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Das Sahara-Projekt In einer Ausdehnung von rund 8 Millionen Quadratkilometer liegt im Norden Afrikas die größte Wüste der Erde, die Sahara. Sie erstreckt sich vom Atlas-Gebirge im Norden bis zum Sudan im Süden, vom Atlantik im Westen zum Roten Meer im Osten. Sandwüsten und schuttbedeckte Hochebenen erfüllen das ganze Gebiet, das nur stellenweise von Oasen unterbrochen wird. Menschen, Tiere und Pflanzen finden nur geringe Lebensmöglichkeiten und sind daher sehr dünn gesät. Meist sind es Berber, Tuaregs und Araber, die in den Oasen oder als Nomaden ihr Leben fristen. Alte Karawanenwege und moderne Autostraßen durchziehen zwar die Wüste, doch fehlt es an jeglichen größeren Niederlassungen. In einer Zeit, da die Erde für die Menschheit zu klein zu werden droht, liegt dieses Gebiet, das das Deutsche Reich der Vorkriegszeit 17mal an Fläche übertrifft, fast menschenleer und ungenutzt da. Es sind daher in neuerer Zeit Pläne entstanden, um die Wüste Sahara in fruchtbares Kulturland zu verwandeln und zu besiedeln. Dieses Projekt soll mit Hilfe des Wassers unterirdischer Seen verwirklicht werden, die sich – nach Ansicht von Wissenschaftlern – in großer Ausdehnung unter dem Wüstenboden erstrecken. Im neuesten UTOPIA-Band wird von Abenteuern berichtet, die mit den Vorbereitungen des Sahara-Projekts in Verbindung stehen.
Von Alf Tjörnsen „Djemmel – oh, du dreimal stinkendes, faules Vieh!“ Fritz Wernicke, mißgelaunt, in der Kehle die gnadenlose Hitze der weiten Wüste, eine lächerliche Handvoll Mensch auf dem breiten Rücken des gemächlich vorwärtsstelzenden Dromedars, hob flehend beide Arme dem tiefblauen Himmel entgegen. „Oh, du großer Beherrscher dieses gesegneten Landes, laß eine Oase vor unseren fiebernden Augen erscheinen!“ Jim Parker, der neben ihm ritt, lachte hell auf. „Markiere hier nicht den alten Wüstenräuber, du Gernegroß. Übrigens sind wir gleich da.“ „Gleich?“ maulte Wernicke und blinzelte durch die Schutzbrille. „Was heißt hier schon gleich – hier in Allahs Gefilden – übermorgen, was?“ „In zwei Stunden“, verwies ihn der Kommodore sanft. Fritz Wernicke spuckte verächtlich aus. „Wenn schon – und nachher gibt es in diesem verdammten Nest nicht mal einen Anständigen zu trinken. Diese ganze Sahara-Geschichte liegt mir schon schwer im Magen.“ 3
„Deine schlechte Laune ist wirklich nicht mehr zu überbieten“, stellte der Kommodore sachlich fest. „Du kannst aber ganz beruhigt sein – länger als drei Tage halten wir uns hier nicht auf –“ „Ich bestimmt nicht, edler Häuptling.“ Wernicke würgte an der trockenen Hitze, die seinen Hals zu einem glühenden Schlund machte und sah in die Runde. Sand – nichts als rötlicher, gleißender Sand, der in flachen Bodenwällen heranlief und den Dromedaren das Vorankommen sauer machte. „Eine öde Gegend, Jim! Wer ist nur auf die Schnapsidee gekommen, diesen Sandhaufen in blühende Gärten zu verwandeln. Daraus wird doch in zwei Jahrhunderten nichts.“ „Du läßt dich von diesem trostlosen Anblick zu sehr beeindrucken, Fritz. Ich habe dir doch schon gesagt, daß unter der Wüste große Seen liegen, die nur angebohrt werden brauchen, um in kürzester Zeit die Struktur dieses Landes grundlegend zu verändern.“ „Glaube ich nicht“, murrte der ausgetrocknete Steuermann aufsässig. „Du wirst daran glauben müssen“, lächelte Jim gutmütig und legte die Hand über die Augen. Weit vor ihnen reckte sich die Silhouette eines Turmes über den Horizont „Whisky in Sicht, altes Mondkalb!“ Über das verschmutzte Gesicht Wernickes lief das Lächeln einer frohen Verheißung. „Wo?“ fragte er ungeduldig und reckte sich. Jim streckte den Arm aus. „Dort haben wir In Salah, den Ort der tausend Hoffnungen!“ „Der Himmel hat mein Flehen erhört“, grinste Wernicke und wurde zusehends heiterer. „Meine Seele öffnet sich wieder den Schönheiten des Daseins. He – Djemmel – he – mach zu –“ Aber so ein Kamel ist das unzugänglichste Geschöpf im ganzen Tierreich, und Wernickes Wüstenschiff machte keine Aus4
nahme. Nur langsam und schwerfällig näherten sie sich aus der sandigen Einsamkeit dem schemenhaft auftauchenden Ort In Salah! Zwischen dem Tidikelf und dem Ahaggar-Massiv gelegen. Ein palmenumrauschtes Märchen aus tausendundeiner Nacht, das allerdings an Romantik verlor, je näher man an die ersten kastenähnlichen Häuser mit ihren flachen Dächern herankam. Mitten im Ort zwei, drei schlanke Minarette. Ein dunkles Wüstennest mit engen Gassen. An der Nordseite eine Karawanserei und dahinter moderne, funkelnagelneue Gebäude – ein ganzes Viertel, fast so groß wie der alte Ort. In Salah! Von hier aus sollte die Wüste aufblühen – von hier aus wurde das Sahara-Programm des „Weltbundes der freien Nationen“ mit der unbarmherzigen Energie des modernen Menschen vorangetrieben. Viele weiße Gesichter zwischen Arabern und Berbern. Terminkalender gegen orientalische Gelassenheit. Uniformen der Weltpolizei. Uralte, weisheitsvolle Gebete und amerikanische Tanzmusik. Das war In Salah. Sie passierten den Ortseingang. Ein arabischer Posten prüfte mißtrauisch die Papiere, um sie schweigend, aber mit sichtbarer Hochachtung wieder zurückzureichen. „Wo finden wir Dr. Allahdah?“ erkundigte sich Jim. „In der Verwaltung“, gab der Araber höflich Auskunft. „Reiten Sie bitte diese Gasse entlang – das Gebäude steht am Eingang zum neuen Viertel.“ „Thank you!“ Die Gasse tat sich auf – eine enge, dunkle Gasse mit Schmutz und tausend fremden Düften. Neugierige Augen starrten die Männer an. Ein Araberjunge schrie auf und warf begeistert die Arme hoch. „Der Kommodore – der Kommodore!“ 5
„Menschenskind, Jim“, schnappte Wernicke nach Luft, „meint der etwa dich?“ Jim ertrug es mit Fassung. Aber der Junge machte das halbe Nest wild. Mochte der liebe Himmel wissen, wie der Ruhm des jungen Sternenfahrers ausgerechnet nach In Salah gedrungen war. Wahrscheinlich erfaßten auch nur die wenigsten, was der aufgeweckte Bengel mit seiner lauten Freude meinte. Aber sie machten alle mit. Und durch ein Gewoge von rudernden Armen und wehenden Gewändern schritten langsam und würdevoll die Dromedare dahin. Fritz Wernicke vergaß für Minuten alle Qualen seines Durstes und genoß mit der Miene eines siegreich heimkehrenden Feldherren die Szene. „Jim Parker ist in In Salah – Jim Parker – Jim Parker –“, klang die helle Stimme des Araberjungen herauf. „Netter Empfang“, nickte Wernicke anerkennend, um dann wieder mit erhobener Stimme sein „Salam – salam – seid gegrüßt –!“ in die Menge zu rufen. Plötzlich stockte der Lärm. Das Gedränge wich zurück. Zwei Männer traten den Freunden entgegen – ein hochgewachsener, schlanker Araber, dessen kluge, überwache Augen sich hinter scharfen Brillengläsern verbargen, und ein kleiner, untersetzter Mann, der Italiener oder Südfranzose sein mochte. „Kommodore Parker – Mister Wernicke?“ „Dr. Allahdah?“ Der Araber verneigte sich. „Willkommen zur rechten Stunde, meine Herren! Dies ist mein engster Mitarbeiter, Monsieur Charbonnier. Darf ich bitten?“ Sofort umringten drei, vier Araber die Dromedare und halfen den Freunden beim Absteigen. Wernicke strich mit unterdrücktem Stöhnen über seinen schmerzenden Rücken. „Sie hätten lieber im Hubschrauber kommen sollen“, lächelte Monsieur Charbonnier, „das wäre nicht so anstrengend gewesen. 6
Aber lassen Sie sich die Hände schütteln, Mister Wernicke, – auf einen guten Tropfen soll es mir nicht ankommen.“ „Das ist ein Wort!“ strahlte der Steuermann. „Von mir aus können wir noch länger bleiben als drei Tage, Jim – In Salah scheint doch nicht so übel zu sein.“ Dr. Allahdah blickte auf, während er sie in sein Gästehaus führte, das gleich neben der Verwaltung lag. „Ich bin froh, Sie in In Salah zu wissen, meine Freunde, und würde es begrüßen, wenn Sie länger als nur drei Tage hierbleiben würden.“ „Unsere Zeit ist beschränkt“, antwortete Jim vorsichtig. „Wir kommen auch nicht dienstlich, sondern wollten nur einen kurzen Urlaub zu einem Abstecher in die Sahara benutzen. Mein Freund Wernicke hatte einen Ausgleichssport nötig.“ Fritz zog es wieder im Rücken. „Du hast Humor, teurer Freund!“ knurrte er und ließ seine flinken Äuglein über die Verantwortlichen des Sahara-Programms gleiten. „Sie haben Sorgen, meine Herren?“ Die kleine Gruppe trat vor die grüne Tür eines der Gastzimmer – es war hier noch alles neu und sah irgendwie unfertig aus. Dr. Allahdah schien die vorlaute Bemerkung des Steuermanns nicht gehört zu haben. Eigenhändig schloß er auf – langsam und mit pedantischen Handgriffen. Jim schnippte unwillkürlich mit den Fingern – stimmte hier wirklich etwas nicht? Als der Araber die Tür aufgeschlossen hatte, wandte er sich um und sah dem Kommodore fest in die Augen. „Es hätte zwar Zeit bis nachher gehabt, Mister Parker, aber ich komme nicht mehr zur Ruhe. Unser Werk ist bedroht!“ Leise hatte er es gesagt – nur für die drei Männer bestimmt, die neben ihm standen. Sein Gesicht war düster und hatte für Sekunden etwas Drohendes an sich. Jim war mehr erstaunt als erschrocken. „Sie sagen das in einem – verzeihen Sie – etwas merkwürdigen Ton, Herr Doktor.“ Die Hände des Arabers spielten mit dem Schlüssel – verloren 7
