begriffserweiterung bzw. -verschiebungen, wie z.B. die semantische Eingliederung eines als anthropologisch gedachten ,Energic'-Begriffs, nicht mehr ausgeschlossen~ ..Oie Sprac.he, die der Mensch erzeugL, liegt bereils als geformter Stoff vor ihm. Die in ihm liegende Energie entbirgt sich im Spracbakt und verbindet auf je individuelle Weise den Sprechenden mit dem, was in der Wicdererzeugung dieser Sprache wieder zur Anwesenheit kom.mt"~80. Men~e
weiß allerdings um diese Problematik, in die er sich untcr dem selbstgewähllcn Leibnizschen Diktat hineinmanövriert hat, und bleibt vorsichtig, eine Vorsicht, die jedoch das theoretische Schlingern z.wischen den Positionen nichr verdecken kann: ..Somit sind Ener~eia als die Totalität des Spreehens und Ergon als sprachliches ObjektivgebiJde nicht z.wei verschiedene Seiten deI" Sprache, sondern sie m Mcnu. I1HmbQtdu Lehre., a.a..O., $. 2J J. ~7'i ~
Ebd.
... Ehd.
Zw('ilcr TC'il: Humboldu Gedächtnis
262
sind nur in unmittelbarer Zuordnung auf einander sie selbst, und das eine ist nur durch das andere u.nd umgekehrt. Nur dem Begriff, nicbt der Sache nach sind sie 1.U trennen, weil die Sprache - wie Humboldt immer wieder betont nur insofern Objekt und selbständig ist als sie Subjekt und abhängig ist"~81.
In der sprach theoretischen Perspektive Humboldts und deren ontologisch-aristotelischen Zielrichrung kann ein in dieser Hinsicht nur als ,sophistisch' zu qualifizierender Differenzierungsversuch kaum befriedigen. Menzc hai sich selbst die Weiche falsch gestellt und damit auf ein Gleis begeben, von dem aus sich systematisch kaum noch klar argumentieren
läßt. Immerhin ist d.ieser neue Weg frei für assoz.iative Deutungen anderer Aspekte Humboldtschcr Sprachtheorie, ein Ziel, auf das bereiLS so viele der RC7.ipienten des >Encrgei3f~Diktums abzwcckten. Bei Menze ist eswie bei einigen andc.ren auch - die Frage des Zusammenhangs von Sprache und Nauon, die cr glaubt, mit Hilfe des sclbstkreierten Schismas von ,Ergon' und ,Energeia' aufhellen zu können: ,.Wenn Sprache aber nicht nur Energeia, sondern auch •.Ergon' ist, das die sprechende Individualität zwar vorfindet, aber erst aufs neue erzeugen muß und in dem Übergang in das Subjekt zum Ergon und gleichzeitig zur Energeia macht, dann folgt daraus, daß für Humboldr die Bindung der Individualität an das Volk oder die Nation, die Humboldl auch Sprachgemeinschaft nennt, jetzt gerade in seinem Denken von der Sprache her stärker hervortritt, Individualität bnn nur in einem Volksganzen ex.istieren und lebt somit immer schon im Sinnhorizom der diesem Volk eigenen Sprache. Deshalb gilt für Humboldt, ,dass die Subjectivitacl des Einzelnen durch die seiner Nation, dil' dieser durch die der vorausgegangenen und glcichi'.citigen Geschlechter, und endlich d.ie Subjectivitael dieser durch die der Menschheit überhaupt gebrochen, gcmiJdert und crweiten ist'''·u,
Und damit besteht für Menze ..kein Gegensatz zwischen Individual- und Nationalsprache, sondern die Nationalsprache wird zur Bedingung der Möglichkeit der individualsprache und umgckehrtUofS3 • Noch nicht einmal zumindest in Einzelaspekten der Humboldtschen Sprachtheone ganz unangemessen ist das, was hier vorgeführt wird, aber bereits meilenweit entfernt von dem, was Humboldt mit dem ,Energeia'-Dikturn sagen wiJl und sagen kann. Eins macht Menze jedoch ungewollt deutlich. Der ,Ergon'-Ausschluß Humboldts hat neben seiner systematisch-sprachtheoretischen auch noch eine andere wichtige Funktion. Er ist der vielleicht augenfälligste Aufweis ••, Ebd. 412 413
Menu, f/umboJdlI Lehre. a.a.O., S. 232. Ebd.
6. Humboldts Erben: Chronologie zum Aufstieg eines Allgemeinplatzes
263
dafür, daß der theoretische Kontext des .Energeia'-Diktums genau im Umfeld der arlS[otelischen Ontologie zu suchen ist und nirgendwo sonst. Hätte Menze dies erkannt, wäre auch sein folgender Satz nicht nur wahr (was er ohne Zweifel ist). sondern auch als lediglich haJbricbtig - weil eben spcziflSch gültig und einz.ig in einem reduzicnen Legitimationsraum dauerhaft überlebensfähig - erkannt: .,Sprache als bildendes Organ ist stets eine Energeia., ständige Anspannung des Gei stes O<414. In Die Ordnung der Dinge4BS• M. Foucaults breiungelegter Geschichtsstudie zu den Denksystemen von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert. in der er den Versuch einer Archiiologie der Humanwissenschaften unternimmt und die 1966 zum ersten Mal erscheint, wird das ,Energeia' -Diktum ausgerechnet Ln dem Kapitel vorgeführt, in dem unter der Überschrift Arbeit. Lebe". Sprache F. Bopp z.um Anlaß für die Klärung der Funktion der Sprache in dieser Zeif genommen wird: ..Die Analysen von Bopp sollten eine hervorragende Bedeutung, mcht nu.r für die innere Zerlegung einer Sprache, sondern auch für die Definition dessen haben, was die Sprache i.n ihrem Wesen sein kann. Sie ist nicht mehr ein System von Repräsentationen, das die Kraft hat, andere Repräsentation zu zerlegen und zu rekomponieren. Sie bezeichnet in ihren konStantesten Wurzeln Handlungen. Zustände, WLlJen" 486 . Mit dem Ende der Repräsentationen wird nach Foucauh auch folgerichtig die objektive Dingwelt obsolet, der Schwerpunkt der Betrachtung und der Angelpunkt. für die Ordnung der Dinge verschiebt sich hin zur Annahme des sclbstbesrimmten, handelnden Subjekts: ..Die Sprache .....erwurzelt sich' nicht bei den wahrgenommenen Dingen. sondern beim aktiven Subjekt. Und vielleicht ist sie dann eher dem Wollen und der Kraft entsprungen als jener Erinnerung, die die Repräsentation redupliziert. Man spricht, weil man handelt, und nicht, weil man heim Wiedererkennen erkennt O<48'. Den Paradigmenwechsel von der Klassik, .,während (...) der (...) die Ausdrucksfunktion der Sprache nur im Ursprungspunkt und allein zur Erklärung dafür gesucht wurde, daß ein Laut eine Sache repräsentieren kann"·m. hin zum 19. Jahrhundert, in dem "d.ie Sprache während ihres ganzen Laufs und in ihren komplexesten Formen einen irreduziblen Ausdruckswen.... 89 hat, im Blick, siehl Foucauh in diesem Wechsel ..das fundamentale Wollen der Sprechenden offenbart und üher~ Menz~. H'Hflbo/du
Lehrt:, a~O .• S. 216. dS Foucauh. M..: Dit: Ordmmg dtr Dmg,. frankfun olm ·k FouC'.luIL, Du OrJmmg. ;&.;LO.. . 353. m
Ebd.
•u Foucault, D,r: Ordmmg, a..t..O.• S. 3S4.
." Ebd.
~b.in
(12. Aufl.) 1994.
264
ZwciterTci1: HumboldlS Ccdikhlnl$
seczt....90• Nun kommt das ,Energeia'-Diktum in einer bislang nicht gekannten lnterprerarionsvariante ins Spiel, die letztlich gleichermaßen als sprachtheoretisch und im eigentlichen Wortsinn als politisch bezeichnet werden muß. Foucault schreibt:
..So wie der lebendige Organismus durch seine Kohärenz die ihn
3m Leben
hItenden Funktionen manifestiert, macht die Sprache, und zwar in der g;anzen Architektur ihrer Grammatik. den rundamcmalen Willen sichtbar, daein Volk :un ldxn erhält und ihm die Kraft gibt. eine nur ihm gehörige Spra. che zu sprechen. P10tzlich sind die Bedingungen der Historizitit der Spr.tche veranden. Die Veriinderungen kommen nicht mehr von oben (von der Elite der Gelehntn, der kleinen Gruppe der Händlu und Reisenden. den siegreichen Armeen, der Aristokratie der lnvasion), sondern sie eIltstehen dunkel in der liefe, denn die Sprache ist kein lostrument oder Produkt - kein ergorl, wie Humboldl sagte -, sondern eine unaufhörliche Aktivität, eine CfU·r-gCM. \VIer in einer Sprache spricht und nicht aufhön. in einern Gemurmel :tu sprechen, das man nicht hört, aber von dem dennoch der ganze Glanz. kommt. ist das VolkM~"".
,Energeia' ist hier - freilich alJzu ,völkischc' - Subvcrsion, Unterminierung der in ihren Strukturen das Machtvolle repräsentierenden Historie, Zersetzung der gesetzten ,Ergon<-Sprache der Hierarchien durch das immer Vorübergehende und doch Geschichtliche der Sprache, das seinen Ausdruck im gemeinsamen und unaufhaltsamen Sprachhandeln der Subjekte findet und durch seinen organischen Charakter weder kontrolliernoch beherrschbar zurückbleiben kann. Auf die Problemaük einer Verknüpfung der Generativen T ransformationsgrammatik N. Chomskys mit der Humboldtschen Sprachtheorie sind H.-W. Scharf und T. Borsehe bereits intensiv eingegangen. Wie kaum ein anderer hat Chomsky Humboldt als LegitimationsinSt'anz seiner als wissenschaftlich behaupteten Sprach betrachtung verwendet, und bei kaum einer anderen ,Rezeption' Humboldts sind die heuristischen, s}'stematischen und geistesgeschichtlichen Untersduede zwischen dem Original und dem ,Rezeptionsergebnis' so ekhtam wie in diesem Fall, der die Sprachwissenschaft der 60er und 70er Jahre derart nachdrücklich prägte. Daß dieser Euphorie heute allenthalben Zurückhaltung und Skepsis gefolgt sind, hängt vor allem mit der Konstitutionsproblematik zusamme~ 21so mit de.r KJärung dessen, was überhaupt Gegenstand wissenschaftli· eher (Sprach-)Betrachtung sein soll. Aus der Sicht der Sprac.btheorie Chomsk}'s, so konstauen Borsehe...erscheint (...) jede philosophische
6. HumboldlS E.rben: Chronolt~ie 7.um Aufstieg dlles Alli:emcinpl-alzt.s
265
Erörterung des Begriffs de.r Sprache als vorwisse.nschaftliche Behandlung eines im Grunde wissenschaftlichen Problems....•1 . Barsche hat nachgewiesen, warum Chomskys Ansatz nicht nur in seinem Humboldt-Bezug rezeptionsgeschichtlich äußerst fragwürdig iS 4 sondern warum eben eine so verstandene ..wissenschaftliche Lösung des Problems·"on der Gegenstandskonstituierung ..aus immanenten Gründen zum Scheitern verurteilt ist.... 9-4. Chomskys Theorie, der nach ..einem sehr raschen Aufstieg (...) ein ebenso rascher Absrieg.. -t95 beschieden war, scheiten an ihren ..inneren Widersprüchcn"~%. die vor allem in ihrem wissenschaftSlheorctischen Fundament offenbar werden: ..Der Versuch, einen adäquaten Begriff der Sprache allein von ihrer wissenschaftlichen Untersuchung her zu gewinnen, ist (mit Chomsky, U.W.) gescheiten-.. 'tl. Borsche stellt dem eine philosophische Betrachtung der Sprache gegenüber und kann damit die "Inadiquatheit der Mirtel einer gege.nständlichen Sprachbeuachtung zum Verständnis der sprachphilosophischen Problematik-"9S zeigen. Das von Borsche zum Thema Ausgeführte in Rechnung stellend, gehe ich - den diesbezüglichen Theoriezusammenhang nicht noch einmal ausführlich referierend - lediglich kurz. auf Chomskys ,Energeia'-lnterpreulion ein, und zwar deswegen, weil sie das Problem in besonderer Weise zu illustrieren vermag, das mit einer Konfrontation genuin sprachpbilosophischer bzw. sprachtheoretischer Konzepte mit als sprachwissenschaft.lieh behaupteten Entwürfen Chomskyscher Prägung fast notwendig verbunden ist. In Cartesian Linguisticr499 , Chomskys Entwurf sprachwissenschaftlicher Theoriebildung aus dem Jahre 1966, den er selbst als Chapter in lhe Hislary of Rationalist Thought bezeichnet, und damit bereits die Traditionen, in dene.n dieser Entwurf steht, unumwunden preisgibt, wird ausgerechnet Humboldt als Kronzeuge für eben diesen Ansatz geladen. Hier kann daher auch das ,Encrgeia'-Dikrum nicht fehlen. Chomsky schreibt: ..The Cane:sian emphasis 00 the creative aspect o! language U5e. as thc essendal and de!ining characteristic o( human I.:mguage, rinds iu most (orcef\ll ex.~l
Barsche. Spracb'fnslI.'hun. ~.-a.O., S. 11.
.'J
Barsche. SprMb.mJlchl~ll. u.O.• S. 12.
... Ebei. .... Ebd.
... Ebd. Spratbanllchrm. ~.~.O .• S. 31. .... &nch~. SprMhanuchtm. a.a.O., S. oft. - Zur Chonuky-Kmik der nCUl"rcn spnc:hlhwrC'tiSCMn Forschung '·gl. -auch S. 41-42, Anm. 30. ... Vgl. Chomsky. .: Cart~fl.n Lmglll.su(J; A Chllpur fIT tht Hiuory of Ra"olla /lfl ThalIght. c.... York 1966. m
Borsch~,
Zweiter Teil: HumboldLS Gl-dkhtnis
266
prt$Slon in Humboldt's attemp1 10 dc\'dop 2. comprehensi\'c throry of genen.1 linguistics. (...) Humboldt's char.aclerization of language ;15 t'11erg~iA (,Thätigkeit') ruher lhan ~rgon (.Werk'), (...) as ,eine Eneugung' rotthcr truan ,ein lhOOtes Erzeugtes; extends and daborates - often, in almost thc same wards - thc formulations typica.l of Cartcsian linguislics and romamlc philos+ ophy of Ianguage and aeslhtLic lheory"soo.
Chomskys weiterer Gedankengang ist nun - abgesehen davon, daß die von ihm u.ntcrstcJlte ParaUc.lisicrung von ,Ergon' und ,Energeia' mit ,Erzeugtes' und .Erzeugung' davon gekennzeichnet ist, daß diese dankbare, aber nicht unbedingt zwingende, humboldtinternc Interprctationsvariante weder ei.ngehend begründet noch in ihren Brüchen bzw. Cha.ncen ausgedeutet wird -derart, daß die Verknüpfung des ,Energeia'-Diktums mit Chomskys Entwurf von diesem überhaupt nicht eingehend erläutert wird. Sie stebt ebenso plakativ wie einsam schillernd in einem für den Leser nicht unbedingt nachvollziehbaren Legitimationszusammenhang und geht über in eine ebenso diffuse Instrumemalisierung des Formbegriffes: ..The Form of language is a systemarie structure" 501 , Schwerer aber wiegt, daß Chomskys .Sprachwissenscha.h' (in nebeliger Anlehnung an Humboldts ,genetische' Qualifizierung der Sprache) in ihrem als generativ behaupteten und eigentlich doc.h höchst rationalisierten Wechselspiel zwi· sehen Oberflächensrruktur (die nach Chomskys Auffassung die lautliche Realisierung eines Satzes abbilden soU) und Tiefenstruktur (die demge· genüber die Basis für die semantische Interpretation des Satzes bietet) einerseits und grammatisch idealisierter Kompetenz und Performanz (als spracbljchem Verhalten verstanden) der Sprecher andererseits nun den theoretischen Geha.lt des ,Energeia'-Diktums geradezu leugnen muß. weil nur in einer gegenständlichen Bemlchtungsweise eine solche Form der Sprachproduktion, wie sie hier behauptet wird, überhaupt möglich, faßbar und analysierbar wird. Darin kann auch die Ein.führung des Kreativitätsbegriffes (rule-governed creativity), der doch nichts anderes ist als die - eine Restfreiheit mühsam aufrechterhaltende - Kaschierung der Aulomatisierung der Produktion und Analyse der Sprache, nichts ändern. Borsche merkt dazu an: .Obwohl also Chomsky die Bestimmung der Sprache als Energeia zum Ausgangspunkt seiner Dustellung Humboldts wählt, lassen seine nur gelegentlich interpretier~den Paraphrasen des Humboldtschen Texts deutlich erkennen, daß er die Sprache eben doch nur gegenständlich, d;u heißt als
~
Chomsky, CmelUrn
'lO1
Ebd.
LutglfUllO,
a.a.O.• S. 19,
b. l-lumboldu Erben: Chronologic zum Aufstieg eines Allgemeinplatzcs
267
Ergon, begreifen kann. Was er als einen ,im Grunde Humboldtschen Ansan' beuichnet, ist die Auffassung von der Sprache als einem Ergon höherer Stufe, nämlich als eine Maschine zur Herstellung adäquater Sprachdatcn·~.
Mit dem Humboldtschen Sprachverständnis hat Chomskys Ansatz demnach nicht nur wenig zu ron, es widerspricht ihm an entscheidender Stelle, nämlich in der ontologischen Qualifizierung und Fundierung der sprachtheoretischen Grundlagen, die Chomsky aufgrund des ,Energeia'Diktums hätte erkennen können, die ihm aber letztlich vollkommen verschJossen bleiben. AbschJießend noch einmal T. Borsehe zu Rate z.iehend, kann daher - zusätzlich d.ie erkenntnistheoretische Problematik von Chomskys Ansatz in den Blick hineinnehmend - konstatiert werden: .. Die als absolut vonwgesetzte Objektivitit jedes möglichen Gegenstands des Denkens allein genügt, den Gegenstand Sprache vor aller nähertn Be.stimmung, was er sei, als ein Ergon im Sinne Humboldts erscheinen zu lassen. Dieser gegenstindliche Sprachbegriff, oder diese gegenständliche Grundlage der Kontroverse um einen optimalen wissenschaftlichen Sprachbegriff, und das zeigt Chomsky aufgrund seiner ausdrücklichen positiven Anknüp· fung an Humboldtsche Ged:lOken nur deutlicher als andere moderne Sprachforscher, ist eine Voraussetzung, durch welche das Verständnis des Hum· bolduchen Begriffs der Sprache als Energeia von vornherein verstellt wird")O).
Mit fast sorglos anmutender Problemohnmacht gegenüber dem Humboldtschen Sprachverständnis perpetuiert Chomsky seinen sprachwissenschaftlichen Ansatz (wie auch dessen zweifelhafte Fundierung) durch viele andere seiner Schriften hindurchSCH • eine Verfahrensweise, d.ie unter dem Gesichtspunkt und Stand der modemen Humboldt-Forschung kaum noch nachzuvollziehen und damit ein Scück Wissenschafrsgeschichte geworden ist, die in dieser Form heute wohl kaum noch solche Verbreitung finden könnte. Nie wieder - und auch nur selten vor Chomsky - wurde in der Geschichte der Humboldt-Rezeption so plakativ und wirkungsmächtig Humboldt faktisch eigentlich gar nicht rezipien, weil hier auch nicht ansatzweise die Bemühung zu erkennen ist, ln W Bonche. Spr.ch,msichun. ,u.O.• S. 43.
Borxbc, Spr-/Jchansichun. a.a.O., S. "4. tot Vgl. Chomsky. N.: Clm'enr "nm In /lng"uriclh~o? The l-laguc. Paris (S. Auf!. (1. Au"-1964]) 1970. - Chomskr, N.: AspurJ o/lb~ lb~" 0/ synln. Carobridge. Mau. (10. Auf!. (I. Auf!. 1965J) 1975. - Zur Grundlegung der GTG vgl. vor allem Chomsky. N.: S,1JWCricSlTJ4eturts. Den Hug, Parn 1957.
)QJ
Zwdtc:r Tc:it Humboldts GeJichmis
268
das Humboldtsche Sprachverständnis auch nur versuchsweise einzudringen. SOS An dieser Stelle ist es rezeptionsgeschichtlich angcz.eig~ die bereits angesprochene Position E. Heintels näher zu erläutern. auch weil sie sowohl in einigen Grundaussagen wie im Stil der Problembcarbeirung crhcbli4 ehen Einfluß auf die nachfolgenden lmcrprcrationcn genommen halo In dessen zuerst 1952 und dann wieder 1957 und 1966 erschienenen Aufsatz Sprachpbilosophie S06 ist das ,Encrgeia<-Dikrum Ausgangspunkt des gesamten Darsu:llungszusammenhangs. Heime! bezeichnet es eingangs als Humboldts .. viel zitiene aber häufig wenig ernst genommene Wendung"S07, eine T2tS2Che, die mehr in Korrespondenz als im Widerspruch zu der Tatsache steht. daß ..in der Sprachwissenschaft unserer Zeit an vielen Orten (der. U.W.) vernehmbare Ruf")O& zu hören ist: ..Zurück zu Humboldr! und damit: Zurück zur Sprache (als Energeja!)"~. Heinte! versteht das .Encrgeia'-Diktum damit von vorneherein auch als wisscnschaftSgeschichtliches Phänomen, das er jedoch unbedingt an Humboldts originlires Verständnis zurück gebunden wissen will: .. Wenn wir diesen Ruf aufnehmen, müssen wir von dem :m jenem Begriff der Energeia ge~ wonnencn SelbsrverStändnis HumboldlS bezüglich seines Gegenstandes, der Sprache, ausgehen"s,o. Gleich im Anschluß an diese Forderung stellt Heintcl mehrere wichtige Grundlagen einer gdingendcn Rezeption apodiktisch fest: ..Jedenfalls: das Won ,Energeia' ist kein beliebiger. zufällig sich einstellender Terminus. sondern einer der wichtigsten und geschichtsmächtig~ sten Begriffe im System des Aristotdes (lief\'. au(g., U.W.). Er ist freilich in dem vielschichtigen Denken des Sl'agioten nicht in eindeutiger Weise fest-
-
Die: Pauage: ube:r Chonuk,. schrie:b ich am Tag dt'r Sonne:n InSle:mu Olm 11. Augusl Im. Um dit' Miltag~l.cil. t'S ....·u gc:gt'n 12.30 Uhr. schlug ich CarusuUl Lmguurics auf und so· (on vc:rhnstcrtc sich der Himmel. Niem~s mthr habe: ich tint Humboldt-Rt'zt'plIon in solch völliger Dunkelheit erlebt. Nur im Liehl wirJ somit ~;r,IIt'S. W,lS wir in W;r,rmc und Enthusiasmus e:rgreifen, (...) eine An dtr Lit'bc" (ldull iibl'r d,~ Staatw('r!,JSfung, (lurch du! ,,~ue franzoslKhe KonstitMtion tlmmLtßt. I 81). - Vgl. duu .luch J. Trabant, dem die Humbokh·forschung die' Eitl5icht in den doppc:ht'n Ww.enseJufubc:griff dt'S Tq;e1
\10
Ebd.
Sob
'lOfto
W
~
b. Humboldu Erl,c:n; Chronologie zum Aufstieg eines AIIgcmdnpl:H7.cs
269
gelegt... bez.eichnet aber jedenfaUs bei ihm die eigentliche konkrete WirkJichkeit"-m .
Der Allgemeinplatz·Gefahr wird hier demnach ebenso begegnet wie die grundlegende Rolle des Terminus nun konstatiert iSl. Daß es in der Tat schon bei AristoteIes je nach Kontext Unterschiede in der Bedeurung gibt, in eine wichtige Beobachtung, die erheblichen Einfluß auf die Auslegung des ,Energeia'-Dikrums hat. Allerdings kapriziert sich Heintel nun gerade nicht auf eine genuin ontologische Sichtweise: "Im Sinne unseres Themas grenzen wir den Rückbezug Humboldts auf Aristoteles sofort auf die Frage ein, welchen Gebrauch der Philosoph mit dem Begriff Energeia in denjenigen Zusammenhängen verbindet. in denen ein ,Lo g 0 sa rt i ges' in Frage steht" 51l . Daran orienrien sich nun die weitere -BegriHsa.nalyse, die ..z.B. das Wissen als Energei 3 (t:;nm~~111XO:l' tvlpytWV)""5lJ untersucht und U.3. auch auf Humboldtsches Sprachdenken bezieht. Ohne Zweifel bietet Heißtel damit eine hochinteressante Herangehensweise an, die in der Rezeptionsgeschichle des Diktums singulär ist. Auch ist seine diesbezügliche Klärung von ho her philosophischer Qualität. Ob er in den Kern von HumboldLS engerem Verständnis des Diktums trifft, ist hingegen ungewiß, was sich auch da.ri.n ausdrückt und begründet liegt, daß Heime! hier das Kantische und Leibnizsche Begriffverständnis bis sogar auf Fichte mit einzubinden sUCht.~l" In dieser erweiterten Sichl ist dann ..Energeia ebenso der Ort für die Einsicht in die Dia lek t i k des L 0gosartigen wie gegenständliches Attribut der oder gewisser .Substanzen·"51~. Wichtig ist der Hinweis, daß .. es Aristoleles (Herv. 3ufg.• U.W.) bei dem Wissen als Energeia zweifellos auch um (...) Fragen der Synthesis (Umst.• U.W.)'"516 gehe, und zwar derart, ..welche Rolle der Sprache in der akruellen ,5 y n t h es i s' von Wissen und Gegenstand. von Denken und Sein zukommt" SII • HeimeIs erkenntnistheoretische Schlußfolgerung: ..Sprache fällt ihrem unmittelbaren Sein nach mit der u n m i lt e I baren Ref I ex ion )tat' tvl.Q'iELQ\' ZUS:Ullmcn. Als S p ra C h e wird sie freilich crst erkannt und durc.hschaut in der Renexion auf die naivc Sprache, also im Sp re· chrn von der Sprache. Diese überhöhte Renc.xion kann se.lbst wieder
Hl
Hc=intel. _Spnc:hphilosophie-..u.O.•. 570. Ebd.
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F.bd.
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Vgl. Hcintt'1. _Spr.achphilosophic=", .u.O.. S. 571-S71..
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Hc=imd, ..spr.u:hphilo50phit'-• .I.A.O.•. 57\.
)1.
F.bd.
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Ebd.
~II
Zwriu'rTeil: Humholdts Gedkhlnis
270
n3iv erfolgen und betrachtet dann Sprache (sei es aJs Dynamis, sc.i es als Ergon) als einen Gegenstand umer ':lodere" und wie andere auch - oder sie weiß. daß ein Logosaniges. als Gegenstand genommen, in jene schon ent· wickelte Dialektik fühn. in der wir erfahren. daß alles Sinnhafte, auch als unmittelbares. den linearen Geschehensablauf immer schon .meinend' iiberhöht- m .
Hier wird deutlich, daß Heintel das ,Energcia'-Diktum als Grundlage weitreichender sprachtheorerischcr Rcnexionen nutzt, ein Vorgehen, das ihn .letztlich zu einem umfassenden Verständnis des ,Encrgeia'-Begriffs führt. das sowohl die subjektivitätstheoretische wie die ,ontologische' und auch genuin sprachphi/osophische Veranlagung des Terminu verwerten will: .M~nschJicher Logos ist nicht die re i n ~ E n e r g~ ia (actus purus) des schaffend~n
WOrtes: .es v.·erd~! ... und es .",....rd.' - Jondem als Ix:stimmter Logos~ D d I iehe E n e rg~ i a. sich selbst immer schon \·oraussct2.end im unmiuelba~n Sinn seiner Existcnz. als CUl Geschöpf in dcr Schöpfung; er könnte aber diese Endlichkeit nicht einmal als Sinn ~rgrej(en, könnte er sie nicht ~uJ seine Art .trannendieren', hätte er nicht auf seine Art teil an der Energeia des schaffenden Logos auch in seinem endlichen Logos, mit dem er die ins Licht geStellte Schöpfung nachschaffend für die Erkenntnis 2.ur Sprache bringt"SI9.
Dieses erweiterte Verständnis - (mindestens) zwischen den Positionen AristoteIes' und Humholdts entlang u"d hindurch - emwickelt gehl Heime! dann dazu über...zunächst in geschichtlichen (.,,) und dann in systematischen Ausführungen (...) unseren Ansatz von der Sprache als Energeia zu demonstrieren und zu differel1zieren" slo, ein hochinteressantes Unternehmen, dem hier leider nichl gefolgt werden kann. Wichtig ist. daß auch Hcinlel mit dem von Aristoteles und Hurn· boldt zur Verfügung gestellten begrifflichen lnst.rumentarium kreativ umgeht und darin auch dessen eigentliche Produktivität registrien: ,Jedenfalls ist es das weitere Ziel dieser Arbeit, die hiermit systematisch cingefühncnund bcgründcten Zuordnungen: Sprache als Ergon> Linguistik, Sprölche als Dynamis> Sprachpsychologie. Sprache als Energeia > Sprachphilosophie möglichst scharf herauszuarbeiten und gegen naheliegende Mißverstindnisse zu sichern" m .
Daß dieses Instrumentarium (obwobl in der Trias von energeia, ergon und dynamis nicht im ellgeren Sinne HumboldLS Verständnis entsprechend) tTl Heinlt~l .spr.tchphilO$Ophie~,
.
1."0
u.o.. S. 572. Heimel. ..sprachphi1osophie~, .t..a.Q.. S. 573-57". HeinleI. .spnchphilo.sophic- . .u.O., .576.
UI
J-1cintd...Spr.Jchphilo.·.ophi,,-. ~.t.O., S. 577.
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6. Humboldt.$
Erb~o:
Chronologie zum Aufstieg einC$ Allgerneillpl.l[zcs
271
durchaus Erklärungspotemial für die Klärung sprach theoretischer Fragestellungen auch im Sinne Humboldts haben kann, das zeigt Heintel z..B. bei der Klärung der Sprachursprungsfrage, in deren Rahmen ihm alle drei ,Kategorien l als wissenschaftliche Kristallisationspunkte gelten: "Aus der Einsicht in die grundsätz.ljche Grenze aller genetischen Sprachbetrachtung überhaupt ergibt sich auch der rdative Sinn "nes Fragens nach dem ,U rs p ru n g der Sprache, einer viel erörterten und berühmten Streitfrage (...). Zu ihr läßt sich kurz sagen, daß sie sich nur innerhalb von Sinn (Herv.. U.W.) als Energeia, d.h. gegenständlich, niemals abt'r für die immer schon damit vorausgesetz.te Sprache (Herv., U.W.) als Energeia stellen läßt. Sie ist eine Frage gegenständlicher Relation, keineswegs :lber eine solche der Gegen· nands~ und Sinnkonstitulion selber. Sie l3ßt sich also nur für Sprache als Dynamis und Sprache als Ergon ansetz.en"m. j
Die Sprachursprungsfrage ist also auch im (sprach-)onrologischen Sinne "jenseits der Gränzlinic" (Ueber das vergleichende Sprachstudium, IV 3 ).523 Nachgewirkt hat Hei.mels Beitrag vor allem dadurch, daß er trotz seiner Aristoteles-Komextuierung eine systematisch großzügige, sprachphJ'losophisro aber dennoch plausible und fruchtbare Umgangsweise vorschlägt. die den ,Energeia'-Bcgriff allerdings für zahlreiche Deutungen of~ ren hält. Solche: Erschließungsarbeit hat Folgen. Die ,-Energeia'-Rezeption der 60er Jahre ist zunehmend von Positionen gekennzeichnet, die nicht vorderhand einen eigenen Lnterpretationsbeitrag zum Diktum im engeren Sinne liefern wollen, sondern einerseits Bezugnahmen auf bereits bestehende Deutungen formulieren, andererseits auf diesen wiederum aufzubauen versuchen und damit Varianten formulieren, die entweder bereits bekannt sind oder die sich schon weitgehend von Humboldts ursprünglicher Ansicht entfernen. Ich referiere zwei solcher Ansätze, um die Verschränkungen deutlich zu machen. J. Pleines bespricht 1967 Das Problem der Sprache bei Humboldt5'1~ und setzt für eine diesbezügliche Klärung mit dem "Ergon-Energeia~Satz"525 ein. Sein allzu offener, aber immerhin offen zugegebener Ansatz. wird gleich zu Beginn deutlich: w I-h:imel, ..Spr:lchphilQsophic·, ;\.~.o ..
s. 599.
llJ Vgl. :luch das Kapilel 5 zum Spr:lchursprung, in Tr:lbant, J.: Tral/itllmerl HllmbQJdtJ. Fr.1nkfurt am Main 1990. $. 94·1! I. $]4 Pleines. J.: .Du Problem der Spf2che bei Humboldl. Vor.lussw'.ulIgcn und Möglil:hk~iU'n einer neuze.il1ich-kriljschcn $pr'.lchpllilosophic In: G;Jd;l.Iner, H.·G. (Hrsg,); Das Pro"'tm dl!rSpr.ubt. München IIX.]. S. 31-H. ~H Pltine.s, .D1S Prohlem dcr Spr:lche·, u,O., $, .11. R
•
Zweiter T~il: Humboldts Gedichlnis
272
ftDas Problem der Sprache bei Wilhe1m v. Humboldt besteht für uns primär nicht darin, wie der von Humboldt gemeinte Sinn an Hand des Textes freigelegt. sondern wie die angesprochene Sache im Doppel bezug des ex.egetisehen Befunds und seiner vielleicht latenten Auswirkungen auf die gegenwärtige Situation erläutert werden könnte. Daher überschreiten die folgenden Gedanken lcxtimrU3nCnlC Bedingungen. ohne sie zu überspringen, und reflektieren weit eher unseren Rezeptionsmodus Humboltscher Anrl'-
gungen" m .
Nun hat' Plcines doch das Problem, die konkreten Bedingungen des Humboldtschcn Textes fast gä.nzlich auszukJammern, ein Umstand, der nahezu beiläufig Lmerprctationsve.rschiebungen provoziere, auf die ich bereits mehrfach aufmerksam gemacht habe, und die sich auch bei Plcines perpetuieren. $0 wird Hu.mboldts Diktum einerseitS als ..cmschcidcnde Forderung"517 (und damit ihrem Charakter nach in Richrung ,Formclhaftigkeit' überlastet) interpretiert. andererseits beinhaltet diese Forderung laut Plei.nes, "Sprache nicht allein (Herv., V.W.) als Ergon sondern als Energeia (Herv. aufg., V.W.) aufzufassenl
Ebd.
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Pleines, .. Das Problem d~r Spf3eht'~. oa.a.O.• S. 32.
no Ebd. m Ebd. SJl
Ebd.
(,. HumbolJts Erben: Chronologie zum Aurnieg eines Allgemeinplatzes
273
..AlJgemcin ist es das Verdienst von Leonhard JOst, in diesem Sinne dje ,Geschichte und Kritik der energetischen Sprachauffassung seit Wilhe1m von Humboldt' (...) vorgetragen 2,U haben. - Wenn man sich jedoch aus exegetischen Gründen diesem Imcrprerationst'enor allein nicht anschließen kann, der bei aller Variationsbreite auf ein Set2,ung-Satzung-Schcma hinausläuft, so wäre unter Subjekt vielleicht diejenige An von Verhältnis zu denken, die im Bereich intenubjeluiver Beziehungen gilt"'m.
Pleines kritisiert demnach JOSt, um alsdann frei zu sein von den Mühen einer philologisch genauen Interpretation des ,Encrgciar-Diktums, ein gewonnener Spielraum, der Dun dafür genutzt wird, durch Heidegger hindurch Hamann und Herder als die eigentlichen Begründer des dem Diktum zugrunde liegenden Gedankenguts aufzuführen: .. Denn Hamann und Herder liegen dem Energeia-Satz (Herv. aufg., V.W.) nicht nur historisch voraus, sondern sie sind ihr Inhalt - freilich in dem Sinne, (...) das Nachdenken über die Sprache i.n die Bedingungen einer bergenden Sprach- Welt z.urückgeführt zu haben"sH. Dieses Argumentationsmuster ist zwar von seiner Struktur her durchaus sachgemäß, zielt dann aber auf em etwas diffuses Verständnis vom Humboldtschcn Sprach begriff und hat mit einer Auslegung des ,Energeia'-Diktums im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun. Es wird als Formel verbraucht, auch um den .. Übergang des Energeia-Satzes (Herv., aufg.) zum Begriff einer ,inneren Sprachform' bei Humboldt"'S35 zu begründen. Übrig bleibt bei Pleines ein sehr allgeme,ines Verständniskonglomerat diverser Einze1aspektc, das cr i.n der folgenden Passage zusammenfaßt: ..Wenn Humboldt dazu aufforderte, Sprache als Energeia (Herv. aufg., V.W.) zu interpretieren, so wiederholte er damit den von uns beschriebenen Versuch, von der Sprache aus zu denken - in der Einsicht, daß sie allem vorstellenden, beurteilenden oder sich begreifenden Denken voraus einen gcsehjchtIich ausgelegten Wc1thorizont eröffnet, von dem nicht abgesehen werden k.ann"su.
Auf der Suche nach nutzbaren Interpretationsspielräumen ist 1968 auch H. Seidler, diesmal in bezug auf Die Bedeuwng von W v. Humboldts Sprachdenken für die Wissenschaft 'Von der SprachkunstS37 • Für Seidler ist Pleines, .Du Problem der Sprachc·, :1..21.0., S. 33. »' Plcines, ~Das Problem der Sprache~, :I.a.O., S. 34. m Plcines, ..Das (>reblem der Spr:u:.he·, :I.a.O., S. H. SJfJ Pleines, ..Das Problem der Spr.lche :10.:11.0., S. 37. W Seidler. H.: .Die Bedeutung von W. v. Humboldu Spn.cbdenkcn für die Wu~schafl von der Spr.1chkunst". h\: Kcossd, H. und Thoms, W. (Hug.): D,'co Briidt!r HumbolJl hf'Ht~. M:IInnhcim 1968. S. 63-85.
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Zwriter Teil: Humboldls Gedächtnis
274
das ,Energcia'-Dikrum erst einmal wieder "der bekannte Satz";J8, Dieser dient ihm dazu, ein ganz anderes Humboldtsches Thema z.u besprechen: ..Auch aus den eigenartigen und wichtigen Ausführungen über den Unterschied von Poesie und Prosa (...) tritt der gemeinsame Grundzug heider Möglichkeiten der sprachlichen Gestaltung deutlich hervor: sie schaffen heide eine Geisteswelt aus dem \'UirkLichkcitshczug, die Poesie, indem sie in schöpferischer Kraft eine Geisteswelt in sprachlicher Schönheit aufbaut. die Prosa. worunter Humboldt die hohe wisscnschaftJichc Prosa (Muster. Arinordes) versteht. indem sie eine denkerische Weh crrichrcI"m.
Humboldts Wesensaussage nun grammatisch inrerprerierend, merkt SeidleT an, daß es "besonders (...) die Leistung des Verbums (ist, U.W.), die Spr:!che als Vorgang, als geistige Tätigkeit zu enrfahen. Aus diesen knappen Andeutungen ist schon zu erkennen. daß es völlig verfehlt wäre, mit diesem Energeia-Begriff auf den Vorrang einer Sprcchkunde abzuziclen"5~O. Die Cunclusio, die Seidler hier formuliert. ist dem Gehalt des Diktums durchaus angemessen, wenn auch die Prämissen so nicht unbedingt in Humboldts engerem Blickfeld liegen. Interessanter ist bei Seidler jedoch ein ganz anderer Aspekt, nämlicb der, auf welche Interpretationen der Rezeptionsgeschichlc sich seine ,Energeia'--Dcutung stützt. Seidler schreibt, die Verstrickungen eben dieser Rezeptionsgeschichte mit der zu unterstellenden Eindeutigkeit des Originals u.nbekümmert verwechselnd: "Aber der Energeia-Begriff Humboldts ist nicht eindeutig, er läßt mehrere Deutungen zu",.I. Seid!er bietet dann folgenden Katalog an: "Drei davon (von den Deutungen, U.W.) scheinen mir besonders tief 7..U greifen, die Bedeutung der Sprache besonders heraus:z.uslellen und auch für die ErfOlSsung der Sprachkunsl wesentlich 7..U sein (...). Lm Encrgcia-Begrirr steckt nach der Auffassung Weisgerbers (...) die Talsache. daß Sprache eine wirkende Kr
Scidlcr, 'J~ Xidlcr. ...~ Ebd. S41 Ebd.
~Dic Bedeutung von W. v. 1-luOIoolJu ~Di('
Sprachdcnken-. 3.3.0.. S. 65. Bcdctltung von W. v. Humboldu Sprachdenken-. ".3.0.. S. 66.
b. Humboldts Erben: Chronologie zum Auf$tieg eints Allgemeinpl:u"Zcs
275
ereignet sich auf höchster Ebene im Schaffen von Sprachwerken; erst darin r~li.sien sich Sprache als Geistestätigkeit"Ml.
Seidler beziebt also seine ,Energcia'-Kenntnis vorderhand aus der Rezeptionsgeschichte und kommentiert ansonsten die Textstelle Humboldts nur noch mit wörtlichen Erläuterungen des Tegeler Philosophen aus dem Umfeld des Diktums in der Kawi-Einleitung. Dieses Rezeptionsverhalten sollte typisch werden für die Phase der .Energeia<-Rezeprion ab 1960: Die Interpretation vom Hörensagen nimmt einen u.ngeahnten Aufschwung. Daß ausgerechnet Weisgerber hier als zentrale Interpretatioosvariante genannt wird, ist kaum verwunderlich. Gippers Deutung löst sich mit dem ,Schaffen von Sprachwerken' gezielrvom Humboldtschen Denken.5H Lediglich Hcime! trifft - wie ich gezeigt habe - mit der Verknüpfung von geist- und sprachphilosophischen Aspekten einerseits und erkenntnistheoretischen und anthropologischen Aspekten andererseits den Hori· zont des Humboldtschen Sprachvcrständnisses. 5.... Für Seidler - und bald auch nicht mehr ausschließlich für ihn - ist es kennzeichnend. sich zwischen diesen Positionen nicht entscheiden zu können: ..Diese drei Interpretationen des Humholdtschen Energeia-Begriffs dürfen nicht disjunktiv g'csehen werden, sondern als Entfaltung des in diesem Begriffsbereich Angelegten und Konzentrierten aus verschiedenen Perspektiven"·H5. Hier noch in vorsichtiger Variation formuliert erreicht das Pluralitätsposrulat in Seidlers Feststellung mit al!' seinen problematischen Konsequenzen die Rezeptionsgeschichte des ,Energeia'-Diktums und gehört seitdem zum impliziten oder auch expliziten Allgemeingut fast aller Auslegungen. Dies mag die Rezeptionsgeschichte in vielerlei Richtungen geöffnet und sprachwissenschaftlich bereichert haben, der Blick auf das Humboldtsche Sprachverständnis wurde dadurch jedoch noch zusätzlich versperrt. Der Sinn des ,Energeia'-Diktums ist so - und hierin liegt die Zäsur der 60er Jahre - nichr nur selbst immer noch weitgehend (oder auch schon wieder) verschüttet, in der explosirionsarrigen Vervielfachung möglicher Bedeutungen wird seine Rezeption auch selbst zum Schutt, der wiederum die Rekonstruktion und Freilegung Humboldtscher Tbeoreme massiv erschwert. Wissenschafts- und auch sprachtheoretisch ist dagegen notwen-
"'1 Seidlcr, "Die ßt.od~urunf; v{)n W. v. Humboldts Spn.~hdl'.nk~n", a.a.O., S. 66-67. >fJ
Seidler bezieht sich in seiner Bewertung von Gippers ,Energtia' -lllIcrpret.atiol1 und in sein~r Darstellung Wei$gt'rbcrs und Heintt:ls auf Gippers Aufntz. ..Wilhehn von Humboldt als Begriinder modemer Sprachfomhung". In: Wirke"de$ \\'lOTt. t S. Jg. (19M) H.I. S. 12-
".
~~ Vgl. Hl'.inu:I, ..Spr:u:hphilosophic". u.
. - Heime!. E.: Einführullg i" die pracllpbi/our phie. ("., um ein Nlchw. c.rw. Aun, [I. Aun. 1972.1) Darm$udt 1991. S. 69·S". "~ Seidler, ~Dic BweUlung von W. \'. Humboldl$ Spn.chdt"nkcn", ;1..1•• 0., S. 67.
Zweit'e.r Teil: I-Iurnbold(s Gcdächlnis
276
d.ig anzunehmen, daß es eine richtige Interpretation gibt - oder zumindest eine solche, die dem H umboldtschen Gedankengang besonders angemessen ist. Verschwindet dieses (gleichwohl schwer einzulösende) OriginaIjtärs-Posrul:u, gerät auch die lmerprcration der Humholdrschen Sprachtheorie an wichtiger Stelle unvermeidlich aus dem Gleichgewicht. Scidlcr hingegen hat nach solcher plural.itätsgebannter Legitimatioosarbeit für seinen spezifischen Kontext leichtes Spiel: ,.Den sprachlichen Gedankengebäuden (Umst., V.W.) wissenschaftlicher Prosa und den Gebilden der Sprachkunsl kommt besondere Bedeutung zu: als höchsten Erzeugnissen des Sprachgeistes. den Humholdt als energeia sieht"~H6. Noch einmal zurück zu H. Gipper. Im TeX"t seines Beitrages von 1964, auf den Seidler sich bezieht und der zur Grundlage sowohJ seiner rezeptiollsgeschiclnlichen wie systematischen Skizze wird, referiert Gipper i.n der Tat die Positioncn von \'V'eisgcrber und Heime! ausführlich. 547 Für den Schüler Gipper ist de.r Lehrer Weisgerber ..der einzige Forscher, der sich bisher der entsagungsvollen Aufgabe angenommen hat, die Weltallsicht einer Sprache zu beschreiben lind damit Humboldts Ideen wirklich fruchtbar zu machen"S48, einc Arbeit, die Weisgerber "nicht immer den Dank und die Anerkennung cingebracht (habe, V.W.), die ihr gcbührt"!I49. Solche Beistandsbekundungell hinter sich lassend betrachtet Gipper dann "den berühmten Ausspruch"SSO Humboldt.s, den er ..zu den meistzitierren und umstrittensten Aussprüchen Humholdts"'SSI zählt, ..eine Stelle, die Kopfzerbrechen macht"S!l2. Gippee öffnet schließlich diese Stelle für die eigenc Deutung und die anderer, indem cr cinen imeressanten Kunstgriff anwendet: Er ulllerstclh Humboldt genau die Unsicherheit, von der er gani'. offensichtlich selbst ergriffen ist. Gipper schreibt, daß ..die auffällige Tatsache, daß Humboldt hier die deutschen Begriffe ,\'V'erk' und ,Tätigke.it' durch die griechischen Begriffe EQyov und tvEQyetoa erläutern zu müssen glaubt" sSJ darauf hindeutet, ..daß er (Humbolde, U.W.) selbst um eine angemessene Wortung dessen rang. worum ~" )of1
Ehd. Der Text wird in Folge in der Version dt$ Ncu~bdruck5 von 1992 zilien: Gipper. H.: ~Wilhclm VOll Humboldl :ilts Begrüntler moderner Spr.l.chforsc.hung", In: den.: Throrie
u"a Praxis mhahbezogl!lIcr Sprachforschung. Aufsälzt' und Vortrage 19jJ-1990 (Bd. /.1). Bd./: WiJJulm t/On HumbolJtJ Rcdl.'ulungfNT Tbrone Hnd PraxlJ moderner Sprll(h or-
scbung. MünSlef ~.
GippCf.
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Eba. Ehd. Ebd.
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Ebd.
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Ebd.
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1~24lJJ.
~Humboldt
S. 15-40.
als Begründer·. u.O.•. 30.
6. HUl1lbold!s Erben: ChronologiC' ZUnl Aufstieg eint' Allgemeinplatus
277
es ihm hier giog Il55-4. Dafür indes. daß dies wirklich so ist. gibt es weder einen stichhaltigen noch einen plausiblen Beleg. Gipper sicbert sieb demnach selbst eigenen Deutungsspielraum, und nachdem er zu Recht festgestellt hat, daß der ,Encrgeia'-Charakter der Sprache nicht auf die Sprechtätigkeit reduziert werden darf, der diesbezügliche Satz Humboldts ..also keine Stiftungsurkunde für die Arbeit der Sprec.blrunde darstellt"'555, wird nun Weisgerbers Interpretation der "Sprache als wirkende Kraft"S5b dargeboten und alsdann schon wieder als beute nur noch ein~ geschränkt" gültig charakterisiert: .. Vielleicht geht es (... ) weniger um die wirkende Kraft als solche, die modernen Kritikern so formalisierungsbcdürftig erscheint, als um das Sich-Verwirklichen einer Möglichkeit, um die Selbst-Verwirklichung des Geistes, wie Lohmann sagt"S57. Gippe.r kommt also einer aristotelischen Interpretationsvariante schon relativ nahe, ohne aufzudecken, ob diese Verschiebung von der Weisgerbersehen Deutung weg bewußt geschieht oder Dur einer Rezeption Lohmanns zu verdanken ist. Deutlich wird hier vor allem, wie verschränkt die Rezeptionen (,Humboldt', Weisgerber, Seidlcr, Gipper, Lohmann) zu diesem Zeitpunkt bereits sind, ein zunehmend verzweigter Forschungsdialog, der jedoch vornehmlich darüber geführt wird, wie unterschiedlich nutzbar das ,Energeia'-Diktum ist, wenn es denn in der einen oder anderen Form interpretiert bzw. assoziativ weiterentwickelt wird. Die Aufdeckung des Humboldtschen Denkens tritt hier volJends in den Hintergrund. So mutet es denn auch seltsam an, wenn Gipper trOtz. dieser Vernechtungen eine Interpretation des ,Encrgeia'-Diktums vornimmt, die zumindest bereits mir aristotelischer Begrifflichkeit arbeitet: .. Unter diesem Blickwinkel 2.cigt sich, daß die Energeia als Emfah'ung von Sprachkmft und 'Z.ugleich als gedankenbi.ldende Formkraft zu verstehen ist, deren Zielrichrung nur in den höheren SinngehiIden ganzer Siitz,c und Texte sichtbar wird. HI:FVorbringen von Sinn ist hier als Erzeugung von Sinnzusammenhängen zu IIcr.Slchen, die der Möglichkeit nach zwar vorgegeben sind, deren Art der Verwirklichung aber nichl vorherzusehe,n ist. Notwendjgkeit und freiheil durchdringen sich hier in wunderbarcr Weise"j58.
lU
Ebd.
ßS I~bd.
"' Ebd. m Gipper. MHumhold[ als Begründr,", a.:I..O., S. J I. ~'.
Cipprr. _Humbold! 1I1~ ßegriindt.r" :1.:1.0., S. 32. - Zur Dcul'Ung d~ .Energeia'·DiktulIls beI Gipper ...gl. \wch dcN.: MDic gcnetischc Intcrpri.'larioo der prachc", In: L:lndgrebc, l. (Hng.): Phdosophlt lind Wusemchll/t_ Mciknhcim 1972.5.270-284, hier: S. 178-279.Oers.: ..Sprachphilosophic in dC'r Romantik". 1I.a.0., S. 2101-21 S.
278
Zweiter Tril: Humboldts Gtdiichlllis
Weil ehen Sinn gebilde ganz.er Säue und Texte von Gipper wiederum als ~Sprachwerke' verstanden werden, die von ..vergleichend.er Sprach- und Literarurwissenschaft"'·W:l gleichermaßen untersucht werden sollen, bleibt die aristotelische BegrifOichkeir schöner Schein und ohne tiefere exegetische Konsequenzen, ein Changieren zwischen der scheinbaren Souverä".ität der BegriIfsverwcndung einerseitS und der NiveUierung der Bedeutungen dieser Begriffe durch Konterkarierung des dahinter stehenden systematischen Zusammenhangs andererseits, die auch in der folgenden Stelle besonders deutlich wird: ..Was Humboldt meint. ist nicht forma im Sinne ei ocr [orma !onnara, wie sie sich etwa im Ergon des grammatischen Formensyslcms zeigt, sondern forma formans, ;lUes Spr:tchlicbe durchdringende Formkraft, insofern also wiederum Energeia, die in der inneren Form spez.iell die geistig-inhaltliche Seite der Sprache ergreift- S60 •
50 gelingt Gipper selbst in der Kontextuierung des ,Energeia'-Diktums mit dem Begriff der inneren Sprachform nicht der im Grunde doch so naheliegende systematische Ausschluf~ des ,Ergons', hier einmal mit dersen Reduzierung, denn Humboldl will mit diesem Ausschluß ja nicht nur eine materiale oder auch bloß formale Grammatik von der Wesensaussage der Sprache fernhalten, sondern cr wiJI m.it ontologischen Miue.ln jedwedc Vergegenständlichung des 5prachbcgriffes von vorneherein kategorisch ausschließen. 561 Gerade in der Mißachtung dieser Einsicht jedoch zeigt sich Gipper als guter Gefolgsmann Weisgerbers. Äußerst differenziert stellt sich die Rezeption des ,Energeia<-Dikrums bei E. Coseriu dar. Sie kann hier schwerlich in aUen Facetten aufgefühn werde,n. Um wenigstcns cinen Teil des diesbezüglichen Spektrums abdecken zu können) ist es zweckmäßig, sich vor allem die von U. Pctcrsen herausgegebene Aufsatzsammlung Spraclu - Strukturen und FlOlktionen$(,l, die 1979 bereits i.n der dritten Auflage erschienen ist und die zwölf Beiträge aus den Jahren 1956-1957, vor alJem aber aus den Jahren U'I Gippl.'r. KHurnhoJdt :lJs Begrül\(ler". a.a.O.. S. )). ~
,.,1
Gipper.• llumbold{ als Begninder", :I.a.O.. S. 3". D~H Gippet eine gegc~..nstindliche DI.'(jnition der SprachC' :11$ Ergon nicht nur für möglich, sondl.'rn für sc:lbstversündlich hih, wird ~u(·h in der RcmeinS:lrncn SlUdie mil P. Sc:hrniuet .l1U d.:rn Jahre 1979 deudieh. Don heißI es: ~D;t' E.xistenz (!, U.W,) des Ergons, dl.'r Sprach.: :tls gq;cbcnen S)'!lcms. braucht (uotz des .EnergC'ia'-Diklums. U.W.) ni.:hl in Frage
~
gestell! Zu werden" (Gipper. H. und ~hmi{lC'r. P.: Sprnchwuiemchafl Hlld Spr.lchphl/QSOpbil! Im bua/teT der Roma1l!ik. Tübingcn 1979. S. <)()..lJ 1). Coscriu, f.: Spr4Ch~ - S'rHktwrtn und FHnA·ti(Jmm. X/I Au[uHu tllr II/lgt:mclllt:ll Imd roma"iJdu!n Sprilch-w;SStnICb4t. Nrsg. V(J11 U. l'tUNell. 'rilbingen (3., durchgcsc.hen~und
verbcssene Aurl.)
1979.
b. HumbolJls Erben: Chronologie zum Aufstieg eines Allgcmeinpt;l;t1.es
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1967-1969, zusammenführt, anzuschauen. Coseriu, vornehmlich am strukturalistischen Saussure interessiert, bindet das Diktum an unterschiedlichster Stelle in sein Sprachdenken ein. Im kurzen Vorwort des Herausgebc,rs heißt es: ..Eugenio Coseriu ist ein Vertreter der funktionell-strukturellen Sprachwissenschaft, der mit. einer bewußten Einbeziehung auch der vorstrukturellen, insbesondere der Humboldtschen Sprac.hwissenschaft in seine Sprachtheorie einen bedeutenden Ansatz zur Überwindung eines doktrinären und erstarrten Strukturalismus schafft">f,l. In dieser Qualifizierung ist bereits crsichdich, daß Humhold.t hier vornehmlich unter einem ganz speziellen. als logisch und historisch verstandenen ,vorstrukturellen' Aspekt gesehen wird, und eine Deutung des ,Energeia~·Di.ktums unweigerlich auf den Saussureschen Sprachbegriff implizit oder explizit bezogen sei.n wird. Dies macht - wie man sehen wird - sowohl die Chance als auch die Tragik der Rezeption Coserius aus. In der Tat bietet Coscriu einige sehr interessante Problcmatisierungen und Interpretationsansätze an, die nicht vorschnell auf die allzu naive und durchaus auch häufig verwendete Pa.rallelisierungsoption VOll Saussu.re und Humboldt herei.nfallen. In bezug auf das ,Energe.ia'-Diktum stellt Coseriu zunächst fest, daß man .,diesen Satz von Humboldt (...) in der modernen Linguistik zwar oft wiederholt, leider aber nur seiten genau interpreticrt".)6~ findet. Für falsch und auch unlogisch hält Coscriu es, .,die Humboldtsche Unterscheidung (von ,Ergon' und ,Energeia', U.W.) mit der Unterscheidung von de Saussure zwischen langue und pm·ole zusammenfallen"565 zu lassen, eine Unterscheidung, .,die in Wirklichkeit einen ganz anderen Sinn hat""Ytl.>. Nun folgt Coscrius wichtige und zentrale Einsicht; .. Und man vernachlässigt fast immer das Wichtigste, nämlich daß Humboldt ein aristotelischer Denker w.lr und daß er gerade in diesem San auf seine aristotelischen Grundlagen anspielte. Humboldl schreibt ja nicht bloß ,Tiitig.. keit' und ,Werk' er fügt gleich die griechischen aristotelischen Fachausdrücke ,energei3' und ,ergon' hinzu, und damit zeigt er deutlich, daß er unter .Tätigkeit' nicht irgendeine Handlung, sondern eine besondere und bestimmte An von Tätigkeit, nämlicb die ariSiotelische etlirgeia, die Tätigkeit, die der Potenz (d)'tlamu) vorausgeht, d.h. die schöpferische Tätigkeit, die freie Tätigkeit im philosophischen Sinne des Wortes frei verstebl"W.
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CQseriu, Spr Coseno. Spmcht- StruktJlrcn ,md FHnktiollcn, 3 . .1.0., S.9(,.
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Ebd.
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Zweiter Teil: HUOl!'loldts Gcd:idllnis
Coseriu erkennt also das aristotelische Fundament des Diktums genau, geht dann aber zu einer Interpretation über, die diese Erkenntnis z.unächst nur für eine leicht reduzierte Imerprerationsvariantc nutzen kann. Dabei bleibt cr jedoch nicht stehen. sondern versucht - Saussure im Hinterkopf - das Diktum für eine allzu konkretisierende und assoziativ erschlossene Weiterentwicklung, die die Humboldtsche Wesensaussage bereits deutlich hinter sich läßt, als Pate zu akquirieren. Zunächst der erste Schritt: .. Die Sprache als e11ergeia zu begreifen bedeutet folglich. sie in allen ihren Formen als schöpferische Tätigkeit zu betrachten. Energeia ist die Sprache im allgemeinen und die Sprache als Redc"}68. Mit der Betonung des Schöpferischen wird der zuvor konstatierte ontologische Charakter wenn flich.t ausgeschlossen, so doch zumindest an den Rand gedrängt. Warum Coseriu dies tut, wird aJsbald deudichi der zweite Schrin: .,Energeia ist aber auch die Einl.c1sprache, die ja nur die jeweils historisch determinierte Sprache ist. Deshalb ist auch sie dynamisch zu interprctiercn"S(·'J. Dies bildet die Einleitung Coserius zu einer intensiveren Erörterung des Zusammenhangs von Sprache und Einzelsprache. Eine sokhe Vorgehensweise ist in gewisser Hinsicht typisch für Coscriu. Einerseits wird vollkommen zu Recht ei.ne naive Parallelisierung von langue und parole und ,Ergon< und ,Energeia< abgelehnt, andererseits bilden die Humboldt-Thematisierungen häufig den Auftakt für eine Saussure verantwortete und diesen auch (für fast alles) verantwortlich machende Erörterung des Sprachbegriffs, die sich dann terminologisch und systematisch vollkommen dieser - wiederum allerdings ,strukturalistisch' verkürz.ten - Sichtweise des Saussureseben Ansatzes verschreibt. Trotzdem bleiben Coserius Humboldt-Saussurc-Abgrcnzungen lesenswert. So beispielsweise die, innerhalb derer sich für Coseriu aus dem Bühlcrschen .,Schema ebenso deutlich ergibt (Umst., U.W.), daß dje Saussuresche Gegenüberstellung nicht, wie so of[' angenommen. mit der HumboldtS identisch ist, da letztere zwischen den Phänomenen der Sprache in ihrer Beziehung zum sprechenden Subjeh und denselben Phänomenen außerhalb einer solchen Beziehung, - d.h. 7.wischen Lndividuellem und Außerindividuellem [oder besser, Inrerindividucllcm] -, angesiedelt wird"}7o. Demgegenüber besteht bezüglich dem parole-langue-Schema .,kein Zweifel daran, daß die Saussurescbe Opposition mit der Unterscheidung zwiscben Konkretem und Abstraktem. (oder Materiellem oder FamMlern) identifiziert werden kann" s71 , eine Interpretation, die keines· ~.
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Ebd. Ebd.
Coscriu. Spracht> - SrT/fAwm:1I und Fu"kt;um:n. :1. •.1..0., S. 48. \11 Costriu, Sprachfl _ Strukllfrf'lI ,md FUllkt;oflt:n. a.:I.O.. S. 47.
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6. l-lumboldlS Erlx-n: Chronologie Z.Ulll Aufslil1; eines Allgemeinpl:l.tl.cs
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falls auf Humboldts Diktum Anwendung finden darf. Am sorglosen Einbau des ,Ergons< in den Gedankengang indes läßt sich auch bei CoseOU ablesen. daß die zuvor eingdühne Identifizierung des aristotelischen Fundaments weitgehend ohne Folgen bleibtY2 So organisiert Coseriu das ,Energeia'-Diktum weitgehend funktional in der Hinsicht, die allzu trockene und strukturalistisch reduzierte Saussure·lnterprctation geistesgeschichtlich zu legitimieren und mit einem subjektivititstheorelischen (Sprachschöpfungs- )Anstrich auszustaffieren. Die Abgrenzungen des Humboldrschen und des Saussureschcn Ansatzcs sind in mancher Hinsicht überzeugend und in vielfacher Hinsicht imclligcnt, lassen Humboldt durch die Omnipräsenz des strukturalistischen Saussure-Klischees jedoch zu häufig als das zurück. als das Petersen ihn bei Coseriu (mit gleichwohl positivem Untenon) demaskicn hat: als ,vorstruktureU', hier problemJos als ,vorslTukturalisrirch< zu durchschauen. Dies öffnet auch das ,Energeia'-Dikrum für allzu freie lnrerpretationsvananten. S73 Trotzdem bleibt Coscrius Sichrweise vorn Wesen der Sprache in vielen. auch neuentdeckten oder wissenschafrsgeschichtlich auf einmal relevant werdende.n Kontexten immer wieder dem HurnboldlSchen Denken verantwortet, was u.a. a.n der Kritik Coserius an der bereits crwähnten Chornskyschen .rulc-governcd creativity' deutlich wird: .. Die sog. ,rule-govcrned creativity', die ,production of new senrences', d.h. die bloße Anwendung der Einz.c1sprache im Sprechen wäre ja in der HumboldlSchen Sprachaufi2.Ssung gar keine Kreativität, keine Sprachen.eugung, keine eigentliche Tätigkeit oder Energeia. Die En.eugungsregeln von Chom$,ky würden daher bei Humboldt gerade zum Erzeugten, nicht zur Erzeugung gehören")]·.
In der Kritik mit Humboldt ist Coseriu oft sicherer als in der Jnterpreta· tion von ihm. Die noch ungenügende Vorführung seiner Interpretation des ,Energeia'-Dikturns wird an dieser Stelle unterbrochen, um sic aus rez.eptionsgeschichtlichcn Gründen später - das bis hierhin Gesagte ergänzend - noch einmal aufzunehmen,
duu ~erius FcsutelJung: ..Ein sch..·erwir-gender Einwmd ergibc skh ;aus der Be· obachTung, daß die Sprache. wennglc:ich Sie wirklich und g~n7 ersichcllch TaugkM ur (.C'nergeia', um mit Humboldl 7.U .spfC"Chen), wls~n~haIdich nur ili Produkc (,ergon', \l'crk) zugingli"h und erforschMr ist, w. sie nur so auch sysremarisch erscoonl· (Costriu. prtUb~ - Str"ku_rm "nJ F"nktumrn. a.;a.0.• S. 21). ~ Vgl. dnu ;luch Coscriu, Spr"cbr - Strllkt"ren "nJ F"nJwonm. ;u..O.• S. 116·117. )1. Costriu, Spracht _ Str"kturcn "nd F"nJwoMn, .u..O.• S. 178.
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V~I.
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Zwt'itcr Teil: Humboldu
Grd~dunis
6.4 Positionen der 70er Jahre Anfang der 70er Jahre ist das ,Energeia'-Dikturn längst zum selbsrvcrsliindlichen Bestandteil der Geschichte der Philosophie als Wissenschaft geworden. Dies schlägt sich U.a. auch darin nieder, daß sich 1972 im Historischen Wörterbuch der Pbilosophie ein Artikel zur Spracbe als Enbgei~7S findet., für den allerdings mit H. Schwarz cin AutOr aus dem Um· feld von Wcisgerber und GippeT gefunden wurde, was sich massiv in dem - als Lc)(ikon-Artikel cigcnrli<:h lur ,Neutralit:it' bzw. Objektivität verpflichteten - Beitrag niederschlägt. Für Schwan. ist das ,Enl'rgcial-Diktum "die für W. v, Humooldts (Herv. aufg., U. W.) Sprachauffassung zentrale (in anderer Form von ihm vielfach vorgetragene) und für die SprachphilQso· phie überaus bedeutsame und folgenreiche Bestimmung des Wesens der Spr.tche"~76. Die Klammer öffnet bereits Tür und Tor für mannigfaltige Komexrierungen in Humboldts Werk und damit auch für zahlreiche Intcrpretationsvariamen. Das Energeia-Diktum wird damit ger.tde in seiner singulären Stellung im Humboldtschen Werk verwässert. Für Schwarz zeigl sich der .. E.-Charakler der Sprache in drei verschiedenen Aspekten: Nämlich erstens darin, daH die Sprache nicht als cin fertiges Gebilde (Ergon), sondern als ein in fortwährendem Wandel begriffenes erscheilllj 7.weitens darin, daß dieser Wandel sich in den einzelnen Sprechakten. in der Rede (,puole') vollzi~hl und zugleich, da eben diese Spr«hakte die einzige reale Erscheinungsform der Sprache sind, sich auch J.ls das Wesen der Sprache selbst darstellt; drittens aber darin. daß dieser Prozeß nicht als bloßer Ablauf, $ondern vielmehr als eine ,Thitigkeit' verstanden werden muß, und zwar als die im einzeln<'n Sprechakt (... )'"m.
Für Schwan. ist d"nn ..ohne Frage" s78 der dritte Aspekt••auf den vor allem L. Weisgerber eindringlich hingewiesen hat, der eigentliche und wichrigsle" S7'I. Was nun folgt, muß nicht im einzelnen wiedergeben werden. Es endet ebenso selbsrverst:tndlich wie zwangsläufig in der Beobachtung. daß "die Sprache ausdrückJich auch als (ein, U.W.) den Sprechakten übergeordnetes Gebilde, und zw:tr aJs ein solches von jeweils nationaler Prägung (also aJs ,Muttersprachc' = .Einzclsprachc') anerkannr"5SO werden muß. s'"' Schw~n.. 11.: E'Jtrgt~. Sp,~cht db. In: Ritt~r, J. und Grunder, K. (Hrsg.): Hmumchn Worurb.. der PhlJowph,t. Bud. O;lrmsudl 1971 (f. S. -192-flH (Bd. 2). sr. SchWUl. EPJtrgtla., prolCbt dIs, u.Q.. S. "92. 117 Schwan. En"gtl4. 'ipr.uht' (CI" .1..1.0., S. -193.
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... Ebd. ),., Ebd. KO Ebd. ~
6, Humboldts Erben: Chronologir ?um Aufstieg dues Allgemeinplatl.u
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Trotz dieser eindeutigen Parteinahme nehmen Schwarz' Ausführungen noch einmal eine überraschende Wendung. Die ..Tradition der a.ristotelisehen Philosophie" S8I , in der der Begriff zu sehen sei, wird ebenso betont wie die Anknüpfungspunkte im aristotelisch-terminologischen Kontext (ELOoc;, tvtEUxEla). Dieser richtig erkannte Zusammenhang wird aber allenfalls in Grundzügen gedeutet. Mjt der Feststellung, daß ,Energeia' so mit der inneren Sprachform zusammenhinge. daß in dieser ..das Sprechen als innere Formkraft" 581 wirke, endet der Beitrag abrupt und läßt den Leser vor allem in der Hinsicht verunsichert zurück, als L. Weisgerber doch gegen eine unmittelbare aristotelische Kontcxtuierung des Diktums Steilung bezog (der diesbezügliche und hier ausführlich besprochene Text von 1954 taucht auch bei Schwarz im Literaturverzeichnis auf), Weisgerher hier jedoch als der zentrale Rezipient gefeiert wird. Die abschließenden Bemerkungen zum aristotelischen Fundament des Diktums sind daher zwar zutreffend und weiterführend (wenn :luch sprachtheoretisch nicht in jeder Hinsicht angemessen gedeutet), insgesamt gelingt es Schwan aber weder. eine in sich geschlossene und als allgemein verbindlich geltende Interpretationsvariante vorzutragen, noch - wäre eben dies nicht möglich - die wissenschaftshistorischen und sprachtheoretischen Brüche durch einen objektiven Forschungsbericht transparent kenntlich zu machen. Die 70er Jahre bringen weitere lnterpretationen hervor, die kaum einen nennenswerte.n Fonschrin in der Humboldt-Exegese anzeigen. So bedeutet 1974 laut M. Gerhardt ..Sprache als Energeia., ein Ausdruck, den Humboldt von Aristotclcs übernahm, (...) nicht nur Spracherzeugung im Sinn alltäglicher Kommunikation, sondern darüber hinaus freie. spontane und kreative Schöpfung des Geistes. die den Erzeugungen von Literatur und Philosophie gleichgesetzt wird"SIJ. Zunehmend wird mit der Internationalisierung der Wissenschaftdiskurses das ,Energeia' -Diktum auch außerhalb des deutschen Sprachraumes untersuchtS8 \ ein Trend, der in den 80er Jahren weiter anhält, U.a. durch die ostcuropäischeslIs und asiatische HumEbd. ~ Ebd. WJ Gerhudt. M.: •Wilhdm \·on Ilumboldl und die modt'm~ Sprachlh(()rir~. In: dies. (ting.): Lmg,.uuJr /lmJ prachphllolOphle. München 1')7•. 5. 11·27. bi~r. S. 18. - Vgl. für den franzosischen Sprachraum vor :alkm Voss,J.: Arulott' ~t L. thront' i""in1q,.r J" t..ngav Jr \t'llhr/m ~'On H"",boJJ1. In: RnJ"r Ph,losopbUlNr tk /.oNf,JAJII, 72. Jg. (197"). S. -482·~8. Und dc.rs.: Riflrxlons s", l'ongl1lr ,IN l.:rngAgr'; t.. l"m,m ar J'inHgblJmt II/ilmbolJlIrn. In: Rt"'",u PltJolOph,q14r Je Lout",,,,, 7-4. Jg. (I976), S. 519-5-048. ses Vgl. P05tov:alo,·a., V.I.:jazyk kalt Jtlaltl'nolt'· op)'t lft,rrprtfAu:i, kom«plCII V. C/ilmboJ'Jfa. f pracht ,tlJ TiitlgJrm Imrrprt:tllrlo"rwTSud, rmn HIf"lbo/Jrsr)un Bt'grlffs./ MO$kau 198.2. ~l
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Zweiter '1l.-i1: Humboldu CcdichtnLs
boldt-Forschung.SS6 In der DDR plakatiert W. Neumann 1976 die marxi· stische Humboldt-Vercinnahmung: ,.Wichtige Grundgedanken -aus dem linguinischen Werk W. Y. HW,IIlOLDTS gehören zum progressiven Erbe der marx.i.nisch-leninistischen Sprachw;sscnSCh20ft. HUMBOLDT versuchte. die Sprache in einem Zunmmenhang mit der gesellschaftlichen Titighit 7.U begreifen und auch sie seihst unter dem Aspekt der T:i1igkcit zu erfassen. Notwendig sah ~ sie dabei im Zusammenhang mil dem überindividucllen, gc c1lschaftlichen Bewußtsein und mit dem realen historischen Lebensprol.cß der Gesellschaft. Auf der Grundlage seines Tätigkeitsbegriffes amizipiertC' er ein dynamisches Sprach modell. Das geschah. in den Jahren zwischen 1820 und 1835 wohlzwangsliufig, auf der Grundlage eines philosophischen Idealismus. Aber im Sinne der emen Feuerbachthese "'on K. MAR..\ (...) gehön er nichtsdeslowenige, zu umen'm ll.corct.isch.:.n &bc.. ~1.
Neumann verfremdet hier den Hintergrund des Humboldtschcn ,Täligkeil'-Begriffes z.weifelsohne bis zur Unkenntlichkeit. indem er dessen sprachtheoretisch-onlologische Argument3tionsebene auf eine soziologisch-historisierende Ebene z.wingt und damit die vermutete Gegenständlichkeit des gesellschaftlichen Subjekts als Kristallis3tionspunkt von Humboldts Sprachreflexion unterstellt. Nicht voll und ganz abwegig wie derartige Spekulationsarbeit ist jedoch Neumanns breit durchgeführte Kritik an Chomskys Humboldt-Adaption. Hier merkt er zu Recht an, daß "die Begriffe ,generieren' bei CHOMSKY und ,erzeugen' bei HUMtsOLDT nur auf Grund eines gemeinsamen, gleichsam umgangssprachlichen Merkmals, des Hervorbringens. interferieren (Umst.. U.W.)"';h. Und in der Tat haben djese theoretisch nichts gemein. Trotz einer insgesamt glaubhaft durchgeführten Chomsky-Kritik iSl jedoch der Ansatz Neumanns mit Skepsis zu betrachten, vor allem dann, wenn er feststdlt. daß die Sprache bei Humboldt nicht nur ..als Bestandteil menschlicher. gesellschaftlicher Tätigkeit begriffen";89 wird, sondern daß in dessen ,Werkzeug'-Begriff "der Ergon-Aspekt aufklingt (Umst.. U.W.), der das Werk ~
Vgl. Kojima., K.: Enrrgrta con"" ('rg01l - sIma no krlJIt 110 naz:o In: Cnergtlll (TokJo: AUlh, hllpplln). 9. jg. (1983), S. 12-18. - Ho. 5.: Dt'r Hrgn/! E"rrgrl.:t In fJ,.mbCllJu Sprllchlntr"chtltng. [1111/ lcomJnuch} In: Horng"!. jg.1985. S. 181-199. - Kun. R.·Il.: Du' fflt''it'tucht' Sprachlllt!fllSi,."g fxm W,l}'dm wrJ fblnJbolJI~ In: !-Iuh. &1 (Ilr:sg.~ prllchmhalts/onchltll8' Sroul 1989. $.ZS7-}05. ~.. NrumJ.nn. W.: .Obc:r D 'mimik und St,nik in dt:r burgrrlichu Sprao:hthd)nc des 19. ja.hrhundtns. EiM KomroVtfU in du t-Iumboldl-Rncptiun". In: ZClIsdm/r fiiT Phonrtlk. Spr4chu.'lss
6. l-IumuOldts Erben: Chronologie zum Aufstieg eines Allgemeinplatzes
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als Werkzeug. das Produkt als M.i[[cl"~90 beschreibe. In dieser Sichrweise muß Neumann somit auch eine - Humboldts Inrenrenrion offensichdich widersprechende - Ergon-Deutung anführen, die dessen vermeintlicbe Materialität für eine dialektische Deucungsvariamc des ,Energeia'-Dikturns nutzt: .Durch den Primat des Tatigkeitsaspekts, durch die Reflexion der Dialektik zwischen der Tatigkeit und ihrem Ergebnis als dynamischem Mittel für neue Tätigkeit, durch die Verbindung sowohl des Dyrumischen als auch des re:lath' SubiJcn, dtr En~rgeia und des Ergon (Herv., V.W.), mit der in der Geschichte tätigen Gesellschaft weiSt er über die statischen Prinz.ipien des Strukturalismus ebenso hin;l;us wie über die uomistischen. individualpsycbologische.n Züge: in den sprach historischen und -theoretischen Arbeiten der Junggnmmatiker· S91 •
Sind die abschließenden wissenschaftshistorischen Beobachtungen zwar durchaus angebracht, finden diese jedoch keine quaJifizicrtc Fundierung in einer eingehenden und sachadäquatcn Darstellung aristotcJisch-humboldrscher Theoriearbeit. Mit A. Reckermann wird 1979 zum Abscbluß der 70er Jahre noch einmaJ eine sehr interessante lnterpretation des ,Energeia'-Diktums geliefert, die sowohl durch ihre Klarheit wie durch ihre unumwundene aristotelische Kontcxtuierung besticht. Reckermann konstatiert in seiner Studie Sprache und Metaphysik, die die Kritik der sprachlichen Vernunft bei Herder und HumboldtJ '11 untersucht, sowohl interpretierend aJs auch den ~
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Ebd.
rumann. ~Obcr Dynamik und Statik". a.a.O.• S. 502. ,.: R«krrnunn, A,; Sprllche und MttaphJ'$ik. Zur Kn'l,k an' spracMchrn Vrnumfi bei H~r drr und Humboidl. Münchrn 1979. - Ebenhlls 1979 rrwihnl U. Schmitz. in seinem Bt'itng .Dir Umsch:.afrung drr Weh in d,u Eigrntum des GeiSlr$. Zur Aktu.l.litit Hurnboldt$-. In: Geier. M. (Hrsg.): Sprarhbe--wHflIJrin. Elf UnunJlrhungm zum Zusammrnha"g von Sprar},wlJrenseJJtJ/1 ,mtl kullurhistan"uhrr PtycholQglr. Stuugart 1979. S. 49-70. das ,Energeia'-Dilnum beil:iufig und vrrknüpft mit der unnötigen und unrichtigen Be· hauptung bt'grifllicher Unsch3rfc. Humboldt-S, j~oc.h immerhin mit Problc.mbewußtsein im Hinblick auf den ,T.itigkeiu'-ßrgriff; ~Gegellüber dem Systemcharakter der Sprache: (Ergon) hebt Humboldt besonden dir tätige Sc-ile bt-im Spr«hen (Energei2) he"'or (...l. wu ihn sehr selurl$innige Probleme formulie:rcn 13ßt. die heute unter drr Vorht'rncha(, 5truktur:tlistischer Auffusungen und Methoden in der linguiStik oft außer acht gt'bsscn wt'rdt'n. Ande:rtrSt'iu f~t rr den TItigkcitsbcgriff :.aussc.hlidllic.h idt'2Jistisch; .stets geht es nur um die als 2utOllonl unterstellt(' Titigkcit des mrruchlichen Geistd. Der Umersut'hungsgegrnstand will sich dc.m abl:r oft nicht füge:~ wir I~n es an der begrifflichen Un~ scltirfe ab. an der Humboktts Eränerungrn oft leKlen" (5. 54-55). Schmirz.. eigentlich .auf dt'r (mißglückten) Suche nach einrr ITUleri.alini.schc:n Bcdnnung:smKlrlt'. geht - wie sich hier schon aodnat't - mit e:inon ebenso bIschen wie: Gbllchen ,Idealismus' -Br.griff kol'lK~ quc.nl in dir Irre. Seine o~rfIichlic.tK- und von de:r Tatgrondlage her iußc.rsl dürftigt'
Zweiter Teil: HumbolJts Gedichtnis
286
Terminus f.VCQYfLU ebenso einfach wie treffend übersetzend, daß ..nach Humboldt (...) die Sprache eine vollkommen organische Wirklichkeit" 59} sei. Eben diese Sprache erscheine ..in dieser Bestimmung bei Humboldl als eine nur sich selbst verpflichtete dynamische Potenz (...), die aus sich heraus eine ihr entsprechende Wirklichkeit begründe["S9~. Hier deutet sich bereits an, daß Reckermann den ontologischen Charakter des Dik· turns wie kaum jemand vor ihm (vielleicht noch der frühe Steinthai) rieh· tig gesehen h:H. Seine zu unentschiedene Wertung...die Sprache (sei, V.W.) nicht in erster Linie (Hcrv" U.W.) als ,Ergon', sondern als ,Energeia' zu vcrsteheo"S95, ändert erSlaunlicherwcise kaum etwas an seiner weiteren Argumentation. Dem omologischen Gehalt des Dlktums systematisch schon ganz besonders nahe formulien cr: ..,Energeia' meint in der ;uistotclischen Me.13physik die in sich vollkommene Wirklichkeit e.ines intdligiblen flrinzips. das nichts mehr lediglich der Möglichkeit nach (buv6.~ln) in sich enthilt. sondern bereits ohne Einschränkung .auf sein Strukturprinzip (dhoc;) hin entfaltet ist. Humboldt hingegen versteht unter di em Begriff eine uneingeschränkte. unendlich stcigcrbare dynamische Wirklichkeit. Ihr Stt'ht nicht die Möglichkeit als etwas in ihr nur latent Vorh:mdcnes entgegcn, sondern sic ist selber die höchst{· aktivisch verstandene .dynamis· im Sinne einer selbständigen Wirk\lngsmöglichkcit"~'I6.
Nicht nur Humboldts VerStändnis ist hier zum großen Teil schon richtig gesehen, auch nennt die Aristorelcs-Lmerpretation einen wichtigen systematischen Aspekt des ivtQYElCl.-Begriffs. Lediglich der doppelt(' Charakter der Evn:J...iXElo bleibt hier unberücksichtigt (s. Kap. 9) und nur deswegen konstruiert Reckermann an dieser StelJe einen Gegensatz zwischen Aris[Qtcles und Humboldt, der faktisch nicht besteht. Dies mindert aber kaum den Wert dieser liefen und das aristotelische Fundament in se.iner theoretischen Schärfe vollkommen richtig deutenden Ausführungcn. s97 So hat sich Reckermann auch eine der wenigen weitgehend Humboldl·E.~<.'I>CS"~ l:ii~l ihn schließlich gbubc,), daß Humboldu Denken ~hillte.. dem Spi~c.1 def Symbole: bltibl (Unm..
U.W.t (S. 51). Dies iSI sowohl erkt't1IlInis· wie sprachm<''Qretisch''r Unsmn und offenb:ln :eusnzlkh ('int' Fehlimerprwllion des (humboldt-
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seh(·o) ,Symbol' ·Sq;riffs. - MArkanter über Schmirz' Bt':mühungen uneih So:harf. Vrrfilbrm. ,1.:1.0., S. 166-167. Rtckernunn. Sprilclu Ifnd Mt'taphysilt. u.O.. S. 91. Ebd.
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Dies iSI um.1oO t':rsaunlicht':t",,1!l dlc diesbezüglicht' Anm. 11. die mil Heime!. Wt'isger~t. Gippu. josl u.a. den Fonchungshimergrund diC"SC:r Dcutung zu p~mieren vorgibt. di~ gar niehl \'crmulen li6t. R~kr:rmann bespricht alle diese POSllionen wcilgehend positi\', bietet 3ber selbst Deutungen. die nur M:hr ~ehwer oder nur leilwelse mil dirsen in Ein-
6. Humboldu Erhcn: Chronologie zum Aufstieg eines AlIgcmeinplatzes
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gelungenen Adjektivicrungen des ,Energeia' .Begriffs geleistet, die in dem von ihm zur Verfügung gestellten Kontext auch richtig gelesen werde.n kann: ..Ziel ihrer (der Sprache, U.W.) unendlichen energetischen Bewegung ist ausschließlich ihre SclbsrverwirkJichung"S91t. Bei Reckermann deutet sich bereits an, welch fundamentale Konsequenzen es hat, interpretiert man das ,Energeia'-Oiktum in aristotelisch-ontologischer Hinsicht. So kann beispielsweise ..Sprache nicht als cin Gegenstand unter anderen betrachtet werden, sondern stellt ein Wirklichkeit aus sich selber in Freiheit konstituierendes Prinzip dar (...): Sprache ist deshalb Paradigma einer jeden subjektiven Wirklichkcitserfah· rung, weil in ihr die der Wirklichkeit selber zugrundeliegende Einheit von Narur und Vernunft wirksam ist. bevor sie in das Bewußtsein triu. (...) Spr:tehe ist nicht nur die schon vollzogene Vermittlung von Natur und Subjektivität, sondern stellt sie als produkt'ives Prinzip in immer ncuc.r Weise her"~99.
Auch wenn der Zusammenhang von Sprache und Bewußtsein in der hier vorgenommenen Reihung unscharf ist, wird die Einheit von Natur und Vernunft und der Bedingungszusammenhang von Wirklichkeit und Freiheit doch richtig gesehen. Aus dieser ontologischen Bestimmung heraus sind für Reckermann dann auch mcthodologische Konsequenzen aoge· zeigt: .. Die fundamental philosophische Funktion der Sprache ist deshalb unter zwej Aspekten zu erläutern: demjenigen ihres besonderen ontologi· sehen Status und demjenigen ihrer besonderen produktiven Potenz"600. Ohne Reckcrmanns Anrworten an dieser Stelle darstellen zu können, muß angemerkt werden, daß mit diesen Aspekten in der Tal zwei wesentliche sprachthcorecische AufgabensteIlungen - auch für die Folgezeit formuliert sind.
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ktmg zu bri.ngen sind_ Dies solll'~ nicht nur 1.1$ ZufJ.H oder gar allein als Unsdllirfe der Argument":1tion Reckerm;mns gesehen werden. Ganz oHcnsichdich hat du eine (,Foriichungscrgcbnissc') nli, dem andercn (.Intcrpret.l.lion deS Diktums') immer weniger zu tUn. Nicht nur die Rezeption kbJft zusehends auseimUlder, 1.uch die Ucwenungcn und die daraus abgclciwen KonsequenZ<1l für die lntcrpretJtil)n (vgl. Reckcrm:lIln, Spracht. und Metaphysik, :1.:1.0.• S. 152-153. Anm. 11). R«kcrmann. SprMhi! .md Mi!laphysik. ;1.:1.0., S. 92.
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Zweiter Teil: J-I umbold15 Gcdäc.hmi$
6.5 Positionen der 80er Jahre Man kann die letzten 20 Jahre der Rezcplion des 1Energeia'-Dikrums einerseits wie eine Perpcruie.rung des bis dahin Erarbeiteten lesen. Es gibt andererseits auch immer wieder Positionen, denen es gelingt, sich systematisch nachhaltig von der bisherigen Forschungslage und Verwendungsstrategie substantiell abzuheben. Beides, RezeptionstradieruDg und Rezeptionsmodernisierung. mögen wie die zunehmende Verbindungslosigkeit. die zwischen diesen Tendenzen besteht, mit dem stark auf Differenzierung angelegten Wisscnschaftshctricb vor allem der 80er Jahre zusammenh~ngen, denn das ,Encrgcia'-Diktum ist teils weiterhin der bekannte Allgemeinplatz. (hier wird das Geläufige perperuien), teils untersucht man es genauer, die Beschäftigung wird zu.r hochspezia.lisiene.ll Forschuogsaufgabc, die differenzierte Detailkenntnisse erfordert. Erfahrungsgemäß leiden mit der zunehmenden Disparität der institutionellen Entwicklungen und inhaltlichen Fragestellungen vor allem diejenigen Wisscnscbaftsfclder, die \'on ihrem Gegenstand her notwendig einer ganzheitl.ichc.n Betrachtungsweise besonders bedürfen. Um so interessanter ist es, daß ab 1980 einige - Humboldt verstehende und manchmal Humboldt verstehend überschreitende - Positionen zum ,Energeia'-Dikrum erscheinen, die die auch zunehmend in der Forschungslandschaft verbreitete Einschätzung, eigentlich sei schon alles gesagt, nur noch nicht in jeder Hinsicht in Gebrauch genommen, richtungweisend korrigieren können. A. Flimers und K. Giels Humboldt·Deutung von 1981, nach der dessen Bemerkung in der Einleitung zu AeschylQ$ Agamemnon, daß .,die Entstehung eines WOrtS (...) der Entstehung einer idealen Gestah in der u Phantasie des Künsrlers (VII! 129) gleiche und heide "nicht von etwas Wirklichem entnommen" (Vlll 129-130) werden könnten, weil sie "durch eine reine Energie des Geistes, und im eigentlichsten Verstande aus: dem NichtS" (VUI 130) entstünden, .,eine Zuspitzung des Energeia-Gedankens"&ol darstellt, bleibt trOtz Humboldts weiterführender Bemerkung, daß die Wortentstehung "von (eben, V.W.) diesem Augenblick an aber ins Leben eintritt (Umst., V.W.), und nun wirklich (Herv., V.W.) und bleibend" (VIJl UO) in, wie der (problematischen) ,Energie'-Parallele eher philologische Randnotiz als ausgeführte Interpretationsvariante. Am eigentlichen Auftakt dieser - Enrwicklungslinien gleichermaßen tradierenden wie weiterfi.i.h,rendcn - Rezeptionsphase der 80er (und dann 60t
Flitner, A. und Gid, K.: .Kommenlare und Anmerkungen ,Zu den kleinen -spr:lc-hphiloSOphi.schCD Schriften'·, In: Humboldt, W. v.: \.1"rrkt in fünf Bimdt'Tl. Hrsg. von A. FJulIn 'md K. Cu·L Darmsr:adl 1980-93. Bd. V. . 632·650, hier. S. 650.
6. J-1umboldu Erben: Chronologic zum Aufstieg eines
Mlgcm('inpht2t:~
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90er) Jahre steht vielmehr ein besonders krasses Beispiel für eine vollkommene Fehlinterpretation, die einzig und allein durch den Charme besticht, ihren dubiosen Charakter auch noch u.numwunden oHenzulegen. A. Sakaguchi hat in dem 1984 erschienenen Aufsatz SprachwissenschafL lind lnterlinguistik602 die Bemerkungen zum Humboldt'schen Doppe/begriff 'Von ,Ergon' und ,Energeia' ausgerechnet mit der vo.llkommen .unhumboldtischen' Beobachtung einsetzen lassen, daß individuelle und universale Sprachbetrachtung auch prinzipiell zu trennen seien: .. Unter einer individllellen Sprachbetracbtllng fasse ich diejenigen Bemühungen in der Sprachforschung zusammen, die ihr Augenmerk dem Individuellen und dem Besonderen in den menschlichen Sprachen widmen. Im Gegensatz dazu steht eine universa,le Sprach betrachtung, die sich aufs Allgemeine. Universale in einer Sprache konzenrrien"60J, Ln der zuletzt genannten Perspektive ist Sakaguchi auf der Suche nach ",verschiedenen Sprachsystel11en"6O\ die aJs geplante Sprache bezeichnet werden können (u.a. wird Esperanto als gelungenes und lebensfähiges Beispiel einer kreierten Sprache angefühnb03 ). Nun nimmt der Gedankengang eine unverhoffte Wendung. Ansrau. am eigenen Projekt 7.U zweifeln - und dabei Humboldt wohl sicher an der Seite wissen könnend: "Alle diese Verschiedenheiten in Einer allgemeinen Sprache vereinigen, und auf diese Weise alle zerstreuten Vorzüge verbinden zu wollen, würde ein du.rchaus chimärisches Unternehmen seyn. Eine solche allgemeine Sprache würde widersprechend in sich, wenn sie alle distinctiven Charaktere der einzelnen aufnehmen, leer, wenn sie dieselben gegen einander ausgleichen wollte [Versuch einer Analyse der Mexikanischen Spracbe, rv 2421-, merkt Sakaguchi an: "Im folgenden wird zu erläutern versucht. warum die Humboldt'sche Definition der Sprache für die geplanten Sprachen nicht ausreichend ist. Weiterhin werden einige in.haltliche Gesichtspunkte zum Humboldt'schen Doppe1begriff von ,Ergon' und ,Energeia' angeführt, wobei Sprache in dem vorlic..-genden Beitrag unter dem Gesichtspunkt ,eitler menschlichen Wirksamkeir' betrachtet wird" 606•
Leider wird aber auch der zuletzt genannten .Wirksamkeits~-Offcrte nicht weiter nachgegangen, womit eigentlich - dies ist aus dem bisher zu d.en S:ak:aguchi, A.: .,Spr:achwissenschafl und Intt:rlinguistik, Einige Bemerkungen zum Hwuhuldt '$ehen DoppdbegriH von .Ergon' und ,Ent'rgei~'· In: Krenn, H. u.". (H rsg.): Sprache und Gescll$cba!l, Akten des /8. LmgulSMclufI KolloqHiHmJ I.mz /98). Tubingcn 198~. S.226-237. ..:J S:Jkagu~hi, .. SprachwiS5en~ch:JfL und lntcrlinguistik~, .1,:1. .,5.126. ..,.. S:ak~guchi ...Spraehwissensch'all und Interlinguistik", :1... ,0" S. llS. iIi» Vgl. S.1ki1guchi, ..sprachwisst'n5chaft und Imcrlinguistik", .:u.Q., S. 228-219. ..:. SJkaguchi. SprachwissclIsch:aft und Interlinguistlk~, "..1.0., S. 119.
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ZWl::ilCr Teil: HumboldlS Gcdädurlis
einzelnen Positionen Erörterten offensichtlich - nichts als systematische Probleme übrig bleiben. die sich bereits in der verwendeten BegriFnichkeil deutlich zeigen (,Definition', ,Doppel begriff' ere.). In dieser Richtung geht Sakaguchi weiler. Sich für die Untersuchung der bereits kommun ikationsrealisierten geplamen Sprache ...gerne der energetischen Auffassung der Sprache W v. Humboldts (Herv. aurg.• U.W.)"'b07 anschließend, wird zunächst Weisgerbers Interpretation, ..die Sprache existiere nur als Sprechen, im Sprechakt (UmsL, U.W.)'" erwähnt und dann konstatiert: "Unter einem ,Ergon' ist hier ein Wuk. daliegender Stoff: eine Grammatik und ein Lexikon, ab vom Rcdcprozcß (Parole) Unabhängigrs gemeint. ,Energeia' dagegen ist linguistisch als Prozeß und Erzeugung zu verstehc:n. Diese
Scheidung des Sprachvermögens cmsprichl somit den Saussurc'schen Begriffcn von umgage, Langue und Parole. Da aber geplante Sprachc in ersler linie ,Ergon' und weniger ,Energeia' sind, ist dil' Annahme Weisgerbers: die Daseinsform der Sprache sei mchl ,Ergon'; (... ) aus der Sicht der Imcrlingui· stik nicht hahbar".;o.t. Abgesehen davon, daß Weisgerbers Position - wie ich gezeigt habe - wesentlich differenzierter zu sehen ist, als Sakaguchi sie hier aufführt, raucht wie selbstverständlich die bereitS widerlegH\ sprachthcorcüsch und philosophisch groteske Parallclisierung der Saussuresehen Trichotomie mit dem ,Energeia'-Diktum auf. Aber selbst damit wird sich hier noch nicht zufrieden gegeben. dem Falschen folgt unversehens das Absurde: .. Demnac.h kann man die Sprache' aber auch nur ",15 ,Ergon' gemäß der hier vorgescbJagenen Annahme bctr.achten: Sprache ist ein ZeichensYSlem. wel· ches eine Gram',U11,k und ein Lexikon. d.h. das l3ngue-Systcm, besitzt: (,.,) So vrrst:mdrn ist Spntche auch als ,Ergon' real und wirklich: Sprache ist nicht nur ,Encrgei:a' und ,Ergon' (... ), sondern sie kann auch nur als .Ergon' legitim srin"6O'1.
Solche ,Interpretalionsarbeir' muß jeden - an Humboldt zumindest weitläufig - Interessierten schon mehr ratlos als nur ablehnend zurücklassen. Die bereits unrichtige doppelte Interpretation von ,Energeia' und ,Ergon' wird noch einmal erneut ins Groteske gewendet, indem das ,Ergon' als Fundamenr geplanter Sprache (eine nach Humboldt ohnehin unsinnige Konstruktion) ausgebaut wird., um die Behauptung positivistischer Sprachset2ung zu legitimieren. War jemals in der Rezeptionsgeschichte des .Energeia'-Diktums die notwendig sehr vorsichrig zu verwendende S;abguchi• .spr~h...is)Cflsch;af( und Interlinguislik", ;I.Jo.O., S. lJO. .,;; S;aka~hi, .sprachwu;scnsch.lfl uod lou~rlmgul$uk". a.LO" . 2»-23). "" ,S;a.Uguchi. "Spnchwl~nsdu(1 und Int~rhnguislik", u.O., . LlI-Lll. ~
6. HumbolUls Erben: Chronologie z.u0l Aufslieg eines AlIgemcinp1.lt7.cs
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und überhaupt nur in Einzelfällen sta[thaftc Qualifiz.ierung einer Position als ,absurd' wirklich angemessen, dann für diesen Ansatz einer komplerten Verdrehung aller auch nur halbwegs wichtigen und erkennbaren Ansichten der Wesens-Problematik der Sprache, Nur der eingangs herausgestellte Charme der Selbsterkenntnis mildert diesen in jeder Hinsicht paradoxen Fehlgriff. Sakaguchi konstatien im Hinblick auf O. ]espersen, dessen Position nun Gegenstand der Betrachtung ist: Er Gespersen) hebt ..die Bedeutung einer ,energetischen' Betrachtungsweise hervor, die nicht nur in der theoretischen Sprachforschung, sondern auch in dem ,prakti~ sehen Sprachleben' von großem Nutzen sein kann. Unter Energetik der Sprache versteht Jespersen etwas ganz anderes als Humboldt"l"lo. Anlaß genug. nun in der Chronologie fortzufahren, nicht ohne die Bemerkung jedoch, daß Humboldt unter vorschnellen Plakatierungen wie ,Energetik der Sprache' überhaupt nichts verstanden hat und wohl auch nichts verstehen wollte. Tn dem 1985 von G. Stötzcl herausgegebenen Sammelband Germanistik, in dem auf breiter Basis Forschungsstand und Perspektiven des Fa~ ches entwickelt werden, nimmt sich W. Nolting in seinem Beitrag Zum Universa/itätsampruch der Imerpretat.ion 611 auch des ,Energeia'-Diktums an und liefen damit ein gutes Beispiel dafür, welches Assoziationspotemial das Dikrum auch für eine vornehmlich literaturrneoretische Diskussion entfalten kann, Nolting geht zunächst auf die gleichermaßen hermeneutische wie hermeneutik-kritische Position M. Franks ein, bei dem ..wir uns mit dem Antagonismus eines reflexionstheoretischen monopolisierten Subjekts auf der einen und der Preisgabe eines hermeneutischen Subjekts an das anonyme Deutungsgesche,hen signifikamer Strukturen auf der anderen Seite konfrontiert"612 sehen. Der nun dargebotene Gedankengang macht den Kontext "der literarischen Empfindung"61J deutlich~ in dem Nolting das ,Encrgeial-Diktum nutzen will: ..Trivialerweise, so meine ich, ist das Franksche Dilemma Kennzeichen des hennenelItischen Prozesses überhaupt. Dieser ist ebenso unregulierbar wie der literaturgeschichtljche Verlauf, aber beide sind nicht ein beliebiges Geschehen. Unter der hermeneutischen Gemeinschaft ist ja nie eine Gruppe von Theoretikern zu verstehen, sondern immer schon eine arbeitsteilige I,Jferpretaliomgemeinschaft über die Generationen hinweg, - und das ist ein durch•• 0
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61: • IJ
Sakaguchi, ~Sprachwissen$dafl und Inlcrlinguislik". 2.",.0.,5.2)4. Nohing, W.: .Zum Univers31il:iuan$pru~hdcr 100erprel:Hlon. Am Beispiel der lill:I'".lrisehcn Empfindung". In: Stö17.el, G. (Hrsg.): G6mllmisr.ik - FONchungm,'md und Pl',tp~k tlum. BJ, 11. ßerlin. New York 1985. S. '*57..... 77. Nolting•• Zum Univcrsalititsanspruch", a.a. ., S. 468. Nohing, .Zum Univers.:llitau"nsprueh", :10.;1,.0.• S. '$57.
Zweiter Teil: HUlllboldts Gedichmis
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aus methodischen Überlegungen zugänglicher Begriff. So scheint mir das Geheimnis des Gegensatzes \Ion hemll~nCutischcm Subjekt und seiner Preisgabe
ICIZ.dich auf die undurchschaute interpretatorische Praxis zurückzuführen z.u sein. die gerade durch ArbcilStciligkcit definicn ist. Und das heißt für den einzelnen Interpreten: Er nimmt an einem historischen Intcrprct2tionsprozcß teil, für den er genauso wesentlich ist wie das Bestehen dieses hermeneutischen Prozesses für ihn als Intcrprctcn"l>l~.
Nun nimmt Nolring eine Verknüpfung seines Arguments mit der sprachtheoretischen Perspektive vor, und zwar in der Form, daß .,auf der Seite
des Gegenstandes (...) deshalb eine unerschöpfliche Differenz zwischen Zeichen und Bedeutung, oder wie hier besser zu sagen ist, zwischen Sprache und Empfindung zu \Iermuten"bU ist. Ln diesem Sinne ließe sich ,,\Ion einer Henneneucik der Differenz sprechcn"(d6, Nolting steHt sich dann die Frage, wie diese hermeneutische Differenz beschaffen ist und ob oder wie sie überwunden werden ka.nn. Hier kommt nun - systematisch ebenso fremd und überraschend aber dennoch gedanklich aufschlußreich - das ,Energcia'-Diktum - wieder einmaJ in seiner _Form als .Ergon'-Dikt"umions Spiel. Nolting schreibt: ~Doch
wird der Gegcnst.1nd, sonst w~re er keiner, -als eine (:lsthc[iscb~meta phorische) Ganzheit rezipierl. Diese Sclbstidcmit3t des literarischen Textes ist ebenfalls Gegenstand des !merpreten; sie erbiilt sich im hcrmcncUlischl'n Prozeß - und ist ja gerade das Kriterium für divergierende Interprc13tionen. Da diese Identität aufgrund der Differenz für den Interpreten nie erreichbar ist (...), ergibt sich eine Gcst:hichtc des Werks, das nun hinsichtlich der im ergon auJbcwahrtcn energeia (...) in den Blickwinkel einer f!1lt:rgetiscbe" ÄJtlJetik geraten könnte"I.t1.
Der weitere Gedankengang wie die unbeholfene Adjekrivicl'"ung im Zusammenhang mit einem dem Gehalt des DiktUllls vcrantwortetcn Ästhetik-Begiff seien hier einmal ausgeklammen. Inrcressant ist vor allem Noltings Versuch, in einer Kardinal-Frage deI'" Hcmeneutik} nämlich in der Ret'tung des Geg'enstandes des verstehenden Subjektes, den ,ergon'-Terminus nicht nur zu Rate zu ziehen, sondern ihn durch den ,energeia'-Bcgriff gleichsam zu ,dynamisieren' und damit anrhropologisch, erkenntnistheoretisch und in mancher Hinsicht auch ontologisch auJzuwerten. Mit dieser ,Dynamisierung' behält dieser als ,ergon' verstandene Gegenstand gleichwohl seine notwendig ganzheitlich verstandene Selbstidentirär, die
...."
M' Nolting, _Zum Uni\>r~litil.ianspruch", a.a.O., 5. -469. ohing, .. Zum Uniycrsalitits;lI\.spmch", a.a.O., 5. -4(,8. olLing. RZunl Uni'·rrnlilitsanspruch". u.O.• S. -469·470.
611
Nolting.• :turn
Uni\"us:llllatSilnspruch". ;I.J.O., S. 470.
6. I-Iumboldl.s Erhen: Chronologie zum Aufslieg eines Allgcmcinplatzes
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sich als grundständig geschichtlich versteht und im hermeneutischen Prozeß des Subjekts konstituiert wird. Statt des Humboldtscheo Ausschlusses des ,Ergon' wird dieser Begriff hier als Gegenstandsbestimmung bis zu einem gewissen Grade mit dem theoretische.n Gehall der ,Energeia' ausbzw. aufgefüllt. Es wird im folgenden. dritten Teil noch zu klären sein, ob der eigenLliehe Imegrationsansatz nicht gerade in der umgekehrten Richmng bestehen muß. Noltings Kunstgriff kann daher auch nicht als gelungene Humboldt-Interpretation im engeren Sinne verstande.n werd.en, z.umal sich ja auch der Anwendungsbereich des Diktums deutlich verschiebt. Grundsätzlich jedoch ist Noltings Interpretationsversuch dem Humboldtschen Gedankengang in der ontologischen Struktur demlieh näher als es zunächst den Anschein hat. Auf seine ursprüngliche Fragestellung reku.rrierend konstatiert er daher1 Humboldt wiederum intelligent im doppelcjm Sinne hinter sich lassend: ..Man kann durchaus im Anschluß an Humboldl Empfindung die energeia des Sprcchens und das Sprechen die energeia des Empfindens nennen"618. Gleichermaßen auf die Verstehensproblematik - in Stil. Erkennmisintcresse und der Zuordnung in wissenschaftsdisziplinärer Hinsicht jedoch fundamental anders als Nolting - ist die Aufmerksamkeit K. MuellerVollmers in seinem cin Jahr zuvor erschienenen Beitrag Von der Durchdringbarkeit des wirkungsgeschichllichw Bewußtseins gerichtet, in dessen Rahmen CI Gadamer, Hegel und die Hermeneutik \Y,Iilhelm 'Von Humboldt"" in Vergleichu.ng bringt. Damit ist die Perspektive angezeigt, unter der das .Energeia'-Oiktum hier gesehen wird. Es geht darum l "den humboldrschen Vcrstehensbegriff und se.ine Beziehung zu Sprache und Sprachlichkeit"620 z.u zeigen. Für eine dementsprechende Analyse sind laul MuelJer-Vollmer ..vom heuristischcn Standpunkt (...) zunächst einmal zwei theoretische Ebenen zu unterscheiden, dic jedoch in wechselseitiger '11 Nolting, ..Zum UnivcrsalilitsaJUpruch", a.a.O., $. 470. Anm. 37. - Elltr am Rande findet
sich be'i G. Husler 1"'85 t"in~ gleichwohl mehrfach probl('matisch(' ßemerkung zum ,Energeia'-Diklum: .. Dt:r von HUM/l.OLOT $C'1bst empfundene Widerspruch (?, u. W.) 7.wi· Sl:hen dem Bemühen. das Wesen der Spr.ache als organisches Ganzes 'Zu erfassen, und der Notwendigkeit. das unmittelbar Sichlbare an einer Sprache zu untersuchcll, wird teilwd· se durch die Dialektik (?, V.W.) der Sprache ah Energeia und als Ergon überlagert (?, U.w.t (Huster. G.: ..Zur Auffusung der Spracht" als eines organischen GanUn bei Wilhdm von Humboldt und ihren Umdeutungen im 19. Jahrhundert". In: Zeitschrift fiir PhoIJuik. SprlJcbwisfnucha/t und Kommlmikarionsforsdlung, 38. Jg. (1"'85), S. 5&4-575. bier: S. 566, M" Muelll.r- Vollmer, K.: •Von der Durchdringbarkc:it des wirkungsgc:schichtlichen 8ewußISC'-ins: Gadamer. Hegel und die Hc:rmeneutik Wilhdm von Humboldu·. In; Strrka, J. P. (H rsg.): Lit"~ry 711t.Ory IJnJ Criticism. h R. Wt/Jet. Bern 1984. S. <47S-497. u:. Mueller- Vollmer••Von der Durchdringbarkcil-. u.O., S. 490.
Zweiter Teil: l-IumbolJ[s GtOdichtnis
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Beziehung zueinander gesehen werden"'611 müssen, und zwar einerseits die Ebene einer ..Theorie des sprachlichen Versrehens innerhalb einer gegebenen Sprache oder irgendeiner Sprache übcrhaupt"'6U und andererseits eine Ebene, die ,.die Theorie des anderssprachlichen Verstehens um-
faßt""''Mueller-Vollmer gellt nun der ersten Thconcebene nach und trifft dabei fast beiläufig auf das ,Energcia'-Dikrum. Zunächst dient ihm das langueparole-Muster für ei.ne diese Ebene in sprachrncorerischer Hinsicht weiter differenzierende Problcmatisierungsklammer, die entsprechende Gemeinsamkeiten bei Humboldl, Schleicrmachcr und (natürlich) Saussure aufsuchen kann: .. Auf der ersten Ebene teilt Humboldt mit Schleiermacher grundlegende Ansichten und Unterscheidungen, wonach man (ähnlich wie später bei de Saussure) zwischen Sprache als System, (langue) und als Rede, (parole) differenzieren muß"62~. Damit allein ist jedoch das Problem Sprache auf dieser Ebene nicht ausreichend erfaßt, geschweige denn perspektivisch ausreichend systematisiert, und nun ist es allein Humboldt, der Weiterführendes zu bieten hat: ..Darüberhinaus fühn Humboldt noch die weitere Unterscheidung von Sprache :tls Proz.eß, E"erge~, und als Gebilde. Ergon, ein, die d:lS Begr:iffspaar Sprache und Rede noch einmal durchschneidet, da man heide sowohl als Proz.eß als :luch als Objekt oder Gebilde auffassen kann. Sprache ist nur als Prozeß in der Rede des jeweilig Redenden, ist dieser aber IranS7.t'nrlem, und nimml in der ,Verfahrensweise' des sich in der Rede Äußernden Gestalt an"blS
Zweifelsohne ist die Interpretation Muellcr-Vollmers nicht nur in ihrem sprnchthcoretischen Kern zutreffend, sondern in ihrer Verfahrensweise eine der listigsten Auslegungen der Rezeprionsgeschichte überhaupt. Zu.nächst zum Diktum selbst: Auch bei Mueller-Vollmer kommentieren die griechischen Begriffe die deutschen und nicht umgekehrt. Er hält jedoch die Ergon~Variantc der Sprache nicht nur für möglich, sondern nimmt hierlür auch - indirekt, ohne Zitation der TextsteIle VII 45-46 Humboldt in Anspruch. lnsofern wäre hier also im Si.nne des bisher entwickelten Auslegungsleitfadens, nach dem man Humboldt mit seinem Ergon-Ausschluß durchaus ernstnehmen sollte, Widerspruch ejnzulegen. Durch die Einführung der doppelten Sprache-Rede-Perspektive gewinnt
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6. Humboldts Erben;
Chrl)nolo~ic
zum Aufstieg eines AI1&cmcinplal7.CS
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diese Variante jedoch, ob nun genuin humboldtisch oder nicht, erneut an Erklärungspotemial, denn Sprache wie Rede kann (natürlich) sowohl als Prozeß als auch als Werk (wissenschaftlich) wahrgenommen werden. Humboldts [ntention bei der Fonnulierung des ,Energeia'-Dikrums wird damit zwar weder nachgegangen noch gerroUen. wohl gelingt dies aber im nun folgenden direkten Anschluß an die eng'ere Argumentation: Der doppelte Gebrauch des Prädikats ,ist' bringt eine Aunösung des Problems. die nicht nur die transzendentale Qualität von Humboldts Erke,mlnis-SpTache- Theorem vollkommen zutreffend beschreibt, sondern in ihrer integrienen Struktur von Voraussetzung und Aktualität des Wesens der Sprache und durch den im Hintergrund ausgebreiteten Gestalt-Terminus auch eine ontologische Lösung für die integration von Ergon und Energeia anbietet: das eine ist, indem die andere ist. Diese Variante ist in der Rezeptionsgeschichtc einmalig: Zuerst wird das Diktum fa.lsch ausgelegt, um dann nicht nur richtig gedeutet, sondern in seinem tiefen Kern verstanden zu werden. Nun zu seinem zentralen Thema zurückkommend, kann MueUer-VoUmer somit konstatieren: ..Verstehen ist das Korrelat des Rede- oder Sprechakts, und heide sind durch ein Drittes wechselseitig aufeinander ~zoge.n: die sich im Kommunikationsakt kundtuende Sprachkra/t, d.i. die sich in der Rede äußernde Sprachkraft des Sprechenden und die des (die Rede) "erstehenden Angeredetco- 616,
und rekurriert damit weniger auf den von manchen im ,Energela'-Diktum so übenrieben vermuteten Kraft-Begriff, sondern auf das Dialogische des sprachlichen Verstehens, auf .die sprachliche Kommunikation als eine Sprecher und Hörer einbeziehende Ko-Produktion"6l7. Eher schmuckJos und unkomplizien hat W. Porzig das ,Energeia'-Dikrum mehr übersetzt als gedeutet. In einem fiktiven Gespräch, in dem er einen Psychologen, einen Zoologen, einen Sprachwissenschaftler und einen Gasr über Das Wunder der Sprache"lfl diskutieren läßt, findet sich das ebenso zutreffende wie unprätentiöse Übersctzungs- als auch Interpret3tionsangebot, nach dem es Humboldts .. Erkenntnis (sei, V.W.), daß die Sprache nicht ein Werk, sondern eine Wirksamkeit. (Herv., V.W.) iS["6l9. Diese Übersetzung hat auch t 986 - das Jahr, in dem Porzigs Buch nach seinem Erscheinen 1950 bereitS in 8. Aun. (!) herausgegeben wurde und damit über 130 Jahre nach der Einführung dieser Variante: durch H . .. Ebd.
..u Mudlu-VoUmcr, Von du
Durchdringl»rkof~.u.O.•
6Jt
S. 491. Porxig, Wo: DdJ W""JtT tür SprAcb~. Tübingen (8. "un.) 1986.
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Porzig. D.s
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WllnJ~rthrSpr.dH.
u ..O .. S.
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Zweilt:r Teil: Hwnboldu Gedächtnis
Stcinthal 1851 liegt - nichts von seiner zurückhaltenden Treffgenauigkeit verloren. Daran ändert auch die TatSache \vcnig, daß man Porzig bezüglich der in diesem Kontext diskutierten Rcfercnz und BcdcUlungsproblcmatik aus Sicht der Humboldrschen Sprachtheorie nicht in allen Aspekten wird uneingeschränkt zustimmen können. Eine wisscnschaftsgcschichtl.ich sehr auffällige Rezeption hat das ,Energeia'-Diktum 1988 zugesprochen bekommen. In dem drei bändigen Sammelband Energeia lind Ergon UO haben zahlreiche Amorinnen und AutOren Sludiae in bonorem ü,genio Coseriu erste.lIt, d.ie sich unter den Lcitbcgriffen Sprachlz~he Variation - Sprachgeschichu - Sprachlypologie in unterschiedlicher Weise mir dem Werk Coserius auseinandcrscrzen. Die bereirs bezüglich de.r Rezeption des Diktums durch Coseriu gemachten Beobachtungen werden hier bestätigt: "Mir dem Titel des vorliegenden Werkes" wird, so der Herausgeber J. Albrecht in seiner Einführung Ta 5"ra W; lart\' Atynv: Ober die Schwierigkeit, die Dinge zu sagen, wie sie si"d, und andere davon zu iiberzeuge,,6JI, ... auf eine Begrifflichkeit angespielt, die - im Kleide unterschiedlicher Benennungen - in der Sprachtheorie eine wichtige Rolle gespielt hat und die sich letztlich bis zu Aristoteles zurückverfolgen läßt"bJl. Die textile Mcraphorik der Parenthese deklariert nachdrücklich den pluralistischcn Öffnungsbeschluß der Rel.cptionsgeschichlc und gründet damit ei.nen Verdacht prinzipieller Offenheit und exegetischer Strapazierung bis aufs äußerste (und darüber hinaus), der in vielen Beiträgen in direkter und indirekter Hinsicht zur Ausführung kommt und dem hier im einzelnen nicht nachgegangen werden kann. Für diese Strategie gilt das bereits mehrfach Angeführte. daß das sprachwissenschaftlich fnteressante und Produktive nicht immer da;o;: exegetisch bzw. philolog.isch Richtige oder gar Humboldt Gemäße sein muß. Interessam ist daher vor allem der subkut
4)0
AlbrechI. J. U.:l. (I-Irsg.): El1t"rgtia lind Ergo,,; Sprachlicht Variation - SprachgfKhich/C'Sp",cbrypQ/ogit. 5rudin in homJrcm ElIgelllo COSt:rlU (J Ode.). Tübingcn 1988. (:
Tübinger ßeilräge 1.ur Linguistik; Bd. .300). Ul Albrecht. J.: _lU Ö\'lU Ut; ion\' ;,Jyr.I\': Über die SchwierigkeIl. die DInge ~u sagen. wie sie sind. und Jndl'rc davon zu übcneugen. Zur Einführung in Energeia und Ergon. 1·11 I". In:
tJ1
dt'rs. (J-1rsg.): Energt/tl und Ergo,,: Sprachliche VaTlatio" - Sprachgtsch/chu - Sprachtypo· logit. Studia in hOTlQrem Eugeniv Cost'riu, (J. Bd.). Tübingen 1988. S. XVII-XLV. Albrcchl. ~Uber die xhwicrigkcir", ",.:1.0.• S. XVII.
6.
Humboldts Erben: Chruuologic
7.Un'l
Aufslieg ~incs AlJgc1l1tinpbtus
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sichts der Wahl des (aristotelischen) Humboldtschcn Begriffspaars als TItcl des Werks Energeia und Ergon sollte daran erinnert werden, daß Coseriu eigentlich die aristotelische Trias von energeia, ergo" und dynamiJ für die Sprachwissenschaft rckonstituien hat- 6J]. Anstatt direkt auf die Kritik einzugehen. die sich auch in aristotelischer und humboldtscher Perspektive durchaus wiederfinden kann. wird von Albrecht (überdies nach ungenauer Zit;,uion Traban~) zunächst die Selbstverständlichkeit des Angefragten attestiert, um dann eine weitere, die engere Problematik wiederum überschreitende Variante ins Feld zu führen: .. Dies (Trabant! Fesmdlung, U.W) war den Herausgebern durchaus bekannt. I.n der T2t spielt die Ooppe1ttichotomie energeia, dynIAmis. ergon ei· nersciu und universell, J/lsror;;ch. individuell 2ndererseits, die in Form von ,K.r~uzkJ:lSsiIikation'auf den geumten Bereich des Sprachlichen angewendet wird, in der Sprachtheorie Coscrius eine große Rolle"'J!.
Albrecht rekurriert hier auf das Kreuzklassifikationsschema Coserius, in dem dieser den ,Energeia'-Begriff für die Sprachwissenschaft ope.rationaJjsiert hat und das in einer Geschichte des Diktums eben in der hier gewähltcn Form Erwähnung finden kann, gerade weil es rtzeptionsgeschichtlich beachdichen Einfluß ausgeübt hat. 6J6 Coserius Ve.rwendung dcs ,Energeia'-Dikrurns bzw. der von diesem unabhängige, ungebundene Gebrauch des Terminus EvEQytL« ist aber bei weitem nicht auf diese Variante beschränkt. 6J7 Hier soU nun nicht Coserius diesbezüglicher Ansatz, Tr.lbant, J.: "Ooonuto-Poetika". In: Lüdlkc., J. (IIrsg.): Enng~1A und Ergon: SproJchl;ch~ VOirillUOIl - Sprach8~schichu - Sprluhlypologze. $tllJIA zn honorrm E"8~mo Coun". J. Bo.: DM sprachrht'Orf!rischr IRnkm e"grnio Cosm"s In OfT DlSltllJJlon. Tubing~n 1988. S. 2S3·164, hier: S. 254, Anm. J. Tr2bant verweist in diesem Zusa.mmenh.lng auf Cos~rius Schrifl ~Dctcrminici6n y emomo". In: Coscriu., E.: Teo,.u Jtf lt'.gllajr y lingiiisricoJ 8rn~ ral, Madrid 1955. $.282-313. IlH Albrc<:ht $('IZI hi('r für Trabants Wendung "des Wuks EnagtU' und Ergon" lieber bt-flissen "der Festschrift fur Eugc.nio Coseriu ein. • )5 Albrcchl .• Ober die Schwierigkeit". u.O.. S. XVIII. - Albr«hl wcist hicr dar;lur hin, d.1ß diescs Mustcr bei Coseriu ..l.um ('men ~hl in Sincronll', Diar;rcmioJ t f/isrQrla erscheint C...) und zuletzt 1981 in den Lrmonfi Je Lingiiisrica Gt'ntral in ('IW2$ k.napperer und schcoutischc:rer Form \'orgc:führl w (ebd.) wird. "" Zu d~n d«i Ebenen du Spr;lche bti Cose:riu \lgl. ;auch Ocstcrrc:ichc:r. W.: .Spr:lc:htitigkcil. Einzelspr;ache. Diskurs und vier Dimensionen der Spr.lchvarict2l In: Albr«.ht u.a. (Hrsg.): E"ergcU' "nd Ergon, u.O.• ßd. 11, S. 3SS-386, hier: S. 3S7-36O. 'J1 Vgl. duu 2uch die Ausführungen Costtius in ~Humboldt und di(' modeme Sprachwisscnsduft-. In: Albrt:ehI,J. u.a. (Hrsg.): EnrrgndllnJ Ergo". u.O., ßd. I.• S. 3-11: .. In dc:r Einleitung zum Werk ü~rdit' K;aMlpr.ache gwr.tuchl nun Humbold~ n'cht nur die dt'Utsehen Wörtc:r Wn-a- und T
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•
298
ZwciU'r 'lei!: I-Iumboldts GCll.ichlllis
sondern die A.rgumentationsstrategic Albrechts nachgezeichnet werden, die - unabhängig von Coscrius unterschiedlicher Verwendung des ,Encrgeia'-Bcgriffs - yon folgendem., konsequenzenreichen Muster ausgeht. Alhrecht schreibt: ..Mit dem lire! des vorliegenden Werks wollen die Herausgeber bewußt unmittelbar an Humboldt und nur mittelbar an Ariwie Stoff und Fonn, erschanen" (S. "'). - •Wmn .llso Hl,lmboldl Ugl, die' SprKhc j~ kC'11l \l'crk. sondem tinc TItigkcil. und dit' gri«hischen WOm_r hinzu(ügt; wenn er somit brtOlll, die' pr.Khc ~I ivilTfllct. so will cr eben ngtß. d",g Cf den 6q;r1ff \'on Arislotdo;
meine. DiCSC'-n Bq;riH gih e:lo ,dknlings richtig zu vcrstehen. Aristotdes mein!. d;l;ß es ~um einen Tiligkeilcn gibt. Jic zwar ,produkti\" sind, die C'twas prodUZieren. dabei :l1)('.r nur rin schon \"Orha.ndenc:s Wissen. rine bil\'(qu; :mwtndrn. z.B. im Falle drr Hemdlung \'(111 imrnrr gleichanigen bjekull .auJgrulld einer durch Lehre und Erf.ahrung erworbenen Technik; daß es 7.1:111 andern ::ber Tätigkeilen gibt, dIe' schöpferi\ch ~ind und insofern d...r ÖilV(qlu; VOl".lusgchcn. als ~ie nichl auf riller schon gegebenen Technik beruhen. Wir habl'" ~ hicr also l'inl'T'Seiu mit Tätigkeit<:n 7.11 lun, bei delll'n die MI\'Ulu; vor der Titigk('it seibsl stehl und in der Tätigkeit angewandt wird. andl'rCrJeit$ mit Täl igkcit('lI, die primir Tiüigkeiten ind und ihrer eigenen M"''Ulu; vor:ausgehtn. D.h., ArislOtt'les meim. daß elwas Jureh eine schöpfcri~hl' Tätigkeit Geschaffenes ~cil1C:ncit5 7u einer Tt'l.:hnik werden und SO .auch erlernt wl'rdc:n kann. wie dies in der DichlUng ooc:r in der bildenden Kunsl geschieht: Das. was etwa bei Lcon:a.rdo schöpferisch iSl, ist keine erlernte Technik. alnr Lcon:udqs s.:bülcr können du Geschaffene als eine neut Technik lernen. In diesc.m innc ist hier zuerst d;lS Sduffen, die- h4\Yj'(lU gc-ge~n, dann etn dit' Oi!'\lO~I~ Ar1slou~les mC'int auch. d.aß im Berrleh dC5 Menschen nie- die absolulC' htlYfEUl gegeben ist, sondern d~ sie sich nur insowt'it uigt, wie de-r schöpfmsch tätigt Mensch über du Erlernte hin~usgeht. In dem M.dk. wic t'r dies tut. ist der Mensch ~n schöpferisches Wesen. Für Aristotdc:s 1St nimlich dit' absolute hol.QY(lO Gon. also ist auch dtr Mensch in sciner schöpferischen Taugkcit gönlich" (5.4-5). - ~Wenn Humboldt satl. die Sprache sei (vt:Q'lfu.t. mdnt er folglich. d.lß die' Sp~he ebC'n eine solche Titigkeit Üt, die wie im Fall der Kunst UlwJ dt'r Philosophit' nicht nur Erlerntes anwr:ndC't, sondern auch tatsichlich Nwes schafft. So i$l es ~uch :tu verstchen. wenn er ugt. d.aß man nicht eint' SprachclC'-mt. sondern lernt. in ei· ner Spr.ache' 'Zu schaffen~ (5. 5). - .Das kann man nun aber ruchl als Irrtum des Spreche-rJ abtun. sondern 0' iSI genau ws.....as wir auch zu erwarten haben. wenn wir davon .ausgehen. daß die Sprache hlWtu und der Spr:aehwandtl ~hnifesution der tvtQYtlU ist" (tbd.). - ..Im Zusammenhang mit dcm Begriff htll'Yt\O mcinl Humboldl weituhin. d.aß die Spracht' in allen ihrt'n Formen hilJ'fttO ist. sowohl als Sprache im allgemeinen ..110 :luch :a.ls du jedt'Smaligc Sprechen - du jedesmalige Akt der' ~tdc: -. schließlich auch als diese oder jene Einzelsprache. Es ist nun loW;tt unmindbar vCfStindJich. wie dic Sprache im allgemeinen, als univtucUt' menschlichr T.itigkeil. ht\,yno sein k:a.nn. Und ein RC'dcakr cnIhilt immer etw,as Ncues, du nie zuvor gesagt wordtn iSI, sd es auch nur insofern. als n je....cils der Rrdea.lu eincs Individuums in ciner nwen Situation ist. Wjc aber kann einc Einzdspncht ivt(rtfto sein?" (S. 6). - "Nach den übliche-n BegflHtn ist eine Einzdspl".lchc nichts .andcrcs als eine: be.summte Iili;rorische Teehnik das Spr~hens. Somit erscheint die Ekhauptunt. l'ine Einzelsprache SCI auch ;vt(tlttCt, wideupruehJith 'Zu snn, denn du hieße. daß t'ine Technik auch Nichut'Chnik wäre:. Wie soll man du ve.rsteben? Wir sind der Obcnwgung, d.tß Humboldt d:unit meint. Me Spr.aehr Ki l'inC' offeoe Tcc:hni.k. di~ auch ihrc l'igcne Überwindung mnöglichL Eint' Sprache ('nthilt SI) zugleich die MögLich~ kl'iL übtt du hinauszugehen. was sie schon historisch ist" (cbd.).
6. Humboldts Erben: Chronologie: Z.UITI Aufstieg cines AIIl;cmeinpl.m.cs
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Stoteles anknüpfen" 6J1• Hier liegt m. E. der eigentliche Fehler der Argumentation. den Albrecht gleichwohl machen muft, um die Rezeptionsoption des Diktums zu vervieUachen.ln der als systematisch möglich unterstellten Spreizung zwischen Humboldts Sprachtheorie einerseits und AristoteIes andererseits wird hier eine Differenz angenommen, die historisch zwar selbstverständlich und von trivialer Plausibilität ist, die systematisch in dieser Form aber sicherlich nicht haltbar ist. Albrecht versucht, Humboldts Ansatz von dem des Aristoteles abzukoppeln, um eben darin Rezeptionsspielraum für die moderne Sprachwissenschaft zu gewinnen. Dies soU auch die doppelte Sprachbetrachtung von ,Ergon' und ,Energeia" möglich machen, denn lIOim Rahmen dieses Sowohl ... als auch bewegen sich die Beiträge zu Energeia und Ergon" 639 , Die grundständige Differenz besteht aber gar nicht zwischen dem aristotelischen und dem humboldtsehen Ansatz, sondern z.wischen diesen beiden einerseits und der Rezeptionsgcschichte andererseits, Nur so kommen daher auch Ansichten zustande wie die folgende, die stellvenretend haftbar gemacht werden kann:
.Es ist nur folgerichtig, wenn an Werk, das Humboldtsche Termini im lite! föhn, mit einem Auf5:ltz zu Wilhe:lm von Humboldt beginnt. Im ,humboldtianisc.hen StrukrunJismus" (der im Werk Humboldts nicht a.usdrücklich formulien ist) sieht Coseriu e.in Korrektiv gegen jenen ,eigentlichen' Strukturalismus, der ein Jahrhunden später den technisch-systematischen Aspekt des Sprechens verabsolutieren solhe"64Q.