und ratlos. „Wir haben gestern die erste Wasserprobe an der Bohrstelle Nord machen können.“ „Mit einem schlechten Resultat?“ „Das Wasser ist verseucht.“ „Haben Sie es daraufhin noch einmal untersuchen lassen?“ „Selbstverständlich – das Ergebnis liegt noch nicht vor. Ich will aber hoffen, daß sich diese Beschaffenheit des Wassers nur auf eine Bohrstelle beschränkt. In vier Stunden sind wir an einer zweiten Stelle soweit.“ Er trat zur Seite und öffnete die Tür. „Bitte, meine Herren – wir können leider noch nicht mit großem Komfort aufwarten.“ Die Freunde traten in ein mittelgroßes Zimmer, in dem zwei Feldbetten, ein Schreibtisch und zwei Korbsessel die unpersönliche Sachlichkeit des neuen In Salah unterstrichen. Wernicke fror, obwohl ein Ventilator sich bemühte, die trockene Hitze zu vertreiben, und er sehnte sich nach einem handfesten Schluck. Jim aber nahm die kalte Atmosphäre des Zimmers kaum wahr. In seinem Gehirn wühlten die Worte des Arabers. Er nahm ihn am Arm und führte ihn etwas abseits. „Sagen Sie mir bitte alles, Doktor – das Ergebnis der Untersuchung liegt doch schon vor?“ Dr. Allahdah nickte düster, – hoch tiefer wurden die Schatten unter seinen Augen. „Sie haben recht, Sir – das Untersuchungsergebnis liegt vor, aber es lautet so unglaublich, daß ich eine dritte Untersuchung angeordnet habe.“ „Sie machen mich neugierig.“ „Bitte, gedulden Sie sich noch, Kommodore. Ich hoffe, daß sich mein Verdacht als unbegründet erweisen möge; denn wer könnte ein Interesse daran haben, unser großes Werk zu vernichten, bevor es richtig begonnen?“ Jim Parker verstand nun plötzlich diesen Mann, dessen Lebensinhalt der Kämpf gegen den Wüstensand war – gegen die Trostlosigkeit seiner Heimat und ihrer Menschen, die mit ihm 8
in der unbarmherzigen Einsamkeit der Sahara groß geworden waren. Nun sah er seine Arbeit bedroht. „Glauben Sie etwa, daß man versucht, das Wasser zu vergiften?“ „Ich muß es annehmen.“ „Dann dürfte die Gefahr zu beseitigen sein.“ Jim reckte sich. „Mit Menschen wird man fertig, Herr Doktor, – mit den Tücken der Natur nicht so leicht. Vielleicht sehen Sie auch nur zu schwarz.“ „Ich will es hoffen“, wiederholte der Araber. „Aber meine Gedanken sind schwer.“ Er sah sich um. Wernicke und Charbonnier knobelten darum, ob sie Gin oder Wein trinken sollten. Noch leiser fügte er hinzu: „Sie sind schwer, wenn ich an Ruth Fantin denke. Sie ist eine Nichte meines Freundes Professor Fantin in Casablanca und eine Angestellte des S.A.T. („Staatliches Atom-Territorium“).“ In Jims Gesicht zuckte kein Muskel. „Sie sprechen in Rätseln, Doktor Allahdah“, lächelte er. „Aber ich nehme an, Sie haben ihre Gründe dafür.“ * „Mit dem Stoff, den wir hier herstellen, könnte man Tausende von Menschen vergiften!“ Die kleine Patty Swanson schüttelte den Kopf. Sie sah überhaupt sehr traurig aus, und ihr hübsches Gesicht war ohne Farbe. Draußen vor den Fenstern gloste das unwirkliche Schweigen der Mondnacht. „Verstehst du, warum wir hier arbeiten, Ruth?“ Sie saßen sich an einem kleinen Tisch gegenüber, der schön und apart gedeckt war. Eine chinesische Lampe spendete mild und gelb einen intimen Schein. Nichts deutete darauf hin, daß die Erde mit ihren Ländern und Städten voll pulsierenden Lebens Hunderttausende von Meilen jenseits des Weltalls lag – 9
nichts als das eigenartige Gefühl einer untergründigen Angst, die eine Frau hier auf dem Erdmond überkommen mußte. „Verstehst du es, Ruth?“ Ruth Fantin sah von dem Buch auf, in dem sie las. Sie war schön – nicht weil sie die Normen einer Schönheitskönigin aufwies, sondern in einem Sinne, der gleichermaßen schwärmerische Dichter wie überlegene Kavaliere anregte. Sie war eine jener Frauen, deren Bekanntschaft für einen Mann wunderbar und gefährlich zugleich sein kann. „Ich verstehe es ebensowenig wie du, Patty“, erwiderte sie ruhig. „Aber ich habe auch nicht den Ehrgeiz, dem S.A.T. in seine Pläne zu gucken. Man hat uns eingestellt wie viele andere auch, nur daß wir beide Chemikerinnen sind und die geheimen Versuche im Nevada-Krater mitmachen müssen.“ Patty schüttelte sich. „Das ist doch nichts für Frauen.“ Ruth Fantin legte ihr Buch auf den Tisch und erhob sich. Die kleine Patty Swanson mit den fragenden Kinderaugen tat ihr immer irgendwie leid. „In zwei Monaten ist unser Halbjahresvertrag abgelaufen“, lächelte sie gutmütig. „Dann kommst du gerade zurecht, um bei deinen Eltern die Äpfel pflücken zu können. Vielleicht hat Pat Monkey dann Urlaub und ihr könnt zusammen zurückfliegen.“ Patty wurde rot. „Ach, Pat Monkey“, sagte sie wegwerfend. „Dieser tollpatschige Lulatsch. Wenn es noch Leutnant Nelson wäre! Willst du schon gehen, Ruth?“ Ruth Fantin sollte erst in zwei Stunden im entfernten Nevada-Krater ihren Dienst antreten. Aber sie zog ihre Pelzjacke über und nahm sich noch eine Zigarette aus dem feinverzierten Kästchen. „Wenn es noch Leutnant Nelson wäre!“ machte sie es ihrer Freundin nach. „Soll ich den schönen Ben grüßen, wenn ich ihn treffe?“ 10
„Untersteh’ dich!“ brauste Patty auf. „Dieser hochnäsige Lümmel weiß leider nicht, wie er sich einer Dame gegenüber zu benehmen hat.“ Ihre Augen bekamen einen träumerischen Glanz. „Und das ist schade; denn er ist wirklich ein netter Kerl. Aber hier oben versteht mich keiner. Nichts als Langeweile und Einsamkeit ist hier. Und nun gehst du auch schon wieder fort.“ Ruth zog den Reißverschluß hoch und schüttelte ihr braunes Haar, bevor sie die Kappe aufsetzte. Dann trat sie zu Patty und strich ihr sanft über den Kopf. „Kleines“, sagte sie weich, „es wird wirklich Zeit, daß deine sechs Monate herumgehen. Bis nachher, Patty – und laß den Kopf nicht hängen. Der Mond ist gar nicht so übel – und die Werksleute sind alles nette Kerle.“ „Du gehst einkaufen?“ „In den einzigen Laden von ‚Luna IV“, lächelte Ruth. Patty sah sie bittend an. „Dann kannst du mich doch mitnehmen.“ Aber Ruth Fantin schüttelte den Kopf. „Es lohnt sich nicht, Kleines.“ „Also gehst du nicht einkaufen, sondern zu Dr. Brown“, stellte Patty sachlich fest. „Viel Vergnügen, Ruth!“ „So long, Patty!“ Lächelnd und selbstsicher verließ Ruth Fantin das Zimmer der kleinen Amerikanerin. Aber dann schloß sich hinter ihr die Tür, und der lange Gang nahm sie auf, der hinaus in die unbarmherzige Kälte der hohen Mondnacht führte – und die Selbstsicherheit fiel wie eine Maske von ihrem schönen Gesicht. * „Eine tolle Geschichte!“ Der Kommodore hielt in seiner scheinbar sinnlosen Wanderung über den grünen Teppich inne, der vor dem Schreibtisch ausgebreitet war. Soeben war das Ergebnis der zweiten Untersuchung des Bohrwassers eingetroffen. 11
Es war, wie der Doktor schon gesagt hatte: rätselvoll und unheimlich. „Wenn nun der ganze unterirdische See zwischen Igidi und den Tassili-Bergen verseucht ist?“ Dr. Allahdah hatte sich mit aufgestützten Unterarmen vornübergeneigt. Aufmerksam – sehr aufmerksam beobachtete er den jungen Kommodore. Jim war erregt – und er hatte allen Grund dazu. Das S.A.T. war schließlich an diesem gigantischen Projekt beteiligt. „Dann könnten wir unser Sahara-Programm aufgeben“, antwortete der Doktor sich selber. „Es sei denn, die Wissenschaft würde uns zu Hilfe kommen und ein Mittel zur Entgiftung des Wassers finden.“ „Das wäre kein Ausweg“, schüttelte Jim den Kopf und stopfte sich seine Pfeife. „Das wäre bestimmt kein Ausweg, Doktor! Selbst, wenn es gelänge, das Wasser zu entgiften – was allerdings eine schier unlösbare Aufgabe wäre –, würde das Land niemals für Siedlungs- und Anbauzwecke freigegeben werden können.“ „Sie haben recht.“ Der Araber nahm von der Tischplatte einen goldenen Dolch, der als Brieföffner diente und ließ ihn in der Sonne aufblitzen. „Aber sehen wir einmal von dieser riesengroßen Gefahr ab, – ich deutete vorhin noch eine zweite Möglichkeit an, die allerdings nicht weniger gefahrvoll sein kann.“ Jim schwenkte das Streichholz aus und trat dann an den Schreibtisch, um es in den Ascher zu legen. Dabei bemerkte er wieder das untergründige Lächeln um den Mund des Arabers. „Sie denken an ein Verbrechen?“ fragte er. „Es fällt mir nicht einmal schwer, daran zu denken, Kommodore. Die Analyse des Wassers ist so aufschlußreich, daß sich der rote Faden von allein ergibt.“ „Sie haben die Einzelheiten da?“ 12
„Hier – bitte –“ Jim nahm das Papier in die Hand, das Dr. Allahdah ihm reichte. Ihn überkam ein seltsames Gefühl, als schleiche ein Unsichtbarer um ihn herum. Das Zimmer war hell – die Fensterrolladen filterten das grelle Licht und machten es erträglich. Draußen sang einer – eintönig und inbrünstig. Aber um Jim wurde es dunkel. „Nun, Kommodore?“ Formeln starrten ihm entgegen. Jim war kein Chemiker, aber er wußte doch genug, um ihren Sinn ungefähr erfassen zu können. Und was sie ihm nicht sagten, sprach die Schlußfolgerung deutlich genug aus: „… die in dem Wasser enthaltenen Giftstoffe rufen eine Lähmung der Atmungsorgane hervor, die innerhalb von zehn Minuten wirksam wird, wie an einem Tierversuch festgestellt wurde, ferner einen rötlichen Ausschlag auf der Haut …“ „Ein seltsamer Stoff, Kommodore“, sagte Dr. Allahdah leise und betont langsam. Jim biß die Zähne zusammen. „Fällt Ihnen nichts auf, Kommodore?“ Die Ironie in den Worten des Arabers wurde deutlich – er beugte sich noch weiter vor, während seine Hände den kostbaren Dolch drehten. „Der Stoff wird in einem Labor des S.A.T. auf dem Mond hergestellt.“ Jim ließ das Papier sinken. Er wußte bereits, daß der Doktor recht hatte – aber er durfte sich jetzt noch nichts anmerken lassen. „Ich nehme an, Sie können Ihre Behauptung rechtfertigen“, sagte er kühl. Die Augen des Arabers ließen ihn nun los und glitten über den Dolch. Dann legte er das blitzende Ding vor sich auf die Tischplatte. „Es ist Ihnen doch sicher bekannt, daß das S.A.T. in einem 13
geheimen Labor auf dem Mond im Auftrage der Weltpolizei Versuche mit einem neuen Giftstoff, dem sogenannten VEX-3, durchführt?“ „Sie wissen sehr viel.“ „Ich weiß noch mehr – zum Beispiel, daß eine Mitarbeiterin dieses Labors, Miß Ruth Fantin, vor zwei Wochen dienstlich in Orion-City geweilt hat und sich dort, allerdings außerdienstlich, mit einem Bulgaren getroffen hat.“ Nun war es an Jim, ironisch zu lächeln. Er wedelte das Papier hin und her. „Und welche Folgerungen ziehen Sie daraus, Herr Doktor?“ „Die Folgerungen zu ziehen, überlasse ich Ihnen.“ „Sie glauben also, daß dieser Bulgare an VEX-3 interessiert ist?“ „Eine solche Vermutung ist allerdings naheliegend.“ Er hatte ja recht, und Jim biß die Zähne zusammen, um sich nichts von der ungeheuren Erregung anmerken zu lassen, die in ihm wühlte. „Der Sicherheitsdienst des S.A.T. ist für seine Zuverlässigkeit bekannt, wenn es Sie aber beruhigt, werde ich gern eine entsprechende Untersuchung einleiten.“ „Ich bitte sogar darum.“ * Inzwischen ging Ruth Fantin in das starre Schweigen der Mondnacht. Seltsames Spiel der künstlichen Lichter unter der schwarzen Erhabenheit des Sternenhimmels. Groß und gewaltig – ein stolzer Ausruf menschlichen Geistes und der Zusammenarbeit aller Völker – warf sich das Lichtphantom des Mondwerkes „Luna IV“ ihm entgegen. Geblendet blieb sie stehen, als sie vor das Portal des großen Wohnblocks trat. „Ein überwältigender Anblick, Miß Fantin!“ 14
Sie zuckte zusammen. Hinter ihr stand ein schlanker Mann in der Uniform des Sicherheitsdienstes. Leutnant Ben Nelson. Bewundernd umfingen seine Augen das Bild der schönen, jungen Frau, die klein und hilflos vor der Wucht der gigantischen Anlagen stand. „Habe ich Sie erschreckt?“ Aber sie hatte sich schon wieder gefaßt. Ruhig und förmlich reichte sie dem Leutnant die Hand. „Sie sind doch nicht dazu da, friedliche Mondbewohner aufzuhalten“, erwiderte sie ausweichend. „Wollten Sie zu Miß Swanson?“ Verständnislos schüttelte er den Kopf. „Zu Miß Swanson? Aber nein – ich bin doch froh, Sie getroffen zu haben.“ „Schade – Miß Swanson fühlt sich einsam.“ Sie wandte sich ab. „Gute Nacht, Herr Leutnant – so muß man wohl sagen in dieser endlosen Finsternis.“ „Aber – Ruth – Miß Fantin – so warten Sie doch –!“ Mit dem verzweifelten Mut eines Mannes, der befürchtet, um ein schönes Abenteuer gebracht zu werden, faßte er ihren Arm. „Miß Fantin – bitte, entschuldigen Sie –“ Sie war sehr unnahbar. „Bitte?“ fragte sie unendlich erstaunt. Ben Nelson stand neben ihr wie ein unbeholfener Junge. „Im Werkkino läuft ein englischer Kriminalfilm“, druckste er, „und ich würde Sie gern dazu einladen.“ Er bemerkte ihren Unwillen und nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Wir könnten dann anschließend noch ausgehen.“ „Sie reden, als wenn Sie in New York auf dem Broadway stünden“, lächelte sie spöttisch. „Die Kantine ist auch ganz nett“, grinste er verlegen. „Herr Leutnant, Kriminalfilme sind mir zu aufregend, und ich habe für sie wirklich nichts übrig. Und Kantinen pflege ich nicht zu besuchen. Gute Nacht!“ Sie machte sich los und ging davon. Ben Nelson ließ mit einer resignierenden Bewegung die Arme sinken. „Unnahbar wie 15
der schönste aller Sterne“, seufzte er, „und dabei eine Frau – eine Frau! – Mensch, Ben Nelson –“ Ruth ging über den großen Platz zur Fahrbereitschaft I hinüber. Vorbei an dem Rundbau der Zentrale mit dem schlanken, stählernen Kommandoturm, der in gleichmäßigen Intervallen seine Lichtsignale gab. Der Obermonteur, dem die Fahrbereitschaft unterstand, grüßte sie mit verschmitzem Lächeln. „Wieder zum Nevada-Krater, Miß Fantin?“ „Die Pflicht ruft, Mister Monkey. Können Sie mich hinfahren lassen? Ich traue mir doch nicht zu, allein durch die Mondnacht zu jagen.“ „Ist auch nichts für junge Damen“, nickte der lange Pat verständnisvoll und ließ bereits den Motor an. Der Schnellwagen fuhr aus der Kette heraus auf den Betongang. „Bitte, nehmen Sie Platz, Miß!“ Ruth Fantin stieg ein. „Können Sie mich morgen auch zum Rak-Flugplatz bringen?“ fragte sie, während die hellerleuchtete Fensterreihe der Bereitschaft langsam an ihnen vorbeiglitt. „Ich fliege mit der ZR 37 zur Erde.“ „Klar – machen wir!“ Er langte nach vorn und schaltete. Der Kontrollposten vor der Zentrale ließ sie passieren und grüßte lässig. Linker Hand geisterten die Buntlichter der riesigen Montagehallen durch die unheimliche Nacht. „Sie werden ganz zur Erde zurückkehren, Miß Fantin?“ Sie sah verloren auf das schimmernde Armaturenbrett mit seinen pendelnden Nadeln. „Nur für sechs Tage, Mister Monkey – ich habe dienstlich für den Professor zu tun –“ * „Ah – ein Labsal für eine verschmachtende Seele!“ Fritz Wernicke ließ das eisgekühlte, hochprozentige Zeug über seine 16
Zunge rinnen und rollte genießerisch mit den Augen. „Wie nennt man es, Charbonnier?“ Der kleine Franzose sah ihn voll Hochachtung an. „Auf diesem Gebiet schlagen Sie ja jeden Weltrekord! Man nennt den Schnaps ‚Das sanfte Lächeln’ – er soll früher einmal von Fremdenlegionären erfunden worden sein.“ Auch Jim Parker schnalzte mit der Zunge. „Na, sanft ist das Zeug bestimmt nicht, aber es schmeckt!“ Und zu dem Araber gewandt: „Die Meldung aus Orion-City muß jeden Augenblick eintreffen, Doktor.“ Dr. Allahdah war den lobenden Bemerkungen seiner Gäste mit seinem tiefsinnigen Lächeln gefolgt. Er selber saß vor einem anilinfarbenen Kohlensäuregetränk. Höflich verbarg er seine Unruhe. „Man soll das Leben nicht in Stunden, sondern in Monde aufteilen. Ihre Mitarbeiter in der fernen Atomstadt werden ihr Möglichstes tun. An der bedauerlichen Tatsache, daß es sich bei dem Gift in der Wasserprobe um VEX-3 handelt, können allerdings auch sie nichts ändern.“ Jim stellte seine Schale auf die gläserne Tischplatte. Eintönig summte ein Ventilator. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, in In Salah auf ein solches Rätsel zu stoßen. Man wird nun vor allem die Mitarbeiter des Nevada-Kraters unter die Lupe nehmen müssen.“ „Ruth Fantin!“ sagte Dr. Allahdah leise. Aufmerksam beobachtete Jim sein längliches, verschlossenes Gesicht. Der Doktor schien mehr zu wissen, als er sagen wollte. „Miß Fantin wird genau so überprüft werden wie jeder andere Mitarbeiter auch“, erwiderte er ruhig. „Wichtiger erscheint mir im Augenblick, den Kreis Ihrer Gegner abzustecken. Wer kann ein Interesse daran haben, die Verwandlung einer der größten Wüsten in ein wirtschaftlich nutzbares Land zu verhindern!“ 17