Gegen die Strukruralismus-Kritik ist sicherlich we.nig einzuwenden (und auch nicht gegen Humboldt als Kronz.eugen gegen eben einen solchen Strukturalismus), wohl aber gegen dessen lndienstnahme in dieser, dem theoretischen Gehalt des humboldtschen Werkes kaum angemessenen Form: es gibt keinen ,humboldtschen Strukturalismus'. Bemerkenswert ist dagege,n J. Trabants Interpretationsvariame, die das ,Energeia'-Diktum in besagtem Anikel in einen durchaus möglichen zeichentheoretischen Kontext stellt und damit als Bestätigung grundJegender HumboldlScher Theoreme zur Sprache nutzt. Trabant schreibt: ..Für WilheLm von Humboldt ist das Wort kein Zeichen. Diese ,antisemiotische' Haltung drr Humbolduchen Sprachphilosophie korrelirn mit seiner energetischen SprachauH1Ssung: Indem die klassische semiotische Sprachtheorie das WOrt als Zeichen faßtr, konzipiene sie es nämlich als vorfindliches fertiges Ding, dessen Inhalt ein schon abgeschlossenes Gedachtcs ist, als t"180n. Dagegm (Herv., U.W.) sctzt Humboldl seine Theorie der Sprache als l)I
A.Ibr«ht, .Ober die: Schwierigkcil~. a.a.O., S. X.IX.
'" Ebd. ~
AlbrC"Chl.
_O~
dir Schwirrigkcit-. lI.a.O., S. XIX-xx.
Zwt-ilcr Teil: HunlboldLS Groächtnis
300
einer Denken ü~rhaupt erSt ermöglichenden Tatigkeit, als ~nergl.'ia. di(' das Wort als Zeichen und Abbild zugleich hen·orbringt"Ml.
Eine solche interpretation kann als positives Beispiel dafür gelten. wie das .Energeia'-Diktum zweckmäßig, unprälcnliös und sachgemäß im argumentativen Kontext Humholdtschen Sprachdenkens vcrOrtc( werden
kann, ohne zuvor einer genauen Analyse der TextsteIle aus der Kawi-Einleilung zu bedürfen. Systematische Strapazicrungen wie djc von J. Albrcc.ht jedoch sind um so überraschender, als Energeia und Ergo1t den eDtscheidenden~ jüngeren Beitrag zur ArislOteles-Humboldt-For chung enthäll. Auf Di Cesare Au(sat~ Die
amtotelische Ihrkunft der Begriffe rvyov urld tvfvyna in \Vi/helm 'Von Humbo/dlS Sprachphi/osopbit!6Al ist bereits des häufiger<'" hingewiesen worden. Er enthält die entscheidenden Kennziffern und den Rahmen der systematischen KorrelaLion der beiden Denker im Hinblick auf den ontologischen Kontext in nuce. Ich referiere hier nur noch einmal die wichtigsten Argumentationspassagen und greife ausgewählte Aspekte dieses äußerst gewinnbringenden Ansaues heraus. Auch einige - aus meiner Sicht mögliche - kritische Anmerkungen sollen im folgenden formuliert werden. Neben der kanrischen nimmt Di Cesare ci ne aristotelische Grundlage des HumboldlSchen Sprachdenkens an.t.4.l Bezüglich dcs ,Energe.ia'-Bcgriffes konst.niert sie, daß diescr nur "einen der Leitbegriffc'"M<4 darstelle und eingebunden sei in die weitere Terminologie der aristotelischen Ontologie. Nach einem rezeptionsgcschichtlichcn Rderat6 ol) geht Di Cesare dann auf Humboldts Ausbildung einMb. wie ich sie im vierten und fünften Kapitel ausführlich beschrieben habe. Es folgt die KurzcharakteriSlik der .arist
"I
Trabant. "OnOJTUIO.POClÜU", a.a.O., S. 254. M! Di Ceur~, 0.: .Die aris(Ou:lisch~ Il~rkunfl der Bq;riffe: ((!YOl' und ivtg'{C1u in Wilhdm von l-IumboWts Sprachphilosophie:". In: Thun. H. (Hng.): CneTgcu. ,md Er-gon. Sprltch~ V;:r(Uuon - pr~ch8cS€hl(h!L - prllChlJPOloglC. SU,JIlI Ol honorrm E"se,,", Cosmu (J BJt). Ba. 1/: D.u spr:lchthcorrtu
.,., "'. ..., ... ..1
Tubingm 1988. S. 29-<46. Vgl. 01 Ceure... Di~ aristotelische Grund!.lge". a•.a.O.• S. JO. Di Cesarc, "Die' amloldischc GrundbgC''', u ..O .• S. JO. Vgl Di U$llR. "Di~ arislOtchsche Grundbgc". :u.O.• S. JI-J2. Vgl Di CC'Urc... Dit aristOtelische Grundlagc". :I.a.O.. S. )2-J4 . Di ~rc ... Di~ ilristotdischc Gruodlag~". ;1..1.0.• S. Jot.
6. Humboldts Erben: Chronologie zum AufSli...g eines Allgerne.inpl:m(·~
301
lichkeit-Wirklichkeit-Relation in den Mittelpunkt stellt. Dies ist - auch vom aristotelischen Standpunkt aus - nicht unbedingt zwingend. Auch andere Schwerpunkrserzungen sind möglich. Di Cesare erläuten nun den hiQyElo.-BegriH eingeheoder6't I , ergänzt ihre omologischen Ausführungen um einige handlungstheoretische AspekteM9 und kommt dann erneut auf die Beziehung zwischen ÖUV«IU; und iviQ)'EW zurück, die sie detaill.ien erläuten. Damit ist für den nun kommenden Teil ihres Beitrages, die Ausdeutung des Gewonnenen für die Humboldtsche Sprachtheone, der Drehund Angelpunkt gesetzt. Die Unterscheidung von ÖUvo~ll; und EviQYtlCl wird genutzt, die unterschiedliche.n Ebenen der Sprachthematisierungen ontologisch gegeneinander abzugrcnzen.6SO Dem Anreiz, auch den anderen aristoteüschen Begriffen in bezug auf die Humboldtsche Sprachtheorie nachzugehen und das lnterpretationsspektrum damit noch einmal deutlich zu erweitern, folgt Di Cesare kaum, was in dieser Hinsicht wiederum einige schwerwiegende Interpretationsprobleme nach sich zieht.6.51 Gleichwohl bietet ihre Nutzung der aristotelischen Grundlage der Humboldtsehen Sprachtheorie interessante Perspektiven, die vor allem deutlich machen, daß Humboldt die Sprache eben nicht als ,Ergon', sondern gerade ..gegen diese Vergegenständlichung der Spnche behauptet (...). daß sie (die Sprache. U.W.) eine hlQYuu"f,Sl sei. Damit ist die wichtigste Funktion des Diktums bei Humboldt eindeutig identifizien. Lediglich die - nicht nur in dieser Hinsicht stark Coseriu verantwonete - ausführliche Klärung der Sprac.hebenen und der Tatsache. die Sprache sei "die Synthese der ganzen Denk- und Empfindungsan der vorangehenden Generationen"6S}, überlasten rn. E. das ,Energeia'-Diktum in gewisser Weise. ohne daß damit die von Di Cesare in dieser Hinsicht ausgefühne Differenzierung in sich etwa unrichtig wäre. Trotzdem in dies, wie die Fragestellung. ob .. unter diesem Aspekt (...) sich die Schöpfung des lndividuums im Akt der Rede (nicht. U.W.) im Grunde als eine Wieder-Schöpfullg"6.5-l erweist, nicht .... Di Cesare, ~Dic ariSlOu:lisehc Grundl:l.gc:~. :I..:r..O., S. 35. 104. Di C"sJre. _Die ;l,ristOlClische Gruncllagc a.:a.O., S, 36. '~Di eure, ~Die ari:i1otelischr GNlldl;&gr~. ,1.a.O., $. 38-"0. • \1 So bt'i~pids .....eist' in bC:Lug ,1u( drn Be,;riH der tvrr>.fr.e-1u. Oi Ceure bc.hauptcl dicsbt'~u&hch. daß ..die t"ni.F"/.Hu in der pf',1ch~ph.i~ nil' &rgcbcn iSI. weil Jie VoUrndung der Sprachc Dur ein Ziel, cin T1U.O; ist, Ju wohl imm...r verfolgT. aber nie crnicht wird~ (Di Cc:su......Oic
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Di Cc:s.arc.••Dic uistOTelischc Grundl.a.ge~. u.O..
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Zweiter Teil; Humboldls Gtdachtni5
302
Humboldts engeres onrologisches Anliegen und folgt dwer einer sehr stark konkrcristischen bzw. pragmatisiercnden Imcrprcrauonslinie des Diktums. Ebenso bemerkenswert wie aufschlußreich hingegen ist bei Di Cesare vor allem der Ausschluß der Leibnizschen .Energeia'-Definition. Di Cesare stellt zunächst fest, daß ..die Bez.iehung, die sich zwischen Rede und Sprache herstellt, der von AristoteIes er(-aßten Beziehung zwischen Akt und Potenz gleicht (Umst., V.W.): wie die Potenz immer von dem Akt, dessen Potenz. sie ist, bedingt wird und von ihm abhängig ist, so wird auch die Sprache von der Rede, deren System sie ist, bedingt. Deshalb ist es die Rede, die die Sprache rechtfenigt und fundien, nicht umgekehrt ....sS • Humboldt kehrt damit, wie Di Cesare zu Recht feststellt, ..seiner dynamischen Auffassung der Sprache gemäß. die Perspektive völlig um, die jahrhundertelang in dem Studium der Sprache geherrscht hatte, indem er die Priorität der Rede vor der Sprache behauptct"(,Sb. Dieser wichtigen Einsicht, die Di Cesare z.ugestandenermaßen aus ihren Reflexionen zur Relation von ö(JVa~lL<; und EvEQyem gewinnt, folgt d:mn die eindeutige Rezeptionsentscheidu ng: .. Diese Umkehrung, naeh dl'r die Rede nicht nur Verwirklichung, sondern zugleich Überwindung der Spr:ache ist - und eben dieses erkl3rt die Freiheit und diC' KrCS1.
Das Lcibnizsche Energeia-Modell entspricht also weder der aristotelischen Ontologie noch der humboldtschcn Sprachtheorie. wie Di Cesare dies hier unzweifelhaft vorführen kann. Die Konsequenzen indes wären auch immens: .. Wenn man also Leibniz folgen würde. dann häne man eine Priorität der Sprache vor der Rede, und die Rede würde gcnau der Sprache entsprechen, d.h. sie könnte sie nie verändcrn"'6~s. Di Cesare kommt dann zu dem ganz. und gar zutreffenden Schluß. daß "die von Humboldt behauptete Priorität der Rede der Sprache gegenüber (...) nicht anders als aristotelisch erfaßt werden" 659 kann. Ihr Beitrag endet mit der Fcsrstellung. daß "die Sprache als tvigyua aristotelisch defin.ieren bedcuMt
Oi Cn..re... Di~ .lri!lotdischt Grundl.lßC'''. :;1 ....0 .• S. ·u.
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Du: .ari!lotdiKhe Grundl.agc·, •..1.0
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6. Humbol(lts Erben: Chronologie zum Aufstieg ('incs AJlgemeinplalzes
JOJ
tet, ihre dynamische Natur (zu, V.W.) erfassen und sie genetisch in ihrem Werden (zu, V.W.) bClrachten"'b60. Coseriu nun einmal v'Ollkommen adäquat ins Feld führend, ist diesem auch der letzte Satz des Artikels geschuldet. Er wird zitiere mit den Worten: "Das Sein der Sprache ist im ursprünglichen Sinne Wc.rden" bbl • Di Cesare hat ihre für die Humboldt-Forschung so wichtigen Überlegungen des häufigeren neu kootexruiert und weiterentwic.kelt. Nicht immer haben diese Entwicklungen den außergewöhnlichen argumentativen Standard des 1988er Aufsatzes halten können. So zum Beispiel in ihrer das Humboldtsc.he Werk zur Sprac.htheorie überblickhaft zusammenfassenden Darstellung, die im Rahmen der von T. Borsche herausgegebenen Sammlung l.U den Klassikern der Sprachphilosopl,ie 661 1996 erschienen ist. Darauf hinweisend, daß ".für das Werk Humboldts das Fehlen von Formeln kennzeic.hnend ist (Umsl., U.W.)'"l>f>J, soll nun ausgerechnet das ,Energeia'-Diktum "eine Ausnahme"6M von dieser Regel sein. Weiter schreibl sie, "daß der Versuch, die Sprache genauer zu begreifen, unvermeid.lich in d.ie Definition des einzelnen Sprechakts, des ,jedesmaligen Sprechens' (...) mündet"66s. Eben "dieser Übergang"666, so Di Cesarc, .,wird durch den Begriff der energeia vermittelt, der aristotelisch einen Akt anzeigt, in dem die Dynamizität nie schwindet"667. Dies stellt bereits, die ontologische Argumentation nur noch aJs Unterstützung der pragmatisc.hen nutz.end, eine wesentliche Verkürzung des ,Energeia'-Dikcums dar und machl dann auch anfällig für Irritationen wie die folgende, die in der Rezeption des .Encrgcia'-Dikrums ja schon eine fast magische Trad.ition entfaltcl hat: .,Auf die Sprache übertragen, leitet der energeia-Begriff eine Sichtweise ein, nach welcher die Sp,rache nichl immer nur (Herv., U.W.) als ergon verstanden wird"66fl. Dies ist vehement zu bezweifeln, denn obwohl im weiteren auf den radikal genetischen Charakter von Humboldts Sprachauffassung als Kern der d.iesbezüglichen Wesensaussage aufmerksam gemacht wird, öffnet doch jede mögliche ,Ergon'~Varjante einer gegenständlichen Sprachauffassung Tür und Tor. ~ I)i
Cesarc, ~Oie aristOlclis.:he Gnllld!.lge~. a.a.O.. S. -15. ~l Zi,. n.leh Di CCS
•
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Ebd.
"" Di Cesare. ~ \Vilhdm \'00 1-luIIlbohh", :r..a.O., S. 285. 1066 Ebd. ..' Ebd. .... EIxt.
Zwti(eT Teil:
304
Humbold~
Gt:däch1l1u
Einen Fortschritt hingegen stellt die Besprechung von Form und Materie in Di Cesares Ei"leilung669 zur Kawi-Einleiwng von 1998 dar. Im Hinblick auf den Form-Terminus wird deutlich gemacht, daß tron Kantischer und Leibnizscher EinHüssc auch bei diesem Begriff ..unbestreitbar (...) seine arislOlclischc Herkunft (...) entscheidend" 670 ist: ..D2ß es hier um eine direkte Herkunft gehl, z.eigt sich vor allem an dem engen Zusammenhang, der z.wischen dem Begriff der Form und dem schon dem Ausdruck nach unverkennbar aristotelischen Begriff der enirgela besteht: t'S wird dann weiter dadurch bckr.iftigt. daß der ganz.e um die Form sich drehende aristotelische Begriffskomplex bei Humboldt eine Entsprf'Chung fin-
det'""'I. Diese .Enrsprcchungsthese' scheint mir die eigcmliche Problematik in ihrer ganzen Relevanz und Konsequenz erSt richtig aufzuschließen und liegl dem in der vorliegenden Studie enrwickelten Ansatz einer in Transformation und Erinnerung organisierten Kontrastiven Archäologie systematisch nur kurz zuvor. wenn auch die aus dieser These abzuleitenden Deutungen bei Di Cesare nicht unbedingt weit und differenziert genug getrieben werden bzw. nach eigener Aussage in mancherlei Hinsicht eine noch zu ..umerschiedslose" 61l Verwendung des olllologischcn Instrumentariums attestIeren. 1988 bzw. 89 wurde ein Beitrag ....on G. Ramisc.hwili, der bereitS zuerst 1959 und 1967 unter dem litcl Zum Verständnis des Begriffs der Sprachform bei W 'V. HumbolJt erschjenen war, im Rahmen der AufsatZsammlung Einheit in Jer Vielfalt. Grundfragen der Spracbtheorie Im Geisir! Wilbelm von Humboldu-671 neu herausgegeben. Ramischwili. der in seiner eher unspektakulären Jmerpretationsarbeit den Kontext des ,Energe.ia'Diktums vor allem in dem der Sprachform sicht: ..Der Sprachtheorie Wilhelm von Hllmboldts liegen drei Postulate zugrunde: ,Die Sprache ist ein System', ,Die Sprache iSt Energeia und nicht Ergon', ,Die Sprache ist ganz. Form'''674. Das ,Energeia'-Diktum hat trotz. dieser hohen Gewichtung und scheinbaren Gleichstellung gegenüber de,r Form-Problematik eher Erläuterungsfunktion: .. Die Sprache ist nach Humboldt kein statisches .... Oi Cn.trc, 0.: .EinlcilUng". In: Humbuldt. W. Y.: Vbn-JU' Vn'l~h/~d~nhcil J~J mmschb~hrn Spr~chba..el lind Ihrrn Emf1"p /llff dIr gCllllge Entv.·,~Ir/HlIg dCI Mf'nJchrngruhh.. ht~ Hng. '!IOn D. D, C~wrr. P"derborn U.L 1998. 5.11·128. VCI Di Cc.urc, .Einlcltung-, "..1.0.• S. 67. ,~I
Ebd.
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Oi ~e, ~EinlcilUng-, :1.,&,0.• S. 68. VI R.1mischwili, G.: Emhelt In an V'~lftlb. CrNndfragm an- Sprarhthnmc b,,/m "tIDn HllmboldlJ. Bonn 1988-89. "'. lUmischwili. Emhrit m Jn VICl/4ft. <1..1.0., S. 10.
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Gmte \{',/.
6. HUlIlboldts Erben: Chronologie ~um Aufstieg eines AlIgemcinplat2.es
305
Phänomen. Sie ist Aktivität, ist dynamische Ganzheit, ,sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit (Energeia)"·67s. lmmerhin gelingt es Ramischwili hier, neben der durchaus zmreffenden terminologischen lllustration, Humboldt wörtlich und damit richtig zu nehmen, Dies bleibt weitgehend die frühe Strategie Ramischwilis, der das Diktum vor allem durch Humbold[$che Textpassagen kommentieren läßt676 und dies zum Ausgangspunkt eines breiten Durchgangs durch die moderne Sprachphilosophie nimmt. Dies ändert sich auch später zunächst kaum, z.B. wenn Ramischwili zuerSt 1960 in Grundziige der SpraclJlheorie w: 'lI. Humboldu. Thesen und Resultate einer georgischen Dissertation konstatiert, daß ..die Sprache als funktionale Realität als Energeia und nicht als Ergon erscheint (Umsl., U,W.)"'677. Den Ausschluß-Charakter des Diktums bzgl. des Ergans richtig interpretierend, den System-Begriff aber rür den Organismus-Denker Humboldt sicher zu demonstrativ bemühend, macht er im Hinblick auf die Saussuresehe Terminologie deutlich .. Für Humboldt ist Sprache ei.n dynamisches System, eine aktive Fonn, - ,Energeia' - und nicht ,Ergon', für de Sallssure jedoch (und besonders für HjeLmsLev) ist die Sprache reine Form, statische Struktur, gerade ein Ergon und nicht Energeia. Die humboldtschen Begriffe ,Energeia' - ,Ergon' und die saussurcsehen Begriffe ,parole' - ,langue' befinden ist auf verschiedenen Ebenen:
Energeia ist die Sprache selbst als aktive Form und 'Jicht als individuelle Rede"678, eine lnterpretauon, der Ramischwili ohne Scheu in Klammern hinzufügt: ..([also nicht, V.W.] wie dies gewöhnlich in der wissenschaftlichen Literatur angenommen wird)"679, 1984 geht Ramischwili dann genauer auf das ,Energeia'-Diktum ein, In
\Vilhelm von Humboldt - Begründer der theoretischen Sprachwissenschaft, ein Text, der als Vorwort zur rllssischen Obersetzung ausgewählter Werke \V, '[.I, Humboldts fungien hat und der ebenfalls 1989 in Einheit in der Vielfalt neu erschienen ist, führt Ramischwili erneut aus, daß Humboldts .. Konzeption der Sprachform zwangsläufig mit der Idee der ,Energeia' verbunden ist"680. Für ihn haben ,Form' und ,Energeia' ein gemeLnsames Moment, das vor allem ..im Akt der Synthese zwischen dem Laut und dem Gedanken- tosl besteht, Seine interpretation des Diktums ist wiederum in der Hinsicht eindeutig, daß ..,die genetische Definition< (..,) bef,rs R.1mischlAtili. E;nheil m tkr VItIf(Jlt. a..a.O" S. I}, .7& Vgl. Ramischwili, Einhrit in der Vidfalt• .1..1.0., S. 17. 6tT Rami$Chwilj, Ejn~j, ;11 an' V;~/fall. u.O., S. -47. ft7I Ramischwili, Einhl!;1 in dtr Vit'lfall. a.a.Q., S. 56. .,., Ebd. ~ R:unischwili, Ei"Ju;t m der Vielfall, a.a.O., S. 227, .., Ebd.
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Zweiter Teil: Humboldts Gooiichtnis
deutet, die Sprache nicht statisch, cl.h. als Ergon zu bestimmen, sondern in ih.rem Gebrauch oder in aeru, da sich hier auch zugleich das Wesen der Sprache offenbarr"""ltl, Wenn man auch dem im folgenden dargebotenen soziologie~verantwortetenund Humboldt allzu logische Systcm:nik unterstellenden Begrülldungsrahmen nicht uneingeschränkt wird zustimmen können, so bleiben die daraus gezogenen Konsequenzen Ramischwilis doch richtig und wichtig: "Wenn .Energeia' und .Form' Begriffe gleichen R;tngcs sind, die über eine soziologische Dimension ,'erfügen. dann cmbchn die weil verbreitete Auffas~ sung von der Energeia 31s eines indjvidudlcn Sprachprozcsst's jeglicher Grundlage. Diese Tatsache z.eugt ernem da\'on, wie wichtig es in, bei der Aufdeckung dr.!i wahren Sin.ne.s solcher Begriffe. wie E.nergeia, innere Form usw. \'001 logischen System der Ideen HIHnbo/drs auszuge,hen und dem Gang seiner Überlegungen ~orgfähig 7,U folgen. Eine oberOächliche Betrachtung ei· ncs jeden dieser Begriffe zieht die falsche Auslegung einer ganzen Reihe von Begriffen gleicher Relevan1. nach sich. folglich auch seiner ganzen Lchrc"t>lU.
Ramischwili macht nun eine weitere, wichtige Beobachtung, die in dieser Form bislang kaum registriert und expliz.iert wurde und die sowohl als Kritik an einer allzu 5ubjcktivitätstheorctiscben Auslegung des ,Energeia'Di.ktums gesehen werden kann als auch gleichzeitig die eigemümlichc KlammcrsteIlung des ,Energeia'-Begriffes bei Humboldt zutreffend erJäu· ren: "An Stelle der analytischen und statischen wird (bci Humboldt, V.W.) eine dynamische Konzeplion in den Vordergrund gerückt, die die Sprache als Er· zeugung, :tls Tätigkeit und als Energeia charakterisiert. Am häufigsten VOll diesen Begriffen wurde in der nachhumboldtschen Literatur der der Tätigkeit verwendet. MieT Wahrscheilllichkeit nach ist das durch scinc größere Zugänglichkeit 2U erklären. Seine Verschwommenheit jedoch wurde zum Hindernis auf dem Wege zum Verständnis des in der ,Energeia' angelegten Sin· nes. Die psycholinguistische lnterpn.'f3tion der ,T~it'igkeit' als eines Sprechprozesses wird gewöhnlich auf die ,Energeia' übertragen. anstalt die Tätigkeit selbst als von der Energeia ausgehend auszulegen, die nicht als Sprechtätigkeit eines Individuums zu verstehen ist, sondern als eine Wirk· samkeit höherer Ordnung. Der energeiaspezifische Ansatz deckt eine neue Form unter den anderen Formen der ,Tätigkeit' auf"&I~.
[n der Tat soll Humboldrs Energeia-Begriff eine ganz. bestimmte Form der T.1tigkeit erläutern, ja erst erklären bzw. ontologisch möglich machen, Ramischwili.. Emh.,it j" rli.'r vulfdil, a.a.O.• $. 22]·128. ~l Ramischwili. EmJ,rlt il1 dtr V,elfalt, a.J..Q., S.l2S. "" Ramischwili. Em/"m il1 der Vu:lfalt, :1..:1..0.• $. 219. tt.l
h. Hurnboldts Erben: Chronologit' zum Aufsücg eint·s Allgemcinpl:u7.ts
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und kann nicht - wie dies so häufig versucht wurde - Ziel und Angelpunkt der lnterpretation deran sein, daß eine Gleichsetzung mit dem Tätigkeitsbegriff den ,Energeia'-Begriff sodann subjektivitäts theoretisch bzw. -pragmatisch determinien. Ganz wie Ramischwilj anmerkt, geht es Humboldt um eine vollständig andere Form der ,Tätigkeit< als sie bislang bekannt war, eine, die sich als Wirksamkeit im ontologischen Kontext versteht und über :lUes, waS subjektivitäcstheoretisch denkbar ist, qualitativ und nicht nur graduell weit hinausgelu. 68S Den am Ende der 80er Jahre längst verworrenen Fängen der Rezepoonsgeschichte eher geschic,kt ausweichend, hat A. Keller 1989 schon in zweiter Auflage nur noch höchst doppelbödig und indifferent deklariert: •W. v. Humboldt hob die Sp.....ehe .Is Tätigkeit (Energeia) vom Werk (Ergon) ab"686 und dessen Diktum so äußerst vorsichtig mit denen vieler anderer (Stoiker, Saussure, Chomsky, Buher) unrer der Überschrift nDie vorliegenden Einreilungen"687 lieber spartanisch protokolliert 688 , als sich der Inrerpretationsaufgabe wirklich zu stellen.
6.6 Positionen der 90er Jahre P. Mattson hat 1990 in seiner Ausgabe der Briefe W. v. Humboldts an Wolf im Kommentar zum 3. Brief vom 1. Dezember 1792 die ParaUclisicrung des .Energeia'-Diktums mit dem Energie-Begriff wieder aufleben lassen. Zu.nächst feststellend. daß ..die Energie (...) bei Humboldt auch zu einem Grundkriterium der Völkercharakterologie" 689 wird, folgert er: n[n der Fortsetzung von Humboldts anthropologischem Denken, auf dem Gebiet der Sprachphilosophie, behielt diese Kategorie in der These von der Sprache als Energeia ihre zentrale RolJe"690. Es wurde bereits erläuterl, daß diese Pa.ralleJsetzung nur in sehr eingeschränkter bzw. mittelbarer Hinsicht überhaupt Sinn haben kann. Die weitgehende Wortgleichkeit
Wo
Sprachtbeorctisch einleuchtend und eindeutig ist d~nll auch R:unischwilis Feslstellung. d:,J.ß ~durch eine: solche r\llff:l.ssung \'on der Funktion der Sprache sich dieser Ansu7. \'on der Position eiDes SclUiotiker-linguistco unterscheidei (Um:5L, U.W.). der die in der Sprache fh:i<'fle form (Ergon) lediglich .lls einen Sonderfall innerhalb statischer ZcichcllsysteOIe sieht~ (Ramisehwili. Ein/Jei,;" der VII:/falt . .u.O., S. 229). Keller. A.: SprachplJi/oj()pJJic. München (2., bcarb. AuO.) 1989. S. J9.
U1
Ebd.
"'S
Lediglich im Zusanuuenh:ang mit L Wci.sgc.rber t:Jucht das Dikt\lm noch cinm;ll auf (\'gl. Kellcr, SpMchphiJosQphir, u.O.. S. 141). ..... Mauson, .K(>mmt.nu.r~, ;1.1.0., S. 18S. 1011
•010
Ebd.
308
ZweilCr Ttil: HumboldLS Gedächtnis
bzw. die etymologische Verwandtschaft implizieren in keiner Weise eine semantische oder systematische Deckung der Termini in den vcrschiede~ ncn theorecischen Kontexten Humholdt$. In der inhaltlichen Spannung zwischen Sprechen und Hören und der systematischen zwischen /-Iumboldt und Hegel deutet ebenfalls 1990 M.
Riede.1 in Hören auf die Sprache. Die akroamaO:scbe Dimens;orl der HermeneuLik691 das ,Energeia' -Diktum, und zwar in der ausgesprochen selte-
nen Spielart, in eier es gelingt, zwar vornehmlich im Anschluß an Humboldl (und damit nicht im engeren Sinne exegetisch verfahrend) das Wesen der Sprache zu thematisieren, dies aber in ei.ner Humholdt durchaus adäquaten Art und Weise zu run. Riedeis ..Erinnerung an Humboldt gilt einem wenig bemerkten Zug seines Nachdenkens über die Sprache"6'J2. den cr - abe.r auch nur "unter Vorbehalt U69J - dilllektiscb nennen will. Mit diesem Terminus ist Ricdel zwangsläufig bei Hegel, dessen systemalischell Dialog mir Humboldt er auch deshalb für problematisch, ja zunächst fast unmöglich, häh, weil de· ren "Bezug zur Sprache zu verschieden war" 69-4: .. Die Differenz zwischen dem späten Hegel und Humboldt"6'1S ist unübersehbar. Gerade deswegen hä.lt es Riede! für gewinnbringend. die Sprachauffassung beider zu kontrastieren. Diesen Kontrast sieht cr vor allem ..... in Hegcls systematisch begründeter Behauptung, sie (die Sprache) sei das \Verk (Herv" U,W:) des Gedankens, Dem stellt Humboldt seinen Hauptsatz über die Sprache emgcgen" 6%, als den Riede! das ,Energcia'-Dikrum identifiziert. Den systematischen Kontext der KawJ'-Einleit-ung etwas mühsam auf das terminologische Spektrum der Philosophie }-legels bcziehend 6'ol7, wird zunächst dessen SprachauHassung skiz.ziert: .. I-fegel denkt die Sprache mit den .Alten· \10m Zeichensein her, was sich in seinem (Herv.• U.W,) Diktum niedcrscblägL Denn das Zeichen ist in der T31 Werk. ein durch Arbeit hervorgebrachtes Produkt, das sich \Ion seiner Pro~ duktion :tblöSI und auf sich selbst stelh"It98. .,1 Ritdd, M.: flör~n auf dü Sprache. D,t tJkrOJlmatlSch~ Dhntmwl1 Jer Htnm.'nrU/ik.
Frankfurt Olm Main 1990. ." Ritdd, !iörr:n auf dit Sprl1che, a..I..0., S. 50, 1>'1) Ebd.
.. •" •'" ""
Ehd. Riede!. flören a4 die Sprache, ;I.a.O.• S. 52. Ebd. Vgl. duu: .Dcr (Encrgcia-. U.W.) 5,HZ findet sich in HumboldtslC:l:ucn Entwürfen zu ci· nrf Klärung des Verh~ltnuses von Logik und allg('m~iner Grammatik" (Riede!. HÜlYn auf Ji~ Sprache, La.O., S. 53). ~... Riede!. HÖre.n auf dif' Sprache. a.a.O., S. 53·54. ~
6. I-Iumboldu Erben: Chronologie zum Aufstieg eines Allgemeinplatzes
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Dies hat Konsequenzen für die Gewichtung innerhalb der logisch-grammatischen Struktur der Sprache. So geht "Hegcls SprachbelTachtung (...) vom Zeichen aus. Sie orientiert sich am Namen, grammatisch gesehen am Nomen"'69'j. Riede! stellt sodann unmißverständlich und zutreffend fest: "Damit verfehlt HegcJ das eigenstä.ndige Sein der Sprache, wie es Hurnboldt im Horizont des antiken Substanzbegriffs vom beständigen AmWerke-Sein, der Energeia her, ennaItct" 7OO• Dieses ontologisch fundamental andere Spn.chverständnis läßt sich wiederum auch in gra.mmatischer Perspekrive demaskieren: .,Die Logik des absoluten Seins bleibt nominal, im Horizont. des vergegenständlichenden, den Gegenstand setzenden Nomen zentriert. Humboldt stellt dem d.ie beiden Angeln entgegen, um die sich die Sprache dreht, das Verbum und Pronome1J" 70I , und "sofern das Sprechen Handeln ist, richtet es in seiner vollen Konkretion den in Worte gefaßten Gedanken immer an einen AJlderen. Die Richtung auf alter Ego ani.kuliert sich im Pronomen"70!. Daß Humboldt vornehmlich sprachtheoretisch denkt und nicht mit dem Instrumentarium allgemeiner Logik operieren mag, zeigt sich indes darin, daß die Sprache gerade in der der Zeit verantworteten Dimension des WirkJichen ihren ontologischen
Platz hat: "Was die Kopula für die Logik d:ustelh., ist das Verbum für die Grammatik. Seide leisten die Verbindung und Trennung der Begriffe; die Kopula im Gebiet des Mög.lichen. der zeitlosen Gegenwart des absoluten Seins, das Verbum in dem des WirkJichen, des Seins in der Zeit, das sich immer anders vcrha"! I .", '
Hier wird deutlich, wie radikal Humboldr die ,Energeia'-ldee der Sprache im Grunde denkt. Die WirkJichkeit hat nicht nur das Primat vor (den verschiedenen Dimensionen und denkbaren Spielarten) der Möglichkeit, sondern weil diese \XlirkJichke,it überhaupt immer sprachlich, ja die Sprache selbst ist, ist sie (als WirkJichkeit) nur sie selbst, wenn sie in der Sprache ist, und die Sprache ist als grundsrändig in die Zeit genellr immer nur dann wirklich Sprache, eben wenn sie Jmeillgeschränkl, d.h. im Sinne von ,Energeia'. wirklich ist. MöglLche Sprache ist eine Chimäre, und aus dLesem Grund erweisen sich alle lnterprer.ationsversuche, die die eine Ebene der Sprachlhematisierung der aoderen als Mögüc.hkeit zuordnen wollen, zwar als sprachwissenschaftlich interessant und in dieser Hinsicht auch ...
Ri~d.
Hort'tJ "Nf di~ SprolChl? 1 ..... 0" S. 5~, 1aI Rit'dd, Nören aufdie SprAdll~, .l,;a.Q •• S. 55, 1\)1 Riedd, J-Iörl;'f1 auf tlit' Sprache. a.....O.• S. 56·57. -m Ricde1. flijrel/ al/f dJ~ Sprache. a.a.( '. S. 58. 'I»
Ebd.
310
ZwC'ilcr Teil: HumboldlS Gcdiidllnis
methodologisch produktiv, in sprachtbcoretjscher Perspektive trifft dies allerdings nicht das engere Verständnis Humboldts vom Wesen der Sprache, weil dieser Sprache nur als radikale Wirk.lichkeit denken will.
Für Riedel hingegen liegt die eigentliche historisch-systematische SteIlung des Kam-Schülers Humboldt vor allem darin 70
Nun kann sich Riedel die Frage erneut stellen, auf die es im Kontext einer Rezeption des ,Energeia' ·Dikrums ankommt. Welchen Charakter hat all unsere Tätigkeit (im umfassenden Sinne verstanden), wenn wir sie im Horiz.ont der Sprache als Tätigkeit des Geistes vers te ben ? "Die Frage ;5('707. so RiedeI, "was Humboldt meint oder gemeint haben mag, wenn cr diese Tätigkeit aristotelisch als Energeia bestimmt hat. Ist die Energeia mit Hegcl und dem jungen Man als die ,reine Wirksamkeit aus sich selbst" als ein Wirken und Tun zu denken? Oder muß gar nach der HegeIschen Werkformel die Tätigkeit als Arbeit im Sinne der Poiesis gedacht werden? Und schließlich: Erschöpft sich die Energeia monadologisch in der Tätigkeit eines Subjekts?"708. Sich die Angelegenheit bei indes klarer und entschiedener Ablehnung der aufgeführten Positionen bewußt nicht einfach machend, bezieht er die Problematik erneut auf Hegcl und kompliziert die Fragestellung dahingehend noch einmal gewinnbringend: .. Um diese Frage 2,U klären. genügt es nicht. den Hauptsatz aus ihm selbst oder im vergleichenden Blick auf Hcgds Diktum über die Sprache auszulegen. Es kann auch nicht genügen, unseren Auslegungshorizont nach den bei· den Angeln der allgcmeinen Grammatik weiter ahzustcckco. Wir mü-sscn Vgl. Riede!. HOWI auf J,~ Sprilch~• .1 .... 0., S. 59. 71::' Riedcl, Hliml ..uj die SprilCht. .I.;l. ., S. .59-60. 101. Riedd. Hören 'lU/ die Sprache, u.O., S. 59. '01 Riedcl. Htirtn '1II1 dil! Sprache, a.:I.O., S. 61. 1C8 Riedd. I-/ur/'n aufJitt Sprarhtt, ;u.O.• S. 61·62. 10'
b,
Ilurnboldu Erben:
Chronolo~ie
zum Aufstieg eines Allgemeinplatzes
311
vielmehr den Satz auf den Hauptpunkt beziehen, das dialektische Grunrlverhältnis, um uos der Frage einer nichthegelianischcn Dialektik ~u stellen: ob sich der Logos der Dialektik, wie Heidegger .m:z.unehmen scheint, mit der Bewegung des SelZ.ens voo der Thesis über die Antithesis zur Symhcsis ~wi sehen dem Subjekt und seinen Objekten deckt oder ob er über diese Grund· operation des neuzeitlichen ldealjsmus hinausweisr?"]O'1.
Die Antworten auf aU diese Fragestellungen liefert für Riede! Humboldt selbs~ vor allem dadurch, daß das ..Faktum der Wechselrede Humboldt als sprach philosophisches Prinzip dient (Umst., U.W.)"7to. Nach dem Sprachverständnis des Tcgeler Philosophen verfährt die ,.Sprache (...) nicbt di41ektisch im Sinne der HegeIschen ,Arbeit des Geistes', die Einheit am Ende der logischen Bewegung des Setzens gleichsam anschaulich, in der vollständigen Durchsichtigkeit des ,Begriffs', sehen lassend. Sie kann nur (,kroamatisch verfahren. die Einheit im Ansprechen und Entsprechen der Zweiheit nach Maßgabe des zweifachen Zugangs zum Ganzen hörenlarsend" 7l1 • Auf Humboldts wiederum zweifache Thematisierung der Erscheinungs- und Wesensmomenre der Sprache rekurrierend, liegt hier - in der prinzipiell dialogischen Verfaßlheit des Menschen in der Sprache - der eigentlich sprachlheoretische Vorsprung Humboldts gegenüber Hege!: ..Wekhe Konsequenzen sich daraus für Humboldts Lehre von der Geselligkeit, der Sozialität des Menschentums. ergeben, lasse ich hier auf sich beruhen. Es genügt, sie für das Wesen der Sprache 1.U ziehen, für den tiefsten Ge(umken, den Humboldt gedacht bat. Das Urphänomen der Zweiheit läßt sich gemäß seiner Zugehörigkeit zum doppelten Gebiet des Sichtbaren und Unsichtbaren selber doppelt auffassen, sinnlich und intellektuell, in der Anschauung und im BegriH, eine Auffassung, die dort vorzüglich Bestätigung findet, wo die Sprache auf der Zweiheit der Wechselrede ruht"1I.l.
Das ,Energcia'-Diktum. der ,Hauptsatz' Humboldts, ist nun genau dafür da, diese ursprüngliche Dialektik alles Dialogischen in der ontologischen Argumentation abzusichern und gegen ein .Ergon'-Verständnis der Sprache, für das hier stcl1venretend Hege! in Regreß genommen wird, einzustehen: "Unter diesem Aspekt nimmt sich der Hauptsatz etwas anders aus, als die Geschichte seiner Deutung nahdegt. Wenn das dialektisc.he Grundverhältnis in Humboldts Denken so festgewurzelt ist, wie unsere Untersuchung ergeben h;u, dann muß auch die ,Arbeit des Geistes' anders gcfaßl, sie muß auf 1'09
Riedel, Hör,," trHf di~ Sprtr~hf!. a.:I.O.. S. 62.
110
EW.
RiedeI, H6rm 1114tlll.' Sprache. :1..1.0., S. 6(,. m Riede!. Hören auf di~ Sprach~, ~.a.O., S. 68.
711
Zwc;tcrTc:iI: Humboldu Gcdiichmis
312
die Zweiheit der Sprachkraft, dessen Äußerung sie ist, zurüc-kbezogen werden. Und diese Kraft. so 'Zeigt sicb im Kontext des Hauptsatzes, äußert sich wie die griechisch verstandene DynamIS, in der Kraft zum Tun uNd zum Erleiden, dem Austr.lg jener heiden .Kräfte· des Sprechens und Hörens, die in jedem Sprecher einer Sprache am Werk sind. Wenn sich das so verhält (und daran läßt der Kontext keinen Zweifel). dann ist die Ellergeia nicht selber einfach, als Arbeit im Sinne des subjekt.iven Hervorbringens und Er.tcugens zu denken, wie sie Hege!s Wcrkformci in den Blick bringt. Sie muß 1.wcifach, in der Doppelung des Hervorbringens und Eruugens mit dem Hervorgebracht- und Erzeugtwerden gedachl werden, und ersl dann wird sie ur· sprünglich dialektisch gedacht. Dann emspricht das dialektische Denken der
Erfahrung, die uns an und mit der Sprache z.uteil wird"w.
Daß Riede! hier den ,Dyoamis'-Bcgriff nicht in dem Smoc gebraucbl, der im Kontext des rEncrgeia'-Begriffes 3m nächsten liegt, dem der ,Möglichkeit'. tut wenig zu Sache. Mehr interessant als ausschlaggebend ist auch die Spielart. den subjektivitätstheoretischen Ansatz ausgerechnet auf Hegels ,Ergon' zu bez.ichen. Entscheidend ist, daß das .Energeia'-Diktum hier in seiner zentralen Bedeurung nicht nur richtig erkannt und in seinen ontologischen Konsequenzen voll verstanden und zum Ei.nsatz gebrac.ht wird, sondern daß mit dem Sprachverständnis Hegcls ein sprachtheoretisches Kontrastprogramm cingefühn wird, das in der Differenz den Gehalt des Dikrums voll zur Geltung zu bringen vermag. 7I " In der 1991er Studie Der einzelne und sein Eigentum. in deren Rahmen sich U. Rabe um die Klärung der (für ihn vornehmlich pädagogisch-an1U 1H
Riedd. Nören Auf du' Sp",du, '1...1.0.. S.
(,9.
im Hinblick ,auf die ,Ergon'·V:lriuion bringl 1990 ('b~nfal1s J. Lcehnl'r d.ls ,Energci:l··Diktum "turn l:::inS;llz: .Dil' V~r~innlichun& d~s Dcnkells erfolgl ~1~fS im Rückgriff .Iuf dnt' gcschichlikh gcw;lchsenc und überlieieltc Spl';l.chc, ditO für d~~ jeweilige Sub· jekt des Dmkens normativC' I!edeutung hai. Spr:ache ist so gesehen .cin Vomu von Wörlern UIJ
6. Humholdts Erben: Chronologie zum Aufstieg eines AIIGt,meinplat2.es
) 13
thropologisch geprägten) -Frage nach Individualiliil und Individuum bei Wilhelm von HumboldrJ I5 bemüht, taucht das ,Energeia'-Diktum im Rahmen einer kritischen Besprechung L. Weisgerbers auf. Rabe weist zunächst darauf hin, daß ..Spn.che als energeia (...) Gegenstand der energetischen Sprachbetrachtung Johann Leo Weisgerbers- 716 sei. Obwohl laut Rabe Weisgerber seinen Ansatz jedoch ..im Laufe der Zeit erheblichen Modifikationen unterworfen- 717 habe, sei er Humboldt indes ..dadurch nicht nähergekommen, obwohl er von ihm (Humboldt,U.W.) seinen Ausgang" 718 genommen habe. -I n deutlicher Radikalisierung von T. Barsches vorsic.htiger Bemühung. dem ,Energeia'-Diktum einen angemessenen, und eben nicht übertriebenen Platz in Humboldts sprachtheorctischem Argumentationsgerus[ zuzuweisen71 ', schießt Rabe nun deutlich übers Ziel hinaus und spricht von einer ..Humboldtschen Marginalie"71O. Rabes sooann folgende Kritik an Weisgerber ist zutreffend und folgt im wesentlichen dem Argumentationsgang, den Borsche bereits vorgetragen haL Trotz dieser Kenntnis gelingt Rabes Intcrprel'ation des ,Energeia'DikllJms aber nicht, wohl auch, weil die pädagogisch-anthropologische Sichtweise doch zu sehr zu einer kompromißlos subjektivitätstheoretischen I.nterpretationsvariante verleitet: ..Die ,energischc Verknüpfung' in die Tätigkeit dcs einzelnen; nicht ist Spn.• ehe bei Humboldt Energeia (?, U.W.), sondern der einzelne beim Sprechen energisch, d.h. tätig und zwar synthetisierend. Deshalb ist dieser auch Mittelpunkt der Humbolduchen Spnchforschung, nicht die Sprache-Wo
Diese absolut falsche und in der Hemdsärmeligkeit des Vortrages kaum zu überbietende spT3chtheoretische Kastrierung des Diktums kann Rabe außer durch sein Erkenntnisimeresse dann auch nicht weiter erklären, geschweige denn systematisch untermauern. Eine aus dem Zusammenhang gerissene Humboldt-SteUe aus dem Versuch einer Analyse der Mexikanisehen Sprache bringt hier für den Leser weder Legitimation des Behaupfeten noch Linderung, weil die Thematisierung der ..einzelnen Sprachen" (IV 242), deren .Eigenthümliehkeiren (Humboldr, U.W.) in dem Sprachvermögen des Me.nschen" (IV 242) vereinigt sieht, nicht unmittelbarer I.S
lUbe. U.: D~r MIZt:I,,~ lind lein t:'g,.m.m. /ndittidlfabliit u"d IndwidJuml Im \t'ilhrlm t10n IIl1mboldL ßoc.hum 19CJ1.
••• R.tbt.!kT t:utufn~, L.I.O., S. 98. '.' Ebd.. "1
Ebei•
••' Vgl. JUbt:. DtT t!multlt!,
~O.,
Anm. I. 11'1 R,llbt. Dt!r t!mut",., 0I.a.0.•. 98. 7:1 R..bt!. Dt-r t!mulnt!, 01.;1.0., S. 99.
.98. - Vgl. auch 8onchc. Spr/lchllnsi
314
Zweitcr Teil: HumboldLS CCl.lachtnis
Gegenstand der Wese.nsbcstimmung der prache sind, wie djes der unbestreitbare Kontext des ,Energeia'-Diktums ist. Rahe verwechselt hier die Ebenen der Sprachthemarisierung und kann so weder die eine noch die andere Aussage Humholdls richtig verstehen. Trotzdem erkennt er immerhin - in neuer Funktionalität - das ,ETgon'-Diktum als Möglichkeit der ontologischen (Ah-)Qualifizierung: ,.Als Schrift iSt sie (die Sprache. U.W.) ein Ergon. (Gen au dann, U.W.) ist sie nicht sie selber (Umst., U.W.); in der Schrift liegt nur die Möglichkeit eier Sprache. wieder sie seiber zu werden"7u, Der IcrLlc Hinweis ist indessen trivial- und hält nicht annähernd, was die ,Dynamis'-Problematik an Schwierigkeiten aufgibt/V In seiner auf drei Bände angelegten Deutschen Sprachgeschichte vom Spätmiuelalter bis zur Gegenwart ist es - ebenfalls 1991 - das Interesse P. v. Polenz. darzustellen, daß ..Sprache konkret im gesellschaftlichen Umgang zwischen Menschen existiert. also hi.'itori~ch veränderlich ist (Umst., U. W.)"714. Die einführende Thematisierung, in der der Sprachwandd auch sprachtheoretisch fundien werden soll. verwendet das ,Energeia<-Dikrum gleichermaßen. um die Verändcrlichke,it der Sprache an das 5ubjektivitiitstheoretische Projekt der Moderne und die handlungspragmatische Perspektive aller Sprachaktivität zu binden. Polcnz stellt zunächst fest, daß "Sprache n.icht nur veränderl ich ist (im Sinne eines selbsttätigen, naturhaften Wandlungsprozesses), sondern auch veränderbar durch menschliches Handeln (Umst.. U.W.), Dies entspricht dem sprachphilosophischen Kern von Wilhe1m v. Humboldts vieldiskUlicner I E n c rge ia; -Thesc" 115 , Humboldts Diktum dient demnach dazu, ci ne anthropologisch ver:tntwortete Option auf den Sprachwandcl zu sichern, Es folgt eine längerc Passage. in der Polenz den Humboldtschen Originaltext aus dcr KawiEinleitung vergleichsweise ausführlich zitiert, Dann nimmt die Argumentarion eine eher unerwartete Wendung, die sich jedoch unumwunden auch als Stutegic zu erkennen gibt. In historisierender und damit verhaltener, aber dennoch unverblümt kritischer Perspektive stellt Polcnz zunächst fese: Itolbe. Dtr ~mulm:, a..1.0., S. 10J. m GlclchfJ.lIs 1991 lifh SI. Buehcr in sdnt'm Bcitt;lg .N:&lurphilosophic. Tdeulogio: und Spnchtheorie bei Wilhtlm von Ilumbol,h", In: Schllliller, P. (Ilng.): MMltum - non m,,/tAi SuuJllm l.Mr ,Emhtlt JtT RtpnlOn' Im Wnk W,lhelm 'tlfJPl !-1I"nbQIJu, Münster 1991. S. 29--41, eher beil:iufig die' bereits ",15 unzuudf~d Id~ti(j2.le"e' 'rhesc WI«JC'r J.ufleben, ru.th der die' .Spr;\che' (...) n;,uurt.eh .luch .1ls Ergoo" existiere', da SIe' ..fur dnen Sprcehn als gcge'btnn )'stern \'orhandcn· sn (S, J7), m Polenz.., I). \'.: ~lItJ€ht' Sprachgf'J.thuhlt tlOm SpAtmmf'lalttT bu ZMr Gtgmtran. Band I: EmfHhnmg - Gr"ndbtgrlf!t - ~uUl:h In der frJllJbJ/rgulrcbrn ZM Ikrllo U.a. 1991 1:.1.
S.9. Tl:)
Ebd.
6. Humboldts Erben: Chronologie 1.um Aufstieg eint) AlIg~meinpl:at'Zes
315
.In der ,energetischen', neohumboldtianischen Sprac.htheorie leo Weisgerben wurden Humboldts Begriffe ,Thitigkeif, .Arbeit des Geistes'. ,Sprachkr~t' hyposusierend aufgefaßt als .ununterbrochene Wirksamkeit der gesammelten Sprachkrnft einer Sprachgemeinschaff• (...) also im Sinne von selbsttätigem ,GeiSt' und ,wirkender Kra.ft' der .Sprache sdbst'. die das Den· ken und Sprechen der Menschen ,determiniert' und ,lenkt'. Heute werden diese Humboldtschen Begriffe - vor allem für die veränderbaren Bereiche von Sprache - nicht mehr so einseilig sprachdeterlOinistisch interpreoert"n,.
Unter Polenz deskriptiver Tarnung verbirgt sich nicht nur deutliche und vollkommen zutreffende Kritik an der einseitigen und doch nur das Konkrete idealisierenden statt das Erkennmistheoretiscbc transzendental-idealistisch verstehende.n Sprachauffassung Weisgerbers. Polenz öffnet auch das menschliche Spnchhandeln für den Zugriff auf Sprachwandel und stellt damit sowohl eine anthropologische wie eine sprachtheoretische Grundkonstante dem Humboldtschcn Gedanken gemäß deutlich heraus. Fast notwendig geschie.ht dies aber um den Preis einer abermaligen Verkürzung. diesmal in die Richtung einer allzu weit von Humboldts Wesensmteresse wegführenden sprachpragmatischen Sichtweise: .ln pragmatisch und soziolinguistisch oritnriene.r Sprachtheorie: und Sprachw:andeh..heorie finden sich Humboldts ,Thätigkeit' und ,Ar~it' wieder als in· dividuelles, interaktionales ,Sprachhandeln'. als soziale ,Sprechtätigkeit' und kollektives ,Sprachverhalten' von Sprachbenuturn, die nicht mehr idealistisch harmonisierend OIols ,Sprachgemeinschaft' aufgcfaßt werden, sondern als diHertnziene Gruppen innerhalb einer ,Sprachbevölkerung' (l-Iugo Sieger) in spezifischen sozialen Kommunikationssituationen"w.
P. v. Polenz ,Interpetation' des .Energeia<-Dikmms endet mit dieser zwar stark verkürzenden - im Grundsatz aber dennoch evidenten Option im Hinblick auf den anthropologischen und sprachpragmatischen Rahmen des Spnchwandels. ohne jedoch Humboldts Text im philologischen Sinne auszudeuten. Diese Verwendung ist als klassisch für ein Erkenntnisinteresse zu bezeichnen. das Sprachgcschichtsschreibung sprachtheore· tisch fundieren will, die die inhärenten Brüche. die mit der Problematik einer Verknüpfung dieser bei den Aspekte jedoch unweigerlich verbunden sind, nur mit viel Mühe und noch mehr gutem Willen wirklich überwinden kann. Polenz erzielt hier gleichwohl mehr als einen Achtungserfolg, weil auch er (wohlweislich) Zwar nicht die entsprechende Deduktion des Argumentationsgangs anbietet, eine seiner Kemthesen. daß eben ..Sprache n.icht nur veränderl ich (...), sondern auch veränderb ar durch menschliPolen7.. n~Huch~ Sprachg~srbjchu. ;I.,a.O" S. 10. m Polr:.n7.. DeHlscht' Sprffchgt'schicbtt. a.:a.O., S. 10-11.
110>
316
Zweiter Tdl: Ilumboldu GC'Jächlnis
ches Handeln ist (Umst., U.W.)'"72 I aber mittelbar durchaus auf das Di.kturn Humboldts rückgeführt werden kann ist. Es hat damit an dieser SteIle eher eine illusLricrende, indirekt erläuternde Funktion. Ins Zentrum des Humboldtschen Sprachvcrständnisses, vor allem in das des Diktums, trifft diese Verknüpfungsleistung jedoch nicht. Andere Theoretiker wären für die von Polenz inszeniene Auftaktvcranstalrung zu seiner in Materialund Beschreibungsgenauigkeit fraglos beeindruckenden Sprachgeschichte wahrlich gewinnbringender gewesen So bleibt Humboldt auch hier vor aUem der, der Autorität verleiht für die dann folgende (sprachpragmalisehe) Herangehensweise.
1992 dient das .Encrgeia'-Dikrum S. M. K1edzik dazu, einen zenuaJen Aspekt des Humboldtschen Sprachdenkens herauszusteHen. In ihrem sprachtheoretischen Oberblicksartikel zu Wi/he/m 'Von Humboldt vertritt sie die Auffassung, daß "die humboldtschc Darstellung des Sprechens als Energeia sich, zcichentheoretisch gewendet, als der brei I angelegte, in der Anthropologie verankerte Versuch verstehen läßt (Umst.• U.W.), eine auf sprachliche Fakten gestützte normative Genese des Zeichenerzeugungsprozesses zu entwickeln"m. In diesem Kontext fragt Klcdzi.k dann sowohl nach der Bedeutung der menschlichen Rede bei Humboldt wie nach d!:".r sprachlich-transzendentalen Verfaßtheit des Denkens und knüpft beides - Humboldts Charaktergebundenheit der (sprAchlichen) Nation im Hintergrund - an die Tatsache, daß nicht nur zeichentheoretisch, sondern so ziemlich in jeder denkbaren Hinsicht ..Spracherzeugung (... ) ein synthetischer Prozel~ ist (Umst., U.W.)"7JO. Konsequenr rekurriert Klcdzik nun auf die Bedeutung des Lautes, "denn im artikulierten Laut bringt da Sprechen geistige Tätigkeit und sinnliches Tun zur Einheit"m. Die ,Encr· geia' Humboldrs ist hier zwar Sprechen, aber doch im Sinne einer semiotischen Synthesis aller Sprachgenese. und erfähn so eine Deurung, die unter der Tatigkeil des Sprechens nicht nur den äußerlichen Sprechakt, sondern dessen transzendentale und erkenn[nispragmatische Produktionsbedingungen mitberücksichtigt. ZW~1T emrinnr hier weitgehend der omologische ProblcmhorizoOl, gerade im ,Energeia' -Diktum jedoch eine synthetisierende Funktion z.u lokalisieren. ist eine kluge Rollenzuschreibung, die Humboldts Ne[zwerk stützender Argumente aJlemaJ entspricht. Für Kledzik wird in dieser Perspektive auch "der Dualismus von 7:=J
n"
l'oIc-n7.. ~'dKht prafflghlbuhu, u ..O.. S. 9. K.Jt'dzik. S. M.: ..Wilhclm "on Humboldt (l767-1835t. In: Dual, M. u.~. (IIrsg.): SprachphilM()ph,C". /;:m mrf"t1latlonal('~ Handb.,dJ ZC"llg~llossuchC"f' Forsch''''g. Bc-rl;n, Nc-w Yurk 1991. . 362-381,
no Ebd. "l Ebd.
hier: . 37S.
6. HumboldLS Erben: Chronologie zum Aufstieg cinu AlIgcmeinplJtzl"S
J 17
Si.nnlichkeit und Verstand insofern aufgehoben (...), als beiden im Sinne komplementärer Kräfte bei der Hervorbringung von Sprache eine konscitutive Rolle zufällf'nl. Daß Kledzik hier die Humboldtsche Textstelle gar nicht eigens zitiert und deutet, ist vernacbJässigbar, weil der systemacische Kredit des Diktums nicht verspielt, wenn auch schwerlich in seiner ganzen Breite wahrgenommen wird. Durch einen weiteren, eher indirekten Hinweis erfahrt man jedoch, daß KJedzik nicht in die Sowohl-alsauch-Falle einer doppelten ,Ergon' -,Energeia'-Chankte.nsierung der Sprache getappt ist; dies wäre - trotz des daraus entstehenden wissenschaftstheoretischen Problems einer fehlenden Beschreibungskategorie für das, was das praktische Sprachscudium ausmacht - .entgegen ihrer (der Sprnche. U.W.) Definition"m. H. Müller-Sievers wirft 1993 noch einmal die interessante Frage nach der systematischen Beziehung des ,Energeia'-Terminus mit ähnlich lautenden Termini bei Humboldt, z.8. dem der ,Energie', auf. Rezeplionsgeschichtlich bedeutsam ist die Klärung dieses Zusammenhangs auch deshalb, weil mit dem Charakter dieser Beziehung die Frage verbunden ist, aus welchem systematischen Zusammenhang bei Aristoteles und aus welchem seiner Texte Humboldl den Terminus genommen und dann neukontextuien hat. MüUer-Sievers bringt die Fragestellung aui den Punkt: .. Der Hinweis auf D~ g~n~rtHiont anima/ium und die darin ent(ahettn Begrifft dtf" Aristotelischen N:uurphilosophie ist noch aus einem ande~n Grundt von Interesse. Die Humboldtsehe Ch3.raktc.risierung der minnlichen Knft als ..Energie' (...) sowie die anderen offensichtlichen Anleihen bei dieser Aristotelischen Schrift sind nämlich ein erster Anklang an seine spätere Definition der Sprache bzw. des Spreehens als ,energeia'. Während es an du Aristotelischen Abst3.mmung dieser Begrifflichkeil kaum Zweifc.l gegeben h3.t, ist es jedoch hinsichtlich der n3.turphilosophischcn Diskussion naheliegend. diese Abst~mung auf den Text des AristoteIes lurückzubcziehen, der für Humboldt in Jena einen handgreiflichen Stellenwert gehabt hatalm.
Ocr geschilderte biographische Hintergrund sowie die Bedeutung der ge· nuin naturphilosophischen Texte des Aristoteies für Humboldt sind evident. Müller-Sievers Behauptung jedoch, hier liege der systematiscbe und editorische Ursprung der tvtQyEto.·Rezepcion Humboldu, ist trotz mancher Plausibilität höchst unwahrscheinlich. Müller-Sievers kommentiert 1)1
0JJ ')0
Ebd. Kkdzik..Wilhdm von Humbokh·. a.a.O., S. 378. Müller-Sicvcrs. H.: Epignr~$u. NllUtrph,lcnophie im SprMh(Ünlrm W,lhrlm wn Hllmbo/drs. Padcrbom I~J. S. 2-4.
318
Zweiter Tdl: Humboldu GcdJchtnis
die - für ihn ..nahelicgende" 1JS - Zuschreibung mit einem Rekurs auf Di Cesare, die - wie bereitS gekennzeichnet wurde - in der Ontologie und damit vor aLle.m dem Buch e der Metaphysik den Zusammenhang des Diktums sieht. Obwohl er konstaticn. daß den Ausführungen Di Cesares ..sachlich (...) nichLS hinzuzufügen a73ft sei, müsse doch angenommen werden, daß .J-1umboldt diese Begriffe eher aus dem praktischen Werk De geneTat;one animalium bekannt waren :tIs aus dem recht esoterischen Zusammenhang der Afecaph)'sik"1}7. Bei genaucm Hinsehen zeigt sich, daß diese heiden Feststellungen kaum zusammengehen. Vielmehr hat Di Ccsarc mit ihrer (in gewisser Hinsicht ergänzungsfähigen) LokaJisierung nicht nur uneingeschränkt Recht, vor allem ein Blick auf die Rezeption der Begriffe in Humboldts Sprachtheorie läßt einen anderen als den ontologischen Be· zugsrahmeo kaum in Frage kommen. Auch die Tatsache. daß sachlich lediglich ein eher minelbarcr Zusammenhang zwischen den Te.rmini ,Energeia' und ,Energie' bestcht. entspricht dieser Sichrweise. Das Müllcr-Sic"cr'ssehe ..beziehungsweise"7J8 zwischen Sprache und Sprechen würde bei der Anerkenntnis dieser Herkunftsfrage dann auch nicht so verloren wirken müssen, ebenso wie der mutig behauptete "Definitions" -Charakter des .Energeia'-Diktums. Zugestanden werden muß allerdings, daß die Identifikation des systematischen Zusammenhangs der Begriffe bei AristoteIes ausgesprochen schwierig ist und Müller-Sievers hier zu Recht den möglichen Rezepcionsbogen erst einmal auslotet. Der 3thenische Philosoph verwendet den mit der biQyuo zusammenhängenden BegriJfsrahmen in höchst unterschiedlichen Kontexten, ein Vorgehen, das ohne - teilweise erheblichesemantische Verschiebungen nicht zu realisieren ist. Die Frage also, welcher der möglichen aristotelischen Kontexte zugrunde liegt, ist eine wichtige und aucb frag-würdige Problematik und es ist MülJer-Sie"ers Verdienst, diese Frage erneut gestellt zu haben. Die Antwortperspektive muß jedoch abseits biographischer Evidenzen vor allem in der theoretischen Rekonstruktion Humboldrschcr Sprachtheorie gesucht werden, und hier ist die genltirz ontologische lntcrprel'ation jeder anderen überlegen. Eine ganz andere Richtung der ,Encrgcia'·Rczcption ist in dieser Zeit bereits unaufhaltsam geworden. Vollkommen vergegenständlicht und damit seiner ontologische.n Fundierung in Gänze entleert begegnet das Diktum unvermittelt in Glossaren als instrumentalisierter und vermeintlich schnell operationaJisie.rbarer Begriff zum Zweck der Bildung einer anwendbaren .Untersuchungskategoric'. So nimmt beispielsweise G. Wolff m Müllcr-Sic'·crs. Ep'gnlt"lIS. 3.a.0.. S.l-l. 7J+ Mullcr-Sincrs. Epltrnnu. 3.a.0.. . 15. Anm. 35.
m Ebd. m Müllcr-SiC\'cr'S, Ep,gmnu, L.J..O.• S. :H.
6. Hurnooldls Erben: Chronologie 7.um Aufstieg eines Alisemeinplatz-es
319
in seiner 1994 schon in dritter Auflage erschienenen "Deutschen Sprachgeschichte" 7Jit den Begriff ,Energeia' auf, stellt ihn utilitär nehen ,Affixe', ,Monophthongierungt und ,Parataxe' und bietet eine ebenso knappe wie gebrauchsfertige Definition an: "Ausdruck zur Kennzeichnung des dynamischen Charakters der Sprache bei W. v. Humboldt (,cnergctische Sprachauffassung')"'7~O. In dieser Definition wird die EnrwickJung einer isolierung und Entleerung des Begriffs zur beliebigen und stets einsatzbereiten Legitimarionsfigur auf die Spitze getrieben, indem sei.ne theoretische Kontexruierung kampIert aufgegeben und er als Überschrift zu einer ungenauen Beschreibung genutzt wird, die wiederum ihren Kontext in einer positivistischen Nomenklatur suche. Der Begriff wird so zum wissenschaftlichen Alltagsrepertoire und erhält damit ausgerechnet die Vergegenständlichung, die durch die Einführung seines theoretischen Gehalts in die Sprachauffassung gerade verhindert werden soll. Mehr möglich als gestützt werden solche Reduzierungen allerdings auch durch die neuere Humboldt-Forschung, die hier - wohl eher ungewollt - Brücken anbietet. Während Di Cesare, wie ich gezeigt habe, die begriffliche Tradition aufnehmend, noch von der "energetischen Form der Sprache" HI handelt, spricht Scharf im gleichen Jahr wie Wolff bereits von ... Humboldts energenctischer Idenritätsidee der Sprache"7H . Hier wird ein spezifisches Problem der Humholdt-Rezeption erkennbar: ObwohJ heide Forschungsneologismen - auch durch die vorgenommenen Kontexluierungen - ei.nen interessanten, richtigen und auch zentralen Gedanken vorführen wollen und .können, der geeignet ist, den Kern Humboldtscher Sprachtheorie zu identifizieren, müssen heide Charakterisierungen letztlich das Diktum übera.nstrengen, indem sie in einem Begriff das Gepräge einer ganzen Theorie zu kondensieren suchen. Scharfs Wortschöpfung armet allerdings den philologischen Charme, daß in "energcnetjsch"'1H der substamivische ,Energeia'-Terminus mit der adjektivisch eingehüllten Semantik des "genetischen" (VII 46) angereichert wird, die ja in der Humholdtschen Textpassage sofon folgt, Daß J. Trabant jedoch - ebenfalls 1994 - davon spricht, daß das, ,.was über Humholdts Sprachdenken al1gemein bekannt ist, (...) aus der Kawi-Einleirung"7H stamme und dazu 'J~
Wolff. G.: Dt>Nucht Spr4t:hgl'schit:htl'. Ein Srudin,bllch. Tübingen '.0 Wolfr. Sprllchgl'schlchtf!, a.:l.O.. $. 280. '~I Di Ccsue, .. Wilhelm vun Humböldt ".:11.0., S. 284. 'H Scharf, Vt1fahrl'n. ;1.:1.0.• S.105.
U.3. 1~4.
M
,
'H
Ebd.
,.. T... b~m,J.: .Anh;lIlg. Zur Textaww"hI In: Humboldl. W. Y.: Oberdit Spracht. Rl'dM vor d"r Aju~dc"',l'. Her
•
320
Zweiter Tdl: Humboldrs GWichtni$
beispielsweise gehöre, daß ,.Sprache kein Ergon sondern Energeia sci U74S • entfaltet ohne Zweifel eine erhebliche innere Dialektik: Bekannt ist allen das Dikrum Humboldu. die Anrwortperspcktivcn auf die Frage, was es eigentlich bedeutet. fallen in Intensität und QuaJität jedoch sehr unterschiedüch aus und erreichen in den 90er Jahren eine Disparität, wie sie größer kaum sein könnte. Daß das Thema indes gerade nicht zu Ende ist, sondern weiterhin zen.rocr Aspekt so ziemlich jeder Humboldt-Abhandlung blcib~ zeigen auch die Arbeiten. die in den letzten Jahren erschienen sind. F. Schneider posilionicrt 1995 die Klärung des ,Energeia'-Diktums in dem zentralen sechsten Kapitel seiner Studie Der Typus der Sprache. in der er eine Rekon-
struktion des Sprachbegriffs \Vilhelm von Hllmboldts (ut! der Grundlage der Sprachurrprungsfrage vornimmtJ·6 Schneider erläutert zunächst die Rolle, die die Klä.rung des Energeia-Diktums in seiner insgesamt sehr gut
verständlichen und eingängigen SlUdie einnimnu'''', und kann bereits damit glaubhaft zur Entdram:uisierung der Rezeptions-Problematik über· haupt beitragen. Er konzediert: ..Wenn bis hierhin der Sprac:hbegriff Hum· boldts weitgehend dargesteUt wurde, ohne den Energeia-Begriff zu erwähnen, so zeigt dies. daß seine spezifische Auffassung der Sprache sich keineswegs nur an dieser eingängigen Formulierung festmachen läßt"'·II, auch wenn, und das gesteht Schneider durchaus zu, ..im Ergon-Energeia· Vergleich (...) das dynamische Sprachverscändnis in einer griffigen Formel""" kulminiere. (m Hinblick auf die Textpassagc, in der Humboldt das Diktum situiert, merkt der Autor an, ..daß es Humboldt don offenbar nicht in erster Linie darum geht, die Unterscheidung zwischen Ergon und Energeia deutlich zu machen, sondern zu erläutern, was er unter der ,Form der Sprachen' versteht"'so. Der Ergon-Energeia-Vergleich (Schneider wähJr hier eine vergleichsweise neutrale Vokabel, die in dieser Allgemeinheit auch nicht unzutreffend ist) ist somit für die Klärung wichtig, .. in weichem Verhältnis der Formbegriff zu der eigemlichen Natur der Sprache steht" 75 !. Den ~Ergon··Ausschluß bewußt aufweichend spricht Schneider davon, daß sich sehr wohl ..von Sprachformen sprechen (lasse, U.\'V'.), die Tnlnnl, "Anhang. Zur Tuuus""ahl", a..l.O.. S. 219. ,.... VgJ. Schneider. F.: Dt'r Typus d" Spracht'. Eint' R~ltonstrultlion JrJ Spra
'n
Ebd. nc Ebd. n, Ebd.
6. Humooldts Erben: ChronolQgi~ zum Au{stitg ~ines Allgcmcinplal7.ts
321
(...) das für eine Umersuchung erforderliche Maß an Beständigkeit aufweisen"7S2. Daß dies so ist und daß dies am prinzipiell genetischen Charakter der Sprache. der sich in dem ,Encrgeia'-Dikmm ausspricht. nicht rüttelt, dies liegt nach Schneiders Ansicht nun an Humboldts Formbegriff, der "ein zum Verständnis des Humboldtschen Sprachdenkens unverziehtbares Mittelglied zwischen dem dynamischen Charakt'er der Sprache und der Ausc,ina..ndersetzung mit der Verschiedenheit der Sprachen"m darstellt. "Mit der Erwähnung der Energeia-Definition C7 >4, so Schneider, ..5chüu.r sich Humboldr dabei vor dem Vorwurf, bei der Behandlung der Sprachverschiedenheit scincn spezifischen Begriff der Sprache außer acht gelassen zu haben"755, Dies scheint jedoch eine allzu funktionalistische lnterpretationsvariante, denn wenn Humboldt wirklich hier nur konkretislischen Mißverständnissen hätte vorbeugen wollen, wäre die Wesensthcmatisierung in der Kawi-Einleitung wohl weder so apodiktisch noch so ausführlich und theoretisch prononciert ausgefallen. Für Schneider beseitigt das Diktum letztlich eher mühsam eincn Erklärungsilotstand für die Wescnsthematisierung der Sprache, den Humboldt im Hinblick auf sein Vergleichendes Sprachstudium möglichst vermeiden wollte. Bei aller Notwendigkeit, das Diktum n.icht isoliert zu sehen und es damjl zu überschätzen, fällt hier die Abwertung zur Randnotiz allzu deutlich aus und nimmt der Textpassage ihre systematische Rolle in Humboldts Theorieenrwicklung. Um 50 interessanter ist es, daß trotz dieser laxen Beurteilung der Bedeumng des Diktums dessen Interpretation äußerst aufschJußreich verläuft. Hier geht Schneider erfrischend konkret vor: ..Wenn Humboldt (",) dem Ausdruck ,Thätigkeit' in Klammern das Won .Energeia' beifügt, so wird deutlich, daß es sich hjerbei um eine Erläuterung handelt. Tätigkeit soll hier also im Sinne von Energeia verstanden werdeo"7S6. Und nicht umgekehrt, was Schneider hier implizit unrerstreicht. Auch kennt der Autor den aristotelischen Hintcrgru.nd des Begriffs, selbst wenn er ihn vorderhand in der Nikomachischcn Ethik vcronet sieht. Schneiders Erklärung für Humboldts .Aristotelismus': .. Es macht' demnach gerade die Besonderheit der Sprache als Energeia aus, sich nicht in einem Werk zu vollenden. Während diese Differenzierung im DeuLSchen nur umnändlich möglich gewesen wäre. konnte Humboldt sie mit dem Zusatz ,Energeia' durch cin einziges Wort andcut~n"7S7, 1')1 Schneider, Der Typus J~ SpriJchf'. :>..:1..0.• ~u
1SoI ISS
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s. 22!l.
Ebd. Ebd. EbJ. Ebd. Schneider. Ocr "f.)'tl'$ der Spr<2che. :I.a.O.• s.
226~127.
322
Zwciler Teil: HUfIlboldu Gl-dkhtnis
Humboldt wird also hier eine An philosophisch-terminologische Ratio·
nalisierullg mit aristotelischen Mitteln unterstellt, und in der Tat benutzt er den Begriff deswegen. weil im Deutschen kei.n adäquater Ausdruck zur Verfügung steht. Offen bleibt, und hier kann lllan Sch.neider wohl nicht mehr folgen, ob diese deutsche, umständliche Erklärung wirklich möglich ist. Sicher nicht so einfach, wie er dies h.icr ul1[crSlcllt. Vielmehr greift Humboldl auf das Erinnerungsformat .Energeia' ja gerade deswegen
zurück, weil ihm der komplexe ontologische Sachverhalt mit '3.lIen Auswirkungen in einer deutschen Formulierung nicht ausdrückbar erscheim.
Das Dikrum ist (dies würde wiederum heißen, den Erläuterungscharaktcr 7.U einseitig zu betonen) kein schneller KOlnmcnLar für ansonsten um· ständlich Abzuarbeitendes, er zeigt vielmehr, in weid] spektakuläres und auch konsequenzenreiches Gebiet man sich begibt. versteht man den on~ [Qlogischcn Charakter der Sprache als wirklicb. Schneider stellt dann noch einmal den Zusammenhang von ,dynamis' und ,energeia' her und fußt dabei auf Di Cesares Anal)'seJSlllm wesentlichen übernimmt er deren Deutung und wiederholt auch das Argument, das eine Leibnizsche .Interpretation des Diktums ausschließt."s9 Schon zum Ende seines Argumenutionsganges kommend macht Schneider dann noch eine - zunächst eher beiläufig wirkende - Bemerkung. die jedoch ausgesprochen wichtig und in der Rezeption des ,Ene.rgeia'-Diktums in dieser Kontcxruierung neu ist. Nachdem er die ,DYllamis'·,Energeia'-Pro· blcmarik erläutert hat, stellt Schneider fest: .. Ausdrücklich hlnzuweise.n iSI in diesem Zusammenhang darauf, daß der Be· griff ,dynamisch' bei Humboldt njcht im gerade dargestellten aristOtelischen Sinne benutzl wird. Insbesondere ist ,dynamisch' kein Gegenbegriff zu
,Energeia', sondern beide Begriffe ergänzen
sich"7~.
Schneiders Feststellung ist nicht nur zutreffend, sondern auch eminent wichtig, weil sie U.3. vor überstürzten semantischen Übergriffen derart warnt, ähnJich lautende oder auch Termini mit gleichem etymologischen Ursprung auch in ihrer Bcdcut'Ung und systematischen Rolle gleichzuset· zen 7 wie dies u.a. bei der vermeLntlicbe.n ,Energie'-,Energeia'-ParaIJelisierung versucht worden ist. Schneider bringt ein weiteres Beispiel dafür, warum diese Gleichsetzungen auch und gerade im Humboldtschen Kon· text sehr gefährlich sind, und die Verknüpfungen zwischen zunächst ähnlich lautenden Begriffen in semantischer Hinsiclll häufig nicht nur äußerst mittelbar ausfallen müssen, sondern sich im kontrastierenden Ergebnis m Vsl. Sclllleidtr, Dl.'r Typus dtor Spra~bt, .1..l.0., .1.1.7. m Schneid!:r, D~r Typus Jl'r Spmfh~, .1 •.1.0., S. 2.27·128, Anm. j I. 7.cl Schneider, Dl'r Typll1 Jt'r SprllClJt. ;1,• .1.0.. $. 118.
6. l-IulllooldLS Erben: Chronologie 7,um Au{sliC'g eines AllgellleinplalZ.~
323
sogar widersprechen können. tmmer muß der jeweilige Komex{ (mit-) entscheiden, ob und Ln welche.r Form eine Parallclisie.rung der Begriffe möglich ist. Offensichtlich konsuruicrt sich der systematische Wert des ,Energeia'-Diktums auch durch seine Einmaligkeit im Humboldtschen Sprachdenken, eine substantielle Singularität, die über das lexikalische Phänomen, daß Humboldt den Terminus in seinem Werk nur einmal ver~ wendet hat, demonstrativ hinausgeht. S. SaHer kontrastiert 1996 unter dem Titel Sprachindividualität das
Weltamichtrtheorem bei Wilhelm von Humboldt und Martin Heidegger.761
Daß Saffcr den zweiten Paragraphen seines dritten Teiles mit ..Die Macht der Sprache und die Gewalt der Sprecher" 762 überschreibt und genau dort zentrale Thcoreme des Humboldtsche.n Sprachdenkens besprochen werden. läßt bereits erahnen, daß die Erörtcrung des ,Energeia'-Diktums, die hier ebenfalls angesiedelt wird, wohl nur schwerlich um die Sowohl-alsauch-Version von ,Ergon' und ,Energeia' herum kommen wird. Genauso ist es auch. Saffer qualifiziert zunächst die Kaw,:-Einleiwng als zemralen Text Humboldcscher Sprachlheorie76J und steUt fest, daß das ihn besonders interessierende Wellansichtstheorem ",entgegen anderslautenden Ansichtcn"76~ (Chomsky, Hecschen) sich .,folgerichtig aus Humboldts Grundtheorem von der Sprache als bildendes Organ des Gedanken und der bcgriHskonstituierenden Kraft des Sprachz.eichens, das seine letzte Bestimmung im sprechenden Subjekt findet"765, ergibt. Dies hat Konsequen7.en. Humholdts Entwurf ist nämlich geeignet, die mit der Problematik zusammenhängende konstitutive Differenz von Subjektivität und Objektivität als sprachliche Einheit zu denken'66: ..In jeder sprachlichen Entäußerung ist in ,idealer Form' Subjektives und Objektives ,aufgehoben'"'6 7. Im Rekurs auf Humboldts Reflexion auf die Sprache als eine ..Welt, die zwischen der erscheinenden ausscr, und der wirkenden in uns in der Mitte liegt" (Latium und Hellas, IU 167), stellt er fest, daß hier- em· gegen der hypostasierenden Interpretation Wcisg'erbers, die aus Hum· boldts ReJlex.ion muttersprachliche Zwischenreiche kreieren zu können glaubt 76! - die Einheit der semiotischen Synrhesis gerade nicht aufgehoben 11>1
'I>:
Vgl. Saffcr. S.: SprachmJit"Juallliir: UmcNuchul1gCIl zum \Vella1/ßchmhcorem /Je'/m 11011 HumlxJldl Ulld Manill Htidt'ggt'r. Aachen (Diss.) 1996. Saffcr. Spr.1('lJimlitnJuafitiit. a.:l.O.. S. 151.
'.' V\;L SJHer. SpracbmJlvidualiliil. 111 •.:1.0.• S. 172. 1~j SJ{{cr. SpracIJinJi1J1JuaHtiil. 01.:1.0.• S. 173. 10,) SaUer. SpmclJmdjtJ;Jjlalit~t, ;l;a.O.. S. 173-171. 'M vgl. S~ffcr, SprarlJmdivlJuilliriil, ;1.,1.0., S. 175-176. '.' Saffer. SprMhmdNJldu.1/itiir. a.a.O.. S. 17(1. ,... VgL S:lf{c.r. SprtubmdllJldualir.ät, 111.:>•• 0 .• S. 176. AIlIll. 37.
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324
Zweiu'r Tfil: Humbt>ldts GedÄchtniS
wird und ..an dieser Stelle sich die allgemeine (sprachgemeinschahsspezifisehe) und besondere (subjektive) Wclransicht berühren (UmsL. V.W.), die beide (Her"., U.W.) im Wesen der Sprache verankert sind und - folgt man I-Iumholdt - nicht unabhängig voneinander zu denken sind"76'.l, Nun kommt das ,Encrgcia'-Diktum ins Spiel, das ausgerechnet in seiner Humboldtschen Eindeutigkeit nicht akzeptiert, sondern für die weitere Argu~ mcm~llion in ganz anderem Sinne genutzt wird. SaUer stellt zunäc.hst fest: .. Die Problemarik des Vcrh:ilmissi.'s von spr3chgcmeinsch2ftsspczifischc.r und subjektiver Welunsicht, das mit Blick auf die ,ideale Form' als eine synthetische UCl.ichung vOrlustdlen ist, soll durch Humboldts Bestimmung \'on ,ergon' lind .energeia' expliziert werden«7lo.
Dazu braucht Saffer allerdings ein anderes als das Humboldtsche ,Energcia'-Modell, was er auch unumwunden zugibt. Er z.itiert zunächst einen kurzen Auszug aus der cntsprechendcn Tcxrpassagc der Kawi-Einleilung, läßt diese ungcdculcr und fällt dann das funktionalistische Urteil, das seiner f-Ierangehcnsweise cmgegen konunt: "Spuchc ist jedoch, entgegen dieser ausschließenden Formulierung HumboldlS. beides. :1.150 Ergon und Energeia, indem sie aJs vorgeformter Stoff poLentiell neue inoslifrung bereitlcgt"' 17l .
Zu dieser Interpretation, die in der Geschichte des ,Energeia'-Diktums so häufig vorgekommen iSI, braucln nun nicht noch einmal ausführlich Stellung genommen zu werden: Sie ist weder (läßt man das ,Energeia'-Dikrum "ußer acht) in ihrem substantiellen Gehalt vollkommen falsch, noch entspricht sie dem, was Humboldt mit d.iesem Diktum gerade sagen will. Denn natürlich ist es .,eine ungercchtfcrtigle VcrkürLUng, wolltC' man die energetische Tätigkeit des Sprechers gegen die slatischc Machl des ,überlieferten Sprachcorpus' ausspielen"m. Dies hat aber mit der Wescnsthematisicrung der Sprache. die Humboldl im ,Energeia'-Diktum vornimmt. nichts zu tun. Einmal diesen - auf die Verwertung sprachwissenscbafilicher Systematik zielenden - Deurungsweg eingeschlagen, sind dem Assoziarionsporential kaum noch Grenzen gesetzt. Saffer gesteht zwar zu, daß "dieses ,Da· zwischenstehen' der Sprache aJs Ergon nicht bedeutet (Umst., U.W.). da.ß ihr ein eigenständiges Dasein zukommr" nl, der funktionale Charakte,r d.er Imerprctationsvariamc bleibt aber unvermindert erhalten: Sa(fcr, SprllchwdNldll:llttiit. :1..;1,.0.. S. In. 110 S,,((cr, SpI'lltlmulwu/u.rlllat, .u.O.. S. 178. m Ehd. m Ebd. '71 Ebd. ~,.
(,.
Humbold~
Erben: Chronologie zum Aufslil:'.g eines
Allgemeillpl.:m:~
325
"Ocr Sprache als Ergon spricht Humboldt eine Wirkkraft zu, insofern sie als ,form:! formara' Oost) dem Sprecher in sei.ner Verwiesenheil auf einen be.nimmtcn Wonschatz und einer von den Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft geteilten regelha(ten Gebrauchs desselben eine gewisse Freiheit, jedoch keine völlige individuelle Willkür erlaubt Mm .
Diesen ,Zuspruch' jedoch hat Humboldt in dieser Form ebensowenig erteilt, wie ..Sprache als ,forrna formans' vom Sprecher aus betrachtet eine ,forma formata' (...) hinterläßt (Umst., U.W.), als die wir Sprache in i.hrem Ergon-Charakter betrachten müssen" n5 . Saffer geht dam.it am Humboldtschen Ansatz auch deswegen vorbei, weil seine Zuordnungen auf den erSten Blick so einfach und systematisch prof'itabcl sind. Anders ehr. Steuer. In den Geschichten HlI7nboldts, in deren Rahmen die drei grundlegenden Rezeptionsprofile der Humboldl-Forscbung analysiert und zusammengetragen wurden, mußte bezüglich seiner Studie von 1997, die i.n einem großen Bogen den Zusammenhang von Schnft und Spracbe 776 untersucht. bereits die Einschränkung formulien werden, daß in dem ansonsten sehr genauen und systematisch äußerst dichl vorgetragenen Argumentationsgallg die Klärung der Humboldtschen Sprachlheorie zuweilen allzu mühsam auf das Saussureschc A.nsc.hlagbreu strukturalistisch-gewachsener Terminologie gespannt wird. Dies läßt sich an der Behandlung des ,Energeia'-Diktums gut ablesen. Schon die diesbezügliche Zwischen überschrift des zehnten Kapitels Wilhelm 'Von Humboldt: Grammatiscbe Wcltansichl'en ist mit dem TItel,Langage t und ,langue': ergon und energeia dieser Kontrasrierung gewidmet, wiewohl man von St.euer zu Recht erwartet, daß er sich diesen Vergleich nicht so einfach macht und gar eine simple Parallelisierung der Termini behauptet, wie sie zuweilen in der Geschichte des Diktums mit langue und parole einerseits und ,ergon' und ,energeia' andererseits vorgenommen wurde. Steuers spez.ieller Kontext ist zu beachten: .. Immer noch fragen wir nacb dem spezifischen Wert des Terms ,Sprache' in dem Kontext von ,Rede' und .Schrift"'7n. Bei Stelter überlagern sich nun verschiedene terminologische Ebenen, die er produktiv in Vergleichung bringen will. Da sind zunächst die Saussureschen Begriffe der langage. langue und parole einerseits und andererseits nicht nur die Humboldtschen Termini Sprache und Rede, sondern auch dessen Verwendung eben der Vokabeln, die von
11<
Salfer, Sprachindlvidualitiir. u.O.. S. 179.
m
s...rr..r. Sprachindividua/.tät, u.O.. S. 181.
". Der Text wird hier nadl der Tasch~nbuchausgJ.be von 1999 1.itien (vgl. Scbrift ul1d Spradu. Frallkfurl ...m h>bill 191)l}). m StC"lttr. Schrift und Spracht', u.O.. S. ·0447.
Su~lter.
ehr.:
Zweiter Teil: Humbolilu Gedächtnis
326
Saussure erSt zur sprachtheoretischen Operationalisierungsfähigkeit gebracht wurden: ..Wo das Dcut.'ichc nur .Sprache' und ,Rede' unterscheideI, bietet es (das Französische, U.W.) die Wahl an z.wischen ,langage', ,langue' und ,parole', und Humboldt nlacbt von dieser Wahl syslcm:ttischen Gebrauch. (...) Der parole mißt cr - dies ist "om Wongcbrauch her llahcgelegt - dieselbe Funktion zu wie der InSlanz. die cr im Deutschen ,Rede' nennt"ns.
Ohne Steners Beweisführung im einzelnen nachzuvollziehen. sei hier angemerkt, daß sich seine Analyse auf Humboldts Essai mr les langues du notlveau Cominent von 1812 stütz.t (lU 300-341). Entscheidend ist nun, daß bei Sterter eine Klasse von Beschreibungskategorien zur Erläuterung einer anderen herangezogen wird, die sich gegenseitig explizieren sollen, und d.iese damit als Folien übereinandergeschichtet werden. Ein Verfahren also. das allein schon deshalb schwierig ist, weil die betreffenden Termini nicht unbedingt auf der gleichen (sprachtheoretischen) Ebene an~ gesiedelt sind und kaum ohne eine Differenzierung des rezeptionsgeschichtlichen Hintergrunds der Begriffe für eine Analyse nutzbringend umgesetzt werden können. Das heißt jedoch gerade nicht, daß Stetters Gedankenexperimem etwa aussic.hts- und Humboldt gegenüber gar vollkommen rücksichtslos wäre. Ich folge dem Argumentationsgang Stetters in großen Schritten, um dann deutlich zu machen, wozu das ,Energeia'· Diktum schließlich von Stetter belichtet wird: ..Sieht man nun"77'), so Stetter weiter, "wie Humboldt die Terme ,langage' und ,langue' verwendet, so findet sich. daß das Wort ,langue' jeweiJs das Resultat der Artikulationsarbeit bezeichnet, die von der (aculte du langage geleistet wird - wem immer auch diese (aculre zugesprochen wird"780. Aus diesem Grund läßt sich auch von einz.elnen, eben spezifjschen Sprachen sprechen, die Resultat des Sprachgebrauchs sind. In dieser Hinsicht ist es daher auch "die Sprache qua langue (...). der die ganzheitJicbe analogische Struktur zugeschrieben wird, die Denken und Handeln Orientierung verleiht"7ljl und als solche ist sie auch betracht- und untersuch bar, man kann sie ..,mehr oder weniger umfassend analysicren"'7tr.!, weil sie "als eLn je Endliches ge~ dacht"78J werden muß. Dem gegenüber steht die Konzeption der ,langa-
ge', die in .Humboldts Sprachgebrauch das Korrelat (Herv., V.W.) des m
Ebd.
119 Sldrer, Schrift und Sprache. ;&.;1.0., S. 4048.
Ebd. 111 Ebd. m Ebd.
110
10
Eh
6. l-Iumboldts
Erb~n:
Chronologie zum Aufslicl; elncs
Allgcml.'inpl~lus
327
Resu.ltats"711~ bedeutet: "Di~
faculte du langage ist die Fähigkeit, Sprachen zu bilden und zu sprechen, sie ist generelle Anlage des Menschen"'IS. Steuer geht nun davon aus, daß mit "langage Sprache als Disposition und, Folge davon, (ebenso, U.W.) als Vollzug- 786 zu verstehen ist, weil .der gemeinsame Sprachgebrauc.h, die Sprache, wie sie aus dem Mund der Individuen und (Herv., U.,W.) arionen kommt"m, eben der Sprachgebrauch ist, "auf den man sich versteht und an den man sich gewöhnr"l15. Ln diesem Sinne - und hier ist die Untersuchungsperspektive Sterters der Klärung des Verhältnisses von Schnft und Sprache zu erinnern - nähert sich das Humboldtsche ,Verständnis' von langage und parole deutljch an, ..und doch bleibt in Humboldts Sprachgebrauch eine entscheidende Differenz deutlich erkennbar: Parole ist der effektive Vollzug, die ,jedesmalige Rede', in der der Gedanke definitiv formuliert wird. Im Wen von ,langage' dagegen ist die Konnotation einer Disposition nie ganz aufgegehen"'8 Q • Nun identifiziert Steuer das entscheidende Problem, in dessen Antwortspektrum dem ,Energeia'-Dikrurn eine Rolle zugewiesen wird: ,.Die Philosophie der Sprache hat bicr eine Paradoxie: festzuh:l1tCD, die im B~ griff des langage ihr Z~ntrum hat. Dieser B~griff steht quer l.U der Opposition von Faktizität und Möglichkeit, innerhalb d~r~r der W~n der Begriffe von Sprache und Red~ aUSl.uuriercn war"1'9O.
Es ist schon auffillig, daß Sterter diese Paradoxie ausgerechnet in ihrer ontologischen Querste1Jung crfaßt, wiewohl er auf eine.VenninJung zwischen beiden Modaljtätcn" m aus ist. Humboldt sei, so Steuers Beobachtung, in der gleichen Zwangslage gewesen, ja er habe sich gar .in kardinalen Sprachnöten- 79l befunden. Hier kommt nun das ,Energeia'-Dikrurn ins Licht, mit dem Humboldt, so Steners Bewenung, .sich (dann, U.W.)
doch beholfen""" habe: .Sprache als ,Erzeugtes' und ,Eneugendes' ist die Unterscheidung. die er (Humboldt, 'V.W.) in den späteren Schriften verwendct (...), um im OeutsGhen ein Äquivalent für die von ,langue' und ,langage' zu haben, bis er in der Einleitung ins Kawi-Werk die berühmtc Opposition von ergo" und enrrgeia nl 71$
~
Ebd. Steuer. SCJlrift und Sprach~. :u.O.. S. 448-449. Sm1n. Schrifl Nnd Sprach~. u ..O., S.....9.
n' Ebd. ,. Ebd. 7ft Ebd. 7'0 Ebd. ... Ebd. ,,: Ebd. 1") Ebd.
Zwcilcr l~il: HumboldD Gedichtnis
328
findet - eine UnterscheidulJg, die für seine Philosophie der Sprache sich so" mit in der Tat als zentr::IJ erweist, insofern sie die beiden Momente des Rückkopplungsprozesses benennt, ~Is den diese .Philosopbie d:ls Gesamtphänomen
der menschlichen Sprache bc:greift'"7"M.
Die en(Scheidende Aussage des Diktums sicht Stetter nun neben dem dargcstdlten Rückkopplungsprozeß darin, daß ..die jedesmalige Rede eine Spezies der Sprache ist (Urnst., U.W), insofern diese je auch als .Thätigkeil', dynamischer Prozeß - eben nicht als Seiendes, sondern als Werdendes zu begreifen ist", Diese gleichwohl rcduktionislische Umwcrt'ung der \'V"escnsaussagc zur Sprache hJO allei" auf das ,jcdesmaJigc Sprechen' macht nun Steuers Grundannahme möglich: .. Humboldts Sprachidee"~s, so die cQnclusio...wäre somit c.her als eine philosophie du I:mgage denn als eine des langues zu begreifen'"'1%. Charakteristika wie ..Strukturiertheil, Einheilen usw."791 werden demgegenüber ..in Humboldts Text stets der langue, dem ergon, dem Resultat zugeschriehen"7'.l8. Hier nun ist d.ie Paralleljsierutlg doch einmal eindeutig, und Steuer geht gegenüber seinem zentralen Gegenstand, der Schrift, sognr noch eine - deutlich ontologisch situierte - Nuance weiter: .. Wo diese (die Sprachet U.W.) gegenüber der Rede zugleich das Mögliche, das Allgemeine und das Resultat ist, ist die Schrift zwar auch das Allgemeine und das Resultat, aber nicht das Mögliche, sondern das Wirklichc" m . An dieser Stelle soll Steuers Argumentalionsgang verlassen werden. Es ist hinreichend deutlich geworden, da!! hier nicht Humboldt-Exegese im eigentlichen und strengen Sinne betrieben wird, sondern m.it allen zur Verfügungen stehenden Mitteln Beschreibungskategorien zunächst untermin.iert und dann neugebildet werden sollen, die den Zusammenhang von Sprache und Schrift offenkundig werden lassen können. Dies gelingt Steuers manc.hmal etwas filigran anmutender Beweisführung sehr wohl, was :J.Uch in der folgenden Analyse zu ..Materie und Form der Sprach e
Slcncr, Schrift
7'l5 r'lIi
Ebd. Ebd.
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Ebd.
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Ebd. Sl(~ncr.
Spr,.dJt!. :u.O., $. 4;'0.
Sprache, a.a.Q., s. 4S0--t51. Seim!! lind Sprache. ".a.O., S. 451.
"" Sletlt'r, SclJrift
100
IIIIJ
IIlId
6. Humboldl$ Erben: Chronologic~um Au(slicl; clnC$ Allgeml'inpluzc;\
329
wird daht:'r nicht einer gegt:'bcnen Mengt:' additiv hinzugefügt, sondern durch Be.trachtung und Umdisposition a//~r . . erfügbaren Rdauoneo neu gewonnen"jQl.
Und in der Tat ist es gerade eine systematische Kernaussage des Diktums, daß Sprache jeweils neu als Wirklichkeit eins ist. 1998 geht H.-E. Schiller unter dem Titel Die Sprache der realen Freibeit80l der Verbindung von Sprache und Sozialphiloropbie bei Wi/heLm VOll Humboldt nach. Das drinc Kapitel trägt das Diktum mit Energeia und Ergon der Spracbe. Empfindung und Bedeutung bereits mit dem Signal einer dichotomen Struktur in der Überschrift. Für Schille.r sind Energeia und Ergon gleichermaßen in einem demonstrativ erweiterten Sinne das Werk Humboldu durchziehende Motive, die sich auf verschiedenste Bereich seines Denkens erstrecken. So hat sich ,.der Primat der Energeia (...) in der politischen und ästhetischen Theorie Humboldu als die eigentliche Emanzipationskategorie dargestellt"';O.l. In ontologisch-anthropologischer Opposition dazu ist beispielsweise .in der Kunn (...) das Werk nur ein, freilich notwendiges Moment, das zwischen der Phantasie des Künstlers und der des Betrachters verminc!r; nicht in der Beschaffenheit ihrer Gegenstände, sondern in der Tätigkeit der Phantasie ist das Wesen der Kunst zu suc.hen"I~. Voll im Sinne des Energeia-Gedankens ist es für Schiller wiederum, daß "in der politischen Philosophie (...) Humboldt den politisch-rechtlichen Freiheirsbcgriff auf einen gesellschaftlichen Begriff der Selbstbestimmung als Selbstverwirklichung gründet" sos . Es ist fast zwangsläufig, daß ein solches, erweitertes Verständnis nicht ohne eben die ,Erweiterungen" auskommen möchte, die das Humboldtsehe Werk selbst so geradewegs nahe zu legen scheint. Auch im politischsozialen Sinne ist es daher evident, daß sich ..die Energie (Herv., U.W.) in einem Resultat objektivieren muß (Umst .• U.W.), aber (...) sie darf nicht letztlich diesem dienen und so als bloßes Minel auJgefaßt werden. Der Vorrang der Energeia bedeutet (...) auch hier nicht Verzicht auf Wirkung, sondern Wirkung auf andere. IndividuelleSeibstverwi.rklichung ist nur im Zusammenwirken der Individuen möglich" 806 . Nun wendet Schiller den Argumenutionsgang auf die sprachtheoretische Perspektive, und es überrascht nicht, daß zunächst der subjektivitätstheoretischen ImerpretalionsCl
Strurr, Schn'ft .nd SpracM. u.O.. S. 452-453.
t:.!
Schiller. 1-1.-E.: Df~ Sprilch~ Jn rt31~n Fmh~il. SproieiH Nnd Soz",tphJ/osopht~ bn von J-lNmboJdt. Wunburg 1998. hillu. D,~ Spra€b~ dt'T rea/m FreJJtIl• ........ 0 .• S. ]9.
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Ebd. Ebd.
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330
Zwritt"( Tdl: HumlxJldtS Grtt:ichlnis:
mOtivik die Aufgabe bleibt, Grundlegendes zur Auslegung des Diktums beizutragen: ..Zentral für den Energeia-Begriff überhaupt ist die Selbsrtät;gke;l, die sich freilich mit Empfänglichkeit verbinden muß"807. Und erst ..in dieser Verbindung ist die Selbsnätigkeit (Umst., V.W.) WeltaneigJ1UTlg, kein reines Setzen, keine bloße Innerlichkeit, aber immer individueU"sclI. Ohne Humholdts Tex.tstc.llc nun eingehend auszulegen. aber gleichwohl diese zitierend, wird ihr ein folgenscbweres Reduktionsuneil zuteil: "Die berühmte Ste.lle der Einleitung zum Kawi-Werk, in der Humboldl die Begriffe Energeia und Ergon auf die Sprache appliziert. scheint im Gegensatz zu den Befunden der Sozi:ll· und KunSlphilosophit die sprachJi,hc Subjektivitiit in ('ins~il'iger W('is~ zu ('rhöhtn"$O'l.
Beide Unterstellungen. die explizite der subjektivitäLStheoretischen Reduktion wie die implizite. Humboldt habe den ,Energeü'-Begriff eben nicht nur in der Kawi-Einleitung. sondern durchgängig gebraucht und anwendbar gchalten, entsprechen - wie wir gesehen haben - nicht der Auffassung des Tegcler Philosophen. Damit sind jedoch für Schiller Vorentscheidungen getroffen, die ihn nun den Gehalt von Humboldts Di.ktum auch ausdrücklich verwerfen lassen. Große Teile der ganzen Paletre bekannter Mißverständnisse und Fehlschlüsse, die in der Rezeptionsgeschichte des Diktums ausgebildet und daher auch in dieser Chronologie dargestellt wurden, und die - darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden - von Humboldt selbst in VlI 45-46 explizit und unmißverständlich ausgeschlossen werden, kommen nun noch einmal konsequent ins Sortiment des auf Argumemationsproduktivität angelegten Interpreurionskaulogs. Zunächst der doppelte Charakter von Ergon und Energeia. der - wie sollte es anders sein - implizit auch als ,Humboldt-Vcrbesserung< daherkommt: .. I-fauen wir bislang Anlaß, die Werke als untergeordnete, abcr nOlwendig(' Momente der energetischen Tiitigkeit anzusehen, scheinen sie hier vollstilodig geleugnet. Ocr Vorrang der Energeia scheint sich zur Ausschaltung des WerkbegriHs zu steigern. Aber dieser Schein trügt"SIO.
Um diese AuHassung nun näher zu begründen. braucht Schiller wiederum einen reduzienen Sprachbegriff. Vollkommen konträr zur Intention des Tegcler Philosophen, der mit dem ,Energcia'-Diktum eine grundsätzt::I'
lICt lO'f
111:
Ebd. Ebd. Schillt:r. Dll: Sprad~ d" wJ/~n Fmhru. ~.o.. S. 80. Ebd.
6. Ilumboldts E.rbcn:
Chronolosi~
zum
Auf~tiq; ~incs
AlIgl:meinpl:n7.cs
33 I
liehe, uneingeschränkte und allgemein gültige Wesensaussage zur Sprache m.achen will, fühn er .aus: "Zunächst liegt auf der Hand, daß i-Iumboldt hier von der Spr:ache in einem eingeschränkten Sinn spricht: .Unmittelbar und streng genommen' kann dll:r Energeia·Satz nur ,die Definition des jedesmaligen Sprechens' sein, der konkreten Rede also. Wie bon Humboldt meinen, daß das Wesen der Sprache in einer Definition der Rede apodikrisch bestimmt werden kann? Existieren nicht Wortschatz und Grammatik: unabhängig von der Rede? Sicherlich ja" lll .
ur das ist ja eben gar nicht Humboldu Problem. Er empfiehlt sogar eindringlich. yon diesem abzusehen, wenn es um die Sprache, ..in ihrem wirklichen Wesen .ufgefasst" (VII 45), gehen muß. Trotz oder gerade wegen dieser problematischen Vorentscheidungen, mit denen Schiller in der Rezeptionsgeschichte jedoch - wie ich gezeigt habe - keinesfalls aU eine steht, enthalten seine Reflexionen durchaus interessante Aspekte und zeigen wieder einmal, wie aufschlußreich es sein kann, Humboldt mißzuverstehen. Ich folge dem Gedankengang einerseits kurz, um dies deutlich zu machen, wdererseiu auch deswegen, weil hiermit noch einmal ein Beispiel dafür gegeben ist, wie es eben zum unaufhaltsamen Aufstieg von Al1gemeinplätze.n kommen kann. Humboldts Entschiedenheit ist für Schiller nur feierliche Ergriffenheit: ..Das Pathos der Energeia ist auch eine Veneidigung der lebendigen Rede gegen die Herrschaft wissenschaftlicher Objektivierung"811. Auch wenn Schiller hier einen Teil von Humboldts Lntention zutreffend markiert, kann dies doch nur die innere Spannung zu Thesen wie der folgenden erhöben: .Schon der Begriff der Arbeit, in dem sich das Energeia-Konzept hier näher bestimmt, liefen interne Gründe dafür, daß die Werkkategorie nicht ausgeschaltet werden kan.n- su . Sich eines solchen Spannungsverhältnisscs durchaus bewußt, r3ngien Schiller zwischen einer mehr therapeutisch als argumentativ anmutenden Textcharakteristik (Humboldts .metaphorische Redc"'8H) und einem Herbciargumemiercn dessen, was unbedingt sein soll und muß: .Das Resultat der sprachlichen Äußerung ist im eigentlichen Sinne kein äußeres Werk, aber es muß doch eine selbstiodige Existenz erhalten; und diese ist. auch wenn sie selbst wiederum nur in mem Vollzug bestehen kann - nämlich im Verstehen des Anderen - ebc.n doch eine Wirkung der spn.chlichen Tatig.
"I Ebd. •u Schiller, IU Ebd. •,. Ebd.
Di~
Sprache (/tl' rea/~n Freihm. 11 •.:1..0.• S. 81.
Zweilcr Teil: Humboldt$ Gcdächlni$
332
keil. di~ von ihr ~Ibst d~utlich untt'rschied~ ist - so ~hr, daß die Möglichkeit des Mißverstindnases immer mitgegeben ist. In diesem Sinne vollrndl.'{ skh die Sprache als konkrete Tätigkeit oder Energeia eben doch In einem werkhallen Resultat, .. ·.15.
Und mehr e.ntschuldigend als ergänzend wird eingeräumt, daß das so verstandene Resultat ... immer nur cin Zwischenresultat sein kann und der Vorrang der Energeia sich eindeutig bestätigt"'Sl6. 0 gefestigt. fällt das vermeindich Notwendige leicht: ..sprache in also einerseits nur Erzeugnis
des Sprechcns, andererseits setzt jedes Sprechen Sprache voraus. Das in ein offenkundiger Zirkd, den Humboldt freilich hinzunehmen Ichrt" BI7• Ohne Zweifel ist dies der FaU, Humboldts K.emaussage zum Wesen der Sprache lehrt jedoch vorderhand ganz anderes. SchiJIer erliegt d.. hrr abermals der Versuchung der Humboldt-Korrektur: ..Dicsem Lnventar (Grammatik und Lexikon. V.W.) gegenüber hat die Energeia der lebendigen Rede den Primat, ltbcr sie beseitigt nicht se.ine objektive Wirklichhit. Deshalb ist die dem Ene:rgeia-S.uz vorangehende. weniger apodiktische Formulierung dC'm w",hren S3.chvC'rhalt nach Humboldts eigener Theorie angemessener. .M.a.n muss die Sprache nicht sowohl wie ein todtes Erzeugtes sondern weit mehr wie eine Erzeugung ansehen (... )''''11.
Bezüglich der Eindeutigkeit, ob und inwiefern die Sprache Voraussetzung allen Denkens ist, läßt Schiller nun auch - Humboldts Theorie kaum angemessenen - Spielraum, denn das Postulat, daß ..der Vorrang der Encr geia aufs engste mit der Wechselwirkung von Denken und Sprache verbunden in (Um sr., U.W.)'"8l'. läßt [rotzdem zu, daß die Sprache "mithin Selbstzweck und Mittel zugleich (ist. V.W.). Mittel ist sie als objektivier (er Vorrat allgemeiner Regeln des Gebrauchs und der Verbindung der Wörter, weil nur so die unerläßliche Verständigung zustande kommt. Selbstzweck ist sie:us gedankenbildende Energeia-no. Somit ist die Sprache. für SchiUer auch denkbar, wenn sie nicht Energeia ist. Humboldt dazu: Die Sprache "is( kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia)" (VU 46). Schillers Argumentation, die sich im folgenden an der Differenz von Sprache und Rede orie.ntie.rt, kann an dieser S(elle verl.assen werden. vI Es 4
4
11$
11. _11
Schiller. Dir Spra<'h~ dn- p-r"fm FmMII. u.O.• 5.82. Ebd. xhiller. DI~ Spro1cIH Jn- T~.I~1f Fmimt. a.a.O.. S. 83.
... Ebd.
'I'
Schiller. DI~ Spracht JeT rralm
&lQ
Ebd.
FrtJb~it. a.a.Q.•
S. 84.
111 Vj;I. da:LU ..Für dir Energei.a der Rede ergibl sich JUS dem Antdl der Sprache 201'\ der Uil~ dung der GedAnken du folgende: 0;(' Rede isl nur It'btondig. soweit sie Sclbsniligkeit. j('-
6. I-Iumboldu Erhen: Chronologil' zum Aufslic.'l; cinn: AllgemeinpbtZt's
333
ist deutlich geworden, welch reicher Argumemationsspielraum in sprachphilosophischer Hinsicht entSteht, verlaßt man den HumboldtSchen Boden eindeutiger Wesensbestimmung der Sprache. Auch hierfür sollte Schiller als - bislang jüngstes - Beispiel dienen, das in dieser Perspektive durchaus gewinnbringend iSL Schillers Ausführungen können - kurz vor Schluß der Chronologiezum Anlaß genommen werden, zumindest die Frage zu formulieren, inwieweit eine solch freie Handhabung des Diktums statthaft ist. Die These der vorliegenden Studie zur Arist.ot.elisdJen Ontologie im Sprachdenken Wilhe1m von Humboldts ist, daß es vor allem gewinnbringend ist, Humboldts Sprachverständnis selbst zu rekonstruieren, und daß allein hierin schon ausreichend produktive Perspektiven und Fragestellungen gefunden werden können, die einer Kenntnisnahme und Konsequenzensichrung besonders wert sind. Rezeption lebt allerdings offensichtlich in bestimmten Problemkome.xten auch und gerade vom Reiz des Mißverstehens, und daß dieser Reiz ungemein groß sein kann, dies zeigen auch Schillers durchaus spannende Ausführungen, die ihre Anziehungskraft unscbwer in sich selbst tragen. Plastisch wird dies vor allem in der MarxHumholdt-Kontrastierung. Weiter am - auch als historisch verstandenen - gegenständlichen Charakter der Sprache entlang argumentierend, registriert er: ..,Die Tradition aU er tOten Geschlechter', so läßt sich mit Mau kommentieren, ,lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebendenro,w. Sc_hillers Anmerkung trifft HumboldtS Sprachverständnis nur geringfügig und äußen, was immer möglich ist, trotzdem einen interessanten Gedanken: .0aß ein Mux-Zitat. aus gmz anderen Zusammenhängen entnommen. zur HumboldlS(:hen Sprachphilosophie als Kommenur paßt, ist ;a.lles andere aJs Zufall. Zwischen dem Emanzipationsprognmm d~ hislOrischcn Materialismus und Humboldts Primat der Energeia als lebendiger Rede bcst'eht nämlich eine unverkennbare strukturelle Analogie. In der gesellschaftlichen Form
U!
weils n~e liildung iSl" (Sc.hilll'r, /)jj' SprllaJt r/(!r r('I1/('11 Fm/mt. <1."1.0.• S. 85). - "Energeilo ,l.~r k;lnn die individuelle Rede nur sdn. weil die- Sprache olls ein vom jeweils Ge--d...ch,en Untuschicdencs oln der- 8ildung der Gl'd;lnken mitwirkt- (S. 85). - .Oie Spnchl' K"1b$l. in ihrl:m Unll:rschll:d zur RfiJe. in du sie ihr Du('in hat. ist Energ<'ia.. Sdb~lÜtig· kdl. die nicht von den Gedanken du rcdl'nden Subjl'ktl' inszl'ni<'f\ wird" ( . 85). - "Di<' jewdlige- Rede- k",nn nur EncJl;ci.a, IbstUlIghit $ein, wl'il die pracM. die si~ 7um D~· snn bringt. Enirgdol iSt. JfiJ(' R«!l' isl somit Ine:iru.nd~r z.w~iC'f" KmtC' odl'r Sdbsmtigkdtm, Enir"gel.lo dcr pr.ach(' und dn sprechmd<'ll Individuunu. Di~ Arbeit dt'$ Gnsu:s iSI tin~~bc:un in l'in Emlonationsgesche:hc:n, du rOChe in Ikgriffm von Arbei1 und Handlung gdaßI werden k.tnn" . 81). - .. Di~ En&-gei.a d~r Sprach(' im Sinne der Jl'bcodigcn pfa(,'h-form iSl. wiewohl ~Ibst hislOri~h slIuil'n. ür do:n R<'dC'ndl'n unhinlU};ehbar" (5. 87). SchiUer. /)/l' Spra~/,C' dn' "dien Fmhcll. iU..O .. S. 87.
Z..... eiter Teil: Humooldl.$ GL'
334
des Kapitals herrschi nach Man die tote, geleistete Arbeit über die lebendige wie im Spnchsysu~m nach Humboldt die gesprochene Rc.:.-de über dt'n einzelnen Sprecher. (..) Und wie Marx einer zukünftigen Gesdlschaft die Aufgabe zuweist, die vcrgegenslindlichtc Arbeit z.u einem Mittel der SeJbsrvcrwirklichung zu machen - in der Ancignung der gesc.hichLlich entwickelten Produktivkräfte durch die frei :lSsoziiencn Individuen - so muß nach Humboldt die Rede das IOle Erzeugnis der Wöncr und Regeln in der gesellschaftlichen Mitteilung der Individuen aneignen und lebendig nu.chen. (..) Die Ancignung der gesellschaftlichen Sprachproduktionskräfte durch das sprechende Individuum ist der Kern dessen, was Humboldt als die Freiheit bezeichnet, der di~ Spn-
ehe bedarf-wo
Es wird zu zeigen sein, daß HumboldtS Programm noch ungleich radikaler ausfällt. nicht in der Befreiung des .Ergons', sondern in einem Wescnsverständnis der Sprache, das solche Divergenzen wie die aufge,zcigtcn einfach mit sich reigt. Die Subversion des Dialogischen geht bei weitem über die materialistische Kollaboration des Dialektischen hinaus, Bemerkenswert bleibt (und dies kennzeichnet die .Energeia·Rezcption' Schillers), daß Argumcntationswege wie der seine nur möglich werden. dehnt man den Wirkungs- und Interprel"ationskrcis einerseits deutlich aus (im Hinblick auf die Argumentuionsfe1dcr), reduziert man andererseits aber gleichzeitig das Begriffsverständnis so weit., daß eine operationalisierbare terminologische Plattform entsteht: ..Der Vorrang der Energeia. der uns bereits in der Äst,henk, in der Sozial- und Sprachphilosophie begegnete. regiert 3.150 auch die Anthropologie, die jene Gebiete fundiert" sH • In der Notwendigkeit." für Vieles so Genaues bedeuten zu müssen, verlien das ,Energeia'-Dikrum sein systematisches Format für eine Sprachtheorie, die eben dadurch ihre revolutionäre Qualität gewinnt, daß sie das Grundlegendste aUen menschlichen Denkens und Ha.ndelns zum Gegenstand ge· winnt: .. Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst" (VII 45). Als letzte Position in der Geschichte des ,Energcia<·Diktums 5011 hier en passant die eher llnspektakul~re Besprechung von A. Gardt erwähnt Delttschsein, der 1999 in seiner Gesc/,iclJle der Sprachwisfe1lschaft Innd 815 das Hllnlboldt-Kapilcl außer mit dem Namen des Tegeler Philosophen wenig spezifisch mir prnche ,md Denken überschreibt. Solche an allgemeinen Aussagen orienciene Darstellungen - finden ihren Nieder· schlag auch in der - äußerst kurz geha.ltcncn - Thematisierung des ,Energeia'-Dikrums: .. Wichlig ist bei aU dem, daß für Humboldt die eigentüm-
"1
Jrr rt'dl('ff Fm/mI. ~O.• S. 7·88. u· hil1t'f". D,r Spr«chr JrT rr../t"'/ FrrJml. a..2.0.. S. 135. U) G2tdt. 1\.:. Grwm:btc da f;pra~Jrtl:mrnsdll,ftIn Dt'lftJLhL:.na Vom M/Ur"'ll" bIS w Schillc.r, D,~ Sprach~
]ahrJ)lmdm. Ikrltn. Nn,' York 1999.
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10
(,. Humbol.hs Erben: Chronolilgic 7.um Aufstieg eines AllgcmcinplalzCli
335
liebe Weltamieht seiner Sprache nicht durch irgendeinen gördichen Ein~ fluß zustande kommt.., sondern Produkt des historischen Menschen ist" S16• Nun folgt - etwas zusammenhanglos und nur mittelbar verknüpft - die Textpassage des Diktums aus de.r Kawi-Ei7,leitung VB 45-46. Ohne auf das von Humboldt Vorgebrachte näher einzugehen. zieht Gardt aus der weitgehend deskriptiv verfahrenden Vogelperspektive folgende Konsequenz: .. D3mit i.St z.ugl~ich der Spnchwandcl als etwas der Spnche Inhärentes. Selbstverständliches bestimmt. aber nicht durch Rekurs auf den VergänglichkciulOpoS. sondern Lm Gegenteil durch die Anbindung der Sprache,ln du Wirken des sich in der Zeit \'cränderndcn menschlichen Geistes. cl.h. letztlich an das Handeln des Mcnschcn" u7.
Natürlich muß der Anspruch Gardts einer groben. überblicksorientierten Darstellung ernstgenommen und seine Einordnung des ,Energeia'-DikLUms auch auf diesem Hintergrund bewertet werden. trotzdem ist gerade seine Handhabung offenkundiger Beleg dafür. daß auch am vorläufigen Ende der Cbronologie zum unaufhaltsamen Aufstieg einer A/lgemei1Jp/at. zer trotz so vieler gelungener Annäherungen eben dies ungehinden möglich ist: der Allgemeinplatz.
6.7 Rezeptionsrypologie Di(' Chronologie sammelte Beiträge zum ,Energeia'-Diktum über ei.nen Zeitraum von 150 Jahren. Sie kann keine Vollständigkeit behaupten, vielmehr mußte eine Auswahl aus der fast unüberschaubaren Fülle der Interpretationsvarianten getroHen werden. Einzelne Positionen sind zudem sicher unerkannt geblieben. Schwerer wiegt.., daß bereitS innerhalb der Variationsbreite, die allein schon einzelne AutOren bzw. Autorinnen teilweise über einen längeren Zeitraum hinweg - entwickelt haben, Schwerpunkte gesetZt werden mußten. die sich manches Mal mehr an den Bedürfnissen der Rezeprionsgeschichuschreibung orientierten, als den AUlorinnen und Autoren bis ins letzte gerecht werden zu können. Für cinigc von ihnen gilt ein vielschichtigeres Bild. als es hier gezcichne; werden konnre. Trotzdem repräsentieren die immerhin knapp 70. in unterschiedlicher Intensität und Breite vorgcfühnen - Positionen das Spektrum der ,Energeia'-Rezeption nahezu erschöpfend. RichtSchnur für ein vor al~
GUdl. C"s.rh,mu dff pr4cWmrrts
W
Ebd.
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Zweilcr Teil: Humuoldts Cedic!ltnis
lern systematische Klarheit erzielen wollendes Raster der einzelnen Positionen war - dies wurde zu Beginn des Kapitels klargeslcJlt - das ontologische Auslegungsverständnis, wie es in der Einleitung projckticn wurde (und das trotz hoher Plausibilitiit nun erSt recht näherer Erläuterung und differenziener Beweisführung bedarf). Diese Verfahrensweise war nötig, um zumindest ans:uzweise den rOlen F.aden in einem historisch und systematisch vollkommen disparaten Feld aufrecht erhalten zu können. Sucht man eine schlüssige Bilanz aus der Chronologie zu ziehen, so fällt zunächst auf, daß die behauptete Dtsparität sicherlich das wichtigsu~ Ergebnis der Untersuchung ist. und diese Beobachtung siche.r mehr ist als ein AUgemeinplatz. Selten sonst hat eine einzelne Wendung. ja ein einzelnes WOrt, das allein aus Gründen der NeulraJität hier lieber mit ,Dikrum' als mir ,Satz' oder ,Definition' bezeichnet wurde, solche Rezcptionsproduktivitiil erfahren wie Humboldts Passage aus der Kawi-Einleitung, und selten haben sich, dies zeigt allein schon die systt:matischc Geographie des Rezeptionsspielraums, eine solche Fülle von Interpreten - teilweise cingc.·slandencrmaßen - nicht im engeren Sinne an dem orientiert, was der Schreiber des Originals - hier Humboldt - mit dem Diktum im originären Sinne eigentlich herausStellen wollte bzw. auf was er abzweckte. So 7jehl vor allem die hier gewähhe philologische Perspektive einer um die Rekonstruktion originärer Theoreme des I-Iumboldtschen Sprachdenkens bemühten Verfahren architekrur notwendig eine Position der ,Kritik der Positionen' nach sich, ohne jedoch - darauf sei explizit hingewiesen - die dar.J.uf aufbauenden systematischen Weiterentwicklungen kritisieren oder gar bewerten zu wollen: ,Nur' die Rezeption des .Energeia'-Diktums sund hier zur Debatte, eine um die Frage der philologischsystematischen Authemizitiit der Rezcptjon konze.ntrierte Analyse, die verständlicherweise nur begrenzten Aufschluß darüber gibt, inwieweit die daraus abgeleiteten bzw. si h darauf stützenden wissenschaftlichen Ansätze etwa kohärenr oder nicht, transparent oder eben nicht, profitabel oder weniger profitabel für einzelnl' Forschungsbereiche, oder lerLdich gar als ,richtig' oder .falsch' zu qualifizieren sind. Noch nicht einmal die Identi· fibrion der wissenschaftlichen Disziplin. innerhalb derer das Dikrum "crwendet wurde, kann immer eindeutig ausfallen: Sprachphilosophic. Sprachtheorie, Anthropologie. Ästhetik, Litcraturtheorie und politische Theorie führen die Liste der wissenschaftlichen Kontexte an, die damit jedoch nicht abgeschlossen ist. In diesem Sinne muß auch die folgende, offene Rezeptionstypologie verstanden werden, die die sichtbare oder zu unterstellende Perspektive der Rezipiemen zur Grundlage der kategorialen Elllscheidung macht, a.1so nicht thematisch oder qualitati,' oriemien ist, sondern das Erkennmis·
6. Humboldu: Erben: Chronologie: Z.UTIl Aufstieg tll1es AlIgcmeinpl,uus
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interesse der Autorinnen und Aumren versucht ernstzunehmen. Auch werden viele der Positionen nicht eindeutig in die eine oder andere Kategorie zu rubrizieren sein, Mischformen sind die Regel. Zu den drei Rezeplionsprofilen, die in den Geschichten Humboldts vorgeschlagen wurden, st.ehen die einzelnen Typen mehr quer als analog, da noch nicht einmal alle .Energeia'-Rezeptionen im eigentlichen Sinne zur HumboldtForschung gerechnet werden können, auf die die Analyse der Rezeptionsprofile gerichtet war. Ungeac.htet der Tatsache, daß auch eine offene Typologie nur in schablonenhafter Weise geeignet sein kann, das Feld in angemessener Weise zu charakterisie,rcn. kristallisieren sich bei grobmaschiger Schematisierung acht Typen heraus. die evident sind. Die in der Chronologie angebrachte Kritik entfällt hier weitgehend. es geht ausschließlich um eine strukturelle Analyse der perspektivischen Konstellationen. Um den Orientierungswert der Typologie zu erhöhen, wird sich jeweils auf ein Beispiel beschränkt. Die acht Typen sind: (I) Ocr sprachprobLemaliJierende Typus: Innerhalb des sprachproblematisierenden Typus dient das DiktllOl vor allem dazu, Sprache bzw. die Sprache zum wissenschaftlichen Problem derart zu machen, daß aus dem gewonnenen Problematisierungshorizollt lnstrumemarium entweder spr.achwissenschaftlicher oder auch sprach philosophischer Provenienz kondensiert werden kann. Ein sehr großer Teil der Rezeption gehört zu diesem ersten Typus. Als markantes Beispiel für einen ersten, sprachwissenschaftlichen Untertypus [all für den das interesse (nicht immer wird dieses Interesse auch konkret umgesetzt bzw. spezifisch operationalisiert) der Gewinnung sprachwissenschaftlich verwertbarer Kategorien besonders charakteristisch ist, sei hier L. Weisgerber (1954) genannt. Exempel für den zweiten, sprachphiloso-
phischen Untenypus [bJ, bei dem das Diktum zum Anlaß des Philosophierens über Sprache wird, ist M. Heidegger (1959). In beiden Fällen jedoch geht es darum, das Diktum zum Anlaß weiterer Reflexionen zu nehmen. die dessen eigentlichen Interpretationsspielraum mehr oder minder zügig zu verlassen suchen. Im Anschluß an Humboldt beginnt vielfach erst der eigentliche ArgumentationshoriZOllt.
(2) Ocr exegetische Typus: Kennzeic.hnend für den exegetischen Typus ist das Bemühen. das Diktum philologisch ricbtig - und damit eng - auszulegen, seine Bedeutung aus dem Text he,rauszukristaUisieren, zunächst auch eine zutreffende .Über-setzung' zu leisten (t!;~Yllm~) meint u.a. Auseinandersetzung, Darstellung. Auslegung, Deutung, Erklärung). Eine Vorgebensweise, die trotz oder gerade wegen ihres
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ZWeilC! Teil; Humboll.llS Gl'tl;ichlnis
handwerklichen Charakters beträchtl.icbcn Aussagewen hat und die sich vielfach im Konstitutionsrahmen Humboldtscher Sprachtheorie aufzuhalten vermag, wenn auch die Reicbweite und das Erklärungspotential der Imerpreration notwendig begrenzt bleib[. Beispielhaft kann hier der frühe Steimhal (1851) genannt werden. (3) Der rekQ11Struktive Typus: Innerhalb des rekonstruktiven Typus wird versucht, zunächst ei.ne originäre AristOteles-Analyse durchz.uführen, deren Ergebnis dann auf das Humboldtsche Diktum zu übertragen und erst dann weitergehende Anwendungsperspektivel\ für Humboldts Sprachdenken insgesamt zu umgrenzen. Nicht unbedingt trifh dieses Verfahren immer den Sachverhalt genau, weil Aristoteles' terminologisches Plateau verschiedene Bedeutungen zuläßt bzw. generien und auch hier noch sorgfältige Auswahl betrieben werden muß, um bei der Anwendung auf und der Bearbeitung des HumboldLSchcn Spracbdenkens nicht fehlzugehen. Die Neigung, das Diktum als Erinnerungsformat und damit in seinem Erschließungscharaktcr zu nutzen, ist hier am größten. Typus drei verspricht auch die größten Erfolgschancen für eine originäre Interpretation des Diktums, vorbehaltlich dem Anforderungsprofil, man ist an einer Re· konstruktion des Humboldtschen Sprachdenkens interessiert. Markantes, aber nicht einziges Beispiel für diese Verfahrensweise ist Di Cesare (1988). (4) Der legitimarorische Typus: Ocr legitimarorische Typus dient vor allem dazu, eigene Positionen durch die Autorität ,Humboldt' zu legitimieren. Der eigene Ansatz kann viel, wenig oder g'lf nichts mit Humboldtschcm Sprachdenken zu tun haben. Eine weite Bandbreite ist möglich. Beispiel ist hier N. Chomsky (1966). (5) Der explizierende Typus: Der explizierende Typus wird genutzt, wenn eigene Beobachtungen und Theoreme bzw. them;nische S~ch verhalte, die mit Humboldts Diktum nur mittelbar in Verbi.ndung stehen (ob dies vom Rezipienten bzw. der Rezipientin nun eingestanden wird oder nicht), durch das Diktum Erläuterung erfahren bzw. explikariv gestützt werden sollen. Das Diktum erfährt hier keine Auslc· gung im genuinen Sinne, es hat illustrierenden Charakter für angrenzende oder im einzelnen weiterführende Überlegungen. Ocr Typus fünf weist auf den ersten Blick eine strukturelle Nähe zum Typus vier auf, ist jedoch im Gegensatz zu diesem nicht auf die Lcgitimation ganzer wissenschaftlicher Ansät7.C gerichtel~ sondern bezieht sich auf Einzclfragc.n, für die mehr die explikatorischc als die legitimatorische Funklionaliriit des Diktums behauptet und dann akquiriert wird. Beispiel für diese Vorgehensweise ist v. Po,lenz (1991).
{,. Humboldts Erben: Chronologie zum Aufstieg eines AlIgemeinpla.Lz~s
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(6) Der transferierende Typus: Das Bemühen, methodisches Instrumentarium für weitergehende Untersuchungen zu gewinnen (wie dies z.B. bei Typus I [al zu sehen ist), kann sich auch auf andere Wisscnschafrsbereiche als den sprachwissenschaftlichen erstrecken bzw. ausweiten, wie zum Beispiel H.-E. Schiller (1998) dies vorführt, der damit stellvertretend für den sechsten Typus steht. (7) Der rezeplionsgescbichlliche Typus: Zunehmend wird in der Geschichte des ,Energeia'-Dikrums auch die Rezeption selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse tragen zu eigenen Deutungsversuchen und den diesbezüglichen Sondierungen bei. Herausragendes Beispiel ist L. JOSt ( 1960). (8) Ocr deskriptive Typus: Rezeptionen des deskriptiven Typus beschreiben oder nellen dar [al bzw. katalogisieren [b]lcdiglich HumboldtS Diktum, zitieren es mit dem Interesse, es genannt 7;U haben, und verzichten weitgehend auf Auslegung. Beispiele hierfür sind A. Keller [b] (1989) und der zuletzt genannte A. Gardt [al (1999). Allgemeinplatz heißt hier in dessen erster Bedeutung, daß in diesem Typus das Diktum so gut wie keinen Aussagewert entfahen kann. Soweit die offene Typologie, die das wissenschaflshistorische Phänomen ,Energeia '-Diktum über die Beschreibung der einzelnen Positionen hin· aus transparent machen sollte. Fast alle der konkret beschriebenen Positionen sind Mischformen und müssen eigens auf einem Rezeptionstableau verOrtet werden, das durch die aufgezeigten acht Typen konstituiert ist.