Charbonnier pendelte den Kopf mit dem Bürstenhaarschnitt hin und her. Lautlos trat ein Diener ein, der auf einem silbernen Tablett ein gefülltes Glas trug. Er verneigte sich und stellte es vor Dr. Allahdah auf den Tisch. Dann verließ er wieder das Zimmer. „Tja – wer kann es sein, der zu solchen heimtückischen Mitteln greift?“ Der Franzose zündete sich eine seiner länglichen Zigaretten an. „Da wären zunächst einmal einige Stammesfürsten, die befürchten, eine Umwandlung der Sahara könnte ihrer Selbstherrlichkeit ein Ende bereiten …“ „Ich glaube, diese Leute können wir abschreiben“, wehrte Jim ab. „Es ist unwahrscheinlich, daß sie über Beziehungen verfügen, die sie in den Besitz des gefürchtetsten aller Gifte versetzen könnten.“ „Sie haben recht, Kommodore.“ Dr. Allahdah nahm sein frisches, beschlagenes Glas und empfand wohlig die Kühle, die von ihm ausging. Draußen im Flur entfernten sich Schritte, – der Diener schien es eilig zu haben. „Es muß schon eine Organisation oder Wirtschaftsgruppe sein, die über große Mittel und weitverzweigte Verbindungen verfügt.“ „Zum Beispiel eine Ölgesellschaft“, warf Charbonnier ein. Jim sah ihn überrascht an. „Allerdings – wie kommen Sie darauf?“ „Ich entsinne mich, daß vor einigen Monaten die ‚North-OilCompany’ einige Vertreter zu uns schickte, um … Aber, was ist denn, Doktor?“ Dr. Allahdah hielt das Glas vor den Mund – er war grau im Gesicht. „Mein Gott – wenn ich getrunken hätte –“ Jim sprang auf und rannte, ohne ein Wort zu verlieren, auf den Flur. Wernicke folgte ihm. Charbonnier bemühte sich um den Doktor und nahm ihm das Glas aus der Hand. „Verdammte Schweinerei!“ schimpfte Jim. „Das hätte mir gleich auffallen sollen!“ 18
„Was denn?“ keuchte Wernicke. „Wo ist hier die Wache?“ Der Kommodore sah sich in dem engen Flur um. Links zweigte ein Nebengang zu einem Wachraum ab. „Was mir hätte auffallen sollen? Daß drei Mann die Bedienung übernommen hatten. Sergeant!“ Im Wachraum dösten sie vor sich hin – zwei Weiße und fünf Araber, in den Uniformen der Weltpolizei. Als Jim mit einer herrischen Handbewegung hereintrat, sprangen sie auf. „Wo ist der Mann geblieben, der eben dem Doktor ein Erfrischungsgetränk brachte?“ Ein baumlanger Sergeant mit mürrischem Gesicht kam beunruhigt heran. „Aber das waren doch zwei Diener von der Verwaltung, die …“ „Drei, mein Lieber!“ „Unmöglich!“ „Auf den Doktor ist wahrscheinlich ein Giftmordversuch unternommen worden. Alarmieren Sie sofort die Station! Der Täter muß sich noch im Ort befinden.“ Der Sergeant zuckte zusammen und wandte sich schweigend ab. Im nächsten Augenblick jaulte die Alarmsirene auf. „Wo kann er sich verborgen halten?“ „Nur im arabischen Viertel.“ „Riegeln Sie alles ab. Komm, Fritz!“ Sie rannten weiter – auf die Gasse hinaus, die nach mehreren hundert Metern auf einen großen Platz mündete. Aufpeitschend klang das Heulen der Sirene in die flimmernde Hitze des späten Nachmittags. Der halbe Ort war bereits in Aufruhr. Aus dem Lärmen brauner, aufgeschreckter Gestalten kam der kleine Araberjunge herangejagt. „Kommodore – ich helfen – ich helfen –“ Jim nahm ihn am Arm und nickte. „Komm mit, boy – du kennst dich hier am besten aus –“ „Mann – Kommodore suchen einen Mann mit Hose bis 19
Knie, der aus Haus von Doktor kam – Achmed den Mann gesehen hat –“ „Achmed, deine Augen hat Allah gesegnet!“ lachte Jim und achtete aufmerksam auf alles, was in diesen dramatischen Sekunden um sie vorging. „Und wo ist der Mann geblieben?“ „In der Garage!“ „Und wo ist die, mein Sohn – sag schnell –“ Der Sergeant griff ein. „Er kann nur unsere große Garage meinen, Kommodore. Hier hinunter. Aber ich kann mir nicht denken, daß …“ „Los, los Mann, denken sollen Sie jetzt auch nicht.“ Jim erkannte schon das flache, graue Gebäude mit den halb zugeschobenen Harmonikatüren am unteren Ende der Gasse – nahe beim Ortsausgang. In wenigen Minuten waren sie da. Jim hatte eine irrsinnige Wut – unter ihren Augen war ein Giftmordversuch gemacht Worden – diese Scharte mußte ausgewetzt werden. Als Jim an der Tür war und sie ganz zurückschob, sah er im Halbdunkel des Raumes eine weiße Gestalt, die sich hinter einem der großen Wüstenlaster duckte. „Komm mal her, old fellow!“ Jim war unbewaffnet, aber was besagte das schon. Er stellte sich einfach in die Wagengasse und wiederholte seine Aufforderung. „Sei brav und komm her!“ Der braune Teufel mit dem schlechten Gewissen tat ihm nicht den Gefallen. Hinter dem breiten Wagenkasten sah nur eine Schulter mit einem muskulösen Oberarm hervor. Und dieser Oberarm hob sich blitzschnell, und eine kleine, schwarze Kugel flog auf die Männer zu. „Himmel und Hölle!“ Der Sergeant warf sich zur Seite, um von dem Ding nicht getroffen zu werden. Die beiden Freunde aber handelten instinktiv richtig. Wernicke fing die Kugel auf und warf sie mit weitem Schwung auf die Gasse hinaus, wo sie 20
stinkend explodierte. Jim flog bereits mit einem Panthersprung dem Burschen in den Nacken. „So, sonny boy – nun werden wir beide mal miteinander reden –“ Der Araber rutschte zusammen. Vielleicht war es ein Trick, um Jim zu Fall zu bringen. Aber Jim kannte diese Finessen. Er stellte sich langsam auf die Füße und riß dabei den anderen hoch. Der Stinkbombenwerfer wurde klein und noch häßlicher als er ohnehin war. „Herr, ich bin unschuldig!“ beteuerte er. „Ich nicht wollen großen Mann vergiften!“ „Deine Logik ist zu schwach, um ausgewachsene Leute umwerfen zu können“, grinste Jim, während der Sergeant, der strahlende Achmed und ein ganzer Haufen grimmig aussehender Polizisten an sie herantraten. „Woher weißt du erbärmlicher Hundesohn, daß der große Mann vergiftet werden sollte, wenn du es nicht tun wolltest?“ Der Gauner wandte sich unter dem eisernen Judogriff Jim Parkers. Er mußte sich wohl oder übel dazu bequemen, mit den Männern die Garage zu verlassen. „Wernicke – sofort Verbindung mit London aufnehmen!“ Jim machte seinem Getreuen ein Zeichen, das soviel bedeuten sollte wie: ‚Hier ist verflixt viel faul, mein Alter’. Wernicke stolzierte ihnen in Richtung Polizeistation voraus. „London wird sich freuen“, rieb er sich die Hände. „Und der sehr ehrenwerte und sehr hochnäsige Lord Clifford wird blaß um die spitze Nase werden vor Schreck.“ * „Ruth Fantin.“ Während im nordwestlichen Afrika Dr. Allahdah diese Worte leise und bedeutungsvoll vor sich hinsagte, hatte der Schnell21
wagen mit der schönen Frau und dem eifrigen Pat Monkey die lange Fahrt durch die Mondnacht beendet und hielt vor dem Kontrollposten des ‚Laboratorium Nevada-Krater’. „Bis morgen, Miß Fantin.“ „All right, Mister Monkey – und besten Dank!“ Er legte die Hand an die Pelzkappe, klappte die Hermetiktür zu und wendete mit blitzendem Bugscheinwerfer vor dem Kraterportal. Ruth Fantin trat auf den Kontrollposten zu, der seinen Stand in einer Nische der hohen Kraterwand hatte. „Ist Dr. Brown im Labor, Hopkins?“ Der Kontrollassistent sah auf die Uhr und blätterte in einem Buch nach. Er war noch jung und hatte, wie alle hier im Krater, eine kleine Schwäche für die Französin. „Dr. Brown ist vor zehn Minuten in seine Wohnräume gegangen.“ „Thank you!“ Ruth Fantin ging durch eine Doppeltür aus einem grünen Kunststoff in die Kraterwand, die zu Laborräumen und großzügigen Wohnungen für die engsten Mitarbeiter ausgebaut war. Hier wurden Versuche durchgeführt, die so gefahrvoll waren, daß man sie auf den Mond verlegt hatte. Gegenwärtig war VEX3 an der Reihe – ein flüssiges Gift, erfunden von Professor Varras – ein furchtbares Zeug, das einem Menschen einen grausam langsamen und qualvollen Tod bereitete. Die Weltpolizei hatte es unter ihre Obhut genommen, um jedem Mißbrauch vorzubeugen, und ließ hier den Teufelsstoff noch einmal erproben. „Guten abend, Miß Fantin!“ Prof. Dr. Klingelhöfer kam ihr entgegen, der gutmütige Deutsche mit dem weißen Bart. Er trug seinen Labormantel und rieb sich munter die Hände. „Wenn wir das Arbeitstempo durchhalten, werden wir es in einem Monat geschafft haben, und die Erde hat uns wieder. Dr. Brown ist übrigens in seinem Wohnzimmer, Kind.“ 22
Ruth Fantin lächelte dem Alten etwas verlegen zu und ging weiter. Irgendwo hinter einer Glastür stand abermals ein Kontrollposten. Dort ging es zu den Labors. Im Vorübergehen konnte man sehen, wie ein kleiner, gummibereifter Handwagen, auf dem ein schmaler Kasten lag, den Gang entlanggeschoben wurde. VEX-3! Der Anblick des lautlos fahrenden Wagens hatte etwas Gespenstisches und ließ sie schaudern. Giftküche in der Unterwelt! Ob ihr nachher wieder der furchtbare Zettel in die Hand gespielt wurde? Dann stand sie in einem guteingerichteten, zimmerartigen Raum Dr. George Brown gegenüber. Er bückte sich am Waschbecken und ließ das klare, eiskalte Wasser über seine Unterarme laufen. Brown war groß und hager, mit schütterem Haar und einem müden Gesicht, in das das Leben tiefe, scharfe Falten geschnitten hatte. Aber nun glitt ein Lächeln über seine Züge. „Hast du auf mich gewartet, George?“ Sie küßte ihn mit einer ruhigen, fast kameradschaftlichen Geste. Er hielt etwas hilflos seine nassen Arme von sich ab. „Auf eine Frau wie dich wartet man doch immer, Ruth“, sagte er und langte sich ein Handtuch vom Halter. „Kannst du mir noch einen Kaffee kochen, bevor du ins Labor mußt?“ „Selbstverständlich, George!“ Sie nahm ihre Kappe ab und ließ sich von ihm aus der Jacke helfen. Die Uhr über dem Fernsehempfänger zeigte auf 22.05 Stationszeit, und draußen hielt das todesstarre, eisige Schweigen der endlosen Nacht den Krater umfangen. Während er ihre Jacke aufhing, ging sie an den kleinen Atomkocher. „Ich habe vorhin eine Einladung ins Kino erhalten“, lachte sie, „wie auf der Erde!“ „Mach mich nicht eifersüchtig.“ „Von Leutnant Nelson – kennst du den Jungen?“ 23
„Flüchtig!“ Er schaltete den Kocher ein. „Ich wäre dir dankbar, wenn du dich vom Sicherheitsdienst nicht aushorchen lassen würdest.“ „Du meinst doch nicht etwa, George, daß er – eine bestimmte Absicht damit verfolgt?“ Dr. Brown mußte lachen. „Das tut er gewiß – du bist schließlich schön genug. Aber es gibt dumme Zufälle.“ Mit leisem Summen sprang der kleine, weiße Kocher an. „Hört sich mächtig gefährlich an, wie? Als wenn ich ein Verbrecher wäre – aber ich muß nun einmal den Sicherheitsdienst fürchten …“ „Du darfst nicht so verbittert sein, George.“ „Wenn man erfährt, daß ich einmal eine Jugendtorheit begangen habe, fliege ich, mein Kind! Und dir würde ich für den Fall empfehlen, dich nach einem neuen Gefährten umzusehen. Für Vorbestrafte – auch wenn es sich nur um die gefälschte Unterschrift auf einem Scheck handelte, den der alte Herr einem nicht ausstellen wollte – hat das S.A.T. keinen Bedarf.“ Sie hatte den Kaffee bereits gefiltert und erschrak, als sie sah, wie ernst er wieder einmal wurde. Sie stellte das Kännchen wieder zurück und legte ihre Arme um ihn. „George – oft denke ich, es wäre besser für dich, Kommodore Parker alles anzuvertrauen. Man kann doch einem Menschen nicht seine Zukunft verbauen, weil er einmal vom rechten Weg abgewichen ist.“ „Unmöglich, Ruth – du kennst doch die strengen Ehrbegriffe des S.A.T.“ „Gibt es denn gar keine Möglichkeit?“ Ihre Hände tasteten über seine Schultern – sie wunderte sich flüchtig, wie gebeugt und kraftlos er war. „Nur die eine – zu schweigen“, erwiderte er hart. „Aber das hältst du doch auf die Dauer nicht aus!“ Sie atmete tief und schüttelte den Kopf. „George …“ Mit einer jähen Bewegung wandte er ihr sein Gesicht zu. 24
„Ich habe immer Angst, daß es Leute gibt, die darum wissen und mich erpressen könnten – das S.A.T. hat Geheimnisse, die solche Erpressungen wert sein würden. Verzeih, Ruth!“ Sie war zusammengezuckt. Ihr Herz schlug hochauf. Eine seltsame Kälte war plötzlich um sie. „Du siehst Gespenster, George!“ „Hoffentlich!“ seufzte er und ließ sie los. „Wir wollen uns die Stunde nicht verderben – natürlich ist alles Unsinn, was ich so quassele – ich hole Zigaretten – dort auf dem Tisch liegt noch eine Dienstanweisung von Klingelhöfer –“ Er ging in einen Nebenraum. Sie war allein und sah zum Tisch hinüber, auf dem ein blau-weißes Kuvert lag. Eine Dienstanweisung. Eine furchtbare „Dienstanweisung“. die bestimmt nicht von dem Professor kam. Im Labor mußte ein Mann sein, der alles über George wußte – ein unbekannter, unheimlicher Mann, der ihr vor ihren Dienstflügen zur Erde mit einer Dienstanweisung einen Zettel zuspielte, auf dem nur ein Wort stand: „Marokko“ – sonst nichts – „Kannst du den Umschlag nicht finden, Ruth?“ rief Dr. Brown ihr aus dem Nebenraum zu. „Gewiß, George.“ Sie preßte eine Hand auf das rasende Herz, nahm den Umschlag vom Tisch und riß ihn auf. „Marokko.“ Sonst nichts. In Blockschrift – mit kalten, energischen Buchstaben. In die normale Verkehrssprache übersetzt, hieß es: „Drei Gramm VEX-3 zur Erde bringen und an Mittelsmann weitergeben, sonst erfährt der Sicherheitsdienst alles über Dr. Brown.“ Ruth Fantin knüllte das Papier zusammen und schob es in eine Tasche. Der Mann, für den sie das Furchtbare tat, ohne daß er es wußte, kam zurück mit Zigaretten und der neuesten Zehnstundenausgabe des für die Besatzungen der Mondwerke herausgegebenen „Earth-Observer“. 25
„Ein interessanter Bericht über das Sahara-Programm!“ „Ich habe schon davon gehört“, erwiderte sie gedankenlos, und hatte gar nicht den Sinn seiner Worte erfaßt. „Nimmst du den Kaffee mit oder ohne Sahne?“ „Aber, Kind“, wunderte er sich flüchtig und ließ sich in einen Sessel fallen, „natürlich ohne –“ * Professor Klingelhöfer schmunzelte, als er Ruth Fantin nachsah. „Die häßlichsten Männer haben die schönsten Frauen – möchte nur mal wissen, was sie an diesem langweiligen Doktor findet – na, von mir aus –“ Er betrat den Kontrollraum seines großen Labors, von dem aus man in alle Arbeitsräume sehen konnte und wo auch sein Schreibtisch stand. „Tag, Fox!“ Der zweite Assistent kam gerade durch eine andere Tür in den Raum gesegelt. Sein schmales, glattes Gesicht blieb unbewegt, als er sich kurz verneigte. „Verzeihung, Professor – Dr. Wilson war schon dreimal hier.“ Klingelhöfer trat an den Tisch, auf dem ein aufgeschlagenes Schreibheft mit engen Spalten lag. Er prüfte die neueste Eintragung. „Haben Sie das gemacht, Fox?“ „Gewiß, Professor“, nickte der Assistent gleichmütig. „Ich habe heute die Versuchsreihe C übernommen, da Miß Fantin morgen mit dem Zubringerschiff zur Erde fliegt.“ „Ach ja, richtig!“ Klingelhöfer beugte sich über das Heft, nahm einen Bleistift, schob sich ein Notizblatt heran und warf eine Formel auf das Papier. Fox war hinter ihn getreten und sah ihm über die Schulter. Aus dem Hauptraum kam das feine Klingeln von Gläsern. 26
„Nicht schlecht!“ knurrte der Professor. „Machen Sie weiter so, Fox! Und nun möchte ich Dr. Wilson haben.“ „Er sitzt im Büro.“ Klingelhöfer drückte bereits eine Taste nieder und sagte leise: „Doktor Wilson bitte“ in eine Sprechmuschel. In diesem Augenblick schrillte das Telephon. Fox streckte diensteifrig die Hand aus, aber der Professor hatte schon abgehoben. „Klingelhöfer. Ah, Zentrale – was ist – Sprechverbindung mit Orion-City für mich? Schalten Sie bitte ein.“ Er machte eine Handbewegung, die Fox veranlaßte, den Kontrollraum zu verlassen, die aber gleichzeitig viel Unruhiges an sich hatte. Er hörte durch den Draht die leisen Bemerkungen in der Vermittlung. Endlich knallte überdeutlich ein Wort an sein Ohr. „Hier Orion-City – hier Orion-City – Sicherheitsdienst – Oberstleutnant Mortimer – dort Professor Klingelhöfer?“ ‚Thunderstorm, dachte der Professor, ‚was ist denn nun kaputt?’. Er meldete sich. „How do you do, Professor? Tut mir leid, Sie stören zu müssen, aber die Sache ist dringend. Sie arbeiten doch mit VEX-3?“ Dieser scharfe, abgehackte Kommandoton mißfiel dem Gelehrten außerordentlich. Er schob die Augenbrauen zusammen. „Gewiß, Herr Oberstleutnant.“ „Schön! Dann wird es Sie vielleicht interessieren, daß in Nordafrika das Sahara-Projekt sabotiert wird, indem man die neugeschaffenen Bohrstellen verseucht.“ Die Verbindung war herzlich schlecht. Zwischen den Worten heulten und sangen tausend Weltraumgespenster. „Das ist bedauerlich“, erwiderte der Professor kühl. „Und was habe ich damit zu tun?“ „Ich fürchte, allerhand!“ kam es ironisch zurück. „Das Ganze ist nämlich eine Riesengemeinheit, die auf uns zurückfällt. Man hat die Bohrstellen (der Oberstleutnant sagte „Bohrstellen“, und 27