6.8 Überleitung Mit der ChronoLogie zum aufhahsamen Aufstieg eines AUgemeinplalzes endet der zweite Teil HumboLdts Gedächl1lis, der die Vieldimensionalität der Rahmenbedingungen von Humboldts großartigem aristotelischen Erinnerungsprojekt in Vergangenheit., Gegenwan und Zukunft auJzeigen und umspannen sollte. Das sechste Kapitel bearbeitete zuletzt die Rezeplionsgeschichte Humboldts im spez.iellen Focus des ,Energeia4 -Diktums. Das Erikett des Allgemeinplatzes ist Ergebnis eines süllschweigenden Öffnungsdekretcs, das die Rezeption des Diktums erfahren hat, und meint in seiner universellen Bedeutung, daß es in der Geschichte des Diktums so gut wie jede Erklärungsvariante gab, die für denkbar zu halten möglich war. Dies sprich I entweder dafür, daß Humboldts Diktum in der Tar ein Allgemeinplatz ist, oder daß bislang noch keine Rekonstrukrions-
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Zweiter Teil: Humboldts Ged:ichUljj
arbeit geleistet wurde, die eine ausreichend spezifische und damit möglichst genaue Interpretation zu er7_ieJcn vermag. Eine der Grundthesen dieser Studie ist, daß diese - von Humholdt intendierte - spezifische ßcdeumng rekonstruierbar ist. Anknüpfen muß das Verfahren für eine solche Rekonstruktion beim drineIl Typus der Rezeplionstypologic, womit angezeigt ist, daß es zunächst um die Sichtung des aristotelischen Standpunktes selbst gehen muß.
Intermezzo: Sprachwirklichkeit Humboldts Erinnerungsprojekt einer Weltverwandlung in Sprache tritt im drjtten und vierten Teil in die engere theoretische Rekollsrruktionsarbeil ein. Die Ontologie des Arisloleles - so kann die anfangs eingeführte These nun nach der Sichtung von Humboldts vennciml.ichcr oder auch tatsächlicher systematischer Erbmasse (Kap. 6) wiederaufgenommen und spezifiziert werden - bietet Rahmen, Gerüst und Problemqualität für das Verwandlungsprojekt. so daß in den folgenden d.rei Kap. 7-9 zu klären sein wird, welches Verständnis Humboldt von der aristotelischen Ontologie entwickelt haben muß, um sein Vorhaben realisieren zu können, Dafür soll zunächst die Ontologie des A.risloteles in ihren Umrissen dargestellt und damit dessen Vorstellung davon theoretisch eingeholt werden, auf welche spezifische Struktur und auf welche ontologischen Anspruchshalrungen sich eine tragfähige Ordnllng der Wirklichkeit berufen kann. Um dem spezifischen Verständnis Humboldts indes möglichst nahezukommen, werden verschiedene Texte des athenischen Philosophen ineinander verschränkt gelesen, eine Vorgehensweise, die nicht nur den vor allem in den Kap. 4-5 aufgedeckten Str:ttegic.n der Erinnerungsarbeit Humboldt's analog verläuf~ sondern die - wie sich zeigen wird - auch den Charakter aristotelischer Texte trifft. Die Analyse entfaltet damit aber keinesfalls einen losgelösten Schematismus, der irgend wann in einer dann gleichsam technischen Komrasuerung der Bcgrifnichkcit Humboldtsches Sprachverständnis erreicht. Mit dem Einstieg in die aristotelische Ontologie ist man vielmehr immer schon in Humboldts Weg i.n eine. Welt der Sprache und deren reflex..ive Ordnung eingebunden. Dies wird vor aIlem dann deutlich, wenn in den Kap. 10-12 des vierten Teils schließlich die in dieser Weise entwickelten aristotelischen Wirklichkeitskonfigurationen als Folie auf die Humboldtsehe Sprachtheorie projizien werden: Aus der Ordnung der Wirklichkeit wird durch deren Transformation - Humboldt sagt: ,Verwandlung' - eine Welt der Sprache, die im Sprachlichen erst ihre eigene Ordnung begreift und die die wirkliche Weh und ihre Emste,hung immer schon als sprachlich versteht.
Dritter Teil:
Die Ordnung der Wirklichkeit Prohlcmhori2.onl des folgenden Teils ist die Rekonstruktion der Ontologie des Aristmclcs. Um diese Rekonstruktion vorne.hmen zu können, wird zunächst das philologische (Kap. 7) und dann das theoret.ische (Kap. S) Terrain sondiert, in dem Aristoteles seine Konzeption des von ihm als ,Erste Philosophie' (rr~)(i)t'1 q.lÜ.OQOQJLU) gekcnnzeichncccn Projekts entwickelt. Alsdann wird von dem in diesem Kontext zentralen Begriff der Wirklichkeit (tvE(YYElCl) ausgegangen, der glcichwoW auch Ziclpunkt der Untersuchung ist. Mit der Sichtung des begrimichen Rahmens, in dem sich ,Wirklichkeit' bei AristoteIes entfaltet, werden deren Koostitutionsbedingungen Schrill für Schritt aufgedeckt (Kap. 9). Eine 5mdic zu Humboldt, die im hiesigen Kontext gleichwohl zwangsläufig auch eine zu AristoteIes werden muß, bedarf allerdings einer einschränkenden Bemerkung: Eine differenzierte Untersuchung aller möglichen Problemstellungen und damit verbundenen Anworten der aristotelischen Onrologie kann nicht das Ziel der folgenden Explikationen sein. Dies würde einer unabhängigen, umfassenden Darstellung bedürfen, wovon allein in der monographischen Sekundärliteratur bis in die jüngste Zeit hinein eine Fülle unter den unterschiedlichsten Perspektiven erschienen sind. I Der Gegenstand erlaubt und erfordert ganz differierende Be1 Vgl. Arpe, C.: Das ci riv dl'W bei Arislole/ts. Hamburg 1938. - Brandner, R..: Die BestIJn-
mutl8 des Stim als Weull. Untt'Nuchun1j, lur Gmndlt'sung U'tsrm/ogischcr Seinsversräml"isst' bei AristOlell.'J. Frciburg (Diss.) 1988. - ßrentano. P.: V011 der mannigfachm Redeu· umg drs SClenden /lach ArISfQ(cles. HjJdeshdm (Un\'erändener fotomrch;l,lli.schcr Nachdrutk der 1. AuO. Freibull; 18f>2) 1960. - Charpa, U.: AmtOll.'les. Prankfun am Main 1991. - Happ, 1-1.: Ny/I.'. Studien 1:um .riHw:/ucht'fl Malt:7ü-Btgriff Bl'rlin 1971. - "ilao:. W.: Einfuhr/mg in AriJlQtr/cJ' Tlmm't wm Seien/h'''. Freihurg 1972. - MdCh. W.: Omall}gu' und DialC'ktik bel A risto,elC's. GÖllingrn 1994. - Srallmach. J.: Dynamir und Enrrgtia. UmcnucbungC'1I Am W('rk des I\ruWUÜJ 2111 Problemgeschichu tlOII Moglichkeit Jmd \'fI"kltchhll. Mei.knhcim .,l.G. 1959. - Sltinf.:ath, H.: SellmimdigJ,wl ,md Einfachhct't. Zur Subsr41luheorie des Aristc>tt/tJ. frankfurt am Main 1991. - Vienel. W.: Der 8r8"/J dt't' SHbslal1z bri A"-JUJu/tJ. Könignt'in. Ts. 1982. - WUI,ldl. M.: Unursu(hungtn tur Mf'laphyJlk des AriJtorclu. Stungan 1953.
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Driucr Teil: Dir Ordnung d~r Wlrklichkt'il
hand.lungsarten dieses thematischen Komplexes, was u.a. die "ielen vor· liegenden Darslellungs- und Illterprclations\'crsuchc sowohl erklärt als auch rechtfertigt. Aufschluß in thematischer Hinsicht geben zusätzlich Gcsamtdarstel· Jungen zum Werk des ArislOteles, in denen die on[Qlogische Fragestellung naturgemäß e.ine wichtige Rolle spielt.? Eher weiterführende Ansätze nutzen den arismtclischcn Entwurf zur eigenen Thcoricbildung j oder kontrastieren ibn im geistesgeschichtlichen Kontext! Hervorzuheben sind zudem Untersuchungen der aristotelischen Ontologie, die sich nicht auf das engere Tcxlcorpus der Metaphysik srützen s, sowie die Vielzahl von Aufsätzen und SanllneIbändcn, die zum Teil ausgezeichnete Analysen und Problembearbeitungen zum Thema enthalten." Allein die Länge des Katalogs der Literatur zeigt schon, wie vielschichtig der Sachverhalt gesehen und bearbeitet werden kann - das eine ist hier (zumindest auch) zutreffendes Kennzeichen für das andere. Dies a.Ues kann die vorliegende Besprechung schwerlich aufarbeiten und systematisch sichern. '(m vorliegenden Bezugsrahmen geht es vielmehr um die Darstellung elementarer Grundzüge hinsichtlich der Frageslellung, wie AristoteIes die hauptsächlichen Probleme zu lösen sucht, das Seiende als Seiendes so zu bestimmen, daß diese Bestimmung ;1Uf möglichst viele Untersuchungsbereiche Anwendung finden kann. AristoteIes ist hier nicht nur aufgrund der Notwendigkeit der multiplen Einsatzfähigkeit des lnslrumentariums. sondern auch aus systemimmanel1len Vgl. Ackrill.J. L: Aristolc.Jes. eitlr Emflihru/l8 m Sl.!/Il PJ"/osopJ)I~rm. Bt'rlin. Ne\\' \'ork 1985. - AII:!n, D. J.: DII! Pb,JOJof/JUt Je.1 Ansloftles. I-Iotmburg 1955. - Ibrnes. J.: AmWlrles. Emt' Ein!Jihrutl8' S!u[lb"2n 1'JIJ2. - During, I.: ArUlott/es. DwrJtt!lJung urullmrrprt!taNOII seines oenA·ens. Hciddbug 1966. - HOffe. 0.: AriltOleles. München 1'JI)6. - J;u:gcr. W.: Arutotdt.'J. GrHlltl/cg/lng "mer Ge!(hil'hlC' Semer Entwidtlullg. 8l'rlill (3., unvträndertcr Nachdruck) 1967. - Sand~·oS5, E. R.: Amloules. lungm 19S I. - Zdltr. E.: Du' PJlllosopJlIe dl'f Crlrebell /fnJ RQml·r. 11. Teil, 2. AI,((il/mg: AmtOldrs /fml d,r liften Pt'''p./Iw}U'r. (Ncu;:lruck D.umM~t.h (5. Aun ..1 1'163) 1878. - Zcmb. J. M.: A nU!ltl!1rs in ScJbstU/l811UStn IIIld BildJokumtmh"'. RcinbC'k bei llamburg 1%7. - Crundl~end für jede wisscnseh... hliehe Aristotdts-Bclrachrunl}; und d3hcr besondcß hCrYonuhcbcn i51 dit' ausführlicht I),\rstellung lIon 1-1. Flashu,: ~Ari$totclcs·. 11\: dC'TS. (I-Irsg.): Crumlr'ß der Gtschl€hll' der PJlI!rw)pIJlt. Bt!grimdt'f (1011 F"td"clJ Ut!beTWC'g. D,e PJ,d(}sophle der Antike. 8J. J: Alu",.c· AkaJlmllr - AruloleltJ - Drr Pmplflos ... Bud. Slung:art 1983. S. 175-457. Zur Qnrol",gic sithc vor .111('111 S.376-38'1. J Harlmann, N.: "töglichNt'i! Hrld WlrkliehNI:;t. Mcistnhcim (2. Aun.) 1949. • Arnold. U.: D,e EnuJ«ble. S)'sumallk bel Plalon /md ArmoICIl.'s, Wien 1965. - H:mmann. N.: Zur Lehn' vom Eld(ll bfl Pfaum und Aruwldd. Ikrlin 1941. - Ncumark, D.: Gcsch,elm J~r jI1JISf:hc" PbllollJph,t d~1 "'itt~14ltt:rl.. Berli" 1907. ) Pichl. G.: ArUlOlrlfS' • De anim,,-. StUugafl 1'187. • R.tpp, C. (Hng.): Mrtllph'iik. Die Subic.mzbkchl!7' (2, N. 9). ßttlin 1996. f
Driuo.:r Tril: Die Ordnung der Wirklichkeit
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Gründen nicht zu einer letztgiiltigen Klärung gelangt und hat (in gut HumboldtScher Manier) in immer neuen Anläufen durch verschiedene Schriften und thematische Kome.xte hindurch die Problematik zunächst differenziert behandelt, sodann vorläufige Ergebnisse festgehalten und diese schließlich auch selbst wieder erneut in Frage stelJen können. Für den Zweck dieser Studie ist es daher sowohl hinreichend als auch ertragreich, die großen Linien dieser Auseinanderse12ung zu erkennen, die nicht vorderhand eindeutige Antworten parat, sondern Problcmkorridorc offen halten und transparent machen wollen. Gleichwohl werden die entscheidenden begrifflichen Par:uneter in den folgenden d,rei Kapiteln mit einem für die weitere Untersuchung handhabbaren und abgesicherten Verständnis ausgestattet. Zunäc.hst also zum philologischen Terrain, innerhalb dessen sich die ontologische Fragestellung einer Ordnung der \Virk/ichkeil theoretisch etabliert haL
7. Aristoteles' Schriften: Sondierung des philologischen Terrains 7.1 Das System des Aristoteies Ein System des Aristotcles cxisr:icn nicht. Wenn wir heule über eine Vorstellung eines solchen Systems verfügen. ist dies vor allem Ergebnis der übermächtigen, auf Vereinheitlichung dringenden und trotzdem immer umstritten gebliebenen und disparaten Rezeptionsgcschichtc t die wohl bei keinem Denker des Abendlandes in solcher Komplex.ität vorh:tnden ist. L. Minio-Paluello charakterisiert das Problem folgendermaßen: ..Welches ist das ,System des Aristotelcs'?, AristoteIes hat uns niemals sein philosophjsches System vorgelegt, und doch verstand er es sehr wohl, zu systematisieren. Man arist.Ot.elisicrt nicht. indem man das ,System des ArisloteiCS' konstruiert'''. Sowohl wcrkstrukrurelle. cditionsgescruchtliche wie auch inhaltliche Gründe sprechen für eine solche Skepsis gegenüber dem systematischen Einhcitsposrulat des aristotelischen OeuvrcJ wiewohl damit gerade nicht unterstellt ist J diesem würde es pauschal an Problem kontinuität mangeln. Vielmehr ist immer wieder erstaunlich, wie ähnliche Fragestellungen nändig neu aufgegriffen und durch weite Teile des Werkes in veränderten Varianten durchgehalten werden. Das System des AristoteIes als geschlossene Einheit zu betrachten, ist im wesentlichen eine Folge der Editionsgeschichte', aus der hier nur zwei Schlaglichter, die Lostallation eines Systems und seine fundamcnt.alc Infragestellung, berichtet werden sollen, Zunächst zur Veröffentlichung d<."r Schrihen im antiken Zeitkontext. Die Angaben über den Umfang des ari!'rotelischen Werkes schwanken je nach Quelle und Übcrlieferungsl3ge. Legt man das alexandrinische Schriftenverzeichnis zugrunde, so läHt sich rekonstruieren, daß Aristotclcs während seiner gesamren Schaffensperiode etwa 550 Bücher (nach .antikem Verständnis sind hier Papyrusrollen gemeint) verfaßt hat, was einer ungcfähren Anzahl von 445270 Zeilen entspricht. lI e1bst unter der Maßgabe, daß einjgc Bücher nicht von ihm selbst "1
t
M.inio-Paludlo, L: .. Di~ J.ri totd.scht' Tnditlon In dC!f CC!i~tngcsch.chh·e In: Mon.ull., P. (Hrsg.): AnstQul" In Ja' nt"lIn'rn Forscbllng. DJ.rmsudl 1%8. s. j 14-338. hier. S. 315. Zur Edmonsseschlehle der nUlotdischC'n Schriften vgl. I-Iöfk Amtotatf. a.a.O., S. 21· 28.265-1(06,
• Vgl. During, Aruroules, ;1.1.0., S, 25. - 11..,(fc fühn .In, daß im VCI"7..cichn15 dC'$ DIQl;ena u('nius 146 'litt'! aufgduhn w('rden. wohc:i don .Iusgut'dmet 5\) bdtanlOtt Wtrkt wic du:
7. Aristotdes' Schriften; Sondirrung des
philologisdll:~11
Tct'rains
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stammen (können). gcht dieses immensc Werk noch weit über das Platons hinaus. Die meisten der Schriften sind Vorlesungsmanuskripte, nur cinige wenige waren für die Veröffentlichung besumnu. IO Erst dreihundcrt Jahre nach dem Tod des athenischen Philosophen werden in Rom zum erstenmai die Lehrschriften herausgegeben. Der Weg dorthin ist schwierig und abenteuerlich: Aristotcles Bibliothek ging nach dessen Tod an Thcophrast, den bedeut'cndsten unmittelbaren Schüler des Aristotcles und Leiter der Athener Schule, über. Dieser hinterließ die Schriften dem letzten überlebenden Freund des AristQtcles, Neleus, der sie nach Skepsis in Kleinasien brachte, wo sie fast 200 Jahre in einem Keller lagerteni! und schließlich von Apdlikon. cinem Bücherliebhaber, der die Sammlung aufkaufte, in eincr wenig verläßlichen Edition in Athen veröffend.icht wurden. Damit ist die erste, schmale Überbrückung diese" frühcn .Editionslochs· vollzogen, das der anti,ken Tradierung aristOtelischen Denkens schwer geschadet hat. Wohl durch Sullas Eroberung Athens 86 v. ehr. gelangten die Schriften schließlich "auf verschlungenen Wegen nach Rom- 12, wo das elfte Oberhaupt der athenischen Schule, Andronikos von Rhodos. nun eine auf den Originalrnanuskriptcn basierende Ausgabe dcr Abhandlungen vornimmt, die Ausgangspunkt einer Aristotcles-Renaissance werden und bis heute die Grundlage des Corpus ArisLOulicum bilden,lJ Andronikos strukturiert die Werke, die bei weitem nicht alle Schriften des Stagiriten umfassen, so in vier Gruppen, daß der Eindruck eines geschlossenen Systems entsteht, das aber vom Autor AristoteIes weder so vorgenommen noch ausdrücklich geM~t4phJflJt
oder die Nlk(Jm4lmi«h~ EthIk frllien. Umgc:r~hnft komnlt ditoS :touf einc:n \\;'C'rkumfang \"011 ~s BindC'R zu etWl JOO Selten (vgl. I-Iöf(e. AriJtou:!C's• .l-a.O.• S. 22), 13 HoHe pauphnslC'n tißC' gdtriuchlidK' Oirlcrcnzierung. wenD er fcsuullt: ~Aristotdn' Schrifttum ...C'ff.ilh in drti C;tltungcn. Einige stilistisch .ausgefrilte Tale: wenden sich an gebiWete Laien. \'(feil sich die Adresuren ,außc.rhalb' {gr. ("xö) der xhult' befinden, hc:ißell si... cIotcri.:'\,hr oder auch. da sit' sich .an einen größc.ren Krris (.tyJtlosl ric.hu~.n, enkykli-Khc Schriften. (..•) N...bcn diesen .populiren Schriften' ~ibt es ,professionelle Abhandlungen', dir Pr.tgm;ltitn, auch esoterische Schriften genannt, das SIe: siel, 1011 Scllüler und Kollq;en ,innerhalb' (gr. c':So) der Sehule nduen. (...) Dir dritle Canung bilt!t'n Sammlungen VOll Forschungsm
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Drincr Tdl: Dir Ordnung der Wirklichkeil
wollt wurde. Die vier Gruppen sind ..(I) die logischen und wissenschafts· theoretischen Schriften, als Propädeutik ve.rstanden" H . Sie stehen am Anfang der Edition. Es folgen ..(2) die Ethik und die Politik, die Rhetorik und die Poetik"ls. O. Höffe nennt es bemerkenswert, daß diese zweite Gruppe vOr der nun folgenden steht: .. Erst danach folgen (3) die naturphilosophischen (einsehließlich der psychologischen) Schriften. Den Abschluß bilden (4) Texte zur Ersten Philosophie, die. nach (...) der Naturphilosophie, der Physik, pinien, ,Meta-Physik' genannt wcrdcn- 16 , Schon eine, diese erste Systern:nisierung korrigierende, Umstellung signalisiert, wie Editionsgeschichte Philosophiegeschichte macht und umgekehrt: .,Daß Andronikos' zweite Gruppe spiter ans End(' gestellt wird und seitdem dort geblicben ist, spiegelt die unter Philosophen vorherrschende, von AristoteIes aber nicht geteiltc Geringschätzung der praktischen gegenüber der theoretiehen Philosophie wider- 17 . In der nun umgestellten Variame bleibt die Edition erhalten, wahrt trorz dieser Veränderung ",Andronikos' ystcmidee" 11 und wird ..nicht selten (...) Ausgangspunkt eines starren AristotC'iismus" I'. Die Wirkung dieser editorischen Entscheidung, die immanente Unterstellung einer homogenen inneren Systematik und die davon bestimmte Auslegungsgeschichtc, präjudizieren die Interpretationsspielräume und di~ Auseinandersetzung um sie zum Teil noch bis in dieses Jahrhundert h.inein. Aristotcles wird durch die antike und miuclaherlichc Rezeption hindurch zum grundlegenden Denker des geistesgeschichtliehen ,Systems Abendland' kanonisiert (1255 schrei.bt die Artistenfakultit von Paris das rudium aristotelischer Schriften zur Logik, Physik, Metaphysik, Seelenlehre und Ethik ve.rbindlich vor), häufig ohne daß aJs grundlegend Gedachtes in seinen begrifflichen Erfolgen und theoretischen Aporien und seinen Widersprüchen und Entwicklungen seinen prospektiven Charakter und damit seine offen daliegende Skepsis gC'genüber dem Erreichten bewahren kann. Solche wissenschaftsgeschichdichcn Vorgänge bleiben kein Vorrecht \'on Antike und Mjnelalter, auch in der Neuzeit haben Editionsprojekte zur weiteren inhaltlichen Stigmarisierung des Aristoteies beigetragen. So geht es u.a. auch auf die grol!e Berliner Ausgabe von r. Bekker zurück, daß Aristoteles heute als der große Logiker gehandelt wird. da Bckker die Texte zur Logik und Wissenschaftstheorie den :mdcren (eben nicht nur editorisch) voransteUte. Greift dies zwar unumwunden Höfk Amrott'ks. "'..1.0., s. Z6. l~ Ebd.. .. Höfle, Arutort'lt"s. &.a.O., 5.16-17. 11 Höffe. Amtou/~s, u.O.. S. Z7. I' Ebd. " EbJ. C'
7, Anslotdes' Schrifll~lI: Sondierung des philologisdu:n Tern.;ns
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auf ein Verständnis des Aristoleles zurück. das bis auf die römische Kaiserzeit und den Neuplatoniker Porphyrios zurückzuführen ist und das seineo Niederschlag in der immensen Kommenrierungsdic.hte z..B, zur Logik im Mittelalter findet und damit zumindest Tradition beanspruchen kann, gibt es für diese massive Schwerpunktsetzung jedoch kaum wirklich stichhaltige inhaltliche Argumente. 10 Wiederum durch editionsphilologische Argumente und Vorhaben, zum Teil schon des 15. und 19. JahrhundertS. grundsätzlich jedoch erst durch die Studien von W. Jaeger 1912 und 1923, wird der Systemgedanke von dieser Perspektive her fundamental und für die weitere Forschung wirksam erschüttert. ll Dessen Ansatz soU als zweites Schlaglicht kurz angeführt werden. Jaeger seal der Systemvermutung der Editionsgeschichte und der Syslcmkonstituüon der Rczcptionsgeschic.hte eine entwicklungsgeschjchtJiche Betrachtung entgegen, Aristoleles Werk ist für ihn Ergeb· nis einer sich über drei Lebensphasen erstreckenden inteilcktueJlen Enrwicklung, die mit der Akademiezeit ihren Anfang nimmt und schließlich über sogenannte Wanderjahre bis hin zur Meisterzeit reicht.l l Grundlc· gend ist nun die Auffassung. daß in der ersten Phase Aristotcles vorderhand Platoniker war und damit Anhänger idealistischer Metaphysik gewesen sei. die Wanderjahre ihn mehr und mehr von dieser Sichtweise haben abrücken lassen und er schließlich, in der Phase eigener Theoriebildung, sich der phänomenologisch und empirisch oricmienen Forschung zugewandt habe. um für immcr z.um ..bezwingenden Organisator der Wirklichkeit und der Wissenschaft" n zu werden, Die theoretische, allzu dialektisch anmutende Klammer des Jaegerschen Ansuz.es, AristoteIes sei vom Platonismus ausgegangen und habe erst später seinen eigenen Ansatz konsequent verfolgt. wie viele Einzelbeobachtungen zu Text- und Datierungsfragen gelten heute als höchst umstritten bzw. haben sich als revi· dierungsbedürftig erwiesen. H. Flashar weist darauf hin, daß unter d,en ro Vgl. I'icht, Ar;stoles' VI! ,,"im4, 1.2.0., . 21. - Ein~ ""usführlieht- Primiirbibliognphit! ",ri·
slOldischcr Texle findet sich bei Flashar... Aristot'des~, 2.2,0.• S. 195·228. 11 J~egC'r. W.: tNdun zur Enut("hNngsgclchjehu dn MNtlphysik Jf'.1 Ariuottln Berlin 1912 und ders., AriJ:oulcl. a..t.O. n Kurz und kn.tpp h21 I, Dünng die Le'bcnsptTioden dcj, An$lotcle:s skiz.z.ieTl: .Sehen wir von söneT Jugrodzeit vor der Ankunft in Athen ab. dann könn~n wir sön Leben in drn PCTiod~n einteilen: I) Die Akademieuil in Amen. zwanzigJahr~ 2) die Zeit der RciSC'fl vom Frühjahr J47 bis etW.1 ~um Frühjahr J.H. drauhn Jahre, in denen er mit l"hoophrast u1n~ Forschungen in KltilUSien und Makedonicn betrieb;» die' );watC' Athenpt:riooc, el' w:I ~wölf J.rnre bis zu seinem Tode. Wenn wir die uslt:n funf J~h~ in der AkJodt"mie als tudit'nzeit rechnen. d2nn Wirktt' cr ttwa 40 Ja.h~ lang ~Is W'"1SSt'ruch.lfder und Lthrer~ (Dünng. Arntoult'l• .1..;1.0., .15). J) JacgeT. Arntote!n, u.O., S. .4)-4.
350
Driucr Teil: Die Ordnung deI" Wirklichkeit
Phi.lologcn gegenwärtig ein breiler Konsens darüber besteht, ..daß die Ergebnisse Jaegers im GesamtkOnzepl wie in vielen Einzelheiten als verfehlt anzusehen sind" z". I. Düring und A. Bremond stcllen wiederum einschränkend als das ..ewige Dilemma des Ansloteles"!5 heraus, daß dieser ..in gewissen platonischen Denksrrukturen so festgefahren war, daß er sich nicht davon befreien konmc" 16, cin Umsland, der besonders .. in seiner Lehre vom nous (...) kbr zuuge" 17 trete. Welches Recht man dic.scn
Grundsatzfragen auch beimißt: lIlSgesamt bleibt e unbestreitbar Jaegers Verdienst, durch die entwicklungsgeschichtliche Perspektive das Einheits-
denken in bezug auf das aristotelische System fundamenuJ erschüttert und wissenschaftlich obsolet gemacht zu habcn.l Mit dieser Einsicht sind jedoch auch neue Schwierigkeiten angezeigt. Inwieweit kann 1..B. statt der Sysremeinheit eine Einheit als Prob/erl/komillItiriit behaupte I werden, die ;luch beTÜcksichtjgt, daß Aristoteies so 1.iem~ lieh jedes Forschungsproblem der damaligen Zeil aufgriff und verarbeitete? Lediglich eine Theorie bzw. Philosophie der Mediz.in sucht man vergcbens 19 (nicht aber eigene f-Ierausgcbenätigkeir: Aristoleles bnn als ..Mitbegründer einer wissenschaftlichen Homerphilologie"~ gelten). Zunächst zur Frage, ob die heutige Überlieferungslage einen Schluß auf die wissenschaftliche Problematisierungsweite des Stagiriten zuläßt. Dies ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall, denn legt man dafür das Corpus Arislore/icum zugrunde. d;1S ja im westnLlichen mit der von Andronikos veranstalteten Ausgabe nach An und Umfang identisch isrJ'. ergibt Hnh.ar, ..AnsIOtrlts~, a.,,-O., S. 177. - Ikispidt' für .hhlmt('rprt"ullt)nt'n· m J.u:gen SIUJien findt'n SIch ba Hu(ft', AnuQtt1~, .1.;1.0.. S. 28. :, I)üring. AriJ/olt!l,.s. A..a.O., S. 19. - V&1. Brbnond, A_: LI' J,/emmf' wrulolr/'öel1. P.u;s 1933. ~ During. AruwuleJ. .u .O.• S. 30. l ] Düring. ArmoleIn, ;II.a.O... S. 3l. n Zur AriwJtc!('$-Fonchunt; von J:H'ger bis in die "Ocr J.llm: des 20. Jahrhuntleru vgl. ChrtlUSI. AA·I.: ~Dit' enten drt'ißigJahre modtmer AriMuldt')-Forschung. 19I1-194r. J n: Mouu:t. P. (Hrsg.): IlntrO/tln /11 der nt'Ui'ft'1l FONrlJuJlg. D:trmn-adl 1%8. S. ·}5-1"). Uirlrnei('r. F.: ~Aristotclt'5~. In: Morll.ux. P. (Hrsg.): Arlstoules 111 der lIf'ucrcn forschullg. :t..I.0.• S. 14"-157. - M.::tnsion. A.: ~D:lS Werk Ju AriSlOleies in seiner EnlSl('hullg-. In: ~lol'.IUx. P. (Hrsg.): ArulOtt'It'J m rJ,r "/"If;rm Fonchllllg. A..I.0., S 1-66. - fl.'1on.ux, r.: ~Die Entwicklung des AristOfdt')-. In: d~rs (Hrsg.): Arurotr/t$ 1Il Jt>r nrU","11 F(lrn:hHng • .1 •.1.0.• . 67-9". - D
7. ArisWh.'!es· Schrihcn: Sondierung d~ philfllogischen TerrAins
351
eine Prüfung des Themenspektrums der dort gesammelten Schriften, daß hier durchaus das Denken des AristoteIes repräsentiert ist. I. Düring beruft sich auf F. DirlmeierJ2 , wenn er feststellt, daß ,.Aristoteles in den erhaltenen 106 Schriften seine gesamte interne Lehre schriftlich fixiert hat. Wir haben auch keinen Grund anzunehmen, daß er in den zahlreichen verlorengcgangenen Schriftcn andere Ansichten dargelegt oder sich mit ande,ren Wissensgebieten beschäftigt hat als in den uns erhahenen Schriften. Es gibt in diesem Sinne keinen .verlorenen' Aris(Oteles"}J. Als Beispiel führt Düring an, daß, wäre Aristoteles' Schrift ,Über die p(lanzen' bekannt, man z.war genauer wisse, wie jener djeses Thema bearbeitet habe. "die prinzipiellen Gesichtspunkte aber (...) aus den erhaltenen Schriften bereits bekannt"]" sind, die überlieferten Schriften also in inhaltlicher Hinsicht pars pro tOtO stehen können. Es ist aus eben solchen thematischen Gründen anzunehmen, daß Düring mit seiner Problcmcharakterisicrung im Ganzen richtig liegt, wenn auch das Gegenteil nicht mit eindeutiger Sicherheit aU$geschlossen werden kann. Da nun aber Aristotcles' Denken das damalige mögliche Themenspektrum weitgehend umgreiJt, ja es in einigen Fällen noch erweitertl ist es zunächst angemessen, von einer extem;onalen Problemkominuitäl zu sprechen, die nichts über und an der Welt Den.kbares aus der wissenschaftlichen Behandlung ausschließen will: 1m Ganzen bietet "AristoteIes' Oeuvre (...) eine wahre Enz.yklopädie des Wissens"' J5 • Solche Kontinuität strukturiert jedoch auch das lnnere des in der laufenden Erarbeitung dargebotenen Wissens, denn das Großartige eben dieses Wissens besteht neben seinem breiten Themenspektrum nun gerade darin, untereinander ve.rmittelt zu sein. Ein Blick auf die Vorgehensweise des Stagiriten macht dessen ,Einheiuverstänclnis' deutlich. Alle Themen, die Aristoleles behandelt, werden nicht nur als Einzelthemen, sondern auch im Gcsallltzusammenhang gesehen, inhaltliche, texLliche und philosophiehistorische Bezüge werden immer neu deutlich gemacht, deskriptive und normative Argumentationsebenen ergänzen sich in ein und derselben ,Abhandlung< (eine Textganung. die Aristoteles entwickelt) und bewahren damit durch die eine Strategie jeweils die andere vor ihrer unvermeidlichen Verkürzungswirkung auf den Sachverhalt. Es ist - dies sei als Parenthese gestattet - nicht verkehrt, hier eine große Nähe zu Humboldts A.rbeitsweise zu erkennen. Einerseits ist die Isolierung von Thematiken in speziaüsierten Einzelwissenschaften beiden Denkern frcmd, der Blick bleibt, wie Vgl. Dirlmcicr, P.: MerA"IlJUrdlgt' Zualt'", dl" Eudt'mudun ErJ"k bt:rg 1962. .u Düring. A nt/oleles, .1..1.0.. S. )). ... Ebd. JS Höffc. AruwuJa. J.:l.Q.• S. 30. 11
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An5IOu/rJ. H~idcl-
352
Driuer Tcil~ Die Ordnung der Wirkli.:hkdl
Picht dies für AristoteIes feststellt, trotz der Ausbildung der Wissenschaftsgebiete .,immer univcrsa''"J6. Aristotc!c$ zweifelt andererseits, wie Humboldr, an zwei wichtigen Voraussetzungen einer Einheitswissenschaft, der ,.Idee einer einzigen Forschungsinrenrion und (...) einer homogenen Gegenständlichkeit"]7, Dadurch entsteht aber für ArislOteies gerade erSI die Möglichkeit, Einzel wissenschaft ohne Systemzwang zu betreiben: Der antike Philosoph öffnet den Prospekt der abendländischen Wissenschaft überhaup~ indem cr das einzelne für spezifisch untersuchbar und systcmatisierbar und gleichzeitig das innere Bezugssystem der Wissenschaft für unabdingbar hält, weil diese Imegration eben auch der Weh der Gegenstände emspricht (hier trennen sich die beiden Denker in gewisser Weise wieder): Die Ordnung der Wirklichkeit ist für ArisrotcJes keine wissenschaftliche Konstruktion, sondern Grundverf'lssung der Welr schlechthin. An keinem Gegenstand wird d.iese i.nnere Vennittelthcit der GegcnS[ändc und der wissenschaftlichen Bearbeirung so deutlich wie an der Ontologie, und zwar sowohl was deren imerne Struktur angeht :\Is auch die Relevanz der ,Ersren Philosophie' für die wissenschaftliche Theoriebildung in den ,Einzeldisziplinen' überhaupt. lil Sie zieht sich durch d.iese in den unterschiedlichsten thematischen Schattierungen immer wieder hindurch, weswegen sie als plast.isches Beispiel für eine zweite, c.'ine intensionale Problemkominuitär des aristotelischen Werkes angeführt werden kann, eine Kontinuität, die sich auch auf andere thematische Dimensionen, wie z.B. die Handlungstheorie, Seelenkunde und Theologie, bezieht bzw. auf diese hingreift, und die die eigentliche Qualität und den inneren Zusammenhang des aristotelischen Werkes ausmachen. Dafür. daß diese Kontinuität sich nicht in thematischen und intertexruellen Bezügen erschöpft, sondern ein Phänomen der inneren ,Stimmigkeit' im Hinblick auf die grundständige Verfaßtheit des )"6yor;, und seiner Er· kenntnis darstellt, hat Aristotcles ein eigenes Wort: xa80A.-ou, ,allgemein' in dem Sinne, daß erstens nicht nur das Ganze rein als Summe seiner Teile betrachtet wird (Platon nennt dies Itüv), daß zweitens auch nicht aus· schließlich gezeigt wird, daß eben diese Beobachtung für alle betreffende.n Fälle gelten muß, um ,allgemein' z.u sein (xata Itavrör;,), daß drittens wiederum n.icht aJJein postuJiert wird, daß die Dinge eben nicht nur als Summe ihrer Teile erkannt werden dürfen, sondern als Ganzes in Einheit auf-
~
Picht, AristQtt/~J' De animJl, a..iLO.• S. ZJ. !J7 HöffC'. A rmouleJ, a..l.O.• S. JO. n Auf die Inttgr:nionsfunktion dC'f ontologischen FngeslC'llung im Hinblick ~ur die Ge· S".lmlkom:C'plion des arislotelischen Werkes weist auch Düring hin (vgl. Düring. An'stQfelet. a.a.O.. S. 25·3J).
7. Arisunt'ies' ~hrihcn: Sondierung des philolt>gisehtn Tcrn.ins
353
gefaßt werden müssen (Platon bezeichnet dies m.it dem Begriff ökov), und daß viertens eine solche. das Ganze begründende Einheit nicht nur als Element, sondern auch als Ctgx!l. als Ursprung, im Hinblick auf das Wesen (ouola) encworfen ist. In der Perspektive, die aus e.inem n:ftv ein ö).ov macht, .,erfaßt Allgemeinheit im Sinne des xcdJ6AO\l das Einzelne (Umst., U.W.), wie es xo.8' ain6 - an sich - ist"]'!. Ergänzt man nun noch: ..Allgemein im Sinne des xo.66kO\l ist nur der Logos, der jedes lndividuum einer Klasse bezeichnet o.ut6, als das, was es ist. Also zum Beispiel den Menschen als Menschen, das Seiende als ein Seiendes"-4O. läßt sich mit G. Picht der Begriff des xo(6)'ou folgendermaßen charakterisieren:
n
..Nur wenn diese drei Fom\cn der Allgemeinheit, d~ xaTo 1tctVT6r;, das xatf airt6 und das oUT6 zur Deckung kommen, ist jene Form der Allgemeinheit gegeben, die Arisrotelcs durch den Begriff xue6i..o\J bczciehnel. Was in diesem Sinne :lllgcmcin ist, nennt Aristotclcs ollOta. Der Logos, der die ouuta "ufwcisl, ist auf das Seiende 21s ein Gmzcs hin 2USgCsagtoj41.
n
Bereits an diesem Beispiel zeigt sich, wie schwierig und gleichermaßen produktiv die Auslegung aristotelischer Termjnologie wird, will man den (griechischen) Geist der Begriffe in seinen Schattierungen komplex erfassen und differenziert zur Geltung bringen. Vor allem im Zusammenhang der Begriffe, ohne den sich die einzelnen Termini niemals angemessen erklären (lassen) und eher einfältige Vokabeln bleiben müssen, wi.rd erkennbar, daß das Denken auf den ).6YOt; hin auf jeder Problemausierungsebene auch in sich nur als imegrierte, als umfassend ,allgemeine' Einheit verstanden werden kann. A.6yo~ aber meint nicht nur - wie W. Theiler übersetzt - .Begriff', sondern hat aJs Aussage immer mindestens Subjekt und Prädikat, ist also Aussage 'Von dem in der Welt schon immer inhärenten begrifflich SubstantieJlen'u, XOW6tCllOt; )"6yot; bcdeutct dann ..die allgemeinste Definition"-4J. ). Picht, Ari!wu/t!s' DI! anim'f, ;1.;1.0.• S. 286. 10
IJ
Ebd. Ebd.
u Zum l.ogos.ßcgr;(f bei AristQt'cb tmch im syslcm:nisch-hutorlschco KOIHCXI vgl. Riifller, V.: CTundbj~gTilJt! grlubu(her WiJSt!,ud'afu/t!hrl!. BJombcl'ß 1949. S. 47·66. - Hcinze. M.: Dit! Lebre 'Vom LogoJ m Jer gmc!Jiscbt>n Phi/orophll!. Aat~n (Ncudr. d. Aus15' 1872) 1961. - Wiplingc.r, E: PI,),SIS und ugos. 2um K6rpl!rplJijnome" In uilll!r B~Je"tungfiir arn Ur· spru1lg JeT MetaphYJik. Freiburg 1971. - Zum \'oraristotclischcn Logos-Entwurf vor ;lIlCnl Nculc. W.: Vom MythQJ zum Logeu. D,'f! Se/bJcelltf<J/1UIlIf. dt!s gTlcdJucbrn DeI/keIlS txm Homer blJ auf du l1phuttk und okraus. Aalcn (Ncudr. d. 2. AuO. Stuttgart 1942) 1966.Einr f;UlC Char.aktt!risicrung dC$ spez.ifisch-ari$totdisch~n Logo$·ßcgriff~s im :mliken Konll:'xt :als Jluf den .Dtfiniuonsbegriff· im Rahmen drr Wissensch..frslehrc- gerichtel bieut ;luch Bülmer. J.-A.: .. Logos". In: Riuer. J. und Gründer. K. (Hng.): l-Ii'stornc:ht!.s \VörurbudJ drT /'ln/amph;,.. Basel. O.lrUlSladl 1971 H. . 0$91·502 (Bd. 5), nicT: $. "1"_495. 'J I)ichl. ArlSlouJes' Vi' anima. 1;.;t.0.•. lll\!.
354
Dritter Teil: Die Ordnung der Wirklil.:hkeil
Zum Abschluß dieser Ausführungen zum ,System des ArisLOteles' doch 110ch eine (indirekte) Werkbesichtigung in groben Linien. Will man eine Aris[Q[cJes gemäße Einteilung seines Werkes erleichtern, ist es angezeigt, dieses nach clner Systematik zu ordnen, die aus dessen eigenen wissenschaftsthcorerischen Differenzierungen - z.B. in Metapbysik Vl (1) oder Topik Vl (6) - selbst herleitbar ist. Eine solche Unterscheidung würde dann stau der schematischen Einteilung der Disziplinen cher danach suchen, welchen Charakter eine bestimmte Wissensform hat, die der jeweiligen Disziplin zugeordnet werden kann. Aris[Otc.lcs, vorderhand bemühl, die Physik von der Ontologie zu differenzieren. schreibt im erStell Kapi,ei des sechmn Buches der Metaphysik [I025b], daß .iedes Denkverfahren entweder auf Handeln oder auf Hervorbringen oder auf Betrachtung...... gehe (Wo't' Ei ::tftOCt c\LuvOtCX ~ n(Ktxn.x~ tlltOLTIl:LX1, ~ etWQ11llxi),...), eine Differenzierung, die laut Höffc .. insofern ausgesprochen modern (ist. U.W.), als sie die Frage nach dem Gegenstandsbereich mit der nach dem leitcnden Erkenntnisinteresse vcrknüpft....5 . Um das aristotelische Wissen(schafts)spektruIll einmal im Zusammenhang präsent zu haben. sei es an dieser Stelle in der Variante vorgeführt. die HöHe aufgrund der genannten TextsteJlen graphisch rekonstruiert hatY' Danach teilen sich Wissenschaft und Philosophie in die drei Bereiche theoretischer, praktischer und poietischcr Provenienz: Die erste Gruppe der lheoreüschcn ,Wissenschaften', die das Wissen um ihrer selbst willen suchen, ist noch einmal in .Erste Philosophie" M.athematik und Naturforschung untergliedert. Währcnd die .Erste Philosophie' die Theologie, die Ontologie und auch die Denkprinzipien (in gewisser Weise gehören hierzu Dialektik, Logik und Wissenschaftstheorie) umfaß~ ist die Mathematik einerseits auf reine Formen wie Arithmcrik und Geometrie, andererseits auf angewandtc Formen wie Astronomie, Harmoniele.hre, Nautik, Optik und Harmoni.k gerichtct. Als letzte Untergruppe in den theoretischen Disziplinen ist die Physik, die Naturforschung als Klammer ~. Aristorelcs: /ofI'/aphYlik. N~Hbearbritlmg der OberulzJmg von /-f. BQmlz. Mit Eml"/IHlIg Imd Kommt'ntar her<1lflgeg~ben von H. SCIJI. H3mbur~ (J.. verbesserte Aufl.) 1989-91. 1. Halbb;lfld. S. 151. - Die Ziutc:lw der MetaphYSik werden im rolgendt:n :mS dielo<':r 1\ uSga-
be zilien', wobei die Nummer cle$ Ruches (I-I'I). wenn nichl ausdrücklich anders fcslgC'sldlt. in römischen Zirfern ausgedrückt wird. Oie Seilcnnhl dt'r vörlicgcnden Ausgabt' findel sich jcwcil~ n;l,ch dt:r Angabe des enupf(c-henden Buches (Icr MNllplJyllk in der An· merkung. die SeilC'nan~abcn der von I. Bekker ctIi('rlcn Preussischen t\k:ulcmicausl;:abc. nach der üblicherweise iliternatiOl1:\lz.ilicn wird, sind in lockigen KI:lInmcrn vnr dcm 1:111· sprechenden Zil.u im Tcxl \'e.rmerkl. wobei die ente Zahl dic Seitenangabe selbst. der n:ll:hfotgendc Buchnabc J. oder b die enuprochendc Kolunllll,' :ant;ibt. ~, Höfle, Ar;sIotrleJ• .1.:1.0., S. 31. .. Oie Difrt'renzieruol'; wird rcrerien nach HöHc. Arutoult!l. ll.a.O.. S. J2·JJ.
7. Aristotclcs' Sdui(tt:n: Sondierung des philolQgischC'n Terrains
355
von Namrwissenschaft und Namrphilosophie. z.u nennen, die in philosoph.ische Grundlagenforschung, Kosmologie. Meteorologie, Psychologie, Zoologie und Botanik differenzierbar ist. Es ist nochmals darauf h.inzuweisen, daß es Arisroteles im ersten Kapitel des sechsten Metaphysik-Buches in erster Linie um diese Einordnung der Physik in die betrachtenden Wissenschaften gehe Die zweite, praktische Gruppe kennt neben Ethik, Politik und Ökonomie die Rhetorik, die jedoch gleicbermaßen auch zu den poietischen Wissenschaften gerechnet werden kann. Dieser dritten Gruppe gehören dann außer der Rhetorik noch Dichtung, Medizin, KunSt" und weitere Disziplinen bzw. Tätigkeiten an. die also der poietisehen Wissens- bzw. Handlungsform gemäß erwas (Faßbares) zustande bringen und auch als solche untersuchbar sind. Bereits ein genauerer Bl.ick auf die Psychologie zeigt, wie behelfsmäßig jedoch auch diese Schematisierung bleiben muß, denn diese gehört - obwohl primär bei der Naturforschung angesiedelt - sekundär sowohl zur Mathematik als auch zur ,Erstcn Philosophie'. Arislotcles sucht, dies zeigt u.a. auch Melaphysik V1 CI}, Lieber in unterschiedlichen Kontexten differenzierte Begründungsmöglichkeiten auf und führt diese durch, anstan von vorneherein starre Systemdctcrminacion zu bcueiben, die bei genauer Prüfung immer wieder in Aporien (ein laut Aristoteles durchaus produktiver Vorgang) enden würde. Besonders die Jt(X.l)T'l qn,).,ooo
Vor allem von Letzterem wird im folgenden zu reden sein. Davor sind jedoch zwei Textcharakterisierungen vorzunehmen, die bei der Lösung der v Vgl. duu ;auch Galzeml"ier. M.: ~Oic WiuenschAfukonuplion dC'l> Ari~[otdcs und dilt Entstehung der Einzdwiss('nschQflcn~. In: Rehberg. K.-S. und Hausm:mn. E-R. (Hrsg.): Kf,miJur JN" WwtmschaJwI. AJ.chcn 1995. S. 63-78. •• Höff~, Arr'J/o/l'les, a.:1.0.• S. 3-4 . •~ HöHl.', ArislolC'tt!s. ;1.:1.0., S. 35.
356
Drillcr Teil: Oie Ordnung der Wirklichkeit
nun offen gewordenen Interprctationsproblcme helfen und die die Mög-
lichkeiten sondieren, die bei der Erschließung der zentralen BegriHc aristoteliscber Ontologie bestehen. Das Motiv der Erinnerungsarbcir wird erneut aufzunehmen sein.
7.2 Die Einheit der Metaphysik Von einer Einheit der aristotelischen Metaphysik zu sprechen ist - nacb den Ausführungen z.um ,System des ArislOtcles' überrascht dies kaum aus vielerlei Gru.ndcn ebenfalls problematisch. so Drei besonders folgenreiche müssen an dieser Stelle expliziert werden.
Zunächst zu dem Tcxt~Konvolut. das explizit mit jenem Terminus überschrieben ist. der die Wisscnschafrsgescbichtc in so nachhaltiger Form gcprigt hat: die Mcrtlphysik. Bereits die in der Litcratur hinlänglich diskutierte Namensfrage deutet auf die Ungeschlossenheit der darin entbaltenen gedanklichen Entwürfe hin. Aristotclcs spricht von der philosophischen Grundlagendisziplin, seiner Fundamcmalphilosophie, nicht als Metaphysik, sondern als Weisheit (OOfp{a). wenn er die zuständige intellektuelle Kompetenz meint, als Anschauen (OEwgLa), wenn er deren Ausübung charaklcrisiert, und schließlich als 1tgWTrI Qllkooo
~
Aus Sicht der .Subst:lnztehrll' und spe7.ietl deS ooo{u· Begriffs pladi('rt E Inciane für ('in inhaltliches .Einhcitsponulaf dt'r :.triswu:lis...hcn Mcaph}'sik (\'gl. IHcime. F.: ~Die Einhcll dtr AriSlOttli htn MClaphy~ik·. In; PhIIQsopluU'JmjllhrlJHd,. ICI.Jg. [199'41. S. 1-21)••1:'15 iedoch ebc.-n!;tlls inncrt' Differen7.t'II {I~ Konzeplcs dun'haus zugcsteht. Fur Inciarlc dudle ('s Mk~um ('in Theorienuck bei ditstm (Aristotelr.s. U.W.) geben. d:t~ so beharrlich mißn~_nt.:lildt'n wurde ..... ie seine Subsun7.lchrc" (5. I). Es ist ..\lic I-ix.ierung auf du Problem der Ol\to~1'hcl,}logic:" (ebd.), die .möli1ic.h...rwclst den Blick :lut dic ursächliche F..inheil verUunkch hat (Um.st., U.W.). die. dw Mtl.lphY5ik des Ari5tQtdc.s :I:U(WC.IS(~ (cW.). Diek icht b('ruhl aJlcrding~ .luf ciner U('wcrrung des Problems in großen Linien: "I)ie ArislOtdische Meraphysik beginnt (...).1h Omologie und e'rreie'hl ihre' Vollemlun1;. bei der sie allerdings mcht wic beim Ende einCll Pmzcsscs aufhören muß. als Theologit'. Sie ist
7.
Aristotdc~'
SchrifTcn: Sondierung des philologjS(;hcn Terrains
357
rer und damit später zu erfassen ist.51 Entgegen manch leidenschafdichem Debancnbeirrag ist die Entscheidung für die eine oder andere Variante für die inhaltl.iche lnterpretation letztlich wenig ausschlaggebend. Von Aristoteles, und dies ist wohl bedeutsam, stammt der Terminus ,Metaphysik' jedoch ebensowenig wie der der ,Ontologie" der im Lexi~otl PhiJ.osophi(Mn des Goclenius aus dem Jahre 1615 seinen Ursprung hat und dessen Einrritt in die Wissenschaftsgeschichtc daher im Aristotelismus der protestantischen Theologie 2U suchen ist. I.n der Antike war es überhaupt nicht immer üblich) Büchern Namen zu geben, oft wurde lediglich ein Stichwort vergeben. um das entsprechende Werk schnell wiedererkennen zu können - und dies noch nicht einmal unbedingt vom Autor. Tat er dies jedoch selbst, wurde seine Benennung des Werkes keineswegs als bindend angesehen.~3.
Aber die Namensproblematik ist nur cin erstes Indiz. Schon von ibrem Bauprinzip her ist die Annahme einer einheitlichen Metaphysik-Konzeption bei AristOlelcs abwegig. Das Textcorpus, das wir heute unter dem Titcl Metaphysik kennen, ist eine Zusammenstellung aus 13 bzw. 14 Einzclbüchern (nicht immer wird das Buch a eigens gezählt), deren Entstehungszeir sich vermutlich über mehrere Jahrzehnte (hier reichen die Angaben von 25 bis 2U über 50 Jahren) erstreckt. \Vedcr ZusammensteJ· lung und Reihenfolge stammen vom Autor Aristotcles, ja noch nicht einmal alle Texneile können diesem einwandfrei zugeordnet werden. Bis heute ist die Chronologie der Bücher im einzelnen umstritten. Damit ist fast selbstverständlich auch eine inhaltliche Homogenität annähernd ausgesc;hlossen bzw. wärc schon aus dicscm Gesichtspunkt heraus nachträglich vorgenommene Redakcions- bzw. Redigierungsarbeit. Ein Blick auf die Themen der einzelnen Bücher bestätigt die These, die auch H. Seidl formuliert, daß nämlich nicht nur .. Aristote.les' ,Metapby· sik' kein in einem Zuge geschriebenes, geschlossen durchkomponiertes ~l
)1
Vgl. HöHe, AriltQtl'ln. a.:I..O., S. '40. _ Rapp, c.: .. Oie Subsunzbücher dcr Meraphysik". In: den.: DII' S"b1fanlbüche,.-, a.a.O., S. 4. - Reiner,I-l.: ..Die Entstehung und ursprun&li~ du' Bedeutung dl'S Namens Mrtaphysik" (195~). In: l'IAger. F.-P. (Hrsg.): Mttaphy.ik und TlJl!o/ugk del A,.-isrottlts. Oumsudt 1969. S. 1J9~17of. Otr Anikd ersc.hien zurrst in; 2dtsdmft für plJiloJoplmcJle Frmdllwg. 8. Bd. (195~). S. 21 G-237. - Der$.: .. Die En~tehuns der Lehre mm bibliothekuischen Urliprung dC$ Namens Metaphy~i.k, Geschichte emer Wis~ senschaflSl('&t'lIde~. In: Z~il$C~h"-lft {Nr philosophlscbe f(m~hung. 9. Bd. (1955). S. n·99. Reiner uigt hier und in sdnl'n früheren Bdtrigcn••daß der Name: Met':lphysik nicht, wie die heute .\lIgeml-in :lngenommen.: L.:hre behlluplCl. 211$ bibliothck2ltisc.he VC'rlrgenheilSbC"7.cichnun,; cntsnndC'1I ist. WIIJern JaS er \'on lIorn hC'rein »(hliehe Bedeutung hatte." (S. 71). -Merl",n, 1'.: .Mctaphysik: Name unJ Gt'gclI~t:l.nd·. 1n: I-I:lger, Mt'taphYJJ'k. und Theologie. a.:l.O., S. 251·265. Sicht' dort au(h die weiteren liu.'T.\lur.mgabcn lIuf S. 251. Anm. 2. Vgl. RdnC'-r, ..Die Entstthung dC$ Namens", ,u.O., S. 173.
Drilt~r
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Teil: Oie Ordnung der Wirklichkeit
Werk ist" 5J und vielmehr .. über Jahrzehnte hinweg aus Einzelteilen zusammengewachsen sein dürfte"s~, sondern sich die Bücher auch ..dem heutigen Leser (...) fast wie ein Konglomerat solcher Einzclteilc"'SS darstellt. Ein Blick auf die Komposition im cinzclnen~: Das Buch A bzw. 1, das mit Aristmclcs' berühmtem anthropologischem Dikrum 1l(lVlEC; dvOQWJtOL toü f:.löfvaL bei:yOVTO.l cpOOf.t (.. AJlc Menschen streben von Na(ur nach Wisscn"S7) beginnt, stellt sich als Einleitung zu einem größeren wissenschaftlichen Werk dar, es enrwirft eine Konzeption für eine theoretische Wissenschaft- von den ('Tsreo Prinzipien und Ursachen als schlechthin höchstem \'Q'isscn. Wie in Arisroteles' Strategie der ,Abhandlung' üblich, wird ein Forschungsbericht über die bisherige ,Fundamcnulphilosophie' gegeben. Auch hier zeigt AristoteIes also seine kritische Herangehensweise: Metaphysik ist in gewisse.r Hinsicht auch immer Metaphysik-Kritik. Das wirkungsmächrigc Vierursachen-Schema wird hier erneut vorgeführt58, allerdings bereits mit der Schwerpunktsetzung auf die StoffForm-Problematik, wie das achte Buch sie schließlich weitcrführt. s9 Das u Sol U
ial,
~Einlcitung".
In: Aristotcle.s. Ml'rap/'yJik, a.a.O.• I. Halbband. S, XI-LXIX. hier: S.
LX. Ebd. Ebd.
,. r..in~n Überblick üb~r die Bücher der M~t.tphYSlk bietet HüHe. AriHotd~l. ,l.:I.Q.• S. 142144. - Seidl, ~Einle;tullg Met;tph}'sik~. 2.;&.0., S. XI-XXJ. - Rapp, "Die ubsun1.buchcr der Meuphysik". :t.1I.0.• S. 4-7. - Fl:ashar -stellt 7.05:i!7.lich die unterschiedlichen Rckollstruktionsversuche der t\ristoteles-Porschung dar. die diffcrenzienen Schichlen des TextkQrpu~ ulld d~mil seiner Genese .l.uJ~.uschlü$sdn. W. Jacger geht danach von drei SchichlelJ aus, W. 'rheil~r von fünf und L Düring von zwei (vgl. Flashar. ~Aristotdes-, u,O., S, 257). " Arislote1es, Met"physik, :.I,a. ., I, S. 2J3. ~I ZU Beginn des driltt'o Kapilels des ersten Bucht'S der Mrt
7.
Aris(otde~'
Schriftcn: Sondi~rullg dCli philololjischclI Terrains
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zweite Buch 0 stellt eine Ergänzung des ersten dar, enthält eine kurze Einführung in das Studium der Philosophie und ist für die kommenden Bücher ohne Bedeutung. Ln Buch [[1 (B) wird ein weiteres Standvorgehen des AristoteIes offenbar: Er diskutiert Aporien, d.h. anstehende Unwägbarkeiten zum Thema, eine Problemsichtung und Rechenschaftslegung, die zur Forschung und ihrer Legitimierung notwendig dazu gehört. lnsgesamt 15 solcher Aporien werden diskutiert. Buch IV (f) benennt dann erneut den Gegenstand in der Form, es gehe - anders als in den Emzelwissenschaften, die jeweiJs nur über ein bestimJutes Gebiet des Seienden handelten - um eine Wissenschaf~ die das Seiende als Seiendes zum Inhalt habe. Buch V (6) steUt das erste heute noch verfügbarePhilosophie-Lexikon dar. Insgesamt 30 Begriffe von ,Prinzip', ,Ursache\ ,Natur', ,Wesen' und ,Seiendes' über ,Emgegengesetztes', ,Vermögen' und ,An sich' bis hin zu ,Falsches' und ,Akzidens' werden differenziert und trotzdem kurz und knapp dargesteUt. Ein anderes als das bisher entwickelte Verständnis von Metaphysik stellt Buch VI (E) vor. Die erste Wissenschaft soll im Gegensatz zu Physik (die das ScJbsrändige l aber Veränderliche zum Gegenstand hat) und Mathematik (die das Unveränderliche, aber unselbständig Existierende betrifft) das Selbständige und gleichzeitig Unveränderliche untersuchen. Hier zielt Metaphysik also bereits auch auf Theologie und focussiert. in der Terminologie der Schulmetaphysik ausgedrückt, die Metaphysica generalis hin zu einer Metaphysica specialis l die demnach nicht dem Seienden als Seiendem schlechthin, sondern einem besonderen Gegenstand gewidmet ist. Hier zeigt sich die thematische Nähe zum Buch Xl1 (1\), das die eigentliche theologische Abhandlung der Meraphysik darstellt. Aristotcles' Verknüpfung einer ,Ontologie' mit ,Theologie' ist aber keinesfalls ein von ihm durchgängig verwandtes Verfahren. Mit Buch V1 endet auch die nicht umweglos einheitliche, vielmehr verschiedene Ansätze vorstellende Einleitung Ln die metaphysische Wissenschaft. Nun erst folgen die eigentlichen Zentralkapitel der Metaphysik. die Bücher Vll-lX (Z, H, 8), eine weitgehend selbständige Gruppe, die thematisch auch ohne cl,ie anderen Teile bestehen kann und die mit der/den Theorie(n) der oooi.o. in Buch Vll einsetzt. Buch VUI ergänzt kurz die ausführliche Erörterung von VII zum Thema, vorzüglich im Hinblick auf die Stoff- und Formproblematik. Buch IX bringt einen neuen, zentralen Aspekt und klärt das Verhältnis von Wirklichkeit und Möglichkeit. Vor allem diese drei Bücher müssen gelesen werden, will man das ontologische System der aristotelischen Metaphysik anhand der Metaphysik verstehen. Zur ohnehin auffälligen Kompliziertheit und Verstäßdnisschwierigkeit des Textes der Melaphysik, die auch in diesen drei zentralen Büchern zum Ausdruck kommt, ist anzumerken, daß diese Tene wie alle lehrschriftcn
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DrilleT Teil: Dit' Or.lnung deI' Wirklichkeit
akroamatischc Texte, also zum Hören bestimmte Vorlesungsrcxlc. sind. Man mag sich einen Eindruck verschaffen, auf welch hohem Niveau die Auseinandersetzung in Arisrotclcs' Schule abgelaufen sein wird und weiches Können es erforderte, gedanklich überhaupt folgen und mitsprechen zu können. Die Einheit von Forschung und Lehre muß hier zweifelsohne in einem Kreis von Hochinteressierren und Hochqualifizierten gelebt worden sein. Buch X (I) beschäftigt sich mit dem Begriff des Einen bzw. Einheitlichen und XI (K) referiert einzelne Probleme aus vorangegangenen Büchern. Es ist wahrscheinlich nicht einmal VOn Arislotcles selbst. Buch XII stellt neben den drej Substanzbüchern Vll·IX das andere themadsche Zennalkapitel der Metaphysik dar. Hier wird die Theologie des AristOldes, die Lehre vom VO-Ut;, dem unbewegten Beweger, cntfaltcr. 60 Das Editionskonglomerat Metaphysik endet mit zwei Büchern (XIII und XIV bzw. Mund N), die mathematische Probleme besprechen und die eben.falls kaum in einem Zug verfaßt sein dürften. Der Überblick zeigt. daß allein schon von Textstruktur und -aufbau her von einer überlegten Disposition oder gar einer einhcitlichen MetaphysikKonzeption kaum die Rede sein kann~ zumindest dann, wenn man sich auf den Text bezieht, der wenigstens dem Namen nach Konzept.ion und Grundlagen der Ersten Philosophie bestimmen soll. Aber dies ist nur ein erSter, gleichwohl offensichtlicher Grund, an der Einheitshypothese auch systematisch und inhaltlich zu zweifeln. Das zweite. inhaltliche Problemfeld ist in dieser Richtung noch aussagekräftiger, obwohl es wiederum schwer vom Sachverhalt des Kompositionsprinzips der Bücher abtrennbar ist. Schon die Aufgabenstcllung der .Ersten Philosophie' ist nicht eindeutig zu identifizieren. C. Rapp weist darauf hin, daß wenigstens die "Erwartung, die Metaph)'sik könne als die sukzessive Umsetzung eines einheitlichen Forschungsprogramms gelesen werden, (...) ennäuscln"6t wird: "Bei gellauerem Hinsehen niimlic.h zeigt sich. (I.) daß in der MetaplJysik gleich mehrere. unterschiedliche Aufgabellstcllungen formuliert werden, (2.) daß ein Teil dieses Forschungsprogrnmms nirgendwo in der Mt,taphysik eingelÖSt wird und (3.), daß diejenigen Abhandlungen. die der Durchführung Zur ~riSll,)ldis(htn TheolQgi\' V&I. Amim. H. v.: .Die Entwicklung do:r ..ristordiKhcn Gout'slehrc·. In: Hagc.r. Mt'taphY)',k Imd Tht'%git', ;1.11.0.. S. 1~7". - Gutl.rie. W. K. C.: .. Die EIltwicklung der Theologie do Arist'l)tclcs - IM. In: Hager, Mctapb}'s/N und 11,('Q/og/c, .... a.O., S. 75-'>5. - Dm.: "Die Entwicklung dcr Theologie des Aristoldcs _ 11 In: I-I.l· ger. Metaphysik und Tb('()/og/c, a.a.O., S. %·113. - Zum Begriff des un~wcgtell ßewegtl"5 pczidl vKI. Müllcr. A..: .Bcweger. unlxwegll:r". In: Rit!t'r, HinoriJ(/,cJ \Vörttrbuch. ,u.O., S. 86'-'M (Bd. 1). "I R.lpP' .Die SUNlllllzbücher der Mel;lphp:ik ;1.;1,0., S.... t.O
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7. Arisfotdc-$' s.:hrih'c-n: Sontlitrung Jes phil0lot;ischcn T~mjns
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des metaphysischen Programms zuzurechnen sind. durchaus nicht als die di· rekle Einlösung von Aufgaben aus deo vorausgehenden Büchern konzipit'rt sind"6.l'.
Also bereits in programmatischer Hinsicht kann bezogen auf die Bücher der Metaphysik nur in sehr eingeschränktem Maße von einer konz.eprucllen Kohärenz gesprochen werden. Dies trifft auch auf elnzelne Themenbereiche zu. Oft nimmt der Text immer wieder "unterschiedliche Anläufe. um ein und derselben Problemstellung zu begegnen. Was in einem Zusammenhang als erledigt gelten konnte. wird in einem anderen Zusammenhang erneut problematisiert und einer modifizierten Lösung zugefühn"'r..l. Für den heutigen Leser stcllen sicb die Bücher der Metaphysik als cin ,Buch der vielen Anläufe' dar, was für den auf Definitionen ansprechenden Leser die Lektüre erheblich erschwert, für den problemori· entierten allerdings immer wieder neue Zugangswege eröffnet. Der Schwierigkeit ein übrig'es für beide Gruppen tUt die unbestreitbare Auffälligkeit des Aristotclcs. bei Fremden erkannte auc.h selbst eingehandelte Aporien nicht als falsch, sondern als produktive Zwischenergebnisse zu behandeln und weiterzuverwerten. Besonders gravierend ist, daß auch Begriffsbestimmungen keinesfalls - wie das Buch V dies suggeriert - eindeutig sind. Allein der engere onotologischc Begriffszusammenhang, wie der durch die Termini 0\'0(0. U1t.OxE(I1Evov, f.t&o~ und EvEQYElQ getragen ist, wird - teils thematisiert, teils unthematisiert - immer neu zum Teil ganz unterschiedlichen Lösungsversuchen zugeführt, die sich durchaus auch widersprechen können. Die bereits angesprochene und letztlich immer noch ungeklärte Fr:age. inwieweit Metaphysik fundamemale Seinsontologie oder spezielle Geisttheologie ist, bildet damit nur die Spine elnes grundständigen Problemzusammenhangs, der dazu fühn, "daß trotZ (und auch gerade wegen, V.W.) der überwältigenden Rezeptions- und Deutungsgeschichte des Werks auch zentrale Kapitel und Passagen (wie zum Beispiel auch die Substanzbücher, U.W.) immer noch für verschiedene Deutungen offen sind"6-4, Das heißt nicht, daß Antworten auf die seJbstgestellten Fragen des AristOteIes von ihm njcht gegeben werden, es heißt vor allem, daß diese nach Kontext und Argumentationsverlauf höchst unterschiedlich ausfallen können. Der dritte Aspekt schließlich, der fundamentale Skepsis an einer Einheit der Metaphysik aufkommen lassen muß. überschreitet den engeren Rahmen des bislang skiz.z.ienen Textcorpus der 14 Bücher. icht nur fehlt ~Ebd.
R.lpP' .Die SUb5Un7.büc.h~r d~r Mmphysik", a...1.0.. 5.1. .. Rapp... Di~ SUMunzbüch~rder leuphysik-. a..J..0.• S. J. 60)
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Driner ll.'il: Die Ordnung d('r Wirklichkeil
der Metaphysik eine homogene innere St.uik, das Thema ,Metaphysik' zieht sich, wie wir teilweise schon gesehen haben, durch andere Texte (notwendig) hindurch. Es in cin Querschnittsthema, von dem gar nicht zu erwarten ist, daß es immer gleich verstanden, problematisiert und gelÖSt werden wird. Die Metaphysik, die Physik. die Schrift über die Kategorie" und auch der ,psychologische' De anima-Text stellen jeweils ci· gene Varianten vor und bez.iehen s.ie auf den spezifischen thematischen Kontext. Signifikantes Beispiel, das hier nur grob skizziert werden kann, ist der Begriff der OooL« in den Substanzhüchem der Metaphysik einerseits und der frühen Kategon"en-Schrift andererseits. Es macht deutlich. wie fundamental die ,innerarist'Olclischen' Unterschiede auch in den brisanten Fra· gestellungen, die den Slagiriten von anderen antiken Denkern, wie z.B, Placon, abheben. sein könncnM und man hier in gewisser Hi.l1sicht fast geneigt ist, sogar grundsätz.lich unterschiedliche ontologische Theorieentwürfe in AristoteIes' Denken anzunehmen. teh folge der ausgezeichneten Darstellung C. Rapps. um das Problem komprimiert deutlich zu machen: .. Aristotrles sprichl Ln dr:n Kategorien von einrr erstrn und von einer zweiten Substanz (ouSta). Erste Substanz, sagt Aristotdes, sei dasjenige, was wroer von einem Zugrundehegenden oder Substnt (hypokeImenon) ausgesagt wird noch in e.inem Substr.u ist, wie z..B. ein einzelner Mensch odr:r ein einzdna; Pferd: zweite Substanz sei die An (eidos), worin sich die e:fSten Substamen ~finden. wie z.B. die An .Mensch' oder die An ,Pferd', und in einem schwicheren Sinn auch die Jeweiligr Gattung, wie 2.B. ,Lebewesen'·"'.
Was macht also die besondere Qualität der ersten und zweiten Substanz aus? .. Erste und zweitt Substanz sind vom Bereich des icht-Substantialc.n da· durch unterschieden. daß sie, wie Aristote.lrs .Ugl, nicht in einem anderen sind, d.h.• daß die nichuubstantialrn Bestimmungen, wie z.B. ,weißhaarig', ,fünf EUen groß' usw. einer Substanz bedürfen, in der sie vorkommen können, etwa eines besrimmten Menschen, der weißhaarig oder fünf Ellen groß ist. daß aber die Substanz für ihr Vorkommen keiner anderen Sache bedarf·'7.
~
Vgl. dazu dit' Bcmffkung G. Pichu; .Die K"'tegorien, :llso die r~nen Grundfonne.n :llIer möglichen Awugen. nehmen bt-i ArlSIOlel" die SlclJe em, di~ bei PI:llon die Mnhemuik einge:nornmen ~ne. Du in dC'f fumbment",lt' Unlrrschi~ zWlschrn Aristolclrs und Pb· lon. Man darf diesen Untnuh"J aber nicht simplifiziefl'nd :115 dnen Grgt'nwlz intl."rpreUl."ren: denn Platon sdbst hat in seint"m Spatwtrk für dit" afUtotdische K"'ltgoncnll."hre die Basis gdq;I.- (Picht, Arisroult',' IR ..nun«. :1..1.0., S. 23). Mo Rapp••Die Sub,nanzbucht"t der Meaphysik-......0 .. S. 20. .,. l::bd.
7. AnSltltc!es' Schriften: Sondierung des philologi$chen Terrains
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Aber auch in der Differenz zwischen erster und zweiter Subst2nz herrscht ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis vor: ..Innerhalb des Paares von erster und zweiter Substanz. rühn die Vorrangstellung der ersten Substan2. daher, cbß die zweite Subscan.z von djeser, diese a~r nicht von der zweiten Substanz ausgesagl wird, so wie das Artpridikat ,Mensch' vom einzelnen Menschen, etwa Sokrates ausgesagt wird, aber nicht umgekehrt. Nur die erste Substanz wird also weder von einem anderen aus~ gesagt noch ist sie in einem anderen. Die zweite Substanz ist zwar ebenfalls nicht in einem anderen, aber sie wird von einem anderen ausgesagt, nämlich von der jeweiligen asten Substan2-".
Aristotdes, so resüm.ien Rapp, ",operien hier abo mit zwei versc.ruwen:urigen Formen der Abhängigkeit. Die Sonderstellung der ersten Substanz beruht darauf, daß sie in beiderlei Hinsicht unabhängig ist-'9. In der Metaphysik nun - dies wird noch näher Gegenstand der Untersuchung sein müssen - sieht dies ganz anders aus. Die Unterscheidung zwischen erster und zweiter Substanz fällt weg. Wenn Aristoteles dennoch einmal von ,erster SubstanZ' spricht, ist damit eine besondere Qualifizierung im Hinblick auf den E~-Charakter gemeim. Zu ihr, der ersten, gibt es keine zweite Substanz mehr. Mit der Qualifizierung ,erster' will er lediglich sagen, daß das konkrete Einzelding nun in die Aspekte Materie und Form auseinandergelegt wird und die Qualifizierung ,erste Substanz< einem dieser heiden Aspekte - natürlich dem tlÖOl;, das in der Kategorienschrift noch zweite Substanz war (1) - zugeschrieben werden kann. Die Stellung des tlhot;. einem Schlüssclbegriff aristotelischer Ontologie, hat sich also fundamental geänden. Die Gattung, in der Kategorien-Schrift noch Teil der zweiten Substanz, ist dagegen nun gänzlich vom Begriff der Substanz ausgeschlossen, weil für Aristoteles jetzt kein ,Allgemeines' mehr Substanz sein kann. Wäre nun der E~-Begriff in der Metaphysik wenigstens einheitlich verwendet, könnte man von einer Theorieenrwicklung sprechen, die lediglich als ein Fongang des in der (rühen Schrift dargestellten Zusammenhangs firmiert. Aber auch das ist nicht der Fall. Der Schwierigkeit jedoch, daß z.B. in der Physik eine weitere Variante des Vier-Ursache.nSchemas einer (ßlisa formalis, einer causa {inalis, einer causa effio"ens und einer causa materialis vorgestellt wird. die ein wiederum abweichendes Stoff-Form-Verständnis aufweist, wäre man damit noch gar nicht begegnet (vgl. Physik fl, 3 und auch AristoteIes' Hinwe.is auf die Physik ln .AleI.physik I, 3). .. Ebd. '" Ebd.
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Dritter T
M.it dem Phänomen der ime.rtextucllen Modellüberlagerung ist die EinheitshYPolhesc nun auch umer der Perspdnivc der Ontologie 31s Querschniusthcma endgültig als grundständig problematisch erkannt. Eben dies kann jedoch auch den Weg für eine Lösung der aus dieser Situation resultierenden Intcrpreu.tionsprobleme bereiten, Interpret3tionsproblemc, die man sich fast notwendig einhandelt, gibt m.an die Einhcitsh)'pothese schließlich aus den genannten Grunden unwiderruflich auf. Es ist nämlich ausgerechnet eine .Randnoliz' zu Humboldts Kaw;-Ei"leitung. die indirekt den Weg zu einem besseren Vcrstandnis der aristOtelischen Ontologie (dieser Terminus soll ab jetzt das begriffliche Ensemble der rrQ('oT11 qJlAOOC>qllO bezeichnen) weist. Die zwischen 1830 und 1835 verfaßte sprachtheoretische Schrift iSt in besonderer Weise auch aus dem Grund für eine Analyse des Humboldtschen Sprachdenkens geeignet, weil in ihr als Spärwcrk zumindest teilweise viele der bis dato weniger klar geäußerten Ged~ken zwar weiterhin schwierig sind, aber dennoch zu größerer Klarheit und anal)'tischer Schärfe gebracht werden. Allein der Vergleich des Verschiedenheit-Textes mit dem über die Verschiedenheiten von 1827 - 1829 weist dies auf. Viele bisl:mg verstreute und zum Teil unausgereift wirkende Aspekte sprach bezogener Theoriebildung kompilieren hier in einer Schrift, deren Gesamtzusammenhang erst in der Lage ist, die Fülle von Einzelheiten der Analyse sach- und problemgemäß hervortreten zu lassen. Über einen solchen Text aus der späteren Schaffensperiode, in dem viele Gedanken aus früheren Enrwürfen zunächst konfroncien und dann integriert zur Theoriebildung geführt werden, verfügen wir auch bei Aristoteles: es ist der in drei Büchern gdiedcrtc ,psychologische' Text Ober die Seele (m;Qi ~\r'<'l~, lal. De anima), der zweifellos einen der großartigsten Texte darstellt, die ArisLOtcles je geschrieben hat. und der nicht nur exemplariscb für seine ArbeitSweise in der Textgat:tung .Ab~ handlung' steht, sondern in dem der Stagirit auch den weiten Bogen zwischen Ontologie, Physik im allgemejnen und Physiologie und Biologie im besonderen, Anthropologie und letztlic.h auch Theologie zu spannen vermag: ITEQi. ~JUxil~ enthält arislotelisches Denken in einer Breite und Tiefe wie kaum ein anderes Werk des alhenischen Philosophen.10 Auch aus diesem Grund soll dieser Text, von dem wir gesehen haben. daß ihn schon
,., Dies .....ird ~u .... cikn auch von ;andtert'n spat(:lt Schriftt'n beh;auptet. eine 1OeK, die- in be7.Uj;. .tUr dit in diesem Zuummtenhang gmMtnlen Torlt inh
7. ArislOl(l('.$' Sc.hrift~n:
Sondi~run(;
des
philologisch~lI T~rr2oins
365
der junge Humboldt aus E1Jgels philosophischen Vorträgen kannte, zum Ausgangspunkt der Analyse genommen ",'erden.
7.3 Synthesen der Erinnerung: Ober die Seele Jede Datierung der arisrotelischen Schriften ist aus den genannten editionsphilologischen Gründen äußerst relativ. I. Düring weist - dessen eingedenk - die drei Lebensperioden, die schon bei \VI. Jaegcr im Miuelpunkt des entwicklungsgeschichtlichen Ansatzes standen, als Folie für die Datierungsfrage aus.'l Vor allem inhaltliche Aspekte und Querverweise in den Schriften selbst geben Aufschluß über die relative Chronologie der Texte, die hier in Ausschnitten dugestcllt sei: In der Akademiezeit in Athen von 367-347 sind offensichtlich die Schriften des Organons entstanden, die Kaccgorien-Schrift, die Hermeneutik und Bücher der Topik, die Analytike1J. Weiterhin legt AriStoteies Materialsammlungen an und ist mit klassifikatorischen Vorarbeiten beschäftigt. Die ersten heiden Bücher der Rhetorik entstehen und werden einige Zeit später noch einmal überarbeitet und um ein drittes Buch ergänzt. fn der Zeit der Reisen bzw. der makedonischen Zcit (347-)34) stehen Naturkunde, Zoologie und Botanik im Vordergrund: Hisloria animali"m I-VI lind VlII. De partibus animalium rI-rv, die Meteorologie I-lU entstammen diesem Zeitabschnin. Hier entsteht auch die erste, zunächst überwiegend biologisch geprägte Fas sung von De anim4. Die Schrift hat demnach eine längere Entwicklungsgeschichtc, die - wie man sehen wird - auch das Denken des Aristoteles im Ganzen widerspiegelt. Die Entstehung Politika I und VII-VIII fallt ebenfalls in die minIere Phase, in der jedoch vor allem AristOldes' empirisches Interesse im Vordergrund steht. In der zweiten Athenperiode (334-322) schließlich entstehen die noch heute als inhahlich zentral qualifizicrten Schriften. Die Rhewrik wird überarbeitet. Weiterarbeil :m der Politik. Die Substanzbücher Z, Hund 8 entstehen, ebenso die Bücher r und E der Metaphysik. De generatione animalium und De mOllt animalium fallen genauso in diese Zeit wie die Nikomachische Ethik, für die U.a. die Eudrmische Et!Jik verarbeitet wurde. In dieser späten Zeit entSteht nun auch eine zweite, überarbeitete Fassung von De arlima. in der die früherc Ansicht der ersten Fassung, es gäbe keine allgemeine Definition der Seele, nun gerade strikt abgelehnt 4
,. Vgl. Outing, Amlatt'iel. 01.20.0.• S. -48-52. - Zur Bi~nrh.c des Ari$totrl~ "gi. .auch Fluhau d~tailll~rte D.amdlung (vl;l. Flashar... ArislOldts". :1o.:lo.0., S. 219-23S).
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Driller Tdl; Die: Ordnung dtr Wirklichkeit
wird. Standen in den früheren Ausführungen die physiologischen Erscheinungen des Seelischen im Vordergrund, stellt sich nun eine Sicht ein, die zwar die frühen Ansichten und ihren biologischen Horizom - bis auf die genannte Problematik der Verfaßtheit der Seele - nicht grundsätzlich bezweifelt. die aber die Seelenkunde in den umfassenden Horizont der aristotelischen Theoriccnrwicklung einbindet. Düring und andere haben bzgl. der lecz.ten Schaffensperiode \'on der "psychologischen Zeir" n gesprochen, eine QuaJifizicrung, die über die engere dis7..iplinärc Sicht heutiger ,Psychologie' weit hinaus geht, trotzdem aber oder gerade deswegen weiteres Indiz. für die Wichtigkeit der De-anima-Schrifl iSl, die den Kern einer arislotelischen. den Menschen und seine Erkennmis, die Natur und die ,Gortesfrage' schlechthin umfassenden, Psychologie darstellt, die nichts von der subjektivistischen Reduktion moderner Provenienz beinhaltet. Aristoleles begründet mit dieser Schrifl die .Psychologie als eigene philosophisch~ (Her"., U.W.) Disziplin" n . Es gibt - neben diesem synthetischen Charakter in diuiplinärcr Hinsicht - weilere überzeugende inhalrlichc Gründe dafür, auch in der Datierungsfrage noch einen Schritt in der Differenzierung der Chronologie weilerzugehen und die Schrifr Ober die Seele zeitlich noch hinter den Substanzbü hern der Metaphysik einzuordnen bzw. mi.ndeslcns zu behauplen, daß der ontologische Zu:oammenhang hier theoretisch besonders kondensiert zur Geltung kommt. Zunächsl ein Überblick über die Struk[ur der Abhandlung. Der in der zweilen Fassung in drei Büchern gegliederte Text beschä.ftigt sich in Buch I mit der Erörterung und Bestimmung des Gegenstandes und mit den Schwierigkeiten. die sich bei dessen Be· handlung ergeben können. un gehl AristoteIes wieder seiner bewährten Methode nach, die Lehren der Früheren zu besprechen: Demokrit, Diogenes, J-1erakJit, Hippon, Kritias, Platon und Xenokratcs, auch die Pythagoreer, sind hier im Visier. AristoteIes ist laut Düring in seiner späten Pha· se umsichtiger und in seiner Kritik weniger leidenschaftlich und apodiktisch geworden, es fehlt weitgehend dic ..polemische Spitzc"7-4. D:tS erste Kapitel von Buch 11 enthält dann neben der berüh,men und nicht nur im Mittelalter äußerst wirkungsmächtigen Sce1cndcfinition eben auch einen Abriß des ontologischen Gerüsts, der in Stil, theoretischer Anspruchshalcung und thematischer Dichte eher einer Grundsal'Zerklärung als einer beiläufigen Wiederholung gleichkommt und sich daher keinesDunng. Anllottlt,. I.~O.. S. 51. ~) idl. H.: .EinleiuJng". 10: ArlstOldn: OlHr Jlt' Suft. ~"t Emft,"mg. hmttzMng (nluh \t' Tbtl[,tr) Mud Kommelltar Jmg. wtI H. StIJ/ /grl«huc),·JtlllsthJ. H~burg 19'1;. S. IX~ 0:
LVlI. hltr. S. IX. ~~
During. AnJtottlN• .u ..O .• S. 52.
7. Aristou:lcs' Sdlrj(u:n: Sondierung des philologischen Tcrn.ins
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falls im Charakter einer (ontologischen) Einleitung in die dann eigentlich durchzuführende theoretische Wissenschaft ,Seelenkunde' erschöpft. Vielmehr ist hier der ontologische Kristallisationspunkt der gesamten Schrift zu identifizieren, an der systematisch die Legitimation der ganzen zweiten, späten Neu-Konstruktion von De anima in ihren Gruodaussagen hängt. Diese Stelle wird daher in der vorliegenden Studie den Ausgangs· punkt dafür bilden, die aristotelische Ontologie in ihren Grundzügen darzUSlcUen, hier mußte AristoteIes kurz und knapp das klar und trotZdem differenzicn formulieren, was andernortS erst Gegenstand der Erarbeirung und Problemdurchdringung war. Zunächst aber zur Definition der Seele: btb ~ \J'UX~ eonv Evrdf-/.ELU iI itQOlT~ OWftaw, "lIJmxo;; buvilflEl i;wiJv <-/.Ovto;. [412.] .Desh.lb iSt die Seele die erSte Vollendung der Seele eines natürlichen Körpers, der in Möglichkeit Lehen hat" 7S . Damit begründet Aristoteies in Absetzung von den bisherigen Positionen seinen eigenen Standpunkt nachdrücklich, die Seele ist nicht länger roeh.r eine irgendwie geartete Eigenschaft des Kör· pers. sondern sie ist selbst die Substanz, ist das Aktualitätsprinzip des Lebendigen. Das ..dem Lebewesen selbst innewohnende Prinzip heißt Seele" 76 und ist gerade deswegen nicht vom Leib getrennt denkbar. AristOleles, gegen jeden Dualismus von Leib und Seele streitbar gewendet, konstiruiert damit ein Verständnis, das die leiblich-seelische Einheit als Prinzip des Lebendigen definiert: Es ist nicht falsch. in diesem theoretischen Umfeld einen Pfeiler des Denkens zu diagnostizieren. das wir heute als ,ganzheidich' bezeichnen (und das Humboldt in seinen bildungstheoretischen Schriften so vehement vertrat), wiewohl wir uns heute - wie schon die Analyse des XU06AOU gezeigt hat - schwer tun, die systematischen Konzequenzen und den inneren Wirkmechanismus griechischen Denkens mit unseren sprachlichen Möglichkeiten auszudrücken. Aristotel es' Anspruch ist hoch und er erreicht diese Anspruchshöhe - dies ist für den hiesigen Zusammenhang besonders wichtig - nur durch die Kombination von Ontologie, der 1tQWTll epl/..OOOqJLo., und der Seelenlehre, eine systematische Symhese, wie sie besonders in Aristotelcs' Zusammenfassung im achten Kapitel des dritten Buches deutlich wird: Nüv Oe .1IEQL ~IVX~~ 1:0: ).t-XOlvtU OUYXEqJaAUlWoUVTE,. EtilWflEV ilitl.IV ön ~ ~'UX~ Ta Övtu it"" ton\" [43Ib] Jetzt wollen wir die Ausführungen über die Seele zusammenfassen und wiederholen, daß die Seele in gewisser Weise das Seiende ist" n . Die Formulierung des zweiten Satzteiles ist an dieser Stelle so zu ~ Aristotda,
Ubt'r dlf!. ult'. u.O.. S. 62/63. '" Hoffe. AnJtou/u, ,u.O., S. 136. 'f AnSlOtdes. Om J,t' Set'/t'. u.O.. . 18-4'18S.
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Dnut'r Tdl: oit' Ordnunj; drr Wirklichkeit
verstehen, wie G. Picht dies in seiner Übersetzung charaktcrisien hat,
nämlich daß ..die Seele auf irgendeine Weise das Seiende in seiner Gesamtheit ist (Umsl., U.W.)"n. Dies ist u.a. darin fundiert, daß - wie Seidl feststellt - die Seele ..in der Erkcnnmis mit den Dingen identisch wird (UmsL, U.W.), und zwar ihren erkennbaren Formen nach, ohne die Materic"19. Arislolcles entwirft hier eine .Erkenntnistheorie von bleibendem \Vert" • und tut das - in dieser Hinsicht Kam s4:hon lange vor diesem gleichs.am überholend - ohne "eine Psychologisierung der Erkenntnis"'l. Es wird noch deutlicher werden, was diese Charalucrisuk der Seele als umfassend Seiendes im Hinblick auf das Wirklichkeit verständnis des Aristotcles und das Sprnchverständnis Humboldts bedeutet. Oie untrennbare Koppelung von Ontologie und einer theoretischen Wissen1'chaft, die d.ie Seele zum Gegenst'and der Unlersuchung hat, ist hier jedoch bereits überdeutlich und untermauert Stat[ unterminiert die Tatsache, daß eines der wichtigen Ergebnisse des Aristolcles in JTE(Ji. ~'uxiir; ist, ..daß die Seele als Lebensursache der Lebewesen nicht mehr wie diese bewegt und matcricU ist, sondern selber unbewegt und immater;elJ. Daher steht diese Disziplin an der pitze der Naturphilosophie, der Physik, und schließt sie ab"u. Ein Abschluß. der die michstcn Anschlüsse immer schon gleich mit initialisierr. nämlich die an Ontologie und Theologie. Naturforschung ist bei AriSto~ teles nicht in erster Linie empirische Forschung, sondern Grundlagendisziplin .\ und ..während die Pbysik die Grundbegriffe und Prinzipien aller aturdinge untersucht, erörten die Abhandlung Ober die Seele die Grundbegriffe und Prinzipien alles Lebendigen· lW • Noch einmal einen Schritt zurück: Für den hiesigen Zusammenhang ist erneut des editionsphilologischen Befundes zu erinnern, daß das ganze erSIe Kapitel des zweiten Buches - abo die Zcmralpassagcn mit eelendcfi~ nition und Ontologie - zur zweiten, also spätcren Fassung von De anima gehört und damit in gewisscr Weise theoretisch gleichermaßen kompcn'" l'idlt. Anstou/~s' Dr ..mmM. :1.1.0., S. 33. " Sl.:idl, ~E.inlcilullg Über di~ Sccll."" , .1.:1.0., S. xv I. - Zu Ari5tulclt'~' Erkl."nnt.JIislchrl." in Oe iUllm.1 )il."hc \'or .Illern S. XX II·XXVIII. wo s.:idl dit' Stufen des Erl.enmnidliruduilts bc.-l AriStOlcies von der .Wahrnehlllung" ubn .Ennllerung'. ,Vouu:llung', ,Erfahrung' b7.w .Mcinullg' bis hin zu ,WiSSClUduh' \·cdolgl. Zur Inll."rprcliltilln der Jri\tötdis.:hl."Jl VernunhJchre durch Thcmislios, Thom.u von Aquill und I-Iloge! vgl. S. XXIX.oLlV. fCI Seid!. .Einleitung Ober die Seclt-, .LJ.O., S. x.xvn. EbJ. l.l Seidl...Einleitung UlKt Jil." $cd..-, 1 . .10.0., S. XVIII. 1I Vgl. dJ.Zu dlC' Bcitr.lgl." In dl."m "00 G. A. Sack 1975 1II DJfmsudt ht'fJw;gtK~ncn BJonoJ DIl' N4tllrphl/omph/t' dCI Arutotrll."i, die- .. Ansu)(d~ :t",·iKhl."n NJ.turphilosophil." und Naturwl~nsdufl· ( . IX) bnumml."n. .. Ilö((e. An·YoIl."lrl. 1.1.0., S 13-4.
'I
7. ArislOtdes' Schriften: Sondierung des philologischen Terrains
369
dia.len und die bisherigen Ausführungen des Aris[Oteles zu heiden Themenbereichen integrierenden Charakter behaupten kann, ja sogar die komplexen Anläufe, wie sie für die Ontologie in der Metaphysi.k beobachtet wurden, dahingehend zu kommentieren in der Lage ist, daß hier ein reifer Enn,vurf vorgestellt wird, der zwar um die ohne Zweifel weiterhin vorhandenen Differenzen weiß, diese abe,r nicht zerstören mu,ß, um trotzdem zu einem handhabbaren Verständnis z.u kommen. Dieser systematische Vorteil der Textpassage soU im weiteren Verlauf der Studie eingehend genutzt werden. Die gesamte Schrift Ober die Seele hier im einzelnen darzustellen und z.u kommentieren, ist weder zwingend notwendig noch sinnvoll und an anderer Stelle ausführlich nachzulesen.8~ Der Vollständigkeit halber sei hier aber wenigstens &'rob der weitere Fortgang berichtet. Aristotelcs analysiert bzw. organisien die unrerschiedlichen Vermögen (ÖUV6.~lEl~) der Seele in einer Rangfolge, zunächst das vegetative Vermögen (tO OQEJtll. 1{6v), das für Ernährung, WachStum und Fortpflan7.ung zuständig ist, dann das Wahrnehmungsvermögen (ta ClLoO'ltl:x6v)H6, das mit Schmerz oder Lust und Begierde verbunden ist, und schließlich ein für Geist und Logos zuständiges Vernunftvermögen (ta vOTltLx6v). Dem Katalog eben solcher Vermögen (vgl. Buch n, Kap. 4) werden dann jeweils die Lebewesen Pflanze (,Pflanzenseele'), Tier (,Tierseele') und Mensch (,humane Seele') zugeordnet. Auf der höheren Stufe sind die Vermögen der unteren Stufen immer notwendig inhärent. Das Vernunftvermögen ist noch einmal in erleidenden (vo'Ü; n:aOrrnx6;) und aktiven, schaffenden Geist (voü; naOllux6;87) geschieden, nur im aktiven Geist löst sich die Leib-Scelcn Vgl. B,uncs. J.. Schofie1J, M. und Sorabji. R. (Hrsg.): Artltl~s on Aristotk. Rd.l: Sci~rlce. London 1975. - Cassire.r, I-T.: Ansloul~s' Sd"ijt ,Von drr Sl?t/e' ,md ihre Sldhmg Inmtrh"lb dt!r t1rislott!lisch~n Philosophie Tübingen 1932. - Furth. M,: SuJmance, foml, If"J psyche: If" A n~ flott/ca" ml'tllphyrics. umbridgt 198K. - Hamlyn. 0.: .Arinotle's Account öf Atsthc.sis in the ,Oe anim.1'·. 11\: Thr Clllssjeal QHtlrterlJ' 9. (nl"w scrir:t)Jg. (1959), S. 6·16. - Inciartc, F.: .Dcr B~riff der xcle in der PhilO$ophie da Aristotdes~. In: Krl"mer, K. (Hrsg.): erle. I/nt. \,(/irkliehkej'z. ih, Vnhältnu ZN'" Leib und zur mmsrhlirhen Pmon. leiden, Köln 1984. S. ~6· 65. - Lloyd. G. E. R. und Owen. G.E.L. (Hrsg.): A"iuotlt on lo1ind lind StnU1 Cambridge 1978. - ussbaum, M. C. und Rorty. A. O. (Hrsg.): El$aJHm An'$tollt's ,De Ifrllma'. Oxford 1992. - Picht., Amtottld De Ifllmld. :1..1.0. - Seidl. ~Einleitu"'g Über die s«le·, :u.o. .. Vgl. füt die neuere. Diskussion des aristotclische-ß Aislhesis-KonzepltS Volpi. F.: ~Zum Proble.m der Aisthesis- bei Aristotelu· . In: Pllragra"a. -4. Bd. (1995). H.l. $.19.... 6. - Einen guten überblick übtr das Wilhmehmungsvermögen in Dt'amillif bietet Ca.ssirer, AriJtoU·· fes' Schrift, .1 •.1.0.• $. 68-107. 1 H. CU5irer wein d.1r.1uf hin. d.1.ll dl"r Terminus vo~ nOt1'Jlnt~ fur die tätige Vernunft in dirKr Form bei ArislOtel~ nicht auft.luchl, und beruft .lieh d.1bei auch .Iuf H, Bo..,ilz· In· JtX Arütotl'licus 491 b 31 (vgl. ussirt:r. AnJtou!t's' Schrift• .1•.1.0.• S. 173).
370
Driuer Teil: Oie Ordnung der Wirklichkeil
Einheit schließlich auf, ArisIOtcles' Anknüpfung an die theologische Fra-
gestellung. Nach dem Tod des Menschen ist das passive Vernunfrvermögen wie die Sinneswahrnehmung vergänglich, nur die aktive Vernunft besteht abgetrennt weiter und ist in reiner Wirkljchkeit tätig: xal. OUtOc; (\
voV<; XWQWTO, xallmaO~, xm a~llV~" tn ouola WV EvEevtLa. [430.J "Und diese Vernunft ist abtrennbar, leidensunfähig und unvermischt und ist ihrem Wesen nach in Wirk.lichkeit"Ss. Aristotcles faßt die ontologischen
Kriterien für die Möglichkeit der Theologie jedoch ausgesprochen eng: Xlt.lQLOGELt;, ö' tOll. ~L6vov TOOO'ÖJtEQ E.mt. xat foma ~16vov a06.vuTOv xat ci.:öwv. [430a] "Abgetrennt nur ist sie das, was sie (ihrem Wesen nach) ist. und nur dieses (Prinzip) ist unsterblich und cwig"89. Diese theologische ,Abtrennung' ist jedoch - darauf weist AristOlclcs mehr systematisch erläuternd als cinschränkend hin - mit dem Verlust der ..Erinnerung (an frühere mit der passiven Vernunft voJ1zogcnc Erkennrnisse)'''Kl verbunden: [430a] "Wir haben (dann) aber keine Erinnerung, weil dieses leidensunfähig ist, die leidensfähige Vernunft hingegen vergänglich ist, und ohne diese jenes nichts (von dem Erinnerba.ren) erkenm"'''I. Erinnerung ist demnach für Aristorelc.s eine höchst leibliche U mcrnehmung der
Seele. Die insgesamt nur 16 ZeiJen, die das rünfte K.apitcJ des dritten Buches von rrEQi 'l'U',(ftt; bilden und ,1U$ denen hier zitiert wurde, sind wegen ihrer - wie W. Thcilcr es formuliert - ..Dunkelheit und übermäßigen Kürze berüchtigt"?z. Sie geitcn als eine der "meistkommemienen Passagen der gesamten antikcn Philosophie"93. Folgender Ausblick, dessen differenziertcr Gehalt crst nach der ausführJjchen Begriffsanalyse durchsichtig wird, kennzeichnet dic in 430a intendierte Imegration von Ontologic, Anthropologie und Theologie in ihrer vollen Prägnanz.: .. Der Mensch aber har durch das Vermögen des voü; Jtu0l1nx6~ als scine höchSte Möglichkeit das Vermögen, die in dcr Seele als Ersler Enrclechie noch verborgene Wahrheit dieser Entelechie zu erkennen. Er kann mit jeder Wahrheit. die er erkennt, zugleich das Licht des voü~ JTOLl1nX~ erken.nen, i.n dem sie sichtbar wird. Im Augenblick eines solchen Erkennens ist auch das Denken des Menschen V611Ql.~ vonOt:(l)~ - das ist die höchste Form des Lebens überhaupt. Sic trägt bei Ariscotelcs den Namen EiJt)aL~lOvt(1 (Glückselig-
tl
AriSlou:.les. Obu die S~dtf. 03..01.0.. S. 1711173•
.., Ebd.. Stidl. ~Einleitung Ober die Scdc~ •.u.O., S. XVI. ~I Arislotdes. Über Jil.' Stell:. a.o3..Q.• S. In. ~! Thcilcr, W. z.il_ nach Höffe, Arirzou/t's. u.O., S. 138.
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" HöHe. Ar/Slou:les. ;1.:.1.0.. S. 138.
7. AriS1Otdes' Schriften: Sondierung deli philologischt'n Terra.ins
371
keit, V.W.)"". Die Vollendung der Glückseligkeit als das höchSte Ziel allen menscWichen 5trebens ist also nach AristotcJes immer mit dem erkennenden Denken verknüpft.
7.4 Überleitung Der Terminus ,Erinnerung' war im Kontext d.ieser Studie auch als methodologischer Begriff gefaßt worden. Um die aristotelische Ontologie in einem Verst;indnis zu lesen, in dem deren konstitutive Bedingungen und deren Begrifflichkeit transparent zum Vorschein kommen, wird ein - dem der Erinnerungsarbeit zugrundeliegenden Strukrurmuster analoges zweistufiges Verfahren angewandt: Die schon erwähnte Charaktensük der Ontologie im ersten Kapitel des zweiten Buches von 1t.EQL tpuxilr; wird als Grundlage und Folie einer Klärung des grundständigen Zusammenhangs der Begriffe fungieren (I). Durch diese Schrift hindurch werden jedoch gleichermaßen die Differenzen wahrgenommen und dargestellt. die das mit Metapbysik bezeichnete Texrkorpus bereit hält (2). Bevor diese Umernchmung jedoch Erfolg haben kann, ist noch der Bezugsrahmcn zu sic.hern. in dem Aristoteles ontologisches Den.ken organisiert: ei.ne Sondierung des theoretischen Terrains, die nach aristotelischem Verständnis immer schon auch die Wirklichkeit selbst zum Gegenstand hat.
... Pichl, ArislQll'lrs' Oe anim'l• .1.a.O.• S. )95. - Neben den Originaltcxten S1Ü1U ich mil:h ;rls Leitf.aden der Lnt'crprel;ltion vor ;tllern auE Piehu Reflexionen in diesem Band. Es iSl nicht übenri~·ben. diese aus Vorlesungsll1.1ßuskriplt'n z.usammengcste1he Abhandlung als eint' Sternstunde nicht nur der arislOldischen Sekundirlilenuur. sondern dieser Gauung überhaupt z.u bt'zeichnen. Pichu Ausführungen sind ein Musu.'r an Prizision im Delail und Überblick im G:tnzcn gleichcrrn.aßel1. bcnennen die Gegenstinde klar und verstindlich und trOt7.dt'm auf außerordentlich hoht'ffi IheorelischclI Ni,·t':!u. E~ RudQlph merkl in seiner MEinleitung Md111n .auch .an. daß MPichts Vorlesung (...) e~ne Dustellunj; der gts:rnlten Philosophie des ArislOlcles am Lcilf
8. Aristoteles' Bezugsrahmen: Sondierung des theoretischen Terrains Gesucht wird ein ontologisch quaJifizierter Begriff von ,Wirklichkeit'. Dieser ist nur cxist'cnzJähig in einem spez.ifischen Bezugsrahmen. der zunächst weit über se.ine Bezeichnung im engeren Sinne hinausgreift und der doch am Ende wieder gestauet, das begriffliche Ensemble in eben diesem Begriff der •Wi.rklichkcir' zusammenlaufen zu lassen. ArislOlcies nenm d.iesen Begriff der Wirklichkeit Evtgynu, womit schon markiert ist. daß das heutige Verständnis des Termi.nus mit dem aristotelischen weder intensional noch extcnsional deckungsgleich sein wird. Ein erstes Vorversrändnis des Begriffes und sein Bezugsrahmen. der vor allem im hand-
lungsrheorerischcn, na[Urphilosophischcll und auch ontologischen Zusammenhang zu suchen ist, st'ehen nun z.ur Klärung an: Ansichten von ,Wi.rkUchkcit·.
8.1 I;VEQYE~U: Wirklichkeitsansichten Der Begriff der Wirklichkcit ist seil jeher einer der meistbearbcitcccn Gegenstände der Aristoteles-Forschung gewesen.'ö Dies hängt vor al1em mit seinem systemaüschen Platz im Gesamtgefüge aristotelisc.her Theoriebildung zusammen. Er ist gleichermaßen Ausgangs- wie häufig :'luch Ziclpunkt der Argumentation, bindct die anderen Begriffe aneinander und gibt für diese die systematische Richtung an. Zunächst eine Gegenüberstellung: Unser deutsches Wort ,Wirklichkeit' ist im 14. Jahrhundert aus der Not entstanden, den komplexen aristoteüschen Terminus der tviiQYELU möglichst adäquat ins Deutsche zu überserzen, eine Übersetzungsarbeir, deren Vollzug wie die damit eingehandelten Probleme wir der deutschen " Ein~n kurzen,Jie weseollichen Positionen be.nennendt.'n Überblick bietel E. Beni in: ~Der Begriff dt'r Wirklichkeit in der Mtt.rphysiJt des Ariswtcles (9 6-9 u~.t'. I,,: Rapp. Dit- Sub· JI.rl1zbNC'!J('r. a.•.O., S. 289-J 11, hi~r: S. 289-292. Beni ergänzt s~ine Litet:l.rurskizu um t'in ausführliches und aktucllCj Vl'l"Zeichnis, das ü~r die bislang genannten Titel noch weitere -4 Sammdwerkbdlrlge, 19 Monogr:aphitn und}7 Zeitschriftenbdlrigc zum Thema enthalt. weswegen ~n didtr Stellt' :lUr die' Nennung welterer Littt:ltun.ngatxn vCl7.ichlt'1 wird, Di~ Anga~n finden ~ich in dem gcn.mnten Bejtr:t~ ..u( S. J09·J 11. ZentnIe 'lile] w~rdcl\ zusitzlich im litenturveruichni... dieser Sludie aufgefühn.
s. AnslOu:les' Bl'"Zugsr~hmco;
ndienlog des Ihcorclischen Terniru
373
Mystik verdanken.% 'Über die Herkunft des griechiscben Wortes EvfQyeLCL gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Mehrzahl der Interpreten geht jedoch davon aus, daß der Begriff von Aristoteies selbst gebildet worden ist, also als explizites Mittel der Theoriebildung fungiert hat. Nur wenige finden Belege dafür, daß er bereits von den Vorsokratikern verwendet wurde. 97 Solche Auffassungen finden ihre Grenzen vor allem darin, daß beispielsweise die Verwendung der E.VfI)YEl.a bei Demokrit wiederum über Aristotcles vermittelt ist, und man daher Zweifel haben muß, ob letzterer hier als authentischer Demokrit-RcJcrent auftritt oder ob nicht vielmehr mit eigenen Worten bereits das gesagt bzw. geordnet wird, was real oder untcrsteUtermaßen bei ersterem als Position angenommen wird. Ei.nen ersten Überblick über das Feld der Bedeutungen des t-vtQyeLCtBegriffs kann man sich verschaffen, zieht man die wortwörtlichen Übersetzungsmöglichkciten, die heute zur Verfügung gestellt werden, zu Rate. Hier bjetet das Großwörterbuch Griechisch-Deutsch, das unter dem Namen ,Mcnge-Güthling' bekannte Standardwcrk'Js , z.unächst eine Bedeutung an, die scllon H. Stcintbal 1851 in der ersten Auflage von Der Urspru"g der Sprache verwendet, nämlich ,Wirksamkeit'. AJs zweites die (in gewisser Weise trügerische) humboldtsche Variante ,Tätigkeit', dann ,Betätigung', ,Wirkung' und zu guter Letzt ,K.raft' schließen d.ieses erSte mögliche Feld der Wortbedeutung ab, wobei die drei letzteren im Satz dt:S Wörterbuches schon nicht mehr als zentral hervorgehoben werden. Es folgt ein zweites .Feld, in dem ,Verwirklic.hung·, vor allem aber ,Wirklichkeit' als Überserzungsmögljchkeit genannt wird. Im dritten Variationsangebot zur Bedeutungskonstituierung des Begriffs endl.ich wird ,Veranstaltung', ,Vorführung', zuletzt ,Experimcm' genannt. Ergänzend wird hinzugefügt, im grammatischen Sinne könne tvtQYELU auch das ,A.ktiv(um)' bezeichnen. Ich führe das Bedeutungsspektrum an dieser Stelle vor allem deswegen vor, wejl damit ein folgenreiches Mißverständnis deutlich wird. das die. Rezeption des Begriffes bis auf Humboldt und dessen Interpreten hin erfahren hat. Auch wenn der Wöncrbuchcharakter allzu offen dazu einlädt, lst es nur in sehr eingeschränkter Weise möglich bzw. der Begriffsklärung dienlich, sich nun eine dieser Bedeutungen her· tI,
'17
'IIi
Vgl. I'iehc. Aruloldt'$' Dr amma, AoJ.. .• $.38. - In ~'"t:m (rühen 8eilng 7.um Them~ von 1959 welSI G. Picht d~nur hin, d:lß du oJeul$/;'he Won ,Wirklichkcll' VOll MelSlcr Eekhan summt' (vl;l. Picht. G.: .Dcr Begriff der En~'1\d:a b.:i ArisIO(cl.:s·. In; den.: 1hu ,.ndJetzt.. Slultl;:ln 1980. S. 2~·308, hier; S.ll:l{)). Vgl. F:tllchcr, E.: ..Ellergeia". In: Kl:auser. T. u.a. (f-1rsg.): Rt'alll.'xikoll fNr Anrikt ,.nd ClJri~ JUntum. (utlg~rl 1950 f. S. ;J-31 (Ud. 5). hit'r: S. 6. Vgl. u.ngt'nscJJtldts GroJrw6rurbut'h Gru:dmtb D~HUch. Unur B~J"iicAl$IcbtlgHI:g der Erymologit' \-'On l)ro{. Dr. N. Mengt'. Bcrlin (21. Aun,) 1973. S. 2J9.
374
Oriuu Teil: Die Ordnunj; J('r Wirklichkeit
auszusuchen, sie als besonders qualifizien anzusehen und die anderen damit indirekt zu exkludieren, die Überscrzungscmschcidung demnach als Auswahlemschcidung aus einem Katalog zu fällen. Vielmehr bedeutet der Begriff nicht entweder dies oder jenes, sondern all' das Genannte, konkret jedoch immer (nur) in gewisser Hinsicht, unter bestimmten Voraussetzungen, mit variablen Schwcrpunktserzungen und spezifischen Kontexten. Jede Übersetzung, die vorderhand auf genau einen (deutschen) Begriff setzt, geht schon in dieser Systematik des Übersetzungs vorgangs fehl und an der griechischen Prägung des .Begriffs vorbei, in dem alle anderen Begriffe in unterschiedlichen Schattierungen immer gleich mit vorhanden sind. Eine Übersctzung zuroaJ griechischer Termini darf das Begriffsfeld niemals separieren und dann die Etnzelteilc isolieren, sondern muß die Einheit der Begriffsfelder wahren, die verschiedenen Aspekte der semantischen Pcrspcktivicrungen unten~inander explizieren und gegenseitig komexruicren lassen. Ich möchte diese selektive Vorgehensweise der Bcgriffsauswahl, in der sich die gewünschte Überselzungsmöglichkeit gegen die anderen normativ durchsetzt und die damit cine Art scmantischen Darwinismus betreibt, die translatorische Reduktion des Begriffes nennen, eine Reduktion, die vielleicht die gröbsten MiHverständnisse in der Übersetzungs- und damit auch der Rezeptionsgeschichte des hEQy€w.-Terminus überhaupt verursacht hat. Jede Übersetzungsanstrengung, ditO so vorgehl. verfehlr das aristotelische Begriffskonzepr, das in einem auf den A6yol,; gerichteten Konglomerat differenzierter Bedeutungsschic1ucn erSt wirksam wird und das - addiert man alle deutschen Termini des Wörterbuchs untereinander - selbst dann noch nicht umfassend. d.h. xa06Aou, aufgedech ist. Griechische Termini sind - in der Regc1- auch durch noch so eindrucksvolle quant.itarive Addition deutscher Begriffe nicht übersetzbar bzw. semantisch aufsuOlmicrbar. Schon jetzt läßt sich demnach festhalten J daß jede Übersetzungsvariante neben der Breite des vorgeführten Begriffspektrums, das der Terminus bedeuten kann, auch und vor aJlem von der Konlcxtuicrung. die zusätzlich angeboten wird, lebt und ihre Qualität erst in diesem Panorama zu beweisen ist. Mit dieser ersten Reduktionsvariante ist fast notwendig eine zweite verbunden, die in geistesgeschichtlicher Hinsicht wesentlich bedeutsamer ist und die sich bis auf den heutigen Tag nicht nur im Alltags-. sondern auch im Wissenschaftsdiskurs festgesetzt hat. Sie hat den Charakter einer Bedcutungsyerengung. deren Wurzeln vor aUcm im rcligionsgcschichdichcn Kontext liegen. E. Fascher weist auf diesen Konrext der Begriffsenrwicklung des tvtQYElo-Terminus hin, wenn er feststellt: .,Es ist" kennzeichnend für das Ende der helJenistischcn Zeit, da.ß die Götter nicht mehr persönlich erscheinen, sondern durch Wunder ihre Kraft erweisen, wobei ihre
8. AriSIOlele.~· Bl.'l.ugsrahmen:..$ondierung des theoretisehen Terrains
375
Taten (uQ€Tal) bald h'QYELU<, bald ÖUVUl'''C; heißen'''', Der tV'Qy"a·Begriff taucht hier schon in Kombination mit dem der ö\lVa~ta.s; auf. also dem Begriff, der bei AristoteIes Ersteren als vom zweiten Entgegengesetztes wesentlich konstituicn, und dies hier eben gar nicht bestimmt als dessen systematisches Gegclltcil, sondern sogar in gleicher Bedeutung, als Synonym. Aristotcles' Abgrenzungsversuchen wird später nachgegangen werden, hier ist kontrastiv zu dessen Entwurf vor allem die Bedeutungsähnlichkeit bemerkenswert. Die ganze Konsequenz dieser begriffsgeschichtlichen Anmerkung wird jedoch erst deutlich. folgt man Faschers religionsgeschichtlicher Demaskierung dieses Prozesses (die er als Theologe gleichwohl gerade nicht als solche verstanden wissen will) weiter: .,Diese Anschauung von der Kraft der Götter und ihrer Entfaltung korrcspondien der Auffassung, daß die Götter nicht in den Dingen der Natur selbst. sondern in den die Dinge bewirkenden Kräften zu suchen sind"'OO. Die Wahrnehmung des Transzendenten verschiebt sich also von der radikalen pantheistischen Auffassung dahingehend, dOlß sie zunächsr .Ursachcnforschung' betreibt und schließlich, dies wird die Konsequenz des christlichen Abendlandes sein, das Gönliche in den Wirkungen dieser Kraft. den Taten, auch im Horizont der Heilsgeschichte, konfiguriert. Man sucht eben diese Kraft hinter dem Guten wie dem Bösen und schließt auf das Prinzip des Göttlichen, das personalisiert die letz.te. Ursache für alles menschliche Handeln bildet. Damit ist eine Tradition begründet, die das ganze ,Encrgcia'-Konzept unweigerlich in einen theologischen Korridor zwingt, in dem konkrete Handlungsmaximen mit der Rückbindung an das Letz.te, das Göttliche, verbunden werden. Fascher zeigt dann auch mühelos über weite Strecken der antiken Religionsgeschichte die diesem Muster entsprechende Begriffsentwicklung. So wird aus dem tvtQytlo-Begriff bei den Stoikern bereitS der "EnergiegedankC"101. das ..körperliche Wirken'" 102, schon bei Phiion ist nicht mehr zu erwarten, daß das ,,system der Energieo"103 kosmologisch gedeutet wird. sondern nimmt konkret anthropologischen und psychologischen Charak(er an. Im Neuen Testament spricht Paulus im ersten Korintherbricf 12,6 nac.h Fascher dann davon, daß "derselbe Gott. der alles in allen wirkt, der Urheber der ZuteiJungen von Gnadengaben (xaQto~l6.tlJ)v), von Dienstleistungen (btaxov~ÖJv) und Kraftwirkungen (EveQYll~l{xf{J)v) ist (Umst.• .,. F:lSCher, .. J:.ne'1;~i,,-' :u.O., S. 5. IX. I~uc.ha. ~Energ~j3·. :I.
I~bd.
)76
Oritrer Teil: Die Ordnung der WirkJiehkdl
U.W.)"IO<4. Bei Clcmcns Alexandrinus ist ,Energeia' insofern
U.3.
hciJsge-
sch.ichtlich zu verstehen, als "die Kirche der Wirksamkeit des Herrn (U1t11QEt€L tft tOll XUQtOU !v€Qyd1;t) dient (UmsL. U.W.)"I05, und Origcncs schreibt, daß ..die Wirksamkeit des Widersachers (~6.VTl.Xt:l~ti.Vl1 EveQVELo) einige zu überreden vermochte, daß Beten nicht nötig sei (Umst"
U.W.)"'I06. Ocr fvEQYl::Lo·Tenninus wird in der christlichen Tradition also durchaus auch im negativ konnotierten Kontext, immer aber im Hinblick auf Gegenständliches bewirkt von Ungcgcnständlichcm, verwandt. Man braucht dem Weg durch die Bcgriffsgcschicht(' nicht in allen Einzelheiten nachzugehen. Entscheidend ist, daß hier cin Verständnis etabliert wird, das zwischen den Aspekten ,Kraft', konkreter bzw. spezifischer .Tätigkeit' und ,Wirkung' siruiert in und darauf abzielt, einerseits auf Konkretes im Hinblick auf Taten und Wirkungen zu vcrweisen, andererseits das Erklärungsdcfizit bzgl. der Ursache zu lranszendiercn bzw. zu dogmatisieren suchl. Dieses Verständnis hat sich bis in die Neuzeit erhalten. und zwar - dies scheint mir die eigentlich zentrale ,Metam rphose' des Begriffsfeldes zu sein -lediglich in säkularisierter Form. Vor allem die ästhetische und naturphilosophische Diskussion des J 8. und 19. ]ahrhundcrn zeigt- beispielsweise im Konzept des ,Genies', des Schöpfers in der Welt - die Kontinuität theologischer Morive mit einem in der Folge dieses Konzeptes deutlich aufgewertcten, ja radikal überschätzten ,Kraft'-Begrjff'107, der in seiner inhärenten Mysteriösität zwar bedeutungsvoll lGo 10\
106
IQ.~
r.\$chl'r,
_Encrgci~-, ;l.~,O.,
S. 22.
F.ucher. _Em.'f);t'iJ-, 01.01.0.. S. 37. Fascher. _Encrgej:l-. u.O.. S. 39. \X'ie sehr dirse Bcdeulung('$vcrcngung,) im neuuidiehen Denken - :;lUch aufj:.rulld deli AufkiJmmcns tier Naturwissenschaftcn - die dllden'n Bedeutungs~'hichlen zunehmend übl.'ridgerl, läßt SIch 1uch .In einem Blick in Kluges ErymoIQgl$cbt'$ ~tJijrltrbucIJ .lblcsen. Hier find"l sich beim ,Energie'-Begriff folgende Erklirung: .EI1I:rgit f ,K r.lh'. Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbedeutcnd fn.. '"erg;e. dieses aus sp!. t/f/erg(a .\'firkS1mkeit'. 1US gr. rntrgel.:J (llaSS.),;w gr. bgQPl 11. ,Wcrk, Wirkcll' (s. auch eil'). Die Foruchrilte der ['h)'sik Je,s 19. Jhs. pr.lgM d:;u htutigl' WQrl\'crst~ndni$- (Kluge, P.: ElymologucIJes \f'orurllUclJ df!T dl'uur:lJt1J Sprache. Beflin tU.. [22. Aun.] 1'189. S. (78). Verwiesen wird bei diesem Stichwort U.'1, '1uf dCII ßdtnag \'on G. Schoppe au~ demJ.lhrt 1914. In dem man tbenhlls die l{ückfühnJn~ des .Energic··Begriffs auf den .Encrgeia'-Begriff findet (vgl. xhoppe. C.: _Zur Geschidlle der Fremdwörter im Deutschen, [Wortgeschichtliehe Zeugnisse]"'. In: ZI'IlS€hrififur Deutsche \Vortforschung. 15. Bd.1191-1].11. 3 und -I. S. 17-1·217. hier: S. 182-183). Es heißt dort; .Ent'tgu· (Wrigand im 18. Jh_ cmlehnt, mit Brll~ .1115 Wieland, Sehuh und K.lugt' EWb. vcrweisen auf Gombtrl. Bt'ilrigC 1908 S. 10; \lgl. ~u{krdcm Fdd· mJnn. 7A. f. d. W, VI 315: VIII (7). So bleibt nicht destQ wenisc.r die Ener,;i:! vnd Kufft, lll';S7 einmal mjlgclhcillcn T,Ju1fs, kr:iHlig vnd bt::sülldil;. H. P. Reben~'iIock 1586 De L.lmi;s I8 b, gcn;tu derselbe 5.at:l bc.i Joh. Fu g Ii n u 5 1580 Oe PrJesligiis D;l.COl(\nUm 151 b-. - VS;l. -..luch Fddm:lIln. w., _Fremdwörter und VerdeutSchungen des 18. Jahrhundens-.
8. Arislötdcs' ßczugsrahmt'n: Sondierung df.'s thcorctischC'-ll Terrains
377
klingt, jed eh vor allem das Unerklärbare als greifbar und Aufklärung versprechend unterstellen will, ohne trotzdem auf transzendente Motivik verzichten zu müssen. Der letzte Ursprung bleibt nun in der Welt lebendig und etabliert sich einer ästhetischen Vernunftreligion. Nur übereilt kann man annehmen, daß Humboldt sich ausgerechnet an diesem, in seinen Wurzeln zutiefst theologischen, Begriffserbe orientiert hat. Er hat vielmehr den umfassenden, gleichwohl komextuierten, WirkJichkeitsbegriff im Auge, der dezidierte Aufklärung über die Wesensbedingungen der Sprache verspricht. Nun gibt es dje Tradierung des aristotelischen Wirklichkeitsverständnisses in seiner ontologischen Qualität nafÜrlich auch, in die (wissenschaftliche) Diskussion der Neuzeit trin es allerdings als Spez.ialbcgriH ein, als Fachterminus der Disziplin ,Omologic', Sein universeller Anspruch ist hier kaum noch zu bemerken, allenfalls wird er ostentativ behauptet. Ich möchte diese Problematik, die sich mit der Säkularisierung religionsphilosoph..ischer Bcgrifflichkeit verbindet, als zweite, als tbeologirrhe Red"ktiorJ des tvtgyuo-Begriffs bezeichnen, Sie hängt mit den Mißverständnissen, die aus der tramlatorischen Reduktion erwachsen, unmiuclbar zusammen und zeigt m. E" wie wenig vom Transzendenten emanzipiert die immerhin durch die Aufklärung hindurch gegangene Theoriebildung des deutschen Idealismus in bestimmten Bereichen ver· fahren ist. Eine dritte Reduktion der Bedeutung des tvfQyuu-Begriffs, die nach dem selektiven und bedeutungsreduzierenden Charakter der ersten beiden eher den einer Bedeut'ungsverschiebung hat, ergänzt das bislang gewonnene Bild um einen zusätzlichen Aspekt und macht deutlich~ wie es zu den vielen Positionen von flumboldts Erben kommen konnte, die in der Wendung des Tegeler Philosophen hauptsächlich konkretistische ,Sprachenergeia' entweder der Sprecher oder gar der Sprache als konkret (cr-)faßbarcm ,\'(fesen' zu vermuten glauben. Der bereits in der gezeigten Weise doppelt reduzierte ,Energeia'-Terminus wird nun wiederum angereichert, und zwar auf subjektivitätstheoretischem Hintergrund, Auf einmal muß das ,Subjekt' nicht mehr nach aristotelischem Verständnis als das In: lettschrlft fir IR"urhr \t'rmfonchu1It. 8. ßd. 11906/07). S. 4'1-99, hirr. S. 67 - Zur H.uckführung drs .Eoc:rgic' -BcsriH~ auf den -:lIulotc:lischen tEnrrgeia'·Terminus vgl. auch Jammer. M.: .. Enrrgi~·. In: Ritter. Jfrstomdm Wortrrb"ch, a..I.0., S. 491-499 (Bd. 1), hier: s. 49-1. - Sei Wahng find('t 5lCh dann du &C$amtr h('utl: ginglg(' lkdl:'Utung~rc:k trum: .En-t'r'gir. auch> E-nu'gu' I f.h,glwl. Arbr,t ZM Ir/mon. chm-.ischr. plekuischt" -; Eduhung, Um..·",ndlung van - 1 callg.> Tatltr4t, Krtlft, Schu.',,1fg. "chdr.. clt; - .lUfbnngC1l, be:!;it7m. haben; sith mit all('( - ro,. rtllI·...s ~nse12.tn· (~I... hng. G. IHng.): WOrfN"b"ch du J(',ftjc/Nn Sp""cJn. MÜo.:hc::n 1977. S. 285).
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Dtiucrl'cil: Die: Ordoung der Wirklidlkci!
Zugrundeliegende definiert werden, von dem etwas ausgesagt werden kann (vom Begriff des iJ1[o)(d~U':vov wird noch zu sprechen sein). sondern als idcntititsbcsrimmcnde und idennrätsversessenc, durch eigenes Handeln erst Geltung erlangende. Personalität, die sich nicht in erster Linie als Teil der.Wirklichkeit' begre.ift, sondern als deren souveräner Gestalter behaupten will. Ein solches Verständnis, obwohl es zu so vielen Fchldcurungen der Humboldt-Forschung beigetragen hat, ist sowohl vollkommen ,ungriechisch' als auch unariSlOtelisch und verstellt den Blick auf ArislOtclcs' Wirklichkeitsverständnis wie auf I-lumboldts Sprachtheorie. Warum dies so ist. kann nach diesem kurzen Blick in die Geschichte des Begriffes deutlich werden, nähen man sich nun dem genuincn WirklichkcitsverSl:indnis des Ari!Ototcles. Dafür greife ich auf eine Stelle des LX. Buches der Metaphysik zurück. AristoteIes schreibt: TO yaQ Egyov Tl)"o;, Ö' tvteyt:1O TO eQyO\I. ÖlO xai wüvo~la tvtQYEUI ).1yfTCU xatlt tO EQyOV. xai OU'VtElVfl. llQ6; rilv (VTE>"fxElUv. [1050aJ .. Das Werk ist das Zielj die fVEQytta aber ist das \'(Ierk (weshalb auch das \"\Ion tvf:QYElU im Hinblick auf das Werk ausgesprochen wird = gebildet ist), und sie spannt sich hin auf die Entclechic" lOB. Es iSt schon auffällig, daß G. Picht in seiner Übersetzung den Terminus tvEeyno. lieber erst gar nicht ins Deutsche überträgt, sondern das griechische Won demonstrativ stehen läßt. Einen anderen Weg geht H. Bonitz: "Denn das Werk ist Zweck, die Wirklichkeit aber ist das Werk. Daher ist auch der Name Wirklichkeit von Werk abgeleitet und zielt hin auf Vollendung"IO'J. Schon bei der Übersetzung des tv..o~ als Zweck stau Ziel werden Zweifel (auch im Hinblick auf die Differenzen im aristotelischen Vier-Ursachen-Schema) laUf. denn Tt>..<X; bedeutet eigentlich ,im manen tC Struktur' im Sinne von TO tiöo; TO tvOv. IIO Jc nach Übersetzung können die generierten Verständnisse des Textes also erheblich differieren. Ein drincs Angebot zur kommenticnen Übersetzung. das schon erheblich zu Mincln des Kommenrars greift - von E. Berti: ..,Das ergon' {das wie das deucsche WOrt \Verk und das englische work dieselbe Wurzel Ferg hat] - sagt der Stagirite ,- ist Ziel [telosJ. die energeia aber ergon, deshalb sagt man die Bezeic.hnung energeia nach ergon [d.h. mit derselben Bedeutung], und deshalb geht sie in die Bedeutung von emelecheia über (rjntemei pros ren emelecheian)''''ll. Es wäre verfrüht, sich für eine der drei Variamen auch im Hinblick auf die KonrexlUierung dc tviQVEla-Begriffes zu entscheiden. Schon an dem auf den er-
n
Pi.:ht, AnJtoulf!1' D~ tim"".. ,u.()., . JS tCW Ari5l0ftl~. Mt'laphYfllt, 2~.0.,IX. 5.11.7. u; Vgl. Pichl, Amw1rln' De tfn/m•• 2.2,0.. .302. 1<11
III Ikrti.
~Dc1
Begriff der Wi1klichkl:l(~, 2..1.0., S. !904,
s. ArislOu'ln' Bczugsr:lhmcn: Sondierung des thcorclischcn Tcrrains
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sten Blick einfachen Beispiel der Charakterisierung dessen, was TUO~ meint, kann man jedoch ablesen, daß selbst mit einer solchen Entscheidung die Problematik noch gar nicht ausreichend zu Ende gedacht wäre: ..Die Formel ,immanente Struktur' geht uns leicht ein, weil wir UDS einbilden, die Worte .struktur' und ,immanent' zu verstehen. Unser Gang (Picht verweist hier auf den Gang seiner Vorlesung, U.W,) durch die Grundbegriffe der Ontologie des AristoteIes hat uns darüber belehrt, daß an der Stelle, wo wir zu verstehen glauben, das Fragen des Arisloteles erSt einsetzt. Er zeigt, daß unser Verständnis von Struktur = tlbo~ und immanem = ev6v davon abhängig ist, welches Vorverstänclnis wir von dem Seienden selbst haben, über dessen Struktur wir reden- ll1 . Zunächst aber zurück zum EvfQYfLO-Begriff. Dieser ist, es wurde darauf hingewiesen. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wie der der rvu).txElO (Entelechie) ein eologismus des Aristotcles. Er ist von f{!'(Ov (Werk) abgeleitet, was bereits Stutzig machen müßte, versuchte man die Termini fQYO\' und EviQyelo als Alternativen, gar als Gegensätze zu denken. Vielmehr ist tviQyEW aus lpyov (Werk) gebildet und trägt implizit noch die Bedeutung von dVUL (,sein') in sich, tviQYElQ. heißt demnach wönJich: ,lm-Werk-Sein'. Da das Grundwort Ei~ll sowohl als verbum subsldmivum im Sinne von .dasein, vorhanden sein' auftritt als auch als verbum c:opulativum im Sinne von ,(etwas) sein' fungieren kann. ist der Hinweis wichcig, daß bier vorderhand die erste Bedeutung gemeint ist. Allerdings darf die Vorsilbe ,da-' nicht zu einem falschen Schluß verleiten: Das ,lm-Werk-Sein' iSl erst einmal vornehmlich auf den Aspekt zu kapriz.ieren, eben .im Werk' zu ,sein" erst in zweiter Linie ist das Dasein als konkrete Form der Realität angesprochen. Der K.lammersatz des Arisloleles verweist nun explizit darauf. daß nicht nur das fQyOv im Hinblick auf l viQYElo zu sehen ist, sondern daß der ncu lancierte Begriff der tvEQYElO gerade und immer und grundständig auf das q,yov gesehen werden muß. Auch wenn ArisLOtelcs in anderen Schriften dazu neigt, behelfsmäßig eine dualistische Kontrasticrung von EQYOV und ht(JYElC1 vorzunehmen, so sind diese doch systematisch und erymologisch anders ineinander verwoben als in der Form der kontradiktorischen Alternation. Das bekannteste, immer wieder angeführte. Beispiel findet sich zu Beginn des 1. Kapitels des ersten Buches der Nikomachischen Ethik. AristoteIes schreibt don: nÖOO TtxVll xal l(UOO ~t6ooo~., ~oW;
iX :;r!}d;{C; l t XUl llQOO.l()(OV;. ayaOoO nvo; i
Driucr Tcil: Die Ordnung der \l:'irklichkcit
380
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TO: 19yo..11J
Erst eine genaue ÜberseTzung bringt das Problem in voller Schärfe 2.0 den Tag. Während E. RoUes gcnau dem griechischen Original (olgt: (1094<1) ..Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Emschluß, scheim cin Gut 7.U erstreben, weshalb man das Gute I'reffend .115 dJ.sjenil;e bezeichnet hat. wonach aUes strebl. Doch 7.cigt sich (ln Unterschied der Ziele. Die einen sind Tätigkeiten, die anderen noch (Her"" V.W.) gewisse Werke oder Dinge außer ihnen. Wo bestiml11l1: Ziele außer den Handlungen
bestehen, da sind die Dinge ihrer Natur nach besser als die T:itigkeiten" J1 4. übersetzt J. StaHmach - offensichtlich in Anlehnung an die Übertragung von P. Dirlmeier - den zweiten und driuen Satz folgendermaßen: in den Ziel~n: Denn die einen ind Wirk.s.a..mkeiten (hfpyt:tm), die anderen sind bestimmte Werke (rQYO) neben und aulkr ihnen"lIS.