es kam ihm gar nicht darauf an, daß er übertrieb) mit VEX-3 verseucht.“ „Unverschämtheit!!“ Klingelhöfer wurde rot – er kam sich vor wie einer, den man verkohlen will – er sprang unwillkürlich auf. Aus dem Hauptraum trat leise Dr. Wilson ein und blieb abwartend stehen. „Das ist eine glatte Unverschämtheit, Herr Oberstleutnant – das verbitte ich mir –“ „Regen Sie sich bitte nicht auf – das tun wir schon zur Genüge. Ich will Sie selbstverständlich nicht persönlich treffen, Herr Professor, aber an der Tatsache, daß man hier in Verbrecherkreisen munter mit VEX-3 arbeitet, kann ich leider auch nichts ändern.“ Klingelhöfer preßte die Hand auf seinen schmerzenden Magen. Nun überfiel ihn die Furchtbarkeit dieser Worte erst mit ihrer ganzen Schwere. „Herr Oberstleutnant – Sie – Sie wissen wohl nicht, daß Sie damit – damit – mein Todesurteil aussprechen?“ „Nun, nun“, kam es zurück – diesmal aber begütigend, „Sie trifft vorläufig kein Vorwurf. Professor. Ich muß Sie aber bitten, über unser Gespräch strengstes Stillschweigen zu wahren und mir einige Fragen zu beantworten.“ „Bitte!“ Der Professor achtete nicht darauf, daß Dr. Wilson regungslos an der Tür stand. „Wieviel Gramm dieses Giftes wurden bisher hergestellt?“ „Siebzehn.“ „Und diese sind noch da?“ „Ich werde nachsehen. Bei meiner letzten Kontrolle vor etwa zehn Stunden lagerten sie noch in der Panzerkammer.“ „Ihre Mitarbeiter wohnen im Krater?“ „Bis auf zwei Damen.“ „Und die Damen sind Miß Fantin und Miß Swanson, nicht wahr?“ 28
„Gewiß.“ Dr. Wilson, der dem Gespräch (die Stimme des Oberstleutnants im fernen Orlon-City war nun deutlicher zu vernehmen) mit wachsender Anteilnahme folgte, holte automatisch eine Zigarette aus der Tasche und begann, auf ihr herumzukauen. Plötzlich drehte er sich jedoch um und verließ den Raum. „Miß Fantin fliegt morgen dienstlich nach Orion-City zurück?“ Der Professor ruckte wieder hoch. „Allerdings, – aber soll das etwa bedeuten, daß Sie Miß Fantin verdächtigen?“ „Durchaus nicht, Professor. Es sind nur die üblichen Routinefragen. Kommodore Parker wird den Fall übernehmen und Sie wahrscheinlich in den nächsten Tagen aufsuchen. Außerdem bearbeitet Captain Williams vom Mond aus bereits die Sache. Fühlen Sie sich aber nicht gekränkt, und arbeiten Sie bitte weiter, als sei nichts geschehen. Und vor allem: Schweigen!“ „Selbstverständlich, Oberstleutnant!“ Der Professor legte den Hörer auf – langsam und zögernd. Dann tat er nichts mehr. Er blieb so sitzen und starrte vor sich hin. Und in seinem Gehirn bohrte ein Gedanke: „Unmöglich – unmöglich!“ Erst nach Stunden ließ er Dr. Wilson kommen, um mit ihm die Arbeit zu besprechen. Er nahm sich ungeheuer zusammen und lächelte sogar. Aber Wilsons Hände zitterten. „Ist Ihnen nicht gut, Doc?“ „Doch – doch –“, beeilte sich sein wichtigster Mitarbeiter, zu versichern. „Nur eine nervöse Erscheinung, Herr Professor. Übrigens, wenn ich mir die Frage erlauben darf – fliegt Miß Fantin mit dem routinemäßigen Zubringerschiff?“ Da erwachte ein unbestimmter Argwohn in Klingelhöfer. Er holte aus dem Regal über dem Schreibtisch ein Buch und warf dabei einen kurzen Seitenblick auf den geschniegelten Wilson, den er noch nie hatte recht riechen können. „Mit dem Routineschiff, mein Lieber – oder was dachten Sie …?“ 29
* Ruth Fantin hatte drei Gramm VEX-3 bei sich. Die Kontrolle im Gebäude des eiskalten Raketenflugfeldes von „Luna IV“ beschränkte sich auf das Gepäck. „Bitte, Miß Fantin.“ Der Offizier vom Dienst legte höflich die Hand an die Kappe und öffnete die Tür. Ruth dankte und verließ mit ihrem Handkoffer die Flugverwaltung. Draußen stieß sie auf Patty Swanson und Leutnant Nelson, der eben hinzugetreten war. „Meinen Glückwunsch, Miß Fantin“, lachte er freundschaftlich. „Wissen Sie, was ich jetzt möchte?“ Sie reichte ihm flüchtig die Hand und ärgerte sich über seine Vertraulichkeit. „Ich habe mich mit Ihrem Seelenleben noch nicht beschäftigt“, erwiderte sie spöttisch. „Ich hoffe, Sie holen es demnächst nach“, zwinkerte er. „Mit Ihnen zur Erde zurückzufliegen – das möchte ich.“ Patty Swanson erkannte mit wachsendem Unbehagen, daß er drauf und dran war, sich ernstlich in ihre Freundin zu verlieben. Sie machte verächtlich: „Baaahh!“ und hakte kurzentschlossen beide unter, so daß sie zwischen ihn und Ruth kam. „Meine Freundin würde sich für Ihre Gesellschaft bedanken, Nelson“, lächelte sie. „Außerdem würde Dr. Brown allerhand dagegenhaben.“ Er runzelte die Stirn. „Hat er Sie so am Gängelband, Miß Fantin?“ „Nun werden Sie ungezogen, Herr Leutnant.“ Er wurde rot. „Verzeihung – natürlich – es war dumm von mir – aber haben Sie Mitleid mit einem armen Sünder –“ In seinen ehrlichen Jungenaugen stand soviel aufrichtige Zuneigung, daß sie ihm unwillkürlich einen Seitenblick schenkte. 30
Wenn er wüßte, daß ich auf dem besten Wege bin, eine Verbrecherin zu werden, dachte sie – und dieser Gedanke tat ihr sehr weh. „Vielleicht achten Sie ein wenig auf Miß Swanson, wenn ich weg bin“, sagte sie ausweichend. „Ich glaube, sie findet sich mit dem Mond noch nicht so recht ab …“ „Ach, Unsinn!“ Patty blieb stehen und zwang damit die beiden, es ebenfalls zu tun. Es sah komisch aus, wie die kleine Patty sie kommandierte, und sie mußten alle lachen. „Kehrt marsch – nun gehen wir in die Teestube!“ „Zehn Minuten Zeit haben wir noch“, nickte Ben Nelson. „Und dann starten Sie, Miß Fantin – zur Erde –“ „Glückliche Ruth!“ seufzte Patty. * „Die ZR 37 ist vom Raketenflugfeld Mond–Luna IV gestartet, Miß Fantin befindet sich an Bord.“ Diese Meldung kam eine gute Viertelstunde später durch einen Lautsprecher, der in einem komfortablen Konferenzzimmer angebracht war. „Da haben wir also die schöne Schmugglerin“, nickte der Präsident der Weltpolizei, der spitznäsige Lord Clifford, in seiner näselnden Art. „Schone Geschichten passieren bei Ihnen, Kommodore!“ Jim Parker zerdrückte ärgerlich eine halbaufgerauchte „Maza-Blend“ im Ascher. „Und bei der Wellpolizei?“ fragte er ironisch. „Wenn Ihre Leute in In Salah ein bißchen mehr, die Augen aufgemacht hätten, wäre es nicht zu diesem Mordanschlag auf Dr. Allahdah gekommen.“ „Thank you!“ Lord Clifford lehnte sich in seinem Sessel zurück und legte mit pedantischer Sorgfalt die langgestreckten Beine übereinander. Um ihn herum saßen die Abteilungschefs und Sachbearbeiter der Weltpolizei und machten unglückliche 31
Gesichter. Polizeidirektor Petersen, der dänische Verbindungsmann, wiegte sein graues Haupt bedächtig hin und her. „Gegenseitige Vorwürfe bringen uns nicht weiter, meine Herren. Vielleicht ist Kommodore Parker so freundlich, die wichtigsten Punkte seines Berichtes noch einmal zusammenzufassen.“ Jim sah fragend den Präsidenten an. Lord Clifford nickte gnädig. „Das ist mit wenigen Worten getan“, sagte Jim. „Die nochmalige Darstellung der Vergiftung der Bohrstelle in In Salah kann ich mir wohl sparen. Wichtiger ist für uns im Augenblick die Vernehmung des festgenommenen Arabers, da wir durch seine Aussagen einen roten Faden gefunden haben, der uns vielleicht – ja, ich möchte sagen, mit großer Wahrscheinlichkeit – zur Lösung des Rätsels bringen wird. Der Araber gestand, von einem in ganz Nordafrika berüchtigten Gangster Pierre Meunier, genannt der ‚Boxer von Tanger’, den Auftrag für seine Tat erhalten zu haben.“ „… und dieser Meunier ist bekanntlich Agent der ‚NorthOil-Company’, meine Herren“, unterbrach ihn der kleine Dr. Antes, mit der Lebhaftigkeit des Italieners. „Interessant – interessant – es läßt gewisse Schlüsse zu –“ „Allerdings“, bestätigte der junge Kommodore. „Und ich glaube, wir können die Urheber dieser Anschläge bei der ‚North-Oil’ in Tanger suchen, die, wie wir ebenfalls ermittelt haben, im Wüstengebiet um In Salah Ölfunde gemacht hat und nun wohl befürchtet, die Realisierung des Sahara-Projekts könnte sie an der Ausbeutung dieser Funde hindern.“ „Nicht schlecht“, meinte Lord Clifford, und der Belgier van Lissen fügte befriedigt hinzu: „Dann können wir uns einen großen Zirkus sparen – zwei, drei Verhaftungen in Tanger und …“ „Es wäre ein Scheinerfolg“, winkte Jim heftig ab. Dann bediente er sich aus einer der Flaschen, die malerisch auf den 32