..Es Ulgt .sich aber ein
Unt~rschi~
An die Stelle des (aristotelischen) Verständnisses einer Kommcmierung der lVEQYEWL (mit der Bedeutung ,Tätigkeiten' ist hier eh nur eine von "iden Möglichkeiten aus dem Wortfeld von Evt\)ynQ präsent) durch die EQy(L, nach dem es also im Grunde zwei Formen von heQyeLm - einmal mit und einm:1l ohne fpyo - gibt, ist die Formulierung einer klaren Alternative von entweder ivtQYELUl oder EQYU getreten. LerL.tere Konstruktion ist aber keinesfall d:as, was AriSloteles hier sagen will. Ich bc[One dies deswegen, weil auf dem Hintergrund solcher Mißverstandnisse die Humboldt-Forschung die ihr doch so zupaß kommende doppelte Sprachhetrachcung generien hat. AristoteIes' Prohlem liegt jedoch vorderhand gar nicht auf der Ebene des Gegenstandes, sondern auf der der Entstehungsbedingungen von ,Wirklichkeit' und der diesbezüglichen handlungnbcoretischen Voraussetzungen, cin Prohlem1.usammcnhang, den Humholdt genau erbnnt hat und der ihn zu so apodiktisc.hen Schlußfolgerungen greifen ließ wie im Ausschluß des ,Ergon'-Charakters der Sprache. Erst im handlungsthcorctischcn Kontext wird deutlich, was AristoteIes eigenuich gemeint hat, wenn er ehe.n unterschiedliche Möglichke.iten konstatiert., ,im-Werk-zu-sein'. ll)
A.nstotela: E,h,cII NrconlJlmCL Ruognovlt brnJ,qut' "Jnot4111Jnt' cr/tlCil rnfltu/tlt I
S,.-.,n. Onurd t95~. s. I.
Mkom.JChuchc Eth,k. Ibf dt't GnmdL.ge- Jl'T OIH'runun8 00" E Ro/feJ her· 414Jgt'gt'btn wn G. Bum. Hamburg (4.• dun.:h~o. Al,lß.) IlJ85•• I. m Sf'alJmKh, Dynamu lilld Encrgt'kl, a.a.O.• S. 51. IU An5{Oldö,
8. AristQtdcs' BC'lug$r;thmen: Sondierung des tlJt't)rclisc!lcn TCmlins
38 t
Bevor ich diese Klärung vornehme, sondiere ich noch einmal die wichtigsten der ve.rschiedenen \t/irklichkeitsansichten, die bei ArislOteies begegnen können. Dies wird (nur dann) möglich, versucht man (doch einmal) die grundständige Bestimmung des ,101- Werk-Seins' konkreter und systematischer zu fassen, denn diHereme Versündnisse bedürfen zu ihrer Konstituierung immer der Konkretion des Allgemeinen. E. Berti bietet hier eine zwar nicht erschöpfende. aber dennoch nützliche Differenzierung der iVEQYEla-Ansichten an. indem er die GesichtSpunkte sammelt• ..die sich jeweils mit dem Begriff der Wuklichkeit als .Bewegu.ng', mit dem Begriff der Wirklichkeit als ,Sein' und mit dem Begriff der Wirklichkeit als ,Tätigkeit' befassen" 1I6• Ich verwende seine Folie.. ohne ihr in den einzelnen Gesichtspunkten in allem folgen zu können bzw. zu wollen. Im Hinblick auf die ,Entelechie' ist eVEQyew erst einmal- dies können wir noch aus der oben vorgefühncn Stelle aus der Mctapbysik ohne weitere Begriffserklärung annehmen - prinzipiell als Bewegungsbegriff gcfaHt, denn nicht nur ist das Werk (fQYov) das Ziel (tll-o<;), auch die IvIQYELO spannt sich eben hin auf diese ,Entelechie' (xat OUVTrlVEL rr~ TTtv EvTEM· XEluv). Die Arten der Bewegung müssen noch genauer beschrieben werden, es reicht zunächsr zu erkennen, daß in der tVEQYE~(l in ihrem erSten semantischen Umfeld keine narischen, sondern prozeßhafte Aspekte zur Gdtung kommen. Im zweiten Sinne meim tvtQ)'ELQ gerade etwas Festes, nämlich die Wirklichkeit als ,Sein' in dem Sinne, daß dieses Sein in der Wirklichkeit akrual deutlich wird. Jede Wirklichkeit ist einerseits immer bestimmte Wirklichkeit, andererseits verweist sie in diesem aktualen Sein als Dasein immer schon daf2uf, daß bestimmte Bedingungen (im Modus der ,Möglichkeit') erfüllt sein müssen, um genau dieses Sein und eben kein anderes zu sein. Sucht man über den Begriff der tvtQYE~a nun die Konsti[Utionsbedingungen dieses Seins als akruales Se.in auf, dann - und nur dann - ist der Begriff der Wirklichkeit als ,Sein' im aristotelischen Sinne angesprochen. Auch der aristotelische Tätigkeitsbegriff ist schließlich u.a. auf den tvtQYEl.u·Begriff zurückzuführen, ein Umstand, der sein gedankliches Umfeld jedoch gerade nicht - wie wir gesehen haben - in der vor allem ab ca. 300 v. ehr. verwendeten, also in nachklassischer Zeit gebildeten, Verbalform Evtgyew (,ich bin tätig, wirksam') findet und schon gar nicht auf die Adjekcivform evEQY6~ (,arbeitend', ,tätig') und die Substancivform evtQYl'U«l <,Wirkung', ,Leistung', ,Tat') rekurriert, zwei Wortvarianten mit gegenständlicher Semantik, die beide aus neutestamentlicher Zeit stammen. Beru zeigt vielmehr anschaulich, daß man vollkommen zu kurz greifen würde, sähe man hier - in oberflächlicher Konkretheit - qua11.
Bc:rti•• Du Ikgnf( der Wirlclichlctit-. :u..O .• S. 292.
382
Dritter Teil: Die Ordnung der Wirklichk{'lt
si einen gegenständlichen ,Ticigkeitsbegriff' möglicherweise sogar subjektivitätsrneoretischer Provenienz im Visier des Stagiritcn. Vielmehr zielt Bcrti bzgI. dieser dritten Begriffsvariantc von biQYElQ im Hinblick auf ,Tätigkeit' zu Recht auf den theologiscben Zusammenhang aristotelischer Provenienz., der im Gegensatz zur christlichen Theologie ja gerade Omologie und nicht Anthropologie bzw. als gegenständlich verstandene Christologie auf deren eigentliche funktionalitit hin zuspitzen will, wenn er von reiner Tätigkeit de Geistes als dessen Sich-sclbst·Erkennncn-im-Erkennen spricht..Picht Formuliert diesen WirklichkeiLSbegriff folgender· maßen: ..Die höchste Stufe der tvfl)Yun überh:wpl ist n:\ch Aristotcles die \'611O~, ",Iso jener Vollzug, In dem d",s höchsle Erkcnmnis\'ermögcn, der \'00;. sein Werk in sich selbst trägl und dadurch sein voü~-Scill erfüllt. Ihre tvTf.Ahl!lU erreicht die \'61101~, wenn sie Vollkommenes crkcnnt. tSI die v61lOl; selbst die höchstel:onn der Wirklichkeit, sO ist das reine Erkennen des reinen Erkennel1s, die v6'l
Somit ist der dritte WirkJichke.it:sbegriff untrennbar mit dem zweiten und ersten Begriff verbunden, cinc Verbindung, die in der aristotelisch-theologischen Perspektive nur ihre eindringlichste Kristallisation findet. Alle drei hahen aber auch bereitS \'on sich aus gemeinsam, d:a.ß sie sich gerade nicht im Bereich des Gegenständlichen aufhalten oder gar darin erschöpfen. Sie weisen immer schon über diesen hinaus und durchstoßen bereits qua Begriff jeder für sich die Demarkationslinie des theoretisch Unbcaufsichtigten, indem sie sich reflexiv umer den Bedingungen ihrer Konstituierung wa.hrnehmen: ,Wirklichkeit' ist ohne ihre eigene Reflexion niemals wirklich und daher auch niemals Ausdruck allein des Unmittelbaren, sondern immer auch der Bedingungen, unter denen das Unmittelbare erstellt wird. Soweit eine erste Annäherung an den Begriff der l!Vf.QYElCl bei Aristoteles. Auf viele Aspekte wird noch einmal eingegangen werden müssen, wenn der Bezugsrahlllcn erst genauer geklärt ist. Zunächst ein Blick auf die handlungslheorclischen Perspektiven, in denen, Wirklichkeit" des Aristotcles konstituiert ist. Er dient gleichermaßen dazu, auch Humboldts ,Energeia'-Diktum besser zu verstehen.
Ilr
Picht. Annot,/,.,· Dt dnur'd • .1;.~.O .• S U...oH.
8. Aristotc:!cs' Bez'uy;rahmen: Sondierung des theoretischen Temins
383
8.2 nOlTjOLC; und nQäsLC;: Handlungsvarianren Um den handlungstheoretischen Aspekt der WirklichkeitskonstilUtion kennenzulernen, muß lediglich Aristoteles' Argumentation im IX. Buch der Metaphysik weiter nachgegangen werden. Es wird ein weiteres Mal zunächst der griechische und dann der deutsche Text wiedergegeben, UI11 die Verschränkung der BegrifOichkeir richtig dechiffrieren zu können:
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EnE' 6' tOTt lo)V !At\' EOXUtO\, ~ XQiiOl~. oto\' Ölflt:w:; (~UJl~, xut ooot\' y(ymcu
naQ6. tYov. a.'t' e:v{tI1V be y{ y"tto{ n. oto\' MO rii~ OtXOÖOV.lX~c; 01)«<1 JtaQO r~v oix0Ö6\UlOlV, 6~ oüötv nno\' fvtkl ~t&V
lfAO; fVOo. bE IlÜ)J,ov dAO; liii; O\IVOllEW; eQllv. il yltQ oix066\U10lc; tv fit) obtoOOt.u>UlAh'lfl, XUt öv.u ytYVfTUl X(tl fOlI Tft obetQ. &)W\, ~liv oVv ltEeöv Tt tUH JTuQ(! TnV XQi'\Ol.V TU Ylyv6jlE"OV, TOUTWV Ilev n hlQy21U €v Tt.91lOlOUltlvtp eort\'. oro\' ~ Tt olxOO6j.l'IOl~ i.v H!} olxoöol.loullh'(p xat iJ Üq>UVQl<; h [
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'Puxn. Öl.o xat nelOOqlOV(U· ~~ yap ItalO w; E01(v.
H. Bonitz schlägt für diese Passage die folgende Übersetzung vor: [I0S0alt050bl .. lndcm nun in c.injgcn Filleo das Letzte der Gebrauch ist, wie z. B. beim Gesichtssinn das Seben, und außer diesem kein vOn dem Sehen unterschiedenes Werk entsteht, Ln anderen aber ei.nes entsteht, z. B. durch die Baukunst außer dem Bauen selbst das Haus: so ist um nichts weniger die wirkliche Tiitigke.it in dem einen raUe Zweck, in dem anderen Falle mehr Zweck als das Vermögen (die Möglichkeit), Denn das Bauen ist in dem, was gebaut wird, und wird uod ist zugleich mit dem Gebäude. Bei demjenigen nun also, bei welchem das Entstehende etwas anderes neben und außer dem Gebrauch ist. bei diesem i.st die wirkliche T:iligkeil in dem, was hervorgebracht wird. z. B. das Bauen in dem, was gebaut wird, das Weben in dem, was gewebt wird. und ebenso bei dem übrigen, überhaupt die Bewegung in dem, was bewegt wird; bei dem aber. bei welchem es nicht neben der wirklichen Tätigkeit ein Werk gibl. ist die wirkliche Tätigkeit in ihm selbst, z.. B. das Sc~ hen in dem Sehenden, das Denken in dem Denkenden, das Leben in der Seele, und darum auch die Glückseligkeit, da diese ein Leben von einer bestimmten Beschaffenheit ist"l1 .
Die Konsequenz, die sich in ontologischer Hinsicht aus der A.nalyse der verschiedenen Handlungsvariationen ergibt, ist für AristoteIes klar:
I." AriSIOttlcs, Mt'laphyuk, a..a.O., IX, $. 1261127.
384
Driller Teil: Dir Ordnung der Wirklichkeit
[I050bJ "Hieraus erhellt also. daß das Wesen und die Form wirkliche Tiilig-
keit ist""".
Auf diese wichtige Schlußfolgerung wird später noch einzugehen sein, zunächst zur haodlungsthcorctischen Grundaussage der Tcxtpassagc. AriSloteles differenziert hier erstens eine Form des Handelns, bei der nac.h Vol.I:wg der Handlung ein fertiges und selbnändiges Werk entstanden ist, beispielsweise das Haus, das erbaut wurde, oder der Tisch, den der Tisch-
ler als Resultat seines handwerklichen Tuns erhält. Im Werk selbst liegt nun die tvtgyELCl, die WirkJichkeir des Werkes. und zwar als crgebnisforlllulierende. crgcblliskons6tu.icrende und ergebniskonstaricrcnde ontologische Quaüfizierung des spezifischen fQyoV.l 10 Aristoteles nennt diese
Form des HandeIns. in der ein Ergebnis außerhalb der Handlung selbst entsteht und dann abgetrenm idemifizlerbar ist, nobIOt«;. Es gibt jedoch zweitens auch eine Form des HandeIns, in der kein solches Werk außerhalb der Handlung existiert, nichtsdestoweniger aber Zielverfolgung und Ergcbniserreicbung geschieht..'..tier liegt die EVEQYEW, die Wirklichkcit~ im Vollzug der Handlung selbst, sie ist als Entwicklungsbegriff dem Akt des Handelns inhärem. Das Sehen und das Denken werden für diesen Typ als Beispiele angeführt. Eine solche Form des Handeln. in der E,VEQye-W die Tätigkeit des Prozesses beschreibt und in der Ziel- und Ergebnisqualit-äl in eins fallen, nennt Aristotcles n:QÖst«;. Nur darf man sich - und dies ist häufig geschehen - nicht täuschen, für beide Handlungsformen giJI: 10 yap tQYOv TEAO;, das Werk ist das Ziel. Es gehr bei beiden Formen des Handclns um ein Werk im Sinne von EgyO\' (demnach auch nicht um eine Gegenüberstellung von lfrnov und lVEQYEt.O.), beide Male konstituiert sich ebenso tVEQYElQ im Sinne von Wirklichkeit. Anders ausgedrückt; Das EQYOV ist (immer) in der ~VCQYEto.. einmal jedoch wie 1TOf.llOl~ und ein anderes Mal eben wie rreas~. einmal verwirklicht es sich im poieLischen. ei.nmal im praktischen BezugsrahOlen, Beide Grundformen des Handclns sind zieloriemierr, denn ,das We.rk ist das Ziel', in beiden bezieht sich "ein Handeln auf sein Werk und damit zugleich auf sein ZiellQtO) als Beispiel für die Handlungsform JtQCt~u; verwendet, und das, obwohl doch eine Menge anderer, greifbarer Beispiele gegenständlicherer Natur durchaus zur Verfügung ständen. Man ist schnell ge11'
Ebd.
Vgl. zu diC$cr Problcmdculung auch Picht. AruroreJrl' D~
IM
8. J\ristOltld'
Bezu&srahm~n: Sondierung
de$
lhcor~tischen T~rn.ins
385
neigt, dies als eine thematische Beliebigkeit wahrzunehmen und die Auswahl dieses Beispiels seiner vermeintlichen Anschaulichkeit bzw. unminelbaren Zugänglichkeit zuzuschreiben. Dies ist eine sehr vordergründige Betrachtungsweise. Vielmehr gi Ir es noch einmal, den aristoreliscben Gottesbegriff zu erinnern, innerhalb dessen dcr hE.QyEto-Terminus situiert ist. Das ,Göttliche' besteht - wie ich gezeigt habe - im reinen Denken des reinen Denkens, in der v6TlOL~ VOilO~ ist höchste EvEeYEla. Der Mensch partizipiert an diesem Akt der Vollendung und erlangt so höchste tUhal~lOv(a. Aristoteles betont nun in verschiedenen Zusammenhängen den Primat der Handlungsform lt~". In Metaphysik XI, Kap. 9, schreibt er: [I066aJ ..Denn entweder ist dieses das Erbauen, die Wirklichkeit, oder das erbaute Haus. Aber sobald das Haus ist, iSI das Erbaubare nicht mehr; erbaut aber wird das Erbaubare. Also muß das Erbauen die Wirklichkeil sein, das Erbauen aber ist eine Bewegung"l22. Daß Aristolcles in dieser Form der 1tQCU;l.~ den Vorrang vor der jtotTlOl~ einräumt, ist jedoch nur richtig zu verstehen, wenn man die OEOJQ(a (Anschauen, Betrachtung) nicht - wie heute üblich - gegenständlich, sondern als Vollzug der dem Menschen am meisten zukommenden Tätigkeil, nämlich des Denkens üherhaupt, versteht. Es gibt keine vollkommenere Form der ]"[~l~ als die OE· ltlQla. und zwar deswegen, weil für die Griechen und auch für AristoteIes ..Theorie nicht das abStrakte Resultat (Herv., U. W.) der Forschung" IH bedeurcr: n Theorie war nicht das, was in den Büchern sreht, sondern Theorie war die Handlung des Erkenncns als solche" 11-4. Das eigentliche Handeln ist so vor allem die Wirklichkeit des Denkens, "1 ßaog(o h ti9 OEWQOifvtl als EVEQYEW. 125 Damit ist die Handlungsform rtO(llm~ keinesfalls diskreditiert, "rroLllov; und nQO.;l.f; sind die beiden Grundformen der Wirklichkeit im Bereic.h des organischen Lebens überhaupt (Umsr., U.W.)" 116, es bedeutet ll1 Ari.stotcles, Metaphysik, 3.:10.0•• XI, S. 21-41215. 11.\ Pic.ht, Armoulcs' D~ animll, :Io.a.O., S. J9. Ili Ebd. 11.S H. Fluhar weiSt d:ll'auf hin. d:loß ArislOtde$ in der NikomachiJt:J"'n Etbik eine H;tndlungslhcorie c.-mwickeh, die' ~die Verwirklichung des menschlichen Lebens\'ollzugs im Sneben nach Eudälllo[lie (...) llis ,H~dluJlg' (rrtJO;I;) bcz.cichoCl" (fluhar, H.: ~Die H;tndlungsthtorie des Aristotelcs~. In: dcrs,: EiJola. AllJg~t;;äbltl" Klcmt: Schriftm. HuaUJgl"g~bm. mit ~illtm Vorwert Itm/ t'm~r Bib!iogr"p1Jie t)~Ncht'n "'011 ),{ KrilHJ. Amslt~_r dam 1989. S. 171-174. hier: S. 173). Fluh"r kOlllmli~n don e'bt:nhlls den ari~loteli$Chen HandlungsbegriIf der Ethik mit dem der Poetik: ~So sind die Grundlinien der Hand· lungsthwrie des '\rlslOtdcs in der P~uk die gleichen wie in der Ethik. Ooch isl der prin7,ip;ell~' UIlIt"rsehied der, daß die Ethik ein~ Lehre vom vernünflig~n! z.um Gelingen im Lebcllsvollzug führenden Hllnddll iSl, wihrend Jcr HlIldlungsveriauf der Tragödir - k· denfaJIs nach dem Modell des Ari~tutdes - von Glück in Unglück führt~ (dxL). 110 Pkht. Aristotrlts' De animll, ;t.3.0.. S. 40.
386
Oriucr Teil; Die' Ordnung der Wirklichkeit
lediglich. daß in ontologisch-theologischer Perspektive die JTQill;u; unter bcstimnllcn Voraussetzungen das ist. was dem Menschen als einem von der lJ'VXil bestimmten Lebewesen in besonderer Weise zukommt. Es bietet sich an dieser Stelle an, bereits einen provisorischen Blick auf Humboldts ,Energeia<-Diktum zu werfen, wcilllun einige bereits häufiger angeführte Aspekte grundsätzlich in einem neuen Licht erscheinen können. Schon kons13ticn wurde, daß ,Ergon' und ,Energeia' keine alternativen Bestimmungen der Sprache darstellen können, eine These, die sich nach der Besichtigung der entsprechenden aristotelischen Termini bestätigt hat. Humboldts Insistieren auf der Tatsache, daß sie "kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia)" (Vll 46) sei, wird verständlich: Jede Vergegenständlichung des Sprach begriffs würde diesem so fundamental widersprechen, daß damit nicht nur eine ganz andere ontologiselle Klassifikation verbunden wäre, sondern ein Sprachbegriff generien würde, der in Humboldts Verständnis sich selbst ad absurdunl führen müßte. Daß dies so ist und laut Humboldt auch so sein muß, dies nun untermauert der KJammer-Kommemar der .Energeia', der den Begriff Tätigkeit in dessen umfassendem Sinne, also ulllcr den Bedingungen der WirklichkeitskonsLirution, erfassen und bestimmen will. Eine subjektivitätstheoretische Reduktion der Sprachbestimmung ist von Humboldt ebenfalls nicht vorgesehen, ja sie soll sogar verhindert werden, denn ,Energeia' stellt als Kommentar den Bezugsrahmcn zur Verfügung, in dem man ,Tbätigkeit' verstehen muß, bzw. spannt diesen in dessen ganzer Breite auf. Der griechische Terminus erklärt die vielen Verständnisse, die theoretischen Ansichten von Wirklichkeit, in denen man den ,Thätjgkeits-'-Be~ griff immer schon lesen muß, er öffner das Sprachverständnis hin auf das Problem der Wirklichkeitsentstehung durch die Sprache. er ist absichts voll auf djc ..Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst" (VIJ 45) gerichtet und demaskiert jedes ,Ergon'· Verständnis der Sprac.he ebenso als aus· sichtslos wie jede subjektivitätstheorcLische Betonierung der Sprachwirklichkcit gerade deren universelle Handlungsfähigkeit im Hinblick auf eine WirkJichkeitserkenmnjs als Bewegung, als Sein und als Tätigkeit des Er· kcnncns als solches in Frage stellt. Interprerarionsvarianten. die diese Erklärungsrichtung, i.n der ,Energeia' das Feld aJler ,Thätigkeit' immer schon aufschließt und umgreift, nicht verstehen und davon ausgehen, der Terminus ,Thätigkeit' expliziere etwa, wie (spezifisch) man ,Energeia' zu verstehen habe, müssen an dieser Arisroteles verantworteten Einsicht vorbeigehen. Die WirkJichkeitskonstitUlion ist immer radikale Praxis, 1tQf~t~ im Horizont der E.VfQyrw. ,Thätigkeit' wird zum universellen EnLWicklungsdekret dieses Konslitutiooscharakters, das ei.ner WirkJjchkeit folgt bzw. diese herstellt. die nicht beherrschbar, nicht vorhersehbar, niemals voll-
8. Ariswtdes' ßezugsr:lIUllCII: Sondierung d~s theoretisdU':n Terrain.s
387
sriindig einsehbar und schon gar nicht fragmeorierbar, immer aber unum· gänglich ist und auf die tragische, weil bedingungslos gültige, Notwendigkeit verweist, daß Vollendung nur im Erkennen durch und in der Sprache zu erreichen ist. Das Ziel der Entwicklung ist diese Sprachwirklichkeit. die in ihrem Vollzug ihr Ziel immer zugleich erreicht und doch in dem Sinne nicht erreicht hat, daß das Erreichte immer schon über sich selbst hina,usgreift. Die ...sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes" (VII 46) verweist damit auf eine (aristotelische) Praxis. die höchste Theorie ist, weil sie Weltkonstirution in der Sprache so initiiert, daß Erkennen immer als reOexiv eingeholte, betrachtete Wirklichkeit verstanden werden kann: ..Dies (jedoch. U.W,) vermag nur die Sprache" (Vl 155), und nur dann macht es Si.on zu behaupten. daß der Sprache,.wahre Defmition (...) nur eine genetische seyn" (VB 46) karm. Alles andere wäre eine Art ontologischer Paralyse und damit erkenntnistheoretisch unwirksam. Es ist nun einleuchtend. warum der ,Energeia'-Terminus -wie in der Einleitung konstatiert - auch den Eingang in ein tieferes Verständnis der Humboldtschen Sprachtheorie ermöglicht, dessen ontologischer Charakter weit über diese terminologische Signalstellung aristotelischer Provenienz hinausgeht. So weist auch der von Humboldt selbst verwendete Terminus .Genesis· den weiteren Weg der Untersuchung. Worin welche Form der Entwicklung eigentlich stattfindet, muß die nächste Frage sein, die an das Repertoire aristotelischer Ontologie zu richten ist. Aristoreles nennt in der genannten Tcxtpassage aus der Metaphysik als letztes Beispiel ~Juxfi, das Lehen in der für die Radikalität der rrQÖs.L~ auch die l;w~ EV Seele selbst. ein lndiz dafür, daß die Qualifizierung der Handlungsform rrQÖ.s~ für AristoteIes dadurch möglich wird, daß sich Handeln als radikaler EntwickJungsbegriff immer nur in einem umfassende.n Prozeß des Werdens (yevEOLC;) und Vergehens «(pOoga) ereignen kann, dessen Rahmen für ihn die Natur, die tpUoLC;, bietet.
tn
8.3 qn!OI.<; und xlVll0L<;: Entstehungsbedingungen Zunächst ein Überblick, der die einzelnen Begriffe, die AristotcJes instal· lieft. um die Bedingungen des ,Lebens' zu benennen. einander zuordnet: lm Phänomen der Bewegung (xtVl1otc.;) sieht Arisloteles den Grundcharakter allen Lebens. 121 Uo~ ist das, was den ,physikalischen' und ootOIV
Zum Begriff der Be"'q;ung im omologischen Komen vgl. KosmAn. L. A.~ ~Arislotle's Definition 01 Motioo;', In: PhrQllesu. 14.Jg. (I%q). S. 40-62.
388
Driuer Teil: Die Ordnung der Wirk\it::hkcit
logischen Zusammenhang dahingehend kennzeichnet, daß in ihm Leben stattfinden kann. Die
I;. ArislOlclC$, }.f("'/4pbY$lk. 01....0.,
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s. 18'll.
Ebd. uo Ebd. 1)1 Ebd.
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Ebd. m Ebd. I~
Anstotclt5. Ml't.lfpbyslk, .1 .... 0.,
v. S. 190/191.
S. Ari~lOle1cS' Bczug5r:lhOlCIl: Sondierung dl'S lhcorcüschcn Tcrrnru.
389
oe nenne man nun auch überhaupt jedes Wesen Narur auf Grund von dieser, weil die Narur ein Wesen i5t" 13). Erst so vorbereitet, kann ArislOtcJes schließlich eine Bedeutung vorschlagen, die seiner Vorstellu.ng besonders nahekommr, wenn sie diese auch immer noch nicht erschöpfend darzustellen vermag: [1015a] ..Nach dem Gesagten ist also Natur im ersten und I:igentlichen Sinne die Wesenheit der Dinge, welche da.s Prinzip der Bewegung in sich seih$[ haben, insofern sie d;u sind, was sie sind; denn der Stoff wird Natur genannt, weil er diese aufzunehmen f-ahig ist, das Werden und Wacbsen darum, weil es Bewegungen sind, die von dieser ausgehen. Und Natur ist auch das Prinz.ip der Bewegung der natürlichen Dinge"u(a.
Man sieht schon, daß man es hier (wie so häufig) mit unrerschiedl.ichen Bcdeurungsanläufen und deren Schattierungen 7,.U tun hat, so daß schwerlich eine einzige, vorrangige Bedeurung herausgenommen werden kann, die die anderen ausschließt bzw. hegemon.isicrt. Wohl aber erhält jene Bedeurung besonderes Gewicht, die geeignet ist, möglichst viel der anderen Bedeutungsaspekte in sich aufzunehmen. Diese Beobachtung wird durch die generelle Vorgehensweise des AristoteIes im Hinblick auf die Verwendung des cpuOls-Begriffes bestätigt: Wir haben es hier vor allem mit einem "Kollektivwon"1J7 zu tun, das ..Inbegriff aller Gegenstände und Prozesse (ist, V.W.), einschließlich der sie bestimmenden Gesetzmäßigkeiten, bei denen es Selbstbewegungen gibt<4 Dll • Bei Arisroteles .,zeichnet sich das Natursciendc (J9, so I. Craemer-Rucgenberg...dadurch aus, daß es aus sich selbst heraus prozeßhaft ist; es hat das Prinzip seiner ,Bewegung< und seines Stillstandes in sich selbst - im Unterschied zum Hergestellten, zu den Artefakten, über denn Prozeßhaftigkeit der Mensch besri.mmt""40. Die
IJ'
AriSlotdes. Mer"physilt. :u.O.,
I~
Ebd. Höffc, Ebd.
1" UI
Ariflou/~S,
v, S,
191-
1.;1.0" S. 109.
In: Böhme, G. (Hrsg.); KLmikrr J~r Naturphilosophie. Von Jen Vorsokr"tj'kem biJ zur Fr"nkfl4rt~rSdm/t. München 1989. S. 45·60. hier. S. 49.
u, Cnc.mcr-Ruegtnbc-rg, 1.; 8ArislOldcs
,~
141
Ebd. Höffe, AriJU)u/n, a.a.O., S. 109.
(38~~JZ2)·,
390
Driucr Tril: Die. Ordnung der Wirklichkeit
Nur ein Seitenblick kann und soll hier auf die editorische Perspektive der Begriffsrekonstruktion vc_nvandt werden. Bei den Büchern der Ph)'-
sik, in denen Aristotclcs grundlegend über die ql'\x:Jt..c;-Problcmatik handelt, findet sich eine ähnliche Erschwernis wieder wie bei der Metaphysik. Auch die acht Bücher der Physik sind nicht von ArisLOtelcs zusammengestellt und bilden eigentlich mindestens drei ulltcrschjedl.iche Abhandlungen. So stellen Buch I und 11 eine gewisse thematische Einheit dar, ebenso die Bücher lU-VI über die Narurprozesse. Die Bücher VII und VIII haben wohl ursprünglich gar nicht zur Physik gehört. letzteres handelt erneut (wie Buch 111) über die Bewegung und stellt die Physik in den Kontext der rtQ<-llTll . Der qrUo~<;-Begriff ist vor allem dadurch charakterisiere, daß in ihm Bewegung (xLVllOU;) des Lebendigen stattfindet. Ho Aristotcles kennt vier ArU~
Cr.temer~Ruegenbt'1l'
ArUlouJI!$. :u.O.•. 51. l') Höfrc, AmIO(t'1~J> .t.~.O., S. 101. 1'" Siehe in dic$cm Zusammenhang .tuch die Knrrdatit,ln von ((l'JOI~ und atOll; bei ArinOleles (\-gl. Deitz, L.: .. Physis/Nomos. f'hysi,rrhesis·. In: Ritter. His(ori,dus Wi)rurb,.ch. :u.O.• S. 967-971 fBd. 7}. hier: S. 968). 10 Hcid"''1;ger. M.: .. Vom Wese.n und Begriff de.r (!)ucnS. AristOldes' Physik ß. IM. In: dc-rs_: \Vl."gmarkl."n. Fr:l.nkfun.l.m M:un 1967. S. 309-371. hier: S. 312. I" Zum ßewcgungsbC'griff bci Aristotc1es auch im ontologischcn KontcÄt vgl. K:l.ulb:l.ch, F.: .Bewegung~. In: Riucr, Hislonjrh~s \'C!örrcrb'lrh. :I. •.l..O.. S. 8604-879 (Bd. 1). hier: S. 866-868. Vgl.
S. AriSlotc1cs' BC1.ugsrahIl1l:n: Sondierung des thc::orCliJchc:n TcrninJ
391
tcn von ,Bewegung', die er u.a. im In. Buch der Physik auffühn. Er setzt z.unächst mit einer Bestimmung ein, von der noch genauer zu sprechen sein wird: [2012J "Indem nun in jeder Gattung genau getrennt sind das eine aJs ,in 2Jlgestrebter Wirklichkeit da', das andere als ,der Möglichkeit nach vorh2nden'''147, und fühn daran anschließend. folgende Klassifikati· on ein: (2013) .. Das endUche Zur·\Virklichkeit-Kommrm ei"es bloß der Möglid)keit
nach Vorhandrmen, imo/ern es eben ein solches ist - das üt (entwickelnde) Veränderung; 7..8. die des eigenschaftlieh Wandelbaren, insofern es eigen. schafdich wandelbar ist, (ist) ,EigemchaftsveTändcrung'; die dessen, was wachsen kann oder, seines Gegenteils, dessen, was schwinden kann - denn eine gemeinsame Bez.eichnung über beiden gibt es nicht - (heißt) ,Wachse,,' und .schwi,IJc,,'i die dessen, was entstehen und vergehen bnn, (heißt) ,Wer~ Je,,' und. Vergehen', die dessen, was sich fortbewegen kann, ,Ortsbewe8Ull g, .. •.. 8.
Der aristotelische Bewegungsbegriff, der augenscheinlich die heutige Beschränkung des Begriffs auf den Ortswechsel njcht kennt, rekurriert damit auf die unterschiedlichen Kategorien des Was (der Substanz), des Wie
(Qualität), des Wie groß (Quantität) und schließlich eben auch des Wo (Ort). Damit sich etwas jedoch irgend wie bewegen kann, sind z.unächsr drei Grundgrößen notwendig. Es muß laut Aristotcles immer etwas geben, "woher die Bewegung erfolgt, einen Ausgangspunkt, (2) etwas, wohin sie erfolgt, einen Endpunkt, und zusätzlich (3) etwas, woran sie erfolgt"l-4IJ, Dieses Zugru,ndeliegcnde ist das U1tOXd~lEVOV. Will man verstehen, was hiermit gemeint ist (und vor allem, was nicht gemeint ist), kann Aristoteles' Klärung des Begriffs herangezogen werden, die cr im Kontext der ouo(a-Diskussion vornimmt: [1028b] "Das Zugrundliegende aber ist dasjenige, von dem das übrige ausgesagt wird, das selbst aber nicht wieder von einem -anderen ausgesagt wird" t-SO. Hier wird deutlich, daß der Begriff des U1tOXE(~lEVOV zunächst einmal eine aussagen-logische Konstruktion ist. Wird er mittelba.r auch durch dcn oUOla-Begriff deutlich aufgewertet, so hat er doch nicht (wie bei Wolff und Kant) den neuzeitlichen Sinn "on ,Subjekt', seinc Bedeutung gleicht vielmehr dem, was wir im grammatischen Kontext mit subieaum bezeichnen.l!>l Eine neu147 Arinotc:1es: phJJik. Vorfwmg Hb~r di" Na/ur. Obl'Ni'tZ/ "0" H. G. Zi'kl. In: dcu.: PhilowphiscJJi' Schriftt" In sechs Bi"den. Bd. 6. Dlormstadl 1995. S. 1·258. hic:r. S. 51. Ul Ebd. - Zur Interpreulion der T~xtslel1e vgl. :auch Cnemer-Ru~genb
Höffc. Anstoultl, a.a.O.. S. 106. I~ Arjstolcla, MrtaphJJik, u ..O .• VII, S. 9. '~I Vgl. richt, A risUJttlcs' De tJnima. A.";1.0., S. 114.
\4'1
392
Drincr Teil: Oie Ordnung der Wirklkhkeit
zeitliche Beladung d.ieser Syslcmsrclle mit Pcrsonaütät bz.w. Individualität als Voraussetzung des ,ich denke" ist nicht AristoteIes' Vorstellung. Vielmehr ist das Ziel, neben der grammatischen Bestimmung vom Begriff des ,Zugrundcliegcndcn' im o\JOla-KontCxl auf ein ,Erstes Zugrundeliegendes' (1t(XötOv unOXd~lElVOV) zu schließen, das von nichts anderem mehr ausgesagt werden kann, sondern VOll der alles andere ausgesagt wird. Dieses ,Erste Zugrundcliegcndc' ist, .. weil sie das Erste ist. (...) CtQXil''l'Z, also gleichermaßen auch Ursprung. ISJ Die Doppeldeutigkeit des lmoxdJ.l€Vov wird prägnanter hervortreten, wenn die Stoff-FormProblcmalik aufgegriffen wird. Dann zeigt sichJ daß hier, im O'uota-Kontext des lm:o, zu suchen ist. Auch wird klar. warum die Eckpunkte des Entwicklungsprozesses nicht wenungsneurral gesehen werden können: der Anfangspunkt ist immer ein Punkt, der vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dag er nodl nicht der Endpunkt ist, er defin.iert sich wesentlich durch seinen Mangel (otEg'lOI.~, wörtlich ,Beraubung'), sein NochNicht-Vollkommen-Sein (vgl. die fünffache OTfQllOL~-DeJinition in Melaphysik V [I022b]; H. Bonitz übersetzt den Terminus don mit ..Privation"""'). Aristotcles zielt nun im ontologischen Kontexr vor allem auf die Klasse von Veränderung, die sich 3UJ Entstehen (Yfvt~m<;) und Vergehen (cp6oQlt) richtet. Sie kennzeichnet im "Bereich der l vier Grundstoffe. (die. U.\V.) aus der Kombination der vier Elementarqualitäten entstehen - die Erde aus Trocken und Kalt, das Wasser aus Kalt und Feucht, die Luft aus Feuchr und Warm, das Feuer schließlich aus Warm und Trocken"-I!i!i. Höffe konstatiert dazu allzu kontextvergessen, daß diese Ansicht ..ohne Skrupel in einem Museum für die Geschichte der Naturwissenschaften (zu, U.W.) deponieren sei ulS6 . Neben dieser - aus den vorsokrauschen Schri.ften bekannten - Diskussion setzt sich Aris[o~ teles in dieser Schrift aber auch mit der Frage auseinander, ob es eine erste, schlechterdings formlose Materie, also eine im vorgängigen Sinne crlU Pichl, Amtott!les' De amma. a.a..O .• S. II~. IU Zu B(-griff und Problcmalik der ..ristOlclischen 'tl!Xfti vgl. Happ, flylr, ...1.0., S. 58-81. ,~ AriSIOldc:s, MtlilpbYSIk• ...a.O., V. S. 235. In Höffc:, AristQtt!i!s. a.a.Q., S. 111. I~
Ebd.
8. Aristortlts' Bezugsrahmen: Sondierung dC'S Ihcorctischcn Terrains
393
Ste, eine ITgWTn ~" gibe. Nach heutiger Forschungsansichr verneint AristoteIes diese Annahme im Sinne eines konkreten, real existierenden Dinges. Es handelt sicb bei der nQ6t; xovaQ(O~ll1tOt; xQ6vo; qxtlvn r'libl1Aa xai epavtvra X{)\mTttQl' XOUX fot' tttA..·uov o'lIOEv. itU' M{O>lftUl
x.c. öuvO!; Ö(.))(0t; xa\ ltl:QUJXfUll; crQE''E'~. "Die unermeßlich lange Zeit macht offenbar alles Verborgne und verhüllt, was sichtbar iSL Es gibt nichu Unausdenkbares, doch sinkt dahin der he.iljge Eid und
Entstehen und Vergehen findet so auch immer ganz sinnlich im Kontext von Erscheinen und VerhüUen. von Erkennen und Nicht-Erkennen Stan. ,Genesis' ist ganz sinnlich als Prozeß des ,Hervortrctens' verstanden, weil IH Ebd. - Zu Begriff und KonzCJl[ der JtQWTl1 iih'1 vgl. Happ. /-I)'/~. u.O.• S. 307-J08. t-bpp weist hier ~uf de.n ..Doppelsinn (5.307) des Terminus hin und betont, daß die ~Jeinige F'~t1q;:unl; des1kgrif(s ~uf .du völlig formlose unlC:l'$le Werde-Subsuu- (S, 308) vor ... 1lem Leiscung der ArntOldes-Komment'lIore.n sei. lki Arislotdl:S bezdchne. Cf" auch und vor allem Mdas in"eils demenlUlfc SlOffliche. und dies sind (...) Erde, Wasser. luft. Feuer. Von einer Fe.sllc:gung des lkgriffs auf du unterste Subsrfal kann keine RC"!e sein(5. lOS). - Vgl. .auch Vorlinder. K.: Cesch,o,tt' JeT PhIlosophIe.. BJ.J: ItlLmlfM. Rein~k ~ J-bmburg 1990. . 102_ ISI Pichl. Anfrort/eI' Dt anim.. ~a.O" S. 181. 1'" Sopookla: Tr.-gödlm und Fragmente {Awj. fiNg. ,md iibnwu wn w: WI//jg~. München 1~66. S. 62-14~, bi~r: S. 100/101. M
Driller Teil: Dir Ordnung d{'r Wirklichkeit
394
Y{YVO~'Ol wörtlich ,zur Erscheinung kommen' bedcutet. l60 Dieses griechi-
sche Verstindnis der Prozeßhaftigkeit von Werden und Vergehen spielt sich demnach exakt am Scheitelpunkt der ambivalelllell sprachtheoretischen Prod"ktionsperrpektive Humboldts ab, dem sich immer bedingenden Wechsel zwischen Erscheinungs· und Wesensmerkmalen der prache. Humboldt übernimmt vom griechischen Denken den radikalen Entwicklungsbegriff der Wi.rkJichkcitskonstiruierung im Horizont des Zeitlichen, einer Konstituicrung. die doch niemals vom Erkcnntnisprozcß zu trennen
in. I61
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1. IIt'iJt-ggcr merk, dnu
~n:
.snn ist du sich \'ubn-gmdc Entbeq;cll - q-('OI; im anhnglichcn Sinne. Du SichCnlbt:rgcn Ist Hrrvorkommeo In die Unvt'rborgmhnt, und d.h. die Unverbofßenhell als one wicht- etSt ins Wesen bugen: Unvcrborgenhelt heiSI {,. }'i~)na - die Wahrheit. .....Ie wir ulk-ßflun, ISI anfilnglich, und cl.h. wt'Senh.lfl nichl cin Charakter des menschlichen Erkt'JInem und Au~~agrns. W.lhrheil iSt auch crsl r«hl kein blo~ W~rl oder eine ,lu«', n;t<:h dereIl VerwirklIChunS der r-,'1ensch - IO;ln weiß nicht recht wnhJ,lb - nrelxn soll, sondern WllIhrhcit I;chon ab" Sichembergcn ;r.um xin seihst: lj'"ixn; 151 M.l~h'In, Emb<:fj;ung und deshIlb XQi';mo(lm
8. Aris[oules' Be1.ugsrahmC'.n: Sondi(>rung du thcorclischen Terr:ains
395
8.4 Überleitung So weit die Sichtung des philologischen und t.heo,rctischen Terrains, in dem sich aristotelische Oncologie bewegt. Es ist nun möglich, die Konstitutionsbedingungen von Wirklichkeit im engeren Sinne a.n Hand der zentralen Bcgrifflichkeit zu untersuchen, eine A.nalyse, die sowohl auf das innere Bauprinzip von Wirklichkeit wie auch auf die Frage zielt, wie Bewegung als ontologische Qualität genauer verstanden werden kann.
9. Aristoteles' Begriffe: Konstitutionsbedingungen von Wirklichkeit Die Konstirutionsbedingungen des aristotelischen WirkJichkeilskonzep(es können im wesentlichen durch die dieses Programm tragenden Begriffe rekonstruiert werden. Ich greife dafür auf den oben ausgefühnen Ansatz, den problematischen Textcharakter der Metaphystk betreffend, zurück und stelle zunächst das erSCe Kapitel des zweiten Buches m:pi 1fluxf)~ in den Mittelpunkt der Problemsichrung. Durch diesen Text hindurch erlaubt der Blick auf die Hüchcr der .4fetaph)'sik eine Füllung bzw. Spezifizierung der relevanten Begriffsfclder in ihrem ganzen Facettenreichtum. die Metaphysik wird demnach in systematischer Hinsicht als
Kommentar des Dc anima-Textes genutzt. In JttQi 1fl\f,(l}r; inventarisiert AristoteIes in wenigen Sätzen den gesamten Problemhorizont der WirklichkeitskonStirution: [4I2a] AEyOI4EV b~ ye~ ~v Tl '('(iN Övtut\' T~V •.:I1"O(<
Die entscheidenden Begriffe t2uchen hier (fast) aHe in ihrer sysrcm:ui· sehen Zuordnung und theoretischen Jmerdependenz 2Uf. Es sind dies die oüo(a (Wesen, Wesenheit), dje {i}.ll (Stoff, Materie), die ~lOQUvuI'<; (Möglichkeit) und - in diesem FaU - [VTE).,eXUQ für Wirklichkeit. Die evtQY(L(l - eigentlich der zentrale Begriff des aristotelischen ,Wirklichke,it'-Konzeptes - fehlt, was hier keinen systematischen Fehler anzeigt. sondern den nahen Zusammenhang der Begriffe tvtQYElU und fvTEAtXElCl unterstreicht. Einen Eindruck d.avon, wie schwierig djese TextsteUe z.u übersetzen ist. bekommt man erst. stdlt man unterschiedliche Übcrsetzungsmöglichkeiten nebeneinander. Zunächst die Übersetzung von H. Seid I, die aus einer Überarbeitung der Übersetzung von W. Theilcr entsunden ist: 1412a] • Wir n~nnen nun ~in~ Ganung des Sci~nden das Wesen (Subsu.nz), und von dieum das eine als Materie, das an sich nicht dieses bestimmt~ Ding 11.:
AristOlC~IC$,
Ob" d,r St'('/t', u.O., S. 60.
9.
AriSIOld~s'
Begriffe:
Konsurution$bedingunl,;~11
vQn Wirklichkeit
397
da ist. ein anderes abtr als GestaJt und form, nach welcher erwas schon ein bestimmtes Ding ist, und drittens das aus diesen (1)t'iden Zusammeng~tzte). Die Materie ist Pou=nzIMöglichke.it. die Form aber ist VoUendung (Entelechie). und dies in zweifachem Sinne, zum einen wie (L S.) eine Wissenscha(t, 'Zum andern wie dJS ßetrachlen al6J . Auffällig werden zwei der zentralen begrifflichen Probleme durch Klammer-Kommentare erläutert. Dcr griechische ouoio.-Terminus wird durch die latcinische substantia-Bezeichnung interpretiert, eine Ergänzung, die mehr ist als eine worrwörtliche Übcrsetzung und die insofern problematisch ist, als mit de.r (scholastischen) Rezeptionsgeschichte des SubstanzBegriffes auch eine Reduktion bzw. Verschiebung des ouaia-Kollzeptes verbunden ist. IM Das deutsche Wort.Vollendung' wird noch einmal mit der griechischen ,Entelechie' kommentiert, ebenfalls eine auf den erseen Blick unwichtige, lediglich erläuternde, den griechischen Terminus wiederholende Kontexruierung. Auf cl,en zweiten Blick jedoch unternützt diese Verfanrensweise die ebenfaUs rezeptionsgeschichtlich bedeulSame Vergegenständlichung des ,Entelechie'-Konzeptes, indem sie den Terminus besonders in de.n begrifflichen Vordergrund rücke. und signaJisiert damit sowohl eine Vorrangig- a.ls .luch eine Eindeutigkeit. die der anslotclisehe Terminus per se und in dieser expliziten Form kaum in sieb trägt. O. Gigon umgeht dann i.n seiner Übersetzungsvariame auch diese Form der Kommentierung und bleibt berei{S einer möglichen Vergegen· IU
l~
AriStl;Hdcs. Ober d,~ Su/~ IS~iJJI, ;I.a.O., S.61. Zur Probkm;luk der .scm.amischen Reduktion des: Ol:'O{a.Üegnffs durch ObtTu-t'1ung schreiln M. Wunde .Der Hauplbegriff, um dm sich der Gehalt der MeI
W,,"
398
DriueT Teil: Die Ordnung d...r Wirklichkdt
ständlichungstcndenz des oUolo·Konzcpres in der deutschen Übersetzung gegenüber skeptisch: {411a) ..Wir bcz.cichnen als eine G,lttung d~s Seienden die \f'~senbelt (Herv., V.W.) und von dieser als du eine die Materie, die an sich keinerlei Bestimmtheit hat. als du zweite die Gestalt und Form, auf Grund derer etwas cin 8('nimmtcs helftr (Hcrv.• U.W.). und als das drine die Verbindung bcidcr. Du: M:ucrie ist Moglichkcit, dir Form aktuale Wirklichkeit und dies in doppcher ""eise, teils wie die Wissen haft. teils wie du Forschen" lu.
Aus d.em Begriff des ,Wesens' ist Ner die ,Wesenheit' geworden. die sowohl die Selbslrenexivität des Begriffs sichert als auch darauf verweist. daß das Quakt-Konzept immer auch zugleich au.f seine inneren Strukrurmomem~ verweist. Die Übersctzung bewahrt also in besonderer \X/t'i· se die ontologische Problemqualität. Solche Skepsis in bezug auf eine Vergegenständlichung der Begrifflichkeir bezieht ich bei Gigon genauso auch auf andere Termini. Aus dem ,bestimmten Ding' bei Seidl wird hier das, was etwas als ,Bestimmtes heißt'. aus dem ,Zus::uumengeserzten' wird die strukturelle Zuordnung einer ,Verbindung beider' . Gigons Übersetz.ung rekurriert demnach weit mehr auf den ontologisch-problematischen Charakter des griechischen Originals als die der Seid Ischen Variante, die - um den Preis begrifflicher Unschärfe und Vergegenständlichung des Konzeptes - immerhin größere Verständlichkeit erreicht. Dieser Vorteil kann die massiven achteile des Seidischen Vorgehens jedoch kaum aufwiegen, weshalb im folgenden vor allem die Gigonsche Übersetzungsvariante zur Interpretation herangezogen wird. Blickt man schließlich auf die Übersetzung W. Theilers, der die Übersetzung für die renommierte Ausgabe der aristotcJischen \Verke in deutscher Obersetzung 1bb unternommen hat, wird eine der Ursachen dafür deutlich, daß die TexlStclle so viele Differenzen in Verständnis und Übersetzung provoziert und möglich macht: [412aJ .. Wir fassen .11$ eine Aussagegattung der Dinge die Wesenheit. vun dieser das einc als Matcri~1 das an sich allerdings kein bestimmtcs Etwas ist, das andere aJs Gestalt und Porm, vermöge der nun von einem bestimmten Etw:\s gesprochen WIrd, und das dritt~ als beider Zusammensetzung. Die Materie ist Möglichkeit. die Form Erfüllung, und zwar in doppeltem Sinne. einmal wie das Wissen, das andere Mal wie das Bewlchten"
,,.7.
l~
ArislOtdo; Vom Himmel \'on da &et~. Von der D/rhtJuMtt U~IU ,md h"aHsg~gr· ben (10" O. Glgon Zurich u.a. (2. Aun.) 1987. S. 285. ,... Aristotelr:s: \t!t'rk~ In d~IiltJ€h~r UbnktZllng /10 Handel 8rgr,."drl txm f. Gntm;Jch. H,.,.allsgrgrlHn t1Qn H FLuhar 8nllQ 1983rr. ,.., Anstmda: DM dir ('clt'. V/xoTut7.1 ':-'011 \v. T},t',ln 8cthn (7. Aun.) J 9'H. In: Amtolt'· Ies. \rme In J('ulJ,rht'r Ob~l.l"'''g, u.O., Bd. IJ. S. N.
'1. ArislOldllS' ßcgriff~: KOlUlinltiollsbcdingungen von Wirklichkeit
399
Ganz offensichtlich geht es also - wie das schon bei Gigon z.u erkennen in - vor allem um das Problem, wie in welcher Form etwas von einer Sache ausgesagt werden kann bzw. muß. Das ,bestimmte Etwas' ist so, wie von ihm (logisch) gesprochen wird. Zwar kann hier ke.inesfalls eine sprach theoretische Perspektive moderner Spidan ausgemacht we.rden, wichtig ist aber, daß die Konstitutionsbedingungen der Wirklichkeit sich immer und nur auf das beziehen, was von dieser ausgesagt werden kann. Aristote.les ist die sprachtheoretisc.he Skepsis der Neuzeit, die Sprache in ihrer transz.endemalen Proble,rnqualität begreift, fre.md. Wohl aber weiß er, daß Wirklichkeit nur dann richtig erkannt werden kann, wenn von ihr in aussagenlogischer Hinsicht Richtig'es und eben nicht Falsches gesagt bzw. definitorisch geklärr wi.rd. Der ,Organon' -Charakter der Sprache postuliert zweifeUos einerseits. dafS es sich in der sprachtheorcrischen Perspektive bei Aristotelcs um eine der eigentlic.hen wissenschaftlichen Auseinandersetzung vorgängige ProblemsteUung handelt (und damit Sprachtheorie per se kein zentrales wissenschaftliches Anliegen darstellt), diese Vorgängigkeits- bzw. Grundlagenfunktion wird jedoch andererseits in ihren Instrumentarien deutlich genauer gefaßt und Verfchlungen werden damit als wesentlich konsequenzen reicher dargestcllt, als wir dies in unserem neuzeitlichen Sprachverständnis tun müßten, indcm ja die Tatsache, daß wir alle Gegensünde er t sprachlich konstituieren, indirekt auch die Hintertür zur permanenten Korrektur offen hält. Aristoteles~ Sprache wil1 über Wirklichkeit Adäquates aussagen und mißt sich selbst an eben dieser ,Wirklichkeit'. Diese erkennmispragmatische Wachsamkeit, die in der Integration logischen und sprachtheoretischen Insuumentariums ihren strengsten Ausdruck findet, ist kein Vorzug allein de,r Texte, die wir heu· te im Textkorpus .Organon' zusammenfassen, auch in der Metaphysik wird diese aussagen logische Einsicht des AristoteIes, die vor allem auch ontologische Vorsicht bedeutet, anschaulich: (IOO6bJ Mich meine ~ ..B.. wenn jemand behauptete, das WOrt' Mensch be~ejch oe nicht nur Eines, sondern Vieles, unter denen das eine den Begriff des zweifüßigen Lebewesens habe. aber es wären auch noch mehrere davon ver· schiedene, jedoch de.r Zahl nllch begrenzle Begriffe vorhanden; denn dann ließe sich für jeden der Begriffe ein besonderer Name setzen. Könnte dies aber nicht geschehen, sondern behauptete vielmehr jem:tnd, das Wort bezeichne unendlich Vides. so wäre offenbar gar keine Rede mögljch: denn nicht Eines (Bestimmtes) bezeichnen iSt dusdbe wie nichtS bezeichnen; ~zeichnen aber die Won'~ nichLS. so ist die Möglichkeit der Unterredung mit ~ndem ~ufgeho ~n. In W~hrheit auch die Möglichkt'it der Unterredung mit sich sdbSL Denn man hnn gar nichts denken, wenn man nicht Eines denkt-I", I~ An5101c-1cs. M~titph,sllt,1.LO.,
IV, .1-41.
400
OritlC:rTcjJ: Oie Ordnung der Wirklichkeit
Definition und Eindeutigkeit der Begriffe und deren korrekte Verwendung spielen bei Arisloreles demnach eine herausragende Rolle, vor allem deswegen, weil nur so die Gegenstände der Wirklichkeit richtig bestimmt werden können. Dies ist auch wissenschafts theoretisch von zentraler Bcdeu[Ung. (103 t b] "denn Wissenschaft findet bei einem jeden Gegensta.nde dann statt. wenn wir sein 505cin erkannt haben" 16'l. Das richtige Erkennen des ,So-Seins' ist conditio si ne qua non jeder Wissenschaft, ja sie ist diese Wissenschaft in ihrem eigentlichen Sinne. Schon die erscc Kontrasrierung der drei Übersetzungen der De animaPassage zeigt, wie problematisch die Rc-konstruktion des Konzepts aristotelischer Ontologie sogar in dieser komprimienen Darstellung bleiben muß. Emigen begriIflichen Differenzierungen isr daher unbedingt weiter nachzugehen als eine zügige Übersetzung dies gestanet, andere können vernachlässigt werden, w(ül sie zwar Imcrprctationsspielräume bereithalten, nicht aber die grundlegende Statik des Konzepts verändern. Die Textpassage wird nun - eingedenk der vielfachen Texrebenen von itEQL 'VUXilt; und 'tG>V 11ETO tC,t ((>UOUto. - in drei Schritten erschlossen: Zunächst wird das o\JOla-Konzept noch einmal in scinen unterschiedlichen Schartierungen dokumemien und in seinem funktionalen Rahmen innerhalb der Metaphysik untersucht. Alsdann wird vor allem an hand der Begriffe ÜA.11, ~loQCPil und elöot; die Frage gestellt. ,wie etwas ist', also die Problematik des inneren Bauprinzips von ,Wirklichkeit' bearbeitet. Schließlich muß mittels der Begriffe ö&val.u~, EvEQYELO. und evn:l..txno untersucht werden, .wie etwas entsteht', wie bei Aristotc.lcs aus der inneren SL1.tik des ontologischen Bauprinzips das Enrwicklungskonzept ivtgYEla generiert wird.
9.1 Das otlOta-Konzept Es wurde festgestellt, daß das ouoLa-Konzept des Arisroteles keinesfalls ein in sich theoretisch durchgehend kohäremes, geschweige denn in seinen definitorischen Bestimmungen eindeutiges ist. Vielmehr wird, wie M. Wundt dies unterstreicht. das"Wort in sehr vc.rschiedenen, ja entgegengesetzten Bedeutungen gebraucht, die keineswegs auf einen Gesamtsinn gebracht" sind" 110• Dies tut der zentralen Fun.ktionaJirät des Begriffs jedoch keinen Abbruch, ja die multiple Funktio.naIität hängt in gewisser Weise ..' Arislotdes. Afe.t.aphy!/k, .u.O.• VII. S. 23. 1111 Wundl. UnumudJUngen zur M/!/aph)'Slk. 3.2.0.• S. 59.
9. AriSl'OIe1es' ßegrif(e: KOrllaitutiol\sbedlngungt'n "on Wirklichkeit
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mit der Vielschichtigkeit des Konzeptes sogar ursächlich zusammen. In unserer Leirpassage in 1tfQl. ~_luxftC; beginnt Arisroteles seinen ontologischen Grundriß mit den Worten: A&yo~uw öl) yEvOC; f.\I n tWV ÖvtwV rl)v O\'O(OV, .•. 171 [4 t 2a] .. Wir bezeichnen als eine Gattung des Seienden die Wesenheit" 172 und legt mit dem oi.lOLo-Bcgriff so den Rahmen der Untersuchung wie deren systematischen Angelpunkt unmißverständlich fest. Bereits des häufigeren, vor allem bei der Untersuchung des ovuLa-Begriffs der Kategorien-Schrift. hat' sich gezeigt, wie verzweigt die Bedeutung dieses Konzeptes ist und daß eine letztlich güllige Bestimmung selbst Aristoteles nahezu unmöglich scheint. A~ Regenbogen und U. Meyer, die die auota bezeichnenderweise unter dem Stichwort ..Substanz" l71 bearbciten, nennen die wesentlichen Bestimmungen mit FundsteIlen und stellen gleichwohl zunächst (etwas despektierlich) fest: ..Aristote,les (...) bringt es nicht zu einer festen abschließenden Definjtion der S(ubstanz, U.W.). Er ncnnt S(ubstanz. V.W.) (olf.sia, hypokeiJnenon) bald das BeharrendeI den Träger der wechselnden Affektionen (symbebekQta) (Anal. post. 1,21 J 83 a 24 ff.), bald das Selbständige (Met VI, 3, 1029 a 8), bald die der Materie innewohnende Form (Met. rv, 8. 1017 b 25), bald das Wesentliche (Met. VI, 3,1029 a 1), bald auch das Einzelding (Kategorien 5. 2 a 18). Er unter' scheidet endlich auch drei S(ubstanzen, V.W.): die Materie, die Gestalt und das Produkt bei der (Met. VII 31 1029 a 2)"17~. Diese vielfältigen Schattierungen können - so muß aufgruod der systematischen Spannbreite angenommen werden - kaum (allein) der allmählichen Theorieentwicklung des AristoteIes zugeschrieben oder gar in ein Stufeoschema dieser Entwicklung eingeordnC[ werden. Selbst M. Wundt, der beispielsweise vier Srufen der Begriffsentwicklung ausmacht ll5 , räumt immerhin ein, daß "dies von Stufe zu Stufe fortschreitende Ringen des Gedankens nicht vollendet ist (Umst., U.W.), ja keine der vier ist ganz und vollständjg durchgebi.ldet. Überall bleiben offene Fragen und Lücken in der Geclankenführung"176. Mehr als d,iese spekulative Annahme eines aJlmihlichen Entwicklungsganges erschließt vor allem der jeweilige funktionale Rahmen den Bedeumngsspielraum des Begriffs, was sich sehr gut am De ani111 Arinoldcs. Ober- Ji~ S~c/~. :u.O.• S. 60. In Arinoldes.. vo" der Set/I! tGigull}, a.a..O.• S. 285. 11) R~gtnbogen. A. und M~yer. U. (Hrsg.): Wörltrb"ch J~ phi/oJopbischm B~griff~. 03rmstadl 1998. S. 639-641. 11<
11~
,r.
Regenbogen/Meyer. Wörurbuch. u.O., $. MO. - Ein umfassender Überblick, der ein breiu:s Sp<:ktrulll aosIQl'di$cher T~ne in dic Aoal)'sc O,lileinbez.ieht, findet sich bei Wundt. Umers"cbungl'n zur Metaphysik. a.a.O.• S. 58-79. Wundt, Umers"chungt"1 zur M~tdpJ,Jflk. lI.a.O., S. n. Wundt. Untersurl)jmg~n zur M~tiIph)'fik. a.a.o.., S. 78.
402
DrinerTeil: Dir Ordnung der \Vtrklichkc.'it
ma-Kontext ablesen läßt: [412a] .. Wesen (Substanzen) scheinen am meisten die Körper zu sein, und von diesen die natürlichenj denn sie sind für das übrige Prinz-ipien. Von den natürlichen Körpern haben die einen Leben, die anderen haben es nicht. Lehen nennen wir sowohl Ernährung, als auch Wachstum und Schwinden" 177. Aristotcles zielt hier also auf die Bestimmung der lebenden, natürlichen Körper l78 und auf das, was diese im eigentlic.hen Sinne ausmachen. Hierfür ist der OUol.o-Begriff spezifisch
funktional. Ein Blick in die Metaphysik illustriert die Diskussion, die Aris[O[elcs durch seine Schriften hindurch (ührt, um sein - 1l00wendig von vielen Seite.n zugängliches - ouola-Konzept immer wieder erneut einzugrenzen. besonders plastisch. Zunächst knüpft er in Metaphysik VII an die Kategorien-Schrift an, wenn er feststellt: [1028a] ",Das Seiende wird in mehreren Bedeutungen ausgesagt, wie wir früher in der Untersuchung über die mehrfachen Bedeutungen unterschieden haben. Denn es bezeichnet teils ein Was und Einzelnes (Dieses·da), teils daß etwas Qualitatives oder Quantitatives oder jedes von dcm übrigen so Ausgesagten ist. Indem nun in so vielcn Bedemungen das Seicnde bezeichnet wird, so ist offcnbar von ihnen erstes Sciendes das Was, welche~ das Wesen (Substanz) bezeichnet'"·7-). ArislOtcles erreicht jedoch diese Kläru.ngsmögüchkeit des O\HJlUKonzepts nur durch ci ne Paralleiste!Jung, dic die bisherige Bearbeitung der Problematik in diesem zusammenbindet: (I028b] .,Und die Frage! welche von alters her so gut wie jetzt und immer aufgeworfen und Gegenstand
m AriStot~JC')'. Ober dleSede I~I!/(Ill, ",.a.O.. S. 61. - Vgl. d.IZu: loll2olJ wl)1her ist wohl i~.d cr natürlichc Körper. d...r 1m Leben !ei!h;u. ein Wesen (Sub~un;t), un.:! zW.lr im Sinne eines 1.us:ilmm.:ngcsel2ten Wesens" (5. (1). - [-412:..1 ~Da er aber cillliogearlelcr K, sOnJern ist vid· m~hr Zugrunddicgendros und Materie <selbst>· (5. 61). -(412...1 ~N()twl.'ndig ;1]S() muß die 51:"/:'le ein Wcst:1l ;als Form{uQ-:lchc) eines ll.uürlichc:n Körpers stin, dl.'r in Möglichkeit Leben hat~ (5. 61). 111 Dirose Thc.sc wiederholt ArislOtc!.. S . .luch zu Beginn d~s zwcit~T1 Kapitels des sicbten Buchs der Merilp/,ysik: (I02Sb] .. Es setl('int nun das Wl:$en":lm \I((cnb.uslcn d('n Körpern Wl.U· k\}mmen~ (Aris[mc!cs. Mewp/'YJlk, :1..a.O., Vif, S. 7). 11'1 Arislotdes, Mtfilp/'ysiJr. ;a..I.0.. VII, 5. )-5. - Vgl. (luu: f1028a] .. Du andere abcr wird st'iend genannt. insofc:m t"i an dem in Jil:ieJ" BecI... ulung Seienden entweder eine Quantität oder eilt!.' Qw.liliü. eine Affektion oder Ctwas :ilodereS der An ist" (5.5). -lJ028J] .Nun gcbl-:lucht nun zwar doU Won Erstes in vcrschicdt'IICIl ßcdeulUngcll, indu in icd~r von ihnc:n iSt J",-~ Wesrn ErstC'$ sowohl dcm Begriff. wi~ der Erk~nntnis und der Zeit n:lch. f)enn \'on dem $(:it'lIden nach den übrigen Aussal;ewt'iscn iSl keines selb5lindig abm~nn· bar, sondem dieses ,,1It'in. Und "ueh dem Begriff n;lch ist ...s ENles. Denn in denl ßeg,riH ~·illc.s it-den Dinges muß der ßcgriH des Wesens emhalten sein" (cbd,).
9. Arisluldes' BcgriHe: Konslil'ulioJlsbedingungen von Wirklichkeit
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des Zweifels ist, die Frage, was das Seiende ist, bedeutet nichts anderes als, was das Wesen ist"180. Der 5tagirit zeigt hier nicht nur, daf~ er eine Thematik der Tradition in neuer Form wiederaufzunehmen bereit ist, sondern daß seine eigene Theol"ieenrwicklung in diesem begriffs historischen vorsokratischeo und platonischcn Kontext gesehen werden kann und muß. Wie schwer es ist, die daraus neu erwachsenden norwendigen Festlegungen und begrimichen Strukturmustcr jedoch einzuhalten und dauerhaft zu bestimmen, wird deutlich, wenn Aristoteies erS{ einmal- die begriffliche Tradition bereits verarbeitend bzw. hinter sich lassend - den ganzen Prospekt für ihn möglicher Bedeutungsvari:Ultcn öffnet: [1028b] .. Wesen wird, wenn nicht in mehr (!, U.W.), so doch in vier Hauptbedeurungen ausgesagt. Denn das Sosein, das Allgemeine und die Gattu.ng werden für das Wesen eines jeden gehalten, und dazu viertens das ZugrundeLiegende" lll . Oie Klärung, welche dieser Möglichkeiten nun in welcher Form eine sinnvolle Bestimmung der ouota zuläßt, ist die Schwerpunktproblematik des siebten Buches (und auch des achten, das als spätere Schrift den Horizont des neunten zu Möglichkeit und WirkJichkeit bereits kennt bzw. einschließt l81 ) der Melaph'ysik. Aristotelcs nimmt zunächst zu.r Kläru.ng der vierten Hauptbedeutung den Gedankengang der Kategorien-Schrift wieder au.f und konstatiert. daß [t028b] ..das Zugrundeliegende aber dasjenige ist (Umst., V.W.), von dem das übrige ausgesagt wird, das selbst aber nicht wieder von einem anderen ausgesagt wird"lIJJ. Schlägt CI" dann jedoch die Brücke 7-wischen dieser aussagenlogischen Bestimmung und der noch näher zu bestimmenden Statik des ontologischen Gerüsts. verliert die bisherige Definition an Eindeutigkeit: [1029a] "Als ZugrundeLiegendes (Substrat) nun wird in gewisser Weise die Materie bezeichnet, in anderer Weise die Gestalt und drittens das aus beiden (Zusammengesetzte)" 11-4. Leichter fällt die Parallelstellung zur ersten Hauptbedeutung: [1029b] "Zuerst nun wollen wir darüber einiges in begrifflicher Weise sagen, nämlich daß das Sosein für jedes Ding das ist, was (von ihm) an sich ausgesagt wird"'ls. Und in der Tat bildet die erste und vierte Hauptbedeutung auch den eiMl!taphY$lk, :u.O., VII. S. 7. lil Ariswtdes, Mett1phYlik. :1.:1.0., VII. S. 9. 111 Vgl. Wundt, UnumuchulIgell zur Mt'laphYlik. :1.:1.0.• S. 72. ,.) Arisundc5, Mt:taph)'iilt, ,t.;I.O., VII, S. 9. - Vgl. .tuch: [102901J .. Für i~t7.t ist nun also im alls~mcinC'n Umriß ~~ichnel, was elwa d:as W~n ist. daß ~ nimlich d,u ist. was selbst nicht wm einem ZU8runddiegt:nden (Subjekt), sondern wovon vielmehr das ande~ ausgesagt wird (ebd.). 111 Arist01tles, MtldphYJik, a.~.O., VII. S. 'J. AristOll:I~, M~tlJphysik, u.Q., VII. S, 13. - Vgl. d:1zu: l1030~J .Ein Sosein gibl es ~150 von "lien d~njcnigen, dfrcn Ikgrifr OeJinitioli ist_ Eine Definit,ion ~bcr gibt C'$ "ichi über...11 da, wo übeth:1upl ein Name mit ein~m Begriff dasselbe bezeichnet (sonn würden j:l 1110 AristOlde~.
M
lt,
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Orine!" Teil: Di.: Ordnung der Wirklichkeit
gentlichen Schwerpunkt des ouolo-Konzepts, ein Umstand. den ArislOteles nicht einfach posrulien, sondern genau analysiert und auch darin zweifellos emhahene Aporien bearbeiter. lSb Immer gesthieht dies auch unter der erkenntnistheoretischen Perspektive. denn [I03Ib] .,Wie nun aus diesen Gründen jedes einzelne Ding u.nd sein Sosein eins und dasselbe ist, nicht bloß in akzidenteller Weise, so auch darum, weil ('in Ding erkennen heißt, sein Sosein erkennen"lll1; und des häufigeren verweist ArislOteles nicht nur auf bisbng vorgenommene Untersuchungen des Gegenstandes llllJ, sondern stellt sich die Definitionsaufgabe zunächst erneur l89, um dann wieder grundlegende Fragestellungen zu erörrcrn. l90 Erst nach sorg:1U" Bq;riffe Definitionen sein; defll\ es wünlc ruf jrden bdiebigen ßc~riff einen ~I~ichb~ c.l~utcnd~n Nam~n gl.'bcll, so d:1f~ ~uch die lIi.l$ eint' Oe(illitioll w~te). sondern wo er B~ griff .... incs Erslcn ist" (5. 15). - [1030.11 _Doch es wird wohl di~ Ddinit;oll wir .Iul;:h d.u Was in mehreren Bt'dc:utungcn gcbuucht. Denn Ju Wu bezeichnet in d~r einen ßede-u· tung c.l;l$ Wtscn und du cinzclJll' Etwas. in einer :londcr~n dn jedes der flrJdikntc. QUJJHit.Ui\·cs, Qu,.alit3tive~ und w;u son.St der Art ist, Wie Il.l.mlich das Sein Jllcl1 7.Ukomnlt. .1ber nieln :l.uf gleiche Wl·isc, sondern den e;n!:'n in ursprünglicher, den 'lIlclUCII in .lhgclt·iteter \'(leise. $0 kommt .tuch dJ~ Was sehl«hlh;n dem Wesen zu. ;n gewissem Sinne ;\~r auth den anderen. Denn auch bei dem Qualitativen würden wir fragen. was es ist. so daß .luch du Qualitative ein W;u ist. :lober /licht ein \VlJS schlechthin- (S. 15·17). '16 Vgl. Jazu: {I OJ IaJ ~H icr.lus ist Jlso klar, daß die esensddinitio/l der UcgriH des Sosell\$ ;st. unJ dalt es du Sost'in ~ntwedcr JtI~·in odtr \'OrlUgswris~ und zucru und schtcdllhill von den \Ves~n ~ibt. Ob aber jede$ rinzelne Ding mit ~ein~m Soscin idcl\IiM:h iSI oder wrschied.. . n. muß untemleh, werden, weil dies für die Untersuchung J...., Wesens forderlich isl: denn jedes dnzdne Ding gilt (ur nichtS ;Lllden~s als rür sein eigenes Wesen un(l d:l..~ Sosein wird eben alt 111111 We$t.'n jedes C'inzdncn beZ~';ehnetM ($.21). 1'1 Arlslotdcs. MctftplJyslk. .1.a.O., VII. S. 2J. - Vgl. d;1Zu: /I0J7bl .. femel' istl'rörlcrt. dal~ d:u Sosein und du Einzelne selbst in nunehen Fiillcn dassdbc :-iod. wi<, bei den erslen Wesen. z., B. Hohl-heil und Hohl heil-kin. wenn dies e;n eUtes Wesen ;St (ich nenne aber erstes Wesen d3si~nige. wdcheli nicht insofern awgesagl wird. als es ~lWas an eillem an· deren ist und an einem Zugrunddiegenden .lls Stoff): wo Jbcr elWas a.ls Sloff bezeichnet \...ird oder als zusammcngef.lltl mit dem Stoff. da sind sie (Sosein und Einzelnes) nicht dasselbe. nC'oCh .:tuch da, wo t'IW;lS nur im akzidentell~n Sinne Eincs ist. wi~ Sokr.ncs und Gebild~t: denn dies iSt nur akzideottlll'rweise dasselbc" (S. 55). IU Vgl. dazu: CIOJ7bJ MNun wollen wir zuniichst VOn der We$ensdefinition handeln. insoweit dieser Geg~nsl;\nd nicht schon in d~o AnaJytikell crörten i~l'" (J\ris[o!eles. Mctilphrn'J..·. u.O., VII. S. 55). 1ft Vgl. d:a;,.u: [IOJ8bl "Da di~ Untersuchung von dem Westn handelt. SO wollen wir wieder z.urückgch~n, Es wird nämlich als Wesen sowohl du Zugrundeliet.o:ndc beuichn~t und das Sosein und das aus beiden Zusammengcsct7.t~ wie auch d;\.$ AlIg~m~ine· (Arinoltb. Mef4physik. a..a..O.• VU, S. 59). ltO Vgl. dazu: (IOJ8b] .Nun sind auch manche der Ansichl. daß Jas Allgemeine \'or allem Uruche unJ Prinzip ui (ArislOlelCS. MrlAplJyJilt. a..1.0.• Vll. 5, 59) - [I0J8b] ..Denn die Dinge. d~fen Wt!len e;nts und deren Sosein eines ist•.sind .selbSt Eines" (So 61) - f!
9. ArislOldcs' Begrirre: KonstilUlionsbcdingungcn \'on Wirklichkl'it
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fäldgcr Beweisführung kommt er dann am Ende des 16, Kapitels des VII. Buches zu dem Ergebnis, daß in der Tat die zweite und drine Hauptbedeutung aus den möglichen Bestimmungen der ouala auszuschließen sind: {t040b) .. Daher ist denn offenbar, daß kein Allgemeines neben dem Einzelnen selbständig existiert. und diejenigen, welche die Jdccn annc.hmcn, haben
in einer Hinsicht recht. nämlich daß sie diestlben sclbstiindig hinsrellen, so{ern sie Wesen sind, dagegen in einer anderen Hinsicht haben sie nicht recht, daß sie das Eine, das vielem gemeinsam ist, als Idee sen:e.n""I.
Solche begrifflichen Sondierungen sind Für Aristotelcs keine abstrakten Reflexionen ohne Aufweis am konkreten Problem. In diesem Falle zeigt er u.a. 3m Beispiel der ,Gestirne', die doch ewig und notwendig da seien, egal, ob sie nun erkannt wären oder nicht, daß es "also offenbar ist, daß nichts Allgemeines Wesen ist, und kein Wesen aus Wesen besteht (Umsl., U,W,)"t92. Wirkt dieser AusscWuß der z.weiten und dritten Hauptbedeutung über lange Strecken des VII. Buches noch häufig wenig apodiktisch, fällt das Urteil im VllI. Buch vollkommen eindeutig aus. Aristotclcs nimmt z.unächst das Problem wieder auf und merkt an, daß [1042a] ..nach eigentümlicher Ansicht dagegen manche als Wesen die Ideen und die mathematischen Dinge setzen (Umst., U.W.). Anderes ergibt sich als Wesen aus der Untersuchung, nämlich das Sosein und das Zugrundeliegende. Ferner ergibt sich aus einer anderen Betrachtung, daß die Garrung mehr Wesen ist als die Anen, und das Allgemeine mehr als das: Einzelne"!?). Nach erneuter Untersuchung des GegenSlandes kommt er schließlich zu dem Schluß, daß im Grunde [1042a] "weder das Allgemeine noch die Gattung Wesen ist (Umst., U.W.)"!'J4. Daß diese eindeutige Bestimmung (ion totvuv OÜTE Ta xa06).0\1 ouaLa OÜTE TO YE-VO~19) möglich wird!96, hängt U.3. damit zusammen, daß Aristotcles hier schon - die bisherige Untersuchung resümierend - verstärkt mit dem Stoff-Form- und Möglichkeits-Wirklichkeits-Muster agiert: I~I
Ari.notc:les. MClaph.l'Jilt, :u.Q., VII. S. 73. - Der Gcdankeng:lng wird in modifiz.ierter Furm im IX. 8uth nQC"h einmal ernCUI angefülm: {ICH9a] .Denn dadurch unlerschtid('n $ich das Allgemeint' und Jas ZUl;rundeli~t'i1(le,d1ß cs l'in einzelne$ Etw.u ist odt'r nicht. 01S Subjckl 1.. B. für di(' Affcktioncn ist MCll.sch und Körper und Sede. Affektiun ;lbcf ist gebildet. weiß~ (AristIlIdes, MetaphYSIk, :I.a.Q., IX. 5.121-113). IU ArislOu:les. Mrtaph.l'Slk, a.1.0., VII. S. 73. •~, ArislI)tdcs, Ml'taphy"k, a.a.O., VIlI. S. 79. t" Aristotclcs. MrtaphYIlk•••:1.0., VIH. S. 81. I~ ArislQtdc$. AlttaplJynk. ::I.a.O., VIII. S. 80. I'" Vgl. d.:l1.u: 11042..] .Da :>.I><:r d1S Sosein Wesen ist, und sein Begrirr Wc:sC'nsdcrinilion. so $ind ;luch über die WcselUdel'inition und das An-sich nlhere Bcstilllillungl'n gegeben"
(ArislOtdts, MCltfphY>lk, .1.;1.0., VIlI, S. 79),
406
Driuer Tt'il: Die Ordnung der Wlrklichkcil
[10423J Jetzt aber wollen wir auf die allgemein anerkannten Wesen eingehen. Dies sind die sinnlichen; die sinnlichen Wesen aber haben ...JJe einen Stoff. Wesen aber ist das Zugrundeliegende, in einem Sinne der Stoff (unter Stoff verstehe ich nämlich dasjenige, was, ohne der Wirklichkeit nach ein bcstjmm(es Etwas zu sein, doch der Möglichkeit nach ein bestimmtes Etwas ist), in anderem Sinne der Begriff und die Gestalt, welche als ein individuell bestimmtes Etwas dem Begriff nach 3btrcnnbar ist. Ein Drines ist das aus bci~ den Hervorgehende, ~i dem allein Enlstehen und Vergehen statrfindcl und welches schlechthin se1bnändig abtrennbar ist; denn von den begrifflichen Wesen sind einige selbständig abtrennbar, andere nicht" 191.
Diese Konstruktion bereitet neben der Möglichkeit, d.ie oüol.a auf Aspekte ihres inneren B:mprinz.ips zu beziehen und damit neben der Erweiterung bzw. Weiterenrwick.lung des Begriffskonzepts 1I.a. auch Erk.lärungspotemiaJ auf dem Wege der Konkrctisierung einzusammeln, jedoch auch neue Schwierigkeiten: Jl042b] "Da aber das Wesen, welches als Substrat und Stoff besteht, allgemein anerbnnt wird, und dies das dem Vermögen nach existierende Wesen ist, so bleibt uns noch übrig zu sagen. welches denn d:15 der Wirklichkeit nach bestehende Wesen dcr sinnlichen Dinge ist" 1'13.
Ich werde später genauer auf diese Problematik, die exakt im Umfeld des ,WirkJichkeits'-BegriJfs, der ivEQYElCl, angesiedelt ist, ;a diesen als ihre innere Konsequenz generiert, eingehen. Arisrotcles ist sich der damit verbundenen Schwierigkeiten durchaus bewußt" .... kommt aber schlicf~ljch nicht zu dem, sondern immerhin zu einem möglichen Schluß, den das ouala-Konz.ept zuläßt, daß nämlich [I04JbJ .,das Sosein der Art-Form In
I" f..
Arislotdes. Ml!laphy!ik. u.O.. VIII. S. Rl. - Vgl. da7.u: l1070~J ~Dcr Wesen Aber sind drri: rrSlens (Ier Sioff, wrkhcr dem Scht-ine nach ein bestimmtes EtYrU ist (denn was nur in 2uHcrsu'r Bcrul,rung. nicht durch Zus~mmcnw~chsen zusammenbingl, V;l Swff und Zugrunddicgcndes); 7.wrilclIS dito N.1tur (Weserl). d~s ßC$limnIlC. 1.U welcher C'lwas wird, unt.! eine." l:)ewis5e Haltung. drillcns das dU;lUS hcrvOf!;t'hcnd,' ~·jnl.c1nc Wesen, z. B. So· kr.ues. Kallias" (Ariswtrl(!O, ,\h:r.rphysjk• .1..1.0.. XII. S. 239-241). Aristoleles, Ml'Iaph)'sik. a.a.O.• VIII.S. 83. V,;l. [IOH3J ~I-licnus ist denn offenb.u. was du sinnliche Wesen iSf und in welcher Weise es bestrht~ d~ eint' n;imlich ab Stoff, cbs ~nderc als AI1·Flmll und Wirklichkeit; d:as drin<: Wesen ist du aus bc.idcn hcrvorgt.hendc. Man dul .aber nielu unbemerkf bssen, tl.tß es 7.uwcilcn zweifdhafl ist, ob cln N.\ml." d:b zuurnnlf.'ngescnu: (konkn'lc) Wesen bezeichnel Oller die Wirklichkdt und dit' Art-Porm. z. ß. ob I-bus das verbundene Gl,nze bezcichnrl. nimlich eme :IUS '10 und $0 liegenden Zic.ogdn und Steinen gemaehte ßt-dc.'i::kung. oder nur die Wirklichkeit und dito Fnrm. n;lm~ lieh l'iot' Bedeckung. und ob Linie be-l.eichnet Zweihcif in der Linge oder Zweiheit, uml ob Lt-bewc5en bezeichnel Seele in ci.,.:!" Körper odtr Seelc- (An5tOfdl:,), Melilphysik. a.a.O., VIII, 5. 87).
9. AristOlt'k'$' Begriffe: Konstitution~bcdingung('n \'Im Wirklichkeil
407
und der Wirklichkeit z.ukommt (Umst., U.W.)"!oo. Erst am Anfang vom I. Kapitel des IX. Buchs der Metaphysik wird unmißverständlich deutlich, daß Aristotcles die Voraussetzungen für einen solchen Schritt nun als bewiesen ansicht, denn [I04SbJ .. Über das nun, was im eigentlichen Sinne seiend ist und worauf alle anderen Aussageweisen (Kategorien) des Seienden zurückgeführt werden, ist gehandelt worden, nämlich über das Wesen" -WI. Es mag zunächst irritieren, daß Aristotcles in unserer Leitpassage aus De anima doch den Gattungsbegriff verwendet (ytvo~ EV n rwv ÖVTWV). Es ist aber deutlich geworden, daß dies njcllt uneingeschränkt in dem ein· deutigen Sinne geschieht, der in der Kategorien-Schrift noch als möglich dargestellt worden war und in der Metaphysik nun explizit ausgescbJossen wird. AristoteIes leitet in der Passage von 1t€Qi ~'oxiic; in erster Linie eine Definition ein, die er im Kontext der Seelenkunde auch als solche verstanden wissen will und als bekannt und gegeben voraussetzen muß. Wie der OUOlU- ist auch der yho~-Begriffan dieser Stelle vor aUem funktional zu verstehen. Das aber, worauf es AristoteIes ankommt, das innere Bauprinzip von ,Wirklichkeit', folgt im Satz erst. noch nach und wird für seine Klärung begrifflich in die beiden Perspektiven ,Wie etwas ist' und ,Wie etwas entsteht' auseinandergelegt. Beidc Blickwinkel gehören jedoch immer - gerade wegen der Klammerfunktion des oiJoLa-Konzeptes - untrennbar zusammen, ihre argumentative Trennung bei AristoteIes und auch in der vorliegenden Studie verfolgt den Zweck, die in Frage stehenden Aspekte anschaulich zu trennen, die innere Struktur beschreibbar zu machen, um schließlich die damit zusammenhängenden Probleme differenziert untersuchen zu können. Bevor dem nun nähe.r nachgegangen wird, sei noch in groben Zügen die Problematik des olJOla-KonzepLS vor allem in der Metaph'pik. an hand des Forschungsstandes zum Thema grob zusammengefaßt. Die doppelte Ausrichfung des Konzeptes auf das konkrete Sosein einerseitS und auf die Bestimmung als Zugrundcliegendem, von dem etwas ausgesagt werden kann, lädt das Konzept mit der Spannung auf, die sowohl seine letztliche Unbestimmthe.it wie sein theoretisches Potential ausmachen. C. Rapp formulicn dies folgendermaßen: ..Auf der einen Seite verweist der Aspekt der selbständigen Existenz. sowie das Kriterium, Subjekt (bypokeimenon) für aUes andere, aber nicht selbst in einem Subjekt zu sein, in die Richtung der konkreten Einzeldinge (und damit in die Richtung der Cat.-Thcor:ie), :auf der ::lnderen Scitc ist für Aristotcle.s in KlO AristOldes, Ml'taphJSlk, a.a.O.• VIII. S. 87. 101 ArlslOt(.I~. M~tllpJJ),tik, ......0 .. IX. s. 101.
Dritll'f Teil: Die Ordnung der WjrkJichkc.;t
408
der Mf!l{lphysik klar, daß die vergänglichen Einzclsubst'wzco ihr So-und-sobestimmt-sein sowie ihre Erkennbarkcit dem formalen und überindi\'iducl~ Icn Aspekt an ihnen (...) verdanken und deshalb nicht selbst als SeillS- und Erklärungsgrund alles Seienden (...) angesehen werden könncn"!O"Z.
Eben diesen Zusammenhang immer wieder neu zu klären und zu differenzieren, diese - letztlich unaufgclöslc - Problemstellung bestimmt den aristotelischen Gedankengang in der Metaphys,-k und hat als Ergebnis ein offenes Konzept der ,Wesenbestimmung", das gestattet, theoretisch-omologische Klammer zu sein für die Welt der Wirklichkeit und deren Er· kcnnbarkcit schlechthin. Die Forschungsliteratur ist dementsprechend uneins, wo die entscheidenden Spez.ifizierungen zu suchen und vor allem auch, wie diese zu gewichten sind. Eine Position hat - ich folge der Dar· stellung C. Rapps, der seinem Forschungsüberblick auch entsprechende Literarurangaben:m die Seite stellt10J _ 7.U bedenken gegeben, daß die von Aristotcles selbst provozicnen "gegensätZlichen Anforderungen"lO-4 an das o\'olu·Konzcpt zu Zweifeln berechtigen, ob diese "überhaupt in einer kohärenten Theorie erfüllt werden können oder ob sie zusammen zu einem unauflösbaren Dilemma oder Widerspruch führen"2CS. Eine andere Position ist der Ansich~ daß AristoteIes in den Metaphysik-Büchern nicht Theoriebildung, sondern Aporien-Studium betrieben habe1G6 , eine Annahme, die - wird sie njcht als Hauptperspektive deklariert und damit überlastet - sicherlich nicht ganz unberechtigt ist. Unterstellt man jedoch zumindest in der Meraphysik eine weitgehend konsistente Theorie, ergeben sich bereits in dieser Hinsicht drei weitere Positionen: ,.,Die erste dieser Positionen ist dadurch charakterisiert, daß sie im Grunde an der Cat.Theorie, nämlich a.n einer Ontologie der konkreten Einzeldinge bei gleichzeitiger Hervorhebung des Artprädikat5 (der zweiten Substanz der Cat.), festhäh'"z07. Die zweite Position steht dem fast konträr gegenüber, sie kommt "der Auffassung Platons am nächsten U10S und ..negiert die Einzddingomologie der Cal. ganz (Umst., U.W.)"..!09, womit "die voUständiJe! !ll\
R.lpP... Einle-ilung" • .1.a.O.. S. 22. Vgl. Rapp... Einll;ilullg~..u.O.. S. 21. _ Sie-he dort .1uch dir J.ngcgebcnc Lil~'r;ltUr, die bi:. in die Mine der 90cr Jahre reicht. Ein~n Überblick über die cntsprl'Cht-ndcn PO:.itivnC'1I bis zum EnJe der 80er Jahre- bi('tr.t auch 11. SIl'infath in Stlbsliindigkdr und Einfach/mt.
a.a.O.
.. s. 21
~
lhpp, .. Einlcltung", "..1.
10
Ebd.
::Jh
:llII
Vgl. R.app... Einlcitun~". J..a.O.. . '22·23. Rapp. ~EillleilUng·. ;1.:1..0.. S. 13. Rapp, ~Einlcitung". :1..;1.0., S. H.
1.....
Ebd.
:'IV
9. AristOlcl\'s' Begriffe: Kon.niullionsbedingungen von Wirklichkeit
409
gc Realität dem eidos als dem untersten Allgcmeinen" 2lO zugesprochen wird...Eine drine Position schließlich hält - im Unterschied zur erstgenannten - daran fest, daß die unterschiedlichen Anforderungen an die Substanz von ein und demselben Kandidaten eingelöst werden können. Doch komme dafür überh.aupt kein Allgemeines - auch nicht das unterste Allgemeine - in Frage, sondern nur ein individuelles eidos"2II. Ganz offensichtlich spieJt also der Begriff des Er&><; in der Frage der inneren Struktur des o\'o(a- Konzeptes eine wesentliche Rolle. Er wird daher in der Sichtung des Bauprinzips der aristotelischen Ontologie, der Perspektive ,Wie erwas ist', im Mittelpunkt stehen müssen.
9.2 ÜA1j, ~1OQ
...• TC.llrr'1; bt 10 Il€V t.i.x; ÜhJlV. &xoO" aim) l&iv oir.< ton tböe Tl, ... lU ...... und von dieser als du eine die Materie. die an sich keinerlei 8esummtheil. hat ..,.. -' •• .
MJ.terie wird also als cin Aspekt desse.n bestimmt, was ,Wesenheit' istJIS Dicse ,Materie' bzw. den .StoW beschreibt Aristotcles nun als etwas, was Jlll
Ebd.
111
EW.
1Il l)ürin~ pl;ldil·rt
d;afur. d~n 'Icrminus ti),'l nichl m.il Malerie 7.1.1 übersene.n. sondern mit 'stOff'. weil damil dcssen grundslandi!;e Vcrhßlheit als l{c1atioru;~griff besser ausgedrückt SC':i (\gl. Diiring. A mtau/rl, a.a.O.• S. 31). 1lJ Arinottles. Obn dIr Sulr, a.:a.O.• S. 60. 11' ArlSlolcJo, Vfm drr Src-Ir {C'go,,!. L:I.O~ 5.185. m Als Tril der •WescnMtt' iSI sie jedoch Iffif1\C'r \-on all'terC'n Aspe:kten abh.mgig. Vgl. dnu: (10352J ..Wenn nun elOt:S M.ucrle 1$1. ein andeu3i Fonn. ein anderes deren Vereinigung, und W~n .so.....ohl die M,ucne is-I ...·iC' di,. Fonn und du ;JUS ~iden Zus:ammengCS(:t2.tC'. so kann in einer Hinsicht dit' Malm,. Teil von ttwU };t'n;tnnl ....erden. in <mderu nichl. sondern our da.slC'nittC'. wonus deT B~riff der An-Form bc:ste-hl" (AriSlOltlCS, MC1;Ip/ryIIk. :u.O.• VII. S. H).
410
Driuer Teil: Die OrdnWlg der Wirklichkeit
"an sich keinerlei Bcsrimmmcit hatu.m., Materie ist kein ,Dieses-Da', ist also das genaue Gegcnrcil von unserem heutigen dinglichen Verständnis. Sie ist nicht nur prinzipiell uncrkennbarl l7• es k:ann auch eine ük'1 von Dingen geben, die gar nicht sinnlich in Erscheinung treten 118 , eine Möglichkeit, die ihre Fundierung in der Feststellung des Aristolcles im 11. Kapitel des VII. Buches der Metaphysik erfährt, daß [1037.] .nämlich die Materie zum Teil eine wahrnehmbare, zum Teil eine denkbare (imelJigiblc) ist (Umst. , U.W.t 11 'l. In Abgrenzung von der demokrireischen Atome-Lehre beschreibt Arislotcles die Materie als "unbestimmtes Kontinuum
w
.u.O.. XII. S. 151). PKht. llrutOtt'ln' Dt' 4Imm... ",.",.0.• ,1.73.
t.."4
Ebd.
ill
Diese Unbntimmtheit hin Juf die könkrnen Dinge kommt Juch im Ilinwm de AnslO[eies zum \/onchein. daß aus "'ef$chll~denem SlOff durch;aus d;lSsdbc enUlc:hen bnn: (I OH;a! ~ Wo ",ber d;tS~db<- aus v('rschiedencm laff Mrvorgchen kJnn. da nUll! nt•• twendig
q, ArislOu..lcs· Begriffe: KonSlilulionsbediJll>un&cn \'on Wirkliehkl.'il
411
stote1es logisch auch darin aus, daß die Materie nicht durch Aussagen bestimmt werden kannp6 Im Kontext des immerwährenden Em:stehcns (YfvEOlC;) und Vergehens (q&Q{t) der Natur (""",0.<;) ist der Stoff (ü"n) dasjenige, aus dem etwas wird. u7 Die prinzipielle Vorhandenheit der ü).,Tt garantie~ daß überhaupt erwas da in, aus dem etwas entstehen kannll'~ sie ist damit die ontologische Bürgschaft von Wirklichkeit überhaupt. ln dieser Rolle ist sie schon von vornherein zur Veränderung bestimmt. [I 033a] ..denn das Werdende muß werden, indem sich dabei dasjenige, woraus es wird, verändert, aber nicht bleibt"219. Die HAll ist jedoch nicht nur Option des Werdens, sondern indirekt auch Garant von Individualität, [1036b/1037a] ..denn auch von manchem, was nicht sinnlich ist, kann es einen Stoff geben. und überhaupt findet sich ein Stoff bei allem, was nicht dir Kunsl und du bc"'egende Pnnzip dHscl~ sein; denn ...·.re .KIwohl der Stoff ~I, auch du Ikwrgende venchicden..so würde ö luch du duaus Gewordent' Kin· (Arislotda. Mrtapbysik, a.a.O.• VIII. S. 'B). .:.... Vgl. d:lzu: [I019:1J ~lch nenne aber Materie du, W;lS an sich weder als e.lW~S noch ;als Qw.ntilJ.livC'S, rwch durch irgendC'ine andere der Awugewei$Cn Mc:ichnt'1 wird, durch wekhe &u Seiende. bestimml iSI~ (AriJlOlell·s, Met.physik, :1.1,0., VIl, S. (1). - Dies wiederum h!ih W. Widand im R:\hm("n seines problematischen Interprel:clions:\nsuzu, der die I)rinzipien des Arisloldcs nur als $prachliche Re(Juions- und FunktionollhcgriffC' verSIeben ",·m, als Gallzes für ein n·ill('S .Sprnehproblcm'. In ber.ug auf die Kontilluiütuna· tysc der PhYJl4' merkt er :In, daß dicse .nach ukhts andcrcm als nach der Struktur des Vonersl..l IIdniuu" (Wiebnd, DJ~ p,rutotl'iuchr fI},yslk, a.a.O., S. 279) frage••d.u wir bei jedtr AUSS.1l;e ülKor n~lürliche Dini;e und ihre BewegungeIl schon milbringen" (ebd.). ll" Vgl. duo: (1015:cJ. :arur llKor ist eineDC'iu der C'tSle 510ff (••.)• .ulduel'$r.its die Form und die Wesenheit; di~ ist ;alKor der Z...·cck dn \X'C'rdcns. In übcnragenC'm Sinnl,' OWnl man nun ;auch u~rh:lupl jwes \l'~n No1lUr auf Grund \'on dieser. weil die N~tut ein Wesen ist· (ArislOtdes. Mrtaphyslk• ... .t.O., V, S. 191) - (10J2.:JJ .Du n..uürliche Wtrden nun iSI d.uiC'ni~c. lIVelch...s ..us dftr ..Iur hervorgehe dujenige......oraus etwas Wird. isr n.tch unst'rem Ausdruck dtr Stoff, d.u. wodurch es wird, in ClW.lS von Nolwr ~iendes. dujenige, W:l$ U wird, iSl Mensch. PfLanzt" odC'r sonst e:twu "on dl,'m, Wa$ wir im 5lreng~ Slcn Sinne als WeSt'n bezeichnen. Alles Aber, was wird. sei es durch N'llur. ~i es durch Kunsl, hJt duen 510((; denn cin je~les Wudende h31 die M0l>liehk.. . it sowohl zu sein als am'h nicht zu sl,'in, und d.1s iSI in eincm jcden der 510((" (Ariswt!'les, Mell1.pll)'sik. u.O., VII.. S. 27). m Vgl. dazu: 11032b/IOJ3~] .. Es iSI .1150. wie m:ln gewöhnlich Ub'1. unmOglieh, J ..ß C1WAS wade. wtnn nicht schon elW:lS vorher vorhanden W'1r. D1ß also cin Teil norwendig vorh:ll1den sein mull. iSl erkennb:cr, denn der Stoff isl ein Teil, er ist in dem Werdendl,'n vorhlnden und t'T wird. Aber .luch "on dem Im Bl.'griff I:nth.1he.nen muß et......u ~·Of'hervor· funden sein. So ~ebl.'n ..,ir bei den t'hemen Kreisl,'n .tuf bdde Wtl~ :lll. wu sie ,iod. SQwohl indem ....ir den loff bezcichmn. daß es Erz ist. als .auch dIe Form. d.lß ~ OJll,' solche Figur is-I. und wa ISI die erste Gattung. in wdcher 1,'$ I>tUttl ",,·ird. l)l,'r eherne Kreis mlhall also in $einem Bq;riffe den Stoff" (Ansroldes, Mttapb."!lk. o1.a.O.. I, S. 31). 1..,
A.rislolrlt's. Mtt~phyu!·. 3 ..1.0.• VlI, 5. 31.
Oriltcr Teil: 0;(' Ordnung da Wirklichkeit
412
ein Sosein und eine Art-Form an sich, sondern cin individuelles Etwas •
Ist
Wl)O
.
Ursächlich für Individualität ist sie jedoch nur in einer ganz bestimmten Weise, eine Differenz.icrung. die deutlich wird, wenn man danach fragt, wie eigentlich aus der Bewegung des Kontinuums heraus das ,Etwas' zunächst als schJichte ontologische Entität verstanden - emsteht. ArislOteles konstruiert dafür einen doppelten begrifflichen ,Konterpart' zur iiAll. ein Unternehmen, das auf den zweiten Blick doch eher noch als ein äußerst differenziertes und vielfach verwobenes Dreiecksverhältnis verstanden werden muß. Er sagt: Die Materie muß sich in Gestalt und Form verwirklichen.lil Arislotclcs fahrt für diese Bestimmung in der De anima· Passage fort: , " •.•• t:UlXlV ~
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..... OIls das z.weite die Gest':l.h und Form. auf Grund derer erwas ein Bestimm· [es
hCI'ß t, ... "nJ .
Aus der Materie wird also in der Gesuh erSt ein konkret Wahrnehmbares und damit ein als solches au h Benennbares. Dies meint der Begriff ~IOQ't l'tWol~ Unbe$tirnmlC'S" (ArislOldes. All"laph)'fik. ol,ol,O., IX, $. llJ). : j l C. v. Borm,mll. W. Fn.nzcn, A. Kr.tpirc und L. Oellls·Hauhoff wdscn d.,;l.roluf hin, daß AristotelC') dols BC"griffspa.:ar toff. Form' in dlC' PhilosQphi(' eingduhn holt (\ gl. Bormann, v. u.a...: .. Form und M:llcrit" ( loH)"', In: Rllt«, NmotUchef WON"blfch• .1..1.0.. S. 977· IOJO rBd.l]. hier: S. 978). - Zum Ve-rhlltnis \'on ji).'l und. dl'lQc. '"J:,1. oluch Vit"n-d,/Rr Be· gnff J" ubsunz. 1.ol.0.. S. ·410~.f17, lU Arijl&)td~ Ubtr d,e Su/t", il.2.0., S. foO. Ut Ari:sl0U:Jes. Von J" ~/C' tGlgon!. :u.O.. 5.285. n< Dlcscs U.ol.. \'00 AnnotrJu des holufigeor('n "erwendtt(' 8elspld bcKhrC'lbl dolj Problem .luch dcs....t't;tll tr('ffrnd. ""eil ji).llll('bcll Kinn Ikdc:utung .Molltn(" b~ ... .stoff' in C'nile-f Bt"df."utunt; .luch,w.lld'.•Holz.', ,Gbtr.luch', ,Ra ig', ;1 sO~olr .gt'tiIho Holz', ,Rohm;l,l(,. rial .In Holz', ,ßluholz-' bt'7.eokhntn kann. 2),)
9. Arisl0te!cS'
B~grj(f(':
KonslilutiOltslx-dingungcn von Wirklichkeit
413
sehen Zusammenhang, in dem die Begriffe immer wieder genannt werden, und zwar in dem des Aussagecharakters der OitOlU. Die Frage nach der Gestalt eines Dinges öffnet den Weg zur Frage nach seiner Bezeichnung, bei der GestaJt nach der Bezeichnung als Bezeichnung des sinnJjch Wahrnehmbaren. A.ristoreles gebraucht in diesem Zusammenhang aber bewußt zwei verschiedene Wöner: Gestalt und Form. Außer der konkrer wahrnehmbaren Gestalt als Bezeichnungsindex des Seienden selbst gibt es noch einen zweiten Aspekt, der sich im sinnlich Wahrnehmbaren integriert verwirklicht: das d~. Das elöor; ist nebe.n der EvteAb,(tlO der vielleicht schillerndste Begriff der aristotelischen Ontologie überhaupt. Eine einfache Übersetzu.ng scheint kaum möglich. Olme die Spezifikationen des AriStote1es reichen die Übcrsetzungsmöglichkeite.n des griechischen Wortes vom Begriffsspekrrum der ~oQ<'l1i (,Äußeres', ,Aussehen', ,Gestalt', ,Form') über ,Urbild', ,Idee', ,Begriff' bis hin zu ,Art einer Gattung' oder ,Art eines Verfahrens', ,Beschaffenheit' und ,Gattung' überhaupt. ,ArtForm' bis hin zu ,innerer Form' i.od die dem aristotelischen Konzept wohl am meisten emgegenkommenden Übersetzungs möglichkeiten. Sie induzieren, daß hier das innere Strukturprinzip der oiJotu schlechthin angesproc,hen ist. Um die etwas schwierige Unterscheidung des AnstOteies zwischen GeSlalt und Form, zwischen 110QCPil und fI~, zu erläutern, sei zunächst die Nacherzihlung eines aristotelischen Beispiels aus der Metaphysik refenen. G. Picht läßt in dieser die Strukturen des Prozesses des Hervorbringens besonders deutlich hervortreten: .Ein Schm.i~ macht einen Reif :lIUS Eu; das En. ist an diesem SeifiIden das Moment der Materie. Das l!l6o<; ist die mathematische Figur des Kreises. Bevor der Schmied an die Arbeit geht, hat er Beides getTennt vor Augen: auf der einen Seite das En., auf der anderen Seite die mathematische Figur. Er (ormt das Erz so, daß in ihm die Gcsuh der mathem:aischen Figur zur Erscheinung kommt-lU.
Die ÜAll wird also so geformt, daß in ihr die J.lOQ
Picht. Atutoult's'/R 4mnt#. .1..LO.• S.l75. - rieb, merkt illustriert.nd ~n. daß. würde m~n c:me:n M.them.1liker zur Differenz von,~ und tlc')o; brfragc:n, dieser d
mntn
(5. 17'). n. Picht. AmIDttlt'J' ~ amma• .u .O.• S. 275.
Driner Teil: Die OrdlJung der Wirklich keil
414
ginalisicrtcll Unterscheidung zwischen ~lOQCPi} und ftÖO;; ist eine Differenzierung gekennzeichnet, d.ie nicht nur den Kern aristotelischen Denkcns rriffl, sondern die bei der Analyse der Humboldtschen Sprachtheorie eine zentrale Rolle spielen wird~ Ein Blick in die aristotelische Argumentation selbst bestätigt den von Picht projektierten Imcrprctationsansatz. AEyw bt T~V jd:v U),11V ata" TO" XaAxÖV. T1IVöE (lOQ
a.o&.O.. VII. S. 819. ll' V&I. ViertrI, Der al.griff Jt-rSHlmanz. ;u.O.• S. 2H.- Meinh,udl. 1-1.; .. Idl.'(,~_ In: Rim·r. "'moruch~~ \ViirurbHc}" ;u.O., S. 56·I.H (Bd. 4). hirr: S. 58-59. m [lieh,. Amrotr/es' De anmUl. 0&.0&.0.• S. 279. - Auf Jen Zuu.Il1lllcnho&ng Jcr - im pl.:uoni· schell Sinnc - nichllr:lIlSl.t"nJenu~., GNmlstruktur dt'S .ariSlmdhchen dho; mit d~r Frage d!.'r Bildung dt3' in cl!.'n Kt'grifrcn !.'rko&nntcn AlIgcmein/.'n wt'isell C. v. Borm..rno, W. Fran· uno A. KnpiK und I.. Ol'ing-I-I:mh(lf( run (vgl. 80rmann U.3.... Form und M:uenc", ;I..a,.O., S. 979).
:.a W. Theilcr deulrt in sanem AnstC:lIc1cs-Kommenur dic Lcitpuugc :lW D,. amma wcscntlich .luch .mf dtm ptuomschcn Hin~rgrund und rckomlruiert dit P.lin.Ilc1cn inn!.':rh.lilb des arisloltlischcn ~'crlr.t$: .2·4.-4f. (;1.6) .Au.m.g~atlung· (yivol;). ICucgonc. "gl. -402a 2.3•• W~hc-il' im inne der enlell Kalegom gibt ~.w unbeStimmle. ungdornlle Mn/.'dic MoglichhclI hat, gdonnl z.u wcrol.'n; sie in .115 JOkhc dem unbdummlC"n Unrie. I.'ndlichcn d~ spinen Pb.lO \!.'fW.lndt (Phill.'b. 2Sdf.). dcr unb
wr
9. AristOleles' Begriffe: Konstilutionsbc:dingungen
VOll
Wirklichk('il
415
AristoteIes illustriert seine Vorstellung plastisch in dem von Picht referierten Beispiel: [IOJ3b] "Es ist also offenbar. daß die Form, oder wie man sonst die GeStaltung am sinnlich Wahrnehmbaren nennen soll, nicht wird. und daß es keine Entstehung derselben gibt, und daß ebensowcrtig das Sosein entsteht; denn d.ies. die Form. ist vielmehr dasjenige, was in einem anderen wird, durch Kunst oder durch Natur oder durch das Vermögen des Hervorbringens. WohJ aber macbt der Werktiitige. daß die eherne Kugel ist, cr macht sie nämlich aus Erz und Kuge!; denn in dies Einz.elne bringt er die Form hinein, und das daraus Hervorgehende ist eherne Kugel. Sollte es aber für das Kugel-sein überhaupt eine Entstehung geben. so müßte etwas aus etwas werden; denn :1.11es, was entsteht, muß teilbar seui. und es muH das eine dies. das andere das sein. ich meine das eine StoH, das Andere Form"w.
Das tlöoc; kennzeichnet sich hier als ungeworden und somit als innewohnendes Stru,krurprinz.ip·H1:; wäre es gegenständlich und aus sich selbst in der Zeit, würde es die Merkma.le des Lebendigen bereits von sich aus ausfüllen und gleichsam mit ihm zusammenfaIlen. Streng genommen ist dies jedoch nicht Aristoteles' Vorstellung, CI' bestimmt das erbos vielmehr als das. was erst in der M:lteric virulent, d.h. scrukturbildend tätig ist, und damit überhaupt dann erst ist, ohne allein schon Werden zu sein. Damit dieses Werden geschieht, sind ÜJ...ll und dboC; als solche dem Konkreten immer schon vorgängig, für jedes Werden [I034b] I'tmuß nämlich der Stoff und die Form immer schon vorhanden sein (Umsl., U.W.)"lH. «t(\K(flo; /)v6~), wie er nach Mel. XIV 1091 JS SJiltc. di.: durch die.' Gren7,.~, Ju 1I1:(l(t;, oder dit" Eins, ih' (Sigle für die Form), geformt werden muß. Wesenheit ist 'l.weiH'ns eben die Form. dnuen5 Ju aus bridem Zusammcngcsc(zu' (die I'CXlI.nll((Ji ytyfVVl\l-lfVfloiKIja von rl~lo Phileb. 27b). Die Oreiergrupp.: :tuch ~I~:l I~; Mel. XII 1070a 9; VII 1029:.2.29; VIII to·n.. 26ff.. d" ühc.r "'bu~ne olls nur der Möglichkeil nach (i:luv(tltn) bcslrhend; $0 z..n. ;luch IX IOSOJ 15: die M31Cril' der Möglichkcitll;loch. W3S zur Fomll;d3llgcn kann; wenn sie Aber vtrwirklicht iSI (ÖHlV ot ~ E\'r!.,.tyril,( M, dann in si" in (Ier Form. Auch JUS sokhen Sidlen geht hervor, daß für Ar. Materie ein anderer Name für das Unbestimmtc, Unerfülhc und SI) Unwirklidu' oXIer Un\\'irkende ist, du auf Erfüllung (htü.l:
om
416
Driuer Teil: Dit, Ordnung der Wirklichkeil
Es fällt auf, daß gerade das EtöoC; zur Sicherung seiner systematischen Qualität wie kaum ein anderer Begriff der aristotelischen Ontologie in einen komplexen Begründungszusammenhang verflochten wird. Arislotcles kennzeichnet dies, wenn er den Bez.ug des Elöo~ auf die Ü).11 nur im Kontext weiterer Bcgrifflichkeit überhaupt adäquat umschreiben kann: Won~ tO Cll:HOv ttltElTClL ,ije; lJATJt; (tomo ö' EOIL lO EI60c;) ~ Tl Eonv' tOUtO l)l 1'1 OlJota [104lb] ..Man sucht also die Ursache für den Stoff, diese ist die .Form~ durch welche er etwas Bestimmtcs ist, und das ist das Wesen"lH. Dadurch, daß die Ursache für die Spezifikation des Stoffes also die Form ist, entsteht dann in der Möglichkeit, etwas Bestimmtes (und gerade nicht etwas anderes) zu sein, etwas Spezifisches als Spezifisches. womit das jeweilige Wesen als solches und doch in seinem Zusammenhang mit dem allgemeinen gekennzeichnet ist. Die .Wesenheit' ist damit der GnlOdcharaktcr des jeweils Seienden und erwächst aus dem €roo~. Aristotclcs versucht eine Definirion: döo~ öe Atyw Ta tl nv Fr V((l, Ex6.OTou xal Til" J'tQllrt:fJv O\JOluv. [1032b] nForm nenne icb das Sosein eines jeden Dinges und sein erstes Wesen"'145. Die daraus resultierende verbundene ontologische .Rangordnung' bestimmt die QU:1ljfizierung des elöoc.; vor der \jA)l. denn man [1029aJ "dürfte (... ) der Ansicht sein. daß die Form und das aus beiden (Zusammengesetzte) mehr Wesen in als die Mareric"]+6. Man muß sich $lets des Kontextes eines solchen systematischen Geschehens erinnern: Alle Aspekte der Oi'OlO fi.nden ihren gegenseitigen Wert nur im Zusammenhang der
a.::I.O., VI I, S. 76177. ~'S Aristoldes, M~taphYlik, a.a,O., VII, S, 26/27. :" ArislOides. MNllphynlt, .La.O., Vll, $, 11. 16] Arisloldes. M~lapIIYJik. a.J..O.• V. S. 190/191.
'J. Aristotdt's' Begriffe: Konslitutionsbt:dinl:ungen \'On Wirklichkeit
417
beim Menschen: welches ist die nofOiche Ursache? Etwa die Menstruation. Welches die bewegende? Etwa der Same. Welches die formbestimmende? Das Sosein. Welches das Weswegen? Der Zweck'-m,
[rirr die formbestimmende Ursache in der Metaphysik trotz des Rückgriffes auf dieses Modell mehr und mehr in den Vordergrund, wird das So· sein als ErÖO~ bestimmt und damit als das, was in einem anderen wird, ohne von ihm losgelöst zu scinp9 Sie ist damit das prinzipiell Konstante und gleichermaßen Ungewordene2~O, das, was sich verwirklicht, nicht das, was veränden wird,151 So sind die Kategorien der ÜAll und der ~lOQ
DrincrTcil: Die Ordnung der Wirklichkeil
418
Allgemeine Z55 als begriffliches Sein des Einzelnen nb und damit in bestimmender Weise auf einen Ol!OLo-ßegriff, der sich Ictzdich nicht nur als seine eigene innewohnende Struktur verstehtlS1, sondern der gerade wegen des TO Elöo; TO Ev6v auch die Konstitution des Konkreten im Auge hat: ~ QUalCl y<'tQ fon Tc) ElIX>~ Ta E\'OV, 00 xai Ti!; übte; il 0\1\,0)..0; )JyEl
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Ho.
bt:summtes EI"'''U ISt). In mdcrcm SInne der Begriff und dlt' Gesult. weicht' 21s ttn IOdividudl ooummtts EtW':lls dem 8cgriff n.ach ~btrt'llnb.Jr iSL Ein Driues ist chs :lUS beidcn Ht.rvo~('hC'nde. bei \Iem :llIt'ln Fnmehen und Vergdu:n sUl1findt'1 und welches $Chl«hthin ,dbstindig ~blfC'nnb;ar ",; uC'nn \'on den begrirniehcn Wt'SCn sind ('ini~e R'lbsUorkli~ :lbtrennb;ar. lndere nichl" (ArilI0IdC'l. MetdphYlIk. J.J. ., VIII. .81). Vgl. Jnu: IIOJ5b/IOJ6:J] .[)o(h dir Trilr des Bq:ritrC'S sind nur dir TC'ile drr An+Foml. der Bq;riff JOO geht aul du A1lgcOlcine: deon KrCl$-sein und .... rc~ii:. S<:de-scrn und ~tt" ist d,mdbc" (Arii:lOh·.lCS. Mn.,phyllk. u.O.. VlI, S. -47). Für W. Vimd ergeben sich ~wn .. philosophisch rdev:antt' ljedculUngrn \'on (io..~ Ixl AristOleles: I. An. weicht' Immcr clne unu:ut(' Are Ist und \lch \'on der GJtlUlIl; unter· ~chri(lcl. Dies ist der bei weitem dt'r häufigsu Gebf:JuI.h \'on d,')()c.. 2. Das bt'gnHliche Selll des EinzC'Llrn. d,h. d.lS scinsbestimrnendc Sein des !:in2.dnt'n, I)iese BedC'utun~ kaM z.weif.\I:h aklocnluicrt .....erden. a) der ddinicrendc Begriff: in dil'scm Sinne wird d.u; I: ,),tC:; ).6yo; gcn~nnt, und b) der bcsummende Begriff im Gegens:m zum l:!t'sdmmlC'll. der il ).ll: in dil:$t'm Sinne wird dJ) etoX": IW(KI ~ genannt und da ii),11 elllgq;engesrlzl- (Vitnd. D" S"bslanz btl ArütoultJ. a.~.O.. S. 183). It1l1 Viend z...;ar durchJW möglichr ßcdcuwngssch.Huerungt'n h('rJus. so sind doch weder dir qu~ntit1liven noch diC' qu~lil1.li\·en GC'wichtungm g,lnl. unrroblt'm~lisch.Vor :l1lcm die.' Gleich.st'tzung In zb isr nur d;ann ~u IrC'ffl:'nd. diHeren2.;rn ITIU1 du aulkrC' Gesuh· und du mncre Sirukturmomenl. das dIe 140lltfft bzw. du
rll"llx. konstitUIert.
1M Vgl duu: (IOJ5b] .unlC'f Art-hmn vm;tthc ich du SdsC'in" (Anstoldcs. Met,lphysIR.
,u.O.. VU, S. 41). :if
~
ArtSlOldes, ,Ut't.aph)'1Jr. ~~.O .. VII, . ;']-55. AristOtelb, Von J" St't'k /ergon), ;a..l.0... 185.
9. Aristotdes'
B~griff~:
4 t9
Konslitutionsbedingungen von Wirklichkeit
zunächst äußerst schematische K.onstruktioo schJießt die vorbandene Lücke. Aristoteles kennzeichnet es in De anima einfach als tO EX lOUtW\', als Zusammengesetztes. Dies ist das Ding als solches. Die Metaphysik variiert das Konstrukt in unterschiedlichen Thematisierungsmodifikationen: [1029a] tOlOmov öt T(k'mov Id"v Tl"O ~ ü),.Tl A.tY6'Hll. aUoy Xe tQ6110V ~ j.lOQqnl, lQttOY öt. lC> Ex lomwv. {I029aj ..Als Zugrundeliegendes (Substrat) nun wird in gewisser Weise die Materie bezeichnet, in anderer Weise die Gestalt und drittens das aus beiden (Zusammengeset-z.te)"l60.
Das Zusammengesetzte iSt damit das Konkrete, das in seiner Ganzheit als Einheit begriffen wird. Interessanrerweisc ist das eigentliche ,Ding' bei AristoteIes damit zunächst vor allem durch einen strukturellen Symhcsebegriff charakterisiert. Dies ist jedoch - wie man aufgrund der Einf'3.chheil des Musters vielleicht annehmen möchte - kein schneller Ausweg des Aristoteies, um d.ie ontologische Analyse zügig im Konkreten kulminieren zu lassen, vielmehr kennzeichnet es ein Grundverständnis von Welt, die Gesamtheit der .Wirklichkeit' als prinzipiell Zusammengesetztes zu begreifen, das als Wirklichkeit trotzdem und gerade auch immer begriffliche Einheit sein muß.261 Die Einheit des Zusammengesetzten firmiert als Konsequenz und Voraussetzung aller Aktua.lität des Wirklichen letztlich in dem, was heQYElCt im Kero bedeutet. Immer aber ist das Konkrete nur Hinweis auf das Wesen der Dinge, denn [1036a] ..Von dem konkreten (zusammengesetzten) Ga.nzen aber, z. B. von diesem bestimmten einzelnen Kreis, sei es ein sinnlicher oder ein gedachler, intelligibler (ich verstehe unter den gedachten z. B. die mathematischen, unter den sinnlichen z. B. die ehernen und die hölzernen). von diesen gibt es keinen Begriff, sondern sie werden nur im Akt der vernunftmäßigen Erfassung oder der sinnlichen Wahrnehmung erkannt"'161. 11>0 Aristotelcs, M~laphY$iJ.:, "'.3.0., VII, S. 8/9. - An ditstr Fonnulierung läßt sich ablesen. wie sehwierig schließlich doc.h .der Un\ersd'tied ~wi5Chen Sein und Wesen" bestimmbar ist bl.w. wIe fließend die begrifilichell Übergänge bei dicscr konniwuvell Dirferellz.icrullg, die AriS!CJH,'lcs n;u:h J. Moruu in De SQph. El('lIeh. 5 167;a] n(ICh .oHenb;tr eindeutig be· timmiM (Moruu, J.: .Scin und \'(Ieseo in der Philosophie des ArislOtelcs.{1955 In: 1-1,.ger n·lug.l: MctllphYJlk ulld rh~logl~. u,O., S. 222·250, hier. S. 222), letztlich bltibc-n mÜHen. AristOleles dazu im Organoll: ~.E.s ist nkltt dasselbt, dies oder das zu ~eio (th'Ul n' n) und im J.bsoluten Sinne ~u sdn rt''\'il ll1tAtito; .em~ Jimplirirtr)'- (ebd.). - Eioe llUsführliche Unlc-rsuchung der Problem;ttik bielel R. Br;mdners Dissenalionsschrift D,t B('$llInmung dd Sems alt WI.'$t'Il. ;I.J.O., von 198ft. 1'101 Vg,J. duu: H038 b) .. Oenn di... Dinge. deren We)Cn eines und deren $osein ein~ ist, sind selbst Eines" (Aristoleles, Mt'/i1plt)'Sik, a.:I..O., VII. S. 61). ~ Arisl{)[des. "'etilpltyslk, :1..;1..0.• V1J~ s. 47.
r.
420
Dritter Tt'il: Die Ordnung der WirkJichkcil
Das €L~ ist das. was das Wesen schlechterdings als solches ausmacht. Es garanriert, daß die ouoto. nicht nur Aufsummierung der Teile des Konkreten ist. sondern eben ein Ganzes repräsemiert, das konstant auf seine innere Struktur rekurricn Z6J , und so heigl es zum Ende d.es VIl. Buches der Metaphysik: [I04Ib] .,Dasjenige, was so zusammengesetzt ist, daß das Ganze eines ist, nicht wie ein Haufen. sondern wie die Silbe, ist nicht nur seine Elemente. (...) Also ist die SiJbe etwas außer diesen, niclu bloß nämlich die Sprachclcmcmc, Vokale und Konsonanten, sondern auch noch etwas anderes, und das Fleisch ist nicht nur Feuer und Erde oder Warmes und Kaltes, sondern auch etwas andcrcs"lM. An diese Definitionsarbeit
kann Aristoteles im VIII. Buch16~ und die ganze Metaphysik hindurch anknüpfen. Auch seine Pr'.ifcrenz. der Differenz, die im Strukturvorschlag TCl EX lOUltoV plastisch zum Ausdruck kommt, bleibt letztlich immer auf das Eine hin ausgerichtet. l66 Welln man jedoch - wie ich gezeigt habe - die zusammenbindende Funktion der ouola keinesfalls als reinen Sammelbegriff mißverstehen wiH, ja diese in ihrer autonomen Selbstbezüglichkcir vielmehr die Einheit der ansonsten different einander zugeordneten Begriffe auf einer anderen Ebene verdeudicht: [1040b] .. Denn das Wesen kommt keinem anderen zu als ihm selbst und dem, welches das Wesen hat, dessen Wesen es i St 7, dann zielt dieses Verständnis immer gleich auch auf das Sosein, auf das TO tl ~v ElVQL ab: "cyw (S' ouo(tv ÖVElJ üt..lll; tC) Tl ~v a:lvm. [I032b] .,Wesen ohne Stoff aber nenne ich das Sosein"!6s. Der 1,,1 G. PI.:!U erkl\irl dl'n norlllichl. Amtrlldt'J' Dr am",a, .1..... 0., S. -13). - Vgl. auch dcrs.. Aru'otde~' De anWI,'. il.a.O.• S. 176. ,.. AnsuJle!es, M('(aphysik, u.O,. VII. S. ]7, :u VJ:1. dazu: LIO
9. Aristotc!('s' ßegrifft:: Knnstitutio'15hcdlngungen \·on Wirküchkeit
421
nv
aristotelische TO Ti. Elvm-Begriff, der in seiner vollstiindigcn Version TC> Tl 'lv tO t~ h«r.O"tC/l EI V(U. lautet, stellt damit die die OUolQ bereits spezifizierende Frage: .. Was war das für jedes Einzelding wesensmäßige Sein ?"U9 und ..ertaßt das Seiende in dem, was es als Dieses und kein Anderes konstitui crt l
EI YOI bei AriSlOIdts in dt:r M~taphJlIk Icul1ich mit der oOO(u l.usammenfil1L Dies Gill je· doch unlerder Maßg;lhe einer wichtigen Spez.ifizierung: .l)u tl l1V (h~Jj ist du begrifJ1l. che (I-I(':rv.. U..tX~) Scin d(':r ow{a und als solches du Oi:'finicns" (S. 184). Viertel W(!ISt je· do.=h danu{ hin, d1ß das TI ~v rivm VOn der TopIk bis hin oluf die Mttaphyslk eine YiclKhichoge Ernwick.lung crf.lhrcll Im und d;l.ß dt:r Bq;:riH bei Arislotcles mindt'Sl
;1"1 tA lW rmt1tlP d\'01 von H. Seid! In: .Einleitung", 1.;1..0.•
S. XXXI. VO flichl. Ariszou/t:s' JA "mnu. u.O., 5.180. m Vgl. Pteht. Am'otelt:,' Ck "nlm4. ,u..Q., S. 116.
422
DriuC'f Tril: Die Ordnung der Wirklichkt'it
• Wenn nun der Reif geschmiedel wird, Irin diese vorher schon präsente rei· oe Form (Et6oc;) im Laufe der Herstellung :lIlImähljch als Gestalt ÜtO(l
Um genau dieses Problem der Polanüt von Kontinuum und Struktur
besser zu erklären, als es ihm in dem bisherigen Struktunnodell möglich war, wähJt Arislotdes nun ein zweites Begriffspaar, das insofern als Wei· (erenrwicklung der ersten Perspektive ,Wie etwas ist' bezeichnet werden kann, als nun zu klären ist, wie das EtÖOS als Struktur das Wesen der Bewegung erkJären kann. Mit der bisherigen BegrirnichkC."it konnte die o.g. Polarität zwar beschrieben, nicht aber der Mechanismus produktiv aufgeschlüsselt und angemessen beschrieben werden, wie Wirklichkeit als WirkJichkeit zunächst von dem unterschieden werden kann, was sie nicht ist (was ihr demnach notwendig vorgängig in), damit sie schließlich als Wirklichkeit zur Erscheinung kommen, als hEgyElCt erkennbar werden kann. Dieses Polaritärsproblem des Kontinuums auf der einen und der Struktur auf der anderen Seite löst Aristotcles in ein ncutS Gegensanpaar auf, das dies zu leisten vermag: öm'(qu.~ und tvt()YELO. sollen erklären, ,Wie erwas en[Steht' - und zwar nicht als neues ont'Ologisches Moddl, sondern als zweite, konstitutive Perspektive dafür, daß das Problem der Wirklichkeit über die basalen Strukrurmomenre des Seienden hinaus adäquat besc.hrieben werden kann.
9.3 1iUVUI!L~, EvEQYELU, EvtEAEXEW: Wie etwas entsteht Wie Aristotcles die beiden Perspektiven ineinander verschränkt, zeigt der Überblick über die Leitpassage in REQ!. ~'J.r,(i)r;: ["12~]
bn
t\EyolLtv yt~ tv II TWV övnov ri}v oüola\', T(tUt~ 6i TO IiEv tix; lik'lV, Ö X(1{}' oirrol,Ltv oUx ~m~ T6ö1: H. EUQOV bE ~v xal döor;. xoO' ijv 1\611 )Jyttal t6bf. Tl. xal TQllOV, TO Lx TOUtWV. "Eotl b' '1 ~ ükll ÖVvo.~UC;. TO b' El~ EvtEMxEto., xCll lama ÖlXWl;. TO ~ tiJ; btl0tllt.lll. TO b'liw; 10 OEwQtiv.l7l
Der letzte San läßt sich in etwa folgendermaßen übe,rsencn: .Die Materie ist Möglichkeit, die Form aktuale Wirklichkeit und dies in doppelter m Ptehl, Anllouln' lk Q1Um_, .a.0.• 5.l79. m Aristou:ln, Obrr d,r Su/r, 0 .. S. 60.
9. Ari51otdcs' Bl'griffe:"; KonslilUticJßsbedingungen von Wirkli,hkcil
423
Weise, teils wie die Wissenschaft, teils wie das Forschen"V-4. Aristotcles nimmt also zunäcbst ejne Parallelstcllung ü),:'1lbuVQJ.u..t; und Elboy' tVfEAEXELCl vorY3 Der ü).n entspricht bei Aristoteles demnach die Zustandsbescbreibung der öUva~~, die gleichwohJ auch deren ontologischen Grundcharakter bestimmt. Die Materie ist unbestimnlle Möglichkeit, die erst noch verwirkljc.ht werden muß, das heißt, sie tritt von der reinen Möglichkeit hinüber in die Wirklichkeit, in die- tvtgyua. 1m V. Buch der Metaphysik schreibt AristoteIes, welche Grundverfassung das Vermögen als solches ke.nnzeichnet: ~ i!Ev oOv Ö).OOS CtQX11 i!ETClßoAfI, Ii X'V~EW, HyEm, /iUVClf'" Ev h4xr Ii ;;tEQOV, ~ OE ixp' hEQOu Ii 1i EtEQOV. [1019a] ... Einerseits also heißt Vermögen überhaupt das Prinzip der Veränderung oder Bewegung in einem anderen oder insofern es ein anderes ist, andererse.its das Prinzip der Veränderung von einem anderen her oder insofern es ein ande.res ist" l7h , Aristoteles erkJärr den auf den erSten Blick kaum er· kennbaren Unterschii..-d folgendermaßen: .. Denn wenn nach diesem Vermögen das Leidende etwas leidet, so sagen wir, es vermöge zu leiden und zwar bald, wenn es irgendeine (Herv., U.W.) beliebige Affektion, bald nur, wenn es eine (Herv., U,W.) zum Besseren hLnfü.hrende zu erleiden fähig ist"'l77. Daß die ÖttvatlU; jedoch überhaupt prinzipieller Ursprung einer Veränderung (dex~ IAuaßoA.l1e;) sein kann, dafür sorgt realiter die Materie, didlAll. Die Metaphysik enthält eine Fülle von Hinwciseo darauf, wie verschränkt AristOteIes die beiden ontologischen Perspektiven stets gesehen hat: [1050a] ..Ferner ist der StOff dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach), weil er zur Form gelangen kann; sobald cr aber in Wirklichkeit ist, dann ist er in der Form"VII, oder auch [1034a] "Denn der Same bringt (et-
ii
V. Ari.notdcs, Von
d~r S~I!/~
{GIgon}.
:l.a.0~
S. 285. m Diese T;usa.:hc stellt ,luch der Telllkommentar \'on H. Seidl in den Mittelpunkt, wobei der Rückgriff auf die Karegone,,·Schrift dazu verleilet, sowohl die Oiffcrenzi(':runs des .Form'-Begriff$ ab 2uch des ,Wirklichkcü'-Be&riff, aus den Augen zu vcrlieren: _Ausgehend von der Einteilung der G:mungen in Cart.'gorue und Meraphysica nach SubsunzlWescn, Quancit:uivc.s. Qualit:uives, Relatives usw., benimmt AristoteIes die Seele ,11$ Subuanz. In den N.uurdingen I:iß, sich zwischen Materie und Wtscnsform, bzw. zwi· schen Mögliehkeit (potcnl.) und Akt. als Vollendung (Enteleehie), unlerschciden, die:" .lls Teilurs...ehcn den sub5t'2ntiellen Dingt wieder $ubst'2nliell sind. so d;lß SUbst2nz. nichl nur du z.usammengesetzte Natun:ling iSl. sondern auch seine MaU'ne und seine Form~ (AristOldcs, Obn- die Sede (J
424
Drincr Teil: Oie Ordnung der Wirklichkeit
was) in der \'Q'cise hervor wie (der Künstler) das Kunstwerk. Er hat nämlich die Form dem Vermögen nach in sich, und dasjenige. wovon der Same ausgeht, ist in gewisser Weise ein Glcichnamiges"l7'J. Dabei ist das Vermögen meist als Differcmcs, als in sich Unterschiedenes charakterisiertZ8C, und keinesfalls nur auf die Sphäre des Lebendigen bczogen. 181 Immer jedoch wird die Analyse der Möglichkeit einer bestimmten Sache vom Konkreten aufs Grundsätzliche zurückgeführt, so daß ,Vermögen' als Prinzip und nicht ausschließlich auf bestimmte Gegenstände gerichtet verstanden werden 5011. 2112 Vermögen ist vielmehr dadurch charakterisiert, daß erwas prinzipicU nicht unvermögend gewesen sein kann, wenn es in Wirklichkeit iSr. l83 Damit ist aber ebenfalls festgestellt, daß etwas nicht ausschließlich nur ,Vermögen' sein kann: [I047b] ,,\'V'enn aber, wie gesa~t, möglich etwas insofern ist, als ihm (die Wirklichkeit) (olgt, so kann es of· fenbar nicht wahr sein. wenn man sagt. das und d;ts sci zwar möglich. aber es werde nicht eintreten, da lluf diese Weise die Bedeutung von unmöglich uns ganz cntginge" Z8-t. l-I.ier liegt ein Grund dafür, daß Aristotelcs die Problematik von Möglichkeit und \Virklichkcit radikal von der aussagenlogisehen Perspektive des Wahren oder Falschen trennt; [I047bJ "Falsch nämlich und unmöglich ist keineswegs dasselbe; daß du jetZt stehest, ist zwar falsch, aber nicht unmäglich lOW'. Vermögen heißt vor allem, daß das, was ~ Ari~IOlc1cs.
Mrtilpbysik. ;I.a.O.• VII. S. 39.
~
Vgl. J;\z.u: [ICHObJ .Offenbar ist ,un dcm. W:15 für Wesen gilt. das mcim nur Verml;gen; so die Teile der Lebewesen (denn keiner 1I0n diesen existien gClrelUn, ulld wenn 5ie getrennI 5ind. dann sind 5ic alle nur \Vit' SU'lH) und Erde und I~t'uer und Lurt; (It'nn keiner \'on ihnen i51 ('me Einheit. ,bndern i5t nur wjl.' ein H:auren G('l(cidekömcr, ehe 5ie gekochl sind und Jm ihnen dns geworden ist (Ari5h)td~s. MetaphYSIk, .l.il.0.. VII, S. 71). Vgl. d;a7-u: (I0-46.11J046bl .DJ nun einigt' Prinzipiell dieser ,\rt sidl in dem Unht'scdtC'n finJen, andere:: in dem Beseelten und der Seele. \md in dem vemünftigen Teil der Seele. 50 müssen oHenbar auch 1I0n den Vermögcn einige unllernünftig sein, ,ln
lJ~
Ebd.
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9. Aristotclcs' ßcgriU(': Komaitutiollsbwingungcn von Wirklichkeit
425
vermögend ist, eben diese Möglichkeit in sich trägt, in Wirklichkeit zu sein, und daß diese \VirkJichkcit :.luch eimreten wird, wenn nicht Umstände bestehen oder eintreten.. die geeignet sind, dies zu verhindern: [10493] .Und bei allem, W;lS in dem Möglichen selbst das Prinzip des Emstehens hat, ist dasjenige etwas der Möglichkeit nach, was in Abwesenheit äußerer Hindernisse durch sich seIbst jenes sein wird" 2u . Es müssen zusätzlich bestimmte Grundvoraussetzungen erfüUt sein, die die störungsfreie EntwickJung fundieren, damit eine Möglichkeit derart entsteht, die Wirklichkeit werden kann, [I049a] ..z. B. der Same ist noch nicht der Möglichkeit nach ein Mensch; denn er muß erst noch in ein anderes kommen und sich verändern 14l81• Dieses Prinzip, daß das vermögend ist, was nicht gehindert ist, in Wirklichkeit zu sein, gilt auch für nicht lebende Entitäten. Aristotcles verneint eine Reduktion auf den Legitimatioosr.1um des Lebendigen und unterstreicht damit die unbedingte ontologische Gültigkeit des Prinzips: [1049a] ..In ähnlicher Weise ist auch etwas ein Haus der Möglichkeit nach, wenn in dem, was in ihm ist, und in dem Stoff kein Hindernis liegt, daß ein Haus werde, und nichts ist, was erst noch hinzukommen oder abgehen oder sich verändern muß; dies ist ein Haus der Möglichkeit nachi und ebenso verhält es sich bei allem, für welches das Prinzip des Encstchens außerhalb seiner liegt" l1l8 • Damit wird deutlich, so AristoteIes schließlich in Melapbysik Xl, daß die öwa~lL~ unter dem Bewegungsaspekt (xlV110l~) immer als QTEA';;, d.h. als ,unvollendet' zu gelten hat, und damit schon von ihrer Grundanlage her ausnahmslos auf ihre Verwirklichung hin ausgerichtet ist!89: ~ TE xtVll~
",tgyn" ~ ,{Val öoxJ.c; ni liuvorov ou EOTlV tvtgyElo. [I066a] .und die Bewegung scheint zwar eine 01<;
wirkliche Tätigkeit zu sein, aber eine unvollendete, darum weil das Mögliche unvollendet ist, dessen WLrklichkeit sie ist" 19O• Aristoteles unternimmt hier eine wichtige theoretische Argumentationserweiterung mit begriff(sgeschicht}Jichen Mjneln, indem er der von der griechischen naturphilosophischen Tradition kommenden Charakterisierung der Natur(-welt) als zusammengesetzter durch die Schematisierung von Möglichkeit und Wirklichkeit eine neue Argumentationsebene hinzusetzt. die eine VeraUgemeinbarkeit des bUVQ~l~-Motivs auf den bereilS in der Antike immer schärfer hervortretenden Gültigkeitszusam. . Arinotdts, Mrt4phyIJt. u.O.• IX. S. 111.
'" Ebd. lA Ebd. Diese Struktur findd: $i(:h bc-rtiu in Pbtons St_t (vgl. Pumböck, G.: .Dyn.amis". In: Ritttt. H,rtQf'uchrJ Wörtn1J1tch, u.O.. S, 303~3o.. [Bd. 2], hier. .303). 190 AristOldes. MrtilplJYJIIt. a.a.O.• XI. S. 217. ZlI'I
426
Dritt('r Teil; Oie Ordnung der Wirklich keil
menhang einer ItQ(iml cpLAOOO
mit6.Qxi1 ~Uaßoh~. Ursprung aller Verinrlerung.Z9-' Die ParaJldstelJung von ,Stoff' und ,Form' mit dem Begriffspaar von .Möglichkeit' und ,Wirklichkeit' bedeutet eine Rückwirkung auf das in ontologischer Hinsicht bis dato noch rudimentäre, toff'-,Form'-Muster, sie vollzieht erst deren vollen Charakter als zunächst interncs RcJacionsmodcll von ,StOff' und ,Form;. Damit übersteigt das Muster zugleich aber auch ~e1bst diese letzte Schranke interner Bezüglichkeit und weist über sich hinaus in ein System ontologischer Relationen: Etwas kann im Ver~ häl[[l,is zu einem anderen durchaus Form sein, in der Relation zu einem anderen wiederum Stoff, Ein Baum, der zunächst Stoff für ein Breu ist, kann als Brettform durchaus wieder als Stoff für ein Haus, für die Haus~ Fonn, funktional sein. In dieser funktionalen Perspektive sind ,Möglichkeit' und,Wirklich,keil' immer schon ineinander verschränkt, eine Struktur, die nicht nur für AristoteIes zentral ist, sondern - wie wir sehen werden - auch für Humholdt eine wichtige Rolle spielt, wenn es um die l'I
Daß Om.'(Qu; bei Aristolelu ;allerdings
S. H6). ~l Arinotclcs.
MrtdphJWt.
XIII. S. 287. !'ll Picht. Aristoulr,' Dc IIn",u, u .. O.• S. 291. "'" Zu da Fr'lote. wie A.nstOteks \'om kinwschen zum ontologischen bUvu,";·lkgriff g('~ langt. vg.l. Pbmböek...Drn~is", :a.a.O., S. JeH. La.
.,
'I. Ar;slOieles' Begriffe; KQnSlitutionsbcdingulll;cn \'00 Wirklichkeit
427
verschiedenen Schichmngt:n des Konzeptes geht, die Humboldt in seiner ,Wirklichkeit der Sprache' konstituiert sieht. Um nun unter dieser Maßgabe erneut dem prekären Begriff der tvtQ· yELU, der in der engeren aristotelischen Systematik Statt der EvuJ..txna der ö"va~w; als Komplementärbegriff gegenübersteht, systematisch näher zu kommen. ist zunächst zu klären, ob das aristotelische Wirklichkeitskonzept der EvEQYua mehr auf den Enrwic,kJungS'Vorgang oder den konkreten Zeitpunkt der Verwirklichung von .Wirklichkeit' rekurriert. Zu einer solchen Klärung kann der IvTEA€xua-Begriff hinleiten. Zunächst ein Blick in die Meeaphysik. Asistotc!cs stellt sich selbst die Aufgabe: [1048aJ ..Nachdem nun von dem in Beziehung auf Bewegung ausgesagten Ve.rmögen gehandelt (worden, V.W.) ist, wollen wir über die wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeit) bestimmen, was und wie beschaffen sie ist"'19). Sie muß also eindeutig von der Möglichkeit abgegrenzt wt:rden: [1048a] .Unter Wirklichkeit versteht man, daß die Sache existiere, nicht in dem Sinne, wie man sagt~ sie sei der Möglichkeit nach - denn der Möglichkeit nach sagen wir z. B., es sei im Holze eines Hermes und in der ganzen Linie ihre HäIf· te, weil sie von ihr genommen werden könnte"l'H>, Die genaue Bestimmung dessen, was lvlgyua ist, gelingt jedoch nur im relationen Zusammenhang. also wenn man sich fragt, was sie gerade von der ÖVva~w; umerscheidt:t. Hier steht Aristotcles vor einem größeren Problem, als es zunächst den Anschein hat. und er weiß auch, daß hier differenzierter Klärungsbedarf bcsteht [104SbJ .Da nun das Seiende einmal als ein Was oder cin Qualüatives oder ein Quantitatives, andererseits nach Vermögen (Möglichkeit) und Vollendung (Wirklichkeit) und nach dem Werk bezeichnet wird, so wollen wir auch über Vermögen und Vollendung genauere Bestimmungen geben"'!97. Genau dies ist die Aufgabe des lX~ Buches der Metaphysik. Hier ist zunächst einer wichtigen VoraussetZung des aristotelischen ouala-Konzepts zu erinnern, daß nämlich alles Werden von Materie und Form wie die gesamte Theorie von ,Möglichkeit' und ,Wirklichkeit' vor allem in einer Art transzendenten Erklärungsverzichts fundiert ist, den Aristotcles noch einmal am Ende des VIII. Buches gedanklich ausführt: [J045a] .. Dafür nun, daß das dem Vermägen n.acb Seiende du Wirklichkeit Dach ist. ist da, wo ein Werden suttfindet, nichts anderes als du Hervorbringende Ursache. Denn dafür, daß die Kugt! dem Vermögen nach Kugel in Wirklichkeit ist, gibt es keine andere Ursache, sondern dies war eben das 50m AriSIOtd«. Mtlaphytilt. ,1,,1,0,. IX. ,115, ~
Ebel.
1'01
An.sl0Ides,
M~Ulph,ult, a.:r..O.,
IX, S_ 101·103.
428
Driuc( Teil: Die Ordnung der \Virklkhkcit
.sein für cin jedes von beiden. Der Stoff aber ist u:i1s denkbar, lcils sinnlich wahrnehmbar, und immer ist im Begriff das eine: Stoff, das andere Wirklich-
keit, 7... B. der Kreis eine
.('~ne
Figur..··l't.
Für den Übergang von ,Möglichkeit' und ,Wirklichkeit' hOlt dies zur Folge, daß der Unterschied zwischen beiden keine getrennten ontologischen Wehen begründCl, die voneinander autonom und damit begrifflich eigenständig gcfaßt werden könmcn: {I045b] "Der Grund dieser Ansichten und Zweifel aber liegt darin, daß man (ür Vermögen und Wirklichkeit nach einem Einheit bringenden Begriff und einem Unterschied sucht. Es ist aber vielmehr, wie gesagt, der nächste Stoff und die Form dasselbe, nur das eine dem Yrrmägrn, d:\S anderr der WirkLichkeit n:leh. Also verhih es sich mit jener Frage grradeso, wie wenn m.an bei dem Einen selb t nach dem Grund fragen wolhe, weshalb es rines ist; denn ein jedes ist ein Eines, und das dem Vermögen nach Seiende ist mit dem in Wirklichkeit Seienden in gewisser Weise einerlei. Es gibt also weiter keine Ursaebe als die von dem Vermögen 1.ur Wirklichkeit bewegende. Was aber keinen Stoff bat, du ist schlecbthin das, w;as Eines ist"!Y9.
Das heißt jedoch gerade nicht, daß eine Ontologie des Werdens ohne die Differenz von Möglichkeit und Wirklichkeit auskommen kann. Aristoteles grenzt sich von solchen .Lehren' wiederum eindeutig ab: [1047aj ~Daber beben diese Lehren aueb Bewegung und Werden auf. Denn das Stehende wird immer stehen, das Sitl.ende immer sitzen; denn unmöglich könnte ja das aufsteben, wu nicht vermag aufzustehen. Ist es nun nicht zulissig dies zu behaupten. so sind offenbar Vermögen und wirkliche Titigkc-it vonein~der verschieden; jene Lehren .her machen Vermögen und wirkliche Tiligkeit zu einem und demsabm (HeN., U.W.) und suchen also etwas gar nicht KJe.ines aufzuheben-Ja).
Auf dem Himergrund eines erweiterten Verständnisses von Werden konsr:anen Aristote1es nun, daß bUva~w; und t"~ey(ta sich auf 311e Veränderungsprozesse generell beziehen, [104630] "denn das Vermögen und Wirklichkeil- erstrecken sich weiter als nur au.f das in Bewegung Befindliche'"J01. Gereichen konkrete Beispic.le aus der Realität dem AriSlotcles des häufigeren, bestimmte Meinungen abzulehnen bzw. Aporien aufzudecken, so dienen sie auch zur Versinnlichung und Begründung der eigenen TheorieentwickJung:
JOO
Ansloleles. AI~raph'f1Jt. a. .LO.• VIIl. S. 99. Ari:notdcs, M~laphJllk. u.O., VIII, S. 101. Am101d«, MrtiJphysJt, ......0 .. IX. S. 109.
SCI
Arisrotdc.s. Mrtaphyslk, 11-2..0.• IX. S. 103.
1'M
1'9
9. Ar;l'lOldc$'
Bl'grif(~
KOn$lilUl;ollsbedingungrn von Wirklkhkril
429
(I04Sall048bl ..Was wir meinen. wird beim Eill2.dnen durch Lnduktion deutlich werden, und man muß nicht für jedes ~i.ne Begriffsdefinition S'uchen, sondern auch du Analoge in einem Blick zusammenschauen. Wie sich nimlich d2s B2uende verhält zum B2ukünstler. so verhilI sich 2uch d2S Wachende zum Schlafenden. du Sehend~ zu dem. ""'25 die Augen verschJjeßt, aber doch den Gesichtssinn haI., das aus dem Stoff Ausgegliedene zum Stoff, du Bearbeitete zum Unhe:arheiteten. In diesem Gegensatz soll durch du erste Glied die Wirklichkeit, durch das andere du Mögliche beuichnet werden")Q!.
Dieser \'Qirklichkcit nun, die als tVEQYELC1 ganz offensichtlich vor aHem durch das Attribut des Akmalen gekennzeichnet ist, wird von AristoteIes cin besonderer - den ontologischen Rang in entscheidender Art und Weise quaJiriziercnder - systematischer Vorsprung vor der öi,,'«~u~ zugeschrieben.)OJ Er stellt fest, daß es [I049b] ..nach der oben gegebenen Bestimmung über die verschiedenen Bedeurungen von .Früher offenbar ist (UmSl., U.W.), daß die Wirkliehkeit früher iSl als das Vermögen (die Möglichkeit), ich meine hierbei nicht nur als das vorher benimmte Ve.rmögen~ welches als Prinzip bezeichnet wird der Veränderung in einem anderen, insofern es cin anderes ist, sondern überhaupt als jedes Prinzip der Bewe· gung oder Ruhc"304, Wie AriS[oteles dieses ,früher' und damil die ontologische Qualifizierung der evtQYEw vor der ö\1Va~llC; ve.rsteht, wird in dem prominenten achten Kapitel des IX. Buches ausführlich erläutert: [1049b) .. In Vergleich mit jedem solchen Vermögen ist die Wirklichkeit früher sowohl dem Begriff als auch dem Wesen nach; der Zeit nach ist sie gewisser· maßen früher. gewissermaßen 2uch nicht. Daß sie nun dem Begriff n2ch früher ist, i t offenbar. Denn du in vollem Sinne Vermögende heißt vermögend darum, weil es in wirkliche Tiligk~t treten k~nn; ich meine z. S.: baukundig ist das, W:l.S zu bauen vermag. sehf;ihig ist das, was zu sehen. sichtbar. wu gesehen 2U wuden vermag. Dassdbe gilt 2uch bei dem übrigen, so daß notwendig der Begriff und die Erkenntnis der Wirklichkeit dem Begriff und der Erkenntnis des Vermögens vOr.l.usgehen muß. Der Zeit nach früher aber ist es auf dic.se Weise: Das der An nach Identische ist früher in wirklicher Tätigkeit. 2bcr nicht du der Zahl nach Identische. lc:h meine dies so: Im VcrArislotcles. MttaphYJJt. :u.O.. IX. S. 117. - Vgl. duu ;auch Aristotdes' We;tcrführung da GC'd.lnltcl'ls Im XL Such: (I066.lJ "Denn ~IW~tT ist du~scs das Erbauen, die Wirklichkeit. oder d2$ erbaute H.lIus. Aber sobald das HaLü ist, Ist d~ E~ubue nlch, mt'hr; erb.lut aber ..';rd du Erb.lub.lre. Also muß du Erbauen dlt' Wirkli hkc::it .sein. das Erbauen alxr ist l"in(' Bc""q;ung. D~lbc gilt auch von den übrigrn Bewqungen" (AnSioldu. M("r..phyuk• .1..1..0.. XI, .215). ),j,l . Hutmann h,lI In dltRm ZUSolmmt':nlung wvon gesprochen, d.1ß .. du Mögliche' in dtt Ari~IOld;sch('n Weh eint' An GcsptnJtrrd~in fuhrt" ( . Hanmann. Miig/uhJml ,.m/
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\t!,rkl,chJuil. 01.,1.0•• S. 6), Ans(otrlcs, MCMpIJ]Jik. 01.01.0., IX. S. 123.
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DrimrTcil: Oie: Ordnung der Wirklichkeit
gleich mit diesem bestimmten Mc.nschcn. der schon in Wirk.lichkeit ist. und mit dem Getreide und dem ~hcndc.n ist der Zeit nach früher der Stoff und der Same und d:u Schfähige, wdchc z....'2r dem Vcmlögen nach (de.r Möglichkeit nach) Mensch und Getreide und sehend sind. aber noc.h nicht in Wirk· Jichkeil. A~r der Zeit nach früher als dieses ist (wiederum) ander~ in Wirklichkeit Seiendes. aus welchem dies ,,"-urde; denn w:u: in Wirklichkeit ist, \\~rd jedesm.al aus dem dem Vermögen mlich Seienden (aus dem der Möglichkeit n:ach Seienden) durch etwas. das in Wirklichkeit ist, 7_ ß. der Mensch durch einen Menschen, der Gebildete durch einen Gebildeten. indem jedesmal Clw:l$ als entes bewegt; das Bewegende aber ist schon in Wirklichkeit. Es ist aber in der Erörterung ü~r das Wesen gesagt, daß das Werdende immer aus etwas etwas wird und durch etwas. und dieses der An n:lch dassdbe ist"Jos.
Aristote1es wiederholt die Argumentation noch mehrmals. um sie plastischer hervonreten z.u lassen.JOf. Welch hohen Stellenwert die Annahme der Vorrangigkeit von Wirklichkeit jedoch hat, wird vor allem dann deut~ lieh, macht Aristoceles sie zur Grundlage theologischer Renexion: [lOSOb] .. Aber auch in entscheidenderem Sinne hat die Wirklichkeit Vorrang vor dem Vermögen (der Möglichkeit); denn das Ewige ist dem Wesen nach (rüher aJs das Vergängliche, nichts Ewiges aber ist nur dem Vermögen nach (der Möglichkeit nacht JO'. Damit schließt sich der theoretische Kreis zur \'611<Jl.; \'o~O[tJJ;, zum reinen Denken des reinen Denkens, das als höchste EvEQyEtU behauptet und verstanden ist. J08 Auch aus dieser Letztbestimmung heraus [1051 a] .. erhellt denn, daß die wirkliche Tätigkeit früher aJs das Vermögen (die Möglichkeit) und als jedes Veränderungsprinzip iSt"j09. Wenn tvtQyEt Ysl. duu: 110500aJ ..Also auch ins"fem crhellt. daß dem En(Stcht:n und deT Zeit n;ach die Wirklichkeit früher ISt al~ da.\, VermögclI (die Mi)glichkclI). (...) Aber .;auch dem Wesen nadl ist sie cs. Erstcns weIl das, wu der Entstehung nach spater ist. Jer An und dem W~· sen n;lch fruher ist, 7.. r~. der Molnn früher ;lls du Kllld. der Mensch {ruhet als der $;lilie< denn da~ eine h.u schOll dit" Form, d;l.\, andt"rt "bel- nu::llI. Ferner d.trul11. weil .alles. W.l> <mslC::ln, auf cln Prinzip und ein Zid hingt:ht: Prilll.ip namlich ISt J.1S Weswegen. und Ulll d~ Zidcs wille.n ist das Werden. Ziel Jhcr ist die Wirklichkeit, und um ihmwilleIl crlwl m""n das Vennögen (du: Möglichkeit): denn nicht, um den GcsidllulIln zu habc:n. $(:hen die Lebcwc$en, sondern um zu ~h<-n. h..tben sie den GesichlSslI1n- (Ar1.Sl'otelcs. Metllphynk, .1.:1.0.. IX. S. 12.). ),:1 AnstOldN. /tfUllphYSlIt •...a.0.• IX. S. 129. )lliI Vgl. duu auch J. Sullm~hs Ausfiihrun&cn zur ~bsoluu:n Iluetnspnoriul der l:.ne~ei.l· )Ot
in D)·nll1nzs I411J &1"'8('141• ....1.0_ S. 194-101. AnslOtms. MetJIphysJf. :l.a.O., IX, S. IJ I. - VgL d.u.u: flOSOb} .Aus di«nn Grunde al· so Ist offenbM dan Wtsrn IUC'h dl(, wirkliche Tilig.k
Itchkcu)- AnStOldcs. M(,'"phJnlt. ..~.O~ IX. S. 127-119).
9. Aristotdec
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Aussage insofern gemacht, als nun konsequemerweisc nur von der EVEQYEla aus auf die OUvOfll.S geschlossen werden kann, nicht umgekehrr: [tOSla] .Also wird offenbar das dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach) Seiende, wenn es in die Wirklichkeit übcrfühn ist, gefunden. Die Ursache liegt darin, daß die Wirklichkeit Denken ist, Also geht die Möglichkeit aus der Wirklichkeit (Tätigkeit) hervor, und deshalb kommt man tätig zur Erkenntnis; denn später der Entstehung nach ist nur die der Zahl nach identische wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeitt..uo, Erneut schließt sich nun der Kreis der Argumentation, diesmal zum oüolu-Konzept in der Prägung der grundständig ungewordenen Struktur des dool;;: [1051b] "Und alle diese sind der Wirklichkeit, nicbt dem Vermögen nach; denn sonst würden sie entstehen und untergehen; nun kann aber das Seiende selbst weder entstehen noch untergeben. da es sonst aus etwas entstehen würde. Rei dem also, was cin Sein an sich und in Wirklichkeit ist, ist keine Täuschung möglich, sondern nur Denken (vernunftmäßiges Erfassen) oder Nichtdenkco"'II. Aristoteles hat offensichtlich bei der Enewicklung des EvtQ)'tLo-Begriffs massive theoretische Probleme überwinden müssen, ein Grund dafür, daJS er neben diesem Begriff einen zweiten, zuweilen synonym gebrauchten, dann wieder in veränderter theoretischer Prägung bzw. Komexruierung verwendeten, Terminus cinführr, der die mir dem fvigYElCt-Begriff verbundenen Probleme lösen helfen oll und der auch in der Leitpassage von Dt anima start des ersteren verwendet worden ist: die EvtEAEXEt.O.J12 .,Der Terminus gehört"JIJ, so W. Pranzen und K. Georgulis zunächst in grundsätzlicher Perspektive, ...in den Zusammenhang der Lehre des ARJSTQTEJ ES von iviQYELU und birvaJ.,lLr; (...) ln erster Annäherung läßt sich Evn::UXELu der Bedeutung nach mit tv€.QYE1.(l identifizieren und dem Korrelat 6Uv<.t,.ur; gegenüberstellen"'Ju. Die Suche nach der ge.nauen Wortbedeutung in Lexikol. macht jedoch den begriffstheoretischen Konflikt offenbar. Sparsam gesetzt wird von H. Menge für .. EVTE.J...tXELQ (...) ununterbrochene Tätigkeit od, Wirksamkeit" J1S, W, Gemoll verzichtet in seinem ansonsten sehr ausführlichen Griechisch-deutsche" Schll/- lind m )11
111
IlJ
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Ari~Wldcs.
Mel#pb)'sJr. u.O., IX. S. 133. ArislOttlts. M~tAphysJr, :11_;\.0.• IX. . 135. In dt'n untt'l'SchiC'dlich~n 8«1~utung5\·~ri.uionen. die sich \n den uismtdischen Tutt'n rinden. stdlt Wuo(h dIe Tnmim _l))'n~mis·••Energeia· und .Enlt'lcehci~· im integricn~n Zuummenlung vor (vgl. Wundl. Unu:n,.cb,.'lgnr 2lfr AfnllpI1JS'lt. ~.a.O .• S. 79-101). Fn.nz('fl., W., Gt'Orgulis, K. und Nobis.. Ii. M...: ~Entelcchie· In: Ritter. IIlSl-omchn W.,r· t~blfcb. u.O.. S. 50(,-509 rOd. 2). hier. S. >06-
F..bd.
In lAngouc~lduCromro,,"blfch
CnN'hULh lklfuch. ;1.2.0.. S. 2.0.
Driller Tt'il: Die Ordnung der Wirklichkeit
432
Handwörterbuch sogar gänzlich auf ein Überscrzungsangcbot.Jl6 Das da hillter verborgene systematische Problem illustriert den lexikalischen Befund: AristoteIes nimmt - wie wir gesehen haben - eine bestimmte Form des Strebens an, die konstitutiver Teil von Wirklichkeit ist. Aus dieser Erklärungsfunktion heraus entsteht der h'lEllxna-Begriff, der nun nach der ersten Stufe von .stoff' und .Form·- und der zweiten Stufe von ,Möglichkeit' und. Wirklichkeit' als dritter, weitestgehender Anlauf gewertet werden kann, jeder Vergegensländlichungstendcnz des onrologischen Entwurfs entgegenzuarbeiten und damü das radikale Enrwicklungskonzept von ,Wirklichkeit' durchzusetzen. Wie bei EvtQynQ handelt es sich auch bei lvtEAExELO um ein Kunstwort. einen Neologismus, den Aristotcles se.1bsl gebildet h:ll.·m Auf die integrierte Verwendung beider Termini weist Arisloteles im 3. Kapitel des IX. Bu hes der Metaphysik explizit hin: EAI1AUlE Ö' 11 tVEQYElO tOüVO~ta, ~ :tQO~ Tt,V t\'TEA.eXElUV OUvtLOe~lbrl1. xal bfl Ta ö)'la Ex tG>v XLvftoEWv Ila)"LOTu' [1047aJ ..Es ist aber dcr Name der wirklichen Tätigkeit, welchcr einc Bcziehung hat auf die vollendelc Wirklichkeit, besonders von den Bewegungen auch auf das übrige übergcgangeu")II. Deutlicher wird die Sachl.tge in der von I. Düring verwendeten Überset7.ungsvariante: ..Das Won energeUt, da ich (Aristoteles, U.W.) zusammen mit eme/echeid zu verwenden pflege, (...) ist von seiner Anwendung bei Veränderung und Bewegung auf die Relation Möglichkeit-Wirklichkeit üben ragen worden")I'. Zwar entfernt sich letztere Version weit vom griechischen Original, sie trifft aber den problematischen Sachverhalt im Kern und wirbt indjrekt um Verständnis dafür. warum, wie J. Srallmach feststellt, ..dje EntclecheiaJrage (...) oft genug aufgenommen und bisweilen auch resigniert liegengelassen worden")!Oisl. Wie so häufig bei aristotelischen Begriffen kann man mit einer lexikalischen Strukturanalyse des griecbischen Wortes noch am besten auf dessen liefere Bedeutung schließen. Zwei mögliche Inrerprerarionen sind dabei denkbar und in der Aristoteles-Forschung auch vehement vertreten worden: nE-in Teil der Forschung"'ll, so stellt Picht die Forschungslage resümierend ZUSammen, ..hat sich auf eine Erklärung dieses Begriffes geeinigt.. von der ich zeigen werde, daß sie falsch ist (...). Wenn Sie das Lexicon von Liddie and Scott oder das Etymologische Wörter· 4
I" Gnuhuch-df'H1SChf'1 rhH/- Hnd HiJndU:O(lf'J'bHCh. Von I96S. 111 Vgl. Dünng, AmIDt,./,.,• .&..a.O.• S. 617.
111 AriSIOldes. IHf'r.rph)'Wt. u.O.. IX, S. 109. ". Zu. nach Dunng, jbuto'l'!i'~ • .Ll.0 618. I~
ullnuch. D)'trllmu Hnd Eni'rgf'l.I,
"
0 ... 18l.
UI Picht. Ariltou/rl' f),. .mlm.l. ,,02.0.. S. PB.
w. G<moll.
Munc.ht.n (9. Aufl.)
9. Ans(Otdes' Begriffe: KOI1Slilulionsb«lingungcn von
Wirklichk~it
433
buch von Frisk nachschlagen, finden Sie don die auch von David Ross akzeptierte Deutung von Hermann Diels")22: Nach eben dieser Position ist Evn1r,(ELet aus tVlEAlic; und EXELV zusammengesetzt. tVTEAit~ bedeutet ,vollkommen' und EXEl.·V ,haben', Somit wäre ,Entelechie' das, was die Vollkommenheit in sich hat und damit eine Zustandsbcschreibung, die vor allem in der Übersetzungsvariante ,Vollendung< ihren Ausdruck gefunden ha[, Daß Picht diese Deutung für falsch ha.lten ,kann und muß, beruht auf der Tatsache, daß es bei AristoteIes in der Tat Textstel1en gibt, die eine solche Möglichkeit ausschJießen.,H) Picht gibt daher der "on W, Jaeger in die wissen· schaftliehe Diskussion gebrachten zweiten Deutung den Vorzug. Danach stammen die drei Buchstaben -TEl. von t!koc; (Ziel), womit aber ,Entelechie' das wäre, was ,das Ziel in sich hält" und damit die Bezeichnung für eben ..die Verfassung (wäre, U.W.), in der sich ein Seiendes befindet, das sein tEAO~ - sein Ziel- in sich enthält")H, Entgegen de.r apodiktischen Aussage PichtS sind jedoch beide Bedeutungen denkbar und bei AristOtdes auch zu finden, wenngleich die letztere als radikale Behauptung des aristotelischen Veränderungsbegriffs theoretisch ein weitaus größeres Erklärungspotential in sich trägt. Picht hat den Gesamtenrwurf aristotelischer Ontologie zweifelsohne auf seiner Seite. Düring hält dagegen, daß selbst die lexikalische Analyse, die den TEAo~-Begriff in ihren Mittelpunkt stel1t, auf den Zustandsbegriff hindeuten kann: ..Das Wort entelecbeia hat er (AriStoteies, U,W.) als Ausdruck für seine Philosophie vom telos ersonnen; er brauchte ein WOrt für die Stufe, auf der das telos erreicht worden ist. Die ente/echeia ist also der biologische (Düring stellt den ,Entelechie'-Begriff hier nicht notwe.nd.igerweise i.n den engeren naturphilosoph ischen Zusammenhang, U.W.) Kulminationspunkt"32S, In gleicher Weise zeigt die Leitpassage aus De anima, daß die Interpretation eines ,vollendeten Zustandes' durchaus möglich ist und ihren systematischen Platz im theoretischen Gesamtgefüge behauptet. Sie macht die Seden-Besrimmung des t. Kapitels des zweiten Buches Crs! möglich: &,0 ~ \j1U)(i] 'OtlV ",nA/x"a i] ltQWtn o",~ato, QJUO(xou 6UVClJ.lEL twnv EXOvtO';. [412aJ ,.Deshalb ist die Seele die erste Vol.lendung der Seele eines natürlichen Körpers, der in Möglichkeir Leben hat"·)26. Daß vor aUem d.ie ,Zustands' ·Bedeutung bei Aristoteles im Vordergrund steht, davon gehen schließl.ich auch Franzen und Georgulis aus: ",Zwar werden die Termini tvtEAfxEW und tvEe'fELo. von Aristoteles nicht konseUJ
Ebd,
VgJ. Pic.ht, Arlstorl'1rf' D~ IWlmll. J-".O., S. 293. )1. Pichl, Amtoti'lts' Di' IImma, a..".0.• S, 293. m Dünne. Aristorrles, u.O., S. 27. Jl~ AriSlOIeles, Ob" Ji~ Su/~, ".".0., .6.2-63.
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Dritter Tt'il: Die Ordnung der Wirklidlkcil
quellt unterschieden; die Tendenz geht jedoch dahin, daß mir EVEQynu der Vorgang der Verwirklichung oder des Wirklichwerdens bzw. Wirkcns gemeint ist. mit e.VTEAtxELCt dagegen der Zustand der erreichten Wirklichkeit., cl.h. die Vollendung und das Ziel eines VerwirkJichungsprozesses )11. Repräsentiert diese Einschätzung zwar die heutige Forschungslllcinung, so muß doch hervorgehoben werden. daß sich Pichts Analysen und sein Votum für eine .Prozeß'-lnterprctacion des EVH:HXEla-Begriffs voU auf dem Boden aristotelischer Theoriebildung befinden. auf profunden Textkenmnissen beruhen und vollkommen richtig ein mögliches Erklärungsmuster U
aufdecken und vortragen. Es kommt, wie so häufig, auf den spezifischen Argume.mationszusammenhang an, in dem Aristoteles den Terminus tvn:AExEl.Cl verwendet. Und eiJl weiteres Problem stellt sich auch hier er· neut: Vor allem ist es die Rezeptionsgeschichte, die für den heurigen Leser die notwendigen Differenzierungen überdeckt: nln der Folgezeit. wird für <E.> häufig <Endelech.ic> venvendet. zuerst. von C1CI:.RO ( .• ,). THOMAS VON AQUIN übernimmt für <E.> die Übersetzung ; da dieser Aus· druck auch und vornehmlich als Äquivalent für tvEQYEH.t gebraucht wird, geht der terminologische Unterschied zwischen <E.> und t.vtgYl!lU verlo· r('n"J.!8. Für eine fundierte Analyse aristotelischer OntOlogie ist djcser Unterschied aber, seinen \'ielen Differenzierungen und ,Ungereimtheiten' wie seiner letztlichen UnkJärbarkeit zum Trotz, konstitutiv. Ein weiteres Argument für die ,Prozeß'-Interpretat.ion Pichts ist sicherlich die KO!ltex[Uierung, die Aristoteles im 5. Kapitel des VIII. Buches der Physik vornimmt. AristOtcles spricht dort IIon der EVTEAEZEt.a. CttEAn;, von der ,unvollkommenen' Entelechie; rauv 0' 11 xtVllOL~ EVTfAExelu Xl.\'lltO'Ü lnEAn;, [257b 8) nCS ist aber die Bewegung einc unvollkommcne (vlEheXEl« des Beweglichen"'l!CJ, und spannt den Terminus EVtEAEXEL<.t damit als EntwickJungsbegriff hin auf das E[~-Programm als Moment konstanter Strukturgebung, denn das TEAO;; dieser Bewcgung ist das in der i)An bercits angelegte erBot;, die tVTEA€xElCl in dicser Varia[ion die Bewegung dorthin. Das, was bei der ,Entelechic' des Lebendigen zum Vorschein kommt, das Jmmer·deutJichcr-werden der vorgezeichneten Struktur, diese Strukrur ist die OUOlU der 'PlY'.(11 in der qnJOl~. Nutzt man den tVEQyelCl-Begriff schließlich als Kommentar zur evtd..t-/"ElCl. wird klar, wie eng die beiden WOrtschöpfungen ineinander verwoben sind. Wie EQYO" lexikalisch in der Ul Fr,ln7.~n U.:l., ~Entc1«hic". a.... O.• S. 506. lU Fnnz.cn U.J •• ~Entcl«hit". 01.,1.0.• S, 506·507, JJ"I T\'XI und Übenclzung n:ach Picht•• Der Begriff der Energeia", :1..:1..0.• S. 290. - Siehe d,1llJ auch dlc: Übersetzung ~'on H. G. Zckl: [257 b) .und es i.u Vcrindl.'rung .dil.' noch nichl zu En· dt gc:kommcmc: Ziel-TIrigktit l'ines Vtrinderb"rc:.n'" (An5IOtdl's, PI",ik. :I.a.O.• VIII. S. lOlJ).
9. Arish)tdcs' Begriffe: KOllslirulionsbcdingungen
von
Wirklichkeit
435
EVEQYE.la präsent ist und damit systematisch seine Vergegenständlichung unterminiert, so ist das tE)..oc;, aus dem gleichen Grund, in der EvtEAtx,na aufgehoben; und nur. weil das TO.Or; immer in der EvtÜ!x.ElU schon präsent ist, macht es überhaupt Sinn. davon zu sprechen, daß tvtQYELa .. ImWerk-sein" bedeutet. Verbunden mit dieser lexikalischen lotegration des EQYOV, die hier gleichermaßen eine ontologische ist. ist die Charakterisierung der hEQYElu als an die VerwirkJichung des lEAo<; gebunden. Durch d.ieses rtAO<; bestimmt, geht die EvfQYE~a hin auf die Evtf).Exua in ihrer z.weiten Bedeurung, auf die Vollendung im Sinne der aktualen Verwirklichung. fn der doppelten Bedeutung der EvteAEXELO löst sich damit das Problem des d&o<; als einerseits vorgegebene konstante Struktu.r u.nd andererseits als Formgeber der Bewegung auf. Die EvtEAEXELU als Vollendung wird, versteht man sie im eigentlichen Sinne als Wirklichkeit~ als evtQyua, zum Orientierungspunkt innerhalb des Entwicklungsbegriffes, der durch die EVTekEXELa «tEli)~ repräsentiert ist, also der EvtEAEXELU, die das Ziel des Entwicklungsprozesses kontinuierlich in sich hält. Das teAO~ ist doppelte Orientierung 31s ständ.ige unvoUkommcnc, gleichzeitig aber auch aktual präseme Wirklichkeit, ohne dabei jedoch in sich Differemes zu sem.
9.4 Zusammenfassung Im folgenden seien die wesentlichen Erkenntnisse kurz. zusammengefaßt. wofür ein letztes Mal zu unserer Leitpassage aus 1tEQt 'VU".<.ii; zurückgekehrt werden soll: [41hJ ..Wir bezeichnen als eine Gattung des Seienden die Wesenheit und von dieser als das eine die Ma.terie. die an sich keinerlei Bestimmtheit hat. als das z.weite die Gestalt und Form, auf Grund derer etwas cin Bestimmtes heiße. und als das drifte die Verbindung beider. Die Materie ist Möglichkeit, die Form akruale Wirklichkeit und dies in doppelter Weise, teils wie die WissenschJft. teils wie d.u Forschen"}lO.
Die Vielzahl der hier vorgestellten Begriffe mochte in dieser Übersetzung zunächst eingängig, nach genauerer Sichtung der begrifflichen Hinter· gründe jedoch. zunehmend problematisch erscheinen. Vor allem die Untersuchung der Metaphysik, die als Kommentar der Leitpassage aus REet *uxflt; genutzt wurde. zeigt, wie Aristote1es vielJä.ltige Anläufe untemomHO
Arisroctles, Von tÜr Suff' {GIgon}• •u.O.• S. 285.
436
Drintr Teil: Die
rdnung der Wirklic.hkeil
men hat, um für den Problemzusammenhang einer grundlegenden 011[0logie Lösungsangebote zu entwickeln. Je nach Argumcmationszusammenhang fallen diese Lösungsangebote extrem unterschiedlich aus, wie· wohl das Erkennrnisinreressc immer so unumwunden durchscheint. daß aufgrund der gemeinsamen Problemoricntierung der Zusammenhang Stets erkennbar bleibt. AristOleies macht sich zudem, eine zusätzliche Erschwernis mit gleichwohl hohem Erkcnnmiswcrt', ständig zum Bearbeiter nicht nur fremder, sondern auch selbst erzeugter Aporien. Solcher Viclschichtigkeit eingedenk wage ich an dieser Stelle eine stark vereinfachende Zusammenfassung des ontologischen Gerüstes. ohne die
vorher aufgezeigten DiHerenzierungcn zurückzunehmen: Der zentrale Begriff ist der der ,WLrkJichkeie, der fvrQYEw. Bei dC"r Realisierung dessen. was ,Wirklichkeit' ist, stehen sich erkennbar llnter dem Blickwinkel, ,wie etwas ist, das es etwas ist" zuniichst ÜAtl und ~oQfPn gegenüber. Unter dem Blickwinkel, wie etwas zu enrsrehen vermag, das notwendig etwas zu sein hat, verwirklicht die Materie ab rcine, zunächst unbestimmte Möglichkeit (ÖiJVO~ll;) i" der Gestalt (fIO(!
hervortritt. Das innere Streben des bestimmenden döo, ist in der Materie immer schon angelegt und bestimmt die ouaLu als tO tl. {IV er "aL. Das Tf)'.o~ also ist die in der Ü).ll enthaltene Struktur des EtöoC;. Der ltun stattfindende Vorgang hat sein Ziel in sich selbst. Dies ist der Bewegungsbegriff der €vrtUxua. Die EVEQytta als Wirklichkeit ist hier die VerwirkJichung im kinetischen Sinne und gewinnt dadurch Prozeßcharakter. Ihre Entwicklung aus der ÖUv(l~lL~ ist (vorderhand) kein zeidiches, sondern ein onrologisches Problem. Die EV[gyttU wird zur EvtEAEXEW in ihrer zweiten Bedeutung, wenn das Ziel in der EVEl?YEW (denn diese kann an ihrem Ziel gemcssen u. U. auch unvollkommen sein) vollkommen verwirklicht wird. EvtEAExElCl ist hier also Zusrand der aktualen Vollkommenheit: als verwirklichtcr Wirklichkeit. Die reine, aktuale htpYELo. als lvttAiXElCl ist die Voraussetzung für das Gönliche, denn das ist" der reine vO\x; in vollkommener tvTEUXEto.. Die Vereinfachung dieser Zusammenführung darf über die Komplexität des ontologischen Entwurfes des AristoteIes nicht hinwegtäuschen. Es bleibt erstens festzuhalten, daß die Perspektiven ,Wie etwas ist' und ,Wie etwas entsteht' zwei Seiten des gleichen ontologischen Problems sind, die für AristoteIes zwei Problemebenen einer integrierten Lösungssuche warell und heute durchaus aufgrund eines methodischen Blickwinkels ge[rennt werden können; dies jedoch ändert nichts an deren wesensmäßiger Integration. Zweitens sei noch einmal darauf hingewiesen, daß hier hauptsächlich Begriffe zueinander definiert werden. Ein in sich geschlossenes, kohärent systematisches und integriert geordnetes Theoriegefüge, das aus Funktionalität gelöst für sich besteht, bleibt bewußt außen vor
9. Ari~lOldes' BcgriUc: Konstitulionsbcdingunge.n von Wirklichkci,
437
und damit Spekulation, die entweder in sysrematische Banaljtät oder dingliche Theologie 'führen würde: ,Wirklichkeit' als solche ist autonom. ihre Theorie als spezifische nicht. 1tQWll1 qR).OOOqJla als ,Erste Philosophie' weiß stets, daß sie als Erste Wissenschaft immer auf die Wissenschaften als zweites bezogen ist, die wiederum konkrete Gegenstände erkennen u.nd bearbeiten. Gerade deswegen wird in der JtQWt'1 qJLAOO(Xptu jeder Versuch einer vergegenständlichten und vergegenständlichenden Theoriebildung kategorisch ausgeschlossen. weil nur so das, was Gegenstand ist, letztlich richtig erkannt werden kann. Gerade dieser hohe Anspruch findet sich - wie wir sehen werden - bei kaum jemanden wieder derart kompromißlos eingelöst wie bei W. v. Humboldl. Auch das Problem einer notwendigen Hic.rarchisierung von Begriffen wird drittens von Arislolcles spez.ifisch in der jeweiligen funktionalen Zuordnung und der entsprechenden theoretischen Situation angemessen im sich entwickelnden Problemhorizollt gelöst, nicht in einem statischen, auf alles und jedes anwendbaren Globalentwurf. womit eine Einheit der Metaphysik scho.n von daher grundsätzlich in Frage gestellt ist. Die Weh der Wirklichkeit, die AristoteIes anhand ihrer selbst entwickelt hat. ist jedoch in einem viel durchgreifenderen Sinne als plumper Kohärenz eine ganzheitliche Betrachtung, sie ist, weil sie Problemhorizom ist, als auf den )..&vo:; gerichtetes 8fWQfLV immer Xo.66AOU. Sie kann alles erklären, was ist, und zwar aus dem heraus, was dieses an sich selbst sein soll. AristoteIes übt in lranszendenter Hinsicht mutigen Erklärungsverzicht, widersteht der platonischen Versuchung, und generiert daher das Denken als höchste Aufgabe in seinem Konzept des zum erkennenden Betrachten verurteilten Menschen. Sinnfällig wird dies, imerpretiert man die Leitpassage aus :itfQl ~JUX~C; nun bis zum Schluß: Aristotcles unterscheidet cin ,Wissen der Möglichkeit nach' (11 xemi buva~uv c.mO'l:1UJ.ll) von einem ,Wissen der akruaJen Wirklichkeit'. Grundsätzlich gibt es keinen Menschen, der kein Wissen hat, denn die Fähigkeit, Wissen zu haben, ist nicht nur aus Beobachtung oder als anthropologische Option generiert, sie konstituiert das Mensch-Sein als solches: lIUVtE<; äv6Q
JJI
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Dritter Teil: Die Ordnung der 'X'irklicltkc:il
Begriff E~L;. Diese ~l;~ in bezug auf Wissen zeichnet jeden Menschen als einzelnen und die menscb.liche Garrung schlechthin aus und kennzeichnet damit das, was Arisloteles hier mit ,Wissen der Möglichkeit nach' meint, als individuelle Sozialität des Seins, als Partizipationskatcgoric am Sein schlechthin. ,Wissen der Wirklichkeit nach' wäre demgegenüber erstens, wenn ich ein bestimmtes Wissen erworben habe, es aber nicht ausübe,
Wenn ic.h die Fähigkeit habe z.u rechnen, kann ich sie gebr:J.uchco, ich [Ue es aber konkret nicht unbedingt. Erkennen und Forschen ist es erst - und das ist das ,Wissen der Wirklichkeit' nach im zweiten Sinne -. wenn ich es konkret verwende, es aktualisiere, So gehört sowohl Wissenschaft (bnO"t'l~u» als auch Forschen, Betrachten (9EllJQEtV) zum Bereich der W'irklichkeit, sie sind zwei Formen der tvt{)YUQ. aber "das Wachen entspric.hl dem Forschen, das Schlafen dem -Besitzen ohoe Betätigung ,.,"3»), Die ~'tr'('l aber ist (erste. 1tQtlml) htHxe.w 'wie die Wissenschaft. denn sie ist zwar stets WirkJichkeit und kann nur so Prinzip des Lebendigen sein. gleichwohl iSl sie aber nicht immer in aktualer Betätigung, wie z.B. im Schlaf. Die ,zweite' fTEAtxEI.O ist nur die Betätigung und das Betrachten selbst.·u • Es ist plausibel, warum diese in ihren Konsequenzen äu.ßerst schwierige, bei AristoteIes zunächst fast bei.1äufig erschei.nende. DiHerenzierung zwischen erster und zweiter ,Entelechic' im scholastischen M.ittelalter als Unterscheidung von actus primus und aetUS sccundus zu einem der zentralen theologischen Themen avancienc. JJS
9.5 Über/ei rung Das Konzept des .Wissens als Seinsverfassung' schlägt die vielleic.ht offensichtlichste, wenn auch sprachtheoretisch nicht brisanteste, Brücke dcr Erinnerung zwischen dem Athener und dem Tegeler Philosophen. Picht merkt dazu an: "Im Unterschied z.u den uns geläufigen Theorien über den Lernprozeß wird hier das Lernen nicht als die Summe des Erwcrbens von einzelnen Informationen oder Fertigkeiten verstanden, vielmehr wird jeder Schrin des Lernens als eine Verwandlung der fundamentalen Seinsvcrfassungintcrpreciert" J )". Für Humboldt wird nicht nur diese Korrelam Ari~lOlde~ Vim Jt'r S~I'/~ fGigrm}, a.a.O., S. 286. - ZUIl' Unlc~hicd von bUlTiu.111 \lnd OrW{,)l'"[\' sieht: auch den Textkommcmar \'on W. llleilcr mit zusatz.lichC'n Fundstcll(':n {ur heide Termin; (ygl. ArisU)tc!('S; Obt'r du! I'rI~ fKommentar: Tlml",!• .1•.1.0., S. 107). H. Vgl. AristOldes. 0"" du! Srt:ll' fKommtlltdr: SI·,Jlj, J •.a.O.• S. 2J4. m Vgl. Franzen u.a., ~Entclt'chic". 3.a.0., S. 506, )~ riehl. Arisrotc/es' Dr <JlIJmtl. li.LO., S. 311.
9. Aristotelcs' Begriffe; Konslitutionsbcdingungen von \\:'irkliehkdl
439
lion zwischen ,Sein' und ,Wissen\ sondern vor allem der großartige Entwurf des Aristorcles einer Ordnung der Wirklichkeit, der in der :l.bendländischen Geistesgeschichte in seiner DiIferenziertheit, Umfassendheit, :l.bcr auch in seiner ontologischen Plastizität und argumentativen Evidenz ohnegleichen ist und daher manche Nachahmer, viele Weiterentwickler, keinesfalls aber Überwinder gefunden hat, zur denkbar anspruchsvollsten Zumutung. Die Ncuzcit droht der Weh der Wirklichkeit - einer (()(IO~. deren Ordnung sich Stets als EVEQYElCl und damit vom Wesen der Dinge her ereignet - mit schonungsloser Hineinorganisacion in die U n-Sichtharkeit als Verg-angenem (
Vierter Teil:
Die Ordnung der Sprache Die Erkundungen zum philologischen und theoretischen Tern.in aristotelischer Ontologie wie die Analyse dessen, auf welche Weise in diesem anti· ken Theorieansatz Wirklichkeitskonstiruierung betrieben und beschrieben wird, stellte selbst schon den Einstieg in die Auseinandersetzung mit Hum-
boldLSchcm Sprachdenken dar. Humboldu Theorie, so lautete die als grundlegend formulierte und in vielJacher Hinsicht bereits umer$lützrc und be~ legte These, nimmt ArisloteicS' Welt der Wirklichkeit auf und transformiert sie in eine Welt der Sprache. die den gleichen inneren Ordnungs- und Konsriturionsprinzipien folgt wie das ontologisch qualj{izierte Panorama des
aristotelischen Vorbilds. Bietet Kanu lranszendcnt2ler Idealismus mir der Ermittlung des kritischen Ensembles reiner Vernunft die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen für dieses Erinnerungsprojekt, entsteht die Genericrung dessen, was das Wesen der Sprache im Kern ausmacht, vor allem im Horizoot des aristotelischen Wirklichkeitsenrwurfs, womit beide Traditionen, die Kantische und die Aristotelische, als gleich verbindlich, gleich authentisch und gleich releva.m für die Theorieenrwicklung Humboldts zu betrachten sind, ja es macht nur in äußerst begrenztem Maße überhaupt Sinn, von den transzendentalen VoraussetZungen und Instrumentarien des HurnboldlSchen Sprachdenkens zu spr«hen, hat man nicht immer schon die Ari$lotdes verantwortete Wesensproblernatik als U~prung. Rahmen und Zid des Sprachverfahrens im Blick. Sie bildet die Grundlegung für die Entwicklung dessen, was der Tegeler Philosoph überhaupt umer Wirklichkeit versteht. Ähnlich bleibt der lransformatorische Anspruch, die aristOtelische Ordnung der Welt in der Sprache neu entstehen zu lassen, ohne die Einsicht in die sprachliche Vertaßtheil des transzendentalen Ensembles begriffliche Spielerei ohne tiefere ontologische Bedeucung, Legitimation und Konsequenz. Die durch Kam fundierte und durch Humboldt unwiderrufljch vollzogene transzendentale Befreiung der Sprache aus ihrer marginalisierten Stellung im abendländischen, metaphysischen System(-gedanken) als sekundäres Utensil zur Beschreibung des vermeintlich Realen schllfft erst die Vorawseczungen dafür, daß Humboldts aristotelisches Erinnerungsproi~kt sei· ne ebenso unwiderrufliche innere Folgerichtigkeil im Hinblick auf die Anlage von Wirklichkeil überhaupt entfalten kann.
442
Vicncr Teil: Die Ordnung der Sprad,c
Es ist die Aufgabe der folgenden Ausführungen, d:l.S transformatorische Projekt Humboldts anhand seiner Schriften z.ur Sprache aufzusuchen, darzustellen und systematisch so zu belegen, daß die Ordnung in der Weil der Sprache auf diesem Hintergrund "erstehhar wird. Um die Befunde von Humboldcs Gedächmis für die systematische Analyse des Problems wiederaufzunehmen und um das Transformationsprojekt in seinem engeren gedanklichen Kontext zu verstehen, werden dafür unter dem S)'Sle· mnischen Kontrakt Humboldts Aufklärung zunächst sechs diesbezügliche Anfichten Humboldrs zur spra.ch/ich~lI Wirklichkeit aufgesucht und konzenuien (Kap. 10), die den Sondierungen des theoretischen Terrains (Kap. 8) im Arislotelcs-Teil in Anlage und Zielrichrung vergleichbar sind und die zusätzlich geeignet scheinen, etliches des bislang zur Problematik Erminclten so in seinen Grundzügen zu resümieren, daß es für den weiteren Fongang der Argumentation verfügbar wird. Alsdann ist zu klären, welchen Rang und Geltung Humboldtschc Aussagen zur Ordnung der Welt der Sprache überhaupt behaupten können und welcher lexikalischen Minel sich das dafür verwendete Arrangement Humboldts bedient. Für diese Untersuchung zum Formal Humboldtscher Theoriebildung (Kap. 11) steht neben grundsätzlichen Erwägungen zum Problem eine exempl.trisc.he Untersuchung zum - spezifisch ,aristotelischen' - Lexikon eines zemralen Textausschnittes der Kawi-Einleitu"g an, damit das theoretisch Behauptete und Erwiesene zusätzlich durch prägnante lexikalische Befunde gestÜtzt wird. In dieser Untersuchung läßt sich cin unabgcschJosscncs und letzdich immer neu anSlehendes .system' Humboldts zur WlrkJichkeirskonstiruierung erkennen, das aristotelischc BegrifOichkeil für den Aufbau und Erhalt spezifisch sprachrneorctischcr Theoriebildung nutzen kann, indem es auf die Konstitutionsbedingungen sprachlicher WirkJichkcit verweist bzw. diese struktural zueinander abgrenzt und ineinander verschränkt. Die heuristischen Nähen dieser Un· tersuchung z.u den aristotelischen Sondieru"gen des philologischen Terrains (Kap. 7) sind offensichtlich. Schließlich zeigt die Anwendung des engeren B~griffsrahmeos der aristotelischen Ontologie auf das Humboldtsche Sprachde.nken die Bedcurung des Verwandlungsprojektes in dessen voller sprachtheoretischen Relevanz und vollz.ieht die mit den KOrJSlIlllt;onsbedi1lgungen von Wirklichkeit (Kap. 9) angekündigten Erklärungspotenlialc: Humboldu Verwandlung läßt die \V~lt dcr Sprache entStehen (Kap. 12).
10. Humboldts Aufklärung: Ansichten sprachlicher Wirklichkeit Als Ansichten sprachlicher Wirklichkeit, also als grundlegende Beuachrungsweiscn, die Humboldts Weg in eine Welt der Sprache von dessen unmittelbarem Kontext her kennzeichnen, können vor allem die folgenden bezeichnet werden: (I) Humboldts Vcrsdndnis von Terminus und Konzept der ,Verwandlung', (2) der ,Verfahrenscharaktcr' der Sprache. (3) das ,Energeia' -Diktum selbst, (4) das .Energie'-MOliv in dessen systematischem und historischem Schatten, (5) das ,Gcncsis'-Verständnis der Sprachcntstehung und schließlich (6) die Ablehnung de (aristotelischen) Repräsentationsgedankens. Mit dieser Ablehnung vollzieht sich in Humboldts Bewußtsein endgültig das Verwandlungsprojekt. Alle sechs Zu· gänge machen HumboldtS theoretisches Vorgehen als Weg spr.lchtheoretjscher Aufklärung verständlich und erweisen dje innere Konsequenz. dieser Aufklärung. Als erste djesbezügliche Ansicht soU der ,Verwandlungs'-Terminus HumboldtS. der das Wesensversfändnis der Spn.che als Problem von Wirklichkeit überhaupt identifiziert, charakterisien werden.
10.1 Humboldts Bewußtsein: das Verwandjungsprojekt Das Mociv, Welt als sprachlich verfaßt und Sprache damit als umverwandelte Welt zu verstehen, zieht sich variationsreich nicht nur durch viele der fprachtheorctischen Schriften Humboldts. Allerdings begegnet es in expliziter Form vor allem in den Texten der späten Tegcler SchaHcnsperiode, Es ist also vor allem eine Verfolgung des Weges interessant, wie don das VerwandJungsprojekt zunehmend in Humboldts theoretischem Bewußtsein vom Wesen der Sprache Platz gegriffen hat und schljeßlich ausformuliert wurde. Zwei Texte sollen dafür genauer untersucht werden. Am eindeutigsten und auch nachhaltigsten in dieser Hinsicht scheim die Abhandlung Ueber den Dualu (VI 4-30) zu sein, die Humboldt am 26. April 1827 in der Akademie der WISsenschaften vonrug. Obwohl auch diese Abhandlung letztlich unvollständig blieb, ist Humboldt hier - wie so häufig, wenn er sich zur Vermittlung seiner wissenschaftlichen Arbeit zwingt - besonders klar
Vierter Tdl: Dil.' Ordnung der Spr~che
444
und evident. I Er formulien einleitend zunächst sein Untersuchungsinteresse sowie die daraus resultierende Vorgehensweise: .. Unter den manoigf:altigen Wegen, welche d~s vergleichende $prachsludium einzuschlagen hat, um die Aufgabe zu lösen, wie sich die a.llgemeine menschliche Spn.che in den hesondren Spnchen der verschiedenen Nationen offenban? ist einer der am nchtigsten zum Ziele führenden unstreitig der, die Betrachtung dnes einzelnen 5pnchtheils durch alle bekannten Sprachen des Erdbodens hindurch zu verfolgto" (VI 4).
Neben der wissenschaftlichen Sclbsuhematisicrung des ,Vergleichenden Sprachstudiums' t
Humboldts Unrersuchungsgegcnsrand ist der Dualis, die eigenständige grammausche Form neben Singular und Plural für nicht ein oder mehrere, sondern genau zwei Personen bzw. S:;achverhalte. Humboldt hat die I
Vgl. dit" .ßc.omcrkungc:n zur Entstcllungsgeschkhlt"' rJit"SCS Tt"Ätt"5 Ak~t"mit"·Ausg;abe.VI
JjJ.
\·011
A. leltznunn in du
10. Humboldl$ Aufklirung: Ansichu:n
~pnchlicher
Wirklichkeil
445
Querschninsuntersuchung dieses Phänomens durch die verschiedensten Sprachen im Sinne, eine Unternehmung, die gleichwohl voraussetzt, daß, ..um au eh nur zwei Wöner mit Erfolg mit einander grammatisch vergleichen zu können, es nOthwe.ndig ist (Umst.• U.W.), erst jedes für sich in der Sprache, welcher es angehört., zur Vergleichung genau vorzubereiten" (Vl 8). Von einer inhalts· und zweckamputienen Analysestrategie, die den Kontat der zugrunde liegenden Sprachen ve.rdeckt und im Sinne einer allgemeinen Linguisrik ausschließlich Strukturdeskription betreibt, ist Humboldt weit enrfeml. Gerade am Bedeurungsverständnis des Dualis und der kulturgeschichdichen Beobachtung, daß dieser .,sich auf der einen Seite bei uncultivinen Nationen, den Grönländern, Neu-Seeländern u.sJ." (V1 11) findet, andererseits es ..im Griechischen gerade der am sorgfältigsten bearbeitete Dialekt, der Anischc" (VIii), iSL, dcr diese Form beibehalten hat, zeigt, daß Humboldt hier Grammatik als weit mehr bestimmt als die formale Strukturbeschreihung einer Spf
Offensichtlich kann diese Frage in einem historisch oder funktionalistisch beengten Grammatik-Verständnis, z.B. einer historisch-vergleichenden oder einer aUgemeinen Sprachwissenschaft. kaum beantwortet werden. Si.nd in letzterer alle ßeze,ichnungen nicht nur prinzipiell, sondern auch realiter gefährlich beliebig bzw. akademisch synthetisch. besteht in erste~ rer kaum Anlaß, Strukrurvergleiche von (Geistes~)Welt als solche der Sprache zu erkennen. Auch ein mechanistisches Lexikon-GrammatikModell greift hier kaum. Humboldt ist daher grundlegend anderer Ansicht als sie in den bislang aufgeführten Positionen zum Tragen kommt. Er erweiten zunachst den Grammatikbegriff:
Vicncr Tdl: Die Ordnung der Spr~chc
446
"Alle grammatische Verschiedenheit der Sprachen ist, meiner Ansicht nach, eine dreifache. und man erhält keinen vollständigen Begriff des Baues einer einzelnen, ohne ihn n:lch dieser dreifachen Verschiedenheit in Betrachtung zu ziehen. Die Sprachen sind ocmlich grammatisch vt:rschicden: a., zuerst in der Auffassung der grammatischen Formen nach ihrem Begriff, b., dann in der An der technischen Mittel ihrer Bezeichnung, c., endlich in den wirklichen, zur Bezeichnung dienenden Lauten" (VI 11),
und nennr dann die eigentliche Schwierigkeit, die auf den Charakter des ,Grammatik'-Verständnisses direkten Einfluß har: ..Die zunächst liegende, aber beschränkteste Ansiehl der Sprac.he ist die, sie a.ls ein biosses VerSländigungsmittel zu bemtchten" (VI 22). Humboldt scC""l.:l dagegen: .. Die Sprache ist aber durchaus kein blasses Versclndigungsmiuel. sondern der Abdruck des Geistes und der Wehansicht der Redenden, die Geselligkeit ist d..s unentbehrliche Hülfslllittd zu ihrer Entfaltung, :tbcr bci weitcm nicht der einzige Zweck. :l.uf den sie hinarbeitet. der vielmehr seinen Endpunkt doch in dem Einzelnen findC'l, insofern der Einzelne von der Menschheit geI,renm werden k!lnn" (VI 23). Wenn aber - und damit gibt Humboldt seiner Argumentation die entscheidende Wendung - Sprache einerseiLS und Geist als Ansicht der Redenden von dem. was Welt ist, andererseits in dieser Form ineinander zusammenhängen, dann ist die grammatische Struktur der Welt'strukrur in gewisser Weise analog, und zwar nicht im Sinne eines naiven Repräscnt3tionismus, sondern als sprachliche Genericrung ihres eigentlich ontologischen Zusammenhangs. Humboldt zunächst noch in deskriptiver ZurückhaJrung (aber schon unter Zuhilfenahme griechischer .Genesis'-Motivik): .. Ocr Begriff der Zweiheit nun gehilft dem doppelten Gebiet des Sichtbaren und Unsichtbaren .n, und indem er sich Ic:bendig und anregend der sinnlichen Ansch:tuung und der iusseren Bcobachtung d:lrstellt, ist cr 1.ugleich vorwaltend in den Gesetzen des Oenkens. dem SIreben der Empfindung. und dem in seinen tiefsten Gründen unerforschbarcn Organismus des Menschengeschlechts und der Natur" (VI 24), dann jedoch apodiktisch feststellend: "ln dem unsichtbaren Organismus des Geistcs, den Geset2.e.n des DenkeIls. der Classification seiner K:l.tcgorieen aber wunelt der Begriff der Zweiheit noch auf eine vid tiefere und ursprünglichere Weise: in dem Satz und Gegensatz,. dem Set2.en und Aufheben, dem Sern und Nicht-Sc)'n, dem Ich und der Weh" (VI 24-25).
Die Ordnung der Sprache ist' also auch in einem tiefen, transzendentalen Verständnis die Ordnung der Wirklichkeit, eine auf sprachliche Genesis
10. I-Iuluboldl$ AuJkl:inlng: Ansichten spra<:hlicilcr Wirklichkeil
447
hin gerichtete Perspektive, die Humboldt durch die Wendung: "Der Ursprung und das Ende alles getheihen Seyns ist Einheit" (VI 25) weitcr vorbereitet und schließlich auf die Formel bringt: ..Es liegl aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ci,n unabänderlicher Dualismus, und die Möglichkeit des Sprec.hens selbst wird durch Anrede und Erwiederung bedingt" (VI 26). Humboldts nähere Beschreibung dieses Dualismus sei an dieser Stelle ausgeklammert, weil die damit verbundene Frage nach dem amhropologisch-kommunikativen Grundverständnis von Verstehen noch aufgegriffen wird. Es re.icht die Feststellung. daß ..zwischen Denkkraft und Denkkraft (...) es keine andrc Vermittlerin (Umst., U.w.), als die Sprache giebt" (VI 26). Entscheidend ist hier vielmehr, daß Humholdt am Beispiel des Dualis besonders prägnant eine Analogie von WeItkonstitution und Sprachkoostitution beschreiben kann, nach der beide letztlich in eins fallen müssen, denn "der Begriff der Zweiheit, als der einer Zahl. also einer der reinen Anschauungen des Geistes, besitzt aber auch die glückliche Gleichartigkeit mü der Sprache, welche ihn vorzugsweise geschickt mach~ in sie überzugehen" (VI 27). Warum dies gerade kein naiver Rcpräscl1tationisl11us ist, sondern die Transformation von Welt in Sprache expliziert, weist. Humboldt abschließend folgendermaßen aus: "Es waltet nämlich in der Bildung der Sprachen. ausscr dem schaffenden Sprachsinn selbst, auch die überhaupt, was sie lebendig beruhn. in die Sprache hil1über;,·~utrage.n geschäftige Einbildungskraft. Hierin ist der Sprachsinn nicht iJnmer das herrschende Princip, :allein er sollte es sero. und die Vollendung ihres Baues schreibt den Sprachen das unabiinderliche Gesetz vor, dass Alles, was in denselben hinübergezogen wird. seine urspningliche Form :ab· legend, die der Sprache annehme. Nur so gelingt die Verwandlu"g der \Velt;n SpYllcht (Herv., U.W.), und vollendet sich das Symbolisiren der Sprache auch vermittelst ihres grammatischen Baues'" (VI 18).
Nicht nur unterstreicht Humboldt hier die ,Einbildungskraft' als Verbindungsmomcl1t und Symheseleistung im Hinblick auf ihre RoUe als Konstituieruogsvermögen sprachlicher Wir_kJichkcit, er erkennt den ,Sprachsinn' als das allein herrschende Prinzip dieser Konstituierung, das sich in der verwirklichenden Tätigkeit des sprachlic.hen ,Symbolisirens' ausdrückt. So ist auch die Sprachform eben nicht Repräscmant der Wirklichkeitsform, vielmehr nimmt letztere die Form der ersteren an, um sich selbst zu bilden, und übe,rläßt der Welt der Sprache damit den Primat, der im aristotelischen Verständnis die .Wirklichkeit' aus- und kennzeichnet. Form als Ursprung erhält Äußeres so in sich, daß sie in der Wirklichkeit der Sprache als innere wirklichke.itskonstitutiv neu zu entstchen vermag. Humboldts Transformationsprojekt ist also 1827 im Dualis-Text in den wesentlichen Grundzügen bereits enthalten, die, Verwandlung der Welt in
Vierter Teil: Die Ordnung der Sprache
448
Spr:lchc' jedoch noch nicht in den letzten Konsequenzen verstanden und
durchgeführt. Humboldts Thcoriecmwicklung in diese Richtung setzt sich fort. 182729 schreibt er in Ober die V(>rsclJiedenlJe;len des menschlichen Sprachbattes einen Text, der die sprachtheoretische Auseinandersetzung, die von 1830-35 in der Kawi-Einleitung auf die Spitz.e getrieben wird, hislOriseh, gedanklich und systematisch vorbereitcr. 1 Hier ist der Tcmlinus der ,Ver-
wandlung' gleich mehrfach vertreten u.nd dies i.n doppelter Bedeutung. .Im 30sten des in 155 Abschnitte gegliederten Textes ist Humboldt wieder einmal dabei, den ,hermeneutischen Zirkel' des Vergleichenden Sprach-
scudiums, also die Frage, ob vorderhand die einzelnen sprachliche.n Einheiren oder besser d:los Ganze einer Sprache untersucht werden soll. aufzufächern. Er neigt (nicht nur) an dieser Stelle dazu. der ganzheitlichen Sp~chbetrachtung den Vorl.ug zu geben und schreibt: ..Denn jc.,'de Sprache besitzt, ungeachtet der Aclmlichkeil der hervorbringen. den Ursachen. der technischen Mittel und des Zweckes aller. eine c.mschiednc Individu3lität, und diese wird nur in ihrem Zusammenwirken gcfijhlt. Die Zergliederung ist nothwendig, um dies Gefühl in Erkenntnis$ zu vcrw.mdeln. sie vcrdunkelt abcr allelnal in etwas die Anschauung der Icbendigen Ei· gcnthümJichkeit, schon dadurch. dns$ eben jcnt VcrwaJldlHllg des Gefiibls in Erke""tniss (l-fcrv.• U. W) nie ganz. vollSliindig vor sich gehe.n kann. Es ist daher der bessere ""eg. die I)rüfung einer Sprache bei ihrem TOlaleinclruck anzufangen, es verbreitet sich alsdann wenigstens jenes Gefühl auf die ganze Folge der Untersuchung" (VI 147).
Humboldt, hier auf der Suche nach geeigneter Methodologie im Hinblick auf die für ihn zcntrale Frage, was die Identität einer Sprach{' im Kern ausmache, nur:-Lt den ,VenvandJungs'-Terminus diesmal, um gleichsam die Transformation von ,divinarorischer' in ,komparative' Erkenntnis zu kommentieren. Das holistischc Erkennen produziert nach Humboldt gegenüber dem auf Einzelheiten gerichteten immer einen inhaltlichen Überschuß, der nicht als solcher analytisch festgehalten und eindeutig bestimmt werden kann. lmeressam in demnach, daß der ,Verwandlungs'Terminus hier wiederum in einem Kontext belichtet wird, in dem für Humboldt ein bestimmter Vorgang unbedingt wahr, theoretisch verbindlich und sachlich klar ist, jedoch dennoch ein ErkJärungsdefizit im Hinblick auf den endgültigen Vollzug innerer Prozeßhaftigkeit bleibt, der auch durch noch so weit getriebene und noch so tief sezierende Analytik nicht umf-assend würde beschrieben werden können. Was bleibt, ist eine J
Vgl. die ,8cmcrkungcn 2.ur Entslehungsgcs,hi,hte' diescs Tcl:trs HI).
VOll
A. Leilzma.nn (VI
10. Humboldts Aufklärung: Ansichl'cn sprachlicher Wirklichkeit
449
von dem Erklärungsdefizil unberührte unbedingte Gültigkeit des transformatorischen Aktes, die im Terminus der ,Verwandlung' zum begrifflichen Ausdruck kommt. Abschnirt 61 enthält eine Verwendung des Verwandlungsmorivs von der theoretischen Qualität der Dualis-Schrift, wenn auch die Formulierung der Weltverwandlung in Sprache don nicht explizit auftritt. HUOlboldt inventarisiert den Terminus in einer der zentralen Passagen des Verschiedenheiten-Textcs und weist zunächst rückblickend darauf bin, daß er .die Sprache als Organ des Denkens" (VI t 79) dargestellt und sich gleichermaßen bcmüht habe...i.hr (der Sprache, U .W.) in der Thätigkcit ihres Erzeugens zu folgen. leh wende mich jetzt zu dem durch das Sprechen, oder vielmehr durch das Denken in Sprache Erzeugten" (VI 179). Wie so häufig wird man nach Andeutungen oder gar Ankündigungen Humboldts. die Argumentation werde nun konkrete,r. womöglich unmißverständlich ,gegenständlicher', auch im vorliegenden KOlllext erst einmal bitter enn-äuscht, denn ..auch hier findet sich. dass die Vorstellllngsart, als thue die Sprache- nicht mehr. als die an sich wahrgenommenen Gegenstände zu bezeichnen. we.it entfernt ist, ihren tiefen und vollen Gehalt zu erschöpfen" (VI 179). Humboldt wendet das Problem. nachdem er festgestellt hat. daH schlechthi.n jeder ..Begriff o.hne sie (die Sprachc, U.W.)" (VI 179) nicht möglich ist und daß darüber hinaus ..jeder äussere Gegenstand nur vermittelst des Begriffes (...) \Vesenheit" (Vl 179) enthält, diesmal auf die Subjektivitätsvoraussetzung der Erkennrnisproblematik. Diese Voraussetzung. kommentiert mit der Beobachtung, daß jedes Wort .. njcht cin Abdruck des Gegenstandes an sich, sondern des von diesem in der (subjektiven !, V.W.) Seele erzeugten Bildes" (VI 179) ist, findet'ihren Niederschlag dari.n l daß die Sprachlichkeir des Menschen seine Individualität garantiert: ..Da aller objectiven W2hrnehmung unvermeidlich Subjcctivil2CI beigemjscht iSl, so kaon man SChOll un2.bhängig von dcr Sprache jede menschliche lndividualiläl als einen eignen St'3ndpunkt der Wdlansicht bClr:lchrcn" (VI 179).
Das auf den ersten Blick verwirrende, ja paradoxe Postulat, Individualität gelte auch unabhängig von der Sprache, darf hier nicht mißverstanden werdcn. Die konsla,tierte Unabhängigkeit ist nur eine modellhafte, die die Sllbjek(-Objekt-Relation in Hinblick auf dje Wahrnehmungsproblematik auf deren systematischen Kern reduzieren hilft. \Veltansicht als subjektive Ansicht einer Welt der Wirklichkeit kann immer nur begrifflich und damit sprachlich gegeben sein. Ers[ dadurch entsteht I.ndividualiciit als wirklich und geht über ihr Postulat, prinzipiell als Referentielles möglich zu sein, hinaus. Das weiß Humboldt, bescheinigt der Weltansicht deshalb,
•
450
Viener Teil: Die Ordnung der Spn.c.he
daß ,.sie aber noch viel mehr dazu durch die Sprache wird (Umst., U.W.)" (VI 179), und stellt schlielUich Fest, "da nun auch auf die Sprache in derselben N;uion eine gleichartige Subjcctivitaer" (VI 179) des i.n dieser Hinsicht analogen SprachJaurcs derart einwirke, daß man schlechterdings behaupten könne, daß nicht nur in der Sprachtärigkeit des Einzelnen, sondern ..in jeder Sprache eine eigcnchümJiche WeJtansichr" (VI 179) liege. Um nun die transzendemale Korrelation zwischen angenommener Wirklichkeit ab Rcfercnzraulll und tatsächlicher Sprachwirklichkeil richtig zu fassen. eine Fragestellung, die sicb aus der zunächst nur argumcm:;l[iv erschlossenen national-individuellen ,Kollektivierung< des ,We!tansichten·-MOlivs fasl z.wangsläufig ergibl, kommt der ,Verwandlungs'Terminus erneut ins Spie!: "Wdtansichl aber ist die Sprache nicht bloss. weil sie. d:1 jeder Begriff soll durch sie erfasst werden können, dem Umbngc der Weh gleichkommen muss, sondern auch deswegen, wcill"rst die Verwandlung, die sie mit den G~ gensrändcn vornimmt, den Geisl ~ur Einsicht des von dem Begriff der Well unzertrennlichen Zusammenhanges fiihig molch I" (VI 179·180). Die Verwandlung der Welt in Sprache ist demnach nicht nur Voraussetzung dafür, überhaupt Gegcnstände wahrnehmen zu können, ohne diese Verwandlung, die gleichermaHen den transzendentalen Akl semiotischer Symhcsis bedeutet, ble.ibt Erkenntnis auf Einzelheilell gericbtet. panikuJär und damit kognitiv oricnricrungslos, sie wird gar nicht zur Erkenntnis im transzendentalen Sinne. Das Vcrwandlungsprojeln ist unbedingte Voraussetzung dafür, sich in irgendeiner Form auf die Rcferenzobickte der Welt als .Möglichkeit' so zu beziehen) daß sprachliche Wirklichkeit entsteht; "Denn erst indem sie (die Sprache, U.W.) den Eindruck der (rcft'rcmidlcn, U.W.) Wirklichkeit auf die Sinne und die Empfindung in d.:los, als Organ des Denkens eigen vorbereitele Gebiel der ;trticulirten Töne hinüberführt, wird die Verknüpfung der Gcgeosl5nde mit den klaren und reinen Ideen möglich. in welchen der Wdtzusammenhang ans Licht triu" (VI 180). So z.iebt Humboldt die ejnJeuchtende und viclbeschworene Konseque.nz, daß ,.der Mensch auch hauptsächlich mit den Gegensränden, so wie die Sprache sie ihm zuführt, lebt (Umst., U.W.), und da Empfinden und Handlcll in ihm von seinen Vorste.llungen abhängt, sogar ausschließlich so" (VI 180). Der Weltzusammenhang tritt ans Licht, sobald Sprache als Sprache mögliche referentielle Wirklichkeit zur Weltansichr fühn. Dann erst' s.ind die Gegenstände so verwandelt, daß Wirklichkeit aJs Sprache zur Erscheinung kommt. Nur am Rande sei erwähnt, daß der Verschiedenhehen- Text auch noch eine andere Bedeutung von ,Venyandlu,ng' kennt, und zwar im Rahmen
10. Humboldts Aufkliirung: Ansic:hren sprAchlicher \\;'irklichkeit
45 I
der Veränderung grammatischer Formen.J Si.e kann an dieser Stelle vernachlässigt werden, wenngleich Humboldt in dieser damals durchaus üblichen.t sprachwissenschaftlich handgreiflichen Bedeuwngsvariante möglicherweise ein Vorbild für die Entwicklung und Erweiterung seines erkenntnis- bzw. sprachtheoretischen Ensembles gesehen haben mag. Zentral bleibt aber das Motiv, das das Erkennen nicht nur als ,die Einverleibung der Weh i.n die Tätigkeit: des Subjektes' beschreiben will, sondern dieses Erkennen als ,Umschaffung der Welt in das Eigenthum des Geistes' immer als grundständig sprachlich interpretiert. Ein Unternehmen also, das schließlich in der Kawi-EinleitH,ng als unhimergehbare Bedingung al.ler Weltkonstitufion bis zu seinem Ende hin enrworfen wird: "Zwischen dem Sprnchbaue aber und dem Gelingen aller: andren Anen inlcllecrucllcr Thiitigkeit besteht ein unläugbarer Zusammenhang. Er liegt vorzüglich, und wir betrachten ihn hier allein von diese,r Seite, in dem begeisternden Hauche, den die sprachbildende Kn.ft der Spn.che in dem Acre der Verwandlung der \Veh in Gedanken (Herv., V.W.) dergestaJt einnösst, dass er sich durch alle Thcile ihres Gebietes harmonisch verbreitet- (Vll 41). Humboldt muß in den nun folgenden Ausführungen, die durch die Verwandlungs passage in gewisser Weise eingeleitet werden und die die zentralen Abschnitte des Textes überhaupt darstellen (,Uebergang zur näheren Berrachwng der Sprache', ,Form der Sprachen' und ,Natur und Beschaffenheit der Sprache überhaupt'), die sprachliche Bedingtheit des .Projektes nun nicht mehr eigens herausstreichen, sie gilt ihm als selbstverständlich: .,Eine Sprache in ihrem ganzen Umfange enthält aUes durch sie in Laute Verwandelte" (VIT 62). Das sprachtheoretische Bewußtsein des Tegele.r Philosophen ist in der Kawi-Einleitung vor allem dadurch ausgezeichnet, daß das in den letzten Jahren seines Nachdenkens schon seit langem Vermutete und bereits mehrfach Behauptete reflexiv so eingeholt wird, daß das Verwandlungsprojekt auch zunehmend in den inneren Bedingungen seines trans-formatOrischen Charakters verstanden wird: "Denn indem wir an ihrer{der Sprnche. U.W.) Hand in eine Welt von Laut'en übt·rgchen. verlassen wir nichl die uns wirklich umgebende; mit der Geserz3
Vgl. dazu: Soll wirklich ein Medium in di~t' Fonn treh:n, $() hiingt man, olme weiue Verw~lldlung. blass die Endun15 tzil/O<J d.lr~ll" (VI 213). - .Die Ansel"zung dl1c~ ("" iSI aU5Ser~ dem, wenig$[cns im Prae$"ns nicht ohne Beispid im Romanischen, tMUC für vau. 1('11("" für Wl. ( ..•) SoHlen nicht ;luch CNg und allg (die I);lrticipia. \.'on CHiJar und aNz,r). die Ra'y. Mu:tm für Verwandlungen \'on ,J und l in g hili (•..), so erklirt w('rden mÜ$sen?- (VI 284) - ~Zu der ersteren dieser bciden Arten rtthne ich die Verw:tndlung ...on f! in Il' und 0 in kC (VI1S6), - .. Oie Vcrw~ndlung gehört der ursprünglichen Volknusspl'1l.:he an; die &hri(f5pr:l.che scheint ihr nkhr immt'r treu geblieben zu sern, und wo sie jetzi Wörter aufnimllll, erhält su: ihncn ihre reinen Laute" (VI 251). M
Vl.. ntr Tdl; Dir Ordnung dl.'f Sprache
452
mässigkcit der Natur ist die ihres eignen Baues verwandt, und indem sie durch diesen den Menschen in der Thatigkcit seiner höchsten und menschlichsten Kräfte ;lnr~'glt bringt sie ihn auch überhaupt dem Verständniss des formalen Eindrucks der Natur näher, da diese doch auch nur als eine wenn-
gleich unerklärliche Entwicklung
g~isriger
Kräfte betrachtet werden kann
M
(V1I61).
Der ,Verwandlungs'-Tcrminus Humboldls muß also doppelt verstanden werden. In erkcntnislheoretischer und erkennrnispragmarischcr Hinsicht wird die ,Welt' durch den sprachlichen Konstitulionsakt erst im Sprachlichen wirklich. In sprachtheoretischer Hinsicht ist die innere Ordnung der
Welt der \'(lirklichkeit als Ordnung der Sprache angesprochen, die dem gcgcnstandskonslitutiven Charakter der Sprache analog transformiert werden muß. So löst Humboldt den für lhn c.harakteristischen Anspruch ein, daß das Vergleichende Sprachstudium imm~r gegensrandsadäquat bestimmt ist. und begründet damit eine innere Rcflexivit:lr des TransformaLionsprojektes. in der Sprache und Sprachtheorie - auch im Hinblick auf das ihnen zugrunde liegende ,Verwandlungs'-Motiv - notwendig a.nalog agieren. Ein Terminus, in dem diese innere Reflexivität und Interdependenz der Unternehmungen zur Sprache besonders zum Ausdruck kommt. ist der des ,Verfahrens',
10.2 Grundlegende Einsichten: die Verfahrensbedingungen Eine zentrale, allem weiteren zugrunde liegende, Parallele zwischen der
Suche des Aristoteles nach den Entstehungsbedingungen von \'V'irklichkeit und der Humboldts nach dem sprachlichen Charakter eben dieser Wirklichkeit findet sich in den in heuristischer und den Bestimmungsort wissenschaftlicher Erkenntnis betreffender Hinsicht so uneingeschränkt hohen Anspruchshaltungen heider Theoretiker. Hat Aristoteles nicht weniger als die Ermittlung dessen im Sinne, was das Wesen der Dinge schlechthin ausmacht, beschreibt Humboldr den Charakter seines Projektes sprachlicher Klärung und Aufklärung selbst' treffend mit dem Tenninus des ,Verfahrens'. Nicht reduktionistischer Kleinmut trägt deo Gang der Untersuc.hung in einer Welt der Sprache. sondern die Einsicht in den umfassenden Geltungsanspruch der Unternehmung: .. Ich nehme hier d:lS Verfahren der Sprache in seiner weitesten Ausdehnung, nicht bloss in der Beziehung derselbe.n auf die Rede und den Vorr.uh ihrer
10. l-!ulllOOldtS Aufkl;irung; Ansichten sprachlicher Wirklichkeit
453
Wortdementc, als ihr unmittelbares Eroleugniss, sondern auch in ihrem Verh:ihniss zu dem Denk· und Empfindungsvermögen. Der ganze Weg kommt in Betrachtung, auf dem sie, v(lm Geiste ;ausgehend, auf den Geist zurückwirki" (VII 53).
Humboldt legt demnach großen Wen darauf, ,Verfahren' nicht als mechanistisch-mcthodologischen Begriff der Untersuchung offen daliegender Sprachstrukruren und -elemente auszumessen. sondern will den Prozeßcharakter alles Geistigen immer schon als wesenhafte Attribution des Sprachlichen attestiert wissen und dieses Verständnis damit - so die vielleicht wichtigstc wissenschaftsgeschichtliche Konsequenz überhaupt - zur Grundlage ei.ner Sprachwissenschaft. machen, die ihrem Gegenstand adäquat und kommensurabel einem prozenorientierten Deskriptions- und Analysecharakter folgen muß: diese doppelte Blickrichrung findet im Ter· minus des Verfahrens seine eindringlichste begriffliche Ausstattung. Was dies jedoch heißt und was der Charakter des •Vcrfahn~ns' letztlich bedeutet, nimmt man es ,in seiner wcitesten Ausdehnung', wird erst deutlich, gewahrt man die innere Paradoxität der aus dieser Bestimmung resultierenden Sprach-Untemchmung. Ein Rückblick auf das Foucaultsche Projekt eines archäologischen Wissensverständnisses macht die Problematik in ihrer Originalität kenntlich. Foucault schrcibt: .. Der Begriff der Diskontinuität ist paradox: er .ist zugleich I.nSlrument und Gegenstand der Untersuchungi er grenzt" das Feld ab, dessen Wirkung er ist; er gestattet die Vereinzelung der Gebiete, kann aber nur durch ihren Vergleich fest· gestellt werden"". Hier ergibt sich eine eigentümliche Korrespondenz, die als grundlegende Einsicht nicht nur die Analysen des ,Wissensarchäologenf Foucault, sondern auch die des Philosophen Aristotcles und des Sprachtheorctikers Humboldt wie ein roter Faden durchziehen: Das, was beschrieben werden soU, der Untersuchungsgegenstand, ist immer schon zwangsläufig auch das Mittel seiner Untersuc.hung. Was bei Foucault die ,Diskontinuität' ist, ist bei AristoteIes die ,Wirklichkeit', deren paradoxer Charakter es bedingt, ebenfalls nur in ihrem eigenen Gelrungsraum akrual beschrieben werden zu können. und bei Hu.mboldt ist es schließlich die ,sprache', die nicht außerhalb ihrer zugänglich werden kann: nur sie selbst ist in der Lage, den Rencxionsraum bereitZustellen, in dem sie erkannt wird. Diese Paradoxität des theoretischen Unternehmens kommt bei Humboldt im reflexiven Terminus des ,Verfahrens' und dessen glcichzeitiger gegenstandsveranrwo.n"cter Unbeschränktheit zum Ausdruck. Es ist nun gerade Humboldts Leistung, daß auch aus dieser inneren Widersprüchlichkeit. dieser aporetischen Grundstruktur der Sprachwisse.nI
Foucault. M.: ArcJJiiologl~ dts WÜsrtlJ. Fr.ankfurt
11m
M:lin (6. Aun.) 19'H. S. 18.
454
Vit:rtCT Teil: Die Ordnung der Spr:l.che
schaft., eine ihrer wesendichsten Einsichten entsteht, die H.-W. Scharf folgendermaßen zusammenfaßt: "Auf dem vielschichtigen und rolgenrcichen Deutungs- und Imeressenhintcrgrund des ,Verfahrens der Sprache' erscheint bereitS Humboldts Sprathdenkeo - so die wissenschaftsgeschichtliebe NebenkJage (die aus heutiger Sicht eigentlich als Hauplklagc identifiziert werden muß, U. W.) des Prozesses - als die cigem.lichc Transformation reiner Erkenntnis- in Sprnc.h-Theorie; eine Wendung, die in der neueren sprachphilosophischen Diskussion gemejnhin erst als originäre -Leistung WingenStl!:lß5 angenommen wird"~.
Aus der inneren Widerspruchlichkeit des ,Verfahrens l emslch[ so des Verfahrens (der Sprache) wichtigster Befund gleich mit. Neben den theoretischen Konsequenzen wird aus der Einsicht in die mocre Par:l.doxität des Untersuchungsprozesses aber auch der Charakter der wissenschaftlichen Heraogehcnsweiscn. die der Leser bzw. die Lescrin zunächst als störend und unsystematisch empfinden J verständlich, so z.B .• wenn sowohl Foucault als auch AristOleies als auch Humboldt trotz oder gerade wegen der prinzipiellen Offenheit ihrer systematischen Entwürfe vor allem auf die inneren Bezüge der von ihnen selbst \'orgestellten Begrifflichkeit verweisen und auf diese setzen müssen: alle drei verwenden Erldär-ungsmusterJ die in sich selbst valide und reliabel bleiben müssen und weitgehend ohne systematische :HiJfeslcUu.ng von außen auskommen können. Darüber hinaus werden vorschnelle und allzu feste Definitionen wiederum von allen dreien aus g'utem Grund vermieden, denn im nächsten Augenblick der Argumentation und je nach thematischem Kontext können veränderte Beschreibungen des begrifflichen RepertOires nötig werden, die in dem dann statdiod.enden Gültigkeitskontext präzise stimmig sindJ ohne jedoch das bislang Gesagte, das kontextuell davon abweicht, fundamental in Frage zu stellen. Die ldentifizierung des sprachlich-sprachwissenschaftlichen Ensembles als Verfahren und Proz.eß deckt demnach - und das ist seine wichtigste wissenschaftsmethodologische Funktion bei Humboldt - auf, daß hier keinesfalJs analytisches Unvermögen im Spiel ist, sondern der Charakter der Untersuchung aus dem Gegenstand selbst erwächst. Es ist somit nicht (ausschließlich) wissenschaftshistorische Versagensanalyse, sondern Beobachtung eines konstitutiven Moments von Sprachwissenschaft, wenn Scharf feststellt, daß diese .,die Unsicherheit bezüglich ihres Wissensehaftscharakters mit anderen Forschungsfeldern teilt (Umst., U.W.),
~
Scharf. H.-W.: Da1 V~rfaJm!tl dtr Sprache. l1umboldt g~gerl Chamsky. Padc.rborn u.a. 1994.S.21.
10. Humboldu Aufkliirung: Ansichten $pn1chlichr-r Wirklic:hkC'il
455
die U nentschiedenheit hinsichtlich ihres Gegenstandsverständnisses indessen das spezifische Grundlagenproblem"'(, eben dieser Sprachwissenschaft zu sein scheint. Im Terminus des .Verfahrens· hält Humboldr diese Problematik begrifflich und konzeprudJ lebendig und zeigl, daß jede gegenständliche, eindeutige und abschließende (Auf-)Lösung des Problems dem umfassenden Fragehorizo.nt des Vergleichenden Sprachstudiums widerspricht. Daß dies so ist, hat eben mit dem Gegenstand des Studiums, der Sprache selbst, zu tun, so daß sich der eigentlichen Kardinal-Frage, was denn die Sprache sei. und z.war sowohJ "in i.hrem wi.rklichen Wesen aufgefasst" (VU 45). als auch noch unter verschärften Bedi.ngungen derart, daß sie nämlich ..etwas beständig und in jedem Augenblickc Vorübergehendes" (V1.l 45) sei, nur sehr wenige Sprachtheoretiker wirklich zu stellen vermochten. Ein veranschaulichender Seitenblick auf den ideenhistOrischen Kontcxt Humboldtscher Theoriebildung, der in der Kawi-Einleitung unverstcckt präsent ist. macht plausibel, warum der Tegeler Philosoph zwischen diescn schwierigen systematischen Fallstricken hindurch (z..B. anders als die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) derart Ruhe bewahren konnte. 'Es kommt Humboldt zugute (und die Verbindung wird erst auf den z.weiten Blick deutlich), daß er den Wesens begriff der Sprache in einer Zeit zur Bestimmung führt. die historisch das idemizä·upoLitische Konzept der Nation pJoou.ktiv von der Sprache her verstehen will: "Die Geistescigenthümlichkeit und die Sprachgenaltung eines Volkes stehcn in solcher Innigkeit der Verschmelzung in einander, dass, wenn die eine gegebe.n wäre, die andre müsste vollständig aus ihr abgeleitet werden können. Denn die IntelJcerua!.itiit und die Sprache gestatten und befördern our eina.nder gegenseiLig zusagende Formen. Die Sprache ist gleichsam die äusserliche Erscheinung des Geistes der Völker, ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich heide nil!: identisch genug denken- (Vn 42).
Humboldt .ist gar nicht erSt versucht, eine Sprachwissenschaft abseits der Sprache und der Konkretion des Sprachlichen zu generieren, die deren Eingebettctheit in den kulturellen Konte~t, also ihre äußerlichen Entstehensbedingungen (die gleichwohl immer schon innere sind), vergißt. Daher ist es auch gerechtfertigt, daß .. man von den zerstreuten Elementen bis z.u dieser Einheit hinaufsteigt, (denn so, U.W.) erhält man wahrhaft eineo Begriff von der Sprache selbst. da man, ohne ein solches Verfahren, offenbar Gefahr läuft, nicht einmal jene Elemente in ihrer wahren Ei• Scharf.
V",!(jhr~n.
a.a.O.. s. 15.
456
Vietu~r
Tc-il: Die
Or~Jnung
der SprJchc
gcmhümlichkcit und noch weniger in ihrem realen Zusammenhange z.u verstehen" (Vll 50). Gleichermaßen ist das Diesseitige eines solchen Sprach(wissenschafts)bcgriffs aber auch nicht bloße positivistische Deskription, dem1 .. die z.u ihrem (der Sprachen, V.W.) Studium unentbehrliche Zergliederung ihres Baues nöthigt uns sogar sie als ein Verfahren zu betrachten, das durch bCSlimmtc Mine! zu bestimmten Zwecken vorschreitet, und sie insofern wirklich als Bildungen der Nationen anzusehen" (VII 46-47) sind.•Vcrfahren t ist somit ziclgcrichlcICS Konstitulions-
prinzip von Sprachen als ihrer Differenz und wird zwangsläufig als Konslitutionsmcrkmal von Sprac.hwirklichkeit gleich lJ'...itgelieferL Es ist ausgerechnet die Verschiedenheit des memchlichen Sprnchbalter, die verstehen läßt, warum die Spracbc conditio sille qua non für die geistige Emwicklung des Menschengeschlechts ist. Eine ,Gleichheit' des Sprachbaues macht die Beobachtung des ,nic-idemisch-gcnug-Denkens' nahezu überflüssig und auch unsinnig, weil sie sich letztlich in der Banalität eines naiven Repräsentationismus verlieren würde. Die Differenz der Sprachen macht erst die Frage nach der Einheit von Sprache und Wirklichkeit sinnund die damit verbundenen Konsequenzen bedeutungsvoll. Sie ist obligater Garant dafür, daß die Erkundung des Wesens der Sprache problematisch, und damit gegenstandsadäquat, bleibt, All dies bezieht Humboldc in seine umfassende Verfahrensbestimmung cin, so daß für ihn auf der Suche nach den Bedingungen eines Verfahrens, i.n denen das Sprachliche die Differenz als Einheit aushält, der Weg in die erste, weil grund.legendste, Wissenschaft unumgänglich wird: die Ontologie, die (u.a. in ihrer aristotelischen Variante) eben dieses Problem aushalten und beschreiben kann. Wie die Chronologie von Humboldtr Erben gez.eigt hat, bekommt man kaum eine befriedigende und gleicbermaßen zügige Anrwort auf die mit Humboldts Sprachprojekt verbundenen Fragen (wohl aber ungebremst alle synematischen Schwierigkeiten), blickt man nur isoliert auf Humboldts ,Energeia'-Diktum zum Wesen der Sprache in der l-foHnung auf Klärung. Das ,Diktum', d.u> ich in der Einleitung zu dieser Studie bereits als ,semantisches Tor' bezeichnet habe, weist außer dem prinzipiellen Postulat von Spracbwirklichkeit wenig mehr als den Weg in und einen An· knüpfungspunkt ao Humboldts Transformationsprojekl. Es soll nun auf dem Hinte.rgrund des bislang Entwickelten, um den Preis mancher Wiederholung, noch einmal zusammenfassend gedeutet werden, um den Ein~tiegscharakter greifbar zu machen und vor allem, um die Grenzen seiner Erklärungsprodukovität für das Sprachverfahren aufzuzeigen.
10, Humboldu Aufklirung: Ansichten spNchlicher Wirldichkcit
457
10.3 ,Ergon' und ,Energeia': das semantische Tor Humboldt verwendet den .Encrgeia&-Begriff in seinen Schriften nur ein einziges Mal und zwar entgegen der durch den Begriff ausgelösten Rezeptionseuphorie auffallend leidenschaftslos, Die Singularität der Verwendung hat in wissenschaftspsychologischer Hinsicht zweifellos die Rezeptionsoption des Di.ktums massiv erhöht und dessen wissenschaftsgesch.ichtliche Imhronisation erheblich begünstige. denn jede erneute , Es ist rin nicht seltC'n auftrttwdt'5 WISSC'lIschaftshistorischC$ und 11"..inen~hdtspsychologi KhfS PhinllmC'n. daß diC' Häufigkeit dC'r Nennung eines Terminus im di:ulletNlcn GegenSAtZ l.U seiner wirkungsgeschichtlichen RelC'vanz stcht, Vor allem Termini, (ur dit' t'S nur einen Bdrg gibt, erl.angcn (allein) wegen di$r singulirrn Sttllung o(uJU.!s erlll'blichr Bedeutung In wissenschaftlichen Diskursen. Zwei IkispitlC'. die systematisch jeweils grundvc:rschicdt'n gdagen sind, te:doch phinomr:nologisch genau dieses Merkmal der singulären Nennung gemc.insam h.alK-n, scie:n hia .angeführr. (I) Im Ahbochdcuuc"c.n mUt du KopulatiYkompositum ,sunufaunmgo' (.der V,Uer und da Sohn') cin sog.• Ii,l,pax legom~ non' dar (vgl. Braune, W. und Ebbingh~lJs, E.:A/tboehduuchu Lc~bl4ch. Tübingcn 1969. S. S"). Als ,Hapax Icgomenon' wird im Komat der SpraehgdChichuschreibung ein (haufig in seinu Bcdeutunß nieh, genau bestimmbares) Won einer nicht mehr gC':Sprocht'nen Sprache \·t'r5unden, das nur t'inmal bcle:!;t ist. Trotz oder gerade wq;cn (lir:ser Singularitat seines Vorkommens wird du angeführte Beispiel aber häufig herange:wgen, cbr:ß nicht nur theoretisch und st'm;lmisch für sich selbst zu ,tc:hen, sondern um wiederum du wissen.schaftliehe Phänomen ,H3.palt" Icgomenon' 7,U erklär~n. Die Beweisführung gt'winnt damit quasi ,Umkehrch.u
m
458
Vierter TMI: Die Ordnung der Sprache
Verwendung und Einbindung des Terminus durch Humboldt hätte die nachträgliche Auslegung aus der Sicht der Rezeption zusätzlich erschwen, ihn der vermeintlich disponiblen sprachwissenschaftlichen Verfügungsmasse entzogen und von der Rezeption mehr Sorgfalt bei der TC· konS[ruktiven Verortung des Diktums im Gesamtgefüge Humboldt5chcn Sprachdenkens verlangt. Als Einzclphänomen jedoch war das Diktum besonders a.nfällig dafür. ungehemmt mit sprachwissenschaftliche.n An-
spruchshaltungen beliebiger Natur aufgefüllt Zu werden und mit der ihm ohne Begründung unterstellten Relevanz ungchenllme Vcrselbständigung zu erlangen. Ocr Singularität korrespondiert also rriumphalistischc Überhöhung ebenso wie Auslegungsunsicherheit. Vor allem durch die Zuschreibung eines üherhöhu:n sprachwissenschaftlichen Gewichts des Dik· [Ums, die nur durch seine lsolierung aus dem Kontext möglich wurde, ist die Rezeption der Erben Humboldu jedoch oft fehlgegangen. indem sieund nun sind wir bereils mitten im Text von Humboldts Kawi-Einleitung - auf weiten Strecken der Versuchung erlag. oriemierungslos lieber de.n schillernden ,Energeia' .Begriff für die Sprache z.u posluJiercn anstatt den schwierigen prachbegriH in den Minelpunkt mühsamer theoretiscber Klärung zu stellen. \"'ie sich erwiesen hat, waren selbst die damit eher spärlich verbundenen Hoffnungen auf Humboldts ,Belehrung' dann auch häufig vergeblich oder konnten nur sehr begrenzt eingelöst werden. Durch Humboldts Einklammerung der ,Energeia'-Vokabel wird das Di.k· rum aber explizit als nüchterner, sachlicher Kommentar markiert und erhält seine größte Tragweite zweifelsohne dadurch, daß es in den zentralen Passagen der Kawi-Ein/eiwng implantiert ist, also durch seine Positiomerung an zentraler Stelle im sprachtheoretischen Argumenutionsgang. Erst der Zusammenhang dort macht Aufgabe, Bedeutung und Funktion des Diktums hinreichend deutlich: .. Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgebsst, ist etwas beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes. Selbst ihre Erhaltung durch die Schrift ist immer nur ('ioe unvollständige, mumien artige Aufbewahrung, die es doch erst wieder bedarf, dass man dabei den lebendigen Vonrag zu versinnlichen sucht. Sie sdbn ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thäugkeit (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische seyn. Sie ist nemJich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den aniculinen Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen. Unmittelbar und streng ge· nommen. ist dies die DeflOjtion des jedesmaligen Sprechens; aber im wahren
Spracbu:anJr/. Tübiogcn (2. Aufl.] 1990. S. %). Zur Metapher der .WlSKhtba.rcn H:rnd' vgl. Winter. H. und Rommc:1. T.: AJ.m Smj,h IMT Mfangt-r. Drr \f'oh/sland drr Natlonrn München Im. s. 8.....88.
10. Humboldu Aufklirunl;: Ansichten spr.1chlichcr Wirklichkeit
459
und wesentlichen Sinne kann man auch nur gle:ichnrn die Totllität dicses Spre:cbe.ns als die Sprache anKhen- (VU 45....6).
An keiner anderen Stelle - und damit ist bereits die wesentliche Funktion des Diktums angesprochen - sagt Humboldt so theoretisch prägnant, welche Qualität seine Charakterisierung der Sprache als ,Thätigkeit' haL Mit ,Th.ätigkeit' ist hier gemeint, daß die Konstituierung von Sprachwirklichkeit mehr ist als purer Zufall, kommunikative Gelegenheit oder subjektive VerrichNng bei gleichzeitigem kollektivem ErkJärungsvcrz.icht, sie ist vielmehr Wirklichkeitskonstituierung schlechthin, weil sie ,die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes" als erst in der Sprache wirksam erkcnnL Damit erkennbar wird, daß hier diese grundsätzliche Argumentationsebene a.ngesprochen ist,. leitet Humboldt das ,Energeia'-Dikrum expli.zit mit der Suche nach dem ,wirklichen Wesen' der Sprache ein und fähn nach dessen Nennung mit der Option auf eine ,wahre Definition< fon. Kein Platz also für spez.ifische und konkretisierende Herangehensweisen, hier geht es um das Wesen der Sprache in nuce. Mit diesen beiden Festlegungen sieht Humboldt den näheren systematischen Konte.xt des DikNms, der a.lso auch dessen Aussagequalität bestimmt, als hinreichend beschrieben an. Erst jetzt., im Anschluß an diese grundlegenden sprachtheoretischen PilasterS, ergeben sich für Humboldt wcitere Spezifizierungen, die als solche Erläuterungen des zuvor Konstatierte.n sind. So wird z.B. auf die ,Definition des jedesmaligen Sprechens' rekurriert, eine zunächst subjekLivitätstheoretische und gleichermaßen pragmatisch anmutende Einschränkung des Problemborizonts, die alsdann schon wieder zurückgenommen und mit der Bemerkung versehen wird, daß ,im wahre.n und wesentlichen Sinne" die menschliche Rede, also mindestens die ,Totalitiit (eben genau solchen) Sprechens', ,als die Sprache' angesehen werden müsse. Daß etwas ,die Definition des jedesmaligen Sprechens' ist., bezieht sich nur äußerst minelbar auf die Sprache (in ihrem Wesenscharakter), denn diese ,unmittelbar und streng genommene' Definition ist zunächst auf ,die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den articulinen Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zU machen', gerichtet. Die Fragestellung, was die Sprache ihrem wirklichen Wesen nach ist, ist hier also insofern schon wieder verlassen, als nun Konkretisierungen dje grundlegende Argumentation zwar nütZen sollen und in gewisser Weise Teil der größeren und prinzipielleren Aussage sind, es aber klar ist, daß mit jeder spezifischen Erläuterung bereits immer notwendig eine Reduktion der Wesensproblematik in Kauf genommen werden muß. Es sei • Als .Pilaster' wird tin mil pfdlff v~rsl;trldt'.n.
d~r
Wand verbundener. ;tUS ihr nur %.T.
hervonrrt~ndff
Stütz-
Vitntr Tril: Die Ordnung der Sprache
460
hier an den Begriff der ouala erinnert., bei deren Definition Aristmeles exakt vor dem gleichen Problem stand. Die Beobachtung, daß die Sprache den ,aniculirten LaU(' befä..higt, ,Gedanken z.um Ausdruck' zu bringen. schafft dann erneut die Verbindung zwischen ,tbätigcr' Wirklichkeit und prachlicher Äußerung und stellt somit eine Brüc.ke zwischen den heiden Argumentationsebenen dar, die trotzdem - so Humholdts Anliegen - als Argumcnrationsehenen letz.t1ich sauber getrennt bleiben müssen: Schließlich und endlich zielen heide Ebenen jedoc.h immer auf die .Sprache, in ihrem wirklichen \Vcscn( aufgcfaßt, und damit auf deren wesenhafte Wirklichkeit. Wie jedoch kommt Humboldt 'Zu diesen auf den ersten Blick äußerst diffizilen Abl;renzungen und Wertungen? Es ist hilfreich, sich einige Befunde der An3.lyse des aristOlelischen EvtQYtla-Bcgriffs n eh einmal vor Augen zu führen, um Humboldts zunächst syntaktisch erwas filigran, ja fast anifiziell, anmutende Argumentation liefer zu verstehen. E. Bcru gab die etwas behelfsmäßige, aber dennoch aufschlußreiche Orientierung, daß mit dem EVEm'Ela-Begriff des Aristotc.les mindestens drei Gesichtspunkte verbunden sind, nämlich die, ..die sich jeweils mit dem Begriff der Wirklichkeit al ,Bewegung', mit dem Begriff der Wirklichkeit als ,Sein' und mit dem Begriff der Wirklichkeit als ,Tätigkeit'''9 befassen. Analoges kann nun angenommen und auch aufgesucht werden, versucht mall das ,Encrgeia'-Diktum für eine SprachauHassung als ,Thätigkeit' zu lesen. In der Tat ist WirkJichkcirskonstiruicrung erstens mit Blick auf den erkenntnisbzw. sprach theoretischen Vorgang in gewisser Weise immer norwendig ,Bewegung' im Sinne von Veranderung, denn jeder Konstitutions-Akt ist als solcher ,Verfahren' und damit in einer Prozeßhaftigkeit gekennzeich~ net, die den Akt der semiotischen Synthesis immer auf das verweist, was diesem konstitutiv vorgängig in. Die Interpreten, die für die Humboldtsche ,Energeia' die übersetzung ,Wirksamkeit' gesetzt haben. konnten in d.ieser Hinsicht viel des aristotelischen Konzeptes in ihre Auslegungsbemühungen mitau.fnehmen, ohne die damit verbundene Bewegungsoption auf die subjektjve Sprechertätigkeit zu reduz.ieren. Der Begriff der ,Wirklichkeit' wird durch den Begriff der ,Wirksamkeit' als prinzipiell veränderlich gekennzeichnet. Jedes mystische Raunen, wie es mit dem deutSchen Terminus ,Kra.ft' verbunden werden ka.nn~ ist 2n dieser Stelle HumboldtScher Theoriebildung jedoch ausgeschlossen und steUt eine deutliche Überspannung dessen dar. was ,Wirwmkeit' im Kern bezeichnet. Wirklichkeitskonstituierung in der Sprache ist aber zweitens auch die jeweilig'e Instandsetzung von ,Sein', denn Wirklichkeit ist Sein in aktuaJcr • Bc.ni.
~D('t ß~riff
dt:r Wirklichkcoit", ~.~.O., S. 292.
10. HUnlboldu AulKbrung: Ansichten spnchlichcr Wirklichkeit
46 t
Verfassung. Jede Sprach wirklichkeit ist, wie die Wirklichkeit des aristotelischen tvtQYEla-Begriffs. einerseits immer bestimmte Wirklichkeit, andererseits verweist sie in diesem akruale.n Sein als Dasein des sprachlich Seienden immer schon darauf, daß bestimmte Bedingungen (im ontologischen Status der .Möglichkeit') erfüllt sein müssen, um genau dieses Sein und eben kein anderes zu sein. Sucht man über den Begriff der t,iQyfLa nun eben die Konstitutionsbedingungen dieses akrualen Seins als wesens mäßiges Sein auf, dann - und nur dann - ist der Begriff der Wirklichkeit als ,Sein' im aristotelischen Sinne und ,Thätigkeit' im humboldts hen Sinne angesprochen, und zwar deswegen, weil beide Konzepte von vornherein renexiv und auf das Verständnis ihrer eigenen Bedingungen hin angelegt sind (ganz anders übrigens als das ariStotelische E'gyov und das humboldtsche ,Ergon', was den Einschluß einer Möglichkeit der Sprache als ,Ergon' für Humboldt schon prinzipiell unmöglich macht). Aus diesem Grunde kann das ,Energeia'-Dikrum als semantisches Tor in eine Welt der Sprache verstanden werden, weil es keinen Sinn macht, von als ,thätig' erkannter Wirklichkeit zu sprechen, ohne die inneren Bedin· gongen dieser \'<'irklichkeit zu kennen. Drittens schließlich kommenriert der Tätigkeitsbegriff des Aristoteles aufs ueffendste das ,Thätigkeits<- Vernändnis Humboldu, denn höchste Tätigkeit als i:"tQYELQ war bei Aristo· teles immer das reine Denken (und niemals das poietische Handeln). T3tigkeit ist als OEwgla. da.nn höchste Berrachrung, wenn sie Denken des reinen Geistes ist und damit das a.nspruchsvollste Konzept von Sein als Tätigkeit überhaupt. Es gibt keint> vollkommenere Form der rrQ
Um so übt-rr.lschendrr iSI I:S. wcnn in Ttilen dl:r Humooldl-Forschung. gclUu dieser er--wtil~nt und mit deml.ltkl1 hQhcr RclN.lnz. ~usgt'SUt1C'te ,Th~tir.kcits··Bcgriff HumboldlS 3usgerechnC1 als Reaukliollwari:l.ntt' hingt'Slc1h wird. So monitrt MispidswciSt" R. Neu· r.nh: .Dn" Tiugkcitsgooankc wird wie Senerdl in der klolSsischcn deutschen Philosophie hierbei von Humooldl weitgehend eingegrcnzi gesehen ~ur geislig-intdlektudl~ Tiligktit(Ncul'2th, H.: ~Gramnlatik als Vcrfllhren-. In: Welke, K. fHf$g.J: Spra.cht' - Be.WHßIUillTimgkrjl. Zur Sprl.d,koIlUptlOIl U'i1hclm 11011 HumJ101du Bcrlin [DDR) 1986. S. 117-153. hier: S. 128). Ähnlich sirht dies W. Neumann in "Ober die Aktualit;i,t \'(In Hurnboldts Spraduuffmung~. In: Schildt. J (Hng.): Erbt' - VV17Iiich/rli, ,md V~rpf1l(·hlH"g. Zur ~p,.tlChU:lSSC1uchafilu:hcllFnr5cbHII& m d~r C~jdJlclJU d" AJUf der DDR. Be:rlin 1977. S. 101-118. U. Schmill: spricht in stint:m Beitrag ~Oie Umsch.lHunS der \\:lell in du Eigenlum des ~lSles. Zur AkwJ.litit liumboldls-. In: Geic.r, M. (I-Ing.): prAchbr.&NflUt!lJJ. Elf Ummuchungm l:lIni z.Mwmm~nha.1tg 'tIOI1 Spr.chU:WnI~h4t und lrultltrhlStonscbtT Pi.,.. (boIog,~. Slun&m 1979....9-70. d.l\"Qn. daß Humboldt ~d~n Titi~keiubegriff .lunchließ· lieh ideJoIßlj.sch r.Ißt (UlTUl.• U. 't~); S1ct"i &eht es nur Unl dl< als autonom untcNtelhc Tätigkeil des men hlieben GeiSI('j;" ( . 55). Wie eur.llh yukenncn eumann. Sd,min. \1.2. d.lnlil dir eigentliche Intcnsl\"~run~ des ,Th:iLigkciu··BegriHes durch I-Iumboldt Im Hinblick Jouf dIe Auf~abcllbeschretbung des sprxhlieben Denkens. Ein~ Kritik wie: bospirl-
462
Vierter Teil:
Di~
Ordnung der "rache
das Erkennen als Erkennen (und als Erkennen dieses Erkennens) verSteht. nun dem Paradigma zu, das für ihn unhintergehbare Erkennmisbcdingung bedeutet: der Sprache. die damit zur höchsten und letztlich einzigen Variante der Konnirution der als iviQyELCl verstandenen WirkJichkeit avanciert. Solche radikale nQti;t.<;, die nur in dieser Zuspitzung die Sprache als Sprache .in ihrem wirklichen Wesen' kennzeichnet, hat ihren Grund darin, daß die Sprache ,etwas beständig und in jedem Augenblicke
Vorübergehendes' ist. Humboldt. der aristotelische Ontologie hier komprornißlos auf seiner Seite weiß, wirbt ohne Umschweife dafür (und das ist wohl die von ihrer Tngweite her wicbtigste wisscnschaftsps)'chologisehe BotSchaft des ,Energeia'-Diktums), sich mit dieser Wesensaussage zur Sprache grundsä"dich .lhzufindcn, und zwar deswegen, weil von cJie ser fundamentalen Einsicht in erkenntnistheoretischer Hinsicht so vehemcm viel abhängt: sie entläßt erst cinen Sprachbegriff aus sich heraus, in dem Erkenntnistheorie zur Sprachtheorie transforlnierr werden kann. D"ß dies so ist, hängt mit der Nähe des aristotelischen und humboldr· sehen Verständnisses in bezug auf das Denken als höchste Tätigkeit zusammen: .,Die Sprachen als eine Arbeit des Geistes zu bezeichnen, ist schon darum ein vollkommen richtiger und adäquater Ausdruck, weil sich das Daseyn des Gei [es überhaupt nur in Thätigkeit und als solche 4
denken lässt' (Vn 46). Versteht man ,Energeia' jedoch in diesem Kontext als prinzipielle ontologische Option darauf, daß sprachliche Wirklichkeit als solche stattzufinden in der Lage ist, werden allzu gegenständlichen Imcrprer:ationsvariamen des Diktums damit automatisch enge Grenzen geseezt. seien sie in ihren sprachwissenschaftlichen Ergebnissen auch noch so cvidem und ihr Erklärungspotential auch noch so hoch. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise bietet D. Di Cesare. .Für sie es keine Frage, daß ..von diesem GesichtSpunkt aus eine Welt für den Menschen vor und außerhalb der Sprache nur in Potenz (bUV(t~lEl) existiert (Umsl., U.W.), denn es ist eben die Sprache, die sie mit ihrer formenden Funktion verwirklicht"ll. Faßt man wC'i~~
dito Neur;l,lhs. n;leh der Humboldl
~nur gclq;enrlich
C...) ;l,uch gq;cfUlindlich-pnku
seht' Tjli~kt'il im Sinn- (S. 12") gdubt habt';. 7.tl&t. d:l.ß das spr.lChtheurnisehe Prt>jdu Humboldu hit'r bis zu scinl"m ende l;Jr niehl vernmdcn wurde. In elßer hurnboMuchen Sich! IUmLch ist die Einsicht ebenso sc:lbsn·enlJ.ndlich wie b;uul. dJA pnkliu-hc Tiugkt'il immer schon Teil dd um(uscrnlen .Thill~keiu·-BcgriffC$inso(t'm ist, .ll.s .luch prakuscht' Titigkelll1ur in sprachlich t'J'$(;lndencr WirkJichkt'il ubcrh.lupl Als sokht' crhnnl und ver11
$l;l.nden werden k;l.nn. Di Cc:s.lre. D.: ..Oie ;l.nslotdischc Hukunll der Bq;nffe ilJ'fOv und iviQ"ffw
Withdm (Hrs(;.): Enrrgt'fd .md Ergon In
vt)o Humboldr.s SpnchphilosophlC'-. In; Albrt'Cht, J. U.L Spr...ch/uhc V.m.mon - SprlUhgM'chu - Sprltchtypo!og/f". 8d 11. . 29-46, hin-: S. 39.
10. Humböldu Aufklärung: Ansichten sprachlicher Wirklichktil
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den Begriff der ,Welt' hier nicht gegennändlich sondern referentieU auf. in eine solche Anwendung des aristotelischen ,Möglichkcit<-.Wirklichkeit' -Schemas durchaus möglich, und zwar vor allem deswegen. weil der wirklichkeitskonstitucive Charakter der Sprache als Titigkeit damit herausgestellt wird: ..Humboldt (...) identifiziert die Sprache selbst mit der synthetischen Tätigkeit, die die Erscheinungswelt formt, indem er behauptet, daß die Welt als solche nur durch die Sprache entsteht und im Grunde immer eine durch die Sprache vermittelte Welt isr l
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anwendbar ist, steht nämlich in aristotelischer Hinsicht (also als ltucrpretarion der Relation von b{JV(1~u~ und EVEQYELO.) auf äußerst wackeligen Füßen, wie sich an der Argumentation Di Cesares selbst sch.nelJ fcsrsteUen läßt. Sie konstatiert zunächst, daH ..wie das Sein, so auch die Sprache auf alt ihren Ebenen entweder in Potenz. oder im Akt existieren kann (Umst., U.W.)"IS, und fühn dann mit Berufung auf E. Coseriu weiter aus: .. Ande-
rerseits kann jede Ebene, für sich genommen, ihrerseits enrweder in Potenz oder im Akt sein" u". Nun folgt der enrschcidende Schritt; .. Aber wenn wir alle drei Ebenen in ihren wechselseitigen Verbiillnjsscu berücksichtigen - da sie ia ih.rer Gesamtheit die Sprache bilden -, dann ergibt sich. daß jede folgende Ebene die Verwirklichung der vorangehenden ist, d.h. sie verhält sich zur vorangehenden wie die evtQYEt.a einer bCVUI-lL-<; gegenüber"'ll. \Varum diese Schematisicrung kaum adäquat sein kann, schreibt Di Cesare im Grunde selbst: ..Dies ist so, obwohl jede Ebene eine relative Autonomie besitzt, da sie ihre eigenen Realisierungsnormen h:u1 und obwohl jede Ebene in der darauffolgenden nichl in ihrer Totalität reatisiert werden kann, - eben weil man zum Individuellen hiJluntersteigt"lll. Die Anwendung des Schemas ist daher nur um den Preis einer VergegenStändlichung der Ö-Uval.lL~ des ,Möglichkeits'-BegrjHes, zu ha· ben, und zw:u- emgegcn der Tatsache seiner konstitutiven Vcron"ung im EVSQytlU-Kontc-xt. Würden sich wirklich die Sprach ebenen zueinander wie Möglichkeit und Wirklichkeit verhalten, so müßte dafür ."'lt'lva~n;; (weil diese selbst ihre e.igene Struktur nicht erkennt) zunächst als - einer bestimmt"cn Ebene zugehörige - EVeoYE\.Ct definiert werden, um alsdann in der funkriooaJen A.rgumemation dieser Pseudo-e vf.QYuu so dinglich erfaßt zu werden, daß sie im Rahme.n des begrifflichen Erkcnnens der SprachebeneIl schließlich als theoretisches, wei.l verhandelbares, rQYov hingestellt werden kann: Nur in einem gegenständlichen Spradwerständnis und einer gegenständlichen Sprachwissenschaft ist demnach eine solche Argumentation überhaupt aufschlußreich. Der ÖUvu~ll.~·Begri.ff zielt von seinem ontologischen Cha.rakter aber genau auf das Gegenteil. Eine Argumentation, wie Di Cesare sie hier durchführt, ist demnach nur sehr begrenzt möglich, weil sie erstens einzig auf einer bereits ausgeschlossenen Ebene gegenständlicher Spracbbetracbrung wirklich evident ist und zweitens der aristotelischen Ö\'VO~l~ dafür eine Art ,Gespenstcrcxistenz' zubilligen muH. Als sprachwissenschaftliches Modell - unscr heutiges I) Di Us.lrc, •• Ebd. 11 Ebd .
•• Ebd.
~Dit' ,1risIOlC'ilsdlC
Hcrkunfl". ,1.a.O., S. «I.
10. Humboldu Aufklärun\;: Ansichtrll spr;t"hlicher Wirklichkd!
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,emontologisiertes' Verständnis von Wirklichkeit und Möglichkeit vorausgesetzt - ist diese Argumentation interessant, als Wesensaussage zur Splächc im Horizont aristotelischer Ontologie bleibt sie jedoch äußerst problematisch. Kommentiert wird dies übrigens auch dadurch, daß im Gegenzug zur Vergegenständlichung der ,Möglichkeit' ontologischer Proveni,enz Di Cesare wiederum den WirklichkeitsbegriH deutlich verkürzt. Nach ihrer Ansicht "existieren in Wirklichkeit nämlich nur die Sprechakte, das Sprechen (Umst., V.W.)" 1'1. Richtig ist, daß die Sprechakte in Wirklichkeit existieren, falsch ist, daß sie den ,Wirklichkeits'-Begriff der Sprache in Gänze erschöpfen oder im Kern ausmachen, denn die Konstitutionsbedingungen, die die innel'e Ordnung der Weh der Sprache bedeu~ ten, sind mindestens immer djcsc Wirklichkei[ gleich mjt. Daber warnt Humboldt auch, obwohl wir "es historisch nur immer mit dem wirklich sprechenden Menschen zu thun haben (Umst., U.W.), dürfen wir aber darum das wahre Vcrhälmiss (des Sprachverständnisses, U.W.) nicht aus den Augen lassen" (VU 42). Die ÖUv(r.~LL~ e,,-istiert nur um der EV€QYElCl wiUen, sie konstatiert, daß das) was akrual sprachliche Wirklichkeit ist, vorher nicht unmöglich war u.nd qualifiziert damit vorderhand den Primat der Wirklichkeit. Es sei hier an Metaphysik [I094a1 erinnert, wo Aristoteles feststellt, daß Vermögen vor allem heißt, daß das. was vermögend ist, eben diese Möglichkeit i.n sich trägt, in Wirklichkeit zu sein, und daß diese Wirklichkeil auch eintreten wird, wenn nicht Umstände bestehen oder eintreten, die geeignet sind, dies zu verhindern. Mit einem Wort, es ist - wie Di Cesare selbst feststellt - dje .,eveQYELa, die die 6ilvo.tJ,lt; rechtfertigt, nicht umgekehrt"zo. Erstere hat damit eindeutig den Primat und erschließt erSt den Zugang zur öUvo.~u.c;, der ansonsten ausgeschlossen ware. Aus dieser letzten Beobachtung des Primats der EvtQYElO gegenüber der 6\1V(l~U.~ leitet Di Cesare jedoch eine andere wichtige Beobachtung ab, die die aufgezeigten Vergegenständlichungstendenzen vermeidet und somit ebenso aufschlußreich ist wie sie e,iner Aristotelcs-Humbold[~Parallelisie rung in ontologischer Hinsicht entspricht, daß nämlich das (integrierte) Verhältnis von Rede und Sprache bei Humboldt aristotelisch-ontologische Strukrur aufweist: .Die von Humboldt behauptete Priorität der Rede der Sprache gegenüber kann Dicht anders als aristotelisch erfaßt werden und gestaltet sich deshalb als eine logische O.6-M), chronologische (xQ6vQ» und ontologische (ooo{c;a) Prio· rität: logisch, weil die: Potenz von dem Akt 'ölusgehcnd erkcnnb:ll'" ist; chrono19 Di lQ
Cesar~ ...Oie
aristotelische Herkunft". 2.a.O., S. 041. 0; Ccs:;In:, ..Die IIriSlotcli.Khc Herkunft~. 11.:1.0., S. J6.