kleinen Tischchen aufgebaut waren. „Wir würden auf diesem Wege wohl kaum den Verräter finden, der im Nevada-Krater sitzen muß.“ „Richtig!“ gab van Lissen zu. „Unser Weg, meine Herren, führt nicht nach Tanger – die Überwachung der ‚North-Oil’ können wir den zuständigen Organen überlassen, – sondern zu den Mitarbeitern des NevadaKraters. Es geht vor allem darum, daß VEX-3 nicht weiterhin in unrechte Hände gerät. Das ist wichtiger als alle Brunnenvergiftungen.“ Präsident Lord Clifford musterte unter halbherabgezogenen Augenlidern den Kommodore, der sich immer mehr in Eifer redete und anscheinend noch mehr Überraschendes vorzutragen hatte. Dem Jungen war wirklich alles zuzutrauen. „Sie haben vollkommen recht, Kommodore und wälzen bestimmt schon einen Plan, wie dem Gegner beizukommen ist.“ „Mein Kompliment, Sir“, verneigte sich Jim und trank dem Mächtigen der Weltpolizei zu. „Sie verfügen über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe.“ Er richtete sich auf. „Ich bitte Sie nun, Herr Präsident, und auch Sie, meine Herren, mir bei der Bekämpfung dieses Verbrechens freie Hand zu lassen.“ „Kein Vabanque, Parker!“ glaubte der Däne den jungen Kommodore warnen zu müssen. „Bei allem Respekt vor Ihren Leistungen …“ „Ich übernehme die volle Verantwortung und stehe mit meiner ganzen Person dafür ein“, erwiderte Jim ruhig. „Okay!“ nickte der Lord gleichmütig. „Meine Einwilligung haben Sie im voraus – was haben Sie vor?“ Da rahm Jim einen herzhaften Schluck, und über sein schmales Gesicht lief ein Lächeln, das leicht und fast heiter war, und unerwartet im Kreise dieser ernsten Männer aufleuchtete. „Nichts, Herr Präsident, als den Brüdern Konkurrenz machen …“ 33
* „He, Pierre!“ Ein schwarzer Sportwagen fuhr langsam über die prächtige Marokko-Avenue der umstrittenen Stadt in Nordafrika. Ein Bulle saß in ihm – ein düsterer Totschläger, unter dessen Fäusten das Lenkrad zu zerbrechen drohte. Als er den schmächtigen Mann am Straßenrand sah, bremste er. „Dein Glück, daß du gewartet hast“, knurrte er böse. „Los – steig ein!“ Der andere sah sich hilfesuchend um. Aber der ‚Boxer von Tanger’ grinste niederträchtig. „Kannst es ja mal versuchen, den Polizisten dort drüben zu rufen“, sagte er leise und mit einer gefährlichen Betonung … Der Schmächtige verzichtete darauf. Mit einer müden Geste stieg er ein. „Mensch, Pierre – nun nimm mir doch nicht so übel, daß ich …“ „Schweig!“ Der Schlag knallte zu. Wie in einem Traum erlebte der Schmächtige, daß Pierre Meunier mit ihm einen großen verkehrsüberlärmten Platz umkreiste, in eine Nebenstraße einbog, dann in eine Straße, die noch armseliger war, und schließlich in eine stinkende Gasse. Er saß geduckt und hörte sein angstgepeitschtes Herz gegen die Brust hämmern. Wie in einem skurrilen Traum war alles – unwirklich und verschwimmend. Erst als er in Pierres Dachkammer neben dem wackeligen Waschtisch stand, wurde ihm der Ernst seiner Lage klar. Der Boxer schloß die Tür und schob träge mit dem Fuß einen Stuhl weg, der ihm im Wege war. „Die Sache in In Salah ist schiefgegangen – dieser dreckige Lümmel hat sich erwischen lassen.“ Der Schmächtige wußte, daß Meunier gleich explodieren würde. Er duckte sich. 34
„Es war gewiß nicht meine Schuld“, versuchte er kläglich, den Gefürchteten milde zu stimmen. „Ich habe alles versucht, in dem Nest einen geeigneteren Mann zu finden.“ „Und warum hast du ihn nicht gefunden?“ Der Schmächtige sah mit weit aufgerissenen Augen Pierre Meunier auf sich zukommen – breit wie ein Eckschrank und gefährlich wie ein knurrendes Raubtier – „Es ist – sehr – schwer – nicht, Pierre – oh –“ Dumpf knallte ein Faustschlag in sein Gesicht – er taumelte zurück – hob abwehrend die Arme – aber der Boxer hielt ihn fest und zog ihn zu sich heran. „Faule Ausreden gibt es bei mir nicht, Dokka, – die Hunde sind uns auf der Spur, – was sollen meine Auftraggeber denken, – wo hast du überhaupt gesteckt – he –?“ Der Geschlagene wischte mit dem Handrücken über sein Gesicht. „Ich habe herumgehorcht.“ „Wo – in der Wüste?“ „Pierre – ich bitte dich, – hier –“ „Und?“ Meunier hielt den anderen mit eisernen Fäusten fest. „Raus mit der Sprache – wird es bald?“ Der Schmächtige heulte fast vor Furcht. „Du wirst mich wieder schlagen, wenn ich es sage.“ „Wenn du es nicht sagst, geht es dir noch schlechter!“ „Die Weltpolizei hat Jim Parker mit der Klärung des …“ „Das genügt!“ In neu aufflammendem Jähzorn schlug die Rechte wieder zu und wuchtete den Schmächtigen gegen die Wand. Dann drehte sich der finstere Bursche um und verließ seine Kammer. „Jim Parker!“ Im Gehirn dieses Verbrechers, der es vom Straßenjungen über den Straßenräuber zum ungekrönten König der Unterwelt von Tanger gebracht hatte und auch noch stolz auf diese böse und traurige Laufbahn war, wühlte dieser Name wie etwas 35
Fremdes, Unbegreifliches, das man nicht nach Totschlägerart mit zwei brutalen Fausthieben erledigen konnte. Er ging schnell über die schmierige Gasse mit ihren keifenden Weibern und schmutziggrauer Wäsche. Als er die Glastür zu seiner Stammkneipe öffnete, fiel sein Blick auf eine Uhr. Nun mußte Ruth Fantin mit dem VEX-3 in Orion-City landen. Hoffentlich ging die Übernahme durch den Mittelsmann reibungslos vor sich. „Einmal ‚Sanftes Lächeln’!“ knurrte er den hemdsärmeligen Wirt hinter der feuchten Theke an. „Hast ihn wohl nötig, was?“ Ein Glas rutschte in seine geöffnete Hand. Lauernd sah Meunier in die trübe Flüssigkeit. Dann goß er sie hinunter. Und genau in diesem Augenblick setzte Jim Parker zu einem Schlag aus, mit dem er ihm gründlich den Appetit verderben wollte. Aus dem Weltall kam die ‚ZR 37’ auf Kreisbahn nahe an die Erde heran und ließ sich von der Atomstadt aus einpeilen. * Minuten später ging sie am Fallschirm, mit dem Heck nach unten, über dem Raketenfeld zwischen Orion-City und dem Wasatch-Mountains herab. Ruth Fantin faßte unwillkürlich nach ihrem Rock, wo die winzige Ampulle mit dem furchtbaren Gift verborgen war. „Achtung – fertigmachen zum Aussteigen!“ Die große Einstiegsluke klappte herunter. Die S.A.T.Männer, die routinemäßig abgelöst worden waren, atmeten auf. Endlich hatten sie wieder die alte, gute Erde unter ihren Füßen. Höflich ließen sie der schönen Französin den Vortritt. „Es regnet, Miß Fantin“, freute sich ein bärbeißiger Elektriker. Seine Hände streckte er aus der Luke hervor, weil er nicht 36
früh genug das köstliche Naß spüren konnte. „Warmer Sommerregen – nachher wird die Sonne wieder scheinen, und ich kann mit den Kindern Spazierengehen.“ „Viel Spaß dabei“, nickte sie ihm freundlich zu und bemühte sich, ihre Erregung zu verbergen. Dort drüben war schon das Schild „Personenkontrolle“. Auf ein Dach plätscherte der laue Sommerregen. Eine Gruppe Polizisten stand gelangweilt davor. „Darf ich Ihren Koffer tragen, Miß Fantin?“ Der Elektriker auf Urlaub hätte die ganze Welt umarmen und allen Menschen etwas Gutes tun können. Ruth tat es weh, neben sich ein so unbeschwertes und restlos glückliches Gesicht zu sehen. Willenlos ließ sie es geschehen – wichtig war ja nur, daß es keine Leibesvisitation gab. „Kontrolle – bitte, die Dame zuerst!“ Ein blutjunger Sergeant salutierte und führte sie in einen Raum mit großen Abfertigungstischen. ‚Warum sieht er mich so an?’ dachte sie und hatte einen trockenen, schlechten Geschmack im Mund. ‚Donnerwetter – was für eine Frau!’ dachte der Junge – er wußte schon Bescheid; denn Jim hatte seiner Abteilung die Aufgabe gestellt, die Frau zu überwachen. „Den Koffer – bitte?“ Einer der Kontrollbeamten hatte es offenbar eilig. Er öffnete, sah flüchtig den Inhalt vom Lippenstift bis zur Zigarettenspitze durch und reichte ihn zurück. „Ich danke, meine Dame!“ „Ich kann gehen?“ „Bitte!“ Beim Hinausgehen bemerkte sie, wie der Sergeant an einen Telephonapparat trat und die Nummernscheibe drehte. Es war ein ganz unwichtiger Vorgang, aber sie bezog ihn auf sich. Ihre Unruhe wurde immer stärker. Wenn sie nur erst das Zeug los wäre. Als sie über das Flugfeld zu dem Autobus ging, der auf 37