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logisch ist die Priorität, wie bei AristoteIes, einerseits 7.war gegeben, weil die Sprache als geschichtliche Voraussetz.ung der Sprachtätigkeil dem Sprechen vorausgeht, andererseits aber nicht, weil das Sprechen 31s schöpferische Tätigkeit phylogenetisch der Sprache vorausgeht; oOlologisch schließlich, wcil eben im Akt die Materie jedesmal geformt wird und deshalb das Ziel
Es ist abermals darauf hinzuweisen, daß Humboldu Begriff der menschlichen Rede auf weit mehr bezogen ist als den Sprechakt, sie (die Rede) vcnveist immer schon auf die Bedingungen ihrer Konstitution. Ebenso geht der Sprachhegriff weit über den Charakter eines als PorclHialjtiit angenommenen Reservoirs für die Realisierung des sprachlich Konkreten hinaus. Der dreifach-aristotelische Strukturzusammenhang a.ls olllologisehe Integration von Rede und Spmche ist vielmehr eine Fundierung des grundlege.nden genetischen Prinzips der Sprache. die durch das .Energeia'-Postulat ontologisch gesichert werden soll. An dieser Stelle der Argumentation muß sich die Erklärungsprodukrivität des Diktums zunehmend als erschöpft erweisen. Nicht über das, was unter ,Wirklichkeit' verstanden werden muß. wohl abcr über die innere Struktur des Wesens der Sprache ist bisher eigentlich nur Oberflächliches zu Tage gefördert worden. Das .Energeia'·Dikrum entz.iffert vor allem, wie dieser ,oberflächliche' Zugang aussieht und wie er zu durchstoHen ist. Es beschreibt die Qualität der Wirklicllkeit, vOn der aus auf die Ordnung der Sprache geschlossen werden kann. Der ,Energcia'-Begriff - als wcsens thematisierender Kommentar verstanden - signalisiert, daß das hier entwickelte Sprachverständnis auf die umfassendste und gleichermaßen di5tinkreste Bestimmung aller möglichen Bestimmungen vom Wesen der Sprache zielt. Damit ist die Frage angesprochen und auch gleich beamwonet, ob die ,Wcsens'-Chara.kterisierung hier auf das Wesen als zemrale ontologische Kategorie einer prinzipieUen Seinsverfaßtheit rekurriert oder ob (im neuzeitlichen Sinne) ein reduzierter Wesensbegriff im Sinne eines Gegensatzes von Allgemeinem und Konkretem vorliegt, mithin das ,Energeia'-Diktum also bereits innerhalb einer ReduktiollSmodifikation des Sprach begriffes inventarisiert werden kann und damit wahlweise auf das ,innere' des Sprach begriffes oder auf das ,äußerc' der Olc:nschl.ichen Rede im Sinne des jedesmaligen Sprechcns zielt. Beide lerztgenanmcn Rcduktionsvariamcn sind - für sich genommen - defizitär, also nur Teil des durch d.ie ,Energeia' abgemessenen sprachtheoretischen Areals. In Wahrheit überkreuzen sich in Humboldts Sprach begriffs klärung mehrere Aspekte einer umfassenden Wesensdcfinition, und. würde man diese in 1I Di Ceure, ~Oi~ .uimndischt' Ht·rkunh". <1.:1.0.. _44.
10. Humboldu Aul1därung: Ansichtcn
sp~~hlich~r
Wirklichke;t
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Gänze benennen, selbst dann wäre die Sprache, ,in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst', noch immer nicht vollständig erklärt. Humboldt lebt mit diesem - dem Gegenstand geschuldeten und ihn bestimmenden - Erk.Iäruogsdefizit. Wie bei der ,Verwandlu.ng' ist im Hinblick auf den SprachbegriJf also auch hier ein Explikationsresiduum konstitutiv, über das in sprachtheoretischer Hinsicht Erläuterungsverzicht zu leisten ist. Es fällt nun auch einfach zu verste.hen, warum Humboldts Diskredicicrung des ,Ergon' so kompromißlos ausfällt. Es ist keine Aufforderung zum sprachlichen Ha.ndeln, sondern demol1strative Illustration sprachtheoretischer Absu.rdität, wenn Humboldt urteilt, daß ,selbst ihre Erhaltung durch die Schrifr immer nur eine unvollständige, mumienartige Aufbewahrung ist, die es doch erst wieder bedarf, dass man dabei den lebendigen Vortrag z.u versinnlichen suche. Selbst mir dieser Vcrsinnlichung wäre das wirkliche Wesen der Sprache immer noch nicht annähernd erreicht, das ja dem Umfang und der Qualität nach explizit ,Energeia' sein soli. Schon damit ist die Widersi.nnigkeit einer definitorjschen Bereitstellung zweier sprachwissenschaftlicher Alternativen zur Sprache erwiesen, die so gerne im Hinblick auf konkrete Handhabung die Auswahl zwischen zwei ,Sprachverständnissen' lassen möchte. Humboldts Verdikt über ein gegenständliches Sprachverständnis a la ,Ergon' hält den expliziten Ausschluß des trivial Zugänglichen dagegen, der Mumie, die in sich schon ,unvollständige Aufbewahrung' ist, und damit eine Demaskierung jeder vordergründig material orientierten Sprachwissenschaft als einer Unternehmung, die den Sprachbegriff schon von vornherein aufs BanaJe zu reduzieren droht. Humb,oldts schonungsloses Insistieren, daß die Sprache ,kein Werk (Ergon). sondern eine Thätigkeit (Energeia)' sei, wird letztlich aus dem Sprach begriff selbst gener:iert und vor allem daher "erscheint (...) uns die Sprache mit Recht als etwas Höheres (Umst.) U.W.), als dass sie für ein menschliches Werk (Her..... U.W,), gleich andren Geisteserzeugnissen, gelten könnte"' (VB 42). ,Energeia' stellt als Kommentar den Bezugsrahmen zur Verfügung, in dem man ,Thätigkeit' als Wirklichkeit der Sprache verstehen muß. Die Sprache ist innerhalb dieses Rahmens - die Ausführungen aristotelischer Provenienz liefen zu dieser Einsicht anaJog - natürlich immer schon ei,n EQYOV, aber eben n.icht wie notllOLl;, nicht wie ein a.bgetrenntes. sondern ist EQYOV wie t.VEQYt::lO, als 1tQÖ.~L~, dies jedoch ist erklärbar aus ihrem ureigensten Wesen. Der Terminus ,Energeia' setzt die theoretischen Ansichten von Wirklichkeit auseinander, in dem man den ,Thätigkeits'-Begriff Humboldts immer schon lesen muß, er öffnet das Sprachverständnis hin auf das ProbJem der WirklichkeitsenLStehung durch die Sprache, er ist absichtsvoll auf die ,Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst', gerichtet und dekonstruiert jedes ,Ergon~*Verständnis
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der Sprache ebenso als aussichtslos wie jede subjektivitätstheoretische Betonierung der Sprachwirklichke.it gerade deren universelle Handlunl;s-
fähigkeit im Hi.nbl.ick auf eine Wirklichkeitserkenotnis als Bewegung, als Sein und als Tätigkeit des Erkennens als solches in Frage stellen würde. Interpretationsvariantcn, die diese ErkJärungsrichrung, in der ,Energeia' das Feld aller ,Thätigkcit' immer schon aufschließt und umgreif", nicht verstehen und insofern davon ausgehen. der Terminus .Thätigkeit' expliziere ('rw3. wie (spezifisch) man ,Energeia' zu verstehen habe, müssen an dieser AristoteIes verantworteten Einsicht vorbeigehen. Die Wirkljch-
keitskonstümion ist immer radikalc Praxis, !tt)Ö~t~ im Horizont dc.r Evf.(IYELQ. ,Thätigkeit' wird zum universellen Entwicklungsdekrct dieses Konstirutionscharakrcrs, das einer \Xfirklichkeir folgt bzw. diese herstellt, dic nicht be.herrschbar, nicht vorhcrsehbar, nicmals vollständig cinschbar und schon gar nicht fragmentierbar, immer aber unumgänglich ist und auf die tragische, weil bedingungslos gültige, Notwendigkeit verweist, daß reflexive Vollendung nur im Erkcnnen durch und in der Sprache zu erreichen ist. Das Ziel der Entwicklung ist Sprachwirklichkeitl die in ihrem Vollzu ihr Ziel immer zugleich erreicht und doch in dem Sinne nicht erreichen kann, da das Erreichte immer schon über sich selbst hinausgreift. Die ,sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes' verweist auf eine (aristotelische) Praxis, die höchste Theorie 1st, weil sie Welr.konstitution in der Sprache so initiiert, daß Erkennen immer als reflexiv eingeholte. betrachtete und bedachte Wirklichkeit verstanden werden kann: ..Dies (jedoch, U.W.) vermag nur die Sprachc" (VI 15;) und nur deswegen machr es übcrhaupt Sinn zu behaupten, daß der Sprache ..wahre Definition (...) nur eine gene-tische seyn" (VII 46) kann. Dafür, daß das tEnergeia'-Dikrum im Verfahren seincr Erläuterung schon bald auf seine eigene Beschränkung hinweist, mag Wingensrcins (auf den ersren Blick so ganz anders intendierte) Mahnung aus dem Traclalus dem heurigen Sprachwissenschafder zumindest zum unverdienten Trost gereichen: [4.112] "Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die PhilosoplJie ist keine Lthre, sondem eine Tätigkeit (Herv.• U.\Xf,). Ein philosophisches Werk besteht wcsentlich aus Erläutcrungen" 11.
U Willgc:nSI.::in. l.: TraetatllJ !Qgicrrphilo1oplJiau. Log/Sch-phi/osopIJischt: Abhalld!Hllg. In: del"$.: We-rkiflt.lgab(' {;1I 8 Bi."Jm/. Fr.lnkfun (6. Aufl.) 1989. S. 7-85. hier. S. 32 [".112J.
10. Humb
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10.4 Das Prinzip: Die genetische Definition der Sprache Nur kurz. muß nach der ausführlichen Charakterisierung des ,Energeia'Diktums auf Humboldts direkten Nachsatz zur Qualitätsbestimmung dessen eingegangen werden, was ,Wrrklichkeü' k.onstitutiv ausmacht, daß nämlich unter der Maßgabe eben eines solchen Wirklichkeitsverständnisses der Sprache "wahre Definition (...) nur eine genetische seyn" (VfI 46) kann. Dieses Prinzip einer genetischen Definition der Sprache wird durch mannigfaltige Termini. Motive und Aussagen Humboldts unaufhörlich betont und mit weitergehendem Argumentationsgang immer komplexer inei.nande.r verwoben. Besonders plastisch läßt sich seine Anlage an folgender Bemerkung Humboldts ablesen: ..Man muss die Sprache nicht sowohl wie ein todtes Erzeugtes, sondern weit mehr wie eine En;eugung ansehen, mehr von demjenigcn absrr-ahircn, was sie ~Is Bezeichnung der Gegcnsdnde und Verminlung des Verständnisses wirkt, und dagegen sorgfahigcr auf ihren mi[ der innren Geinc-slhät'igkcit eng ver~ webten Ursprung und ihren gegenseitigen Einfluss 7.urückgehen" (VlI4-4). Drei bereits ausgewiesene Thesen Humboldts treten hier erneut hervor: Zunächst, daß vom Gebrauchswert der Sprache abstrahiert werden müsse, um zu ihrem eigentlichen Wesen vorzudringen. Zweitens, daß das Prinz.ip ihres generischen Wesens mit dem Zusammenhang von Sprache und Denken zusammenhängt, und drittens die Gegenüberstellung von Erzeugtem und Erzeugung. Anders als beim Begriffspaar ,Ergon' und IEnc,rge.ia' ist h.ier die Cbarakterisie.rung des Erzeugten als - selbstredend abzulehnende - Vergegenständlichung der Sprache noch mit einer zusätzlichen Attribution versehen: Was erst einmal erzeugt ist, ist alsdann tot. Dies stellt eine nochmalige Zuspitzung und Erläuterung des Grundsatzgedankens des .Energeia'·Diktums dar, denn da für Humboldt Sprache als etwas Leben~ diges gilt, wird das Erzeugte - als nicht mehr unmittelbar zum Legitimationsraum zuzurechnen - aus dem Bereich des Sprachlichen grundsätzlich ausgeschlossen. Das ,weit me.hr' beziehr sich. dc-mnnch auf die Heuristik des sprachthcorecischen Verfahrens und läHt nicht etwa Möglichkeiten offen, ein als zu dem ,mehr' komplementär gedachtes ,weniger' womöglich auJ ,todtes Erzeugtes' zu beziehen und dieses damit erneut in den Argumentationsgang einzugliedern. Humboldt baut viclmehr auf der Grundlage des griechischcn ,Genesis'-Begriffs cin Argumcntationsschem3. auf, das sowohl den Tod der Sprachc als Objckt der Untersuchung, als auch ihren Tod als Sprache der Umersuchung dcs Objekts - es sei an die rnterpretati00 des ,Verfahrens der Sprache' erinnert - dadurch zu verhindern sucht, daß die Beweisführung prinzipiell im Bere,ich des Lebendigen gehalten
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Vjerter l~il: Dir: Onlnung der 5rr Jchc
wird. Um nu.o die innere Prozcßh:lftigkeit des Lebendigen zu beschreiben, verwendet Humboldt den ,Gcnesis'-Begriff als umfassende Ordnungsbeschreibung des Werdens und Vergehens. dehnt die Bedeurung des griec.hischen Terminus also über die des Werdens (yevEOI..;) hinaus auch auf die des Vc.rgehcns (~) aus, ohne jedoch das griech.ische Konzept in seiner grundsätzlichen Struktur zu verlassen: Humboldts Genesis ist gleichermaßen ytvfOL~ und epOoQ6.. Vier Begriffe exponieren bei Humboldr das genetische Argumentations- und Wesens moment. nämlich ,Thätigkeit', ,Erzeugung'. ,Arbeit' und ,Bewegung<. In diesen vier Begriffen, die in den zentralen Textpassagen der Kawi-Einleitung lwis..:hcn VTI 41 und Vll 72 konzentriert auftretenD, entwickdt Humboldt die ganze Radikalität der ,Genesis' als prinzipiell unanhahbares Bcwegungsraster. cr faßt ,Genesis' als komplexestes und abstraktestes Muster aller Bl'\vegung auf. oh.ne jedoch den sinnlichen wie ontologischen Hintergrund dabei aus den Augen zu verlieren. Damit tritt automatisch auch die wörtliche Bedeucung von YlYVO~tC1t in den Vordergrund: das ,zur-Erscheinung-komnlen' der Dinge in Zeit, Ort und Gelrung. Es sei dafür an die Passage aus der Aias-Tragödi" erinnert, in der der Held fasl melancholisch proklamicn: .. Die unermcßI.ich lange Zeit macht offenbar I alles Verborgne und verhüllt, was sicl1tbar iSl. I Es gibt nichts Unausdenkbares, doch sinkt dahin I der heilige Eid und auch der felsenfeste Sinn"H. Es gehört demnach zur wesens mäßigen Bestimmung der Dinge, ihr Werden konkret als ein ,in-Erscheinung-trcten' zu bcg-reifen, sichtbar zu werden. um alsdann sich wieder zu vcrhüllen. z.u vcrsc.hwi.nden..!S Fragt man nun nach dem spe7..i fisch sprachtheoretischen Deutungshintergrund dieses genetischen Verständnisses, so ist auffällig, daß der hier beschriebene doppelte Vorgang des Werdens und Vergehens exakt derjenige ist, den Humboldt als Scheitelpunkt seiner Sprachkonstiruierung ausmacht. Es ist Scharfs Kennzeichnung der Humboldtschen Vgl. K~p.ll. wo die- ze-nrr.all·n Polssag:cn der IGw:I-Emtemmg ,lUsgcwenel wurden: ·rhiitlg· k
10. Humboldu Aufklärung: Ansichten spn.chlkher Wirklichkeil
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,ambivalenten sprachtheoretischen Produktionsperspektivc', die diese Parallele deutlich macht, womit gleichermaßen bestimmte Formen des sprachwissenschaftlichen bzw. sprachtheoretischen ,Verfahrens' induziert sind: Dieser ..ambivalenten sprachtheoretischen Produkt'ionsperspektivc - dCf steten Verbindung (und gelegentlichen Vermischung) von sprachlichen Erscheinungs- und Wesens-Momenten - sollte eine interpretierende Re7.cptionshal. tung cnuprechen, die beabsichtigt, systematische Problemaspekte und Konsequenzen des häufig stillschweigenden und impliziten f-1umholduchcn Ch:mgiercns zwischen den Ebenen des Wesens und der Erscheinung der Spnche, ihrer oft verdeckten Differenz und umhematjsicnen Dependenz offen zu legen und zu erönern"!".
Nun ist das Wesen der Sprache im Augenblick ihrer sprachlichen Konstil'uierung gerade nicht verdeckt, es bedeutet lediglich, daß in den Erscheinungen der Sprache dieses Wesen immer schon erkennbar, aber niemals hinreichend beschrieben ist. In du Erscheinung wird das \Vesen als Wesentliches sichtbar, im Vergehen als Verbergen lst es n.icht verloren: aUe sprachliche Entwicklung ist als integrierter Entwu.rf doppelt Wesen und Erscheinung, eine Einsicht. die Humboldt durch die Übertragung des griechischen YEvEOl;-Gedankens auf die Ordnung einer Welt der Sprache gewinnt und deren Muster er bei seiner "Rekonstruktion der Identität von Verlautbarung und Gedankenbildung"Z7 nachgeht. Das ,alles' des SophokIes ist dabei auch Humboldts Postulat. Nichts kann außerhalb dieses Enrwicklungsprozesses sein, es sei denn, es verliert den Status des Lebendigen. Die Sprache als Organismus jedoch lebt, trägt das Prinzip ihrer Entwicklung in und an sich selbst, ist immerfort andauernde Erzeugung und kon~ stituien die Weh der ,\'Qirklichkeit< in der Sichtbarmachung des bislang nur in seiner möglichen ReferentiaJität Vermuteten und Verborgenen: "Auf jedem einzel.nen Punkt und in jeder einzelnen Epoche erscheint dah~r die Sprache, gerade wie die Natur selbst, dem Menschen, im Gegensatze mit allem ihm schon Bekannten und von ihm Gedachten, als eine unerschöpnichc Fundgrube, in wdchcr der Geist immer noch UnbckanntC!s entdecken und die Empfindung noch nicht auf diese Weise Gefühltes wahrnehmen kann. In jeder Behandlung der Sprache durch eine wahrhaft neue und grosse Genialir.'t uigt sich dies,.' Erscheinung m der Wirklichkeit (Herv., U.W.); und der MenKh bedarf es zur Begeisterung in seinem immer fonarbeitenden intdlec~ tudlen Streben und der fOrtSchreitenden Entfaltung seines geistigen Lebensund Oept'nJen7": Wese.n und Erscheinung in HumboldlSSp~ch Ide.e-. In: (den.): Wi/hr/m 11011 l-iJunl>oltlts Spr
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Sch~rl.I·I.-W:: ~Oiff~rcnz
Viertl'r Teil: Die Ordnung df>r Spr,lcht
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stoffes, dass i.hm, neben dem Gebiete des schon Errungenen, der Blick in eine unendliche. allmählich weiler 2.U entwirrende Masse offen bleibe'" (VII 62).
Arisloteles' Frage war der Frage nach der Disposition der xtV110l~. der Bewegung, im Hinblick auf d.ie Konstitution de.s Wesens der Dinge nachgegangen; eine Frage, die er nicht anders als ontologisch beantworten konnte. Er tat dies, indem er die prinzipiell unabgcschJosscne Pozeßhaftigkeit von ,Wirklichkeit' herausstellte und diese Prozcßhaftigkeir von ihrer Struktur her begründete. Den Rahmen für alle Prozesse des Werdens lind Vergehens bOl für ihn die ((l\I(JL<;, die - den Begriff umcrschicdljch eng fassend - zunächst auf alle Enrwicklungsyorgänge gerichtet war, spezieller jedoch den Legitimaeions- und Geltungsraum des Lebendigen für die ontölogische Argumentation abzusperren beauftragt ist. An dieser weiterentwickeleen 'BegriJflichkeit setzt Humboldt an, indem er durch seinen Transformationsakt nun seinerseits das Prinzip von Wirklichkcitskonsri· tution als lebendig, aJso von sich aus bewegt, verstanden wissen will: ,d.ie sich ewig erzeugende Sprache' selbst ist es, die im Konstitlltionsake sprachljchcr \'qirklichkeit zur Ersc.heinung kommt und sich als lebendiges darstellt. Die als Klammer von YEVEOl'; und cr&Q6, verstandene ,Genesis' beschreibt Für beide \'qirklichkeitsenrwürfe den inneren Charakter des spezifischen Legitimationsraums und ist damit Grundlagenbeschreibung proz.essualen Geschehens überhaupt.
10.5 ,Werk' und ,Energie': eine Rückblende Wie sich herausgestellt hat. ist die semantische und systematische PanUeJisierung des ,Energeia'-Diktums mit dem ,Energic'-ßegriff einer der Hauptgründe für das Mißverständnis eies Diktums gewesen. Vor allem die Identifikation der starken Betonung von Individualität .,/s subjektive Macht und das letztlich theologische Srrukeurresiduum, das im ,Energie'Begriff der naeur-philosopruschen und ästhccik-thcorctischcn Diskussi n des 18. und 19. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt, machten dies offenbar. Es ist nun wichtig aufzuweisen, daß Humboldt seihst diesem Mißverständnis nicht erlegen ist. sondern dje spez.ifischcn Unterschiede der Ter· mini - obwohl cr heide verwendet - sehr wohJ kennt und in Argumentationen auch differenziert verwenden kann ..!ti Diesen Aufweis soU eine 11
Ein~
k(lIltrirC' Auff.lS~ung hien.u \/C'rltiu T. Bors
10. Illimboldt$ Aufklärung: Ansichten spr.1ehlichl.'r Wirklichkeil
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doppelte Rückblende leisten, die einerseits auf den Bezugsrahmen des ,Energie'-MotiYs im 18. und 19. Jahrhundert - und zwar von dessen rezcpuonsgeschichtlichen Folgen her - zielt, und die andererseitS - abseits \'on der ,Energeia'-Verwendung der ,späten' Kawi-Einleitung - auf die frühen Texte des Tegder Philosophen zugreih. Hier wird deutlich., wie spezifisch Humboldt das ,Energic'-Motiv verwandt hat, und warum jede systematische Verknüpfung mit dem ,Energeia'-Gedanken äußerst mittdbar ausfallen, im Ergebnis sogar abstrus erscheinen muß. Dafür werden die in Humboldts Panoptikum, H"mboldts Erben und Die Ordnung der \Virklicbkeit vorgenommenen Klärungen nichl noch einm~1 ausführlich präsemiert, sondern vorausgesetzt. Sie fundierten bzw. entwickelten bereits die These, daß der ,Energie'-Begriff Humboldts - jeweils im spezifischen KOnct.Xl - entweder nur einen sehr kleinen Bereich innerhalb des Bcdeutungsfeldcs der .Energeia' lokalisien und diesen damit höchstens zu kommentieren bzw. theoretisch vorzubereiten vermag, oder daß g:a.r zwei parallele Bedeutungen angenommen werden müssen, die keinen unmittelbaren systematischen Bezug aufweisen. Über diese grundlegenden Einsichten hinaus ist es jedoch sinnvoU, sich zumindest einen grobmaschigen Eindruck davon zu verschaffen, welche begrifnichen Traditionen bei und vor allem nach Humboldt im ,Energie'-Bcgriff präsent sind. Sie machen deutlich, daß Humboldts prospektive Skepsis, den einen für den anderen zu setzen, njchl nur durchaus berechtigt, sondern geradezu prophetisch war. Zur ersten Rückblende in zwei historischen Stufen. Man kann einen plastischen Eindruck von dem bekommen, was der Terminus ,Energie' im ausgehenden 18. und beginnenden 19. jahrhundert und damit auch in Humboldts frühen Schriften bedeutet haben mag, befragt man die ,sprachphilosophische' Forschung hundert jahre später - zu Beginn des la.jahrhunderts. Zugleich wird damit deutlich, wovon unsere eigene wissenschaftliche - vornehmlich von den Naturwissenschaften beherrschte Wahrnehmung heute unausweichlich geprägt ist. Es ist F. Mauthner, der 1910 in selncm Wörterbuch der Philosophie, dessen Einträge er als Beiträge zu einer Kritik der Sprache versteht) den ,Energiet-Artikcl folgender. maßen einleitet: Bwnltung "on ..4-,u:.aliw', Wirklichkcil ~ncr F()rrn in ihn' und durch ih,~ TitigkciL 8~d n'S(1Z1 er dicsc:n Au.sdl'UCk dun:h den K:.anu.schcn der Sclbstl.uigkr:il, und t:r$1 in da ,K;lWi~ Einlcituni1; t.tu('ht du gricchischr: WO" :.auf - nur in dC'r hier bt'Sp,.oc.h~nc:n Ddinilion .. 1s ,Thuigkett (Energei:.a)". E.J bnttb: lum G,.HnJ. rlJlerl "ICC'$nIlJichm BC'drMtlfngfTC.lndC'lm flltmbulJ,s Gl'br~uch Ja A.,J'Hc1u Enl'~lr - S~/bJllICllgJtI'It - E.nergcJ.1 lJ"z,m~hmm (Hcrv~ V.W.). So m:.ag t'inl' lriihto Definition als giihig .1ngt"Khcn wC'rden: .D.ueyn, von Energie beseeli. ist Ld>c.n· (Borsche. '1".: Spr.lchanflcJHm. Stuu~arl \98\. S. 68).
V;cncr 'feil: Die Ordnung der Sprache:
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"Unsere Zeit gleitet langsam auf die BJohn der :uurphiJosophie zurück. Wir haben die Angst vor der verpönten Naturphilosophie veriemL s,~ kaml auch mehl m~hr so gefahr/Ich 'Wuarn, u'.e sir Wust'mcbaft In Deutschland vor lJunaerr fahrtn (Herv.• U.W.) wurde. Damals vn"sucbu~.n es gcisuciche tänner. das ganz unschol;utische Zid einer Narurerkennmis auf scholastischem Wege z.u erreichen: als ob Bacon nie grlebt häue. als ob Mathematik und Ph)'sik, Chemie und Physiologie nicht der ex:akt'cn Forschung einen überraschenden Aufschwung bereits zu danken geh;lbt h3"ltcn. gingen die deutschen Naturphilosophen darauf aus. durch logische Schlüsse ins Innere der Natur zu dringen. positive Kenntnisse :ms der Tiefe des Gemüts 7.U schöpfen, aus der Tiefr des Gemüts die Anatomir des Kamels. aus der Tir(~ J~ Gemüts die ühl der Planeten"z,.
an
Die polemische Spitze zur spekulativen Theoriebildung der aturphilosophie vor und zur Zeit Humboldts macht das entscheidende systematische Problem deutlich)lJ: ,Energie' ist einerseits schmuck volle Metaphorik 1'1
M.1uthner. E: ..Ener;ic·. In: Mauthnror. F. Ntlfr Brllragt'
Ja
71f
(1In~.):
\Vortnblfch Jrr Ph,/uSQph,t' (1 BJt".). rilleT Knuk Jrdpfarhe. Züri,h (Erst.1usg.1bc 1910/11) 1980. S.17002IB
(8d. 1). hlf:':r. 5.170. Zur n,l.Iurphilv~ophiKhen Diskussivn In dieser Zeit "gl. dir auS"führli,he Analyse ,'on 11. Mullu·Su~vers 111 t:pigrnt'm, P.1ucrOOrn 1?9J. S. 30·52: .Schachldn. UiSIC, Triebe: Von dei' I'räfurnutiotlZUf l::pig... n~is'. In diesem Ibpild (undlen MuJlcr-SiC'...cu :luch ~eine J bupllhdl'. nach uer Ilurnboidls Theoriebildung wl;$Cmlidl 1II11'.1t.ldigmenwech~1 ,'on pr,llormalil)m~I1Khen zu eplgeneuscllt'n Erkl,lrungsmuslnn grogrunJt'1 sei. ZUIl.leh.H J.Jr,luf vcr~ wt'lst'nd. d,lß im 17. J~hrhundrfl durrh .diro Kmik ,1111 An$uudismus der .Schulen· (...) auch Anstoldcs' Epigcncsis Lt'hrr. lUch der die im n1.1nnlichen Samen lransponlcne ca.,... Fm,~lu Sich du wribliC'hen l\huri(' (des ~l('nstru,l(ionsbluIC'll ~u(prigle. 111 VtTro( gtnten" (5. 31) ~i. Strllt ~hillcf'"Su'\'en Ihnn fest: ,,0\11:' Aufwt'ftung da M.1J1nllchc:n zum Formpnnzip uud die Ab...·mung des Wcibli~'hen zur Tragcrm;,uenc 151 nn durchgehendes Kennznchcn aHsg"'wftrr (1~lcrv.• U.W.) t"pigcnc:tuchcf Theoritn" (rbd.). DIe HC,",'orh~ bung zelgl, J,Iß dl'r engere systenlalisc.he Kont<$t ,1f1)lQtcli:\"h« Theoneblldung hier schun lingsl \'erl.asscn wurdr. Muller·SiC"'o'CT$ fcferien d~nn die könkumcrcude.n PosiliQnen d<:\ Priform.ui\,nismus, n~ch drm ~die Keimt: fur alle Lebewesen sdt Anbeginn drr Schöpfung yurgefonnl sind· (ebd". und drr Epigcnc.\is-Theoriro, die 7~ß. n:ach . r. Wolf( .hingq;en versuchle. die Em.stehung drr Org':lrlismen nichl als allm:lhliche AU$\YickeJun~ (Evolullon) priexislierrnder Krime. sondern ,1b w.,achli;:h< PrQtuigkrit des Zeugung~tC'$ brich, llaller mit elnef Jahrnuscndr.ahcn met.hz.inischcn Tradition. dlc dron wriblichen Orgasmus als ,"DillS glrichwerligcn Batng xur i:..mslehung nwen Lebens versundcn lulle (...), einr lm:iS'tr.n:t, d~ I\:h '" der l:'pigene1i.schcn Ph)'Siolo· gie und der d.1nus resuhierenclen Gcschl«hlerphilosophie mil ihfcr .klusis.:hrn· Aursp;tl~ wng in minnliche Aktivitit und ""eiblichc P~swiÜI fongesc.briebm h
10. Humboldts Aufklirung: Ansiclucn $prac.hlicher Wirklichkeil
47S
des Unerklärlichen und gereicht andererseits als hinreichende Legitimation für das willkürlich Angenommene. Die damalige, häufige Verwendung des Terminus erfähn dabei in keiner Weise ein Fundament in seiner begrifflichen Schärte, ja sogar MaUlhncrs Kontext um 1900 läßt ihn die Feststellung treffen, daß .ich nicht anstehe es auszusprechen (Umst., V.W.), daß ich die heutige Gewohnheit, überall da von Energie zu reden, wo man noch vor zwei Generationen mit Kraft- auskam. für eine Sprachmode halte")I. Dieser ,modischen' Begriffsverwendung korrespondiert - auch hundert Jahre nach Humboldts Wirken - (noch immer) kein systematisch eindeutiges oder wissenschaftlich konsensfähiges Konstrukt. Mauthners Kritik ist wesentlich gegen die energetische Schule gewendely deren Hauptverrretcr seit 1895 W. Oswald ist. und die ,.versuchte. den Gegensau zwischen Mat'er1e und Geist durch den E.-Begriff zu überbrücken"}!. Dies ist für Mauthner aber nur der Gipfel einer äußerst indifferenten Konzeptenrwicklung, die sich mit dem Begriff der ,Energie< verbindet, eine lndiffercnz, die auch das 18. Jahrhundert prägt und die trOt'zdem der vehementen Rezeption keinen Abbruch tat. Mauthner, der hier die Vermischung der begrifflichen Tradition, die bei der Klärung aristotc.lischer Omologie ausführlich erläutert wurde, vornehmlich für den Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert reflektiert, stellt seiner skeptischen Analyse daher einige begriffsgeschichtliche Klärungen zur Seite, die darauf hinweisen, daß das WOrt .Energie' "zu uns (...) auf seiner langen Wanderung über tclc:ologisch~1I Uncilsknft
faBt" (5. 49). Nun in der Einfluß cpigenetischn- Throrif:bildung in di~r Z~it unzwc:ifelh,lk In Müllc:r-Si~vcn; Vorgehcns",·ei.s~ uigt sich IIl~rdingJ d2$ zc:ntnle Problem ,sOnc'S Erkbnmgnns.u7.cs. MüJl~r-Sievc:rs kontr.lSti<'.l"1 cirn: m~hrf..ch komplc.-xe: Umwenungsgc:schichtc: von wiaJl.'rholt gc:br()(ht'lIC'm lrismtdisch~n (Sc:huJ~) D~nkcn mit originira. Humboldmhcr Tht'Oriebildung und unterstellt d..(ur im- und ~uch explizil. d.. ß dlS komplexe o2turphilosophischC' RueptiorUgc:bildc dCli 17. und IS. JlhrhundelU gc:nuincs lristotcljsch~ Ol.'nke-n widcrspiq;e1e. Dies iSI jaJoch nur uhr c:inguchrillkl und luKerst minclblrd~...- FIII und dcr n.uurphilosophische Konlal. wie Mül~ lcr-Sif:ven ihn bl.'$(:hreibl. und in dem u..1. der .Encrgie'-Tl.'rminus (minnlichc) Kraft apüziert. konml.' ~holl Juf~runJ $cint:r bcgrcnllcn Erklirung.\produklivit.it k2um J-1umboldu },aHpnitchf,chrr BC'7.ugsrahmcn bei dC'r Au bildung sprachlhc:orctb:chc:r Bc:grifflichkt.il sein. Er intonic:n AIlcnf211s (Ibcr immuhin) die B~gleitmusik und überlönt In einigen SIelIen mchr ltonz.iliAnt 2ls begrilnich durchdringc:nd Humboldu Qrig:inire ArislotdC'S·Rezepti· on. - Vgl. Lur dilfttC'nd~n('n Kriuk in kLug lIU( eine: nn.scirig~ Verg2~ des priform:uioninischC'n b7.-.... des epig("n~ti5ChC'fl Etik('us an Armotelc:s U.;I_ ehr. HunC'moroer: ..Zur N2ch...irkung des Arisl()(tles bn dm Biologen im 19. und 20. Jlhrhunden". In: W"JCSncr, J. (Hrsg.): ArwoulN. \t'h. und \t'r,,.hng. PIJHI MorJl,K:C grt;;Idmn (1 Bdr.). Ikrlin 1987. S. 621·631 (2. Bd.). " Maurnnc:r...Enugic:-, ...2.0.• S. 271. J: JAmmer. M.: .Ent'fgic·. In: Riuc:r. IlmorucheJ \Viirtn'bkCh, 1..1.0.. S...9-4-499 (Bd. 1), hi~r. S. -497.
476
V;cn~r Teil:
Die Ordnung der Spr.lCh~·
England gekommen, aus dem Lande also. wo das Dogma vorn klassischen AltertUm noch in ungetrübtem Ansehen steht")J. Es ist der Physiker Young. der "das Won energy zuerst vor etwa hundert Jahren für den Kraflbegriff"}.t einsetzte, .,und Thomson gebrauchte es d;mn zuerst in der neuen Bedeutung: Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu lcisten. Man sieht, die alten Vermögen sind unter einem neuen Namen wieder auf dem PI-an"·)5. Schon hier wird demzufolge deutlich, daß vor allem die gegenständliche und äußerst umwcgige (Um-}Tradicrung des aristotelischen ,Möglichkcit<-,Wirklichkcit'-Konzcptes im ,Encrglc'-Begriff des 19. Jahrhunderts - jedoch selbst dies~ nur in Auszügen und s)'stematisch marginalisiert zum Tragen kommt. Der Idea.list Humboldt - i.n einer anderen, der naturphilosophisch-geisteswissenschaftljchen Tradition der ßegriffsverwcn· dung stehend - geht zu diesem Verständnis auf Distanz und verwendet den Begriff - wie sich an zwei Textbeispielen noch zeigen wird - vernünftigerwei.se systematisch ab cits von diesem naturwissenschaftlichen Ver· stindnis. Man kann in diesem Sinne von zwei voll und ganz getrennten theoretischen Entwürfen und Rezeptionsstriingen sprechen, wenn das ,Energic<-Motiv überhaupt ein solches Konzept im engeren Sinne für die damalige Zeit darzustellen vermochte. Mauthncr indes kenm die gemeinsamen aristotelischen Wurzeln der Wortgeschic.htc des differenten ,Energie'- und des ,Energcia'-ßegriffs sehr gut, die jedoch auch nach seiner Auffassung nach über 2000 Jahren Umwertungsgeschichlc kaum noch gemeinsame semantische Züge aufweisen. Er beschreibt die Verbindung (zwar) ungenau, identifiziert im Kern aber die Umwenung der BegriU'-ichkeit richtig, wenn er konstatien: .Das Won lvtQ'(El.« bedeutete Im Griechischen soviel wie :il(K~Ll;. eine Tätigkeit, eine Wirksamkeit; es eignete sich also sehr gut dafür (...), die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung auszudrücke.n"". Diese oberflächliche Eignung mag erheblich zur Umwertungsgeschichte beigetragen haben. Wie wenig die aristotelischen Grundlagen des fvtQYEw-Bcgriffs dies eigentlich zulassen, dafür weiß Mauthner auch diffizile Konrurierungen des antiken ontologischen Konzeptes vorzutragen. So ist es mehr als ein beiläufiger Einw;lnd, wenn er konzediert: .. Freilich wurde (VfQytlU von AristoteIes gern in einem Gegensatze zu (;ll; gebraucht, und [~l; sollte, gegenüber der aktiven Energie, einen passiven Zusta.nd oder eine Beschaffenheit ausdrücken" J ].
M1oumon... I:n~(". .I•.LO., 5.171. \0 Ebd. l) Ebd. '" MloUthll~r. REnt"l"git", .&.10.0., S. 17l.
H
J1
Ebd.
10. Humbuldt:5 Aufklärung; Ansichten spnchlicher Wirk.lichk...it
477
Mauthncr, der hier schon in die Kritik des gegenständlichen und funktionalisierten ,Energie'-Gedankens eintritt. spricht somit ein großes Wort gelassen aus, wenn er schließlich konstatiert: ..Aber bei einem Fremdworte hört man nicht so genauo;), hin. Aus seiner Sicht ist es damit auch nur noch ein kleiner Schritt zu der besonders radikalen Umwerrungssmuegie, wenn er bezüglich der .Naturphilosophie, welche sich sdbst Energetik nennt"')'), festStellt, sie sei .,wirklich eine Abart deutscher Philosophie, als sie darauf ausgeht, den Substanzbegriff au der Welt zu schaffen (und, U.W.) durch den Eoergiebegriff zu erseezen".4C). Ein solches Verständnis steht nicht nur der ariStotelischen Konzepuon zweifelsohne diametral entgegen, es mißt auch negativ den Raum aus, den die Entwicklung des .Energie'-Begriffs in der leralich doch genuin geisteswissenschaftlichen Imcrpretarion durch Goethc, Schiller, Humboldt, Harns, Herder usw. gefunden hat.-41 Die ,Energie' als generelles ,Substanz"·Substirut ist der idealistischen deutschen Klassik fremd, Es ist weder zweckdienlich noch norwendig, Mauthners historisch-systematischem Panorama rur das J 8, und vor allem das 19. Jahrhundert hier in allen Einzelheiten nachzugehen. Es sollte gezeigt werden, daß die Geschichte des neuzeitlichen ,Energie'-Begriffs in dessen FfÜhphase im wesentlichen eine Geschichte meist unpräziser und euphorischer Anwendungsstrategien ist, die die säkularen jeweiligen Theorie-Konupte an gewünschter Stelle mit teleologischem, anthropologischem oder ästhetiktheoretischem Elan aU$sunen sollen. Dabei sind alle Aspekte mindestens des aristotelischen Entwurfes als Desiderate präsent, allerdings häufig diffus und oft lr-lr in gegensätZlicher Bedeutung zum weit abgeschlagenen ontologischen Original des Stagiriten. Erst in den Spezialisierungs- und Differenzierungsarbeitcn in den aufkommenden Naturwissenschaften setzt - schon weitab von Humboldts Reflexionen - eine genauere Theoriebcstimmung ein, z.B. in Hclmholtz' Aufsatz Ober die Erhaltung der Kraft von 1847, die jedoch - wie z.B, dessen These von einer strengen Trennung von Kraft und Energie - ebenfa.lls zunächst mehr Widerspruch als Gemeinsamkeit in der wissenschaftlichen Diskussion auslöste. 41 M.. Jammer nimmt die naturwissenschaftliche BegriHsenewicklung explizit in den Blick, wenn er darauf hinweist, daß ,Energie' im modernen Sinne ,. Ebd. ,. Ebd. 60 Ebd. u Vgl Borin5ki. K..: D" AnJLtt In PtHtllt ,md KJmJttlHori~ vom Alfsg
Vgl. Jammer. _Enn-gic-, ...a.O.•. 496.
Vierter Teil: Die Ordnung der Spr.achr
478
nachdem bereits 16 t 9 J. Keppler den Begriff benutzt - wohl 1717 .. zuerst von J. BernouHi in Verbindung mit dem Gleichgewicht ,tirrueller Krähe gcbrauchr" u wird: MDoch erSt mir der Enrwicklung der Thermodynamik um die Mirte des 19. Jh. wurde der Begriff der E. im Sinne von aufgesparlef Arbeirsmenge - oft noch genannt und von dem Kraftbegriff (immer noch, U.W.) nicht scharf getrennt - als grundlegend für die Narurwissenschaft erkannt....... So ist Maurhncrs abschließender Wertung zuzustimmen (und wirft, wenn auch historisch und wissenschaftssyslCmalisch überaus mittelbar. gleich cin Licht auf die Verwendung bei Humboldt), wenn cr für den neuzeitlichen ,Energic'-Begriff ebenso resümierend wie generalisierend feststellt: .. Ich fürchte. der Encr.,;iebegriff ist wiroer nur einer jener Grenzbegriffe. z.u denen die arme Menschheit gelangt ist in ihrer Sehnsucht nach einem Kuhe· punkte. Es klingt Sl,) ganz. verschieden: GOlt und Encrgi~. Oder: Kausalität. Worte der Sehnsucht. Schldmiucl, zu Jenen wir ;I priori gelangt sind. Oi(' wirksam sind, die uns Ruhe schenken. weil und solange wir zu ihnen Vertrauen haben. Wir haben ,cdesmal zu dem lentcn Worte der Sehnsuc.ht ein sv blind«.'s Vertrauen, daß wir seinen [nhalt für apriorisch halten. Und wir wol, len nicht hören, daß die Sprache bei diesem ncuesten Wone dC'r ehnsuchr ihr :lhes Spiel mit uns treibt"4~.
Ein piel, das mit dem ,Energcia'-Dikt'um schon aufgrund seincr Lheoreti· sehen Einrichtung unmöglich wäre und auf das Humboldl in seinem spr2chtheoreti ehen Hauprwcrk niemals eingega.ngen wärc. Der ,Energic'-Begriff wiederum ist ein vergleichsweise schwaches Projekll er istin seinem funktionalen Kern - überwiegend pseudo-theologischcr Bluff und hilfl U.3., in der säkularisierten Konz.eplcntwicklung der Klassik und Romantik die theoretisch vermutete innere Beweglicbkeit von Mensch und Welt so zu systematisieren, daß gar keine klare Systematik zu Tage lritt. Es gehört daher zwar kaum zu den größeren Leistungen des Tegeler Philosophen, im ,Energiei-Bcgriff - wie zu seiner Zeit üblich - ebenfalls so etwas wie transzendente Be(un)ruhigung gesucht' zu haben, HumboldtS Leistung ist jedoch, diese Funktion gerade nicht in andere Begriffskonzepte, wie z.B. das der ,Energeia', hinübergespielt und diese da mit nachträglich enrwenet zu haben. Zwei Erkundungen am Text und eine briefliche .Entschuldigung' können diese. auf die spezifischen Unterschiede der Begriffe bedachte. lnterpret.ationsnrategie deutlich machen. 4
a~O.,
s. 49,..
U
j;ammet"• ..Enc.rgic.-,
H
Ebd.
~)
." .e EnC'TßIC' . • ,;1.11.0 ., •'8' '" . :auu,nC'r,. • •' .'8J •
10. HumbolJI$ Aufklärung:
Allsichu~n
sprachlicher Wirkiichkdt
479
Eine zweite Rückblende also, die aus der Sicht der Kawi-Einleitung innerhalb des Humboldlschen Werkes agiert und von der Position dieses Textes 1830-35 erst einmal 40 Jahre zurückgeht. In den Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats Zu. bestimmen. macht Humboldt 1792 klart wie untrennbar sein Verständnis des ,Energie'-Begriffs mit seinem anthropologischen Konzept verbunden ist. Im achten Kapitel, das laUl angehängtem Lnhal[Sverzeichnis mit ..Sittenverbesserung'" (1249) überschrieben ist, stellt der erst 25jährige Humboldl fest: .. Oie sinnlichen Empfindungen, Neigungen und Leidenschaften sind es, weIche sich z.uerst und io den heftigsten Acusserullgcn im Menschen zeigen. Wo sie, ehe noch Kultur sie verleinen. oder der Energie der Seele eine andre Richtung gegeben hat, schwcigen; da ist auch alle Knft erstorben, und es kann nie etwas Gutes und Grosses gedeihen'" (I 165).
,Energie' und ,Kraft' dienen hier als Termini, das inn.ere Streben des Menschen, das diesen von Natur aus auszeichnet, im inneren Mechanismus seines Drängens zu beschreiben. Daß auch hier bereirs aristotelische Begrifflichkeit im Spiel ist, wundert zunächst kaum: "So leiht das Auge der Materie seiner Empfindung die für uns so genussreiche und ideen fruchtbare Form der Gestalt, so das Ohr die der verhältnissmässigen Zeitfolge der Töne" (I 166). Man erhält hier - fast nebenbei und trotzdem eindeutig wie an kaum einer anderen Stelle - den wichtigen Hinweis, daf~ HUl1lboldt den doppelten Charakter von ,Form' und ,Gestalt' schon früh differenzien auseinanderhält. Sein Verständnis der Termini deckt sich exakt mir dem, das Arisroteles von diesen hat. Humboldts Suche nach einer Theorie des Wahrnehmungsvermögens induziert diese Verwendung. die zwar - und nun leigt sich die Souveränität des Gebrauchs plastisch - die ontologische Stoff-form-Relation systematisch korrekt nutzt: .. Das Auge, wenn ich so sagen darf, liefert dem Verstande einen mehr vorbereiteten Stoff. Das Innere des Menschen wird uns gleichsam mit seiner. und der übrigen, immer in unsrer Phantasie auf ihn bezogenen Dinge Gestalt, bestimmt, und in einem einzelnen Zustande, gegeben'" (I 166), die jedoch um die spezifisch anthropologische Funktionalitit des ,Energie'· Begriffs explizit nachsucht und sie zum Zentrum der Argumentation macht: ..Meiner ldee nach, ist Energie die erSte und einzige Tugend des Menschen. Was seine Energie erhöht, ist mehr werth, als was ihm nur Stoff zur Energie an die Hand giebt'" (J 166). Nur mit äußerst oberAächlicher Kenntnis der aristotelischen Begrifflichkeit kann man mutmaßen, Humboldr häne hier ,Energie' wie ,Energeia' verwendet, Vielmehr begegnel uns. trotz des durchaus aristotelischen Begriffsumfeldes, ein spezifisches Verständnis, das auf den kräf-
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Viencr Teil: Die Ordnung du Spr.lchl.'
lcmäßigen Ausgleich der verschiedenen Relationen bedacht ist und damit außerhalb der engeren ontologischen Argumentation. die durch den ,Energeia'-Terminus angezeigt wäre, agiert: "Aber wie immer die unverhältnissmässige Stärke der Materie gleichsam die zarte Form umerdrükti so geschieht es auch hier oft, und es muss also zwischen bei den ein richtiges Verhälrn.iss sein. Das Gleichgewicht bei einem un.richtigen Verhältniss kann hergestellt werden durch Erhöhung der Kraft des einen, oder Schwächung der Stärke des andren" (I 168-169). HumholdLS Anthropologie stellt also die von der ,Energie' des Eillzelnen motivierte Harmonie der
Kräfte in den Mittelpunkt und sucht in idealistischer Anschauung das auf, was das Wesen des Menschen als sein Sn"eben ausmache .. Wenn Jas lezlc Streben :alles unsres mensehlichSlen Benlühens nur :.Iouf das Entd~kken, Nähren, und Erschaffen des einzig wahrhaft Existire.ndcn. obgleich in seiner Urgestalt ewig Unsichtbaren, in uns und andren gericlHcl ist, wenn es allein das ist. dessen Ahndung uns j~des seiner Symbole so lheue!' und heilig macht; so treten wir ihm einen Schritt niihcr, wenn wir das Bild sei~ ner ewig l"cgcn Energic anschauen" (I 170).
,Energie' ist demnach das Besriindige, Kontinuum, das niemals nicht ist. und damit u.a. Humboldts anthropologische Anrizipation des Prinzips der Energieerhahung. Erkenntnis in dieser Hinsicht gibr UllS - ein Aufschluß, der wiederum mit aristotelischer Begri.ff1ichkcit gelingt - zunächst nur das, was wir sehen können, und macht I-Iumboldt schließlich eindeutig klar. daß sein ,Encrgie'-Begriff mit der ariswtelischcn ,Energeia' wenig gemein hat, ja dieser geradezu entgegenläuft. Ist mit ,Energeia' der onrologische Einsrieg nicht nur in die inneren Prinzipien des WeItzusammenhangs, sondern auch die aktualc Erschei.nung eben dieses Zusammenhangs, angesprochen, wird die ,Energie' gerade als das Gegenteil. als inneres Wirk prinzip ungeklärter lntensität und Ausdehnung verstanden: • Wir reden gleichsam mit ihm in schwerer und oft unvcrst'andner, aber auch oft mit der gcwissesten Wahrhc.ituhndung überraschender Sprache., indess die Ges~h - wieder, wenn ich so sagen darf. das Bild jener Energie - weiter von der Wahrheit entfernt ist" (I 170).
Hier wird also eher - dies sei mit aller Vorsicht angemerkt - eine ebenso moderne wie reduzierte Spielart der FunktionaLität des ,Eidos'-Motivs kreiere. anStatt die aktuale Wirklichkeit als Venvirklichung der inneren Strukturmomente des Seins zu begreifen. ,Energic' ist die Konstante einer als anthropologisch verstandenen Verändcrungsoptionalitiit, die als ,Kraft' zum ErkJärungsgrund menschlicher Produktivität stilisiert wird. Humboldt hat von dieser ,Energie' als menschlicher Grundbestimmung nicht nur ein biJdungstheoretisch-psychologisches Verständnis, sondern
10. Humboldts Aufklärung: Ansichten spn.chlicht'r Wirklichkeit
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versteht sie zudem als sakrosankte Freiheitsgaramie. Diese darf dann, so das Credo des jungen Humboldt, auch nicht vom Staat unterdruckt werden, denn ..ein Staat, in welchem die Bürger durch solche Miuel genöthigt, oder bewogen würden , auch den besten Geseze.n zu folgen, könnte (zwar, V.W.) ein ruhiger, friedliebender, wohlhabender Staat seini allein er würde mir immer ein Haufe ernährter Sklaven. nicht eine Vereinigung freier, nur, wo sie die Gränze des Rechts übertreten, gebundener Menschen scheinen'" (I 175). Folglich hat sich ..der Staat schlechterdings alles Bestrebens'" (I 177) zu enthalten, über das subsidiäre Maß hinaus Regelungskompetenz zu beanspruchen. Diese, so Humboldt, liege "ausserhalb der Schranken seiner Wirksamkeit'" (1 177). Humboldts anthropologisch fundierte Unabhängigkeitserklärung von 1792, die u.a. durch die Installation eines sozial unantastbaren und die stete Veränderung des individuellen Charakters sichernden ,Energie'-ßegriffs gelingt, hat rege Rezeprion gefunden, die nicht unbedingt Humboldts Entwurf in seiner Gesamtheit wahrnimmt und daher in nochmals hypostasiertem Sinne Theologisierung des ,Energie'-Motivs betreibt. Mautllllers bereits aufgearbeitete Skepsis wird zusätzlich evident und in ihrer Polemik erst richtig verständlich, nimmt man beispielsweise S. Rubinsteins Umersuchung der Energie als Wilbe/m v. Humboldts sittliches Grundprinzip46 in den Blick, die 1906 jUSt in der Zeit erscheint, als Maurhner die Folgen der Rezeption des ,Energie"-Gedankens kritisch beleuchtet. Rubinstein ist der Ansicht, daß sich ..in WiIhelm v. Humboldts sitdicher Anschauung, in seiner Ansicht von der ethischen Bildung des Menschen, drei Momente, drei ineinandergreifende Faktoren unterscheiden lassen (Umst., U.\V.), diese sind: die Ellergie als Grundlagej die Selbsniitigkeit als Minel; und die harmonische Ausbildung der Kräfte als Ziel. Ocr Stamm und Träger der ganzen Menschenenrwicklung isralso die Energie....7 • Ln kornpromißloser Banalisierung von Humboldts narurphilosophischer Argument3.tionskonzeption führt Rubinstein dann weiter aus, daß der .. Boden aber, aus dem die Energie ihren Nährstoff zieht, (...) die Sinnlichkeit"U sei. Zu einer verbalen und systematischen Hypostasierung theologischer Provenienz. ist es nUn nic.ht mehr weit. denn laut Rubinstein begnügt Humboldr ..sich nicht, im Sinnlichen die Grundlage des irdischen Lebens anzuerkennen. er Scllälzt in ihm auch die Vermittlung zum Unsinnlichen. Dies ist es insofern, als der Eindruck des Schönen das 'b RubinSlan. S.: .Oie EnNgit" :als Wilhdm von Humboldu sitllichc.' Zeiuchnfl pr PlJilosophil' und Piid4gogik, I). Jg. (1906). S. 1-8. o Rubinstein. ~Die Energi~·. u.Q., S. I. ~J
Ebd.
Grulldprinzjp~.
In:
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Viencr Teil: Dit Ordnung der Sprache
Traumrc.ich des Übersinnlichen und Tmnsccnde.ntalen erschließt"49. Dermaßen entrückt führt die Autorin am Beispiel der Kunst ihre absurde Argumentation bis z.u ihrem systematisch bineren Ende durch: .,Die Kunst ist Symbol des Ewigen und Unendlichen. Ja, sie ist Stihcrin des Bundes zwischen der unsichtbaren und uncrkennbarcn jenseitigen Weh. 2U der eine angeborene Sehnsucht hinzieht, und dieser sichtbaren leidübcrsiiten \'qeh. an welche eine schmerzvoll süße Gewohnheit fcsthäll. Aus dic:sem Widerspiel der Bewegung wird die Unangcmcsscnhcit klar, die zwischen der menschlichen Vergänglichkeit und Machtlosigkeit, und der schöpferischen Ewigkeit l;nd Allmacht besteht. Diese inkongruenz des Gönlichcn mit dem
demütigend Menschlichen ist der Urquell des Erhabenen" SO•
Dies aUes liest Rubinstein allS Humboldts (und auch aus Schillers 51 ) .Energie'-Motiv heraus. ein Unterfangen, das sich nicht nur der wissenschafrl.ichcn Beanstandung allzu offen preisgibt und dessen Inhalt und Stil sich im weiteren Fortgang ihrer triumphalistischen Ausführungen nicht wesendich mehr verändert. Es wird hier vorgeführt., UIll die Gefahren dcU(lich zu machen, die sich U.3. auch aus HumboldtS ,Energic'-Motiv deswegen ergeben, weil der mit die~em Begri.ff unterstelIre Grundgedanke keinesfalls die theoretische Qualität der .Energeia'-Konzeplion behaupten kann. 51 Der ,Energie'-Begriff war aufgrund sei.ner Thcorieindiffl'renz be· sonders anfäll.ig für Entstellungen durch die Rezeptionsgeschichte, ei.n Phänomen, Für das als abschließendes Anschauungsmaterial nur noch eine der vielfä,ltigen absurden Phrasen Rubinsteins angeführt sein oll: "Die anthropologische Energie ist ein Bestandteil der im ScböpFungsalJ waltenden kosmisc.hen Energie. Die Encrg'ie im Menschen legitimiert daher seine heimatliche Zuständigkeit zum unendlichen AII"~l. ,~
RubillSlcin•• Die
~
ElxL
11
VgL Rubiusreill•• I)ie Energie", .I.a..O., S. 3. - Vgl. Ju.b Rubil1src.in. S.: .l\ong~llj.Je Gei.stesfürstC'n. (SchillC't und Wilhdm \'I,)n HU!1lboldl)~. In; Zt'ltKlmft l/Ir Philmopl,ir lCml PiiJagogik, 12.Jr;. (1905), S. 222·226. Su ist die folgende grotcske ßchaupulIll; gleich doppdl (sY3tcm:uiseh und tClukril.i.sch) ~uf schJußreich: .. Energie ist Möglichkeit (t? U.W.), ist Bcfihigung zur Tugend. etw,) wie
SJ
~
En~rgi~·, .1.~.O .•
S. 2.
Scharfsinll UcJ3higll11~ zur Wis~cnsc":lfdichkcit ist; beide G:lbc.n könJlen aher auch \'crderblieh ,1ngc\llendct werden. Energie zeigt f;lSt jeder unternChn1('llde Raubmorder. und Sch~rfsinn zeigen die !1lC'islcn F~lsd15pider" (Rubinstcin, .Die Energie" . .1.a.O., S. 4-5). Kubinslc,in...Die' Energic", :l.il.()., S. S. - Den biurren Gipfel d~s .lb~oluh:n L('iehr-Sinn.~ erklimml Rubins,,~in 2bcr cßt in ihrer Behauptung eines androgynen Humboldt: "Humbc,ldl ~c1bM umspann in ~c.iner harmoniS(;ben ,dscirigkcir auch wdbtichc Zügc" (Ru bensIein, ~Oie- Energie". :u. .. $. 7). Aber - GOltlQh - dur dies nicht ~llz.uweil gehen: "Hingegen dringl k~rl1haftc M:illnlichkeil und Jje Kr.lft dC5 ßahnführc:rs aus ~c:inO:IIl eitrigcn MJhnruf; d.lIl man an sich ~dbSt .lrlxitc· (S. 8). Für Rubinslein woht .luch wi5senschaftlich eint unabgeschlos.st':nc AufgAbe.
10. HUl1100ldu Aufklärung: Ansichten $p~.::.hlicllC:·_r Wirklichkeit
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Humboldts ungleich bodenständigerer anthropologischer Idealismus hat erwiesenermaßen deutlich mehr zu bie-ten, eine Qualität, die sich u.a. in seinen frühen kunsttheoretischen Ausführungen andeutet. Schon sieben Jahre vor den Grenzen der Wirksamkeit, im März des Jahres 1785, setzt er sich mit Harris Kunsttheorie auseinander und schreibt, explizit au.f Huris rekurrierend, ja djesen referierend, ejne kurze Skizze Ueber den Regr;! der Kunst (VII 355-359). Leitzmann geht davon aus, daß Humboldt diesen kurzen Text schwerlich auf eigene Anregung, sondern auf die eines Lehrers (möglic.herweise Engel) hin verlaßt hat. Leitzmann iSl ebenfalls der Hinweis zu verdanken, daß als Grundlage der Skizze wohl nicht das englische Original, sondern eine anonyme Übersetzung mit dem Titel Jakob Harris' Abhandlungen über KJmst"l Musik, Dichtkunst und Glückseligkeir., erschienen 1780 in Halle, fungiene. Flir unseren Zusammenhang ist der Text Humboldts vor allem deswegen interessant, weil er hier - auf Harris aufbauend - wieder einmal mit aristotelischer Begrifflichkeit operiert. Im systematischen Zentrum der in vier Abschnitte gegliederten Überlegungen ([I] ,Was ist Kunst?', [II] ,Welches ist der Gegenstand der Kunst?', [IU] ,Welches ist die Absicht der Kunst?' und (1111) ,Welches ist die Wirkung der Kunst?') steht der Zusammenhang von Ursache und Wirkung, denn "alles, was wir Kunst nennen, ist die Ursach einer gewissen Wirkung" (I 355). wie Humboldt zu Beginn des ersten Abschnittes apodiktisch feststellt. Für ihn ist "Kunst: eine freie, in einer erworbenen Fertigkeit gegründete Handlung, durch die etwas hervorgebracht wird. Aber nicht allein die Hervorbringung dner Wirkung heisst Kunst, sondern auch das blosse Vermögen sie hervorzubringen" (VU 356). Damit ist djc handlungstheoretische Perspekdve nicht nur konstitutiv in den KunstbegriH eingebunden, sie stellt auch die VerknüpfUllg zwischen Kunst und Anthropologie her: "Kullst bezieht sich also nur auf den Menschen, und ist eine erworbene Fertigkeit eines Menschen, eine gewisse Wirkung hervorzubringen" (VII 356). Daher muß - wie Humboldt dies im zweiten Abschnitt anmerkt - Kunst dasjenige .. Vermögen zu wirken (sein, V.W.), das dem Menschen beiwohnet" (VU 357). 1m vierten Abschn.itt schließlich wird deudich, was dies für Humholdts Weg in e.in differenziertes VerstäJldnis von ,Energie' einerseits und ,Energeia' a.ndererseits bedeutet. Diese SteBe ist auch deswegen so bemerkenswert, weil sie den ,Energie' -Begriff als komplementär zu dem des Werkes versteht: ..Jede hervorbringende Ursach - und also auch die Kunst - muss eine Wirkung haben. die sie hervorbringt. Jegliches endliche Ding existirt entweder im Raum, oder in der Zeit, oder in beiden zugleich.
Vicrlcr Teil: Die Ordnung der Spr:achc
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Daher wirkt auch die Kunst entweder jl. im Raum. Die Thcilc dessen, was sie hervorbingl. bestehen neben einander; und alsdann hcisSl die Wirkung ein Werk. Oder b. in der Zeit. Die ThciJe dessen was sie hcrvorbi.ngt, folgen auf einander.
Oder endlich c. im Raum, und in der Zeit zugleich. Einjgc Thcilc von dem. W35 .sie her\"orbringt. bestehen neben einander; andere folgen auf einander. In dic~ sem, und im vorigen Fall hcisSl die Wirkung eine Energie; so wie man die Kunst selbst im ersteren Fall eine bildende. in den beiden leztcren eille energische nennt.
Die Wirkung der Kunst ist folglich cnrwcaer ein Werk. oder ~inc
EnCr~
g;'" (VII 359). Man mag sich vorstellen, daß Humboldr hier etwa die Di.fferenz zwischen bildenden und z.B. musischen Künsten im Auge hat. Zunächst erselu'im einem Humboldts Paraphrase jedoch als eine etwas wirre Mischung kantisch er und pseudoaristotdiscber Elemente. Aber d.ies stimmt nur auf den ersten Blick. Die Kamische Position. die im Rahmen der Kritik der reinen Vernunft ja erst 1781 in erster Aufl,lge und schließlich 1787 in zweiter Auflage erschienen ist. ist an dieser Stelle nur mi[[elbar bzw, vor aUem tcrminologisch, kaum aber dleorerisch, präsenl, weil Raum und Zeit hier als voneinander trennbare Entitäten, und nicht in ihrem integrierten Charakter ab empirische Realität und transzendentale Idealität besprochen werden. Tatsächlich existiert schlechthin jedes Werk, egal welchen Charakters, immer in Raum lind Zeit. In der (a.) Zeit (auch hier eine letztlich hyporhetische Annahme) und in (b,) Raum lind Zeit .,heisst die \'<'irkung Energie" (Vll 359). So ist die GegenübersteJlung von ,Werk' und ,Energie' hier erst ei.nmal äußerst mißverständlich und zeigt vor allem, was der junge Humboldt von Harris zu übernehmen bereit war. Wie strukturiert die Ebenen (3.), (b.) und (c.) ineinander verschränkt sind. zeigt Humboldt erst im Abschnjtt (c.), Ocr letzte Satz ist aber insofern irreführend, als an seinem Ende im ontologischen Sinne eigentlich ergänz I werden müßte: ,cnrweder ein Werk. oder eine Energie, oder immer schon beides', Erst in dieser Bedeutung wäre eine systematische Möglichkeit gegeben, hier eine terminologische Anlehnung an den ,Energeia-Begriff' anzunehmen. Das sprachlich ErkanlUe wäre dann immer nur in Raum und Zeit, das Werk immer zugleich :luch ,Energeia'. Genau diesen Schritt macbt Humboldt bier (noch) nicht. Er wird in der Kawi-E;,deiwng fast fünfzig Jahre nach seinen skizzenhaften Gedanken Ueber de71 Begrif der Kunst mit sejner Definition der prache zeigen, daß die Dichotomie von ,Werk' und ,Tätigkeit' als Behauptung zweier unterschiedlicher, ontologisch-autonomer Raster, sowohl auf dem Hintergrund des Kantischcn wie des Aristo-
10. Ilumboldl$ Aulld:i:rung: An...ichlt'n sprachlicht'r Wirklichkeit
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tdischen Theorierasters, FiClion bleiben muß. In seinem frühen Text je~ doch überwiegt - mit welchem Eigenanteil auch immer - noch die Suche nach adäquater termi.nologischer und theoretischer Sicherheit, die über einen epigonalen ,Energie'-Begriff nicht hinauskommt. So bleibt für die Identifizierung des Humboldrschcn ,Encrgic'-Begriffs eincrseits die idealistische Annahme einer Bewegung alles Natürlichen als in sich Wertvollen und damit aus sich selbst heraus Bewegten (eine zunächst eher konziliante Anlehnung an das griechische Naturverständnis), andererseirs die ganz praktische Identifizierung anthropologischer Grundhaltungen, dje in Humbold[S - mißt man sie schließlich am Ergebnjs - ebenso kurzsichtiger wie charmanter ,Entschuldigung' zum Ausdruck kommt, die er am 3. September 1792 in einem Brief an K. G. Brinkmann sendet: ..Wenn ich auch in dem spätesten Alter stürbe, werde ich, das weiß ich voraus, kein Werk binteriasssen, das mein Andenken dauernd erhielte, ich werde nicht einmal mir selbst sage.n können: dieß oder jenes h~b' ich gelban und geschaffen. Selbst wenn ich etwas gcthan härte. würde ich dieß mir mit Wahrheit nicht sagen können. Denn ich thue nie etwas um des Werkes willen, das unmittelbar und außer mir, immer nur um der Energie willen, die mittelbar und in mir blcibt"S4.
Alle möglichen Verständnisse Humboldrs des von ihm so häufig und engagiert verwandten ,Energic'-Motivs erreichen also das ,Energeia'-Dikturn in dessen theoretischem Gehalt oder gar im Hinblick auf die sprachtheoretischen Konsequenzen zu keinem Zeitpunkt. Trotz enthusiastischer und omnipräsenter Verwendung durch die verschiedensten Wissenschaftsbereiche hindurch bleibt die ,Energie' von ihrcr systematischen Relevanz her günstigstenfalls im Schatten der ,Energeia' - häufig noch nicht einmal dies.
10.6 Das Ende der Repräsentation: der Bruch Humboldts eindringlichste, sichcr aber auch am mühsamsten erarbeitcte, Ansicht sprachlicher Wirklichkcit ist der Abschied von der abendländi~ sehen Tradition einer norwendigen Repräsentation der objektiven, erkennt-
Si
I-Iumboldu ßri~f~ "" Ka" GUSlA'V von BrmcJtmann. HNg. und tTI,illtert '(IOn A. Le;tzm,mll. [Hunlboldl .an Brinckmann am J. Septt'mba 17921. Leipz.ig 1939. S. 20-21. Humboldl, W. v.: Wilhdm
'VOll
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Vitrtcr Tdl: Die Ordnung der Spracht
nislcitendeo und erkcnmnisbcstimmc.nden Welt der Dinge. die unabhängig von der Sprache autonom existiert. Diese Einsicht. die den Kern Hurnholdtscher Aufklärung und diese letztlich als sprachlich darstellt. ist dem Philosophen von Tegcl cmgcgcll mancher Behauptung von der (neuzeitlich-modernistischen) Selbstverständlichkeit CJnes solchen Unterfangens nichl so einfach gefallen, wie Analysen durch die betreffende Sekundärliteratur dies manchmal vermuten lassen. Sie .ist also ebenso systematisch wie ideengeschichtlich zentral und gelingt Humholdt - auf dessen zeitgenössische Mitstreiter Hamann und Herder wurde im I. Kap. eingegangen - in ihrer ganzen Schärfe und vollen Auspr:igung letztlich erst in der Kawi·EinleilJmg, in der der Bruch mü der wohl wirkungsmächrigsten abendländischen Sprachtradition endgültig vollzogen scheint, wenn auch hier repräsent3tionistische Rudimente durchaus zu rinden sind. Humboldt war in seinem späten Hauptwerk wie nie zuvor in der L.lge, seine unterschiedlichen Beobachtungen und Theoreme z.unächst zu verknüpfen, um sie dann in einem konzentrierten Enrwurf inregriert bis zu ihrem gedanklichen En· de .3uszumeSsen. So wird die e1ememare innere Konsequenz seines sprach· theoretischen Denkcos vor alJem aus dem Kontext versteh bar, wenn auf die Feststellung, da.ß man "die Sprache nicht sowohl wie ein todtcs Erzeugtes, sondern weil mehr wie eine Erzeugung ansehen" (VII 44) muß, man dann folgerichtig auch "mehr von demjenigen abstrahiren (muß, U.W.), was sie (die Sprache, U.W.) als Bezeichnung der Gegenstände und Vermittlung des Verständnisses wirkt, u.nd dagegen sorgfältiger auf ihren mit der innrcn Geistcsthätigkeit eng verwebten Ursprung und ihren gegenseirigen Einfluss zurückgehen" (VII 44) muß. Es ist letztlich die Frage nach dem Wesen der Sprache, die das entsprechende erkenntnistheoretische Paradigma sprach· theoretischer Qualität nach sich zieht. Der oftmals apodiktische und insistierende Grundron der entsprechenden Textpassagen. vor allem aber die explizite Ablehnung jedweder Repräsentationstheorie, die demnach zunächst vor allem Argumentation mit negativem Vorzeichen ist, macht jedoch deutlich, daß diese Einsicht keinesfa.lls leichtfälh: .. Denn keine (Hcrv., V.W.) Galtung der Vorstellungen klann als ein blOß (Herv., V.WO) empbngendes Beschauen eines schon vorhandenen Gegenstandes betrachtet werden. Die Thätigkdt der Sinne muss (HeN., V.W.) sich mil der inneren Handlung des Geistes synthetisch verbinden, und aus dieser Verbindung reisst sich die Vorstellung los, wird, der subjectiven Kraft gegenüber, zum Object und kehrt. als solches auf neue wahrgenommen, in jene z.uriick. Hier.tu aber ist die Sprache unentbehrlich" (VII 55). Humboldts Kritik 30m naiven Repriisentationsgedanken fußt also auf einem Verständnis der Sprache, das ein erweit.ertes Gegenstandsverständnis in bezug auf das, was Sprache ihrem wirklichen Wesen nach ist, zur Grundlage
10. J-lu01boldu Aufklärung; Aosichtcn spnchücbcr Wirklic.hkeit
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sprach theoretischer Skepsis nutzt. In dieser Hinsicht soll die bildhafte Argumentation von der Entwicklung der ,Vorstellungen' die Rcpräsemationstheorie erst einmal hinreichend unplausibel machen, die ~prachtheoretische Exekution ist hier systematisch noch gar nicbt drängend und daher an d.ieser Stelle noch nicht planmäßig durchgeführt. Erst einmal ist Sprache vor allem mehr als Repräsentation, nicht unbedingt schon der Grund für die theoretische Unmöglichkeit dieses Prinzips. Unplausibel am Repräsenrationsgedanken ist für den Kantianer Humboldt vor allem dessen Schwerpunkrsetzung auf die objektive Dingwclt, eine obsolete Dezentrie.rung von Individualität., die Humboldt nicht mehr zu akzeptiere.n bereit ist: ..Alles Sprechen, von dem einfachsten an, ist ein Anknüpfen des einzeln Empfundenen an die gemeinsame Natur der Menschheit. Mi! dem Verstehen verhält es sich nicht anders. Es kann in der Seele nichts, als durch t';gl1e Thiüigkeit (Herv., V.W.) vorhanden sern, und Verstehen und Sprechen sind nur verschiedenartige Wirkungen der nemlichen Sprachknft" (VII 56). Humboldt widersteht der Versuchung, menschliche Erkenntnis in einer Art rezeptiver Opferhaltung gegenüber dem vermeintlich unumstritten Realen zum Stillstand zu bringen, er setzt zunächst und vor allem auf die Konstitutionskraft der Subjekte, womit das genetische Sprachverständnis seine anthropologische Voraussetzung gewinnt. Eine sprachtheoretische Täte.rhaltung also, die es jedoch nicht bei dem Gedanken der Reflexion des Erzeugungsprozesses belassen will, denn ..auch bei der Betrachtung des durch die Sprache Erzeugten wird die Vorstellungsart, als bcuichne sie bloss die schon an sich wahrgenommenen Gegenstände, nic.ht bestätigt. Man würde vielmehr niemals durch sie den tiefen und vollen Gehalt der Sprache e.rschöpfen" (VlI 59). Gemeinsam ist beiden Richtunge,n der Argumentation (die der ErLCugung und die des Erteugten des Sprachlichen). daß sie zu verstehen suchen, wie die unterschiedlichen Größen des Erkennrnisprozcsses als sprachlicher Akt so aufeinander bezogen werden können, daß Subjektivität zwar maßgebliche conditio si ne qua non von Wahrnehmung ist, daß letztere aber in der Lage bleibt, einen glaubhaften Bezug zur Wirklichkeit herzustellen. Humboldts Lösung ist zunächst die Feststellung, daß "in die Bildung und in den Gebrauch der Sprache (...) nothwendig die ganze An der subjectiven Wahrnehmung der Gegenstände übergeht (Umst., V.W.). Denn das Wort entsteht eben aut dieser Wahrnehmung, ist nicht ein Abdruck des Gegenstandes an sich, sondern des von diesem in der Seele erzeugten Bildes· (Vli 59-60). Aber diese Problem-Aufklärung ist noch ungenau und unvollständig. Ganz offensichtlich ist die Identifizierung und reziproke Zuordnung des-
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Vicncr Tc;!: Die Ordnung dc:r Spra..:hc
sen, was .Gegenstand', ,Abdruck', ,seele' und ,Bild' bedeutet, diHizilcr als zunächst angenommen. Es lohnt ich daher ein komprimicncr Blick auf den rcpräscntarionistisehen Entwurf, innerhalb dessen d.ie Termin.i und damit die mit ihnen verbundenen Begriffskonzepte in die (sprach-)philosophischc Diskussion des Abend.landes eingez.ogen sind. Hier trifft man - nach den bisherigen Klärungen zur Omologie gar nicht einmal so selbstverständlich - wiederum auf Aristoreles. Im sprachtheorctischen Bereich niimlich sind die Dir· (erenz.en beider Denker offenkundig, während in der Transformation des omologiscben Eot\vurfes große Übereinstimmungen festzustellen waren und sind. Ein Blick auf einige ausgewählte Aspekte aristotelischer Sprachreflexion macht deul1ich, wie die Differenzen in diesem Problem bereich gelagert sind und warum die sprachtheoretische Ferne und ontologische Nähe HumboldLS zu AristoteIes eng miteinander verknüpft sind. Für Aristofcles wird gemeinhin angenommen, ihm se.i es nicht im eigentlichen Sinne um die Klärung dessen gegangen, was ,Sprache' im Kern ausmacht, und in der Tar hat der athenische Philosoph im engeren Sinne keine als solche zu verstehende und auch systematisch geschlossene Sprach theorie entwickelt. Nirgendwo n.immt sich AristoteIes in einem Te,''l:t explizit lind konzeptionell abgesichert exklusiv der Sprache als der Sprache an. Reflexionen zum Sprachproblem finden sich verstreut in mehreren Texten, z.B. der Kategorien-Schrift, den Sophistischen Widerlegungen, der Poetik und Rhetorik, der Politik, in Ober die Seele und vor allem im Text über Hermeneutik oder 'Vom sprachlichen Ausdruck, der Schrift des Organons, die gemeinhin noch am ehesten als eine Reflexion zum Thema Sprache angesehen werden kann. Diese Heterogenität ist ein Grund dafür, warum die Sekundärliteratur zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen der aristotelischen Sprachrcnexion gekommen ist.!I!I U Zur pr.lf;:bthcone des Ari$totdes vgl. vor :allem den ;ausgezeichnelen Artikel von W. Ax: ~AnslOtdCi (.l8+-322t. In: Ducal. M. 1,1.3. (Hrsg.): SprtU'hphi/010phw. Em II/UrniltIOrla/t'1 !'Iam/buch ~1·;tgr"imurJJt·r FC}Nchung. Berlin. New York 1992. Ax rrmiuch die spr.tch· theoretische RcOniOll als Qucrsc.hniusproblcm in \\'crkbt'zogem·r und sY$lematischrr Hinsicht. fühn ausgcw~hhe Sckund;irHlcralur zum ThemOl auf und verschweigt auch nicht die dortigen untcuchiedliehen EinKhitzuogcn. - VgJ. dazu: ArcllS, 1-1.: Sprm:hwusemcIJ4t. Der Gang ihrtr Emwirkhmg t/(m dir Amilu Im ZNr Cegenw,m (1 Hae.). Freiburg, Mimthcn (2. AuO.) 1969. S. 12·15. - AJt. W.: Laut, StImmt. SprMIJt'. Studum zu art'l Cr/mdl,,·· gr,!TM Jer antikr" Sprachthrorit. Göningcll 1986. - Cosl.'riu, E.: .tb fV (tIUto.h'l't v. Bedtu· lung und Bezeichnung bt-i AriSlOtdcs". In: Zt-iruhri[t für Ph01/fOtik. SprarhwiHt!llsch4t und KommHniblilmsforIchNllg, )2.Jg. (11:179), HAIS, s. 432.... 07. -D/:rs.: Di~ Gnchichu der SprachphilolOp"i~ '11(/1/ d~r Amikr bn zur Gegt'nwarL Emr: Obersi~ht (1 Bd/!.). Tübingen (2. Aun.) 1975. S. 68·98.... D~ Mauro, T.: Em/ühmng In Jj~ St'mantik. Tübingen 1982. S. 21·62. - Oi Cesare., 0.: .oie Se.mamik bd An$lötde.$-. In: Spr~("hwmrmrhaft, 6. Jg.
10. Humboldts Aufklärung: Ansichlen
spr~c.hlicJlcr Wirklichkeit
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W. Ax entgegnet beispielsweise :auf die These K. Ochlers, nach der ..es Aristote1cs primär nicht um die Sprache ging (Umsl., U.W.), sondern um die Sache, die in der Sprache zur Darstellung ge1angt" 56, daß dies in gewisser Hinsicht .sicher richtig, und doch auch wieder nicht"~1 zutreffend sei. Ax ausgezeichneter Beitrag zum Thema verweist diesbezüglich auf die Breite und Intensität der unterschiedlichen Beschreibungszusammenhänge, in denen AristoteIes Sprache zum integrienen Thema macht, (I) den
der Biologie und Psychologie, (2) den der Logik und (3) der Poetik und Rhetorik. Diese erweisen gleich drclfach "die Sprache als Lauterzeugung, als akustisches Phänomen, also den lautphysikaljschen, bzw. -phy iologischen Aspekt, die von den sprachlichen Lautzeichen symbolisierten Dc.nkinhalte und -operationen, also den logisch-semantischen Aspekt. und die situations- und gattungsgerechte Sprachverwendung in Dichtung und Rede, also den stilistischen, bzw. pragmatischen Aspekt der Sprachbetrachtung- SS . Über die ganze Spannbreite der Sprachthematisierung zeigt sich, daß die Renexionen über Sprache im wissenschaftlichen Diskurs des Stagiriten eine unbedingt notwendige und häufig sogar eine alles weitere fundierende Rolle spielen, was sich schließlich in dessen Bemühungen um einen biologisch-psychologischen, einen pragmatischen und schließlich semiotischen Ansatz niederschlägt. oS" Nur letzterer kann und soll an dieser Stelle in Ausz.ügen besprochen werden. wiewohl deutlich bleiben muß, daß hier lediglich ein sehr kleiner, und noch nicht einmal unbedingt der kon.turierteSle. mit Abstand jedoch der wirkungsmächrigste Aspekt aristotelischen Sprachdenkens angesprochen ist.&O Den semiotischen Überlegungen des AristoteIes liegt ein ,erkenntnistheoretisches< Grundproblem zugrunde, das er im ersten Kapitel der Sophistischen Widerlegungen unumwunden zur Sprache bringt: (1981), H.I. S. 1-)0. - Gn.escr, A.: .Arislotcle$ (384-321 v. ehr.)" In: Borsche, T. (Hßg.): KLus/lu.,. cflT Spr4c:hpl)ilo1ophj~. Von Pl.AtO blJ Chomslt,. MÜl\Chtn Im. .3347. - Kdler. R.: Zeichmtheom'. Zu ~intr ThtOrit umlOtischf'n WiHt'tU. Tübin\:tn. SLS<1 1995. . 36·-42.P.ucin. B.: Untl.'rslldJlwgl'n über Natur und Punktion d~r Spr~cht. StUngul 1969. S. S2~S. - Sinnou, A. E.: UmtrJuchungm zu Kommunikation und Bt!dtutlmg bti Anstottl~s. Mün· ster 1989. - Tubant. J.: Eltmmu.' JM' t!miotilr. Tübingcn u.a. t 9%. S. D-16. - Wtidrm;mn, H.: ",AnsitZt! zu tlMr Rmami$CMn Th(()rie bei ArUlolclC$-. In: Zt!IlKhnft fitr St!mumk, 4. Jg. (1982), S. 1-41·1!t7. - Dcn.; .Grundz.üge der AristotdiKhcn pnchtbcorie-. In: SchmilIU. p. (Hrsg.): prachthtorttll Jn aht-nJ/anJuclmt AIII.lk~. Tübingen 1991. S. 110-192. ,. Zit. nach Pu, .Aristoules", u ..O.. S. H4. y
~ ... Aristotdcs·, ~.a.O., S.
..:l
Zum biologisch-psyehalOßischen und zum pragmalischen Asptkl vgl Ax.•• Anstotc!($"', u.O., S. Z50-251.
1+t. lolI Al:•••Arinoldcs'" , ~.a.O .• S. 2450. " Vgl. Ax••Anslotdcs". u.O.• S. 250.
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Vierter Teil: Die Ordnung der Sprache
l165a] ..Man kann beim Disputieren nicht dje Dingtsdbsl hernehmen, saodern gebraucht statt ihrer, 315 ihre Ze.ichcn. die Worte. Daher glaubt man dann, was für die Worte gih, müsse auc.h für die Dinge gdren. wie wenn m:m
rechnete und es mit Rechenstein~ zu tun hätte. Aber hier fehlt die Gleichheit. Die Wone als ebenso viele Begriffe sind der bhl n:leh begrenzt, die Zahl der Dinge ~ber ist unbegrenzt. Darum muß derselbe Btg,riff und ~n und dasseiM WOrt gleichzeitig ~ne Vielheit von Dingen bt-l.e1chotn" 61 •
Ax kommentien die Passage aufschlußreich und eine der zentralen Inter-
essen der gesamten aristoldischen Sprachtheorie markant, wenn er feststellt, daß die"Vermeidung von Fehlschliissen"6J eines ihrer Hauplanliegen iS1 und dies gerade zu einer ..wachsamen Distanz zur Sprache und ihren Fallstricken"6J d.ufruft. Die Sophistischen \Viderleglmgen diskutieren u.a. die Problematik solcher FallS[ricke in der Form von Schei.nschlüssen, organisieren die ,wachsame Distanz' in Form einer Demaskierung des Trügerischen,l'~ Ebenso fundamental wie folgenschwer ist in der vorliegenden Textpassage jedoch vor allem der Nebensatz, nach dem wir statt der Dinge ,als mre Zeichen, die Wone' verwenden, also Zeichen setzen, anstatt über die Dinge der Welt selbst unm.ittelbar handeln zu können. Dies ist die zeichemheoreusche Grundlage des aristotelischen Erkennt· niskonzeptts, wie sie vor allem im I. Kapitel der Hermeneutik zum Ausdruck kommt:
c(m
,w.- oUv Ta iv TU (rA.lt\'fJ lWv tv til 'iHr!." :itetfhnl6.TWv m"'J--lßo).a, xal tO
YQOq'OJ-tt\'U tüw h tn ((AU"'fI. >«1l tKmEQ O\KX yQ6.~lJ.t(lTQ nUOllo. uina. 000( (f.tI1\'tlt Ot oim.d· Wv J,dvtOl taUTO OT\JlEi«ll tJV TOma Ö1lOu.OjwTO nQ6YJl«TO llöll Toina. nqK. ~..h' oliv lOUtW"l' elQ'llCll Ev l~ ntQl ~tUX~. -lü-.>..~ ybQ lTQClYJ.lClldo;·M {16~]
"Es sind ~lso die Laute, zu denen die Stimme gebildet wird, Zeichen der in der Seele hervorgerufenen Vorstellungen, und die Schrift ist wieder ein Zei· cheu der Laute. Und wie nichl aUe dieselbe Schrift haben, so sind auch die ., i\ristotdes: Sophistische U?jJcrlcgungel'l (Org,mol'l VI). Ub('r$t'lzt und mit Anmerltullgen v~chl'n tmn EHgt:n Rolfu. H;amburg (Unveri. Nolchd. der zweiten AuO. von 1922) 1968. S. Z. loJ
A:r.• .Ar1stotclu-. ~.:.1_0~ 5.1"8.
Ebd. .. Vgl. duu T. Oe M.lUh): _Es ist wichtig. einen Spiegel kJar zu holhen. zu ,-ermndcm.
Sprunge bekommt. zu wissc:.n, wie nun mit ihm umgeht :.100 was weiß mVl Wichtigu, wenn man weiß. woher Cf" st:.1mrnt und wonw l!T ge(crtigt wird? WIChtig ist. d.tß du Spie-gt:lbild unveml.scht und unvcncm ist. EMnso verhih t:S skh mit du Sprxhc im R.th~1I der wtOtclischc.n KOlU.C'puon- (Oe Mauro. E.m/"h'''''g in du Scn14ntilt. u.O.. S. 27). .., Aristott'les; Hnmmr"tlk odn vom $pr.chlu,"n AII$J,,,d. Hng.• "btTKIZI. mJl E.I·n/e;l"ngm "nd ErI4"luHngrn W'TJrbm llOn H. C. Zrkt Hambu~ 1998. S. 96.
10. I Lumboldu Aurklirunl;:
Ansichl~n
sprachlicher Wirklichkeit
491
uute nicht bei allen dieselben. Was aber durch bcide an erster Stelle angezeigt wird. die einfachen seelischen Vorstellungen, sind bei allen Menschen dieselben, und ehenso sind es die Dinge, deren Abbilder die VOf"Stellungen sind. Doch hiervon haben wir, d;ll es eine andere Disz.iplin angeht, in den Büchern von der Seele gehandelt.....
Schon der letzte SatZ macht deutlich, daß AristoteIes die intcnextuellen Bezüge in seinen spr.tchtbeoretischen Reflexionen herzustellen bereit ist und damit selbst eine Brücke der Problem kontinuität zwischen den unterschiedlichen syst~matischcn Frageansätzen zum Sprachproblem schlagen will. An dieser SteUe jedoch geht es ihm vorderhand um die Grundzüge ~iner repräsemarionistischen funktionalisierung des sprachlichen Zeichens, das für die Dinge der objektiven Wirklichkeit als Stellvertreter installiert wird. Welche Größen - man wird schnell an die obige Hum· boldr-Passage erinnert - müssen in diesem Arrangement aber laut AristoteIes noch berücksichtigt werden? 1m Kern sind für den Stagiriten an der system.nischen Verorrung und damir an der Konstitution des sprachlichen Zeichens vier Instanzen beteiligt., die zunächst eine Kette spezifischer Beziehungen aufweisen und dann noch einmal in semantischer Perspektive integr.uiv verknüpft werden. Die (I) Schrih, das Geschriebene (ta YQU
W
AristoleIes: uhrr "'om SAtz (Org4nol1 1111) Ob~~tzt. mit tmtr Eil1lt~it"ng "nd "Jt13rm· J~n Erlii"tn'ungm fJtTJl!htn 'VOll E. Ro/frJ. I-Iamburg (Unvtra. NeuOlusgabc 1958 der 2. Aufl. von 1925) 197oJ. S. 95.
Ebd.
492
Vierter Tr.il: Dil': Ordnung d('f Sprache
willkürliche und damit per Konvention festzulegende Bezie.hung zwischen Laut und Sinn vers(,mden wird"611. Wie die Instanz (I) r. (2) und r. (2) di~ Instanz (3) jeweils symbolisiert, dies kann nach Arislotcles da· her nur noch eine .Frage historisch-sozialer Übereinkunft sein: tc> bt x((tQ. OlJ\'61iX'lv. ön lrVoEl l('i)v ÖVOIUltWV oubev Eon\'. &U' Öl«V YEVTJTal mi~lfk>A.Ov6'. [I6a] "Die Bestimmung ,konventiooeU' (auf Grund einer Übereinkunft) wiIJ sagen, daß kein Nomen von Natur ein solches ist. sondern erst wenn es zum Zeic.hen geworden ist "70. Damit bezieht AristoteIcs - ..cher lhcsenhaft als begründend"7 l , wie Ax konziliant und gleich-
wohl zutreffend feststellt - ..Partei im Streit um den Konvcntionalitätscharaklcr der Sprachzeichcn: Er vertritt die Konvemionalitätslhese" 71 und beantwortet damit die Frage dcs platonischen Kraly/os-Dialoges. ob die amen qn)o(t oder etou seien, im Sinne der zweiten AlternaLi\·e. Das sprachliche Zeichen ist somit verabredetc Repräsem.uion für die Dingeder Welt, ja erschcint in seinem Charakter bei AristoteIes bald wie aus einer systematische.n Ot geboren, zumindest dann, nimmt man die Bemcrkung der Sophistischen Oberlegungen einma.l wönlich: ..Man ka"n (Herv., U.W.) beim Disputieren nicht die Dinge selbst hernehmen, soodem gebraucht statt ihrer, als ihre Zeichen, die \Vone" TJ • Das sprachliche Zeichen des AristOleles ist und bleibt ein notwendig ,in·Kauf-genommenes', dem nicht selbst, aber in seiner Verwendung in Aussagen, letztlich als möglicher Ursprung des Mißverständnisses, mehr mißtraut werden muß als ihm getraut werden kann. Aristote!es' Reflexion der Sprache will - ein Umstand. der in groben Skizzen der Thematik oft vernachlässigt wird - die Verwendung des Sprachlichen primär für Kritik offenhalten. .. Ax. pAristoulcs a , a.:.I.O., S. 2;4. .. Amlotclcs, fI"mmrMllk. a.J.O., S. <)8. 10 Arislotrlcs. Ld"r 'VOm Satz, ~.LO.. . 'J6. " Al(... ArisIOldcs a • ~.a.O .• S. 15... n Ebd. _ Es hai Versuche g~tben. du XUTU om'Oipulv weiler auszu.legen als in der vorgetra· genen Inlerpretation deutlich wird. Ax merkt umer Einschluß der cnl$preehrndcn Pmi· tiunen duu vollkommen 'l.ulrt'{fend und in der Bt'wt'rtung m.!::. noch :tu vorsichtig an: ~Oie Vt'nuchc, aus dcr \'erindertcn Formulierung )((lTo. o,,,'Ofr,tllv (stm O\l\o(hi'xn) einen Neu:.lnnt"t gegmube:r Pbtons Ahern,ui'Ye hcnunulcscn. fube:n sich bisher nichl durchSt'lun könotn. Ich meine vor allem WolrJ;,lßg W~I.ands V('fSucll (19701, 161-173), die ariSIO· rdi"h(' Wt'ndung als Hin...cis auf elO ">Übcreln,ckummcnson< im Sinn( einer inlenubjektiven Versündigung (vgl. Tugendh.al 1963. 546) und Coscrius firulistisc:he Deutung dts xm" Oll\(h1xJjv als Hinwels :.Iur ein von einc-r Ausdrucluabsichl mollviertu, also mtt"lllO· na/eJ äicht'n (Coscriu 1'17;1, 72H; l06rf). In 1C1~ter Zeit iSI mJn im allgcmt'inm ....Iwer zur einhchen Kon\'entionJliulSthesc im lradilionellcn Sir\Oe zUfÜckgt'kchn- (Ax, .An· stOldC$". a.lI.O.• S. 254). n Aristoldcs. Sophmuchr U/,drr/cgllngrn. a.a.O., S. 2.
10. HumboldLS AurKtirung:
AlJsichll~n
sprachlicher Wirklichkeit
493
Anders ist dies bei den unzweifelhaften Dingen de.r Welt selbst. Sie be· haupten bedingungslose Gültigkeit und damit normativen Charakter für Erkenntnis. Diese Normativität drückt sich allein schon darin aus, daß diese Dinge laut Aristoteles bei allcn Menschen dieselben sind, was nichts anderes heißt, daß es - unabhängig vom Problem der Wahrnehmung eben auch nur eine solche Welt des objektiv Rea.len gibt, über die man z.war Falsches a.ussagen kann, die aber selbst niemals ,falsch' sein kann. Wahrheit und Falschheit ist überhaupt kein Problem der Dinge der Welt, sondern ein Problem von Aus agen, ihre Unterscheidung wird .. nicht mehr Wörte.rn zugeschrieben, sondern nur der Rede"7~. Jene Normativität nun geht, und dies stellt den eigentlichen Übergang zwischen Mensch und Welt dar, in die seelischen Vorgänge, die .Erleidnisse' der Seele, analog und unbedingt gültig über. Auch die Vorstellungen (Argumentationsinstanz J), die die Menschen von den Dingen (Argumentationsin. stanz 4) haben, sind ebenso wie die Dinge bei allen Menschen dieselben. Wie man sich dieses analoge Strukturmuster vorstellen kann, macht AriStoteles in seiner Wahrnehmungslehre in De anima deutlich: KuUö>"ou oe IlfQt no.011; Qi.o();lOet~ öd ).oßEiv (Sn ~ Iltv aiaOl)o(~ ton TO 00tnx6v rwv uloOntow dhc,j}v «vtU li'1r; ii).Tt;. olov Ö xllQ6r; toü öuxniHo\l ÜvnJ tOu ou5ilQOu xat 10U XQUOOil 6txETQt ta crTJ1.LCiov. ).u~Vtl or ta XQUOOOv ~ tO xnboUv mw.dov.lUJ.' oüy. XQ~ i1 x«h6c;' ÖtJ.O"~ 6( xut nuioEh]ou; f:xltOlOU ÜJtO tOÜ ixovt~ XQWI.lU ij Y.,Uf.IOV ~ ~16«0\' nltoxu. 6),).' oUx. txa· OlOV txtt\'W\' ).i'ynat. äU' tQto\'öl. xat xatu tÖ" }Jyyov.
n
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[424al ..Man muß :aber allgemein von jeder W:ahrnehmung crf:assen: Die W:ahmehmung ist d;u Aufn:ahmefahige für die wmmehmb..-en Formen ohne dje Materie, wie d:as Wachs vom Ring du Zeichen (Siegel) aufnimmlohne d:as Eisen oder d:as Gold. Es nimmt d:as goldcnt' oder eherne Zeichen auf, aber nicht sofern es Gold oder Erz ist. Ebenso erleidel die W:ahrnchmung (der Sinn) 'o'on jedem Objekt, d:as Farbe, Geschmack oder Ton hat, aber nichl, sofern es jedes einz.e1ne 'o'on ihne.n ist. sondern sofern es 'o'on solcher Art und gemäß dem Begriff ist Y75 •
Ocr griechische Text zeigt. daß AristoteIes hier wieder mit dem EIöot;-Begriff arbeitet. Nur dieses Er&>; geht von den Dingen der Welt - in diesem speziellen Fall Unter Ein chluß der IlOQCP1'I·Bedeurung - quasi aJs ,Bild' der äußeren und innere.n Struktur der Dinge in die Wahrnehmung über. Hier ist der eigentliche sy temausche Angelpunkt von Arisloteles Spracb.reflexion thematisch (der damit konsequeDtecweise außerhalb dieser Reflexion im engeren Sinne liegt): D3 das El~ keine Frage der subjektiven Er•• Keller, 1)
ulCM",h~,
u.O., S. 38.
AriSIOldes, Gbv d,e S~~l~, a..l.O.. . 1J2I1 JJ.
494
"iener Teil: Die Ordnung der Spr:lchc
kenntnis ist, sondern ;\Is innewohnendes Srrukrurprinzip identitäustiftendes Merkmal der Dinge selbst bedeutet, muß folgerichtig auch die Wahrnehmung bei aUen Menschen dieselbe sein. Erst dies induziert, daß die Objektivität des Realen für die Menschen auch allgemei.ne objektive Gültigkeit beanspruchen kann. ln einem zweiten. systematisch nachgeordne(cn. Schritt ist es dann konsequent, daß diese selbe Vorstellung sinnvollerweise durch Zeichen repräsentiert werden kann und daß eine historisch-soziale Übereinkunft über die Zeichen dafür Sorge trägt. daß die allgemeinen Vorstellungen von den Dingen dauerhaft kommunizierbar bleiben. Im rückwärtigen Blick der aristotelischen Argumentationskme (I) Schrift, (2) Lau,. (3) Psyche und (4) Dinge, in der (I) und (2) und (2) und (3) durch Zeiehenrelation und (3) und (4) dureh wesensmäßige ,Bildrelation' verbunden sind, entsteht dann laut J. Trabant. was bei Aristotcles ,Bedeutung' heißt: ,.Die eigentliche (.,.) Fragestellung ist aber die flach der flmktion der Zeichen (,..). Die Zeichen haben nämlich die Funktion, die Weh, die Sachen zu .bedeuten' (sema/nein), Die semainein-Rcla!ion in eine Kombination der beiden ersten Rehnionen"7b. Dieser Identifikation ist bis zu dem Grade zuzustimmen, bis zu dem nicht die grundlegende repräsentationistische Statik des aristotelischen Entwurfes durch einen unscharfen und allzu modernen Begriff der Bedeutungskon· stitution künstlich überbrückt wird. Eine darauf bezogene, systematische Überde.hnung z.B. des xlllCt oUVOipOlV im Hi.nblick auf e.ine lntentionalität oder FinaJiüt des sprachlichen Zeichens ab bedeutungskonstituierende Größe per se widerspricht dem arisfOteiischen Entwurf und konspiriert illegitim mit neuzeitlich-sprachwissenschaftlichem lnslrumentanum. R. Keller verzeichnet dagegen klar. "Für ArislOtcles sind die Wörter dazu da, Dinge zu bezeichnen, indem sie Vorstellungen symbolisieren, die Abbilder der Dinge sind"'17, Es ist somit T rabaolS kritischer Einwand gegenüber E. Coseriu oachdrückJich zu unterstreichen, wenn dieser zur Forschungslage in bezug auf die bis heUle .. kontrovers" 78 gebliebene Auslegung aristotelischer SprachrcAexion feststellt: ..So schließen wir uns z.B. hinsicht,~
T....ab.tnt. EI~mf!Tlll' Jl!r StmlOlllt. 3-.:t.O.. . .H. n Keller. Ze,cbrmhf'Un·f!• .l..l.O.• S. ~ I. - Keil« bringt dll~S auf llic (:auf dC'n Cr51en Blu:k terminologisch nichl unpr hlem:auschC') FQ1'mel. d:lß .die Sprache "on AoslOtdcs .lls bUlla· chu Repräsent.ltion.uyslem einCJ kognitiven Repu$l·nt:uionssyslen\s .lngöehell wird(UmSI .. V.W.). Dia trtfft d.lnn 7.u......ird hier .Repr.lSC'nution' im 7.wt"if.achen Sinn der rmbol- u.,d der .8ild·-Rd.uiC'ln VerwAndl. Kdltn t\~ument.ui""l1 wird C'imichlig. folgt m.an dem GC'd.lnkellg;ll1g wdler. ~Sie (die Spn.cht. U.'IX'.) i)1 .somit ein .wkund:uC'S Repn' J('nl:ationu:ptt-m (...) Wihrend r'l.non eine innrumenult.$usche Zc:lchenkonzeption \erUIll. tut AriSlOldts eint' rt'pt.lSCnulionislischC"" (5. 41). , Tnhmt. E/,.m('TltC" dt'r "mllmlt. ;I..l_O_. S. D.
10. I-Iumboldu Aul1d:inll1ji: Aluiehten spr:ldllic:hc:r Wirklichkeit
495
lieh der Zuordnung von ,kala synthiken' zur Symbolisierungs-Relation einer Aristoteles-Interprecation an, die in der philosophischen Trad.ition dominierend war und von H. H. Lieb (1981) wieder bestätigt worden ist, obwohl Coseriu (1969) ,kat;' synthiken' schon ganz modern auf die semainein-Relation bezieht"7'9. DC'r aristotelische Zeichenansatz bietet für solch ,modernistische' Spekulationen im Grunde keinen Raum. Humboldt selbst hat in der Entwicklung seiner llntirepriisenutioniSlischen Haltung gar nicht einmal unbedingt den Begriff des sprachlichen Zeichens maßgeblich in den Minelpunkt seiner sprachtheoretischen Überlegungen gestellt. Vor allem nämlich von dem. was ,Seele' als Wahrnehmungsraum heißen soU, expliziert der Tegeler Philosoph eine vollkommen andere Vorstellung als AristoteIes. Indem er nämlich konstatiert, daß ..in der Seele nichts, als durch eigne Thätigkcit vorhanden seyn kann (Um"., U.W.)" (VII 56), wird deudieh, daß ,Seele' hier niehr als ein bei allen Individuen identischer Präsent:ltionsbereich schon allgemein determinierter Wahrnehmungsinhahc aufgefaßt wird, sondern sich dieser gerade durch tätige Individualität ausz.eichnet. Auch weiß Humboldt im Nachgang des transzendentalen Idealismus längst, daß wir über die Dinge der Erkenntnis in ihrem StatUS des ,An-sieh-seins' gar nichtS wissen, sondern nur subjcktiv in der Sprache Erscheinungswissen konstituieren. Hum· boldts Skepsis gegenüber der Repräsentationstheorie aristotelischer Provenienz (und schließlich auch sein endgültiger Bruch mit dieser) fußt damit einerseitS auf der Einsicht, daß Spracherkennmis letzdich immer individudl ist und damit kaum etwas anderes sein kann als scmiologische SYOlhesis. ergo Sprachzeichensetzung als Begriffsbildung und da.mit Wirklichkeitskonstjrution bedeutet, sie benl.ht andererseits aber auch auf einem tiefempfundenen, neuzeitlichen Mißtrauen. die Dinge der Wdt als normativ gegeben und objektiv crkennbar anzusehen und damit ein durch die Repräseotationstheoric gefälJtes Urteil zu akzeptieren, das über einc Legitimarionsbeschränkung der Sprach wirklichkeit die Individuen wahlwcise zu schlauen Logikern oder demütigen Mystikern degradiert., die ordnend darauf lauem, was ,Wirklichkeit< als bestimmende Größe für die Menschen vermeintlich bereit hält. Humboldt hält dagegen. indem er von der anderen Seite der Wirklichkeitskonsritution aus argumentiert, von der individuellen Erkenntnis selbst, für ihn bildet allein ..subjecti\re Thätigkeit (...) im Denken cin Objcc," (VIl 55). Man darf den Begriff ,Thäligkei" hier allerdings nicht falsch auffassen: Er trägt mit seiner Präferieruog des Subjektaspektes an dieser Stelle in der Tat vornehmlich individualistischen Charaktcr und zeigt in dieser Hinsicht eine äußerst reduzierte Variante .. Tr.abant,
EJ~"'h1u
J" Smllollk. ,u.O.. .26.
496
Vierter Teil: Oie Ordnung dtr Spr:aclu:
des ,ontologischen' T3.tigkeiLSbegriffes, wie cr im Rahmen des ,Energeia'· Diktums etabliert wird. Für diese subjektive Tätigkeit gilt nun, in unüberhörha.rer Antwort auf Kanu Schwcigen30• die Voraussetzung. daß ehen .die Sprache das bildende Organ des Gedanken'" (VII 53) ist. Die Ebene des Lautlichen. bei Ari$lotdes bloße Repräsentation des Allgemeinen, wird ausdrücklich in den aktiven Erkennmisprozcß miteinbczogen, verlien ihren aristotelischen Status ontologischer MarginaJität: ..Die inlclltttuelle Thätigkeit, durchaus geistig. durchaus innerlich und gewissermassen spurlos vorübergehend, wird durch den Laut in der Rede äusserlich und wahrnehmbar für die Sinne. Sie und die Sprache sind daher Eins und unzenrcnnlich von einander'" (VlI 53). Das Lautliche und das ,seelisch-wahrgenommene' werden .1ls Begrirrskoosutuenten durch die Klammer des Sprachlichen zur eigentlichen Wirklichkeit, die die Dinge der Welt (nur) noch als Refcrenzobjcktc akzeptiert. denn die intellektuelle Tätigkeit "ist aber auch in sich (schon, V.W.) an die NOlhwcndigkeit geknüpft, eine Verbindung mit dem Sprachlaure einzugehen; das Denken kann sonst nicht zur DeuLlichkeit gelange.n, die Vorstellung nicht zum Begriff werden" (VII 53). Für Humboldl fällt ..die Uebcreinslimmung des Laute mit dem Gedanken (...) klar in die Augen" (VlI 53). eine grundlegende Einsicht, die Humboldt vor dem Status einer nur als beliebig verstandenen Ansicht bewahren will, und über die er daher apodiktisch urteilt: .. Die unzertrennliche Verbindung des Gedanken. der Stimmwerkzeuge und des Gehörs zur Sprache liegt unabänderlich in der ursprünglichen. nicht weiter zu erklärenden Einrichtung der menschlichen Natur" (VlI 53). Die Begriffsbildung SIcht dabei im Zentrum von Humholdts KJärungen. Für die Bildung von Begriffen, abo das eigentliche Erkennen. ist die Sprache unembehrlich, denn eben "dies vermag nur die Sprache; und ohne diese, wo Sprache mitwirkt. auch stillschweigend immer vorgehende VersClzung in zum Subjecr zurückkehrende Objectivität ist die Bildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich" (VII 55). Die Konsequenzen dieser vollkommenen Umkehr der Perspektive sprachlichen Erkennens sind gewaltig: "Ohne daher i,rgend auf die Mittheilung zwischen Menschen und Menschen zu sehn. ist das Sprechen eine nothwendige Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit" (VTI 55). Erst die Loslösung vom Aspekt instrumenteller KommunikabiIitit befreit die Sprache aus ihrem zeitbegrenzten. mechanistischen Verfügungscharakter. Sie hat nicht den Charakter des beliebig Griffbereiten, wenn wir gerade einmal Mitteilungswürdiges erdacht zu .:' Vgl. Dt M.tW"o. EmP.Jmmg
In
Ja S(,m.lmik, ...a.O., . -47.
10. I-Iumboldts AuOtlirung: Ansidllen spr.lc:hlicher Wirklichkeit
497
haben glauben und dann kommunizieren wollen, um nach getaner Arbeit schließlich wieder bereitwillig in repräsentationistische Wartestellung zurückzugehen. Wir haben ohne die Sprache vielmehr gar nichts Gedachtes. der Mensch umgibt sich .. mit einer Welt von Lauten, um die Welt von Gegenständen in sich aufzunehmen und z.u bearbeiten" (Vll 60), er ..lebt m.it den Gegenständen hauptsächlich) ja, da Empfinden und Handlen in ihm von seinen Vorstellungen abhängen, sogar ausschließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt" (Vll 60). Daher ist Wortbildung keine SteUvertretcrrckrutierung, sondern Begriffsbildung selbst, wie Humboldt schon in den Gmndzügen des allgemeinen Sprachrypus von 1824-26 feststellt. 81 Und in der Einlei/ung in das gesamte Sprncbsludium von 1810-11 lobt Humboldt gar, daß "der lrrrhum längst verschwunden ist (Umsl., U.W.). dass sie (die Sprache, U.W.) ein Inbegriff von Zeichen von, ausser ihr, für sich bestehenden Dingen, oder auch nur Begriffen sey" (Vll 621).82 Daß Humboldt sich seiner amirepräsentationistischen Sache keineswegs so uneingeschränkt sicher war, wie auch die zentralen theoretischen Passagen der Kawi-Einleitung 1830-35 dies sch.ließlich unzweifelhaft erkennen lassen, wird vor allem in der Akademierede von 1820 Ober das vergleichende Sprachswdium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung deutlich. Humboldt experimentiert hier terminologisch 7.wischcn den theore[ischen Extremen: .,Denn da die Sprache 7.uglcich Abbild und Zeichen. nicht ganz Product des Eindrucks der Gegcnst2nde. und nicht ganz Encugniss der Willkühr der Redenden ist, so tragen alle besondren in jedem ihrer Elemente Spure.n der ersteren dieser Eigenschaften, aber die jedesmalige Erkcnnb:arkcit dieser Spuren beruht, aU5ser ihrer eigenen Deutlichkeit, auf der Stimmung des Gemüths, das Won mehr als Abbild, oder mehr ~Is Zeichen nehmen zu wollen" (IV 29).
Daß auch hier aber die Termini nicht immer im traditionellen (aristotelischen) Sinne verstanden werden (können) und sich damjt allzu schnell der Kritik öffnen (würden), macht die folgende Textpassage deutlich: .Das durch die ganze Sprac.he herrschende Princip ist Aniculation; der wichtigSte Vorzug jcder fene und leichte Gliederung; diese aber sctZt einfac.he,
11
J:
Vgl. daw ~Ein WO" iSt ein Laut. der einen Begriff bezeichnet. Es liegt also in dem Wort allemal Einheit dd Lauts. die ~i v~rbundenen durch den Accem bewirkt wird. und Einheil des Begriffs" (Grient/züge t/~i III/gemeinen SpradJl)'pus. V 410). Wie wenig dieses Lob \Ion O"uer sein konnte, ~eigt Humboldl in Ut'bcr Jm Einj1uu JCi f}eNcb,tt/~n~n Ch"r"lttrTJ d~r Sprachm auf Literatllr ulld GeilUibl/tiung von 1821: ~Es giebt noch immer. und nicht wenige Menschen. welche. die Spr.lChe doch mehr für ein gewissenn;usen in sich gleichgühiges Werkzeug haltend. alles. w;u man \Ion ihrem Ch.lrakter ~h;luptet. dem Chankt'cr der Nation beilegen- (VU 643).
498
Vierter Teil: Die Ordnung der Spr;lche
und in sich untrennbare Elemente voraus:. Das Wesen der Sprache besteht duin, die Materie der Erscheinungswelt in die Form der Gedanken 1.U gicsscn; ihr ganz.es Streben ist formal, und da die Wörter die Stelle der Gegenstände vertreten, 50 muss auch ihnen, als Materie, eine Form entgegenstehen, welcher sie unterworfen werden" (IV t 7),
Das aristotelische Repriiscnt3rionssyslcm ist hier schon obsolet, aber immer noch präsent, Humboldts Sprache-Erkcnmnis- Theorem schon plausibel, aber noch nicht zwingend. Nur die Terminologie aristotelischer Ontologie ist schon souverän gcnuraer Thcorickonrext. Schon ein jahr später jedoch, 1821, findet sich die vielleicht schärfste Verurteilung des naiven Repräsemationsgedankens und seiner Vertreter. Ueber den Einfluss des 'Verschiedenen Charakr.ers der Sprachen auf Literatur u"d Geistesbildung nachdenkend, formuliert Humboldt seinen Antirepräsemationismus in Reichweite des sprachlich-begründeten Nationen-Konzepts: "Dass seine Sprache bloss eln lnbegriff willkührliche.r, oder zufällig üblich gewordellcr ßcgriffsze.ichen ser, ci,n WOrt keine a.ndre Bestimmung und Kl-arl habe. als einen gewissen, :;ausser ihm entweder in der Wirklichkeit vorhandenen. oder im Geiste gedachtl'n Gegenstand zurückzurufen, und dass es daher gcwissermassen :lols gleichgültig angcschcn werden könne, welcher Sprache sich eine Nation bediene, sind Meynungen. die man wohl bei niemanden mehr vOraussetzen darf. welcher der Natur der Sprachen auch nur einiges Nachdenken gewidmet hat'" (VII 640),
Seine Haltung ist nun deutlich anikulien und in der Kawi-Einleilung verzweigt sich Humboldts innere produktive Zwiespältigkeit gegenüber den so verschiedenen Theorieangeboten des AristOtcles zur Sprachphilosophie einerseits und Ontologie andererseits schließlich ins konsequent Durchdachte: Der aristotelischen Sprachreflexion ist Humboldt nun endgültig irreversibel fern., der arisroteljschen Ontologie nahe bis zur Entsprechung, einer Entsprechung, die ihre höchste Ausbildung in der Transformation der inneren Strukturkomponemen dessen finde~ was ,Wirklichkeit' ist. Der Bruch mit der naiven Repräsentation ist somit Ausd.ruck beider Humboldcscher Acistoteles-Bearbeitungcn: der Dekonstruktion einer sprachlichen Stellvertretung der objektiven Welt und des Neucmslchens dieser Weh in der Weh der Sprache. C. Behler beurteilt - den Kontext zcitgenössischer Theoriebildung im Blickfeld - Humbo/dts ,radikale Reflexion über die Sprache' im Lichle der Foucallltscben Diskursa71alyse folgendermaßen: ~Das klassische Denken trifft zwar (indirekt) die ontologische Dimension der
Sprache, überspringt jedoch ihr, 'in< aufgrund eines naiven Begriffs der Re·
10. Humboldts Aufklirung: Ansichten sprachlicher Wirklichkeit.
499
präsentation. Die neue Philologie erkennt zwar das eigenständige ,Sein' der Sprache an, doch unter Aufg2be des Begriffs der Repriiscmation. Sie verkürzt das wahre .Sein der Sprache' und trägt damit bei zu ihrer ,VeTStreuung' und Unterordnung unter die Anthropologie. Humboldts Sprachdenken hebt diese beiden Reduktionen auf, indem es ihm geling4 die Repräsentation, den Menschen und die Sprache in einem .Diskurs· zusammen zu denken: durch seine Transformation des Repräsenldriombegriffs; dUl'"ch die Konzentration des anthropologischen Projekts altf die SprltChwusemch41 und durch seinen Begriff der memchlic.hcn Rt'dc"J).
/-Iumbo/du Aufk/ärttflg ist damit an den Pun.kt gelangt, der Repräsentation immer schon und ausschließlich im Gültigkeirsraum des Sprachlichen versteht, und macht dadurch klar, daß auch in dieser sechsten und letzten Ansicht sprachlicher Wirklichkeit das aristotelische Fundament seines Sprachdenkens - diesmal negativ - bestimmend ist.
10.7 Überleitung Nach dieser Konzentration und Komposition bisheriger Untersuchungsergebnisse, die gleichwohl weiterführende Aspekte hinzunehmen mußte und wiederkehrende Thesen ausführlicher begründen woUte, kann nun Humboldts Formal erschlossen werden: GeltUng und Lexikon seines Arrtmgemcnrs einer Ordnung der Sprache.
n Behler, c.: .l-IumbtlldlS ,r:.dik;l,!"" Reflexion übc:r dit Sprache' im lichte der FOUC;luluchen Di~kurs;l,nalyst~. In: Delm(lJ~ VJtrtc/jalJrelsdni[t für Llteultur'.,JJisserlschafl und Geislcsge· idm·IH(', 63. Jg. (1989). H.I, s. 1·24. hier: S. 10. - Vgl. io SchIen ;l,usgez.eicbnelcm Artikd auch die vollkQmmcn zutrcf(tndl! Krilik 1111 der Deutung M. Fouc:aulu in Die Ordnullg JI"r Dmge: 8D;u (donige. U.W.) MiG\'tmchen des Humbolduchen Dtnkens und stint! Begriffs der ('ntrgt'/4 C...) läl;l sich m-teir.s an der völligen Verkthrung der Meuphorik VOll hdl/dunkd. Höheniefe ablt.-scn. Ocr Sprache wird bei Humboldt keineswegs ('int .dun· 11.1,,' 5ph:ire d!"f fl'nx:lLJkl;QIl uoterge.';<;hoben- (5. 7). - Vgl. zur (liesbezüglicnen FoucaultKrilik ;luch Kap. (0.3.
11. Humboldts Format: Zum Arrangement einer Ordnung der Sprache 1.0 Humboldtr Aufklärung wurden die entscheidenden theoretischen Grundaussagen zum Verw3.ndlungsprojekt des Tegelcr Philosophen bere.its zusammcngClr:lgcn. Allerdings ist damit das ErkJ:irungsporcntial, d:l5 die aristotelische Ontologie für das Verständnis Humboldtschcll Sprachdenkens
bereir häh, bislang allenfalls an der Oberfläche verständlich und !luD.ba.r gemacht worden. Noch stein die detaillierte Beschreibung des begrifflich-systelll,uischen Vollzuges aus, auf welche Weise die verschiedenen Termini im
einz.e1nen jeweils das Zentrum Humboldtscher Theoriebildung erreichen. Es ist daher nun zunächst das theoretische Format philologisch auszll~ messen, das f-Iumboldt einrichtct, um seine Ordnung sprac.hlichcr Wirklichkeit Raum und Position gewinncn zu lassen. Soll eine Ordnung der Sprache in ihren inneren Strukturen stabil und an ihren Grenzen dcmonStrativ sein, bedarf es einer präzisen Bestimmung dessen. welche ReOexionsräume mit dem begrimichen Instrumentarium erschlossen und erhalten werden können. Diese Reflexionsräume. die sich aufgrund der aristotelischen Ontologie im SprachdenkeIl Humboldrs zugänglich ma· ehen lassen, werden in Hllmbo/dl$ Verwand/urig: Die Welt der Sprache en detail analysiert. Um einem solchen Arrangemem sprachlicher Wirklichkeit jedoch die richtige Bedeutung zuschreiben zu können, muß zuvor der Aspekt der Geltung bzw. der prinzipiellen Gültigkeit cl.ieser begrifflich konstituierten Reflexionsräume genauer geklärt und daraufhin das lexikalische Belegmaterial so geordnet werden, daß Humboldts theoretische Unternehmung auch von iJlrem terminologischen lllventar her plausibel wird. Eine solche Untcrsuchung des aristotelisch verantworteten sprachtheoretischen Wörterbuchs HumboJdts wird dafür an den zenrralen Passagen der Kawi-Einleitung entlang aufgelistet, aJso dem Text, von dem R. Haym (im Kern sicher zu Recht) schon 1856 behauptete, daß "wir hier auf dem Gipfel der Humboldt'schen Sprachphilosophie stehen und von demselben ebenso das unermeßliche Gebiet des lhatsächlichcn Wissens, das er sich unterworfen hatte, überschauen, wie wir in die liefe blicken, deren MaaR mit der Weite des Horizonts wetteifert (UroSt., U.W)"84. Der ,. Haym. R.: Wlii/t/m von J-fumbo/dl. Ltbmsbi/d H'ld Charaklrnmk. 8crJin (NachJruck OSllilbrück \9(5) 185&. S......4.
11.
Hurnboldf~
Formal: Zum Arrangemem einer Ordnung der Sprache
SO)
in theoretischer Hinsicht also doppelt exemplarische Charakter des Textes soU somit produktiv genutzt werden. Zunächst aber muß die Frage der Geltung ebenfalls exemplarisch anhand ei.ner Fragestellung erörtert werden, die heute fast unwidersprochen beantwortet zu sein scheint, daß nämlich Humboldt sich bei der Einrichtung seines sprachtheoretischen Ensembles vor allem auch metaphorischer Mittel bedient habe. Es ist die Problematik-zu klären, ob dies so uneingeschränkt behauptet werden kann. und wenn. in welcher Weise dadurch Rückschlüsse auf die Reichweite Humholdtscher Theoriebildung möglich werden. Beide Perspektiven, also die der GeltulIg, die zur Sichtung einiger Arpekte einer Theorie semantischer Rämne führt, und die des Lexikons, die die einzelnen Elemente einer diesbezüglichen Praxis semantischer Theorie zusammenstellt. fragen letztlich integrativ nach der sprachphilosophischen Relevanz und dem Charakter der Bedeutungskonstitution, die das bislang auJbereitete theoretische lnventar aristotelischer Provenienz für Humboldrs Sprachdenken behaupten kann. Sicher nicht stellt die konstitutive Begrifflichkeir lediglich eine An ,didaktischer' Bebilderung zum besseren Verständnis dar. Vielmehr erweisen die Begriffe eine Welt der Sprache, deren rcalitätskonstiruicrender Charakter reflexiv weit über den der Illustration hinausgeht. Die innere Konsequenz dieses Vorgangs ist kompromißlos: Dies macht die erneute 'Unternehmung von HumboldtS Erinnerungsprojekt deutlich. indem in der philologischen Rekonstruktion die inneren Strukturen einer Welt der Sprache und ihre Herkunft aus der aristotelischen Welt der Wirklichkeit nachgezeichnet werden.
11.1 Geltung: Aspekte einer Theorie semantischer Räume Humboldt ist der Ansicht, daß in der Sprache alles in ei.nem ,geordneten' Zusammenhang zueinander situiert ist, eine Beobachtung, die sich u.a. im Terminus des ,Gewebes' niederschlägt: ..Man kann die Sprache mü· einem ungeheuren Gewebe vergleichen, in dem jeder Thei) mit dem andren und alle mit dem Ganzen in mehr oder weniger deut.lich erkennbarem Zusammenh:lOge stehen. Der Mensch beruhn im Sprechen, von welchen Be:t.iehungcn man ausgehen mag, immer nur einen abgesonderten Theil dieses Gewebes, thul dies aber instinctartig immer dergestalt, als wären ihm zugleich alle, mit welchen jener einzelne norhwendig in Uebereinstirnmung stehen muss, im gleic.hen Augenblick gegenwärrig" (VlJ 70).
S02
Vierter T~il: Oil' Ordnung der Sprache
Ocr konkrete Vollzug des Sprechcns ist somit immer nur die aktualc Vcrknüpfung des Konkreten an cin prinzipiell Größeres, das dem Akt der Erzeugung immer schon vorgängig ist, ohne jedoch von ihm prinzipiell ablösbar zu sein. Dies sagt vorderhand etwas über den Charakter der
Sprache und nur sekundär etwas über den des Sprechaktes aus. Daß der Sprechakt den (notwendigen) Einstieg in eine Auseinandersetzung dahingehend bieten kann, was die Spr:ache ihrem eigentlichen Wesen nach ist. ist bereitS hinreichend dCUlljch geworden. Nun ist zu bestimmen, in weichem Bezugsrahmen sich die Wesensargumcntarion zur Sprache überhaupt aufhält. Humholdt wählt dafür einen anderen Terminus, der häufig Anlaß zu Spekularionen gab und gibt und der in der Akademierede von 1820 eine wichtige Rolle spielt. Zunächst werden die Konsequenzen bedacht, die sich aus der ,Gcwcbc'-Hypothese dann ergeben, will man hieraus Rückschlüsse auf die zeitlich-ontologische Srrukrur des Sprachlichen ziehen:
.. Es kann auch die Sprache nicht .ndcrs, als auf einmal entstehen. oder um C!1 genauer auszudrücken, sie muss in jedem Augenblick ihres Daseyns dasjenige bfiill.en. was sie zu c.intm Ganzen macht. Unmiuelbarer Aushauch eines organischen Wtsens in dessen sinnlicher und geisliger Geltung, theilt sie daran di(' Natur alles Organischen, dass jedes in ihr nur durch d;as Andre, und Alles nur durch djc eine. das Ganze durchdringende K.raft bestellt" (IV .3-4). Eben diese Vorstellung. nach der die Sprache in zcitlich-omologisc.her Hinsicht ungeworden oder besser insofern ihrem MöglichkeilSStams vorgängig ist. als die Wirklichkeit des Sprachlichen hier im Sinne des i:vtgYElCl-Primats verstanden ist, fundien Humboldt - noch vorsichtigmit dem ,Organismus'-Terminus. Er will vor allem sagen: die Sprache ist als Organismus in erster Linie etwas Lebendiges. Gerade deswegen isr sie auch im Punkt der Verwirklichung immer schon alles das, was sie als Ganzes ausmacht. Eine solche Konstruktion in nur mit dem prinzipiellen Postulat möglich, Sprache sei etwas Lebendiges und daher e(Was, was keiner mechanistischen Kausalkelle (also Anregung von außen) bedarf, Ulll aktiv lU werden. Die Identifizierung und Behauptung der drei Kennzeichen des Immer-schon-aufeinander-abgeslimmt-seins, des RelationaIFunktionalen und des aus sich heraus Aktiven wird Humboldt nur möglich, indem die Sprache im Bereich des Lebendigen veronet wird. ur hier ist beglaubigt., ..dass in der Sprache Alles durch Jedes und Jedes durch Alles bcstimmf wird, und dies ist buchstäblich wahr" (V 394). Humboldt kommt daher zu dem apodi.ktischen Schluß: ..Sie (die Sprache. U. W.) ist ein org~nischcs W('scn. und man muss si('. als solches, bch~ndcln. Die erste Regel isl daher, zuvörderst jede bekannte Sprache
11. Humbold[5 FOrmat: Zum Arrangeffit'nt t'iner
nlnung der Sprache
503
in ihrem inneren Zusammenhange zu srudircn, aUe darin aufz.ufindende Analogien zu verfolgen, und systematisch zu ordnen, um dadurch die anschauliche Kcnnlniss der grammatischen Ideenverknüpfung in ihr, des Umfangs der bezeichneten Begriffe, der Natur dieser Bezeichnung, und des ihr beiwohnenden, mehr, oder minder lebendigen geistigen Triebes nach Erweiterung und Verfeinerung, zu gewinnen. Ausser diesen Monographien der ganzen Sprachen, fordert aber die vergleichende Sprachkunde andre einzelner Thcile des Sprachbaues, z.B. des Verbum durch alle Sprachen hindurch" (rv 10-11).
Humboldt bündelt hier gleich mehrere wichtige theoretische Grundaussagen. Zunächst ist die Sprache nicht wie ein Organismus, sondern sie ist ein organisches Wesen. Eine fürs erste irritierende und zu manchen Spe~ kulationen Anlaß gebende, aber gleichwohl eindeutige Aussage. Des wei~ teren erneuert Humboldl' seine Annahme, daß in der Sprache alles mit allem zusammenhängt, und qualifiziert diesen Zusammenhang nu." näher als den der Analogie'l. In der Wendung der ,grammatischen Ideenverknüpfung' wird deutlich, worauf dieser ,Analogic'-Begriff zielt, und zwar darauf, daß die Struktur der Sprache immer schon auch die der zu erken~ nenden Ideen ist. Ocr ,Analogic'~Bcgriff greift also weit über einen Charakter der grammatischen Ordnung hinaus, er umfaßl, eben weil Sprache ein organisches Wesen ist, die Erkenntniskonstirution der Gegenstände gleich mit. 85 U Zum ,An;alogic·.ßt-griU bei HUnlboldl und im 111. und 19.J;ahrhundcrl \lgl. zum wein'rcn
hiSlOrisdl/:'n KonWH 7.unichsl Chrislmann. H. H.: .Zum Begriff der Analogie in der Sprachbetrachtung des 16. bis 19. Jahrhullderu~. In: Schmidl. G. und 'lien., M. (Hrsg.): Stm,lI/rn der Romlil//ll. /-i. \l~ rh_ Elwr!11. Wiesbaden 1980. S. 519-SJ5. ClJrislmann verfolgt dit' Entwicklung von dcn Rcnaisu.nce-Philosophcn his auf W. Y. I-Iumboldl und merkt u.:\. an, da" Humboldu ,Analogic'-ßeogriff ~eine direklc Forl.st:lzllng der Condill,lC$t'hen Lehrc" (S. 518) sei. Die historische Fortsel7,un' der Bt'trac:htung kisU'l ChriS1l11;lnn dann in ~Zllm Begriff der Analogie in der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhund('ns~. l(l; Höller. M. (1-1"1;'); FestJ~hrift {ur Kur, Bffldmger ;zum 60. Gl.'bHmrllg. (Bd. I), Tübingen )979. S. 102115. Z.... iSI bc:ispielswcise - s(>. Christm:lnll - ~ 188;J noch die alle )-Iumboldtsche Denkweise wirksam. Abcr dQminicrcnd W',lr sie um diest Zell niehl mchr~ (5. 107). Hier isr bC'reifs der \'crändC'n(' ~An;llogid)C'griff der Jllnggr.r.mm.;uiker~ ( , 106) \·orherrschcnd. l::iniRe beil::iufigc Hinweise zum ,Anak'gic'·Bcgriff Humboldu finden sich bei WU:l.Il:lbc, M.: ..Zum VcrhiJuus von Natur und Spn.ehe bei Wilhclm von Humboldl". In: Schmiucr. P. (I-Irsg.): MN/rum -llon mulMt StuJil'n :eier • Einheit dt'1' RC'jloclo,," 'm Wl'rk \V,lh.·lm wn fbHllbolt!u. Münster 1?91, S. 43-66. d,'r jedoch im wesc"mlichen Auf die 5lUdien Di CöCarts zum Thema verweiS!: .Da dic zentrale Rolle. die der An:l.lol;ie in Hllmboldl$ Spn.chtheoril.' zukommt. bereiu VOll Di Ccsare (1989) ausführlich untcrsucht ist, mOChli' ich es hier bei diC:SOl wenigen Hinweisen belassen. Auf der anderen Seite möclllC ich aber uber Di Ce:Ilue hinaus (...) stark betonen. d;lß dl$ Analogicprinl.ip !x·i Humboldt nirhllluf di(' 5pr:l.che eingeschrinkt ist. sondcrn (ur den Gesanllbcreich des Wirklichen Gdmng hal~ (5. -47-48).In dt'r Tat cnthiilt Di Cesarts Bcilrag \'(ln 1989 die wtsentlich('n Erörterungen zur Pm· blcm.arik des Analogieprinzips bei Hllmböldt (\IgI. Di Cesare. 0.: ..Wilhdm yon
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504
Vierter Teil: Die Ordnung der Spr.tche
Es ist nicht notwendig, hier eingehend in die Exegese des ,Organismus'· und des ,Analogic'-Begriffs bei Humboldt einzusteigen. DaH dieser hier zwei gängige Termini der Theoriebildung des 19. Jahrhunderts verwendet und in welcher spezifischen Hinsicht er dies (m, ist hinreichend analysiert bzw. durch begriffshistorische Betrachtungen kommentiert worden.8 6 P. Sc.bmirtcr stellt fest., daß ,.die entscheidenden Bcgriflc oder Schlagworte, die hier eingebracht werden, ,Ganzheidichkcit', ,Lebendigkeit', ,Natur' sind (UmSl., V.W.) sowie der alle diese Aspekte in sich vereinigende Begriff des Orgauismus" S7• Und in der Tat setzt sich Humboldt expl.izir von einem W'issenschaftsmodell ab, das als mechanistischer Systcmzusammenhang behauptet wird s8, dessen Grundlegung lerzdich in der Dcscilrlcschen Trennung von res cogirans und rcs cxtcnsa fußt und das in J. OHray dc La Mcrtries L' ;'omme machine von 1748 sei.ne prägnantc Ausprägung findcrß'1 Humboldts wissenschaftstheoretische HcuriHumboldl: Die an;llogische 5truklUr der Spr.Ichl:~. In: Scharf, 1-1•• W. (Hng.): Willulm wn N/lmboldrs SprrubJe'1/kf'/l. (SympMIOII zum /JO. ToJl'Jlag~ Essen 1989. . 67·80. Di Ccs:arc ml:'rkl .1f)11 ,m. daß das ~Bild des OrgJ.nismuS' unklar Wlrl." ohn.. den inneren Zus:lmmo:nh311g, der 211e ~ein" Teill.' \-crknüpft, d.h. ohne Lii.. Analogie (UIl1$1.. U.W.)- (5. 68). Für I-Iumboldr ~hlndch e.~ sich (...) um ei"t' der Sm,hur tier SpriIChf' i"nert lkzit'hung, du! dcn Z,Wmml4'.'lhang Ibl'er Tellc g,lrtltlllcrt" (5. 68). D-1her ist ~dic Srr:lche C-.) nicht$ :lndercs :lls die Krisullisicrung solcher an.:llogischen Org;tnis:llion der Wirkllchkeit (5. 71). Oi C".5Ul! resümiert folgcndc.rm;lßcn: Wenn es ;llso wahr iSI. daß Allt·s in der $praehe: srrukt'urit'rt, d.h. ~nalogisch verbunden seml1lul~. damit sie sich .11$ orhani~c:ha G.ll1U5 er· lutten kann, c1:,"11 wird d eben~o wahr ~~in. d.Iß die An;alogic. und nichl die J\nom:llitwie die alun Gnmm:ltik... r glaubten - die: nalürliche Tendenz der Spr.1che ist. die sich sponuJ\ aus ihrem tuncren el"Z.cugt (5.74), VgJ. U.>1. Bucher, St.: ~N:uurphit()$Ophic, Tde(,I()gic und Spraththt~CIrit' bei Wilhcll11 \'on Humbuldl·. 1n; Schmitu·r. JH ,,!tm1l - 11011 multII?, ,1.:1.0., $. 2'J-H. - Ge.ssingcr, J.: Spr.lchlaul·S/:'her. Ph}'~iologie und 5pN.chwisst'llsch:lft im 19. Jallrhundert". In: Sat"2~in, Pli. und Tanner. J. (I-"~f:;.): Physiologie lind j"dlls(rtC'Ilf' GuellJeluJ[L Frankfurt am ~'bin 1998. 5.204-244 . Schmiff~r. P.: .,Muchint'· vS.• Orl,;;\ni,mus'; l-:illiI;C Ühcrlq;ungen zur GeisICi' und 5pt:l.ch· .....i.uenschaflSgc.s<:hichu· im 18. und 19.Jahrhundel1·, In: Ahlquisl. A. U.:I. (Hrsg.): Dltu'rsiom o{ GllluIII>" Pllper'S on thf Hislflry 6{ Lmg/liJrio. AIl1-sterdam 1992. S. 291-J07. hirr: S.292. Vgt MüUcr-Sie\'c~, t.'pI8t'Plesis, :1.11,0., S. 'JS. - VgL da7,u auch F. M:ludll1C'u EimrJ.g von 1'110/11: MDcr Begriff orgafl/Sfh gl.'hiil1 mit seinem Gegc.ns-atl., dem Bi.');riH 1IIuhlllll1C'l>. seit Ende d~$ 18. JJ.hrhundc.rts dem philosophischen SprachgebrJ.uch an· (MauLhner, E: • orgJ.nisch-. In; dt'fS.: \'fIörttrbuch de' P}Jllo'ophi~ (1 Hdt.). Neuf! Bt'irr,igt 2U emt-r KritIk der prlldJe. Zürich (Ermusg.tbc 1910/11) 1980. S.124-2JI f8J.l]. hier S. 22-4). Ein ZC'i· ehen darür, daß diese oPP05itiol1cllC' Begriffslr.ldll ion bis im 10. Jahrbundm hinein .\ubil geblieben ist. Vgl. Schmiru:r...,M.lschinc' \'$. ,Org;lI1;smw''', J.J.O., S. 296. - 5chmitur faftt idealryplsch die .. lmplikalionC'n des ",,,dlinll-Modells" (5.297) W;C' folgt 7,US.lmmel1: ..Auff:lssung der als Milschine be-griffenen Enriül als InItrlmlt'nf. VorJusset7.ung eine.s ilußerhillb der M
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11. l-Iumboldl.S Fonmu: Zum Arr:mgcment dner Ordnung der Sprache
SOS
stik orientiert sich dagegen am ,Organismus'-Begri[f Kanu, wie dieser ihn 1790 in der Kritik der Urrei/5kraft entwickelt90, wiewohl schon rur Her· der die menschliche Sprache .,nicht mehr unter den Mascbinenbegriff subsumierbar'''U war. Die Verwendung des ,Organismus'-Begriffs Humboldts, der dem Tegder Philosophen u.a. auch zur Zurückweisung des sprachtheorctischen Rcpräsentationismus dient'J!. ist also wesentlich von Kant becinnußt, ja Humboldt übcrträgt- wohl 179S zum ersten MaJ9Jdessen ..Organismuskonzeplion (...) auf die Sprache-"'. Es iSt. wie H. Müller-Sievers feststellt, der mächtigste der damaligen naturphilosophischen Begriffe, ..und dies gilt nicht nu.r für Humboldts Diskurs, der des OrganismJls"'is. Dessen systematische Grundidee in die der inneren Organisation. sie ist ..Prozel! und Ideal, zu d.em alles Getrennte zusammenwachsen wird"%. Auf den engen Zusammenhang von ,Organismus' und M.t$chine anzust:t'Zendtll Eruugt''N, Voraus5tn.ung einer allrlerh:ilb der M:&schine 2nZllsCt· zcndcn bt'Wt'gntdm KrAft. Annahme einer muluwlschr1t Ka1l$Alua/ der Ilblii4~ und d.,~ mit der 8ercchc.nb;trkc:.il des ZUMlinmenspieis der Einz.dtcile. Ann.ahm~ eines 'lJorlJerl,t'SlmHUlm. vorganglg 'VO" A..ß"" 1t'ltgt'legte" und unab.mdM'l,cht'n Z"oL·t'ckJ. Al1IullmC der \Vlt'derho1l",g prmzlplt'1/ wmlt'r glf'lrht'r Abliiufe. Ilin~u kQmnu 215 konstituierendes Merkmal noch die: Aufh.ssung der M;tschine als ein Ganus. doch in diese Kompo~nte in gewisser Weise abl.uhebcn. weil sie tbcnfalls dtlTl Organi:omusMgriff ~gcn ist und d,amil zugleich den I)unlu d ... rsullt. :11I dem das Orpnismusmodell ;tnkniip l.'n konnte" (5. 297). 'I(; Schmlller m;u;ht für d.u KanlSChc Verstandnis folgende ~'Icrkm ...lc geltend: ..... (suu in· ,st.r\lment';lllstischer Aufbssung) Auffnsung der als Organismus Muichnetcn En[it~ten ab org.1nmrru Wc.sm (KdU S 65ff.). (st:m VOnlus.c.e.O'.un!': dnc eXII:men Eru'Uge.r.s) Bt:stim· mung als Produkt dn Natur sdbsl (KdU S63f('. bcs. 66). {IUtl Vor...uSSrtZung C'lIlcr (ex· u.·menl bewegenden Kraft) Annahme eines inneren Bildungslriebes. einer .bildenden [z hervorbringenden. POS.] Kr4t' (KdU S 65 (... D. (51.111 Annahme mech:&nisc.ht'r Kaunlilit) Ann;thme eiOC$ ,Ndturzwecltbf, d.h. Ann;thme, d;tß etwu \'on .sich selbst wechselseitig' ,Uruche und \"<'irkung' ist (KdU S 64f(.: [ ... J). (sun Ann...hme ~nes vorgängig von außen festgelq;tl'n un2b:ioderlicht:n Zw«ks) Ann"hme ,,,,,,e," Zu.~cJtlYJtißlglwt'(KdU S63) mit der Kraft. sich 2n gegebene UmSl;tnde 2nzup.assen (Kt.lU S 6So) l...J.M (Schmiuer, .. ,M2St'hj~ ne' VI. ,Orgalüsmus'·, 2.a.O.• S. 199-300). .. Schmmcr...,Maschil'lc· VS., rg..lIlismus·-, :&.:l.O.. S. 2911, Dies slclh in (Ii~l'r Hinsicht eine deutliche UnlC'nrcibung des philosophisch-Anthropologischen Konzepts Herdcrs dar, ob· wohl .sich bei llerder (...) noch nichl der Gtgenbcgrirt des Organislllu,s l.ur Ke:nnzcich· nuns der menschlichen Sprache" {So 298} findet. ~1 Vgl. Mül1er-Sievcn, Ep.gcncslS, 2.".0., S. 93. ' j Vgl. Schmitttr...,Maschine' \'5..Org:lnisnms'·. LLO.. S. 301, •• Vgl. Ilusler, G.: .Zur Au((usun~ der Sputhe als c.inC$ organischen G.lnzen bei Wilhdm von Humboldt und ihren Umdeurungt'n im 1'J.};thrhundm-. In: Zt'ltscJmfr lifT Phcmetlk. prachu:lfJnuma[r ,md Kommlfnlkatlomfom:bung. J8.8d. (1985). . S64-575. hier. S. 565. ~ Mül1c",SIC'vers. Eplge"C'fIS. La.O., S. 8'1. ... Ebel. - Zum Begriff der rg.. niution "gl. Luhm:mn. N. und Müller. K.: ..Orpmnlion". In: Riuer. J. und Grunder. K. (Hug.): Hulorrscbcs \t'6rrt.'rl1.. rh Phllomphu!. 8;tsel. Oumsudt 1971 ff. S. 1326-1329 (Rd. 6).
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506
Vicrll.'r Teil: Die Ordnullli der Sproche
,Entdcchic' verweist - Arislolclcs allerdings ernstlich zunächst wohl nur schemenhaft im Hintergrund wahrnehmend - K. H. Renseh: .. Mit dem Organismusbegriff verbindet sich bei Humboldt die Idee der Entelechie, der im Organismus liegenden Kraft, die ihn von innen heraus zur Selbstentwicklung und Selbstvollendung bringl"'7, Eine Beobachtung anSlorclisch-humboldtschcr Vcrknüpfung. die auch deswegen interessam is~ weil ein Blick in die Geschichte des ,Organismw'-Begriffs dessen aristotelische Herkunft bcJegt. 9S H. Müllcr-Sicvers sicht die RcJcvanz des OrganismusKonzeptes erst im Rahmen der cpige.nctischen Theoriebildung ausgereift" und J. Trabant transformiert den ,Organismus'-Termi.nus unter dem Gesichtspunkt, daß ..die Artikulation die Reflexion abbiJdet (Umsl.. U.W.)" 100, so in die grammatische Diskussion. daß der Humboldlsche Drcischrin VOll ..Trennung, Verbindung und Organismus" (IV 28) auf den Satz als Organismus rcflckti,cn werden kann: .. Auf der Seile des Dcnkells entspricht diesem Oreierschrin :t.B. die Gliedenmg des Denkb:lfen in Wörter, die Verbindung der Wörter 7.um S:U:L und dessen Fähigkeit. Glied eines größeren Zusammenhangs, der Rede,:Lu sein. aber auch 2.8. die Gliederung des Denkbaren in Lexem und Morphem, die Verbindung von Lexem und Morphem zum flektierten WOrt und die Möglichkeit des "eklierten Wonn. Glied des gr"ßcren .Organismu5· Sal7. Zu sein"I~I.
Der ,Organismus'-Begrifr bietet demnach ausreichend Anlaß und Möglichkeit, ihn zum Zwecke der Erschließung Humboldtscher Theoriebildung auch über eine unmittelbare Bedeutung - die Attriburion des Wesenscharakters der Sprache als lebendige - hinaus zu nutzen. Humboldt selbst kO[l[e.xtuiert den ,Organismus'-Begriff mit einer Reihe von Termini, die eben diesen Charakter des Lebendigen hervorheben sollen. so werden ,Gewcbe', ,leben', ,lebendig', ,N.:I.lur', ,Organ' und ,Organc', ,organisch', ,Organismus' und ,System' imegricrr verwendet. Nun stellt sich aber vor allem die Frage nach der theoretischen Dispo~ sirion und dem Charakter des .Organismus'-Bcgriffes. also nicht unmit· ~
Rl.'nsc.h. K. 1-1.: .Org:.alllsmuJ - )yslem - Struktur in der SPr.l hwiss~n.w:harIM. In: PI'OIlt'tlC'oJ, 16.lkt (1 %7). S. i 1·84, hier: S. 73. ,. Vgl. 8all.1uf. Th .•. hl:Cr~r, 1:... Mc)·er. A.: ..Org.1JUSmus·. In: Rinn". HmomC'hcl \ orf('rbNCh drr P/"Iowpbl~. :1.1.0., S. 13Jo-1J58 (Bd. 6), hlcr: S. IJJ . .. Vgl. Müllcr-SICycrJ, 1-1.: ,,\'cr'ilummdung. Sc:hil1rr. Filhle. IlumbolJI und dit Genuloglt des M...1$O
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11. J-1urnboldts Formal: Zum Arrallgemtnt tilltr Ordnung der Sprache
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tel bar die nach dessen möglicherweise weitreichender inhaltlichen Bedeutung und konstruierten sprachtheoretischen Relevanz. 101 Interessant ist vor allem die systematische Qualität, die die Spracbe gewinnt, kennzeichnet man sie als ,Organismus'. Nun ist die Einsicht in die Falschheit der Aussage, die Prädikation. die Sprache .ist ein organisches Wesen" (IV 10), könne etwa so gelesen werden, als ob die Sprache eine An organisches ,Eigenleben' im Sinne einer prinzipiell ablösbaren, körperlichen Existenz führen könne, trivial. Vielmehr ist das Lebendige des Vollzugs des Sprachlichen der Garant dafür, daß die Sprache nur im konkreten Akt als Lebendiges auftritt. In diesem lebendigen Auftreten verweist die Sprache durch ihre Qualifizierung als Lebendes auf den inneren Organisationszusammenhang der Sprache, der ihr als Organismus aus sich selbst heraus zukommt. Auch der ,0rganismus'-BegriH erweiSt sich damit als reflexiv und ist im Grunde schon Humboldts Format, das den gleichen ontologischen Charakter aufweist wie das aristotelische Vorbild. Die ,Organismus'-Konzeplion der Sprache soll sagen (und das ist ihre wesentliche Funktion bei Humboldt). daß wir uns mit der Sprache prinzipiell immer schon im Bereich des Lebendigen befinden, sie ist also als Format, als Ausmessung des GültigkeitSbereichs, mit dem tpUou;-Begriff arislOtelischer Provenienz. analog. Die Konzeption deutet aber auch auf die innere Kohärenz des Wesenszusammenhangs der Sprache hin, und greift damit, wenn auch nur auf struktureller Ebene, auf das Relevanzmuster zurück, das dem Etöo~-Begri(f kommensurabe.l ist. Humboldt radikalisiert das MOliv der inneren Organisalion dadurch, daß er behauptet, nichts im Organismus Sprache habe nicht diese innere Struktur, denn sie (die Sprache) sei ein .vol1ständig durchgeführter Organismus" (VII 97). Ohne innere Organisation, ohne sdbstreflexive Struktur, ist der Organismus nicht denkbar. Bedeulsamer noch für die Frage der GüJtigkeit Humboldtscher Theoriebildung zur Sprache als die inhaltlichen Aspekte des ,Organismus
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dit angegtbcne Liu:nrur \erwieseIl. Vgl. uber die hier bereits .rngcsprocht'ntn lkitrigt' hill;lus .luch die ausführlichere tudit von 1-1. Schmidc IJ,~ lebendige Spr4ch~ Zur Enulthung des Org~l/lsmuskonuptt. Bcrlin 1986 ulld die do"igc Litcraturlistt' S. 114-138.
Vierter ltol!: Die' Ordnung dl'r Sprache
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sich das Wesen der Sprache .. nur metaphorisch erfassen"-llU: .. Die Mctaphcr" IOot• so Di Cesare...die Lraditionell unter dem Vorwurf der Dunkelheit und Unbestimmtheit von der wissenschaftlichen Rede fer"gehalten wird, findet hier Anerkennung aufgrund ihres grundlegenden heuristischen Werts" IOS • Dies leuchtet unter dem angcfühnen GesichtSpunkt der
Zweckmäßigkeit wissenschaftlicher BegriffsbiJdung durchaus ein, und die metaphorische Schreibweise scheint auch besonders gut dem Theorieangeb [Humboldtschen Sprachdenkens zu entsprechen: .. D2ß übe:r die SpnchC' nur metapbomcb gesprochen werden soll. ist eine im Komat eines epistem logischen Arguments z.us12ndegckommenc OlKrzrugung, die die' Vergegenstindlichung d~r Sprache in Frage su:lIL Humboldt hält sie sein ganz~ Werk hindurch aufrecht. Gernde dieser Überzeugung und der mit ihr eng verbundenen Suche n2ch immer neuen Mcc2phern ist die von dun gcleiswl.' große Bereicherung des spr.achwisscnschaftlichen Wonschatzes zu vt:rdankcn, Aber die Metaphern sind und bleiben I-Iumboldt Metaphern. Nie konvergicn ihr Pr:idikatiooslousammcnh:ang cndgühig zu dem eines Facht~rminus"IOll.
Nun ist es keine Frage, daß Metaphern in der wissenschaftlichen Thcoriebildung vor allem auch des 19. jahrhunderts und eben auch in der Sprachwissensch:J.ft eine wichtige Rolle gespielt haben. Ebenfalls elementar ist Di Ccsarcs Hinweis, daß Humboldt hier keine Formierung von Fachtermilli modernen Zuschnitts betrieben hat. Aber bereits diese Eingrcnzung muß st·utzig m:lchen, denn wenn dies wirklich de.r Fall ist, muß kepsis darüber bleiben, ob Humboldts theoretische Entwicklungsstrategie überhaupt mit solch moderner und erst in ,jüngerer' Zeit dermaßen populärer wissenschaftlicher Bcgrifflichkeit, wie sie die ,Metapher' in diesem Fall zweifelsohne darstellt, identifiz.ierbar ist. H. chmidt hai über zehn Bereiche (Metaphernfclder) differenz.ien, aus denen die Sprachwissenschaft im 19. jahrhundert Entlehnungen entnommen haI. Solche ..gern genutzle Mcuphernspender (...) sind z.B, Anatomie, Baubandwerk und Mechanik, Biologie, Chemie und Physik, aber auch Ethik und Ästhetik"I01. Systematisch iSI besonders der erkcnntniserschließcnlQJ
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101
Di Ccurc. 0.: .E,"I"'ltun~a In: Ilumboldt, w. ~'.: Ob" dll' Vl'7Jch/l'Jmht:ll du 1rltnuJJ/'chl'1l Spr~chbA'Uf '-nd ,h'l"n Emfblfl tlllf Jlt: gwugr EntU:lti/""g dd Mrnschmgt>sch/t>cbu. /-Ing. wn f> DJ Crurt>. PWl'-rbom u.a.. 1998. S. 11-128. hl~ .29. lbd 0. CcurC'• ..Elnleltung-, a..a.O., S. 19-JO. 0. Ca.m:, .EinlC'Hun~". 2...1.0•• ,)0. Schmidr, H.: _Zum MetaphC'rngl"buuch in dCUlSChtfl spr~ch..... ißc:ruchaftJichcn "aun des 19, Jallrhunderu". In: Schlicben-L:mgc. ß. U.2. (I-lrsg.): Ellroplustht' pro1cJJ'l."'JSrmchaft Il", /900. M"-thoJo/Og/fC/u' ,-nJ hmorlogNpbuchf' Bl'Itrilge' tmn Umkrt/1 J.., .ltlfiJ/ogil"·, Bd. /. Ewe' VO,.,'.lgJTrllu· ",: Ro1lJ",,,, du DFG-Pro/f'ktn ,/JrQlof,,,rluupuon'. MüllSII:r
11. t-1umboldu Form:H: Zum ArrangclIltnL tin('r Ordnung der Sprache
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dc Wen von Metaphern zu berücksichtigen, dcnn .. metaphorische Formulierungen dienen zunächst de.r vorläufigen Annäherung an e.inen nur unzureichend erfaßten Forschungsgegeostand. Sie verdecken und bezeichnen ungelöste Probleme. Das Ausweichen in den Metapherngebrauch kann als Indikator für den noch ungenügenden Reifegrad eines Forschwlgsprozesses dienen"ICl. Spätestens jetzt müßten endgültig deutliche Zweifel an dem Metaphern-Schreiber Humboldt auftauchen, denn die Probleme, z.B. auch zum Wesen der Sprache, erscheinen im Konzept des Tegeler Philosophen ja gar nicht so dermaßen ungelöst, wie die Metaphern-Verwendung dies zu suggerieren scheint. Noch einmal H. Schmidt: .. Metaphern lösen mehr oder weniger vage Vorstellungen aus, die ihre besondere Prägung aus der Spannung zwischen dem gewählten Bildausdruck (Sprache als ,Tätigkeit', .Werkzeug" ,Organismus" ,System') und unserem unvollkommenen Vorwissen über den Gegennand des Bildes (also der Sprache) gC\v1nnen" I09 . So ist laut Schmidt beispiel weise die ,Anatomie der Sprache' für Schlegel, Bopp, Humboldt und Grimm ein "gängiges Klischec"llo. Dies scheint richtig und wiederum auch nicht. Natürlich ist d.ie Verwendung im 19. Jahrhundert gängig, jedoch allein die Untcrschiedlichkeit der vier Positionen macht deutlich. daß das Klischee in sehr unterschiedlicher An und Weise aufgenommen und verarbeitet werden kann. So weist K. H. Rensch darauf hin. daß beispielsweise ..der Organismus begriff bei Grimm und Bopp (...) biologisch zu verstehen" sei~ wogegen ..das Organismusverständnis Wilh~Jm flon Humboldts (...) fast eine direkte Umkehrung dessen. was Bopp und Gn·mm lehnen, ist (Umst., U.W). Er (Humbold~ U.W.) glaubt. daß die Sprache, nachdem sich ihre äußere Gestalt gefestigt hat, sich durch die ihr eigene Kraft im tnnern immer feiner ausbildet, ohne daß diesem Prozeß eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Die Metapher menschlicher KörperSprachkörper gilt bei \ViJhelm von HumboJdt nicht mehr uneingeschränkt. Sein Organismusbegriff trägt ausgesprochen aristotelische Züge. Er begreift den Sprachorganismus als einen Organismus mi generis mit einem ihm spezifischen FortSchreiten zur SelbsLVollendung, die zwar in der Natur eine Parallele finder. nicht aber allgemein das Spezifikum le-
I" I~ 110
1989. S. 203-227. hitT. S. 208. - Vgl. auch Schmidt. H.: ..spnchwiSKos tu.ftlicht' Meu· phorik bei Wilhtlm "00 Humboldl und J;acob Grimm-. In: Sprnl. A. und Bondzio. w. (H[Jg.~ Humbol.Jl-Grintln-Ko"/~rrrl:z. BmvI.12.1j. OJuob" 198j. Bulin (DDR) 1986. S.49-64. Schmuh• ..zum Meuphemg('bn.uch-, .L.LO.. 5.104-105. Schmidt. ..Zum Mm.ph~m&t'bnU(:h"• .1.a.O.•. lOS. Schmidt. "Zum Meaphnnl;ebnuch". &.10.. S. 213.
510
Vierter Teil: Die Ordnung der Spnchc
bender Körper darstellt" lll • Solche Differenzierungen machen deutlich, welche Deutungsindifferenz damit verbunden sein kann. bestimmte Metaphembildungcll als Thcoriegencrierung für einen bestimmten Zeitraum der Wissenschaftsgcschichtc pauschal anzunehmen: Die vermuteten Erscheinungen der ,Klischeeisierung' und der .Vagheit' von Begriffen sind damit m.indestens so sehr rezeptionsgeschichdichc Phänomene wie sie in der urprünglichen Verwendung der Begriffe selbst gesucht werden können. Hilfreich in dieser Hinsicht ist die Metaphern-Definition, die J. Gessinger vorschlägt: .,.Metaphern sind eine besondere Form des anschauenden Dt:nkells - oder einer sprachlichen Extension der Sinne und in
gewissen theoretischen Kontexten deshalb nicht ersetzbar, weil sie die notwendige Versinnlichung des Gegenstandes garantieren (Herv. aufg., U.W.)"Ill. Sieht man von der zuletz.t genannten instrumentellen Bestimmung einmal ab, besticht an Gessingers Argument vor allem die weitreichende Feststellung, Metaphern se_ien eine besondere Art des Denkcns. Hiermit ist also weit mehr gemeint, als der bildhafte Gebrauch erkliirender Ausdrücke und die Behauptung semantischer Illustration ein und desselben Terminus durch verschiedene Kontexte hindurch. Das gewählte Beispiel macht die Problematik deutlich: Der Terminus .Organismus· wird in der Literatur weitgehend einhellig als Humboldts zentrale sprachtheoretische Metapher gehandelr. So spricht W. Neumann davon, daß .,Organismus' und .Org:an· sowie die in ihnen abbufcnden .Verfahren' als neue Metaphern auftreten (Umsl., U.W.). um die inneren Wechselbeziehungen. dje Ganzheit und die zwec.korientierte Funktionalitit der Sprache begrifflich fassen zu können. Dabei bleibt er (Humboldt, U.W.) von Übertreibungen dieser Metlphorik. bei denen sich der Bildgehah:als Leirvorstdlung für die Zuschreibung weiterer biomorpher Eigensc.haften an den Gegc=nstand äußen. in den enlScheidenden Grundgedanken frel, obgleich individualisierende, subjektivierende., quasi personifizierende Redeweisen über die Sprache vorkommen-li'.
D. Di Cesare stellt fest. daß nicht nur "für Humboldt die Sprache ein or· ganisches Ganzes" , I" ist., sondern betOnt auch den metaphorischen Grund111 RCllSeh•• rg;\nisl11u.s~• .l..l.O., S. 7}-7". II} Gtssinger. J.: .. Mt'uphern In der Wi)5C"n$Ch:l{ts~pncht''' . In: ßung..nen. T. (Hn;g.): Brltnr8l' %II/r Fachsprachrn[oNchll/fig. Spracht' m 11/mC"mch4c Jmd Ttcbmlr, lJI1rtKh41 HJ/J RrchuwrKn (BrLl). TaSlNI 19'12. S. 29-56, hier: C"um.. nn. \XI.; wZcichcn und Oq;-38. hic:r. S. lL Di Ces:are.•Einlellung· ..u.O., S. 57.
s.-45.
IU
111
11. HUlllboldu Formal: Zum Arrangcßu,'11I eint'r Ordnung der Spnche
51 t
charakter dieser Aussage: .. Die Verbindung, die Humboldt zwisc.hen. sprachlichem und lebendigem Organismus herstellt, ist streng metaphorisch und hat nur eine \'eranschaulichende Rolle" lls• Hinter diese klare Gültigkeits-Beschränkung sprachtheorccischer Begriffsbildung bei Humboldt, die Di Cesare des öfteren wiederhoh tl6• muß m.E. ein Fragezeichen gemacht werden. Ich werde versuchen, dies an einem anderen Beitrag zum Thema deutlich zu machen, und zwar an dem von H. Ivo Warum über Sprache metaphorisch rede,,? Zum Wissemcha/whcoret.ischen Status eines Metaphern/eides in der Kawi-Einleitung l17• In der Kritik an diesem zweifelsohne aufschlußreichen Beitrag kann deutlich werden, warum die Mctaphern-Zuschreibung zumindest defjzitä.r. wahrscheinlich jedoch alles in allem irreführend ist, und welchen weitergehenden Ge1tungsanspruch Humboldt demgegenüber mägl.icherweise seiner eigenen wissenschaftlichen Begrifflichkeit beimilk Seine Untersuchungsperspektive kennz.eichnet Ivo zunächst als eine "didaktische: Sie lautet: Welche Idee von Sprache kann oder soll als bi/dungsrelevant gelten?"1I8. Ivo fragt also nach dem bildungstheoretischen Gewicht von Humboldrs Sprachdenken und bietet die zunächst schnell evidente These an. daß mit der Verwendung von Metaphern Reflexionsräume erschlossen werden, die die Identifiz.ierung eines spezifischen Sprachverständnisses zulassen: • Wenn nämlich im met20phorischen Reden über Spl4chc die Räume skizzien werden, in denen Spnche zum Thema des Nachdenkens wird; wenn es darüber hinaus Hinweise enthält, wie diese Denkräume slrukturien werden; wenn schljeßlich das Nachdenken über Sprache um eine überschau bare Zahl solcher Mct.J.phcrn kreist (oder sich einige wenige :als wiederkehrend und somit als zentrale Metaphern erweisen), so ware mit der Thcm20tisierung des metaphoriscbcn Redens über Sprache in Spr.lchwisscnschaft und Spr.lchphitosophie eine Meta-Ebt'ne gewonnen, die die Formulierung von Kriterien für die Entscheidung ermöglicht. welches Verständnis von Sprache als bildungs. relevant gehen soU" 11'.
Auf der Suche nach dieser Met:lcbenc, die damit gleichsam als biIdungsund sprachtheorelische Mcrasprache fungieren soll, kritisien Ivo zuuef·
CC$.lre...Einleilunjt". ;(..1.0., S. 58. 11' Vgl. 2-.8. Di Ceure...Einleilung" . .1.2.0.• S. 99. S. IOl. •" Ivo, H.: .. WUUOl ü!>cr Sprache mnaphoTiKh Tcden? Zum wiu('nschahSlhNfetischen StaIUS ('HK'$ Mt"t<1phem(eldes in dCf" K.l90·I-EinlclIung-. In: Schuf, Wl1hdm wn HillmbolJu m Oi
prildJJmJun, ~...1..0.• S. 81·108. 11' 1\'0, a WMUIIl übft- Sprxht' mt'uphorisch n:den?a• .1•.1.0.. . 81. 11'
Ebd.
VicfI('r Teil: Die Ordnullj; der Sprache
512
fend eine Argumentationsperspektive von Sprache, die sich jeweils ..als
die allein wcsentliche"110 ausgibt. Die Niveliierung solcher Totalisierungen, die rvo auch aus der Metaphern-Untersuchung gewinnt., hat eine ihrer möglichen Fundierungen in der potentiellen Bildung von Metaphernfeldern, denn in diesen erweist sich, ",daß die Imeraktionsprozesse innerhalb der einzelnen Metaphern von den sie umgebenden Metaphern interpunktierend mitgesteuert werden und daß ebenso die Reflexionsräume sich wechselseitig mit bestimmen"'ll, Und die Wechselseitigkeit solcher Argumentations- b7~W. Reflexionsräume ist - wie sich gezeigt hat in der Tat bei Humboldt nicht nur zu beobachten, sondern konstitutiv. Ich werde später auf diesen Terminus der Rej7exlf;nsräume zurückgreifen, weil er mir im Hinblick auf das rckonstruktive Verfahren der Erinne· rungsarbeir zur Humbold[Schen Sprachtheorie besonders produktiv 'tu sein scheint. VOI' :lllem die von Ivo konstatierte 1deotifik:uion des ,Feldcharakters' der Metaphern-Verwendung hilft, die einzelnen Termini einander zuzuordnen und in Renexionsräumen zu gruppieren, wenn auch der Charakter der Gruppierung nicht - wie von 1vo angenommen - inhaltlicher, sondern eher sprachtheoretischer Natur sein mü!1tc. Zurück zum engeren Argumcmationskontcxt Ivos. Sein Ansatz h:u als Theorie-Hintergrund die Metaphern-Theorie M. Blacks. Schon deswegen fällt für ihn ein äußerst reduzierter Mctaphernbegriff selbstverständlich aus: .,In der gegenw:lrtjgen Melaphern-Diskussion wi,rd üblicherweise ein Traditionsstrang a..ngenommc.o. in dem der Mct:lpher ein vorwiegend oder :1USschließlich ornamentaler Charakler zugeschrieben wird. Ihren Plalz hat sie d,uum in der Poetik und Rhetorik. Der Weg zum begriHlichcn Denken, vom Mythos zum logos. ist in dieser Tradition immer auch der Weg von dcr Metaphcr zum Begriff. Max ßlack gehört zu den Kritikern dieser Denktradition. Er betont mögliche kreative und produktive Aspekte von Meuphern"'lJ.
Black, so Ivo weiter, "hebt die Paralle1üät im Funktionieren von meta· phorischen Ausdrücken und wissenschaftlich intcressanren Modellen hervor"'llJ. rn dieser Sicht sind .,die einzclnCJl Sprachmetaphern (...) untergetauchte Modelle"11~ wisse.nschaftlicher TheoriebiJdung, und erhalten damit einen Status, der weit übe.r eine bloß ,ornamentale' MetaphernVerwendung hinausgeht. Die kreativen und produktiven Aspekte dieser IVQ. Warum über Spracht" metaphorisch rttlcn?M ••u.O.. S. 82. IJI Ivo••Warum über Spracht" mCI1\phorisl:h redcn?-, ;u.Q.• S. 97. IU Ivo, W:arum ü\x>r Spnche mClaphorisch redcn?-, ~.a.O .• S. 84, I!J IVI), .. Warum über Spn.che meuphorisch red!!"?-, -.1..-....0.• S. 86. I~' 1"'0, ..Warum übtr Sprache metaphorisch rNen?M. a.:1.0., S. 89. I!C
M
M
11.
HUlllboldl~
FQrruat: ZUltl Arra.ngelUclll einer OrdnWl& der Sprachc
513
Einsicht und damit auch der verwendeten Metaphern Humboldts, die in einem so verstandenen Sinne Modelle darstellen (können), sieht lvo nun beispielsweise i.n der Form verwirklich~ wie in den zentralen Passagen der Kawi-Einleitung mit Hilfe von Metaphern Theorie-Bildung betrieben wird, Er bestimmt zunächst ..Sprache ist Werkzeug"IlS als "erste Ausgangsmetapher"126, soda"" ..Sprache als Orgao" 127 als ..zweite Ausgangsmerapher"1l8 und schließlich ..Sprache ist ein Organismus"129 als .. Zielmetapher"llO. Schon dieses Splitting jedoch verkennt (wie der allzu wichtig u.nd letztlich doch noch zu gegenständlich genommene ,Werkzeug'-Terminus) die Charakterisierung der Sprache als Organismus bei Humboldt, denn die Konst,rukrion von Ausgangs- und Ziel metaphern läßt sich in Humboldts Argumentationsweg nur mit erheblichem Texrund Theorieabstand überhaupt nachvoUziehen. So bleibt Ivos vierfache Sortierung der Bezüge des Sprachorganismus als dessen Verhältnis ..zur InteUektuaLität, der Sozietät, zum Weltbezug und zur Geschichte des Menschen"u 1 zwar auf dem Hintergrund der differenzierten Kenntnisse des Autors zur Humboldtschen Sprach- und Bildungstheorie einleuchtend (aus letzterer heraus sogar geradezu drängend), die Ergebnisse sind jedoch kaum bzw. nicht zwingend auf die vorher ausgeführte Diskussion zur Metaphern-Theorie und ~Praxis zurückzuführen. Oder anders gesagt: An Ivos Argumentation stimmt so ziemlich alles lJ2 • bis auf die zugrundcliegende Haupuhese, daß es sich bei zentralen Termini Humboldts überhaupt um Metaphern in einem modernen wissenschaftlichen
l:~
Ivo, RW.arurn ü!>t:r SprJehe mt'I'.1ophorisch rctlen?~, .10.2.0.. S. ?O. EbJ. 1\'0... Warum übt" Sprache metaphorisch reden?R. a..a.O,. S. n. Ebd. 1\10...Warum iibcr Spr.ache nl(:uphoriseh rcdell?~. :u.O.• s. 93.
uO
Eb
Ul
Ivo, ..Warum über Sprache metaphorisch reden?", a.;\.O., S. 96. Die Slärke vo.n I\los Überlegungen Iiegl vQr allem auch auf der Ebenc der Tcxtbcobachtun&. So t~t es z.ß. durchaus erhdlcnd, daß .die Schlüssclmcuphcm in du Sprachphil()saphir Humboldu konzentrisch um jc.nt' AUSliagt't1 .angeordnet sind, Jie \'on ihm (Humboldt, U.W.) .als irrig, falsch oder unzulänglich abgt:lc.hm wcrden (Umst.. V.W.)" (IvQ• ..Warum über Sprolcho: mcaphorisch redcn?", a..a.O.• S.89). IIller6uni ist ;luch diCi Auf~chlüsscl\lJlg der Genese vQn ,J\olclaphc.ro·· Feldern; .. Humooldl weiSl mit solchen Übt'rlegungcn also nichl tUe Vorstellung, Sprachc $Ci ein (nStrumenl, übcrhaupt :r.utÜck (cr halt \·iclmchr an dicst'r Metapher fesi), sondtlrn organisiert, mil Blolck gC$prochen, die I.nt~r~ aktion dcr Impllkalions7.usammcnhingc von .Werkzcug' und .Spr,1chc' neu und .andn-s. Und cr organisiert di6C Interakiion ncu und anders. indem er I) il) ncgatorischen Formulief'UJlgen bestimmte Merkmalsbcw(.1;ungen ausdrücklich ~wsehließI wld indem er Z) die Ausgangsmclapllcr ,Sprache iH Werkzcug' auf elnc 7.weite Met'Jpher (und diese dann auf weitere) bezieht. So entsteht ein Metaphcmfeld" (S. '} 1-92).
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514
Vicn.cr Teil: Die Ordl1ung der Spracb...
Verständnis handeln könnte. Durch diese wissenschaftsgeschichtliche Perspc,ktivenkrümmung werden I vo auch Behauprungen möglich, die be-
reits als von Gru.nd auf problematisch identifiziert werden mußten: "Sprache, geg"lSIändlich au/gejaßt (Herv., U.W.), verstehl Humboldl als Organismus"UJ. Wenn der Satz. von ,Ergon' und ,Energeia' im Humboldtschen Sprachdenken jemals eine Funktion hatte, dann die, solche Auffassungen auszuschließen. Vielmehr muß gellen: die Vergegenständlichung der Sprache (aJs so aufgcfaßtes ,Ergon') ist gerade nicht möglich, weil sie ein Organismus iSl. Und damit gibt es auch kci.llc autonomeomologisch qualifizierte - Metaebene der Sprache. weil ihr eigener Cha-
rakter dies grundständig verhindert. Sie ist diese Metaebene immer gleich mit. oder ist. g:l.r nicht. So bleibt vorderhand das Problem produktiven Mißvcrstchens Humboldtschcn Sprachdenkcns. d:l.s sich an der Interpretation des Terminus ,Organismus' so gut entzünden und erkennen läßt. T. Borsche formuliert dies so: .. An der (...) Paradoxie. daß mall auch den Organismus einer ,toten' Sprache ,physiologisch' betrachten müsse, wird klar, daß die Anwendung des Ausdrucks vom physiologischen Wirken auf geistige Kräfte in der Tat mit!verständlich sein kann. Die Sprache kann nur in einer bestimmten Hinsicht als ein Organismus betrachtel werden. Denn ihr ,Organismus' hat keine reale Existenz in der Natur. sondern nur eine ideale Existenz als . . in Moment in der Aktualität (Energeia) der Rcdc""~.
Da der Begriff der Sprache als Organismus jedoch am Schnittpunkt von Akt'Ualität und Nicht-Akt'Ualität angesiedelt ist, AktualiTär indes immer Existenz des Realen im konkret Zeitlichen bedeutet. bieret die ontologische QU31ifizierung des real Existierenden prinzipiell keine ausreichende Dcfinilionsbasis für Humboldts ,Organismus'-ßegriff - weder im positiven, noch im negativen Fall. Damit ist auch jedwcdc Mcraphern-Attribu[ion z.umindest äußerst brüchig) und ZW:l.r einerseits deswegen. weil stets unklar bleibt, auf welcher ontologischen Ebene ihr Argumentations- und Geltungswert letztlich zu agieren vermag, andererseits, weil sowohl im Fa.1I einer Metaphern-Anriburion als auch im Fall der Nicln-Zuschreibung einer solchen Identifikation die eigentlichen Probleme des \Vcsens der Sprache und ihre Auffassung noch gar nicht erreicht sind. Die ,Organisl11us'-Konzeption der Sprac.he h3t ihre Bedcut'Ung vielmehr auf einer vöUig anderen, e.iner ontologischen Ebene; sie hält die Sprache als Ganzes Ul lvo. _Warum ubcr SprAch,· metaphorisch rrocn?-. ",01.0.., S. lIS. I). Bor.sclle. Spra(hanSldlll:n. 3 •.1. •• • 120.
11. Humboldts Form;1,t: Zum Arrangt.ment t'incr Ordnung der Spr;1,c.he
515
im Bereich des Lebendigen IJS, womit erS[ die Sprache "in ihrem wirklichen Wese.n aufgefasst" (VB 45), aJso schlechthin und ohne Abstriche, angesprochen und aufgedeckt ist: .,Es ist«, wie]. Trabant es formuliert, ..der Sinn der Sprache selbst, der gegen die Behandlung aJs ,wdres Gerippe' auJbegehrc" IJ6• Humboldt teih mit, wie wir dieses Aufbegehren zu verstehen haben: als ontologische Unmißverständlichkeit im Hinh1.ick auf den Gelrungsanspruch sprachtheoretischen Denkens, das sich immer schon im Bezugsrahmen des Lebendigen aufzuhalten hat - nicht mehr, und nicht weniger; aber immerhin genau. Diese Beobachtung ist von entscheidender wissenschaftstheoretischer Relevanz. R. Zymner hat in seiner Erklärung dessen. was eine ,Metapher' ausmache, neben einer Auflistung der zentralen Metaphern-Theorien vor allem auJ den a,ristotelischen Ursprung des Metaphern-Begriffs hingewiesen. Zunächst die Übersicht: ..Die Spr:ache wird Lll diesen Ausdrücken einfac.h anders als gewöhnlich verwendet, eben metaphorisch. Wie ist diese Einschätzung zu erklären und W;lS heißt d::lS überhaupt? Hierauf finden sich im wesentlichen drei Antworten, die der sogenannten Subsututionstheoric. die der Vcrglc.iehstheorie und die der lnlcrakuonsthcoric" w .
Zur Klärung der Theorien sei auf die differenzierten Ausführungen Zymners zum Thema verwiesen. IJ8 Interessant ist für den hiesigen Zusammenhang vor allem seine systematisch-historische Fundierung der gängigen Substilulionstheorie: "Mit .substitUlionstheoric' bezeichne ich die Auffassung. daß ein Ausdruck oder \'\Iort, das einen Gegenstand venritt, durch einen anderen Ausdruck, der Dieses I-lumboldtsche PostuJ.n hai si h in seiner triyi~lisicnen Form bis ins 20. J;1,hrhun. den hi,nein gdl;1,!tl'lI, wie P. M
I)'
Vicrlcr Teil: lJie Ordnung der pl"3cno;-
516
einen Gegenstand vertritt, nach Maßgabe noch zu crl:iut~rnder Beziehungen zwischen den Gegenständen, ersetzt wird. (...) Im Kern geht diese Theorie auf Aristotcles zurück. (... ) Es heißt in seiner ,Poetik;: (...) Die Merapher ist die Überlragung eines fremden Woncs. r~tETaCJlOl.XL öl
tonv 6v6~tatOC; OAAOlQ{O\J EJHqJOQQ)
Aristotclcs unterscheidet don außerdem vicr Anen der Übertragung: (I) von d~r G:mung auf die Art, (2) von der Art auf die Gattung, (3) von der Art <1uf die Art und (4) gcmäH Analogie. Es ist schon häufig darauf hingewiesen wordcn, daß Arislmelcs lediglic.h mit der vierlen An der Übertragung die Metapher im engeren Sinne bezeichnet. mit den Typen I·} hingegen andere For· meo der tropischen Substitution wie Synekdoche und MCl.Onym;e"l}~. Es ist nun der Charakter des wichLigstcn, des vierten Übcrtrag'ungszusam-
menhangs ,Analogie', daß dieser .,Ähnlichkeit (i,S.v, Merkmalsgleichheit) durch Relal.ionsgleichheit"I~O mei.nt. Bei der Analyse dessen, wie gcnau dieser Übcrtrag\mgszusammcnhang, also die Rehllion, nun zu beSlimmen ist, komnlt Zymner wie Aristoteles zu einem äußerst zurüc.kgenommenen, ja durchweg skeptischen Urteil, denn es kann kaum festgestellt werden, "worin gcnau die Ähnlichkeit""l in einem analogischen Übertragungsz.usammenhang. wie dem hier skizzienen, überhaupt besteht. Hl AristOteies kommt daher bezüglich dieses grundlegenden und zentralen Erklärungsmuslcrs der ,Metapher' im 2. Kapitel des sechsten Buches der Topik zu einem - für den Kontext wissenschaftlicher Thcoricbildung - vernichtenden Urteil: [139b] "Jede Mcrapher ist undcutlich"lH. Und sie bleibt immer ein dem GcgenZymncr. Un':lgc"t/irhkttl!, .t.3.0., S..B-J-4. I~ Z)'mncr, Unelgentlirhkflf, a.01.0., . Ji. 111 Zymntr, Unt'igrmf,eJ,kel(, 01.01.0.• S. 35, I~~ Zymncr formuliert~ seine Kritik d~r Unl;enotuigkt'iI u<:r Mcrolpher U . .1. folg.:ndcrm.lßen; .ÄJllllichkcir I:iBt immer Abnufungell Zu. Es ISI imml."r dir Fl"'.ll\c. il\ wclcher Hinsicht sich ein X und tin Y ähnlich sein sollen. Ohne die Fillierung ditscr ,Hinsicht dl'r Ähnlichkeit' maCht die ßehAuplUll~ der AhnlichkClt keinen Sinn. (...) cnolu dics<, Fixierung der Ähnlkhkcu fd,h dem lIlt'uphorischen Ausdruck" (Zymncr'. Untlgt'nlf,chkt'il. a.1 Jcdoch cine ÜbeNtrapuitrung des KOrllexle>, die d~ Terminus .Mtt
11. HumbölJt$ Fonn;l,C Zum
Arr:mgem~nt
einer Ordnung der SPr:ldll:
517
stand fremdes Wort. Beide Charakteristika konnten für Humboldts ,Organismus~4Begriff aber bereits explizit ausgeschlossen werden, und zwar mit Hilfe der Einsicht, daß der Terminus in einem aristotelischer Ontologie verantworteten Theoriekontext eine spezifische Stellung einnimmt. der dem qnJ(J~·Begriff in entscheidenden Merkmalen kommensurabel ist. Scheidet jedoch die letztlic.h wissenschaftspositivistische Marginalisierung zentraler sprachtheoretischer Termini Humboldts als ,Metapher' (also im engeren Sinne die Behauptung einer Verwendung ,uneigentlicher' bzw. übertragener für ,eigentliche' Bezeichnungenj.4~) für die Bestimmung dessen aus. welchen Gültigkcitsg'rad Humboldrsche BegriHsbildung als Wissenschaftsenrwicklung behaupten will und kann, muß davon ausgegangen werden, daß Humboldt hier ein originäres Geltungskonzept vorstellt, das die oben genannten Reduzierungen gerade nicht aufweist. Diesem nachzugehen würde einer eigenen ausführlichen Untersuchung bedürfen, die hier nicht im einzelnen durchgeführt werden kann. Ich denke aber, daß diese sich U.3. an dem Wahrheitsbc.hauptungsmuster orientieren müßte, das ich in Kap. 4 ebenfalls an hand des ,Organismus'-Begriffes aufgewiesen habe und das in der Geschichte des Verfalls ,md Unterganges der Griechische" Freistaaten von Humboldt mit dem ,Symbol'-Begriff verknüpft wird: ,.,Der Begriff des Symbols wird nicht immer richtig gefasst, und oft mit dem der A.I1egorie verwechselt. In beiden wird allerdings eine unsichtbare Idee in einer sichtbaren Gestalt ausgedrückt, aber in beiden auf sehr verschiedene Weise. Wenn die Griechen den Bacchus nach Flügeln (ll!. 19,6. Paus.) zubenanmen, den Mars in Fesseln bildeten, so waren dies allegorische Vorstellun· gen, und ebenfalls eine solche war die Ephesische Diana. Denn es war eine deutlich gt.odachte Idee willkührlich an ein Bild geknüpft. Hingegen Bacchus und Venus selbst, der Schlaf, den Musen :als Liebling beigesellt (Paus. [1.31.5) und so viele andre Gestalten des Altcrthums sind wahre und eigentliche Sym 4
bol,· (111216-217).
Es geht somit bei der ,Symbolisierung' als Vorgang nichl einfach darum, ein Bestimmtes zu seiner Verdeudicbung als etwas anderes zu sagen, also um eine a)..)"tlYOQta im wörtlichen Sinne. In der Allegorie ist die gedachte Idee lediglich willkürlich an ein erklärendes Bild geknüpft. Beim ,wahren jU Es sei d~nn erinnen, 1.!.lß sk.h J. Assm:'mn bd der Entwicklung seines Konloepu des .Kul+ turdlen GeJächtlljs~' mI ~Begriff dts kollektiven Ga:lächfnisses (Assmllnn. J.: Dal lr.u/llm~lIe Gedächtnis. Sdm/t, Erinm~rung "nd politische tdmti!iir in {rühm HochkMlt1f "'' '1. München [2., durchges. Aufl.] 1997. S. 47) von M. Ha1bw~c.hs oricntiert haI, dc.r ~benfalls gcgCl1 die. f\.ht'ßinalisic.rung seiner umnlc.n 8t·grirnichkc.it ~Is Mt'upher opponien habe. Du kollektivc. Ga:lichtniS ist but Assrnann btoi Halbw~chs .. gcr.td~ lU/nt Me· t2ph...r, d;t es ihm (I-Ialbwachs, U.W.) j;l, auf den N~chweis ankomml. d~ß aueh di~ individuell"n Erinnerungen ein $oloi~les Phänom~n sincl (cbd.). Vgl. Kap. 3.2.1. M
4
M
518
V;l'rtcr T~i1: Die Ordnung der Sprache
und eigentlichen Symbol' hingegen ist diese Vcrknüpfung ebensowenig beliebig, wie es die daraus resultierende Bcdeurung isl. Dem Symbol ist seine Bedeutung vielmehr gegenstands konstitutiv, es ist kein Bild für etwas anderes, kein allegorisches Zeichen, sondern bcdeurungskonstiruierende Idealität. Damit ist klar, daß beispielsweise der Begriff des Organismus nicht ausschließlich durch seine illustrierende und explizierende ErkJärungsproduktivität (und damit wesentlich als Metapher), die er in spez.ifischen Kontexten entfaltet., begründet und erklärt werden kann. Dies war - so die nor· wendig zu ziehende Konsequenz der Allegorie-Symbol-Alternative in der ,Verfallsgeschichte' - eben nicht HumboldLS Vorstellung des OrganismusBegriffs. Er ist kein bildlicher Ausdruck im Sinne einer Obenragung oder eines Vergleichs, die Sprache ist nicht wie ei.n Organismus. sie ist ein Organismus im unbedingten Sinne e.ines erst crkcnmnis- und letztlich dann auch sprachtheoretisch fundiene.n Wahrheitshegriffes, der einer Wehkonstitution in der Sprache entsprechend einer semiotischen Synrhcsis verantwortlich ist. Humholdt hat seine wissenschaftliche BegriHlichkeit (das ist" das, was seine Rezeption so schwierig macht) immer gcnau so gemeint, wie er sie gesagt hat. Um dies jedoch zu erkennen, ist es notwendig, mü den Begriffen gleich immer auch deren theoretisches Bezugssystem zu rezipieren und zu rekonstruieren. ln {"_inern solchen Bezugssystem nimmt der .Organismus'-Begriff eine Rolle ein. die weit über die explikative Bebilderung sprachtheoretischer Grundannahmen hinausgeht. Wie bei den begrifflichen .Eckpfeilern der aristotelischen Ontologie ist dieser Terminus Humholdts und sind auch andere immer schon der systematische Zusammenhang im Kern, den sie selbslreflex:iv zu erläutern suchen. Die Reflex:ionsräume, die Humholdt in dieser Hinsicht auftut, sind somit wesentlich rncoretlscher Natur. Sie bilden semantische Räume inso· fern, als in ihnen d.ie Bedeutungskonslitution des Wesens der Sprache nicht nur ontologisch ausgemessen und slruktlJrell dokumentiert wird, sondern auch kontinuierlich problematisch bleiben kann. Man erkennt diese Räume an der für sie grundlegenden Einheit von Bedeutung und Reflexion, eine Einheit, die die aristOtelische und die humboldrschc Konzeption aufs engste miteinander verknüpfen.
11.2 Lexikon: Elemente einer Praxis semantischer Theorie Ich möchte im folgenden sechs der Reflexionsräume, in denen Wcltentstehung sprachtheoretisch begründet und aufgedeckt wird, aufschlüsseln
11. Humboldu Format: ZU"l Arr:mgcmem einer OrdnUJlg der Sprnche:
519
und an hand der zentralen Termini ausweise,n. Die Beobacht:ung, die dem Projekt der Verwandlung der Welt in Sprache zugrunde liegt, ist, daß diese Reflexionsräume der Ontologie des Aristoteles denen. der Sprachtheorie Humboldts nicht nur parallel liegen, sondern offensichtlich auch durch korrespondiere.nde Begriffe getragen werde.n. Um das aristotelische Lexikon von Humboldts Sprachtheorie zu ermitteln, werden im folgenden die zentralen Abschnirte der Kawi..-Einleitung auf den Seiten 41-72 der Akademie-Ausgabe ausgewertet: Uebergang zur näberen Betrachtung der Sprache, Form der Sprachen, Natur und Beschaffenheit. der Sprache überhaupt, Lautsystem der Sprachen. Natur des articulirten Lautes, und Lautsystem der Sprachen. Lam'VeränderuI1gen. Dabei ist zu berücksichtigen: Jede Auswertung des Lexikons eines Textes, also seines terminologischen Bestands, geschieht unter jeweils anderen und spezifischen Bedingungen und Kriterien. Die hier vorgenommene Auswertung der folgenden und eben keiner anderen Begriffe Iä.ßt somit ebenfalls jederzeit ihr Erkenntnisinteresse bemerken, aristotelische und humboldtschc Begrifflichkeit übereinanderzulegen. Die Probleme der Konzeption und Durchführung der Textauswertung bleiben somit bewußt a'uHällig. Es sind zweifelsohne auch andere Auswertungsformen und -kriterien denkbar und texterschJießend, immer jedoch setz.t eine solche Textbearbeitung ein charakteristisches Muster voraus, unter dem Humboldts Sprachtheorie gesehen wird. Die ausführliche Auswertung von H. Gipper und H. Schwarz im Bibliographischen Handbuch zur Sprachillhaltsforschungl~Sist hierfür ein gutes Beispiel. Mit hoher Einsicht in die von Humboldt besonders herausgearbeiteten Termini findet sich hier zwar ein präzises Nachschlagewerk mit prinzipiell wenig Lücken, das nichtsdestotrotz. aber weder die Eigenheiten einer Untersuchung auf der Grundlage des aristotelischen BegriHsrasters berücksichtigt noch die Termini an allen Stellen in ihrer Häufigkeit vollstä.ndig vermerkt. Dies hat Konsequenzen, denn immer sind - wie G. Stötzel es formuliert - ..die einzelnen sprachlichen Daten (...) Belege für die realitäts konstitutive Kraft der Sprachc"1-'6. Dies zeigt sich in solcher Textarbeit ganz besonders. 1')
Gipper, H. und Schwarz, H.: Biblivgraphisdus HdndbHch T~il
SprdcbjnbaluforsdJHng. I: Schrifttum zur Sprachinbahs[(mmulJg in alphabt!tlScber Folge nach Verfamm. ZMr
Köln,Opladtn 1966, S. 1175-1209. I~ Stöll.cl, G.: "Einldtung". In; dert.lWc.ngd~r. M. (Hrsg.): Kontrovr'f'St! Dt!gri/fe. Bcrlin 1995. S. 1417, hi('r: S. 13. - Die hie.':r formulicrle: Einsicht in die.': "Konstitution von Wirk~ lichkcit dun:h (...) Sprachgebrauch" (S. 12) :tdgt. wie sehr ge:nde: eine tel.iette: "Auswahl des Sprachm;aterials" (5. 10) und dessen methodische Begrenz.ung notwendig ist, um zur ~Erke:nntllis (...) wichtiger Erscheinungen und The:menbereiche zu komme.':n" (S. 10). Die hier von Stützel vorgenommene Focussicrung diesC'S methodischen Rcpenoires ;auf d,ie
520
Vimcr Teil; Die Ordnung der Sprnchc
leh werde z.un:ichsl das ausgewertete Wonmarcrial zusammenstellen und eine Auswahl davon anschließend in sechs Rcflexionsräul11cn klassifizieren. Zusammenstellung und Klassifikation erfolgten einerseits unter dem Gesichtspunkt, zentrale Termini Humboldlschcr Theoriebildung aufzudecken, und andererseits danach, welche d.ieser Termini eine Verknüpfung zur aristotelischen Ontologie-Konzeption (in unterschiedlicher Intensität und Reichweite) nahe1eg'cn.
Die Auswertung ergab für 186 ausgewählte Termini die folgende Häufung und damit das nachstehende Lcxikon H7: A ACl
Aehnlichkeilcn Analogie, analog
Arbeit äußer,', äußerlich
46. 55, 56, 60, 63 48,51 44,59,60.61,71 46,46,46,47.47,49,62 42,52,53.54,54,46,57.59,60,61,66
B
Begriff Begriff der Form
Bestimmung Bewegung
Bezeichnung Bildung bildend
48,43,48,48,49,49,50,50,50,51,51,52,53,55, 57,59.59.60,63.71,71 50 45 49,54,66, 66 44,51,71 47.59,69 53,64
C
D Drang dynamisch
48.65.47.47,65,66 65
E Eidos
Eine Einer
141
keine Nennung 51 45
Ana.ly$c dC$ öffentlichen Sprnchl)cbn.uc.hs der Gegenwan in cl"hder nach der angcgcbl:ncn TenplLSs:tgc befinden, wurden in Klammern gesetZI.
11. Humboldts Format: Zum Arr.lllgemem einer Ordnung der Spl'llche
Eindrücke, sinnliche Einheit Eins
Empfinden Empfindung Komposita t/On Empfindung Empfindungsvermögen
Empfindungsweise Energeia
energisch EmwickJung, entwickeln Ergon erscheinen, Ersc.heinung erzeugend ErL.eugung
ErL.eugt'es encugt
Eneugnis Kompositum von Erzeugnis Ge isteserzeugnisse
ExiSlenz., existien F Form, Formen
Formung Umformung umgeformt
521
49 4S, 48, 50, 50, SO, SO, SI, 53, S4. S4, 54, S7, S8, 62, 67,67, 68 48, 5l, 56. 59, 6l 60,62,62 47,SS 5l 54 46 67 42, H. 45. 51, 52, 58, 58. 58, 59, 61 46 42, 42, 43, 48, 55, 62, 62, 6S, 72 47. 58 44, S2, 36, S8, 63, 65, 67 44.59 67 5l, 55, 58, 62, 67 42 42
42, 43, 45, 45, 47, 48, 48, 48, 49, 49, 49, 49, 49, 50, 50,50.50,50,51,51,51,51,51,51,51,51,52,53, 57,61,61,62,64,64,65,66,67,70,72 49 71
71
G
Gebr:lUch GegenSt'~nd
Geistesbewegungen, sdbsuhätige
"9,52,59,64,71 44, 44, 52, 54, 54, 54, 54,55, 57, 59, 59, 59, 59, 60, 60,60. 61
Gewebt!
49 61 6l 46 61,61,61,65,69,69 48 60,70,70
H Handeln
60
Gcistes(orm Geltung Genesis, genetisch Gesetz.mäßigkeit Gestalt
522
Vierter Tril: Die: Ordnung dcr Sprache
Handlung hervorbringen Hervorbringung
42.54,54,55 47.57 46,69
1
ideal
42
Id~n
k~m('
identisch innere. innerlich, Inoern
<2
lnnigkcit Inte1lecrualitiit. intcllect.
Nennung
42. ·H. 52, 52, 52. 53, 54, 54. 54, 56. 56, 57, 57, 59, 60,61,63 42,53,59 42. -12. 42. 43. 53, 54, 62
J K Kontinuum, k.ontinulerlich
Kr;:,ft
keine enmmg (26). (26). 42, 47. 52. 52, 52. 53, 55. 56. 57. 57. 5 .58. 58.61. 61, 64, 64. 65. 71
KompoSIta 'Vor, Kraft
Knft2iußcrung Denk.kraft Geislcskraft
(26) 56
Vorstell ungsk r:lo ft
51
L Laut
Komposita ~on Laut Laut-Analogie LautCorm Lautgewohnheit Laut-Manaigfaltigkeit Laulorgane uuuystcm Laulumformung uutverändcrungen lautverbindungen uutverfahren uutverknüp(ung
Hauptlaul
Leben lebendig logisch
41,42,45,45,52
4&, 49. 49. 50, 51, 53. 53, 53, 53. 54, 54, 54, 54, 54, 54,55,57,57,58,59,60,60,61,61,61,62,62,65, 65.65.65.66.66.66.66.67.67.67.67.67.67,67. 67,67,67.67.67.68.68.68,68,69.69.69.69.69. 69,69,69,69,69,70,70.70.70.71,71,71,71, n
71 52, 52 52 71 51 65,69,69,70 70,71,71,72 70 71 68 70.70 67 55.56 42,46,48,48,49,54,62,62,64 49
11. Ilumbold,s Formal: Zum
M Materie
Methode Möglichkeit
N Natur Narursund natürlich
Arr~.ngell1ent
einer Ordnung der Spr:u:he
523
keine Nemumg 50,62 43,57,57,64,67 3,50,51,52,52,53.56,57,58,60,61,61,61,61,61, 62,63,64,64,65,65,65,66,66,68, 72 60,61 71
o Organ Organe organisch Organismus
P Potsis Praxis Princip
53 66,67,71 45,71,71,71
52 keine Nennung keine Nennung 42,42, 43, 52. 52, 53. 65, 71
Q R
Rede Redender Redefügung
46,51,53,53,55,56,61,63,67,67,70 66 49,51
S Sache selbst, die
42
S,ltZ Schöpfung, schöpferisch 5«1,
43
Sprache
Komposita 1Ion Sprache Sprachähnlichkeiten Sprachansicht
42,42
56. 57, 57, 58, 59, 60, 60, 61, 61, 63, 63, 65, 66 41,42,42,42,42,42,42,42,42,42,42,43,43,43, 43,43,44,44,45,45,45,46,46,46,46,47,47,47, 48, 48, 48, 48, 49, 49, 49, 49, 49, 49, 49, 50, 50, 50, SO, SO, 50, 51, 5t, 51, 51, 51, 52, 52, 52, 52, 52, 53, 53, 53, 53, 53, 53, 54, 54, 55, 55, 55, 55, 55, 55, 56, 56,56,56,57,57,57, 57,58,58,58,59,59,59,59, 59, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 60, 61,61,61,61,61,61,62,62,62, 62, 62, 62, 62, 62, 63, 63, 63, 63, 63, 63, 63, 64, 64, 64, &4, 64, 64, 64. 65, 65, 65, 65, 66, 66. 68, 69, 69, 69, 70, 70, 70, 70, 70,71,71,72,72 51 60
524
Vierter Teil: Die Ordnuug der Spr~che
5prachbildung
434-4 , ,0,72
Spn.chdement~
,0
5prachrrzeugung
H, 45, 45. 70 66 43,49 (94) 41 '6, >7, 58 >3, '4, 55, 60
Sprachbau
Sprachf:ihigk~it
Sprachforschung Sprachg6t:tzt, innen
Sprachgesraltung Sprachk~ft
Sprachl,lut Spnchmiuhcilung
64
$prachorgane
,2
Spnchreichthum $prachsinn Spn.chsu.mm 5pr.achstimmr Spnchstudium Sprachsy.ncm Sprachtendenz. Spr.tchunlersuchung Sprachvermögen Sprachwerkzeuge
71 67,69,70
Sprachzcrglicdcru og Sprachen
Sprechen Sprechen lernen
spr«hcnd Sprechende. der Sprachform
Sprachform. iußere Sprachform, innere Stimme Srimmwerkzeug
Sloff
4,
.,
H. 4-4. U 67 52 4',65 57.58.58.59 66,66,66,66,66.66,66.67,69,71 53 41,43,43,43,43,43.43.45,46,48,48.49,49,50. 50, SO. 50. 51. 51, 51, 51, 52, 52. 59, 63. 68, 69, 69, 70,70,71. 71, n 4b, 4b, 46, 46. 55. 56.56.57,64,65,70 58 42 42, ,4, ,6, 64 49, k~in~ N~"nung, (%) k,m, N,,,n."B, (81). (82). (86), (94), (96). (237)
,1
,4 ,3
47. 49, 49. 49, 49. 49. 49, 49, 50, 51, 54. 56, 57, 58,
61,62
Strebtn
System
42,47,57,62 49 (89) 63
T Thitigkeit
42,46.46,47.50,53.54,55.55,55.56.61.66,66
Substanz. Synthesis
KomposIta 'lIon Thäflgkeit
11. HUlllooldtJi Forlllal: Zum AlTant;l'mCnt einer Ordnung
Selbsnhätigkcit Geistcsthätigkeit
55 44
U Unendlichkeit,. unendlich Ul'$2che U neil. beunhc=ilend
5'.62.62 44,51
der Sprache
.5
V
Veriinderung veränderlich Verbindung, verbinden verbunden Verf:lhrcn vergleichen, vergleichende Vergleichung Verknüprung vermögen, Vermögen Verschiedenheit Verschmelzung Vervollständigung Vollendung. vollendet Vollkommenheit "oUsündig Vollständigkeit Vorstellung
Vorstellungs:m Vorstellungsweise
W w:ahr, W:ahrheit. wahrh:ah Werk Werkzeug Wesen Wesenheit wesentlich
wirklich Wirklichkeit Wirkungen
Wirken
bewirken Einwirkung einwirken
x y
64.64,71 56 52,52.53,53, Si, Si, 55, 59, 62, 63, 71
'2 '7,50.53.66 43.'5.56 '5, .5, 5. 52,61. 69 42,58,65, 70 42.43,43,44,52,57,58,62,64,67.67,69,70
'2 56 ",59.68 57 '7.51 34,38,67,69 51,54,55,55,56,60,66 59 60 '2.42.42, '6.'6.'7.'9,'9.55, 56. 60,60,62, 63,64. 69 42.46,71
.2 .2,43, .5, .7, '8, '9, .9, 58, 58. 59, 63, 65, 66 '6.56,59 45,46,66 42,51,54 57,62 +7.51,56,63,63.63 66 52 71 60
525
526 Z Zeichen
Ziel Zwecke
Vien'llr Tri!:
Die Ordnung der Spr~chc
58 44
47,47,49,50, 54
Komposira von Zu:uk
Sprachzweck Sprachzweck. innerer
(85), (115), (25') (83)
Soweit Humholdrs sprachtheorclisches Lexikon in den zentralen Passa· gen der Kawi-EinlcllImg unter dem Ge icht punkt. die aristotelische HCrJ.."lJilft oder zumindeSt den aristotelischen Thcorickontexl der wichtigsten Termini hervortreten zu lassen. Ich werde im folgenden nun den Versuch unternehmen, die Termini nach sechs Reflexionsräumen zu gruppieren bzw. zu kbssifiz.icrcn. Dabei ist es ebenso problemlos möglich, daß ein Terminus in mehreren dieser
Rcf1exionsräumc eine - durchaus auch unterschiedliche. ja gcgens~tzlichc - systematische Rolle spielt, wie daß noch weitere Termini zu den Räumen dazugehören, die hier nicht aufgeführt sind. Selbst die hier mit sechs projektierte Anzahl der ReOcx.ionsräumc ist keineswegs bindend und die Räume sind nach vielen Seiten hin offen, gehen ineinander über und explizieren sich gegenseitig. Alles dies sind allerdings Essentials, die nach der Lektüre der ariStotelischen Metaphysik nun kaum noch überraschen können. Trotzdem sind hier wie dort eindeutige theoretische Zentren zu erkennen, die unmißverständlich dje Erkenntnis- und die Wesens-Thematisierung von (sprachlicher) Wirklichkeit zu leisten vermögcn~ Ein Rcnexionsraum ist den sechs hier identifizierten dabei vor-, einer ist ihnen nachgeordnet. Diese beiden haben fundierenden bzw. komextuierenden Charakter, gehören aber gleichwohl konstitutiv zur Klärung des Humboldtschen Sprachbegriffes hinzu. Sie bieten den Rahmen. in dem die zentralen sechs Räume thcoreüscher Auseinandersetzung bestehen können, und sind in der folgenden AuOistung mit römischen Ziffern gekennzeichnet: (I) Der erste von beiden betrifft die bereits anhand des ,Organismus'-Terminus explizierte Kennzeichnung, daß wir uns im Bereich des Sprachlichen immer schon im Gelrungsraum des Lebendigen aufhalten. Er soll daher mit dem Begriff .Gelrungsraum des Sprachlichen' bezeichnet werden, steckt das Terrain der theoretischen Argumentation ab und gibt die grundlegenden Hjnweise auf dessen innere S[ru.ktur. Er ist an hand der folgenden Termini ausgemessen: Aehnlichkeiten. Analogie. analog, Geltung. Gewebe, Leben, lebendig, arur, .uurzustand, natürlich, Organ, Organe, organisch, Organismus, Sprachähnlichkeiten. Verbindung, verbunden. vergleichen, verglei hendc, Vergleichung, Verknüpfung, Sysu.m.
, I. HumboldlS Formal; Zum Ar-ra.ngemem
einer Ordnung der Sprache
527
ln diesem Rahmen also bewegen sich die sechs folgenden Reflexionsräume, die den theoretischen Kern der Wesensproblematik der Sprache erörtern: (I) Der erSte Reflexionsraum ist der des ,StOffs der Sprache', Er bezeichnet alles, was - in funktional-relationalem Sinne - Material für die Gencrierung des Sprachlichen betrifft, Er deckt das theoretische Spektrum ab, das Aristotcles in seiner Ontologie in dem Begriff der Ü}..ll kondensiert hat. Folgende Termini des .Humboldtsc.hen Sprachdcnkcns sind mindestens darauf gerichtet: Eindrücke (sinnliche), Empfinden, Empfindung, Empfindungsvermögen, Empfindungsweisc, Geistesbcwcgung (sclbsnhätige). Geisteserzeugnisse, lntellecrualität, intel1ectuell, die Sache selbst, Seele, Sprachelcmentc, Sprachwerkzeuge. Stoff, Unendlichkeit, unendlich, Vorstellung, Vorstellungsart, Vorstellungsweise. (2) Der zweite Reflexionsraum ist der der ,Gestalt der Sprache;. Er bezeichnet alles, was die äußerliche Form bzw. Gestalt des Sprachlichen betrifft. Er deckt das theoretische Spektrum ab. das Aristoteles in seiner Ontologie in dem Begriff der ~lOQQ»i demonstriert' hat, Folgende Termini des Humboldtschen Sprachdenkens sind mindestens darauf gerichtet: äußere, äußerlich, Form, Formen, Formung, Umformung, Geslalt, identisch, Innigkeit, Laut, Laut-Analogie, Lauoorm. Lautgewohnheit, Laut-Mannigfaltigkeit, LautOrgane, Lautsystem, Lautllmformung, Lautveränderungen, Laurverbindungc.n. Lautverfahren. Lautverknüpfung, Haupdaut. logisch. Methode, Satz, Sprachbau, SprachgeS(alrung, Sprachstamm, Sprachstämme, Sprachen, Sprachform, Sprachform (äußere), ,Substanz'. (3) Der dritte Re.flexionsraum ist der der .inneren Struktur der Spr:lchc'. Er bezeichnet alles, was den unbedingten Grund für. die innere Formation des und die normative Festlegung als eines (jeweils) Sprachlichen ausmacht. Er deckt das theoret'ischc Spektrum ab, das Aristoreles in seiner Ontologie in dem Begriff des eI60~ rekonstruiert hat. Folgende Termini des Humboldtschen Sprachdenkens sind mindestens darauf ge,richtet: Begriff der Fonn, Fonnung, Umformung, umgeformt, Geistcsform. Gesctzmäßigkeit, idcntisch, innere, innerlich. lnnern, Lnnigkeit. Methode. Prineip, Sprachbau, Sprachgesetze (innere), Sprachsinn, Sprachstamm, Sprachform, Sprachform (innere)• •Substanz', Sprachzweck (innere), Thätigkeit. Selbsuhätigkeit. Gcistesrhätigkeit, Verfahren, (4) Der vierte Reflexionsraum ist der der ,Bildung der Sprachc', Er bezeichnet alles, was den EntwickJungsprozeß des Sprachlichen betrifft und was die Gründe für die Bildung des Sprachlichen in inha\LSunab-
528
Viener Teil: Die Ordnllnl:j du Spr.ad,t
hängiger Weise zu erklären suche Er deckt die theorccische Spannbreite ab, die AriStoteIes in seiner Doppelkonstruktion von ÖUva~l~ und tviQytL
Ziel. (6) Der sechste und letZte Renc.'Cionsraum in der des .\'V'esens der Sprache' selbst. Er bezeichnet alles, was das Wesen der Spuche direkt thematisiert. Er deckt das theoretische Spektrum ab, das Arlstoteles in seiner Ontologie in dem Begriff der ouol« erkennbar macht. und nimmt innerhalb einer Ordnung der sechs Räume die zentrale heuriStische Stellung ein. Er ist Ziel raum aller sprachtheoretischen Argumentation. Folgende Termini des Humboldtschen Sprachdenkens
11. liurnboldtS Form;at: Zum Arranscme.nl ciner Ordnung der Sproachc
529
sind direkt darauf geric.htet: Gebrauch, ideal, Sprache, [aUe Komposita von] Sprache, System, Sprachsystem. Ursache, Urteil, beurteilend, wahr, Wahrheit, wahrhaft. Wesen, Wesenheit, wesentlich, Sprachzweck. So weit eine mögliche ZusammenstelJung der konzeptrelevantcn Termini in einem Klassifikationsschema, das auf den zentralen Parametern aristotelisc.her Ontologie beruht. Hinzuzufügen ist - i.n Ergänzung des ,Gelwngsraums des Sprachlic.hen' - ein zweiter Raum mit fundierender und kontexruierendcr theoretischer Disposition: (rI) Dieser ist auf den Charakter der .Sprachuntersuchung· schlechthin gerichtet. Die Sprachwltersuchung ist. dem Wesen der Sprache immer schon implizit und deswegen keine von der Reflexion des Gegenstandes Sprache abzutrennende Größe, sondern interdependiert mit diesem auf der ganzen Strecke ihrer Entwicklung. Folgende Termini des Humboldtschen Sprachdenkens lassen diese Ebe.ne der Reflexion u.a. erkennen: Analogie, Bildung, ErL.eugung, Gegenstand, Gelrung, Methode, Sprachähnlichkeiten, Sprachbau, Sprachforschung, Sprachswdium, Sprachuncersl,chung, Sprachzergliederung, Verfah~ reo, Vergleichung, Versc.hiedenheit. Entscheidendes Charakteristikum der ReClexionsräume war ihre Einheit von Bedeutungskonstituierung und Reflexion. Sie erheben den Anspruch, daß die in ihnen rekonstruierten Aspekte und Aussagen geltende Bestimmungen über die Sprache und ihr Wesen und damit über die Bedingungen der .Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt sind. Sie lassen erkennen, daß die Verwandlung der Welt in Sprache nicht nur sprach- bzw. erkenntnistheoretische Identifikation der WirklichkeitSkonstituierung und ihres Vollzuges ist, sondern daß das theoretische Fundament dieses Vorgangs anzeigt, daß cbenfalJs die Wirkljchkeitskonzeprion schlechthin in den Bereich des Sprachlichen überführt wird.
11.3 Überleitung Besser als jede Untersuchung ve,reinzelter Te.rmiru und der hier unternommene Versuch einer lexikalischen Analyse kann jedoch eine weiterführende theoretische Rekonstruktion der einzelnen Reflexionsräume deren argumentativen Zusammenhang aufweisen. Gleichermaßen ist damit das VcrwandJungsprojekt in seinem Doppelcharakter von Erinnerungsleistung und archäologischem Verfahren, wie dies im 3. Kap. Humbo/dt-Archila/agic dezidiert entwickelt wurde, angesprochen: Nicht nur gruppie-
530
Viener Teil: Oie: Ordnung der Spr;l.chc
rcn sich die Reflexionsräume Humbold[S eben um ihren arislOtclischen Kern, es gilt auch M. Foucaults Einsicht, .,daß die Geschichte eines Be· griffs nicht aUes in allem die seiner fortschre.itenden Verfeinerung, seiner ständig wachsenden Rationalität, seines Abstraktionsanstiegs ist, sondern die seiner verschiedenen Konstitutions- und Gültigkcitsfclder, die seiner aufeinander folgenden Gebrauchsregeln. der vielfältigen theoretischen Milieus, in denen sich seine Herausarbeirung vollzogen und vollendet hat"H8. In Humboldts Verwandlung: Die Welt der Sprache wird daher nun die Argumentation im einzelnen aufgefäche.n:. gleichsam die hier virulenten Gültigkeitsfelder der Begriffe und deren aktuelles Lheorctisches Milieu demaskiert und somit der Vollzug einer Verwandlung der Welt in Sprache vorgeführt. So erst wird die grundlegende These von Humboldts Aristoteles.Projekt, die durch die Untersuchung des dementsprechenden Formlils bislang .nur' als plausibel gelten kann, in sprachtheorctischer Hinsicht zwingend,
l'~ Fouc:ault, M.: A f'chiiologlt: des WUSI'1l$. FrnnkJun am M:ain (6. 1\ uno) 1994. S. I I.
12. Humboldts Verwandlung: Die Welt der Sprache Tm folgenden werden die sprachtheoretischen ReOcxionsräume Humboldts, die sich auf die zentralen Motive und Begriffe der aristotelischen Ontologie berufen, differenziert untersucht und detailliert dargestellt.
12.1 Der Stoff der Sprache Mit dem ,Stoff der Sprache' bezeichnet Humboldt alles das, was - in fu.nktional-relationalem Sinne - die mate.riale Seite für die Genericrung sprachlicher Wirklichkeit bctriHt, und deckt damit das theoretische Spektrum ab, das in der aristotelischen Ontologie mit Hilfe des Begriffs der ÜAll verstanden wird. In auffälliger Korrespondenz zu dem aristotelischen Konzept führt Humboldt wiederholt aus, daß dieser Stoff der Sprache gerade nidus Konkretes und damit auch nichts direkt ldcntifizierbarcs ist. Er ist an sich unbestimmt und unerkennbar. Statt des Charakteristikums der akrualen Ganzheit und damit der Abgetrenntheit im raum-zeitlichen Sinne ist daher vielmehr die Kontinuität seiner prinzipiellen Vorhandenheit ausschlaggebend und kennzeichnend: .. Denn die: Spr:ache kann ja nicht als ein da liegender, in seinem Ganzen übersehbarer oder nach und nach mitthcilbarer Stoff, sondern muss als ein siC'_h ewig eneugender angesehen werden, wo die Gesetze der Eneugung bestimmt sind, aber der Umfang und gewissermassen ,lUch die Art des Erzeugnisses gänz.lich unbestimmt bleiben" (VII 57-58).
Mit dem ersten Teil des Satzes bis zum Tenninus ,Stoff' hat Humboldt eigentlich schon alles gesagt, was den Stoff der Sprache ausmacht. Weder liegt er als ganzer da, noch ist er als solcher übersehbar, noch teilt er sich nach und nach mit oder wäre gar mitteilbar. Ihm fehlen demnach die ontologischen Kriterien Ganzheit, Endlichkeit und Zeitlichkeit. Jede weitere Explikation Humboldts ist nun primär eine Erklärung und Untermauerung dieser drei Negativ-Bestimmungen. Die inhaltliche Beschreibung steht njcht nur nicht im Vordergrund, sie ist von Grund auf unmöglich oder bestenfalls hypothetisch und wird daher bewußt und systematisch ausgeblendet: die inhaltliche Indifferenz des Stoffes an sich ist konstitutiv für seinen ontologischen Rang.
Vi~mr
532
Teil: Die Ordnung der SprAche
Trotz diese,r Indifferenz auf der inhaltlich-konkreten Ebene ist in theoretischer Hinsicht: eine Gliederung dieses begrimichen Konzeptes durchaus möglich. Als auf den ersten Blick plastischste aUcr möglichen Bestim· mungcll erscheint die folgende Erläuterung, die in gewisser Weise eine Art Eröffnungsklause! in Humboldts theoretischen Reflexionsraum ,StOff' darzustellen vermag:
.. Ocr wirkliche Stoff der Spr::achc ist :loUf der einen eile der laut überhaupt, :tuf der aodren die
Ge~ammlhcit der
sinnlichen Eindrücke und sclbsnhätigcn
Ge.istesbcwegungen, welche der Bildung des Begriffs mit Hülfe der Spnchc vorausgehen" (VB 49).
Das Matcrial als Stoff der Sprache gewinnt also seinen ontologischen Wen - wie das aristotelische Vorbild auch - nur als Komplementärbegriff, denn das eigentÜc.be Ziel spral;,;hontologiscller Syntbcsis ist - da Wh H umboldt keinen Zweifel- die Bildung der Begriffe. Alles rein Stoffliche ist diesem Prozcß der Begriffsbildung - und damit dem eigentlichen KonS[itUlionsakt der Sprache - in systematischer Hinsicht prinzipiell vorgängig. Humboldt, der dieses Vorgängige theoretisch aufsucht, überrnscht zuniichst damit, daß ausgerechnet der Laut ein Aspekt des Stofflichen sein soll, stellt man sich doch gerade den Laut als konkret lind damit nicht. als ontologisch erst einmal oprionales Kontinuum vor. Aber Humboldt spricht absichtsvoll vom .Laut überhaupt' und meinl damit das Lautliche als konstirutive Bed.ingung für Begriffsbildung. Im lautlichen ,überhaupt' ist noch gar nichts als solches geschehen, aber ohne es als Vorausscu.ung geschieht auch in erkenntnistheoretischer Hi.nsicht beim Konstitutionsakt des SprachJichen nichts. Das Lautliche ,überhaupt' sichert, daß der Laue als Konkretes eintreten kann. Demgegenüber fällt es schon einfacher, die .Gesammrheit der sinnlichen Eindrücke und selbsrt.hätigen Geisresbewegungen< als Stoff der Sprache zu identifizieren. Aber auch hier ist nicht die konkrete lnhaltscbene eben dieser Geistesbewegungen angesprochen, sondern der erkenntnistheoretische Apparat wird identifiziert, der notwendig ist, um die lnhalte des Denkens aufzunehmen und bereitzustellen. Daß hier ,sinnliche' Eindrücke gemeint sind, verweist auf die Praxis des Erkennens im Hinblick auf die Referenzobjekte der Wirklichkeit der Dingwelt. Dabei ist jedoch die ,Gesammtheit der sinnlichen Eindrücke', also wiederum die Ebene der Problembeschreibung angesprochen und nicht das Ergebnis einer Materialanalyse des einzelnen Stofflichen. Das über den Stoffbegriff als einzeln Angenommene ist nur insofern Stoff der Sprache, als es durch seine Referenz-Funktion sinnliche Wahrnehmung im Raum der Reflexion bereitstellt. Diese Einsicht ist zentral für Humboldts sprachliche Erkenntnis·
11. Humboldl$ Verwandlung: Die Welt der Sprache
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theorie, denn die Dinge der Welt sind für den idealistischen Kantianer in der Tat nur in ihrem Charakter als Teil des Erkcnntnisproz.esscs zugänglich und auch nur in dieser Rolle sind sie am Konstitutionsakt der Sprache unmirtelbar beteiligt. Die Weh der Dinge selbst ist demnach nur sehr mittelbar überhaupt Stoff der Sprache, sie wird im Erkennen erst Teil der Welt der Sprache. Damit wird ein anderes Problem. das sich in der genannten Textpassage gleich mit verbirgt, treffend kommentiert: Daß die Geistesbewegungen hier als ,selbstthärig' charakterisiert werden, darf nämlich umgekehrt über deren stoffliche Disposition im Wesenszusammenhang der Sprache nicht hinwegtäuschen. Als Vorgänge des Denkens sind sie in der Tat selbsttätig, aber d.iese Selbsttätigkeit ist keine autonome, sie ist stets eine Rückwirkung der Tatsache. daß sich die Bewegung des Geistes immer schon ausschließlich sprachlich zu vollziehen vermag - zumindest dann, ist sie auf die Konstitution von begrifHicher Wirklichkeit gerichtet. Humboldtlöst mit seiner Verknüpfung des Stoff-Begriffes mit dem des Geistes die aristotelische Vorstellung ein, daß jedweder Stoff die ontologische Bürgschaft von Wirklichkeit überhaupt ist. 1m Wesenszusammenhang der Sprache kennzeichnet das Attribut ,selbsttätig', daß dies cine kontinuierliche ontologische Bestimmung ist und keinesfalls zeitlicher oder anderer Art von Begrenzung unterliegt. Der Stoff der Sprache als dem Konstirutionsakt systematisch vorgängig ist damit trotzdem Teil der sprachlichen Wesensdefinition und zwar insofern, als der Konstitutionsakt ohne dieses ihm Vorgängige sowohl sinnlos als auch unmöglich wäre. Wie AristoteJcs hat auch Humboldt selbst einige - dem Gegensrond durchaus adäquate - Schwierigkeiten, diese paradox anmutende Konstruktion nicht nur zu begründen, sondern auch als solche widerspruchsfrei argumentativ darzulegen. Hier wie dort gewinnt sie systematische (Selbst- )Verständlichkcit und argumentative Anschaulichkeit nur in der Tatsache, daß mit dem begrifflichen Konzept des ,Stoffes' keine losgelöste Entität beschrieben wird, sondern immer gleich auch dessen Charakter als Relationsbegriff zum Konzept der ,Form' mit angesprochen ist, denn "der Form steht freilich ein Stoff gtgcnüber, um aber den Stoff der Spraehform zu finden, muss man über die Gränzen der Sprache hinausgehen. Innerhalb dersdben lässt sich etwas nur bez.iehungsweise gegen etwas andres als Stoff betrachten, z. B. die Grundwörter in Beziehung auf die Dedinalion. in ;lndren Beziehungen aber wird, was hier Stoff ist, wieder als Form erkannt" (VII 49).
Die ,Gränzen der Sprache; faßt Humboldl hier einmal sehr eng. um deutlich zu machen, daß die Sprache zwar ein autonomes, aber dennoch kein
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Viener Teil: Die Ordnung der Spr~cht'
sich ausschließlich selbst genügendes System ist. Ohne die Referenzob· jchc der Dingwelt ist der Stoff der Sprache nicht denkbar, aber denkbar wird er erst im Raum des Sprachlichen. Humboldt nennt für die Stoff-Form-Relation an dieser Stelle eine mögliche Interpretation, die rezepcionsgeschichtlich besondere Wirkung gewonnen hat die \'qöncr. das Lexikon, bilden den Stoff für die Deklination, die Grammatik der Sprache als Regelsyslcm sprachlicher Ordnung, Und in der Tat verwendet Humboldr des öfteren diesen Rc,lationszusam· menhang zur Veranschaulichung der Bildung des Sprachlichen. Er ist aber nicht so bestimmend (wenn auch unmittelbar einsichtig), wie die Rezeption dies des häufigeren glauben machen will. Humboldt verwendet das Banale vorderhand zur Erklärung des Wesentlichen. Er will vor allem festhalten: .. Absolut betrachtet, kann es innerhalb der Sprache keinen ungerormlen Stoff geben, da alles in ihr auf einen bestimmten Zweck, den Gedankenausdruck, gerichtet ist, und dicsl" Arbeit schon bei ihrem ersten Elelllem. dem articulirtcn Laute, beginnt, der ja eben durch Formung z.um aniculincn wird" (VII 49).
Wie es also einen Stoff, der niclu der Form unterworfen ist, konkret ebensowenig geben kann, wie ein Bestimmtes, das vormals Form zu einern Stoff war, nun durchaus wiederum den Stoff für eine Form abgeben kann (Humboldt übernimmt hier lückenlos das Konzept des aristotelischen Vorbilds), erhält der Stoff seine konstitutive Stellung vor allem durch seine Veränderungsbestimmung auf den Zweck der Sprache hin. Dieser Zweck des Geuankenausdrucks findet seine sprachliche Komponente in der Artikulation. Die Artikulauon beschreibt den Charakter des Lauts, wenn cr geformter StOff ist: der ,artikulierte Laut' ist der ,Stoff', nachdem er durch d.ie Form gegangen ist, der ,Laut überhaupt' demgegenüber die theoretische Annahme, daß dieser Vorgang (sprachomologisch) möglich Ist. All dies findet seinen Niederschlag darin, daß die (einzelne) Sprache .,in ihrer Natur selbst eine Auffassung der einzelnen, im Gegensatze zu ihr als StOff zu betrachtenden Sprachelemenre in geistiger Einheit" (VII 50) ist. Du.reh diese paradoxale Dichotomie yon Einzelheit und Gesamtheit, die die Stoff-Bestimmung durchzieht. wird deren unterstellter Relalionscharaktcr zur Form erst richtig dringlich und gleichermaßen auch produktiv, weil a.lsdann für schwierige sprachtheoretische Probleme Erklärungsmuster möglich werden. So z.B. für das Problem des sprachlichen Wandels: "Ich habe schon im Obigen (... ) darauf aufmerksam gemacht1 dass wir uns, wenn ich mic.h so ausdrücken darf, mit unsrl"m Sprachswdium durchaus in
12.1-luOlboldts Verwandlung: Die Weoh Jer Spl'llcht'
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eine geschichtlichc Mine ycrsetzt bcfinden, und dass weder cinc Nation noch eine Spr.lche unter den uns bekannten ursprünglich genannt werden kann. Da jede schon einen Stoff von früheren GeschJechtern aus uns unbekanmer Vorzeit empfangen hat, so ist dje. nach der obigen Erklärung, den Gedankenaus· druck hervorbringende geistige Thätigkeit immer z.ugleich auf crwu schon Gegebenes gerichtet, nicht rein cncugcnd, sondem umgestaltend" (VII 47).
Aber hier ist keine opc.rationalisicrungsfähige sprachwissenschaftliche Kategorisierung des Sprachwandels gemeint, sondern es wird der sprachtheoretische Beweis dafür erbracht., daß keine Sprache pri.nzipiell der anderen vorzuziehen und keine als Ursprache der anderen archetypisch vorgcschaltct ist. Humboldt kommentiert hier mit ontologischem InSlrumenlarium seine Skepsis gegenüber Erklärungsversuchen der Sprachursprungsfrag~ die über sprachtheoretische Bestimmungen hinaus zu konkreten historischen oder nationalen Wertungen zu kommen versuchen. Solches Wandeln auf der anderen Seite der ,Gränzlinie' ist für Humboldt Spekulation. Dies zu erkennen macht u.a. der ,StoH'-Charakter der Sprache deutlich, denn Aristoteies sieht in der ÜAll ja gerade keine zeitliche, sondern die ontologische Kategorie des Kontinuums. Viel wichtiger ist für Humboldt daher. dall "endlich (...) der überkommene Stoff nicht bloss der nemliche, sondern auch, da er selbst wieder einen gleichen Ursprung halo ein mit der Geistesrichtung durchaus nahe verwandter" (VB 47) ist. Jede zcitweüige Operationalisierung des Stoff-Begriffs. seine ZW3J häu.fige, aber nicht unbedingt wesentlich be.stimmende, streng methodologisehe Facette, wahrt sters den Gehalt des aristotelischen Vorbilds: ..Eine Sprache kann auch aus einer fremden Wörter entlehnen und wirklich als Stoff behandeln. Aber alsdann sind dieselben dies wiederum in Beziehung auf sie. nicht an sich" (VU 49). Und weiter: "Denn es ist hier nur von aus einander entstandenen Sprachen die Rede, wO also ein wirklich gegebener Stoff (dies Wort immer, oach den obigen Erklärungen, beziehungsweise genommen) von einem Volke zum andren in bestimmter Folge, die sich jedoch nur selten genau nachweisen lässt, übergeht und umgestaltet wird" (Vll 51-52). Daß der konkrete Nachweis des Prozesses einer historischen ,StOff"-Übergabe sprachwissenschaftlich so schwierig ist, macht schon von dieser Seite aus deutlic.h, daß die B~gri.ff)ichkeit des JStoff'-Konzeptcs hauptsäcWich auf der Ebene sprachtheoretischer Reflexion angewendet werden muß. Jede Konkretisierung des ,Stoff'-Begriffs auJ spezifisches Sprach material als solches ist unsinnig und auch nicht Humboldts Interessc. Er will vielmehr den sprachljchcn Konstirutionsakt ontologisch un· termaucrn und verstehen; schon von daher erweist sich die Begrenzullg ei.nes methodischen ,Stoff' ·Bcgriffs als notwcndig: "Die geme,insame Rede ist nie mit dem Uebergeben eines Stoffes vergleichbar. In dem Verstehen-
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Vierter Teil: Die OrJoung Jer Sp~chc
den, wie im Sprechenden, muss derselbe aus der eignen, innrcn Kraft ent-
wickelt werden" (V1I 56)1-4'1, Die ontologische Wertung des Stoffes konstituiert sich also vorderhand aus den drei genannten Kritcrien~ die dann den Stoff der Sprache grundständig bestimmen: Erstens in seiner Nicht-Ganzheit als Nicht-Einheit, zweitens seiner prinzipiellen Unendlichkeit ISO, und drittens seiner Nicht-
Zeitlichkeit als punktuellem Ereignis. Damit ist jede gegenständliche Bestimmung des Stoffs der Sprache an sich unmöglich. der 5wff ist Ermöglichung. aber njcht Grund sprachJich vcrfaßter Individualität. Die Zeitlichkeit. die Humboldl in den Zusammenbängen intendiert, wenn er den Stoff der Sprache in einen historischen Kontext stellt (zum Beispiel aJs Voraussetzung spr3chlicher Veränderung), meint daher nicht einen gegenständlich-historischen Stoff, sie meint eine - dem historischen Apriori Foucaults vergle,ichbare - Option. die die Materie als prinzipiell disponibel und damit nicht in ihrer konkreten Zeit, sondern ihrer prinzipiellen Zeitlichkeit als ontologische conditio erscheinen läßt. Damit ist der Stoff der Sprache Humboldts wie die ÜhTl des ArisLOtclcs CtQX'h ~lEtClfk>hf)~, Ursprung der Veränderung aus ihrem Charakter als Kontinuum heraus. tn dieser Hinsicht firmiert das StOffliche als Möglichkeit des Sprachlichen und damit als Vorausseuung dafür. daß die Wirklichkeit im Sprac.hlichen erSt eine solche zu werden vermag. Und wie AristoteIes weiH auch Hurn· boldt, daß alles Kontinuierliche jede Begrenzung negiert und damit immer auch zu überschreiten sucht. Eille anthropologische Modifikation dieses Motivs finden wir in Ueber Gö/her Hemnan1l1md Dorotbea von 1797-98: "Die Empfindung hingegen. die immer von dem bcstimnllcn Verhällniss ih· res Zwecks w ihrer Begierde ausgeht, Wein alle Beschränkung, kennt nur Einen Gegenstand, welchem alles andere weichen muss, strebt nach einseitiger Bcfriedigung, lebt in der Möglichkeit und sucht blass Wirklichkeit" (r1 228).
Die anthropologische Vergegenständlichung des Motivs täuscht - wie bei Aristotcles' ErkJärungsvcrsuchen mir der Hilfe von Artefakten auch -
to, Humbuldr kennl im spraehlhcorcrisdll'lI ßegrundung.'iZunnmu·lIh:lng iibrigens .1Ul;:h einen phY!5ikalischl'n ,$tuff' -Begri!!: "Wii' dilli Denken in seinen nwnschlichslt'n BC7.iehungen eine Schnsul':ht :lUS dem Dunkel nach dem. licht, aUJ der Bcschränkunf:, n~ch der Unendlio:hkeit in, so nrömr der L2.ut .lUS der Tirfc der Brust nadl llus,sen und findet einen ihm wundervoll 2.ngemC$~encn, vcrminelnden Stoff in der Luft, dem !l'instell und 3m Icidlleslcn bewegbaren .lller EII'mente, dessen schci"b~rc Unkörpcrlichkcit dcm Geiste ;luch sinnlich enuprkhl (VII ~4). l~ Vgl. da7,.u auch: ~ \'(lie :;tlx'r der Stoff dcs Denkcns und die Unendlichkeit der VerbillIlungen dcsselben niernal) er$Chopft ..... ~·rden. so k.mn di~ ebcnsowenig mit der M",nbl: des 7.U Bezeichnendel.l und 7,.U Verknüpfenden in der pn.chc der Fall seyn" (VII 62). w
12. Humooldls Verw,lIldlung: Di(' Wdl de:r
Sprach~
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über dessen ontologischen Grundcharakter hinweg. Vielmehr garantiert die ,Stoff'-Motivik im anthropologischen wie im sprachtheoretischen Sinne, daß Veränderung überhaupt möglich wird, sie garantiert deren Ursprung. Den PlalZ, an dem diese. im Kontinuum fundierten Veränderungen als Gcnerierung des Sprachlichen möglich werden, steHen bei Humboldt die geistigen ,Vorstellungen' bereit. Er hebl sie explizit von den Form-Spezifikationen der Sprache ab und schreibt ihnen als GcItungsraum das Allgemeine (das in diesem spezifischen Kontext als verdeckte Semantik für das Kontinuierliche fungiert) zu: .. Die Formen mehrerer Spr:achen können in einer noch Allgemeineren Form 2.us:lmmcnkommen, und die Formen aller mun dies in der That, insofern m:ln über:a.ll bloss von dem AUgemcinsten :lusgeht: von den Verhältnissen und Beziehungen der zur Bezeichnung der Begriffe und 2.ur Redefügung nothwcndigen Vorstellungen" (VII 51).
Sie stehen damit im Bereich des Sprachlichen auf der Position des dem sprachlichen Konstitutionsakt Vorgängigcn, sind aber gleichzeitig schon immer cin notwendiger Teil von diesem; sie bedeuten in erkenntnistheoretischer Hinsicht das Kontinuierliche, das der konkret-sprachlichen Wirklichkeit vorausgeht. ohne jedoch abgelöst existieren zu könne.n; sie sind Voraussetzung und Produkt jedweder Individualität und bleiben doch - zumindest in ihren grundlegenden .Verhiltnissen und Beziehungen untereinander' - zunächst auf das Allgemeine bzw. Überindividuelle gerichteL Individuell ist immer nur das Konkrete; beides - individuell wie konkret - ist der .Stoff der Sprache' nicht. Nirgendwo sonst wird so deutlich erkennbar, daß der Stoff der Sprache ganz wesentlich Reflexionsbegriff sein muß, wie eben in Humboldts Begriff der ,Vorstellung'. Humboldt hat mit seinem Begriff des ,Stoffs der Sprache' - entschieden gegen Steinthais Einschätzung, daß dieser sich hier ..ganz wunderbar verirrt" Ul habe - wie an kaum einer anderen Stelle den zentralen Kern vi· Slotelischen Denkens erkennen und für die eigene Theorieemwicklung
I"
Su:inthal, H.: Oll" Sprathwumurha/r \f'i/h. tl. }-/umbQ/J,'s ,mJ Jj,. J-Jl:g('/M:h~ Philowph,t". 8e:rlin (NaC"hdruck HildcsheimlNew Vork 1(71) 11148. S. 9ft. - Im Zusamm~nhang si~hl te:,"mals Argum('nuuon wie: folgt lIUS: .. Hier hal sich Humboldt ganz wunderbu v~r Irrt. Oi~ Fn.gr w.u ja gu nie:hr nach Je:m Stoffe: der Sprachr ubcrhaupt als Form oder der Sprachform. sondern nach dem SLOHe der Form dtt pr.acM. Dieser wH lunn nichl aus.se:rhiiJb der Sprache liegen. sonde:rn iSI guad~ di~ SprKhe: selbst" (5. 95-96). Allerdings Khnnkt leinthai $elnt" eigene: ArgumeDtation wiederum unreffend SO c.in: ..In.wfern aber hat Humbokh Recht zu s.tg~n, der Stoff de:r Form führe über di~ pnch~ hill.luJ..:a1s man nau dc.f SPr2Chlh:iuSk~lt vic.lme:hr di~ Factorc.n dersdbcn. LaUI und Gedanke, ;lls Stoff dc.r Form du Sprxhe ~limnu· (So %).
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Vicncr Teil: Die Ordnung dt'r Spr:achc
nutzen können. Ocr Stoff der Sprache bildet nur den argumentativen Ausgangspunkt für eine umfassende Wcsensdcfinition des Sprachlichen. Er drängt theoretisch unaufhörlich über sich hinaus. Dies wird deudich, geht man nun in den zweiten der sechs Rcflexionsriiume über: Immer
schon hat etwas - im Gegensatz zum Stoff -, wenn es etwas ist. äußere Struktur, es erscheint in der GestaJL
12.2 Die Gestalt der Sprache Obwohl der Begriff ,Gestalt' in den untersuchten Zcm:ralpassagcn der Kawi-Einleit.w'8 nur ein einziges Mal auftaucht, benutzt Humboldt cin ganzes Konglomerat von Begriffen. um den theoretischen Raum der äuHercn Struktur der Sprache zum Gegenstand der Reflexion zu machen. Vor allem die ,Form als äußere', ,Erscheinung', ,Gegenstand', wiederum der ,Laue (diesmal in seiner gestalthaften, formgebenden Thematisicrung), die ,Sprachgestaltung', abcr auch die Termini ,Satz' und ,Sprachbau' gehören dazu. Ocr Konstitution dieses Reflexionsraumes liegen damit durchgängig zwei zentrale Merkmale zugrunde, die wir bereits von Aristoteles her kennen: ÄußerltchkeJ"' und S,ruktur. Ich nenne die beiden Merkmale deswegen ausdrücklich und in gewisser Weise auch mit AusschließljchkeiLScharakter, weil der in diesem Zusammenhang häufig von Humboldt gleich mit erwähnte Bewegungsaspekt im eigemJichcn Sinne nicht zu diesem Raum gchön; zwar ist die äußere Form häufig das Ziel sprachlicher Entwicklung bzw. Konstitution, der diesbezügliche ReI1cxi· onsraum bündelt jedoch vorderhand das, waS an der Oberfläche die Struktur der Sprache jeweils akrual zu erkennen gibt:. Die Analyse zeigt: Dem Kominuum des Stoffs steht die Gesulthaftigkeit als Erschcinung ih· rer Struktur gegenüber. Die ~loQ
.Da dit Sprache. in welcher Gcstah man sie:: aufnehmen moge, immer ein geistiger Aushauch eines nuiondl individuellen lebens isl, so muss beides auch
bei ihr eintreffen" (VB 48). In dieser Aussage Humboldts treffen sich geballt dessen zentrale sprachtheoretische Konstitutions-Termini (.Sprache', ,Gestalt", ,Geist', ,natio· nell', ,individuell', ,Leben') in seltener, verschiedene ReOcxionsräume um-
12. J-1umboldls Verw.lndlung~ Die Weh der Spn.ehe
SJ9
spannender Interaktion, und sind daher ein prägnanter Aufweis dafür. wie sehr Humboldt die unterschiedlichsten Perspektiven dieses Konstimrionsprozesses stets zusammengedacht hat. Für die Klärung des Problems ,äußere Sprachform' macht er deutlich: die Form der Sprache wird als Gestalt aufgenommen. Damit eröffnet Humboldt :lUch seine methodologisehe Reflexion der Sprachuntersuchung, denn die Sprache kann und muß vorderhand durch ihre äußeren Strukruren erkannt und auch idcotifiziert werden. Die äußere Sprachform ist gleichsam als Gestalt das Faßbarste des Wesens der Sprache und firmiert daher auch stetS als erster Ansatzpunkt jeder Sprachuntcrsuchung. Eine genaue Erfassung der äußeren Sprachform, der ,Sprachgeslaltung', ist auch deswegen so wichtig, weil mit ihrer Analyse bereits wesentliche Aussagen zu dem gemacht wurden, auf welches Fundament und auf weichen Problemhorizont die Aussagen der Sprache gerichtet sind: ..Die Geistesagenthumlichkeit und die Spnchgestaltung eines Volkes stehen in solcher Innigkeit der Verschmdzung in einander, dass, wenn die eine gegeben wäre, die andre müsste vollständig aus ihr abgcltitet werden können. Denn djc Intdlectualität und die Sprache gestatten und befördern nur einander gegenseitig zusagende Formen. Die Sprache ist gleIchsam die äusscrliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man bnn sich beide nie identisch genug denken" (VII 42).
Hier ist nicht nur die Sprache in ihrer äußeren Form explizit angesprochen, es ergeht auch das sprachlheoretisch zentrale Verdikt, daß diese .Erscheinung' immer gleich auch der ,Geist' ist, der diese äußere Form von innen her zum Begriff macht, ihr seine Struktur aufprägt. Aber dies ist gerade keine Prägung nach dem Muster nachträglicher LIIustration des Äußeren durch das Innere. Inneres und Äußeres sind vielmehr ihrem Wesen nach eins, es sind lediglich unterschiedliche Reflexionsaspekte ein und desselben Geschehens angesprochen. Humboldt kommentiert diese Einheit von Jnnen und Außen durch die etwas befremdlich und auch überraschend wirkende Wendung des ,nie identisch genug denken'. aber sie enl~ spricht ohne jeden Absulch dem aristotelischen Vorbild. Die äußere Form ist nicht die beiJäufige Plakation der inneren, vielmehr sind heide in einem Problemhorizont unterschiedliche Möglichkeiten, das Wesen der Sprache ,u erkennen und dezidien auszulegen. Produktiv wird der Begriff der äußeren Sprachform sprachwissenschaftlich dadurch, daß durch ihn die differenziene Untersuchung der Sprachen möglich wird. Dies kriStallisiert sich vor allem im Terminus des .Sprachbaues' heraus, der die Struktur der äußeren Sprachform kennzeichnet:
ViC'rm TC'iI: Oie' Ordnung der Spuchc
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.. Um daher verschiednc: Spr.tchen in Bezug auf ihren charalucristischen Bau fruchtbu mit einander zu \'crgleichen, muss man der Fonn (mer jedC'n derselbc!n sorgfältig nachforschen und sich ~uf di~ Weise \·crgcwis~m. auf weIche An jede die hauptsächlicht'n Fr.agcn lösL, welche aller Spr.tchcruugung als Aufgabtn yorliegen" (VTt 45).
Ocr ,Sprach bau' als Charakteristikum der Sprache ist somit äußerlich und Grundlage des Vergleichenden SprachSludiums. Da die Trennung und auch die lnlcgralion von innerer und äußerer Sprachform, die sich an diesem Beispiel schon im zweiten Teil des S~UlCS andeutet, jedoch nicht immer klar zu differenz.ieren ist. muß jeweils geoau angegeben werden, um
welche Analysekategorie es sich im spezifischen Zusammenhang gerade handelt. Das weiß auch l-Iumboldt~ dessen folgende Warnung sowohl auf die Verwendung des Form-Begriffs durch andere wie auf die Variarionsbreite seines eigenen diesbezüglichen Konzeptes gerichu~t iSt: _D~ ~btr
dieser Ausdruck der Fonn in Spnc.huotersuchungco in mehrfacher Beziehung gebrauc.ht wird. so glaube ich ausführlicher entwickdn 7.U mussen, in welchem Sinne ich ihn hier genommen wünsche" (VII 45).
Humboldt selbst nimmt diese Differenzierung vor, indem er jeweils benennt, um welchen Form-Begriff es ihm in einem vorher bezeichneten Zusammenhang spezifisch geht. Nicht immer ist diese Bestimmung ganz eindeutig. Es muß angenommen werden, daß Humboldt in den Zweifelsfällen, in denen er eine nä.here Identifik:llion offen läßt, den Zusammenhang beider Form-Begriffe, des inneren und des äußeren, betonen will. Für die iußerc Sprachform gilt: .Bei dieser Beschaffenheit der Sprachen kann daher die Darstellung der Form irgend einer in dem hier :mgcgebene.n Sinne niemals g:tnz vollst~ndig, sondern immer nur bis auf ('inen gewissen, jcdlX'.h zur Uebersicht des Ganz.en genügend<,o Grad gcljngcn~ (V1I 48).
Das heißt aber n.icht, daß die Form der Sprache nicht in jedem Moment \'ollständig anwesend ist, es heißt nur, daß eine Darstellung in dieser Ganzheit aus Gründen des komplexen Gegenstandes nicht möglich ist. Oder anders ausgedrückt: Wir sehen den Reif nur immer von einer bestimmten Seite, w:t.s dessen Erkenntnis jedoch nicht ausschließt, höchstens erschwen. aber immer signalisien. daß dieser stets in Gänze anwesend ist. Diese Ganzheit bleibt zu jedem Zeitpunkt an den einzelnen Elementen offenkundig. lnfolgedessen verweist Humboldt U.2. darauf. daß - wie dies bei der Untersuchung zum ,5toff der prache' bereits aufgefallen ist - die Trennung von Gramm2ti.k und Lexikon eine iiußerst behcUsmäßige Konstruktion bleiben muß:
12. Humboldl.s Vt'rw'lndlung:
Di~
Wdl du Spncht'
541
..Es ergicbl sich schon :aus dem bisher Gesaglen von selbst. dass unter Form der Sprache hier durch:aus nicht bloss die sogenanntt' grammatische Fonn vernanden wird. Der Unterschied, wdchen wir zwischen Grammatik und Le.x.icon zu machen pOegen, kann nur zum praktischen Gebrauche der Erlernung der Sprachen dienen. :allein der w~hren Spr:achforschung weder Grinz.e noch Regel vorschreiben- (VII 49).
Aber für diesen praktischen Gebrauch der E-rlemung der Sprachen iSt die äußere Form der Sprache unbedingt notwendig, ja sie ist der auffiilügste und auch zugänglichste Bildungsgegenstand alles Sprachlichen. Die Grammatik ist ebenso nur Teil der äußeren Sprachform, wie auch die innere Sprachform systematische AnteiJe an der Grammatik hält. Nur so bleibt die Einheit von innerer und äußerer Sprachform gewahrt. Jeder reduzierte Grammatik-Begriff ist sowohl für die äußere wie die innere Sprachform deFiz.itär: .. Der Begriff der Form der Spr:achen dehm sich weit über die Regeln der Reddügung und selbst über die der Wortbildung hin aus, insofern man unter der letzteren die Anwendung gewisser allgemeiner logischer K:atcgorieen des Wirkens, des Gewirkten, der Subsl:m2, der Eigenscha(t u. s. w. auf die Wurzeln und Grundwörter verst'eht. Er ist ganz. eigentlich auf die Bildung der Grundwörter selbst anwendba.r und muss in der That möglichst auf sie :angewOlndt werden, wenn du Wesen der prache wahrhaft erkennbar seyn soU" (VII 49).
Humboldts Verdienst ist es u.a.• daß er trotz dieser schwierigen sprachtheoretischen Gemengelage weder in einen sprachphilosophischen noch einen sprachwissenschaftliche" Reduktionismus verfiillt. So ..ve,rsteht es sich (...) von selbst. dass die reelle Beschaffenheit der Laute, um eine Vorstellung von der Fonn einer Sprache zu erhalten, ganz vorzugsweise beachtet werden muss" (VB 49-50). Jeder Ausschluß der Perspektive der äußeren Sprachform, ein Ausschluß, der in der Humboldt-Forschung direkt und indirekt solange gepnegt wurde, ist Humboldts Sprachtheorie im wahrsten Sinne des Wortes ,wesensfremd': .,Gleich mit dem Alphabete beginnt die Erforschung der Form einer Sprache, und durch alle TheiJe derselben hindurch wird dies als ihre hauptsächJichslc Grundlage behandeIl" (Vli SO). Jedes lUunen über die innere Verfaßtheir des Sprachlichen, das keine argumentative Deckung in diesbezüglichen äußeren Gesultungsformen findet. lehnt Humboldt grundsätz.lich ab: .. Uebcrhaupt wird durch den BegriH der Form nichts Faetisches und Individuelles ausgeschlossen. sondern alles nur wirklich historisch zu Begründende, so wie das AUuindividueliste. gerade in diesen Begriff befasst und eingeschlossen" (VU 50). Gerade im Form-Begriff kondensiert sich also die Einheit des Faktischen und des Theoretischen ebenso, wie in dem der ,Laudorm'
Vicrur T~a: Die Ordnung der SpDchc:
542
Humboldts z.emrales sprachtheoretisches Paradigma prägnant zur Darstellung kommt: "Die Laurform ist der Ausdruck~ welchen die Sprache dem Gedanken erschafft" (VIl 80). Das Äußere der sprachlichen Form klagt in dieser Hinsicht seine Partizipation Olm erkenntnistheoretischen Prozcß ebenso ein wie es al sprachwissenschaftliche Analyse-Kategorie die Unterscheidung der Sprachen und damit den Vergleich zwischen diesen möglich macht. Sie garantien die Identifikation von Ähnlichkciustrukturen bis hin zu Bildung von Gruppierungen im Hinblick '"U( die Sprachen. Gruppierungen. die das Merkmal unterschiedlich weitreichender Form-Verwandtschaft zur Grundl4Jg<" ihrer Klassifikation heranbilden: ~Die
Identität, um dies hier im Voraus zu bemerken. so wie die V~rwandt~ scbalt der Sp~chcn muss auf der Iclcntüät und der Vcrwandtsch3.fl ihrer Formen beruhen. da dic Wirkung nUT dcr Ursach gleich sern kann. Di~' Form c01Schcidct daheraUcin) 7.U welchen andren eine Sprache, als stamnwerwandle, gehört" (VII 51).
)Stammvcrwandtschaft' ist somit Ergebnis der Untersuchung des ,Sprach· baues', eine Untersuchung, die wesentlich auf der äußeren Form der Spra· ehe beruht. Die Form ist damit entscheidendes Klassifikationsmerkmal und als solches ist sie in methodologischer Hinsicht problemlos operationalisierbar, wenn Humboldt beispie.lsweise anmerkt: .. Wir beschäftigen uns hier nur mit der Anwendung des eben entwickelten Begriffs der Sprachlonn auf stammverwandte Sprachen" (VII 51). Immer nur muß genau gesagt werden, um welchen Begriff der Form der Sprache es sich im jeweiligen Zusammenhang exakt handelt und wie die Verknüpfung zu anderen Form-Begriffen jeweils gesehen werden kann: .. Bei dieser (auf die Untersuchung von Ähnlichkeiten bedachten Sprachform, U.W.) ergiebt sich nun natürlich aus dem Vorigen, dass die Form der cinzclncn stammverwandten Sprachen sich in der des ganzen Stammes wiederfinden muss. Es kann in ihnen nichts enthalten seyo. was nicht mir der allgemeinen Form in Einklang stände" (VI I 5 I). Als konstitutiv für die äußere Sprach(orm gilt vor allem: .03 der Unterschied dcr Sprachen auf ihrer Form beruht. und dies(' mit den Geistesanlagcn der Nationen und der sie im Augenblicke der Erzeugung oder neuen Auffassung durc.hdringenden Kr:tft in der engsten Verbindung steht. so ist es nunmehr nothwendig, diese Begriffe mehr im Einzelnen zu entwickeln und wenigstens einige der Hauptrichrungen der Sprache niher zu verfolgen" (VII 51).
Immer also ist der Begriff der äußeren Form der Sprache Ausgangs- und Angelpunkt für weitere, über sie hinausreichende und hinausweisende
11. Humboldts Verwandlung: Oi(' Welt der Spr2chc
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Untcrsuchungsperspcktiven, hier beispielsweise für die ,Geistesanlagen der Nationen'. Dieser theoretische Überschuß läßt" sich U.3. auch an dem semantisch äußerst vielschichtigen Kompositum der ,Laurform' und ähnlicher Begriffe erkennen. Sie legen einerseitS einen ,LaUl'-Begriff zugrunde, dessen äußerlicher Charakter durch den ,Form'-Zusatz noch einmal extra unterstrichen wird, andererseits wird mit solchen Komposita immer schon über das bloß Äußerliche der Form hinausgegangen. Plastisch zeigt das beispielsweise die folgende Verknüpfung: ..Zwei Principe treten bei dem Nachdenken über die Sprache im Allgemeinen und der Zergliedrung der einzelnen, sich deutlich von einander absondernd. an das Licht: die lautform und der von ihr zur Bezeichnung der Gegenstände und Vcrknüpfung der Gt.-dankcn gemachte Gebrauch" (VI.I 52).
Im Terminus des ,Gebrauchs' ist einerseits das Äußerliche explizit angesprochen, andererseits ist mit dem Hinweis auf die, Verknüpfung der Gedanken' auf den inneren Vorgang rekurriert. der diesem Gebrauch erkenntnistheoretisch zugrunde liegt. Man würde den Passus indes vollkommen mißverstehen, läse man an dieser Stelle aus Humboldts Argumentation etwa eine Opposition oder gar einen gegenseitigen Ausschluß eben der Lautform einerseits und der Gedankenverknüpfung andererseits heraus. Vielmehr wird hier darauJ verwiesen, wie unbedingt diese beiden Aspekte zusammengehören: "Dagegen ist die lautform das eigentlich conslit'Utive und leitende Princip der Verschiedenheit der Sprachen. sowohl an sich. als in der befördernden oder hemmenden Kraft, welche sie der inneren Sprachtendenz gegenüberstellt" (VII 52).
Mit der inneren Sprachtendenz wird oun unumwunden schon auf die in dieser Hinsicht oppositionelle ,innere Sprachform', aber auch auf das Stoffliche an sich, verwiesen. Mit ,Lautform< ist hier unmißverstiindJich die äußere Sprachform gemeinl, die gerade durch ihre Gestalthaftigkeit Verschiedenheit garanllcrt. 151 Ein kurzes Resümee der ,äußeren Sprachform< im Zusammenhang: Aris[O(e!es hat die IlOQCPl1. wie deutlich geworden ist, als erwas angesehen, das als äußerliche Struktur den Stoff im Konkreten aufweist. Dies reflektiert Humboldl für die Sprache in seinem Begriff der ,äußeren Sprachform< 1» rur di6e Deutung spridll
~uch
dico: folgende Einsch:irzung Humboldu: 8F.s lic:gl dies ~n 5io:h in ihr('r N;l.lur, du dt'r körpc:rliche. wirklich geslahclc Laur 11l1dn ;n Wahrheil die Spr.lchc :msmacht, der Laut luch eine weit llrößere Mannigfaltigkeit der Unlt:rKhiedco: erl.l.ubl. als bei der (nnertn Spnchforrn" (Vif 82).
544
Vicml'rTcl1 Die Ordnung der Spr~ch~
und dem durch diesen aufgeschlossenen Reflexionsraum. Die äußere Form der Sprache darf keinesfalls auf Grammatik reduziert werden. vielmehr verweist sie zwar als Form auf die Struktur ihrer Erschei.nung, in ihr zeigt sich jedoch auch oder ger3de bereilS das Stoffliche (Arisroreles' "Beispiel des ,Reifes' aus der Meraphysik hat" dies geze.igt). Sie ist konkrete Strukturerscbeinung. an der der Stoff erkennbar wird. Sie ist der ,augenscheinliche' Komplementärbegriff zum Stoff, der diesen zur Erscheinung bringt, sie ist äußere Struktur, in der sich das Kontinuum zeigen bon. Au(grund ihrer gibt es einen offensichtlichen A.nhaltSpunkt dafür, wie Cl·
was als ein Bestimmtes heißen kann. Der Stoff der Sprache war auf dem Himergrund des ariStOlclischen Matericbegrifrs als ontologische Option von Ve.räodemngsfähjgkcit zu verstehen. Die äußere Form der Sprache als Gestalt· ist das auf das Konkrete verweisende Strukturphänomen, das den Stoff in sich zur Wirklichkeil gebracht hat. Wenn wir mit H.- W. Scharf von der ..ambivalenten sprachtheorerischen Produktionsperspektive - der Steten Verbindung (...) von sprachlichen Erscheinungs- und Wesens-Momenten"'S}- ausgehen, wird also hier explizit das Erscheinungsrnolllclli in seiner Gestalthaftigkeil' gcfaßt. Die äußere Struktur ist somit prinzipiell erStens endlich, zweitens zeirlich und drittens konkrer. Sie sichert alles das, was dem Stoff als solchem fehlen muß. Damit gehören aber sowohl Wörter wie auch die Grammatik in eine solche konkrete Strukrur, in der sie als Gesamtes integriert erscheinen. Die Dichotomie ,Lexikon - Grammatik' in daher nur argumcm:ltionslogisch analog zur Opposition ,Stoff' - ,äußere Sprachform', nicht jedoch ontologisch und damit auch nicht sprachtheoretisch. AristOieles hat - wie ich gezeigt habe - genau an dieser Stelle die Erklärungsbeschränkung seines Modells durchaus erkannt und die problematisierende Frage gestellt, ob mit dem Begriffspaar ,Stoff' und ,Gestalt' das Problem von Struktur und Kontinuum hinreichend erklärt ist. Seme Lösung war bekanntlich das t:lbo~ das als Struktur nicht nur auf das Konkrete, sondern ebenso auf das Allgemeine des Entstehenden aJs begriEnich Seiendes verweist. Humboldt sreht zweifelsohne vor dem gleichen Problem: äußere Strukturen verweisen in ihrer Konkretheit zwar auf A1JdeTes~ auf Vieles, au.f Ähnliches oder au.f Verschiedenes, in ihrer Äußerlichkeit aber eben nicht auf Allgemeines im Kontext der Begriffskonstiru(ion und damit auf das, waS das individuelle Wesen auszeichnet. Eine Reduktion der Struktur- und Idemitätssuche auf das Innere wäre jedoch ebenso fehlerhaft, denn nur dieses gestalthaft Viele, Andere, Ähnliche oder Verschiedene kann sprachwissenschaftlich zweifelsfrei untersucht I" Sch:arf, V"faJm!n. 1.1.0., S. 168.
12. Humboldu Verwandlung: Die Welt der Spr.tohc
werden. Dem haftet dann aber der Makel an, daß damit über die Emstehungsprinzipien des Konkreten noch g-ar nichts ausgesagt ist. Dieses schwierige sprachtheoretische Drehkreuz. war der Ausgangspunkt für die Gene.rierung eines Begriffes, der die Humboldt-Forschung seitdem wie kaum ein anderer beschäftigt hat: der der inneren Form der Sprache, ein Reflexionsbegriff, der nur im engsten Zusammenhang mit dem Begriff der äußeren Sprachform überhaupt diskutiert werden kann, denn Humboldt behauptet die ",nothwendige Synthesis der äusseren und inneren Sprachform" (VlI 96). So liegen nicht nur die Fragestellu.ngen von Aristoteles und Humboldt nach den inneren Strukrurprinzipien von Welt und Sprache parallel, sondern auch die diesbezüglichen Reflexionsoptionen: die 1l0Q
12.3 Die innere Strukrur der Sprache Neben dem ,Energcia'-Diktum ist wohl kein Terminus Humboldtscher Sprachlheoric so häufig untersucht, in der Folgezeit so vielschichtig weiterentwickelt und zur eigenen Theoriebildung und -vermutung intensiv genutzt, ja gar zum Anlaß weitläufiger Spekulation über oder zur Rekonstruhion anderer Aspektc des Humboldtschen (Sprach-)denkens in Gebrauch genomme.n worden wie der der ,(inneren) Sprachform'.15~ Die l~
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546
Vierte.r Teil: Die OrdnulIl: dl'r Sp"'.. . ht
Probleme der bei den Rezeplions·Phänomene liegen dabei durchaus vergle.ichbar. Ln heiden Fällen sind schillernde Termini auf der halt-losen Suche nach Humholdr$ sprachtheorcrischcn Zentren mit Bedeutungen zunächst überlagen und dann zugeschüttet, vor allem aber überladen H~$sl('r.
G.: .Zur Aufhuung der
Spnch~
.ds
l.'inc~
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•
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12. Humboldts Vef"W;lndlung: Die Welt der Spnchc:
547
wordenj eine rezeptionsgeschichtliche Last, die diese Begriffe keinesfalls tragen konnten und die das Humboldtschc Tex[- und Begründungsfundament schnell vergessen ließen. Diese rez.eptionsgeschichtlichc Verfremdungs- und Umwerrungsgeschichtc für den Begriff der ,inneren Sprachform< in ähnlicher Weise nachzuweisen, wie das Kap. 6 es für das ,Energeia<·Dikwm zu le.isteo versucht hat, würde einer eigenen ausführlichen Studie zum Thema bedürfen. Hier soll statt dessen gefragt werden, welches Deutungspotential man erhält, wird das theoretische Potential des EI~.Begriffes der aristotelischen Ontologie auf diesen Begriff Humboldtschen Sprachdenkens angelegt. Nur kurz sei daher auf die Rez.eption des Begriffes anband einiger ausgewählter Schlaglichter der Foschungsliteratur und auch ledigüch in der Hinsicht eingegangen, daß kenntlich wird, um welch' schwieriges, aber dennoch z.entrales Problem der Humboldl~Forschunges hier offensichtlich geht; ein Begriffs-Problem, das H. SteinrhaJ schon 1848 mit dem Etikett belegt hat, es sei der eigentliche .. babylonische Thurm" m der Sprachwissenschaft. Häufiger Diskussionspunkt der Forschung und gleichermaßen Vorent· scheidung für eine humboldtgemäße oder -ungcmäße Interpretation ist 7.weifelsohne die Frage. inwieweit die äußere mit der inneren Sprachform zusammenhängt. Dazu O. F. Bollnow 1938: .. I-Iu mboldt unterscheidet bekanntlich zwischen ei.ner ii u ß e ren und einer in nc re n Fa r m der Sprache, und man ist zunächst geneigt, beides als zwei koordjniene Begriffe zu nehmen"I~.
Dieser Neigung gibt Bollnow dann leider nicht weiter nach und eröffnet damit die Hauptquelle aller Mißverständnisse: ..Aber ein solcher Ansatz (der Koordination, V.W.) würde schon das Wesentliche verdecken. Was zur äußeren form gehört, läßt sich zwar ziemlich einfach aufz.ählen: die Ausbildung eines Lautsrstems. die Bildung der Sylben, der Wörter, die Fügung des Satzes, überhaupt die gesamte Grammatik, aber auch die ganze Stilistik, bis hin ausdrücklich zum WobJlaut und Rhythmus der Rede. Alles also, was sich überhaupt an der Sprache wissenschaftlich bchandeln läßt, gehört zur äußeren Form, und für die innere Form bleibt nichts Angcbbares mehr übrig"l57.
Auf dem Hintergrund der Analyse der ,äußeren Sprachform', die in Kenntnis des aristotelischen ~lOQ
'('cinlhal. Vif' Spr~(hf&Ult'nsrhafi WillJ. v. Hl4mbo/J1 '1, u.O.. S, 111. Bollnow, ~ wilhelnl von HumbQldts SprachphiloS"ophic", a..I.0., . 110.
m
Ebd.
54R
ViC.rttf Teil:
Oie Ordnung der SprJchc
nächlich agiert. teilweise sogar eine systematisch deutlich fehlerhafte Konstruktion (beispielsweise für den ,Grammarik'-Begriff) anbietet. Ge-
radez.u als Eröffnungsklauscl für alle Spekulation firmiert aber die vollkommen unrichtige Wertung, die äußere Sprachform sei zwar wissenschaftlich zugänglich. ja sie sei sogar explizit durch diesen Zugang dcfi.nicn, aber die innere sei dies eben gerade nicht. Genau in diesem Horizont konmc die ,innere Sprachform' zum viel gehandelten Spekulati. ansohjckt Humboldtschen Sprachdenkens avanc.ieren. Jede Behauptung war unter Maßgabe dieses Freibriefs nicht nur recht, sondern konme sich
der Notwendigkeit wissenschaftlich theoretischer Begründung vollständig enr7..iehen. In diesem globalen Freispruch von wissenschaftlic.her Legitimationsbedürftigkeit liegt der Hauptgrund für die zügellose Rezeptionsgeschjchte und deren Irrwege. Wie diesc Irrwege aussehen, hat T. Barsche 1989 resümiert. 1S8 Pas!' allen von ihnen liegt vor aUcm die Anschauung zu Grunde, daß es sich bei der inneren Sprachform um ..einen Lcitbegriff des Humboldtschen Denkens" 1~9 handelt und daß dieser als solcher - weitgehend isolierl- auch autonomer Gegenstand der Untersuchung sein kann. Nach so vielen Imerpretalionsangeboten kommt Borsehe daher zu dem wohl (mcra-)rezeptionsgeschichtlich ausgesprochen weisen, aber letzuich doch zu radikalen Schluß, daß ...das eigentlich Fragwürdige an der inneren (Sprach- )Form bei Humboldt (...) vielleicht weniger in einer verborgenen Bedeutung dieses Begriffs, als in seiner offenbaren Bedcufungslosigkeif'lf.lO liegt. Barsche hat damil zu einer dringend nötigen Entmythologisierung des Begriffs beigetragen und einen großen Teil der regen Rczcptionsgeschjchte Ris Selbstlhematisienlng statt Humboldnhcmatisierung entlarvt. Sicher in er aber mit der Konsl3.lierung einer ,offenbaren ßedeulungslosigkeit' einen Schritt zu weit, d. h. über Humboldt hinaus, gegangen: Der Begriff der ,inneren Sprachform' hat sehr wohl eine Bedeutung, er hat nur keine insofern aUlonome, als daß diese abgelöst von anderen Begriffen zum Tabernakel Humboldtscher Sprachlheorie werden könnte. Gegen Bollnow schlägt Borsche dann mit HilJe von Teilen der Rezeptionsgeschichte zumindest die richtige Richrunl; ein: .. Ohne auf die zahllosen Nuancen solcher aneignenden Auslegungen einzugehen, die \'on Stcinthal bis Chomsky. \'011 Oclbrück bis Cosenu cin weites Spektrum von Formeln für die innere Sprachform bieten, schcim es doch I~
ßon;c!l.., T.: "Die innnr Form der Sp11lrh~". In: Scharf. H.W.: \V,/htlm ;;0" H/,mboldu SprlfchJmkl"IJ. :1;.:1.0.• S. "7-63. hiu: S. ~7·55. I"~ Bou.:hr... Die Innere I:orm der Sprach~", .lI..\. '. S. "7. 1110
Bouche. "Oie umere Form dt'r Spr.llchc" •.lI..lI.0.• S. 5ol.
12. Humboldl$ Verw;mdlung: Die Welt dl'r Spr.1ehe
549
möglich zu sein, einen gemeinsamen Grundzug festz.uhalren: Die innere Form gilt als das gcstahendc Prinzip der Sprache, dem dil:' äußere Form als das durch sie Gestaltete gegenübenrin. Sie iSI primär, unabh:ingig, normierend. wahrend das Äußere durch sie normiert. von ihr abhängig und in seinem Wen nach ihr z.u bemessen 151"1'1;
und geht damit wiederum einen Schritt zu weit: Wohl ist von einer strukturellen Korrespondenz der inneren und äußeren Sprachform auszugehen. Daß die äußere der inneren aber allein passiv gegenübersteht, ist nur in der Hinsicht zutreffend, als die innere in der Tat normierenden Charakter hat. Ihre Unabhängigkeit wie die ausschlief!lichc Diensttunktion der äußeren Sprachform muß allerdings vehement bezweifelt werden. Möglicherweise ist der Problemzusammenhang mit der FragesteUung, wer eigentlich für wen normierende Funktion hat, gar nicht adäquat beschrieben. Am weitesten von einer im strengen Sinne systematischen Deutung scheint L. Weisgerber entfernt, der 1926 in seinem Aufsatz Das Problem der inneren Sprachfonn und seine Bedeutung für die deutsche Sprache zu Beginn schon einmal vorsichtshalber festhält, daß es bezeichnend sei, .,daß, seit W. von Humboldl ums Jahr 1830 das Problem der inneren Sprachform zum erSten Male dargelegt hat, kaum zwei Forscher diesen Begriff in gleicher Weise gefaßt haben"J61. In dieser Weise abgesichert, äußert Weisgerber dann h3uptsächlich Vermutungen, die den Terminus ,innere Sprachform' irgelldwo zwischen kognitionspsychologischen Allusionen und einem repräsentationisusch anmutenden Grammatikbegriff ansiedeln. Dies sei dann die ..i n n e reForm, wie sie Humholdt vorschwebtc"16J. So bleibt auch Weisgerbers AnforderungsprofiJ, das cr schließlich an den BegriH der linneren Sprachform' anlegt, nicht nur überzogen, sondern wird von ihm nicht wirklich eingehend und überzeugend begründet. Weisgerber irrt somit gleich mehrfach, wenn cr feststellt: .. Ich glaube somit nicht zu viel zu sagen, wenn ich beh:tupte: die Untersuchung der inneren Form ciner Sprache. d.h. ihrcs begrifflichen Aufbaus und ihrer syntaktischen Formungsmöglichkeiten, bietet uns den Schlüssel zur Wertung alles dessen. was in dieser Sprache gedacht und geredet, was auf Grund intellektueller Arbeit von ihren Trägern gel3n wird"I~.
1M
l~
I" I~
ßorschr, "Dir illntre Form drT Sprache", :u.O.• S. ~8. WcisgerbC"r, ..D;t,s Probltm der inneren Sprachform" • 3..1.0., . 141. Weisgerber. "Das Problem der inneren Spraehform". u.O., S. 250. Weisgerber, .. Das Problr:m der innl':rr:n Spr.l(:hrQrm", :a.a.O., S. 251.
Vicrtl'r Teil: Die Ordnung der Spr:u.:hc
550
Weisgerber ist ein plastisches Beispiel für die Überforderung des Begriffs und auch für dessen sprachpragmatische Umwertung, denn der zentrale Wen des Begriffs bei Humboldt liegt auf der sprachtheoretischen und nicht auf einer wie immer gearteten sprachsoziologiscb-pragmatischcn
Ebene. Auf andere Schwierigkeiten, auf die der Begriff in seiner Rezeptionsgeschichte getroffen iSl. weist W. Perzig in seinem 1923 erschienenen Auf· satz Der BegnI! der i,meren Sprach/arm hin, in dem er U.3. verschiedene Positionen in ihrer Relevanz. gewichtet. Seine Klassifizierung erleichtert einen schnellen rezeptionsgeschichtlichen Zugriff: ...Man kann also hinsichtlich des Problems der inneren Sprachform gegenwärtig im Wesentlichen vi cr Richtungen unterscheiden, Nämlich erSlens die po s i 1 i v is t i s eh e: innere Sprachlorm iSl überhaupt kein wissenschaftlich brauchbarer Begriff. Zweitens die ps y c h 010 gi sc h c (Wundt): innere Sprachlorm sind die psychischen Vorgänge und Beziehungen, die die äußere 'Form des Sprechens bestimmen. Drittens die p h ä 00 m e n 0 log isc h e (Husser!): innere Sprachform ist die Bezichungsgesclzlichkeit der reinen Bedeutungen. Und endlich die von Many: innere Sprachform ist das Prinzip der Auswahl des explizite Auszudrückendcn" 165 •
Die Weite der unterschiedlichen Ansatzpunkte macht die Vielschichtigkeit der Rezeption, die diese bereits um die Jahrhunderrwcndc erreicht hat, eindringlich deutlich. Hier noch stellungnehmend oder ga.r ei.ne Synthese formulierend einzugreifen, erweist sich als äußerst schwierig. Dies in Rechnung stellend, hat Porzig dann auch postuliert, die innere Sprachform sei "nicht einfach Formung eines noch njcht geformte.n (...) Zu· stands, sondern (...) ist die i dca 1e No r m "166, die dementsprechend auch nur .,ei ne sein- 161 könne. So ist dann auch Porz.igs allgeme,ine FeststeI· lung zu verstehen, beim ,inneren Form'·Konzept handele es sich "weniger um einen Begriff, als um eine [clee, d.h. (um) eine Aufgabe"'68, die von ihm vorläufig damit gelöst wird, daß er formuliert, "was ich unter ,innerer Sprachform< verstanden wissen möchte: nämlich die mit der äußeren Sprachform in Wechselwirkung stehenden eigentümlichen Apperzeptionsformen einer Sp rac h ge m ci n scha ft" 16<),
I~ 114
Pon.ig. ~Dcr Bt'griff der inneren Sprachform~. :u.O., S. 1~. Porzig, .Dcr Begriff der inneren Spf',lchform", ;I,a.O., S. 151.
1'1
Ebd.
I"
Ponig, .. Der Begriff der inneren Sprachform~, :.1..;1.0.• S. 150.
I'"
Porzig...Dt'r Begriff der inneren Spuchform~, ;1,;1.0., S. 1&7.
12. Humbotdu Vt:rw:mdlung: Dil' Wdl der Spnchr
551
Dieser Aufgabe in ganz anderer Form geSleUr hat sich 1935 R. Schwinger in seiner Studie Innere Fonn. Ein Beitrag zur Definition des Begriffes altfGrund seiner Geschichte 'Von Shaftesbury bis W v. Humboldl, die das Problem im Kontext der ästhetischen und kunsttheoretischen Diskussion des 18. und 19. Jahrhundens sieht und hier insofern hervorsticht., als Schwinger seine ,Aufgabe' explizit darin sieht., der Humboldtschen Sprach theorie gerecht zu werden: .Erst in W. v. Humboldrs spr.tchphilosophisch~nSchrirt~n findet sich d~r B~g r i H der in n ~ re n Sp rach r 0 rm. 21uf den hi~r :ausführlich eingegan. gen werden soll Im GegenS:lltz zu den Dur gelegentlichen Erwähnungen bei aUen ;lnder~n Denkern nimmt der Begriff der inneren Form ba Humboldt eine bestimmte Stelle in einem Gedank~system ein und I~ßt sich d~m auch gen:au bestimmen" 170.
Die Beob;\chtung Schwingers. daß die explizite Nennung Humboldt's nun per se darauf schlicHen lasse. daß die ,innere Sprachform' auch exakt bestimmbar sei, ist sicher zu euphorisch - und möglicherweise aus der gewollten Abgrenzung zu ,allen anderen Denkern' zu erklären. Für diesen Tcrminw jedoch einzuklagen, da.ß er eine ga.nz ,bestimmte Stelle in einem Gedankensystem' einnehme. ist weiterführend, weil dies auf die Verortung des Begriffs in einem Netz systematischer Beziehungen setzt. Die ,innere Sprachform' wird von Schwinger als originäre Schöpfung Hum· boldts gekennzeichnet. die durch ihre Stellung im System erst Bedeutung gewinnt. Einige Attribute dieser ,systemsteUe< charakterisiert Schwinger dan.n auch überzeugend: .50 ist die Spra.chform du Gesetz, n:ach dem sich die schöpf~rische Synthese des Entgegengesetzten voUzieht, die Richtung, in d~r sich die allgemeine Geisteskraft als Spraduinn :auf den Laut zu b~wegt, die innere Gesetzmäßigkeit des stets vorübergehenden Handdns" 171 •
Schwinger umreißt an dieser Stelle treffend den aristotelischen und humboldtschen Problemhorizont zwischen Struktur und Kontinuum und bez.ieht diesen auf die erkenntniskonstituierende Funktion des Lauts. Aber Schwingers Analyse kann sich dem Humboldtschen Konzept noch weitcr annähern: .Der Ausdruck (innere, U.W.) Form meint hier nicht mehr Gestalt im räumlichen und visuellen Sinn, sondern das Beharrende. du ein Geschehen in der Zeit regdt, ws Gescu" m .
11.
Schwinger. _Innere- Form-, 2~.O.. S. 52. Sch",;nga... Innue: Form". 2 ....0 .• S. 53.
In
Ebd.
11'0
552
\'i('ru:rT"il; Oi(' Ordnung der Sprache.
Mit dem Terminus ,Gesetz' umschreibt Schwinger das. was untcr Struktur als ontologische Konfiguration des Allgemeinen zu verstehen ist.. Un· trennbar verbunden sind für Schwinger damit Inneres und Äußeres der Sprache, zwei Seilen des einen SprachhandeIns, denn immer geht es um ..gewisse Abhängigkeitco" m des Inneren und Äußeren zueinander. Er cr· kennt die mehrfach vermittelte Nähe des Humholdrschcn BegriHs der ,inneren Sprachlorm' zum Neuplatonismus. die cr aber so allgemein faßt, daß diese Beobachtung ihr Erklärungspolcntial zu verlieren droht: "Die Vorstellung der inneren Form wurzelt im Ncuplawnimus. gleichviel ob man umer innerer Form geistige innere Gestalt oder Gesetz oder Kraft versteht"17~. Hier wird Schwingers Argumentationsgang zunehmend problematisch, denn was man eben spezifisch verstehen muß, ist narürlich keineswegs gleichgültig. Was Schwinger dariiher hinaus nicht auflösen kann, ist wiederum das Problem, wie sich Kontinuum und Struktur in der Zeit verhalten. Wie starr ist das ,Gesetz'? Was ist unter ,beharrend' zu verstehen? Ist ein solches ,Beharren' starre Gesetzmäßigkeit, viskose Strukturformung oder durchlässige Regelung bis hin zur Kontingenz? Hat die innere Sprachform eine verändernde Kraft auf die äußere, kann die letztere durch die erstere bis zu einem gewissen Grad abgewandelt werden? Gibt es einen Primat der inneren vor der äußeren Sprachform? Der Forschungsdiskurs läßt hier aUt·s in allem mehr Fragen offen als er Antworten bereitstellt. Dies sollte die Vorführung ausgewählter Positionen herausstellen. Humboldt jedoch hat viele der formulierten Probleme bereits lösen können, ohne daß die meisten seiner Rezipienten dies erkannt haben. Method.isch in die richtige Richtung weist T. Borsches Vorschlag, die innere und äufSere Sprachform insgesamt vom Standpunkt ih[e_r Einheit. in der ,allgemeinen Form'llS und damit vom Zemrum der Humboldtschen Sprachtheorie her zu begreifen. Hilfreich ist ebenfalls dessen folgende historische Identifikation des Begründungszusammenhangs der ,inneren Sprac.hform' Humboldts: ..Aristotelisch immanent gc~ deutet, erscheint dieselbe innere Form oder Natur einer Sache statisch betrachtet als Telos, dynamisch als Entelechie oder inneres Gesetz der Entwicklung eines Organismus. Ln diese Tradition wird nun insbesondere der Humboldtsc.he Begriff der inneren Sprachform auIgenommen"17/,. Diesem Hinweis muß auf dem Himergrund des Humboldtschen Primärtextes nun genauer nachgegangen werden. Schwinger. ~llIl\crc Form a.a.O.. S. 54. IN Schwinger, ~Inncre Form": .l.J..O., S. 80. 11S Borsehe, .Die innere Form der Sprache·. a.a.O., S. 58-63. 17<0 Bursche. MOie innere Fonn der SprachC'''. a..l.O.. S. 52. 11)
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11. Humboldu Verwandlung: Die Weh der Spr:l.che
55}
Ein Blick zurück auf den bereits ausführlich erÖrterten aristotelischen Et~-Begriff: Dessen erster Aspekt ist seine strukturelle Anlage, die :luf Allgemeines verweist im Sinne eines ,Art-Begriffes', der zweite weist ilin als imm:loentes Formprinz.ip einer werdenden Endtät :lUS. Dabei bedeutet die Allgemeinheit des tf6oc; weder, daß es nur ein solches gebe, noch implil-iert es die transzendente Fundierung der Gegenstinde. Gende die prinzipielle Gebundenheit an die Dinge, die im d6oc;-Konzept zum Ausdruck kommt, zeigt, daß es nicht platonisch-transzendent angelegt ist, sondern in den Dingen deren jeweils unterschiedliche immanente Strukrur meinL Als strukturbildendes Prinzip ist es die Bestimmtheit der Materie in der Einheit eines Etwas. Das doo~ ist dabei die innere Struktur dieses Etwas als Etwas. sein Grund etwas Bestimmtes zu sein. Gestalt demgegenüber die äußere Struktur, an welcher es erkennbar, unterscheidbar, analog unrersuchbar wird. EIöo~ und j.loQ
554
Vicncr Teil: Die Ordnung der Spracht"
sicht der inDern Sprachform geleitet werden" (V1I 81). Man muH vor allem den gedanklichen Spuren, die sich mit den Termini ,Gesetz'••Sprach· form' und dem ,lnneren' verbinden, nachgehen, um einen nachhaltigen Eindruck dieses dritten Reflexionsf2umcs zu bekommen. Wir haben befeilS geseben, daß für Humboldt vor allem ..zwei Principc bei dem achdenken über die Sprache im Allgemeinen und der Zergliedrung der einzelnen, sich deutlich von einander absondernd. an das licht treten (Um"., U.W.)" (VII 52), und zwar .die Lautform und der von ihr (...) gemachte Gebrauch" (VlI 52). Humboldts Weiterführung des Arguments weist den Weg in das Innere der sprachlichen Wesensbeschreibung: .. Der letlotere (also der Gebrauch, V.W.) gründet sich
;tUr
die Forderungen.
welche das Denken an die Sprncbe bindrt, WOI1lUS die: allgemeinen Geselze dieser emspringcn; und dieser Theil ist dOlher in seinrr ursprünglichen Richtung. bis auf die Eigenthi.imlicbkeit ihrcr geinigen N:nuranlagen oder nachherigen Entwicklungen, in allen Menschen. als solchen. gleic.h" (VII 52).
Was erkenntniSlheorelisch gleich ist (u,nd damit das transzendentale All· gemeine des sprachlichen Wesens bedeutet), ist also in allen Menschen unterschiedslos bindende Gesetzmäßigkeit. Dabei ist das Allgemeine Siche· rung dafür. daß das Kontinuum des Stoffes i.n seinen Ausdmcksformen von innen heraus die Kominuität des Konkreten erlangen kann: .. Das in dieser Arbeit des Geistes, den aniculinen uUt zum Gedanken:1usdruck zu erhrben, liegende Besündige und Gleichförmige, so vollsLindig. 2.ls möglich, in seinem Zus2.mme.nhange aufge-fasst und systematisch dargestellt, macht die Form der Spn.che aus" (VB 47).
Die innere Strukrur der Sprache ist dabei Garant, Bestimmungsgrund und Benennungsugument alles Individudlen. was in der Sprache als individueller zum Vorschein kommt. Nur so ist zu erklären, daß ..die cha.rakteristische Form der Sprachen an jedem einzelnen ihrer kleinsten Elemente hängt (Umst.• U.W.); jedes wird durch sie. wie unmerklich es im Einzelnen sey, auf irgend eine Weise bestimmt" (VII 48). Dadurch, daß das Wesen der Sprache eine innere Struktur aufweist, ist gewährleistet, daß das in der Sprache Gesagte überhaupt Sinn gewinnen kann. Wäre deren Struktur nur äußerlich, d. h. Gestalt. würden die einzelnen Elemente der Spra· ehe nur Unzusammenhängendes beliebig summieren und keine sprachkonstitutive Sinnstiftung beueiben. Daß das Sprachliche nicht nur Ansammlung von isolierten Bruchstücken bleibt (und damit vollkommen ourzlos wäre, ja im engeren Sinne gar nicht sprachlich sein kann), dies garantien die innere Struktur der Sprache. Damit ist diese Anlaß, Struktur· prinzip und Ziel des entscheidenden sprachlichen Konstirutionsakts in Humboldts Spracbdenken: der Begriffsbadung.
12. Humboldl5 Verwandlung: Dil: Welt der Spfölche
555
Dieses Prinzip der Begriffsbildung ist Humboldts kleinster, aber systematisch zentraler Baustein für sprachlich erlangte: [ndividualität überhaupt und gilt - als das Entscheidende individueller Bildung - gleichermaßen für den eigentlichen sprachlichen Konstitutionsakt wie für die Ebene der Sprachkonstituierung, die den inneren Zusammenhang der individuen garantien, die der Nation. "Es versteht sich indess von selbst, dass in den Begriff der Form der Sprachen keine EinzeInheit als isoline Thatsathc, sondern immer nur insofern 3.ufgenommen werden darf. als sich eim: Methode der Sprach bildung an ihr entdecken lässt. M:lO muss durch die Darstellung der Form den specifischen Weg erkennen, welchen die Sprache und mit ihr die N:auon, der sie angehört, zum Ged:ankenausdruck önschJägt" (VII 50).
Nur weil die innere Srruktur der Sprache die verschiedenen Ebenen der Sprachbildung überh:.J.upt als miteinander verknüpft versteht, wird Humboldt seine - :.J.uf den ersten Blick möglicherweise theoretisch ecwas zu couragiert anmutende - Konstruktion, daß es auch eine jeweils individuelle Sprache der Nation gibt, überhaupt möglich. 1m Horizont des Nationalen signalisiert und versteht das individuell Sprachliche, daß es den Charakter des Allgemeinen immer schon in sich trägt. Einzig die aristotelische eIöoc;-Konstruktion trägt diesen doppelten Charakter ebenso in sich wie die innere Struktur des Sprachlichen bei Humboldt, eine Einheit der Renexion, die aus dem gemeinsamen Ve.rständnis der WeItkonstitution entspringt und die Antwonen auf den komplementären Problem verhalt verspricht, wie das Individuelle immer schon das Allgemeine an- und aussprechen kann und damit nicht BruchstÜck in einern nur hypothetischen, einem sinnwidrigen oder g:u überhaupt keinem inneren Sinnzusammenhang des Weltgeschehens bleiben muß. Oder anders ausgedrückt durch die innere Struktur des Sprachlichen und deren Horizont des Allgemeinen wird das Singuläre erst zum lndividueLlen. Im Hinblick auf eine letztbegrundende Fundierung dieses Zusammenhangs lst, ähnlich wie bei Aristotcles (wenn dieser nicht gerade zu theologischen Mitteln greift), lam Humboldt ErkJärungsverzicht zu leisten: .Sie (die L:audorm, U.W.) hängt natürlich, als ein in enger Bel.iehung auf die innere Gei.steskraft stehender Theil des ganzen menschlichen Organismus, ebenfalls genau mit der Gesammunlage der N:ation zusammen; aber die An und die Grunde:: dieser Verbindung sind in, kaum irgend eine Aufklirung erbuhendes Dunkel gehüllt- (VI1 52-53).
Dies macht ja gerade das Aristotelische des Entwurfes aus. der sich einer gegenständlichen Ideenrekonsrruktion platonischer Provenienz so vehement verweigen. Aristoteles wie Humboldt steHen die Individualität der
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Vit:rtcr Tdl:
Di~
rdnuflg der Spracht"
Dinge, die aus deren spezifischer innerer Struktur erwächst. als unhinlcr· gehbarc systematische conditio si ne qua non des wddich Konkreten fest, ohne eine inhaltliche Reduktion der diesbezüglichen Konstitutionsmög~ lichkeitcn durch Thcologisierung des Allgemeinen ins Gegenständliche zuzulassen. Es gilt. sich stets ncu auf die Ergebnisse des sprachlichen Konstitutionsaktes einzulassen: .. Die Sprache verpflanzt aber nicht blass eine unbestimmbare Menge Sloffartiger Elemente aus der Natur in die Seele, sie föhn ihr auch dasjenige ZU~ was uns als Form alls dem Ga"zen (Herv., V.W.) cntgegenkonunl' (VII 61). Für Humbold, sind wir eigentlich erSt jetzt ..zu dem Punkte gelangt, auf dem wir in der primitiven Bil-
dung des Menschengeschlechts die Sprachen als die erste nothwe.ndige Stufe erkennen, von der aus die Nationen erst jede höhere menschliche Richtung zu verfolgen im Stande sind. Sie wachsen auf gleic.h bedingte Weise mit der Geisteskraft empor und bilden zugleich das belebend anregende Princ.ip derselben" (VI J 41-42). Auch im Rcncxionsraum der inneren Struktur der Sprache kommt Humboldt a.lso zu dem Schluß, daß nur die Sprache als KonstituLionsgarant des Wirklichen firmieren kann. Somit gih für den Zusammenha.ng von Lautform und nationaler Individualit3t: ..Aus diesrn bddrn Principirn nun, zusammengenommen mit der Inni~k('it ihrer gegenseitigen Durchdringung, geht die individudle Form jeder Sprache hervor, und sie machen die Punkte aus. wdchr ilir pn.chzrrgLirdrung zu rr(orsc.hen und in ihrem Zusammenhange darzundlen \'ersuchen muss· (Vn 53).
Die darin implizite Integration der Paradoxität von Individuellem und Allgemeinem Lst für Humboldts Sprachdenken, nachdem es durch den aristotelischen ELOo;.-Bcgriff hindurchgegangen ist, nun dauerhaft erreichtes theoretisches Niveau. Humboldt werden damit Einsichten möglich, die zum zentralen Kern seines sprachtheorelischcn Entwurfs gehören, und deren innere Struktur in diesem Verständnishorizont ontologischen Denkens nicht mehr nur als imposant, sondern vor allem -auch als verständlich gelten können. So ist es einerseits evident, ..dass der Mensch überall Eins mit dem Menschen ist, und die Entwic.klung des Sprachvermögens daher mit Hülfe jedes gegebenen Individuum vor sich gehen kann" (VII' 59). Andererseits bleibt festzuhalten: ..Da aUrr objectiven Wahrnehmung unvrnneidlich Subjc=ctivitit beigemischt ist, so kann man. schon unabhängig von der Sprache.jed~ menschliche Indi· vidualhit als einen eignen Standpunkt der Weh20Dsicht bttn.chten. Sie wird aber noch viel mehr dazu durch die Spra.che. da du Won sich der SttJe ge· genüber auch wieder, wie wir weiter unten tthen werden, mit einem Zusatz. von Selbstbedeutung zum Objt'Ct macht und one ntue Eigentbümli.chkeit
12. Humboldl$ Verwa.ndJung; Oie Weh der Spr:l.che
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hinzubnngl. In dieser, :lls der eines Spn.chbuLS. berrscht nothwendig in dersdbcn Spn.che eine durchgehende Analogie; und da auch auf die Spr.ache in dcrsdbcn Nation eine gleich2rtige Subjcctivität einwirkt, so liegt in jeder Spf'2che eine eigcnlhümliche Wdtansicht" (V1160).
Das tIöo~ h"t bei Humboldt damit mehr als nur aristotelische Spuren bewahrt. Im Dreieck sprachlicher Weltkonsritucion von St'Off. äußerer Ge· stah und innerer Strukrur ermöglicht es erst die Option, daß Sprache nicht nur bloßes AbbiJd der Welt ist. sondern daß sie diese Welt ist. u.nd z.war einerseits, weil in der inneren Fornl immer schon unminclbar das Wesen der (sprachlichen) Dinge selbst angesprochen ist. andererseits. weil die Integration und Komplementarität der inneren und äußeren Form die Gewähr dafür bietet, daß gerade der Konstitutionsakt der Sprache im Hinblick auf eine sinnhaltige Durchdringung und Explikation des ansonsten lediglich Referentiellen nicht beliebig bleiben muß. Anlaß genug für Humboldt, nun nach Anrwortversuchen auf die für ihn ausgesprochen schwierige Frage zu suchen, wie der EntwickJungsprozeß des Sprachlichen als solcher unter ontologischen Gesichtspunkten verstanden werden kann. Humboldr hat hier das aristotelische Niveau nur bis zu einem gewissen Grade erreichen können.
12.4 Die Bildung des Sprachlichen Daß Humboldt sich in diesem vierten Reflexionsraum der ,Bildung des Sprachlichen' schwerer rut 31s sonst~ läßt sich allein schon an der Vielzahl der von ihm bemühten Termini und der großen semantischen Spannbreite der verwendeten Begriffe ablesen. Humboldts Lexikon idemifiziene die folgenden 51: Arbeit, Bewegung, Bildung, bildend, Drang, dynamisch. Energeia, energisch, EnrwickJung, entwickeln, Ergon, Gebrauch, Genesis, genetisch. Kraft, Kraftäußerung, Denkkraft, Geisteskraft, Vorstellungskraft. Methode, Möglich.keit, Schöpfung, schöpferisch, Sprachbildung, Spracherzeugung, Sprachfähigkeit, Sprachkraft. Sprachvermögen, Sprachwerkzeuge, Streben, Thätigkeit, Selbstthätigkeit, Geistesthätigkeit, Ursache. Veränderung, veränderlich. Verfahren, vermögen. Vermögen, Verschiedenheit, Verschmelz.ung, Werk. Werkzeug, wirkJich, Wirklichkeit. Wirkungen. Wirken, bewirken, Einwirkung, einwirken. Zwecke. Sieht man die Liste durch, so fällt auf. daß wesencliche Termini bereits eingehend besprochen wurden (Energeia. Genesis. Thiügkeit., Verfahren), es sich also beim Reflexionsraum der ,Bildung des Sprachlichen' einerseits offensichtlich um einen solchen handeln muß, dem im
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Vicnt'r T~il: I);c Ordnung der prachc
Komext Humboldtschen prachdenkens eine wichtige Rolle zuzusprechen ist. Andererseits wird deutlich. wie vielschichtig gerade hier die Überschneidungen und Vcrknüpfungsmöglichkeitcn mit benachbarten Renexionsmumen k.onJiguriert sind. Es ist auch schwer und systematisch äußerst anspruchsvoll. ausgerechnet die prinzipielle Option eines ontologischen Enrwicklungsprinzips sprachtheoretisch zu fassen und sich dabei nicht in der Formulierung von TriviaJitäten zu erschöpfen. Auch AriS10· (eies hat sich ja, wie die Analyse zeigte, mit der Defintion von öitvO.~u.<; und t.vfQYElCl äußerst schwer getan. Eine der Lösungsoprioncn war für i.ho die vtdr-l.f;lU o.t[A~, die noch unvollkommene Vollkommenheit, ci· nc, die das Ziel in sich seIhst trägt und sich so d3uerhaft h.inspannt auf Vollendung. Dies ist ohne Unterschied auch Humholdts Vorstellung. Ganz gewiß iSt auch der sprachliche Konstitutionsakt im Horizont der Verwirklichung der Materie in der Form ein Enrwicklungsproz.eß derart, daß dieser das Ziel seiner inneren Strukrur immer schon in sich hält. Wieder sind heide theoretische Muster komplementär, vor allem dann, sieht man diese auf der Folie des EVEQyua-Begriffs m.il den Attrihutionen, die AristO[eles wie Humholdt hierfür entwickelt haben. Dies ist hinreichend beschrieben worden. Es gibt jedoch ein Problem, das eine gewisse DiHerenz. der beiden Emwürfe b1.w. eine Indifferenz in HumboldlS Rez.eption erkennen I:ißt und das hier :lUS di~sem Grunde G~genstand der Untersuchung sein muß. nämlich die Fragestellung, auf Grund welcher systematischen Annahme Mögüchkeit überhaupt zur Wirklichkeit werden kann. Hier ist Humboldt. trOl'Z. vereinzelter gegenteiliger Hinweise, die ehenfalls in seinen Texten zu finden sind, insgesamt ein wohl eher systematisch ohnmächtiger, m. E. iuHcrst unselbständiger, sicher aber vehement interessegeleiteter und damit letZlIich auch reduktionistischer A.ristotelesExeget gewesen. Zwar sucht auch cr in seinen sprachtheoretischen Reflexionen die Aspekte auf, die die Möglichkeit des Sprachlichen als von der Wirklichkeit her zu verste.hen imstande sind. In dieser Perspektive sind eben gerade die Sondierungen zum St f( der Sprache, 7.ur äußeren und inneren Form und deren gedanklichem Umfeld situiert. Aber das aristolcli· sehe Öirva.Jus;·Konzept lebt wesentlich von seinem Erklärungsverzichl im Hinblick auf einen mechanisrischen Nachweis für ,Entwicklung'. Er ist auf den Primat der tvtgyElO ausgerichtet und muß damit in der Hauptsache im Bereich theorerisch-omologischer Klärung verbleiben. Im aristotelischen Zusammenhang ist vor allem diese systematische Bescheidenheit seine theoretische Funktion, der Begriff gewinnt wese.ntlich auf dieser Ebene seiner Gerichtetheit auf die Wirklichkeitskonstitution Sinn, .Bedeutung und den Charakter unbedingter UnerläßlichkeiL
Iz. HUfnildiS VC'rw:;lndlung: Oi(' Wtlt der Spr:;ldu-
559
Die Humboldt-Forschung hat. wie ich ausfüh.rlich gezeigt habe, der Versuchung nur schwer und teilweise gar nicht widerstehen können. sich einer instrumentalisierenden Vergegenständlichung ontologischer Parameter zugunsten operationalisierbarer sprachwissenschaftlicher Begrifflichkcit zu versagen. An der folgenden Stelle sieht man. daß Humboldt allerdings in gänzlich verschiedener Hinsicht - in einem spezlfischen Problembcreich selbst mitunter zur Vergegenständlichung neigt, und zwar ausgerechnet in demjenigen, der nach Begründungen für den Bildungsprozeß alles Sprachlichen sucht: ..Alles geistige Vorrücken kann nur aus innerer KraJtäusserung hervorgeben, und hat insofem immer einen verborgenen und. weil er sdbstthätig ist, unerklärlichen Grund. Wenn aber diese innere Kraft plönlich aus sich selbSt hervor so mächtig schafft, dass sie durch den bisherigen Gang gar nicht dahin geführt werden konnte, so hört eben dadurch .alle Möglichkeit der ErkJärung von se.1bst auf. Ich wünsche diese Sätze bis zur Ueben.eugung deutlich gemacht zu haben, weil sie in der Anwendung wichtig sind. Denn es folgt nun von sclbst~ d:us, wo sich gesteigerte Erscheinungen derselben Bestrebung wahrnehmen lassen, wenn es nicht die: Thatsac,hen unabweislich verlangen, kein allmähliches Fortschreiten vorausgesettt werden darf, da jede bedeutende Steigerung vielmehr einer eigenthümlich schaffenden Kraft angehört· (VII 26).
Mit diesen Worte.n pinien Humboldt seinen .Kraft'-Begriff schon in den frühen Passagen der lGtwi-Ein/eitung und föhn damit auch in diesem Text einen seiner am häufigsten verwendeten Termini ein. Gleichwohl zeigt die Textstdle bereits das Hauptproblem des Begriffes: seine offensichtliche syscematische Bedeucungslosigkeit.• Kraft' wird im sprachlheorecischen Kontext von Humboldt vor allem zur als unerklärbar an- und hinzunehmenden Bedingung jedweder Entwicklung stilisiert; der Kontext der angefühnen Passage zeigt plastisch, daß in der prinzipi,ellen Funktion dieser SYStemSlcUe als solcher das Erklärungspotencial bereits weitgehend erschöpft ist. Die Charakterisierullg der ,Kraft' als ,eigemhümlich' und ,in· nere' scellt heraus, daß diese weithin schon ihre eigene ErklärungsrC'ichweite abgrenzt und gleichermaßen (was so gar nicht Humboldts lhC'oretische An ist) erklecklichen Spielraum für Spekulationen läßt. Seinen Kontext gewinnt der ,Kraft'-Begriff vorderhand durch den Bezugsrahmen des ,Organjsmus'- Konzepts. in dessen Zusammenhang er zwar Sinn und Rolle, aber eigentlich kein durchgreifendes systcmotcisches Proftl gewinnt. H. MüUer-Sievcrs schildert das Problem auf dem Hintergrund seiner spezifischen Proble.manalyse zwischen Präformations- und Epigenesistheorie folgendermaßen: ,Jeder Org;mismus muß von einer K,s{t animien werden.. Dies war der Preis, de.n die Epigenesisthrorie fur die Auslösung der Organisme.n aus dem Slren-
560
Vil'n...r Tcik Die Ordnung der Sprache
gen Kausalverbund der Maschinen oder dem Zufallszusammenhang der spoOlancn Generation zahlen mußte. Diese Kraft ist nicht durchgängig bcstimmbar" 177.
Womit der Begriff wissenschaftlich im Grunde bereits unbrauchbar geworden ist. ,Kraft' soll bei Humboldt als erklärende Ursache dafür fungieren, daß etwas von der Möglichkeit zur sprachlichen Wirklichkeit hinübertritt. Ocr Tegeler Philosoph merkt schon in dem zeitLich vorgclagenen Verschiedenheiten-Texl von 1827-1829 (und dann auch noch einmal in der Kawi-Einleitung) an, daß die ...Secie aber von diesem künsdichen Medianismus gar keine Ahndung erhalten würde (Umsr., V.W.), die Aruculation ebensowenig, als der Blinde die Farbe begreifen, wenn ihr nicht eine Kraft beiwohnte, jene Möglichkeit zur \'qirklichkeit zu bringen" (Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprtlcbbaues, VI 17f)·177 [vgl. VII 57]). Humboldt kennt also den ontologisc.h-theoretischen Problennusammenhang genau, kann aber letztlich wenig zu dessen Klärung beitragen, weil er - nahezu händeringend - nacb einem Begründungsmechanismus sucht. der die Konstitution des Sprachlichen nicht ausschließlich aus dem theoretischen Systcmzusammenhang. sondern auch darüber hinaus für einerseits zwingend und andererseits sdbslbewegt erklärt. Dies ist aber im strengen aristotelischen Sinne gar nicht notwendig: Der buva~lLl; -Begriff in seinen ßcdeutungsschattierungcn der ,Möglichkeit' reicht im Komext der atlderctl aristotelischen Begriffe vollkommen aus, HumboldLS ,Bildung des Sprachlichen' zu fundieren und das .Prozessuale des dementsprechenden Vollzuges zu erläutern. l-Iumboldts diesbezügliches Mißtrauen und sein zu Rate ziehen der öuvatuc;-Bedeutung ,Kraft', deren \'qirkungsmächtigkeit - wie sich gezeigt hat - wesentlich der aristotelischen Rez.eption und nicht dem athen ischen Philosophen selbst zu verdanken ist, ist daher unnötig und läßt den Verdacht zu, daß hier - in der unverhohlenen Anlehnung an den bereits erläuterten ,Energic'-BegriH seiner Zeit - noch andere lheoretische Einflüsse ei.ne das Grundmuster überlagernde Rolle spielen. IlluStriert wird dies vor allem durch die Verwendungsweise des ,Krah'·Begriffcs in Komposita wie beispielsweise in ,Kraftäusseruog' (VII 26), io ,Denkkraft' (VII 56), in ,Vorstellungskraft' (VII 51) oder auch in ,Geiste,kraft' (VB 41, VII 42, Vli 45, VI! 52). Immer ist es ein zentraler Begriff Humboldtschen Sprachdenkens wie ,Geist', .Vorstellung' oder ,Denken', der mit der verdinglichenden Ergän-
In MUllcr~S;evcrs. Ep'8ef/(!SU•
..il.O.• S. 95.
Di~ w~h d~r Sprach~
12. Humboldls Verwandlung:
561
zung ,Kraft' ein zusätzliches, sich selbst tragendes dynamisches Moment erhalten soU. Der Begriff ist somit vor al1cm dann sowohl aussagekräftig als auch auslegungsfähig, wenn er in kontextuierten Varianten auhriu. Für sich genommen ist er nicht nur - trotz seiner beinahe sekkanten Omnipräsens - systematisch bedeucungsarm, er stellt partiell auch eine Art theologisches Residuum vor, das in gewisser Weise ,systemfremd' wirken muß. Humboldt traut an dieser Stelle seinem eigenen System nicht wirklich, lind bedient sich daher solcher Absicherung, ohne die sein ,Theoriegebäude' allerdings ebenfalls problemlos und ohne Abstriche auskommen könnte. Humboldt scheint fasziniert von diesem Gedanken einer alles fundierenden Entwicklungs-Macht, die in ontologischer und sprachtheoretischer Hinsicht allerdings im Grunde nutzlos ist. Es macht den Eindruck, als bete er ein im Grunde systematisch blasses Prinzip quasi-theologischer Proven.ienz erst herbei, um es dann in wechselhaften Kontexten wieder spezifizierend heruntcrzubrechenj und das ausgerechnet bei einem Prinzip, das im Grunde durch sein sprachtheorelisches Denken bereits in radikaler und bis dahin nicht erreichter Weise schon für immer obsolet gemacht wurde. Es macht die systematische Qualität von Humboldts Sprachdenken aus, daß dieser Umstand eines dermaßen plakativ ausgetragenen Scheingefechts auf Nebenschauplätzen noch nicht einmal wirklich stört. Systematisch maßgeblich ist der Begriff der ,Kraft' - trotz oder gerade wegen seiner unablässigen und insistierenden Verweodung l78 - nicht. 11i
Gcn!.
be{ördcrnJt.'n oder )Jrmmende" Kraft,
welch~ si~ d~r inn~r~n
pra(ht~nden7. geg~nubtr·
Stellt- (VII 52). - .Sie: hingt natürlich, als ein in ~ng~t Bez.iehung auf d,e innere Geüus· kr{lft Slthendcr n!.~il des g;1nzen m~nschlich~n Organismus, cb~nfalls g~nau mit der G~ u.mmranlag~d~r Nnion zusammenj aber di~ An. und di~ Gründ~ dieser V~rbindung sind
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Vi~'n('r
Tt:i1: Die: Ordnung dt'f Spra.cht'
Er bleibt im Grunde dauerhaft unklar, ohne daß dies echten theoretischen Schaden anrichten könnte. Immerhin hat er die Rezeption nachhaltig irreführen können. Humboldrs Reflexionsraum der ,Bildung des Sprachlichen' ist also erst von im Grunde ,sysrem'·frcmden, sich mehrfach überlagernden Ver~ suchsresten freizulegen. um zum eigenen theoretischen Kern vorzudringen. Dieser besteht zweifelsohne darin, daß Humboldt der Ansicht ist, daß die GCllcrierung sprachlichen Weltversrehens immer schon das Ziel ihrer Vollendung in sich lrägl. Dies kommt in gewisser Weisc- wenn auch nicht. in dcrmal~en gegenständlicher Konzeption und vcrkü.ndigcnder Diktion wie beim ,KraJr'-Begriff, sondern ziemlich nüchtern - schon im et:bor;-Charakter der ,i,nneren Struktur der Sprache' zum Ausdruck. Nach Arisloteles' ÖUVQ~u.~~Begriff ist Vermögen dadurch charakterisien. daß etwas prinzipiell nicht unvermögend gewesen sein kann, wenn es in Wirklichkeit ist. Damit ist aber ebenfalls festgestellt, da{~ etwas nicht ausschließlich nur ,Vermögen' (und damit eigenständige Entität) sein kann, denn nach Ansicht des Stagiriten entginge damit völlig die Bedeutung von .unmöglich'. Das, was möglich ist, wird nur erkannt im Horizont (s)eines in-die-Wirklichkeil~eingetreten-Seins. Insofern ist der Stoff der Sprache Möglichkeit. die Einheit der äußeren und inneren Sprachform \f/irklicb~ in. k~ulll irgend eme Au(klm.ll1S erlau~n(J('$ Dunkel gehülll~ (VII 51-;}). - ~Da der Unterschi\·d der Spnc:hell 3U( ihrer I'orm beruht, und \I)c$\' mit den G\'iSleunl.lgen der N~· linnl.'n uml \Ie.r sie im Augenblicke der Eruugung odl'r IleU<,II IlIIffdJJII/l8 Jurcbdrillgc'lJcn KrJ .lnJiehcn. weil sie all.::in I~~ndjg sclbsl.SL'indiß vor uns nein, dic Spra.che dagegen nur JJ) ihr haftet- (VII 42). - MDie Thiitigkcil d<.'r Sinne muss sich mil der inneren 1-!3I\,!tung des GeiSlcs s)'!ilh~ti$ch verbinden, und au~ dil.'scr Verbindung reiSSl sich dic Vorstellung los, wird, Jer IlfbjllClX!CII Kr4t gegenub
12.
Humboldts Verwandlung: Die Wdl der Sprache
563
keil des Konstitutionsaktes des Sprachlichen. Die ,Bildung des Sprachlichen' ist überhaupt nur möglich deswegen, weil die Wirklichkeit als Wirklichkeit dies in ihrem Begriff bereits imptizit mitträgt; sie, die sprachliche Wirklichkeit, hält den Primat als Einheit von Bewegung, Tätigkeit und Sein des Sprachlichen. Sie tritt ein, wenn nichts entgegensteht, Sie ist aus ihren Möglichkeiten heraus Schöpfung, Sprachbildung, Spracherzeugung, Realisierungsgröße des Sprachvermögens und der Sprachwerkzeuge, Ursache und Veränderung von Verschiedenheit, als Wirkung höchster Sprachzweck.
12.5 Der Akt der Sprache Die .Bildung der Sprache' ist vor allem von ihrem Konstitutionsmoment selbst, ihrem Akt des Erzeugens, her verständlich. In diesem fünften Reflexionsraum sammeln sich geballt Kernpunkte Humboldtschen Sprachdenkens. Wie so häufig wirkt das Zentrale zunächst fast wie beiläufig erwähnt: ..Gerade das Höchste und Feinste lässt sich an jenen getrennten Elementen nicht erkennen und kann nur (was um 50 mehr beweist, dass die eigentliche Sprache in dem ACle ihres wirklichen Hervorbringens liegt) in der verbunde· nen Rede wahrgen9mmen oder geahndet werden" (VII 46). Die in Klammern gesetzte Behauptung führt in den Brennpunkt Humboldtscher Sprachtheorie, ohne den die bisherigen Bestimmungen auf der Grundlage der aristotelischen Ontologie keine theoretische Affinüät entwickeln. Humboldt insmlliert diesen ,Akt der Sprache' terminologisch mit einer ganzen Fülle von Begriffen, die erst durch die Ermittlung des lheoretischen Ortes eine Neubewertung und damit entsprechende Aus· richtung und spezifische FunktionaJität erfahren. Eine Auswahl macht das systematische Gewicht des Reflexionsraums deutlich: Begriff, Bezeichnung, Bestimmung, Einheit, Erscheinung, Erl.eugung, Erzeugtes, Gegenstand, Existenz, Gebrauch, Formung, Handeln, hervorbringen, Rede, Redender, Redefügung, Schöpfung, Sprachansicht, Spracherzeugung, Sprechen, Synthcsis, Verschmelzung, VervoUständigung, VoUkommen· heit, Vollendung, vollendet, Zeichen, Ziel. Die Qualifizierung des zugrundcliegendcn Vorgangs ist daher auch nicht mit den bisherigen Reflexionsbemühungen vergleichbar, sondierten diese doch vor alJem Bedingungen der Möglichkeit des Wesens der Sprache. Die Diktion zum ,Akt der Sprache' Humboldts gleicht dann auch häufig vielmehr einer
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Vierter TCII: Die Ordnung der Spr:tclu:
Inszenierung denn einer nüchternen begrifflichen lnvclltarisicrung - was der Rationalität der Argumentation jedoch keinen Abbruch tUt. Der ,Akt der Sprache' generiert zur Größe, auJ die alles andere zugeordnet wirdY9
Diese Systemsrclle liegt damit analog zur EvlEAeXElQ-Konzeption des Arislorcles in deren doppelter Bedeutung. Zunächst als ,vollkommene Vollkommenheit' bzw. als .Vollendung', Wie in dieser Vollkommenheit das Ziel in seiner Gänze präscm ist, ist im ,Akt der Sprache' immer schon die ganze Sprache als Ziel ihrer selbst offenbar. Ontologisch gesehen ist nichts anderes als die Sprache selbst wesenhaftes Ziel ihrer Entwicklung. Im ,Akt des Hcrvorbringens l ist sie allein akwal präsent. Dies aber ist nur evident, wird es gleichz.eitig im Horizont der ,unvollkommenen Vollkommenheit', der tVTEAfXELCl (hE/..i}f;. verstanden. Alle Thcm.ltisierung der Aktualität des Sprachlichen wäre enrwcder banal oder im Hinblick auf die \'qescnsaussage zur Sprache reduktionistisch, renektierre der Akt des Sprachlichen nicht immer schon seine eigenen Konstirutionsbcdingungen: hier liegt der eigendich sprach theoretische Kern des Humboldtschen Konzepts der ,menschlichen Rede', Immer ist das Wesen der Sprache nicht aus Zeit lind Reflexion genommen. sondern beides ist prinzipiell nicht starr; immer drängt die unvollkommene Vollkommenheit nach ihrer regelrechten, vollkommenen und aktualen Verwirklichung in Akt und Rc-
11'1
vb!. HurnboldlS Vcrorlungl'n des Bl,.1;ri(fs in den folJ,;l'ndcn syslC'muiu:hC'n Vcrknüpfung('n: .. OA dn inlellectudlr Sueben nichl bl"liS den Versl:lnu bcschäftigt. sondern den g1l.nl.cn Menschen .Inregt, so wird aUl:h Jies \'on;ugswtise durch dl'n L:tut der Stimml' bt... fördert. Denn sit l;dll. als IcbendiJ;Cf Klau!;. wi~ d.l$ 3lhml'nd~ Db"cyn selbst• .IUS der BruSI hervor, begleitel, :auch ohne Sprache. Schm..n und frl:ude. Abseheu und Begierd(·. und h:audll ;ll$o doU Leben, :tu:; dem si(" hervorurorm, ill d..n Sinn. Jer sie :tufnimnlt, so wie ;luch die: SprJche selbst immer zugl('ich mit dem dargestellten Obiec.t die d:tdurch her· vorg('br.achte Empfindun~ wlC:derglC~bt und in immer wiederholten Acten die WI'II mit dem Menschen der, .Inders ausgedrückt. seine Sclbsuh:i1igkeit mit seiner Empfänglichkeit in sich zusammenknüpft" (Vn 5"-55). - • Wolii die Spn.che in dem einf:tchen ACll~ Jer GedankUierL.cugung nOlhwcndig mach!. cl,)", wiederholt sieh :tuch unaufhörlich im g~ilitig~n Leben des MenscheIl; die gc:sellige Milthcilung dun::h Spnchc gewinn 11m) Ucberuugung und Anrcttung" (VrJ 56). - .. Durch dc.nscllx-n An, vermöge dessen er die Sprach~:tus sich h~rausspinnt, spinm er si(h in dieselbe ein. und jede zieht um du Volk, welchem sie :tn~ehöJ1. einen Kreis. aus dem l.'$ nur inSQfern hiniluliZugehen möglich ist• .Ils man zugltich in den K,.cis ~incr :tndft"ll hinübcnrin" (VII 60). - .Die Spn.che ist gen.de insofern objec· tiv cinwirk~nd und sclbmündig, :tl$ sie subiccdv gewirkt und :tbhingig ist. Denn sie h:tl nirgends, .luch in der Schrih nichl, eine bleibende Stine, ihr gleichs:lm todlC~r Theil muss inlmer im Denken :lufs neue- cntugt werden. lebendig in Rede oder Verslindniss. und folglich g:t"Z in das Subj«t übergehen: es liegt .Ibtr in dem Aet dieser Erzeugung. sie ger:tde ebelUo zum Objeo zu m:.llchC'n: sie erf'.ihn :tuf diesem Wege jedesm11 die ganZt' Ein· wirkung des Individuum; :.lIbcr diese Einwirkung ist schon in sich durch du. was sie wirkl und gewirkl hat. befunden" (VII 63).
12. I-Iumboldu Verw.lndlunij: Die W"th der SprAche
565
nexion. Aufgrund des zugrundeliegenden aristotelischen Musters des doppelten Charakte.rs der h'TEAEXEla werden so auch die auf den ersten Blick verwunderlich anmutenden Formulierungen, wie ,nie identisch genug' (VB 42) oder auch ,in höherer Vollkommenheit' (VII 57), einsichtig und durchschaubar: Das Totale gewahrt seine immerwährende Unvollkommenheit als seine Zielperspektive in sich selbst und drängt somit stets nach aktualer Vc.rwirklichung. Humboldt hat hier - wie Aristoteles - zwei Bedingungen des Entstchens von Wirklichkeit überhaupt in eins gedacht und im ,Akt dcs Hervorbringcns' der Sprache systematisch gebündelt. Erst so erhält alles ontologisch Durchdrungene bei Aristotcles und aUes sprachlich Ontologische bei Humboldt seinen grundständigen kinetischen Charakter als umfassende Genesis des Werdens und Vergehens. Indem die Sprache Ziel ihrer eigenen Entwicklung ist, ist der ,Akt' das Brennglas der sprachontologischen Genesis, das der Weh als ihr selbst aufliegt: in ihm kompiliert das theoretische Ensemble der Verwandlung der Welt in Sprache, dessen praktischer Vollzug und das normative Grundmuster omologisch-sprachtheorerischer Erinnerung. Damit löst Humboldt (und nicht schon durch die Komplementarität von Stoff und Form) d.ie Dichotomie von Struktur und Kontinuum als im Akt prinzipiell bewegt bzw. tätig auf. Die innere und äußere Paradoxie dieses Vorganges ist das existentielle Fundament des sprachlich-bestimmten Menschen, denn die Sprache hat .. nirgends, auch in der Schrift nicht, eine bleibende Stätte, ihr gleichsam todter Thcil muss immer im Denken aufs neue erzeugt werden, lebendjg in Rede oder Verständniss, und folglich ganz in das SubjeCl übergehen; es liegt aber in dem Act dieser Erzeu· gung. sie gerade ebenso zum Object zu machen: sie erfähn auf diesem Wege jedesmal die ganze Einwirkung des lndividuum~ aber diese Einwirkung ist schon in sich durch das, was sie wirkt und gewirkt hat, gebunden. Die wahre Lösung jenes Gegensatzes liegt i.n der Einheit der menschlichen Natur" (VU 63). Wieder einmal erweist sich djc Einheit der Reflexion von Anthropologie und Sprachtheorie als eines der produktivsten wissc.nschaftStheorerischen Erklärungsprinzipien Humboldts. In der Einheit dieser sprachlichen Natur konstituiert sich das sprachliche Subjekt. Aus diesem ,Akt des Hervorbringens' als primäre Seinserfahrung 7.ieht Humboldt eine Konsequenz., die bereits Aristolcles auf anderer Ebene, aber aus ganz ähnlichen theoretischen Gründen für seine Wirklichkeirskonzeption gez.ogen hat: die des Wirklichkeitsprimats, in Humboldts Konten konfiguriert als Primat des Sprechens vor anderen Erscheinungsformen der Sprache, denn es ist direkt dem EVTEAt-.(ELo-Charakter der Sprache geschuldet, daß man .. im wahren und wesentlichen Sinne (... )
566
Vic"cr Tril: Die Ordnung dtf Spnc.he
auch nur gleichsam die Totalität dieses Sprcchens als die Sprache ansehen" (VII 46) kann. Andererseits wäre es grundfalsch, dieses Äußere des Sprechvorgangs von seinen inneren Konsrirutionsbedingungen, den sprachlic.h-transzendentalen Voraussetzungen der BegriHsbildung, zu trennen. Es ist zwar Humboldts Behauptung, daß vor allem in der ge-
sprochenen Sprache ..das geistige Streben sich Bahn durch die Lippen bricht. (...) Die Vorstellung wird also in wirkliche Objectivität hinüberversetzt. ohne darum der Subjecriviriit entzogen zu werden" (V1I 55. VI 155). Und es ist auch deutlich, daß solche Objektivierung "nur die Sprache" (VII 55) vermag. Dies gilt aber generell für den ,Akt der Sprache', nicht nur für die phänomenologische Komponente ihres gesprochenen Ausdrucks, denn ohne die reflexive Verknüpfung der inneren und iiußeren Ansicht des Akts der Sprache "ist die Bildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich. Ohne daher irgend auf die Mittheilung zwischen Menschen und Menschen zu sehn, ist das Sprechen eine noth~ wendige Bedingung des Denkcns des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit" (VII 55. VI ISS). Das .Entclechet'ische· der Sprache ist somit gerade nicht an Kommunikation gebunden, sondern an Humboldts grundlegende Einsicht, daß 1.11 unser Denken immer sprachlich ist: .,Subjective Thätigkeit bildet im Denken ein Object'" (VlI 55, VI ISS). und diese Objektbildung ist Weltkonstitution als BegriUsbildung. Erst im theorcrischen P:;morama ariStotelischer Ontologie ist in voller Reichweite erkenntlich. was diese ungeheure Behauptung fundien: ..Die Sprache ist' das bildende Organ des Gedanken" (V1l 53, VI 151). Das Ziel, das Tth~, der Sprache ist auf der Ebene der Weltkonstitution die Bildung der Begriffe. im Hinblick auf ihr Wesen ist es das ontologische Postulat, daß das in sich gehaltene Ziel notwcndig zur Vollendung gelangt. Aus dem aristotelischcn Bcgriffspanorama heraus wird darüber hinaus deutlich: Wie das EQyov lexikalisch in der E"Eeynu priisem ist und damit systcmatisch seine Vergegenständlichung unterminiert, so ist das TtAOt;, aus dem gleichen Grund, in der EvtE/..EXELU aufgehoben; und nur, weil das TEÄOt; immer in der EvltHXELCl schon präsent in, macht es überhaupt Sinn. davon zu sprechen, daß tvtQYEIU ,Im-Werk-sein'. Einheit der Wirklichkeit in Tätigkeit, Sein und Bewegung, bedeutet. Verbunden mit der lexikalischen Integration des EQYOV, die hier gleichermaßen die onto· logische apostrophiert, ist die Charakterisierung der tvE.QYELU als an die Verwirklichung des ti>"oa; gebunden. Durch djescs - bei Humboldt sprachlich determinierte - Tt>..O; nun geht die tvtgyEU:l als sprachkonsti· luierende Tätigkeit hin auf die eVu}..t-.(ELQ in ihrer z.weiten Bedeutung. auf die VoUendung im Sinne der aktualen Verwirklichung des AkLS der Sprache. In der doppelten Bedeutung der aristotclisch~humboldtsehenEVlEH-
12. Humboldu Verwandlung: Die Welt der Sprache
567
XElO löst sich somit der Charakter des Etöoe;, der inneren Struktur der Sprache, als vorgegebene, aber doch den Gegenständen jeweils spezifische Konstante einerseits und als Formgeber der Bewegung andererseits produktiv auf. Die tvtEAEXElO als Vollendung wird, versteht man sie im eigentlichen Sinne als sprachliche TaLSächlichkeit, zur EvEQYElO, z.um Orientierungspunkt ,Wirklichkcit' innerhalb des EntwicklungsbegriHcs, der durch dic EVUÄtXUO 6.t€Aite; rcpräscntiert ist, also der tvTEAeXEW, die das Ziel des sprachlichen Entwicklungsprozesses kontinuierlich in sich hält. Das lEhoe; ist doppelte Orientierung als ständ.ig unvollkommene, gleichzeitig aber auch aktual präsente Gewißheit spezifischer Bestimmung, ohne jedoch dabei jemals in sich different zu sein. Damit ist Humboldts ontologischer Grundstein gelegt: Der Akt der Sprache bindet deren ganzes Wesen an den individuellen Menschen, denn "erst im Individuum erhält d.ie Sprache ihre letzte Bestimmtheit" (VIl64). Und in der Wesensbestimmung ihren ersten Grund.
12.6 Das Wesen der Sprache Um Humboldts Wesensaussage zur Sprache richtig zu verstehen, iSl zunächst die Konzeption der OUOlO bei Aristote.les zu erinnern. Hier war auffallend. daß das Konzept keinesfalls eine in sich theoretisch durchgehend kohärentc, geschweige denn in ihren definitorischen Bestimmungen eindeutige Programmatik aufweist. Abwechselnd kann das ,Beharrende', der ,Träger der wechselnden Affektionen' gemeint sein, dann das ,Selb· ständige', dann wieder die de,r Materie innewohnende ,Form', weiterhi.n das ,Wesentliche', dann wiederum das ,Einzelding' selbSl. Auch die ,Malerie', die ,Gestalt' und das ,Produkt' konnten spezifisch als OUcrlQ bezeichnet werden. Vor allem der jeweilige funktionale Rahmen erschließt den Bedeutungsspielraum dieses Begriffs. der wiederum den Konstitutionsrahmen erst beschreibt, i.n dem er Gültigkeit erlangt. .Ei.n systematisch äußerst problematisches Unterfangen, und deshalb hat AristoteIes selbst in der Metaphysik expli7.it eine Untersuchung derart vorgenommen, welch.e der von ihm postulierten vier Hauptbedeutungen ,Sosein', das ,Allgemeine', die ,Gattung' und das ,Zugrundclicgende' auf den oiJoi.a-Bcgriff zutreffen könne und welche nicht. Ergebnis dieser Untersuchung war, daß die erste und die vierte. Hauptbedeurung den eigemLichen Schwerpunkt des Konzepts bildcn, dies sich also wesentlich durch seine doppelte Ausrichtung auf das konkrete Sosein einerseits und auf die Bestimmung als Zugrundeliegendes (also als das, von dem das übrige ausgesagt wird,
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V;~fter Teil: DiC' Ordnung der Spr.lrhc
das selbst aber nicht wieder von einem anderen ausgesagt werden kann) andererseits bestimmt wird. Es sei daran erinnert, daß Met. VlJl [1043h] fensteIlt, daß der ouola als ,Sosein' einerseits die ,Art-Form'. also die Elöor;-$truktur, und and.ererseits die Wirklichkeit, also das fvfQytW.-Posrulat mit allen dazugehörigen Auributioncn, zukommt. Sowohl die Frage der \Virklichkeitskonstitucion wie d.as Problem ihrer inneren Struktur spielen bei der Aufklärung der oiJoia-Konzeption demnach eine zentrale Rolle. In [I045bJ kann AristOtcles dann auch resümieren, daß .. über das nun, was im eigentlichen Sinne seiend ist und worauf alle anderen Aussageweisen (Kategorien) des Seienden zurückgeführt werden. gehandelt worden ist (Um.st.• U.W.), nämlich über das Wesen"180. Gelingen konnte dies, indem AristoteIes auch m.it Hilfe des ouoLu-Begriffs sc.1bst zu dessen eigener Aufdeckung bereit war, also seinen Reflexionsraum der Bestimmung des Wesenscharakters aus diesem selbst heraus zu entwickeln verstand. Es ist nun nicht mehr sonderlich überraschend, daß Humboldt bei seiner Bestimmung dessen, was das Wesen der Sprache ist, alle diese Schwierigkeiten kennt und damit zunächst auch cl.ie h.icflnit verbundenen Probleme übernehmen wird. Er übernimmt aber ebenfalls das gesamte Potential an Chancen, denn in Humboldts sechstem Reflexionsraum zum Wesen der Sprache, dem Raum, zu dem stets die Argumentation konvergiert, spielt neben dem ,W('sens'-Begriff vor allem der Tenninus ,Sprache' selbst die entscheidende Hauptrolle. Humboldt weiß, daß das Wesen de.r Sprache im Grunde diese immer schon seJbst ist, die heuristische Kontextuierung einer Diskussion um das Wesen der Sprache gibt die Richtung an, die aUe sprachtheoretische Aufklärung nehmen muß. Es geht insofern um das ,Wesen' der ,Sprache', als es um das ,Wesen der Sprache' geht, also einen - aus sich selbst heraus erklärenden - Begriff im Horizont der WirkJichkeitskonstitution. In Humboldts Diktion ist die ganze theoretische Unternehmung damit auf "die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefasst" (VII 45), gerichtet. Aus diesem Grunde macht es Sinn, alle Komposita von ,Sprache' diesem Reflexionsraum zuzurechnen, sie messen den Raum allS, der deren Wesen Struktur gibt und geben diese Struktur auch direkt vor. Sie aUe: Sprachähnlichkeiten. Sprachansicht, Sprachbau, Sprachbildung, Sprachclemente, Spracherzeugung. Sprachfähigkeit, Sprachforschung, Sprachgesetze (innere), Sprachgestaltung, Sprnchkraft, Sprachlaur, Sprachmitlhcilung, Sprachorgane, Sprachrcichthum, SprachIIIll
Aristotcles: Met4pJ,ysik. NeulJNrbeitlf1lg d~r ObersnzNIJg VOll N. 80mrz. Mit Einlj'mwg "nd Kommtntar hrsg. von N. Sejd!. Hambufl; (3.. verb. Aun.) 1989-91. 2. HaJbb'lnd. I X. S. 101.
IL I-Iumboldts Vtrwilndlung: Die Weh der Spnlc.hc
569
sinn, Sprachstamm, Sprachstämme, Sprachstudium, Sprachsystem, Sprachtendenz, Sprachuntersuchun~Sprachvermögen, Sprachwerkzeuge, Sprachzergliederung und Sprachen klären den Begriff des Wesens der Sp,rache von innen heraus, beschreib('n das Elöo; des Wesens der Sprache. Die innere Strukcur dieses Wesens ist somit vor allem durch die Attribulionen gekennzeichnet, die der Begriff der Sprache selbst konstituieren und theoretisch vorhalten kann. Lediglich eines, und hier ist Humboldt versländlicherweise selbst unsicher. ist die Sprache nur in sehr eingesch.ränkter Weise, nämlich das kon· krete EinzcJding als reale, artifizielle Tot2.lität, das Ta EX to\fTWV als die ,Verbindung beider' von Stoff und Form. Die Sprache ist zwar real, aber kein Ding. Sie ist nicht in der Welt, wie das .Ding' des AristoteIes, sie ist diese Welt selbst. Kein anderer Begriff taucht daher in der Kawi-Einleitung auch so oft auf wie der Begriff der ,Sprache': Allein in dem näher untersuchten Textausschnitt insgesamt knapp I SOmal. Die Liste der Komposita macht Humboldts Anliegen durchschaubar: das Wesen der Sprache kann nicht erfaßt, sondern nur begrifflich gesucht werden. Hier ist und bleibt Humboldt ganz Idealist. Die ouolo des Arist'Ote1es begreift der Kantianer in ihrer Bedeutung als begriffliche Synthese des Untersuchungsgeg('nsrandes schlechthin. Die Annahme eines ,Wesens der Spra· ehe' ist damit nicht die Behauptung einer autOnomen Dinglichkeit eines solchen .Wese.ns\ sie zeigt die Notwendigkeit und die Einsicht in die begriffliche Erkenntnis der Welt. Kaum eine andere TexlSteile kommentiel1. dies eindringlicher als die folgende, obwohl sie häufig in die genau gegenteilige Richtung imerprericrt worden ist: ..Ohne aber über die Priorität der einen oder andren entscheiden zu wollen, müssen wir als das reille Erklärungspnncip und als den wahren Bestimmungsgrund dcr Sprachverschiedenbeit die geistige Knft der Nationen ansehen, weil sie :t.Ilein Jt'bcndig selbstständig vor uns stehl, die Sprache dagegen nur an ihr haftct. Denn insofern sicb auch diese uns in schöpferischer Selbst· $lindigkeit offenbar, verliert sie sich über das Gebiet der Erscheinungen hinaus in ein ideales Wesen" (VII 42).
Das ideale Wesen der Sprache ist demnach gerade nicht die Behauptung eines losgelösten Sprachwesens, das sich durch die Möglichkeit gegenständlicher Betrachtungsweise jedem sprachwissenschaftlichen Voyeurismus unaufgefordert öffnet. Sie ist vielmehr gerade durch ihre innere Struktur, die sich hier in den Größen .Sprachverschiedenheit' und ,geistige Kraft der Nacionen' manifestiert. Dies gl1rantiert allerdings auch, daß eine Wesensbestimmung immer insofern das ,Sosein' mitbedenkt, als hier niema.ls nur eine beliebig verhandelbare, terminologische Zufalligkeil Ge· mein[ sein kann. Die Sprache ist in der Tat in der Hinsicht ein Wesen. als
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Viencr Teil: Dic Ordnung der Spr~chC'
ihr Charakter nicht auf die Rcne."(ion trifft wie die versuchende Hypothese auf den wissenschaftlichen Gegenstand: .ln dieser Definition erscheint dieselbe als ein durch die Wissenschah gebildetes Abstracrum. Es würde
aher durchaus unrichtig sero, sie auch an sich bloss als cin solches dascynloses Gedankenwesen anzusehen" (VII 47). Sodann ist kbr, daß vieles an der Wesensbestimmung der Sprache unerkannt bleiben muß. Und
es schließt sich der Argument~uionskreis zum ersten, vorgäogigen Rcflexionsr.lUrn, der das Gdtungsareal sprachtheoretischer Erörterung absteckte: ..Wie yiel man in ihr hdtc:n und verkörpern. vcrcinzdn und zergliedern möge. so bleibt i.mmer etwas unerkannt in ihr übrig. und gerade: dies der B~;u· beitung Entschlüpfende ist dasjenige, worin sie Einheit und der Odem eiJ1CS L~bcndigcn ist" (VII 48).
Das Lebendige des Sprachlichen sichert die Uncrrcichbarkeit totaler -analytischer Erklärung des Wesens der Sprache. Erst so bleibt die Sprache wissenschaftlich wertvoll und es enrspricht auch deren Wesen, dessen innere Struktur niemals ganz preiszugeben: "Die Sprache enlhält aber zuglei h nach zwei Richtungen hin eine dunkle, unemhülhc Tiefe" (V1I 62). Nicht nur in die. die dem Menschen den .. Blick in ei.ne unendliche, allmählich weiter zu entwirrende Masse offen" (Vn 62) hält. sondern auch nach .. rückwärts fliesst sie aus unbekanntem Rcichthum hervor" (Vll 62). Wenn die Sprache daher ..auch in der Schrift den schlummernden Gedanken dem Geiste erweck bar erhält, so biJdet sie sich ein cigenthümliches Daseyn, das zwar immer nur in jedesmaligem Denken Geltung erhalten kann, aber in seiner Totalität von diesem unabhängig iSI. Die beiden hier angeregten. einander entgegengesetzten Ansichten, dass die Sprache der Seele fremd und ihr angehörend, von ihr unabhängig und abhängig ist, verbinden sich wirk· lieh in ihr und machen die Eigemhümlichkeit ihres Wesens aus" (Vll 63). Damit wird einerseitS der doppelte Charakter dieses Wesens der Sprache als Allgemeines und gleichermaßen Konkretes möglich: "Denn so wundervoll ist in der Sprache die Individualisirung innerhalb der allgemeinen Uebcreinstimmung, dass man ebenso richtig sagen kann, dass das ganz.e Menschengeschlecht nur Eine Sprache, als dass jeder Mensch eine besondere besiul" (VII 51), andererseirs firmiert die sprachtheorerische Frage zur Kardinalfrage sprachwissenschaftlicher Beschäftigung überhaupt, denn ..das Unerlasslichst(" hierbei ist, dass dem Unternehmen eine richtige und würdige Ansicht der Sprache, der liefe ihres Ursprungs und der Weite ihres Umf~ngs zum Grunde gelegt werde" (VU 53). Diese AuIgabenstelJung umschreibt Humboldts Projekt präzise. Er findet die Antwort in einer großanigen Erinnerung an die aristotelische On-
12. Humboldts Ve.rwllodluog: Die Welt der Spnche
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tologie, eine Erinnerung, die cr in der Transformation ihrer begrifflichen Parameter zu gestalten sucht. Humboldt wird damit beileibe nicht zum wirkungsmächtigsten Aristoteles-Rezipiemen der Neuzeit, vielleicht aber zu dem, der die am weitesten überhaupt zu erreichenden systematischen Konsequenzen für denkbar hielt.
12.7 Schluß: Metamorphosen So gelang .die Verwandlung der Welt in Sprache" (Vl 28). Nichts kam hinzu, nichts ging verloren, alles ist veränden. Die Welt ersteht als Einheit von Sein und Reflexion neu im Gelrungsraum des Sprachlichen. Auf der Suche nach einem Kommentar dieser einzigartigen Unternehmung neuzeitlicher Philosophie begegnet auf der Wegsrrecke zwischen den beiden großen Theoretikern der Dichter. Ovid im fünfzehnten Buch der Metamorphosen: ..Nec specics sua cuique manct, rcrumquc= novatrix ex aliis alias reddit n:uura f.igunls: !lee perit in tOto quicquam, mihi crcditc, mundo, scd variat faciemque novat, nascique vacatur incipere esse .1ljud, quam quod fuil ante, morique, desinere illud idem. cum sint huc forsitan iUa, haec tnnslna iUuc., summa lamen omnia conStant. Nil equidc=m durare diu sub imagine eadern crediderim- 1'1 • .. Keines verbleibt in dersc=lben Gestalt, und Verinderung liebend Schafft die Natur neu neu aus anderen andere Formen, Und in der Weite der Weh geht nichts - das- glaubt mir - verloren; Wechsel und Tausch ist nur in der Form. EntStehen und Werden Heißt nur anders als sonSt anfangen 1..U sein. und Vergehen Nicht mehr sein wie zuvor. Sei hierhin jenes verselZt't', Dieses vielleicht dorthin: im Ganz.en ist alles beständig. Unter dem sdbigen Bild - so glaub' ich - beharrt auf die Dauer ichlS in der Welt" l12 •
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111
f'ublius o\·.ruus Nuo: MrtiJmorphoun. LtumudJ-JrutMh. In Jr"tMhr J la"mC-lr'r Mbrrt7'iJgt'-n wn f... ROMh. Hn""sgtgrlH" von N, flob.bvg. Zürich. Düssddorf 1996. S. 568. Publius Ovidius N.uo: MtriJmorpbo~n. In Jn UbntnJgung wn JoIJlVln Nt'mrich Vojl. Mit JC-lI RaJ,rr,,"gM von Pab/o P,(iJUO lind rmem iJoru,'ort von B. Kytzlt:r. Frankfun 1990. S. 354-)55.
Nachwort:
Humboldts Welt: Schock und Schöpfung der Sprache Die folgenden Untcrlegungen lind Über-Griffe von und auf Humboldts Welt tragen freimütig und gefaßt den Charakter eines Nachwortes. Sie dienen vorderhand dazu, zwei ausgewählten Frageperspekciven in nicht durchgängig wissenschaftlicher Behandlungsart diskursiven Platz zu bieten J die in herausgehobener \'(/eise Konsequenzen (auch) der aristotelischen Fundicrung des Humboldtschcn Sprachdcnkens illustrieren und die auf dem Hintergrund der bisherigen theoretischen Ausarbeitungen nun greifbar werden können. Die folgende Demonstration erhebt daher nicht den Anspruch, die zugrunde liegenden theoretischen Problemstellungen ausführlich zu analysieren, sie nutzt vielmehr in Stil und InhaJt die Cha.ncen. die einer eber essayistischen Reflexionsmodalität, die sich auf ausgewähhe Textpassagen beruft, eigen sind. Es st.eht immerhin an hand von z.wei zentralen Fragen der exemplarische Aufweis dafür an, daß Huroboldt mit seiner Aristoteles-veranrworteten sprachtheoretischen TheorieentwickJung nicht wissenschaftliche Se1bsuhemarisierung betriehen hat. sondern daß hier eine Reichweite von Relevanz angesprochen ist, die alles menschliche Denken und Handeln umfaßt und letzdich auch zur Veränderung bereitstellen will: HumboldlS Welt als Raum des besseren Handelns, als lTt>
574
Nachwort: Humboldlj; Welt
1. Sprachhandeln als Welthandeln: Wirkliches Verstehen Als Zweck der Sprache hat Humholdt bestimmt: .,Sie hat zum Zweck das VCfständniss" (VII 47), und sagt damit schon ullmißvcfS[ändlich inklusive, daß der Begriff des Verständnisses nicht auf die bloße Kommunikation reduziert werden darf: .,Die zu.nächst liegende. aber beschränkteste Ansicht der Sprache ist die. sie als ein blasses Vcrständigungsmirtel zu betrachten" (VI 22). Humboldt wehrt sich gegen eine Sicht on Sprache, cl.ie diese nur als Aust.\usch konventionel! codierter Zeichen notiert. Er bezieht diese vielmehr - wie AristOlclcs übrigens auch - signifikant auf Ge-
sellschaftlichkcil als Dimension und Phänomt"n ihrer Wcscnhaftigkcir. Der ,innere Sprachzweck' weist auf ein solches Verständnis hin, darf aber nicht, wie aufgezeigt wurde, als Mysrifizierung mißverstanden werden. Der Zweck der Sprache ist bei Humboldt zunächst einerseits Rückruf in ,Verfahrensfragen', und zwar derart, das Wesen der Sprache und deren Umersuchung nicht nur in ihren äußeren Erscheinungsformen zu bemerken. Andererseits verweist Humboldr auf ein umfassendes hermeneutisches Verständn.iskollZept, das erst in der Kombination mit der These der sprachlichen ,Welransichten' wirksam wird. l T, Borsche hat die BcdeuVgl. zum ,Wcltansicluen'-Moti\' HumboldlS und :tUT Vt'rS"l/:hel\~problt'matik:ßor$(:ht,. T.: Wif!Jrfm t1(1/1 ,",umboMt. Miinchcrl 19'>0. S. 156-170. - Ourkhmlt. A.: *I)cr Dialogbcßriff bt'i Wilhc1m von Humbuldt". In: Höbeq;, R. (Hrsg.): Spracht: uml HilJung. ßr'l/riige zlfm I JO. Todtstag Ult11Jrlm VOll J-IumbotJu. D.lrmsl:uh 1987, S, l;ll-In. - ChflStmann. 1-1. H.: Bl,/trage tur Ct'rouc1Jtl' der 1'1JI'j(' 'IIOf" UHtbl1d tlrr Sprnt!Jt'. "'hinz 1%7. - Dl CC'.sue, 1).: "lndi\,jdu;lJiriil der Spracht' und Vel'llt:hen dcs Anderen. l-fumbuldlS dialogiS-'he Hrnlll" neulik-. In: ImentariQn,l/r Zmschri!t fiir PhIIQsophi/!. J~.I996, H.l. S. 160-18·1. - Hasskr. G.: ~Zur tdlun!; von Humboldu ,sprachlicher Wehansichl' und seiner Konzeptiun d..-r Sprache als org30h,hcs G;mzes in Jer Gcsdüdllc der Spradllhroricn;o. In.: Spreu, A.. und BonJzio, W. (Hrsg.): /-J"mbQ!dl,Cflmm-KQIl!erellz. Brrlin. 12-15. Okrob"r /985. Berlin (DDR) 1986. 5. 16J-27-1. - Hc-cschen, V.: ~Wdun$ichl - Reßt!JIiulIcn ubcr einen Begriff Wilhdnl vOll I-lumboldu:*. In: /-Jistoflograp/'ia Lmglllsl;ca. Ud. IV (l977l. S. 15')-190.Hennigfeld, J.: ..Spracht' als Welt:losichl. Humboldl- Nietzsche - Whorf~. In: ZPhF. JO. Jg. (1976). $. 4J5--I51. - Hoberg. R.: ..Die spr.lchlichell We!tallsichllw bleichen sich an. EiD BegriH Wilhelnl von Humboldts und die I;cgcl1w;lrtige Spra.:hl'OlWicklunl>~. In: Jcrs. (Hrsg.): Sprachr lind Bildung. Bcltra-gl' wm HO. Todcs14g Vf',JI,cfm VOll Hllmbotd/f. D.lflllSt.ldr 1987. S. 217-135. - h'C), H.: _Wilhdm von Humbl>ldlS Sprache dts Diskurses. Zwischen Weltansiehten und allgemeiner Gramm;llik-, In: Müller·Sicvers, H. (Hn!;.): I'oe· llk. H IImbalJI. Herm/'IlCUlik: Studie,l für K~rt Mllt:fler-VoIlmcr ZIl'" 60. CebJlYtstag. Tü· bingen IQS8. S. 67-104 (= In: Kodik.:u/CoJe. Ars SCI\1C!imju. I LBd.11988]. H. 1/2). - Jä· ger, l.: Ober die Indh'idualität VOll Redc und Verslehen - Asp('ktf' einer hermeneutischen Semiologie bei Wilhdm von HUnlboldf~.ln: Fnnk, M. und I-!;Iverkamp, A. (I-1f$H'): 1mb· 'llldJft~Jitiil. Aklen des KolloqUIums .J'O<'llR und H~nm.'"cu/lk'. München 1988. S. 7(,·94. Menze. c.: *Sprc"hcn, VerslebeIl, Aotwone:ll als ::rmhropologische Grundphiillomene Hl dcr Sp(~,hphi1osophic Wilhe1m \'(\11 l-!umhl)ldts-. In: PiiJ
Nachwort: HumboldLS Weh
575
rung des Zwecks der Sprache als Option der hermeneuuschen SprachWeIt so zllsammengefaßt: ..Denn die Vermittlung von Individuum zu Individuum kennt kein Gesetz. Kein allgemeiner Zweck leitet sie. und sie ist doch jederzeit zweckmäßig. Kei.n aUgemeiner Verscand bindet sie, und sie ist doch jederzeit verständlich. Die Zweckmäßigkeit der Sprache ist allein ihre Verständlichkeit. al
Der Zweck der Sprache ist vor allem: Verstehende lntersubjcktivität. Bei der Klärung aristotelischer Sprachtheorie ist deutlich geworden, daß die Annahme einer naiven Repräsentation geradezu 1.um unerläßlichcn Know-how antiker Erkenntniskritik gehören muß. Nur in der Trennung der Welt der Gegenstände von der der Sprache kann die Findung der Wahrheit allein der unerbittlichen Diagnose der Schlüsse vorbehalten bleiben: die Welt der Wirklichkeit erhält ihrc Gewißheit und ihre ontologische Redlichkeit aJlein durch eine Sprache der Wahrheit. I.n der Welt Humholdts jedoch. in der alle Weltgeschichten Sprachgeschichten sind, muß die Wahrheit anders begehrt, gesucht und ertragen werden: Wie wird eine Sprache der Wcltkonstitutionen konkret? Wie ist Individualität und Freiheit gesichert? Gibt es Wahrheit, die legitimationsfähig oder legitimationsfenig ist? Was wird überhaupt verstanden? Ist soziales Handeln schlechthin erträglich? Humboldts Entwurf zu diesem Fragekomplex, der hier nur in Ansät· zen skizz.ierr werden kann, ge.hört zu dem Humansten und in seiner erbarmungslosen Lautlosigkeit vielleicht Unentbehrlichsten, was neuzeitliches Denken überhaupt hervorgebracht hat. Einige prominente und gleichermaßen berüchtigte TextsteIlen sollen dazu noch einmal. nun unter der Fragestellung der Wahrheitsreflexion im Horizont der neuzeitlichen Konstitution des Subjekts, untersucht werden. Als besonders ausgewiesen (1963), S. 475-489. - Ncumllnn. W.: MSptölchliche Wd('OlfUicht- Iheoria lingu", (um praxi
hiSloricOl In: das. und l«'hrmeier. B. (Hrsg.): 8f:Jel4llmgr1! lind Idf:l'll i" Sprn<1Jm lind TI'Kun. Berlin (DDR) 1987. S. 153-173. - Ried<'!, M.~ Vmuhe" oder Erklitrtn' lllr iheor;r u"d Gtuhkhtt h cmnt1ltl41isthm \V;uenKha.ftt'1l./I V. KapIteL· IHsUJrlJtlJt, pJJtJOJOglseilt jmd pbiJos()phischt Erk"'''''lIIir. \t'llht'im tJi,m Numboldt "nJ dir bcrmcneuwd)l! \Vtr/dl! drr PhiJosophirj. Slungan 1978. S. 13·40159. - affer, SI.: SpraclJmditJidHalitär: UrlursucJ1Iwgl!1l zlim Weftansic),lStheorcm bei \Vilbelm WIZ l-/umboldl und Marti" Hrid('ggl"r. Aachen (Diss.) 1~6. - Slcuer, eh.: ~ Welt<1n5ithlCn - Wilhelm von Humboldu Idee einer ~lgcme;nen Spnchkunde. Zum Verhältnis von Philosophi(' und Spn.l.'hwisscllschafl". In: Regt'gllung mit drm .Fremde,,'. Grellu" - TrIfJitlo"clI- Vtrg/...icJu. "'kun des VIlJ. lmf'77latifma.lrn Gmn,,,,isten Kongrma Tok)'o /990. München 1991. S. 20(,-2 I" (Bd. 111). - Thurnt'f. R.: Di(' Offenbt'il Jer Spr
•
an
NJchwC>rl: HUnlboldl$ Welt
576
gilt die These Humboldts) daß jedes Subjekt in seiner SubjekLhaftigkeit eine eigene ,Weltansicht' halte. In Grundzüge des allgemeinen Spracbrypm und später in der Kawi-Einleitung ist zu lesen: ..Da :aller objcctivcn Wahrnehmung unvermeidlich Subjectivität beigemischt iSl, so kann man, schon unabhängig von der Spr:tchc, jede menschliche! Indi~ viduuitit 31s einen eignen Standpunkt der Wch:msicht betracbten'" (V 387/ VII 60).
Augenfällig ist hier vor allem die Betonung des eigenen Standpunktes als für jede Weltansicbt fundamental wie auch die Charaklcrisierung des un-
vermeidlichen Subjektivitätsanteils bei der - immerhin möglichst objektiven - Wahrnehmung. Irreführend jedoch scheint auf den ersten Blick die Loslösung des Arguments von der Sprache. Dies hat wesentlich methodische Gründe, ist gleichsam .,nur fiktiv"}. Gcnaugcnommen wird hier nicht das Argument von der Sprache gelöst, sondern der Argumentierende wiU deutlich machen, daß d.ie Einsicht, die er vertritt, für ihn so übergreifend und unmirtelbar einleuchtend ist, daß sie auch erkannt und begründet ist ohne das. was erSt gezeigt werden soll: Daß nämlich in und durch die Sprache die individuelle Weltansicht sich gründer. Denn an gleicher Stelle heißt es: .. Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich. ja. da Empfinden und Handlen in ihm von seinen Vorstellungen abhängen. sogar ausschlicsslieh so. wie die Sprache sie ihm zuführt" (Vli 60).
Der Mensch ist somit panoptischcs System seiner in der Sprache manifest werdenden Vorstellungen und begründet darin seinen eigenen WeItstandpunkt. Nun wehrt sich Humboldt hier vehement gegen jeden reinen Subjektivismus, dogmarischen Solipsismus oder radikaJen Konstruktivismus, denn die Individualität ist wesentlich sprachlich begründet und somit nicht den einzelnen Menschen vorbehalten~ sondern gilt - anders. aber eben auch - für Sprachgemeinschaften: ..da auch auf die Sprache in der· sei ben Nation eine gleichartige Subjectivität einwirkt, so liegt in jeder Sprache eine eigemhümliche Weltansicht'" (VlI 60). Dieses Argument und der Weg zur Wahrheit, wie Humboldt ihn versteht. nehmen den Tegeler Philosophen gegen Vorwürfe jeder totaJen sprachlich·amhropolog'ischen Vereinseitigung von Wahrheit in Schutz. Verstehen ist bei Humboldt immer mögljch und deren Differenz dringend geboren: die ,Wc1ransicbten' können sich kennen und erkennen, weil die eine die andere jeweils als solche wahrnimmt. I
BorsdlC~,
T.:
W'i/h~/m
fJon Humbo/dt. 2.a.0.. S. 157.
Nachworl: Huroooldu Weh
577
Welcher Begriff von Wahrheit kann aber angesichts solcher sozial verantworteter Vagheit überhaupt noch geltend gemacht werden? Am Anfang steht für Humboldt das notwendige Postulat, daß es ,Wahrlleit' überhaupt geben kann: ",Obgleich der Erkenntnissgrund der Wahrheit, des unbedingt Festen, für den Menschen nur in seinem Inneren liegen kannl< (Vil 56), liegt diese eigentlich in jedem Menschen selbst. Humboldt erweist sich hier als aufgeschlossener Aufklärer par excellence. Die Chance einer das Subjekt entlastenden transz.endenten Wahrheit verwirft cr zu Gunsren des modernen Mensc.hen. der in sich selbst um seine und damit um die Wahrheit schlechthin weiß. Sofort trin die Erinnerung an Anstoteies' Etooc;-BegriIf ein: lndividualität wird gerade möglich durch die Generierung des Allgemeinen ohne transzendente Bürgschaft. Der entscheidende Charakter der Wahrheit ist da..~ unbedingt Feste, also vor allem die Erkenntnis, daß sie etwas ist, waS dauerhaft Geltung und überindividuelJen Zugang garantien. Die Stärke seiner Argumentation in diesem Zusammenhang ist nun (wie so oft), daß Humboldt nicht nur als Ol1tologe und Sprachtheoretiker, sondern auch Anthropologe agiert und darum weiß, was der Mensch leisten kann und was nicht: "so ist das Anringen seines geistigen Strebens an sie (die Wahrheit, V.W.) immer von Gefahren der Täuschung umgeben. Klar und unmittelbar nur seine veränderliche Beschränktheit fühlend, muss er sie sogar als etwas ausser ihm Liegendes ansehn u (VII 56). Selten ist Ontologie so menschlich gedeutet worden. Zur Erkenntnis der Wahrheit bedarf es zunächst der Erkenntnis des Eigencn als beschränkt und eingeschränkt, und es bedarf einer Einsicht in die ambivalente Perspektive der Wahrheit im lnnern und des dementspre· chenden Such vorgangs außerhalb. Diese Einsicht Humboldts kann nicht hoch genug eingeschätz.t werden und muß alle Versuche, ihn zum Vertreter eines tot.llen Subjektivismus zu stilisieren, von vorne herein scheitern lassen. Vielmehr bindet er die Wahrheitssuche wesentlich an die Mitsubjekte: "und eines der mächtigsten Mittel, ihr (der Wahrheit, U.W.) nahe zu kommen, seinen Abstand von ihr zu messen, ist die gesellige Mittheilung an Andre. Alles Sprechen, von dem einfachsten an, ist ein Anknüpfen des einzeln Empfundenen an die gemeinsame Natur der Menschheit" (Vn 56). Wahrheit ist so als Referenzbegriff bei Humboldt konstitutiv und unentbehrlic.h, ohne transzendent diese auf Dingliches festzulegen, sie ist Wahrheit inhaltlich zunächst unbestimmter Referenz. Um den Vorgang der Wahrheitssuche nun systematisch zu hinterfragen und zu entdecken, ordnet Humboldt die kommunikative Konsistenz der sprachlich verfaßten Welt in Ich, Du und Er. Damit das Subjekt, das leb, sich erkennen kann, ist es auf die eigene Konstitution durch das Du ange• wiesen:
578 ..1m Menschen aber ist das Denken wesentlich 3.11 gesellschaftliches Dascyn gebunden. und der Mensch bedarf. abgesehen von allen körperlichen und Empfindungsbeziehungen. zum biossen Denken eines dem Ich entspn'chcn~ den Du. (...) Ocr Begriff erreicht seine Bestimmtheit und Klarheit crst durch das Zurückst'T3hlcn aus einer fremden Denkkraft". Er wird, wie wir im Vorigen sahen, erzeugt. indem er sich aus der b('wegten Masse des Vorstdlcns 105fcisst, und dem Subject gegenüber zum Objccr bildet" (VI 160).
Der Weg der Objektivierung der Gedanken ist demnach in der Sprache zu suchen, die die Gewähr daHir bietet. da{~ in meiner Subjektivität erst Objektivität wahrnehmbar wird: "Denn indem in ihr (der Sprache) das geistige StIcben sich .Bahn durch die Lippen bricht. kchn das Erzcugniss desselben zum eignen Ohre zUrÜck. Die Vorstellung wird also in wirkljchc Objecrivität hinübcrversclzt. ohne darum der Subjcctiviliil cntzogen zu werden. Dies vermag nur die Spr2chc" (VI 155).
Wohlgemerkt emstehr die Objektivitär, ohne der Subjektivität entzogen zu sein. Hier zeigt sich die eigentliche omologische Spezifikation der Sprache, die djescs erst ermägljc.ht. Ohne d.ie Sprache ist das Denken, die Bildung des Begriffes, unmöglich. Die ontologische Integration von Vorstellung und Sprache überbrückt die Starre Grenzziehung von Subjektivität und Objektivität, Begriffsbildung wird zum Fundament eines beide Facelten integrierenden Erkenntnisprozesses. Humboldt kehn mü dieser Argumentation wieder zu seinem systemarischen Ausgangspunkt, dem ,Thätigkeit'-Begriff im Horizont der EvEQyEI,.O" zurück, dessen subjekriver Aspekt nicht anders als sprachlich verstanden werden kann. Aus dieser Sicht heraus wird eine zentrale Umwertung herkömmlicher Erkenntnistheorie generiert: Es ist vor allem das Subjekt dasjenige. was die Objektivierung der Gedanken für SJ'ch konstitutiv braucht.. Die Lesart des - über seine Beschränkung unterrichteten - Menschen ergeht folgendermaßen: ..subjeaive (Herv., U. W.) Thätigkeit bildet im Denken ein Object. Denn kei-
ne Gattung der Vorstellungen kann als ein bloss c-mpfangendes Beschauen eines schon vorhandenen Gegenstandes betrachtet werden. Dic Thiitigkeit der Sinne. muss sich mil der inneren Handlung des Geistes ryflthetisch verbinden. und aus dieser Verbindung re isst sich die Vorstellung los~ wird, der subjectiven (I-Ierv., U.W.) Kraft gegenüber. zum Objea (Herv., U.W.) und kehrt, als solches auf neue wahrgenommen, in jene zurück. J-herzu aber ist die Sprache unentbehrlich (I-Ierv., U.W.)" (VII 55).
Und für die Suche des Ich nach der Wahrheit das Du. Damit ist auch einsichtig, warum, wenn wir von der Argumenration des sprachlich handelnden Subjektes ausgehen, nicht das Du die rcferemielle
NJchworl: Humboldu Welt
579
Welt und damit Orientierung reiner Objektivität ist. Genaugenommen ist es eine Frage der Hinsicht: "D u aber ist ein dem Ich gegenübergestelltes Er.lndem Lch und Er auf innrer und äusserer Wahrnehmung beruhen,
liegt in dem D u Spontaneitaet der Wahl" (VI 161). Im Du also, in derfreieo Kommunikationswahl, liegt die eigentliche Möglichkeit der Freiheit begründet. Eine Welt aus Ich und Er kann nicht anders als kausal verknüpft sein, weil die individualitiitskonstituierende variable Reibungsnäche zur Wahrheitsbestimmung fehlt. Falschheit wäre hier unmöglich) das Subjekt in einer Welt aus leb und Er kausal gefangen. Individualität erloschen. Erst das Du ermöglicht das Untcrschiedliche, das Untcrscheidbare, die Möglichkeit differentieller Beurteilung und damit - den unmittelbaren Zugang zur Welt produktiv brechend - die Freiheit allen Denkens und HandeIns. Es ist der Initiator dieser freiheitlichen Entwicklung. Allein hingegen droht das Subjekt mit dem Objektivierungsprozeß überfordert:
.Es genügt jedoch nicht, dass diese Spaltung in dem Subjecte allein vorgeht. die Objectivität ist erst vollendet. wenn der Vorstellende den GI.-dankcll wirklich ausser sich erblickt. was nur in einem andren. gleich ihm vorstellenden und denkenden Wesen möglich ist" (VI 160). Der Mensch bleibt stets Individuum, (rotz der Festlegung auf Du und Er. Ich und Du machen gemeinsam das Er zum Gegenstand ihres sprachlichen Handeins und bezeugen damit die Abhängigkeit der Weh von der Konsciruierung durch die lndividuen. Sprachliches Handeln ist individuell vermitteltes Denken von Welt in Wort und Antwort. In einem solchen Dreieck der sprachlich vermittelten Wahrheit - und das ist eine neuzeitliche Geometrie der Sprache, die Aristoteles notwendig fehlt - erhält das Individuum damit die Chance, mit der Welt seine eigene Individualität weiterzuenrwickeln: "Denn tief innerlich nach jener Einheit und Allheit ringend, möchte der Mensch über die trennenden Schranken seiner Individualität hinaus, muss :!ober gerade. da er, gleich dem Rjesen, der nur von der Berührung der müncr· lichen Erde seine Kr.tft empfängt, nur in ihr Stärke besitzt. seine I.ndi\'iduali· t':llet in diesem höheren Ringen erhöhen. Er macht also immer z.unehmende Fortschritte in einem in sich unmöglichen Streben" (VI 125). Im Dreieck der sprachlich vermindten Wahrheit ist IndividuaLitätsent· wicklung immer unabgeschJossene Unternehmung, und gerade durch ihre Beschränktheit werden die Subjekte gesellschaftlich: "Doch ist es immer die Sprache. in welcher jeder Einzelne am lebendigsten fühJr. dass er nichts als ein Ausfluss des ganzen MenschengeschJechts ist" (vn (4). Damit ist der Weg frei für eine sprachtheoretisch, ontologisch und anthropologisch fundierte Philosophie der Toleranz, die an einem Begriff
N:lchwon: I-lumboldts Wch
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des wirklichen Verstehens orientiert ist. Die Sprache bindet uns im Verstehen an unser Menschsein, der Mensch versteht sich selbst nur mit anderen, also dann, wenn "cr die Verstehbarkeil seiner Worte an Andren versuchend geprüft hat" (VI ISS). Er muß im Dreieck der sprachlich vermittelten Wahrheit jedoch auch eine tragische, aber dennoch unumgängliche Erfahrung machen, die letztlich seine Freiheit erst restlos garantiert:
..Alles Verstehen ist (...) immer zugleich ein Nicht-Verstehen. eine W:lhrhcit, die man .luch im pr1ktischcll Leben trcfOich benutzen k..nn, .3l1e Ucbc.rcinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich cin Auseinandergehen" (Vl 183).
In der Differenz-Erfahrung zwischen sich und anderen merkt das Subjekt. daß es immer nur teil·verstebt, weil der andere das - im Sin.ne einer hermeneutischen Totalitätsbehauptung - prinzipiell nicht Verstehbare bleibt. Es lernt, daß es Fragen zwar stellen, aber nicht immer Antworten erwarten kan,n. Die hermeneutische Annexion des anderen bleibt versagt und zerschellt nicht am Du, sondern an den Möglichkeiten des Icbs. Die Individualität des anderen ist dann auch nicht als lldcmitiit' im Sinne statischer Bedeutungszuschreibung apodiktisch bestimmbar. ldentit.~tsbe stimmung verführt, den anderen auf einen zur Unbeweglichkeit massierten .Begriff' 'Zu bringen, und zwar dahingehend. ihn 7.U einem objektiv Allgemeinen, soz.ial Verfügbaren und herrschaftlich Disponiblen zu machen. Das gerade nimmt ihm seine "Individualität und macht ihn vom Du zum Er, vergegenständlicht seines Wesens beraubt wie die Sprache als zu Tode funktionaJisiertes EQyOV. Erst objektiv gleichgeschaltet ist das zum Er gewordcne Du dem Ich nicht mehr gefährlich, ein Verstehen nicht mehr notwendig. Allein Widerspruch also erhält Verstehen lebcndig. Mit Humboldt können wir dahe.r eine Ethik des Wide,rspruchs in dem Sinne begründen, daß wir vor allem im Widersprechen die Andersanigkeit und damit die Individualität" des anderen erkennen und anzuerkennen bereit sind. Wir sind gerade nicht bestimmt, uns und andere absolut als IdcmitäLSlatisch zu (enr- )setzen. weil wir uns dadurch illegitim die Möglichkeit der Herrschaft durch Nivellierung der anderen Individualität versprechen. 1m Verstehen dagegen wissen wir um das Nicht-Verstehen des anderen, erfahren dessen \'qa.hrheit :lls different zur eigenen. Das erst begründet seine Freiheit und letztlich auch unsere: Der Begriff einer Wahrheit der zugelassenen Differenz ist der Schlüssel zu Humboldrs .Hermeneutik' der Toleranz.. In diesem Horizont kann für Humboldts Weh mit T. Borsehe resümiert werden:
N;lchwon: Humboldt.~ weh
581
.. Im wirklic.hen Verstehen lassen sich die Subjekte gegenseitig (rei. Jedes gesteht dem anderen zu, eigene Ansichten dcr Gt."gcnstände zu haben, solange diese ihm nur irgendwie verständlich erscheinen..•.
Die Ethik der Wahrheit, die AristoteIes nur durch eine Sprache der Wahrhe.it gegen eine abgetrennte Welt der Dinge möglich schien, wird bei Humboldt in der Welt der Sprache durch die Toleranz der Individuen gesichert: .. Die Frage einer Grenzziehung zwischen der zweiten und der dritten Person wird aus dieser Humboldrschen Sicht zur Grundfrage einer Ethik der lndividualirä["5. Und letztlich zur Grundfrage einer Ethik der Moderne überhaupt: .oie Besinnung auf die Welt der Sprache ist die Besinnung auf eine Welt der Humanität - als stets zu verhandelnde Suche nach der Wahrheit der Subjekte. Genau das ist Humboldts Projekt des Wirklichen, das in der sprachlichen Verst~hensbemühung um das eigene Verständnis des jeweils anderen seine höchste Zweckmäßigkeit erfährt.
2. Geschichtsvermögen: Über die Aufgabe des Sprachschreibers Eine intersubjektiv erreichte Wahrheit der Welt der Sprache ereignet sich in der Geschichte, R. Haym hat bezüglich der entsprechenden wissenschaftstheoretischen Kornmentierung dieser Beobachtung auf Humboldrs Kawi-Einleitung verwiesen, in der ..wir beständig auf der Höhe jener Anschauung erhalten werden (Umsr., V,W,). welche das allgemeine Sprachstudium durch den Begriff der Erzeugung und Entwickelung menschlicher Geisteskraft zum integrierten Theile der universellen Geschichtswissenschaft macht" 6• Bei Humboldt greifen die Geschichtlichkeit der Sprache, d.ie sprachphilosophische Theoricbildung und eine geschichtsphilosophisehe Verortung des Vergleichenden Sprachstudiums so ineinander, daß in der Ergänzung und Integration der diesbezüglichen unterschiedlichen Gegcnstands- und Reflexionsbereiche - vielfach sogar über die hier genannten Wissenschafrspcrspektiven hinaus - der universelle Blick des Humboldtschen Wissenschaftspanor2mas sich c"tfaltet. 7 • Borseht'. U/ilhelm (Ion HHmboldt, 3.3,0.. S. 170. !
~ 1
Ebd. H.:aym, R.: Wi/hf!/m (/011 Nlfmbo/th. Ll!bembl/d und ClMraktmml:. Bcrlin (Nachdruck 1965) 1856. S, "4-1-4"5. Vgl. Borsehe, WiU,e/m wn HHmboM, ,\.a,Q" S. 65-78. - EhJC'n, L.: .. Dife Entwicklung der Geschichtsphilosophie W. von Humboldts". Ln: Archi'fl für Geschichte .Ier PlJilosophie, 24. Jg. (1911), S. 22·60. - SchlcTilth, B.: ..Oit: Geschichtlir;hkcit der Sprache und WiJhdm von
582
N~chwon:
l-IumboldlS Weh
Humholdts integriertes Erkenntnisinteresse wird vor allem dann dcut lieh, wenn die Sprache als geschichtliche Erfahrung den Begriff des individuell Allgemeinen, z.B. anhand des Charakters der Nationen, suchl. Das zu erkennen, was in diesen als Geist wirkt, ist sowohl die Aufgabe des Vergleichenden Sprachstudiums als auch die des ,Geschichtschreibers'. Wie aber versteht Humholdt das ,Phänomen' Geschichte? 1st es legitim und wenn ja, in welcher Weise, Humboldt als integrierten sprachtheoretischen und gcschichtsphilosophjschcn Archäologen zu bezeichnen? Welche sißJlVolle Kommentierung der bereits sprachtheorccisc.h belegten Einsicht, daß es sich bei Humholdt$ Wcltverwandlungsprojckt um eine großartige Erinnerungsieistullg im Hinblick auf eine Transformation theoretischer Grundmusrer abendländischen Denkcns handelt., wird deullieh, gewahrt man dessen rekonsrruklives Bild der Geschichte? Der Tege1er Philosoph hat vor allem in drei Abhandlungen zur Geschichte und deren wissenschaftlicher Behandlung Stellung genommen: Zunächst in den Belrachumgen über die Wlelr.geschichte und den BeIrachlungen über die bewegenden Ursachen in der WcllgcschichJe - zwei Schriften, die Humboldt selbst in Briefen kaum erwähm und die wohJ 1812 in Wien und 1818 in London entstanden sind. 1I Entscheidend ist jedoch die geschichtstbeoretische Hauptschrift Ueber die Aufgabe des Geschichtschreibers, die Humboldt am 12. April 1821 vor der Berliner Akademie vortrug. In dieser zentralen Abhandlung spezifiziert bzw. charakterisiert Humboldl - ein erster Hinweis auf das zugrunde liegende Geschichtsbild - die Frage der Geschichrsschreiblmg als eine solche der Tätigkeit des Geschichtsschreibers: nDas Geschäft des GeschichLSchreibers in seiner letzten, aber einfachsten Auflösung ist Darstellung des Strebens einer Idee, Daseyn in der Wirklichkeit zu gewinnen" (IV 56). Hier wird das doppelte Prinzip von Humboldts Archäologie deutüch, nämlich das Geschehene zu sichte1l und gleichermaßen das innere Wirkprinzip zu erkennen. Erst dann ist Wirklichkeit vollsränd.ig erfaßt. Zum besseren Verständnis der spezifischen Struktur dieser Doppelperspektive schreibt er: 4
,.Die Aufgabe des Geschichuchreibers ist die Darstellung des Gesc.hehenen. Je reiner und vollständiger ihm djese gelingt, desto vollkommener hat er jene gelÖSt. Die einfache Darstellung ist zugleich die erste, unerlässliche Forderuog seines Geschäfts. und du Höchste, was er z.u leisten vermag" (Ueber die Alt/gabe des GeschichLSchTeibers, rv 35). Humboldts Sprac.hphilosophiC'M . 1n: ders. (Hrsg.): WitJJttm oon Humboldl. VorrraguyltluJ zum 150. Todestag. Bcrlin 1986.5.212-238. • Vgl. zur historischen EiuQrdoung Bonchc. Wilht'lm 'IIon J-JHmboldt, IU.O.. 5.66.
Nachwort: HumooldlS Weh
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Obwohl dies das ,Höchste' ist (und entgegen vordergründiger Betrachtung auch unglaublich schwer, wie Humboldt weiß), ist es jedoch bei weitem immer noch zu wenig, denn rojt ..der nackten Absonderung des wirk.lich Geschehenen ist aber noch kaum das Gerippe der Begebenheit gewonnen. Was man durch sie erhält, ist die nothwendige Grundlage der Geschicht~ der Stoff zu derselben, aber nicht die Geschichte selbst" (IV 36). 50 kommt zur ,unerlässlichen Forderung seines Geschäfts" der Kenntlichmac.hung der geschichtlichen Tatsachen, eine zweite~ ebenso notwendige, hinzu: Das Erkennen der o.g. inneren Wukprinzipicn der Gesc.hichte: "Diese innere Wirkung muss die Geschichte immer hervorbringen, was auch ihr Gegenstand ,seyn möge, ob sie ein zusammenhängendes Gewebe von Begebenheiten, oder eine einzelne c=r.t:ihle. Der Geschichtsehreibc=r, der dieses Namens würdig ist, muss jede Begebenheit als Theil eines Ganun, oder, was dasselbe ist, an jeder die Form der Geschichte überhaupt darstellen" (IV 40·41).
Den geschichtlich gegebenen Tarsachen steht demnach die Klärung dessen gegenüber, was die innere Sinn-Ord.nung, das ganzheitlich wirkende 5trukrurmuster, dieser Tatsachen ist, und das diese damit erst ,wirklich' zur Geschichte macht. Was Humboldt mit einer solchen, jeder positivistischen Tatsachenbeschreibung zunächst diametral gegenübergestellten AufgabensteIlung für den ,Geschichtschreiber' meint, läßt cr u.a. in Abgrenzung zu anderen Geschichtsmodellen explizjt erkennen. Humboldt betont nämlich, daß es mehr als e,inen Versuch gibt, "die einzeln zerstreuten, und scheinbar z.ufälligen Weltbegebenheiten unter Einen Gesichtspunkt zu bringen, und nach einem Princip der Nothwendigkeit aus einander herzuleiten. Kam hal dies zuerst am meisten systematisch und abstract gethan; mehrere sind ibm nachher hierin nachgefolgt; alle sogenannte philosophische Geschichten sind Versuche dieser Art, und die Sucht, Betrachtungen über die Geschichte anzustellen, hat fast die Geschichte, wenigstens den geschichtlichen Sinn, verdr:ingt" (Betrachtungen über die Welt-
geschichte, 111 350).
Der ,geschichtliche Sinn< wird also gerade durch die Totalisierung der der Geschjchte übergesrülpten Modelle zerstört. Die Geschichte wird durch das verdrängt, was sie gerade niemals sein kann, das Geschehene wird ersetzt durch das Wunschbild: die Modelle behaupten - Humboldt antizipiert hier.M. Foucaults Kritik-Muster - ih.r ejgencs Sein gegen ..d.ie lebendjge, zerbrechliche, zitternde ,Geschichte'O<9 selbst. Die Konsequenzen hat Humboldl deutlich vor Augen: , FOuColUtt, Archa%gic drs \Visuns, FrankEu" ;Im M:lin 1994. S. 22.
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N3Chwort: I-Iumboldl$ Welt
.Aber dics(' Systeme haben meistcnthcils ([...} U.;1. den, U.w.) Fehler, njl~ht geschichtlich und am wenigsten wehgeschichtlich zu seyo, d. h. die Begebenheiten gewaltsam zu behandeln, und ganz.e Theile, dir nicht in den sichtbarer verknüpften hincinpass~n. zu übergehen" (111 HO).
Die Totalisierung des geschichtlichen Modells als geschichtliches Sein bedCUlct daher im Grunde den AusschJuß der Geschichte aus ihr selbst, die modcllvcrhaItere Excludierung von Geschehenem mul! genau dieses Geschehene als Störfälle der Geschichte erscheinen lassen. Die NivcJlierung
des ,Bruchs'. der in Foucaulrs Sicht einer lebendigen Historie als gcsch.ichtljchc ProduktiOIlspcrspcktive auftritt, brandmarkt Humboldt hier als Makel einer zum Herrschaftsanspruch totalisienell DcfizitpOntologie, die subsumieren und subtrahjeren muß, um sich selbst als geschlossenes Sein behaupten zu können. $0 sind denn auch die .. Fehler bei der jetzigen Ansicht der Weltgeschichte (...): d:1SS man fast nur auf Cultur und Civilis:1tioll sieht, schlechterdings eine foruchreitcndc Vcrvollkommnung im Kopfe h:n. daher sieb willkührlich Stufen dieser Vervollkommnung bildet, und dagegen die wichtigsten Keimc. aus denen sich Grosses entspinnen wird, so wie sich aus ähnlichen Grosses Cntspannen hat, übersieht. dass man die Geschlechter der Menschen zu sehr als Vernunft und Vcrsu,ndeswcscn. zu wenig als Naturproducte betrachtet. dass man die Vollendung des Menschengeschlechts in Erreichung einer 0111· gemeinen, abStrnct gedachten Vol.I.kommcnheit, nicht in der Entwicklung eines ReidHhums gron:er individueller Formen sucht" {H1 358}.
Die Meraphysikkritlk Humholdts erscheint hier in einem weitaus radikaleren Licht, als die Neuzeit sie bis zu diesem Punkte vorgestellt und durchgeführt hat. Die Unmöglichkeit der Versöhnung zwischen vollkommener Geschichte einerseits und lebendiger Geschichte andererseits gewahrend, fundiert Humholdt sein GeschichlSvernändnis wie auch seine Sprachtheorie im Geltungsraum des Lebendigen, eine narurphiJosophische KOlltextuierung. die die Geschichte wie die Sprache am ,organischen Lehen' läßt, denn anders ..ausgedrückt. erblickt man darin das Strehen, der Idee der Sprachvollc.ndung Dascyn in der Wirklichkeit z.u gewinnen. Diesem Streben nachzugehen und dasselbe darzustellen, ist das Geschäft des Sprachforschers in seiner letzten, aher einfachsten Auflösung. [Fußnote: Man vergleiche meine Abhandlung über die Aufgabe des Geschichtschreibers]" (Kawi-Einleitung, Vll 20). So läßt sich die Verwendung des Terminus ,Idcc', der in der Kawi-Einleilung zunächst Verwirrung auszulösen vennag, auJgrund der Humholdtschen Geschichtstheorie konkreter fassen und verstehen. Denn wic die sich ent-
N:I.(~hwon:
t-1umboldtS Wdl
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wickelnde Sprache an ihrer .ambivalenten Produktionsperspekrive~ zwischen Wesen und Erscheinung und in der Genesis von Werden und Vergehen erkennbar wesentlich wird, so ist das ..~yn in der Zeit (...) ein bJosses Erzeugen und Untergehen, und die ErhallUng in denuelbe.n Zustand iSt nur ein trügender Schein. Die Welrgeschichte ist daher und in dem getheihen indischen Oaseyn nur die uns sichtbare Auf· lösung des Problems. wie - sey es bis zur Erschöpfung des Begriffs, oder bis zu einem. nach unbek2nnten Gesetzen gesteckten Ziele - die in der Mensch· heit begriffene Fülle und Mannigfaltigkeit der Kraft nach und nach zur Wirk· lichkeit kommt. Oie Menschheit 2ber kann nur in der. der Erscheinung nach. ganz körperlichttl Natur leben und weben, und trägt sdbst einen Theil diesu Natur in sieb" (Betrachtungen ;;ber die \Veltgeschichte. m 353).
Solches ln-sich·tragen der Natur unterminiert das ,Su.rischc' der Sprache und der Geschichte gleichermaßen. Zur DekonSl:ruktion des Identitäts· modells greift Humboldt wiederum auf seinen ,Kraft'-Bcgriff zurück, der aber ausgerechnet im geschichtsphilosophischen Kontexl gar nicht so deutlich theologische Rudimente trägt, sondern der vor allem das POStulat ununterbrochener Entwicklung von innen heraus bedeutet. Die lebendige Sprache, die die lebendige Geschichte ist, wird durch ,organische Kräfte' weitergetrieben; obne diese Kraft ist die Geschichte utgcha.lten, damit selbst ungeschichtlieh, aus ihrer Autonomie herausgefallen. Der von der idealistischen Geschichtsphilosophie verordnete Zusammenfall des historischen Modells mit dem Dasein vollstreckt demgegenübe.r den Tod der Geschichte: ..Oie [d~ologisch~ Geschichte erreicht auch darum niemals die lebendige Wahrheit der We:ltschicks2le, weil das fndividuum seinen Gipfelpunkt immer innerhalb der Spanne seines fluchtigen 02Seyns finden muss, und sie d2hel" den letz.ten Zweck der Ereignisse nicht eigentLich in das Lebendige setzen kann. sondern es in gewissermassen todten Einrichrungen, und dem Begriff eines idealen Ganz.en sucht" (Ueber die Aufgabe des Gtschichm:hrcibers, IV 46).
In ihrem ,wirklichen Wesen aufgefasst' ist auch die Geschichte damit niemals ein vollstrecktes .Ergon'. In ihrer Vergegenständlichung als (otes Erzeugtes ist sie nicbt mehr sie selbst: Sprache und Geschichte ereignen sich; die.s ist ihr subversiver Charakter a.ls ,Wahrheit der Wclrschicksale'. Eine teleologische Geschichtsentwicklung Hegelscher Provenienz ist in Hum·
bold" Vorstellung absurd. Der Tegeler Philosoph, die selbs, gesetzt< Auf· gabe des ,Geschichrschreibers' als Naturforscher unstnehmend, fragt sicb vielmehr: ..Wu sind die treibenden Knfte der Weltgeschichte? Es sind die bewegenden der Schicksale d~s Menschengeschlechts, und - im Ganzen und Grossen be-
586
N:l.chwort: Humboldl$ \'(Ich
trachtet - die Kräfte der Zeugung, Bildung und Tdigheit" (Betrachtungen Hbrr die \Vdlgcsch,dJlc, LU 355).
Die Konkretisierung seiner sclbscgegebcncn Antwort e"[Wickelt eine Alternative, in der die Sprachgeschichten Weltgeschichten sind. Diese Humboldtsche Alternative beginnt deswegen, und nur deswegen, mit der posi· uven Kennung der Tatsachen, die jenseits kausaler Verknüpfung erst einmal emstgenommcn werden müssen: .. Mit dem Begriff des Wirk(jchen untrennbar verbunden ist es, dass jede Erscheinung einzeln und für sich da stehl, dass keine ;l.ls Grund oder Folge von der anderen abhängt. (...) Die Erscheinung ist da: diess ist genug" (Ueber GörlJes Hernnann und Dororhea, n 128). Dies heißt für Humbollh: die Geschjchre ernstnehmen und aushalten. Humboldt lehm zudem das neuzeitlich mechanistische Weltbild n:lch Dcscartcs'schcm Muster ab. weil es dem organischen entgegensteht. Als organisch kann die Welt allenfalls wahrgenommen werden, wie sie lebt, sie kann nicht einer technischen Kausalitätsreihe untergeordnet werden. Die Kausalität Humboldts ist ganz anderer Art. gleichsam eine naturphilosophische, nach den Ursachen und Wirkungen des dynamisch-lebendigen Zusammenhangs der Welt fragend. So verstanden, sind die nUrsac.hen der Weltbegebenheiten (...) auf einen der drei folgenden Gegenstände zurück[zu]bringen: die arur der Dinge, die Freiheit des Menschen, und die Fügung des Zufalls" (Betrachtungen über die btwegendetl Ursachen. III 361). Aus dieser Dreiheit der Gegenstände entwickeh Humboldl, in produktiver Absetzung von Kam, eine Dichotomie von Natur und Freiheit., zwischen denen das Lebendjge des Menschen sich realisiert: ..Zwei, ihrem Wesen n:lIch von einander verschiedene, scheinbar sogar entgegengesetzte Reihen der Dinge sind also die in die Augen fallenden bewegenden Ursachen in der Weltgeschichte: dje Nuumothwendigkeit, von der sich auch der Mensch nicht ganz. losmachen kann. und die Freiheit, die vielleicht auch. nur auf eine uns unbekannt.e Weise, in den Veränderungen der nicht menschlichen Natur mitwirkI" (1lI 365).
Die Spannung und Interdependenz von Naturgegebenheit und FreiheitsFähigkeit entwickeh die Geschichte aJs organisches Ganzes. Naturphilosophisch ist nicht die Idee des Ganzen als V~reitlheitlichung, sondern daß alles prin.z.ipieU lebendig ist. Die Bedingung des Lebendigen generien die generelle Differenz, die nac.h der Lösung aus teleologischen und mechanistlschen Geschichtsmodellen als grundständiges Problem einerseits und als Produktionsermäglichung andererseits als einzig sinnvolle Alternative verbleibt: .Der Sueit der Freiheit und Natumothwendjgkeit kann weder in der Erfahrung, noch in dem Verstande auf eine befriedigende Weise
Nachwort:
I-Iumböld~
Wrh
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gelöst e.rkannt werden" (Ill 366). Auch hier plädiert Humboldt also für gegensundsadäquate System- und ErgebrusoHenheit. Was aber kann der ,GeschichlSchreiber' übt:rhaupt leisten und wie muß er die Geschichte fassen, die er (bc-)schreiben soll und die sich ihm zunächst einmal immer verdeckt zeigt? Die Lösung ist anspruchsvoll: ..Zwei Dinge sind es, welche der G;ang dieser Untersuchung fes1l.uhalten getrachtet hat: dass in Allem, was geschieht, eine nicht unmittelbar wahrnehmbare Idee waltel, dass aber diese Idee nur an den Begebenheiten selbSt erkannt werden kann" (IV 56).
Auch die Geschichte ist nur aus ihrer ,ambivalenten Produkrionspcrspektive' zu verstehen. In allem ist eine Idee, diese jedoch ist nur am Konkreten erkennbar, immer nur am Einzelnen präsent. Humboldt argumentiert wieder mit Stoff und Form. also mit Grundbestimmungen aristotelischer Ontologie. und ~ überrascht nicht, daß Humboldts Begriff der Idee nicht dem platonischen, sondern lückenlos dem aristotelischen Etool;-Begriff folgt. Der Stoff der geschichtlich-gegebenen Tatsachen ist das Kontinuum für die Formgebung durch den ,Geschichtschreiber'. Man erhält durch die geschichtlichen Tatsachen nur den Stoff der Geschichte, die Erkennung der Form der Geschichte als jeweils spezifisch innere Form der individuellen Geschehnisse ist dann ..eigentlich der schöne und begeisternde Theil der Weltgeschichte, da er von der Schöpfungskraft des menschlichen Charakters beherrscht wird. So wie ei.n kräftiger Geist, sich selbst btwusst oder unbewusst, von grossen Ideen beherrscht, üb« ein~ du Form fähigen Stoffe brütet; so kommt allemal etwas jenen Ideen Verwandtes, und daher dem gewöhnlichen Naturgange Fremdes hervor. Di~m demungeachtet immer angehörend, hingt es mit allem. W2S ihm vorausgegangen in, allerdings in äusserer Folge zusammen, allein seine innere Krait lässt sich aus nichts von allem diesem, und überhaupt nicht mechanisch erklären· (ln 363·364).
Oie innere Form der lebendigen Geschichte ist an ihr selbst existent und wu-d nur an ihr selbst als äußere Form erkannt. Der ,Geschichtschreiber' muß sich selbst als Begreifender. als Form-Entdecker der inneren Struktur der Gesch.ichte anbieten: .Zu den wirkenden und schaffenden Kräften also hat sich der Geschieht· schreiber zu wenden. Hier bleibt er auf seinem eigenthümJichen Gebiet. Was er thun kann, um zu der Betrachtung der labyrinthisch verschlungenen Begebenheiten der WeltgesdLichte, in seinem Gemüthe eingeprägt, die Form mitl. u b r i n gen, unter der allein ihr wahrer Zusammenhang erscheint, ist diese Form von ihnen selbst a b z u l. iehe n. Der Widerspruch, der ruC!rin l."U liegen scheint, verschwindet bei nähertr Betrachrung. JC!des Begreifen einer Sache
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N3chwon: HUIlllwidu Wt!t
setzt, als Bedingung seiner Möglichkeit. in dem Bt.-greifmdcn schon ein Analogon des nachher wirklich Begriffenen vor,1U$. eine vorhergingige, urspTÜnglichl.' Uebereinstimmuog 2,wlschen dem Subjee[ und Objcn" (IV 47).
Die IndividuaJi121 des ,Geschichtschreibers' siehen so die Individualität der Geschichte. Humboldt stellt damit vor. Erstens ist die Frage, wie die Ideen in die Weh kommen. dadurch beamwonet, daß diese immer nur an den Dingen Se.lbSl haften, also keine transzendente Identität (im platonischen Sinne) sind. Sie haben vielmehr die ontologische Strukrur des aristotelischen El6o~. Über ihre Herkunft ist ErkJärungsvcrzicht ZU leisten. Die Kraft a.ls Wi.rkprinzip ist die Vcrsinnlichung der Erklärung ihrer Erscheinung. Die Summe der idc:llcn Bestimmungen ist die SUlllme der Geschichte des Mcnschen in seinen individuellen und gemeinschaJtlichen Zusammenhängen. Zweitem ist die Ponn als äußerliche abziehbar und auch im Erkenntnisprozeß abzuziehen, sie wird also an der konkreten Struktur, ihrer Gestalt (analog der aristotelischen ~lOQ
Nachwön: Humboldts Weil
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z.en. IO Wie der Dichter jedoch ist der ,Geschicbtschreibcr' ein Schöpfer, er schreibt Geschichte indem er Geschichten schreibt - und sie in der Verknüpfung als Sinn konstituiert. Die Sprache als das, an dem man am reinsten die Formen erkennen kann, ermöglicht das Denken und Schreiben dieser Geschichte. Wehgeschichten sind durch Humboldts ,Geschiehtschreiber' SprachgC!schichten. insofern sie Geschichten des Menschenge· schJechts sind. Humboldts ,Geschic.htschreiber' ist damit im Grunde kritischer ,Sprachschreiber'; in den Sprachen sucht er den Charakter der Menschheit als Geist der Nationen auf. Für die Geschichte läßt sich postulieren, was die Sprache in ihren komplexen Mustern zeigt: die Subversion des Konkreten und Ereignishaften gegen die Macht des Systems, die Wahrnehmung von Brüchen als die Geschichtlichkcit des anderen, das Kennen der fdeen als Kraft des unberechenbar Lebendigen. Die Einsicht in die konstituuve Beschränktheit menschlicher Erkenntnis überhaupt führt die Besinnung auf das Wesen der Sprache zu einer Demut der Geschichdichkeit: ..Das ungeheure Gewühl der sich drängenden Wehbegebenheiten, zum Thcil he.n'orgchend aus der Besc.haffenheit des Erdbodens, der Natur der Mensch· heit, dem Chara.kter der Nationen und Individuen. zum Theil wie aus dem Nichu entsprungen, und wie durch ein Wunder gepfl:rnzt, ahhing;g von dunkel ge2hndeten Kriften. und sichtbar durchwahct von ewigen, tief in der Brust des Menschen gewune.hen Ideen, ist ein Unendlic.hes. d2s der Geist nie.m;als in Eine Form z.u bringen vermag, du ihn aber imme.r reizt.. es zu versuchen. und ihm Stärke giebt. es the.i1weise zu vollenden;> (IV 38-39).
In dieser prinz.ipiellen Anerkennung der Unzulänglichkeit, in der tvtEU, Zeta 6.tEAllt; des Geschichte Schreibens, die der Unvollkommenheit des Geschichtlichen selbst korrespondiert. gründet sich aber im besten Falle eine den differemen •Weh:ansichten' analoge, ontologisch fundierte ,Gewaltlosigkeif' der Geschichte. Humboldts Archäologie bedeutet zunächs~ Geschichte als Geschichten zu schreiben; aber eben nicht als verinselte. vereinzelte Geschjchten verstörter Subjekte, die zusammenhanglos als Trümmer der zerstörten Aufklärung zurück-bleiben. Geschichten werden zur Geschichte, wenn der .Geschic.htschreiber' sie zwischen den hermeneucischen Fingern verstehender Abndung und Verknüpfung bildet, wenn deutlich wird, daß ein stets neu zu verhandelnder Zusammenhang über das Geschehene hinauszuweisen bereit ist. Wie die Verstehensproblemat'ik ist auch das Humboldtsche Geschichtsverständnis vor allem anderen erSt einmal einzigartig human. J. Trabant hat Humboldts ",sanftere AlterI~
Vgl.
8orscm. wi/hdm wn H.mbolJt.
;lI•
.l.O.• S. 75.
N~('hwört:
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HumboldU ""eil
native zur gewaltsamen Trias der Dialektik: die Denkfigur der Dialogik"ll genannt. Hegel, der allzu sehr darauf bedacht war, daß "der Gedanke, der wesentlich Gedanke iSt, an und für sich ist. ewig ist (Umsl., U.\'(I.t ll , hätte wissen können. daß bei genauem Hinsehen die aris[Otelische Ontologie seinem Geschichtsbild vielleicht doch mindestens ebenso kritisch wie dienstbar an der Seite steht.
3. Genesis: Schock und Schöpfung der Sprache G. Picht erinnert über das Wesen der Sprache: "Sprache hat die befremdliche Eigenschaft, daß sie nur spricht. wenn rmn sie vergißt. Sie gibl sich darin kund. daß sie in dem \'crschwindc~ was sie auf4 zeigt. Macht man sie ausdrücklich :t.um Gegenstand des Denkens, so hat man sie bereits zerstört. Trotzdem ve.rmögen wir nicht :LU denken, ohne auf Sprache zu rc:nc:ktiercn; wir denken. so oft wir verstehen. was wir [Un. wenn wir sprechen"lJ.
Diese Einsicht sprachtheoretisch verstehbar zu machen. war der Sinn ei· ner Rekonstruktion von Humboldts aristotelischem Erinnerungsprojekt einer Verwandlung der Welt in Sprache. Das Wesen der Sprache sucht seine Elltstehung'sbedingungen auf im Moment der Entstchung, der gleichwohl immer schon vollzogen lst. Die zweifache Bedeutung der aristotelischen ivtEUxELO als akrualc Wirklichkeit und als gleichzeirig unabgeschlossene Prozessualität richter das Wesen der Sprache auf deren doppelten Charakrer. Sprache ist im Horizont einer Genesis des Werdens und Vergehens, der Ambivalenz. von Wesen und Erscheinung. immer der Akt der konkreten Sprachkonstirurion, der stets augenblickliche und unvcr· meid bare Schock individuellen und intersubjektiven sprachlichen Verstehens. Gleichermaßen ist die Sprac.he aber auch ihr eigene.! Schöpfungsver· ständnis, das Verfahren. das Aufklärung über die Bedingungen ihrer KonSlitution verspricht, Ereignis der stets als Tätigkeit wirklichen Weh der Sprache: Schock und Schöpfung.
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243.250,274-1]6.277.282.286.190.307. 313.315,323. JJ7.S46. 549·550 Wtiuc.'l'". J. 546 WtJckff. F. G. 120. 17. Wtlkc, K.. 45,-47 'Wid.tnd, C. M. ISq Wicl.lnd. W. 394.492 Winckclm.lnn, J. J. 159 Willler, 1-1. -4.58 Wiugcnslcin. L. 10, H. -45... ~6K Wiplingl'r, F. ]53
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