die Ankömmlinge wartete, hörte sie hinter sich feste Schritte. Sie fuhr zusammen und drehte sich um. Hinter ihr stand der Leutnant Ben Nelson! „Da staunen Sie!“ schmunzelte er freundschaftlich. „Ich bin sehr erfreut, daß mein Anblick bei Ihnen eine solche Verwirrung auslöst, und ich hoffe, sie werden einem armen jungen Mann seine überraschende Abkommandierung nach der Atomstadt verschönern helfen.“ Sie stand starr und wußte nicht, ob sie sich über seine Anhänglichkeit ärgern sollte. Er trug die übliche Raumfliegerkombination. „Sind Sie etwa mit dem Schiff gekommen?“ stieß er hervor. „Es ging alles so schnell“, entschuldigte er sich redselig. „Buchstäblich in der letzten Minute erhielt ich den Befehl und bin in der Führerkabine mitgeflogen. Nur deshalb haben wir uns nicht gesehen. Ich hoffe, es tut Ihnen leid?“ Er war doch ein großer Junge! „Daß ich Sie unterwegs nicht gesehen habe, sollte mir leid tun?“ lächelte sie spöttisch. Er nickte ernsthaft. „Sie sind sehr von sich eingenommen“, stellte sie fest „Aber nun müssen Sie mich entschuldigen.“ „Aber warum denn?“ winkte er ab. „Selbstverständlich fahren wir zusammen in die Stadt.“ Sie wußte nicht, was sie ihm antworten sollte. Nebeneinander gingen sie auf den Bus zu. Ruth ging absichtlich langsam; denn der Mann, der ihr das böse Stichwort „Marokko“ sagen sollte, wollte am Eingang auf sie warten. Und da war er wohl auch schon – er mußte es sein; denn er kam von einem der wenigen Privatwagen, die dort standen. „Miß Fantin?“ „Ja – bitte?“ Der Mann legte flüchtig einen Finger an die Hutkrempe und zögerte. Ruth wußte genug. Sie nickte Leutnant Nelson flüchtig 38
zu und folgte dem Mann zu seinem Wagen. Es war ein BuickTiger. Nelson sah ihnen verärgert nach. Doch dann geschah etwas, was ihn aus seiner grübelnden Mißstimmung riß. „Kennen Sie das Wort?“ hörte er Ruth den Mann fragen. „Gleich“, drängte der, „steigen Sie erst ein.“ Sie zögerte, stieg dann aber doch in den Wagen. In diesem Augenblick schoß ein knallroter Packard auf der Flughafenstraße – von der Stadt kommend – heran. Ein dunkler Kerl im Regenmantel sprang heraus und rannte auf den Buick-Tiger zu. „Miß Fantin“, schrie er. „Marokko!“ Aber sie war bereits eingestiegen, und der Mann knallte den Schlag zu. Der Kerl im Regenmantel sprang verzweifelt gegen ein Wagenfenster. „Hallo!“ Nun setzte sich auch Nelson in Bewegung. „Was soll das?“ Der andere sah ihn gar nicht. Er mußte zur Seite springen, als der Buick-Tiger davonschoß. Er taumelte – riß sich wieder hoch – warf sich in seinen Wagen und raste hinterher. „Thunderstorm – da stimmt doch was nicht!“ Einen Augenblick starrte Ben Nelson auf die davonbrausende wilde Jagd. Dann rannte er auf den nächsten Uniformierten zu und machte Meldung. Es war unglücklicherweise ein Captain, der ihn ungnädig ansah. „Leutnant, – Sie haben nichts gesehen und nichts gehört, – verstanden?“ Nelson reckte sich. „Das sah mir sehr nach einer Entführung aus, Captain!“ sagte er scharf. „Ich danke, Leutnant!“ * Ruth Fantin sah den Mann an, der neben ihr am Steuer saß und Gas gab, was seine Karre aushielt. Wenige Minuten später wur39
de Tausende von Meilen entfernt – in Tanger – der Boxer ans Telephon geholt. „Sie ist verschwunden“, heulte eine übergedrehte Stimme. Pierre Meunier hatte bereits mehr getrunken, als für ihn in diesen Stunden gut war. In einer verschwimmenden Woge aus Schnaps und Wein stand er am Apparat und lief rot an „Was – was ist los?“ „Sie ist entführt worden!“ heulte es zurück. „Ich verstehe nicht, was du sagst“, knurrte der Boxer gereizt. „Sie ist in einem Buick-Tiger entführt worden!“ Sein Helfershelfer in der Atomstadt hatte die Nerven verloren. „Aber nicht von der Polizei – da sind noch andere im Spiel –“ * Weiter ging die wilde Jagd. Der graue Buick-Tiger raste über die nasse, regenglatte Flughafenstraße auf die Atomstadt zu, die sich mit ihren gigantischen, himmelstürmenden Gebäuden heranschob. Etwa hundert Meter hinter ihnen der knallrote Packard mit dem Kerl im Regenmantel am Steuer. Vorn am Armaturenbrett wurden die Nadeln wahnsinnig. Ruth Fantin überkam eine große Angst. „Wohin bringen Sie mich?“ fragte sie ihren Begleiter, der angespannt auf die Fahrbahn sah, die unter seinem Wagen weggerissen wurde. „In Sicherheit, Miß!“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber Sie haben mir noch nicht das Wort gesagt.“ „Polizei!“ grinste er und schaltete. „Paß auf, Wernicke, daß der Cowboy dahinten nicht herankommt.“ Ruth Fantin ruckte hoch, – es sah aus, als wollte sie dem Fahrer in die Arme fallen. Ihre Augen waren groß und leblos 40
vor Schreck. Die Polizei war ihnen auf den Fersen – und sie hatte VEX-3 bei sich! „Ich paß schon auf, Martin – beim Kraftwerk links abbiegen und hinein in die Wildnis –“ Saß denn hinter ihnen im Fond noch einer? Sie wandte sich um und sah in ein vergnügtes, grinsendes Jungengesicht, und auf zwei Hände, die aber sehr fest und männlich waren, und die sich damit beschäftigten, eine Taschenflasche zu öffnen. „Kognak!“ zwinkerte der Junge ihr freundlich zu. „Von der besten Extraklasse für besondere Zwecke. Darf ich Ihnen eine Stärkung anbieten? Sehr zu empfehlen.“ „Thank you!“ lehnte sie leise ab. „Schade“, bedauerte er. „Ich pflege in solchen aufregenden Situationen immer eine Flasche bei mir zu tragen, wie es mir mein Arzt geraten hat.“ Hinter ihnen schlängelte sich gerade der Packard an einer gemütlichen Zugmaschine vorbei – deutlich konnte man das Manöver durch das Heckfenster verfolgen. „Wir werden von der Polizei verfolgt?“ fragte sie ängstlich. Der Junge nahm einen tiefen Schluck, grunzte zufrieden und schüttelte bedauernd den Kopf. „Die Polizei sind wir selber, gnädiges Fräulein!“ Ruth Fantin erfaßte den Sinn dieser Worte nur langsam – sie sah noch, wie die Flasche ein zweitesmal an den Mund gesetzt wurde – dann fiel ihr Kopf auf die rechte Hand, die das Rückenpolster umklammerte. „Das ist doch nicht wahr“, schluchzte sie verzweifelt auf. „Doch – doch!“ nickte er und betrachtete wohlgefällig ihr schönes, braunes Haar. „Mein Name ist Wernicke, ich bin der Mitarbeiter Jim Parkers. Der Kommodore ist mit der Aufklärung der VEX-3-Piebstähle beauftragt. Sie haben wieder eine Ampulle mit dem Zeug bei sich, Miß Fantin?“ „Ich habe nichts bei mir!“ 41
„Sie sollten die Ampulle einem Mittelsmann übergeben“, fuhr er fort, wobei er ganz sachlich und ernsthaft wurde. „Leider hat der arme Kerl Pech gehabt. Er hängt jetzt hinter uns und wünscht die böse Konkurrenz zum Teufel. Wir spielen ihm nämlich eine kleine Komödie vor, weil wir alles versuchen müssen, um herauszubekommen, wer die Bohrstellen in Nordafrika mit VEX-3 vergiftet.“ Eine unsichtbare Hand legte sich würgend um ihren Hals. „Vergiftet – mit VEX-3“, sagte sie tonlos, „das ist doch – das ist doch –“ Wernicke erkannte seine Chance – er lehnte sich vor . „Haben Sie das gewollt?“ fragte er eindringlich. Sie richtete sich auf. Per Wagen hatte das Kraftwerk erreicht und fuhr in eine Schleife hinein, von der aus eine Nebenstraße abzweigte. Es war unverantwortlich, diese Strecke mit 120 Sachen zu befahren, aber der Fahrer dachte nicht daran, Gas wegzunehmen. „Haben Sie das wirklich gewollt, Miß Fantin – Brunnenvergiftungen und Mordversuche?“ „No – no – no!“ Ruth wurde wachgerüttelt. Das gutmütige Jungengesicht Wernickes sagte ihr alles. Mit einem Schlage erkannte sie, in was für ein Spiel sie sich eingelassen hatte. „Das habe ich nicht gewollt“, beteuerte sie, „das habe ich gewiß nicht …“ „Aber Sie haben VEX-3 – sozusagen als Kurierin – an unbefugte Personen überbracht?“ „Yes – das habe ich.“ Gleich war die Nebenstraße heran – der Fahrer konnte sie bereits einsehen, aber er hatte alle Hemmungen verloren und achtete nicht auf die Kette von Autos, die sich dort heranschob. Wernicke lächelte der verzweifelten Frau aufmunternd zu und holte seinen Taschensprecher hervor. „Hallo – Jim – Merkur –“ 42
Knacken. Dann die markante Stimme des jungen Kommodores. „Merkur – wie ist die Lage, Fritz?“ „Ich glaube, Miß Fantin ist bereit, uns alles zu sagen. Sie ist sehr erschüttert.“ Schweigen. Dann wieder Jim Parker. „Es ist gut. Wenn Miß Fantin bereits jetzt etwas zu sagen hat, hindere sie nicht daran. Ich warte an der verabredeten Stelle. So long!“ „So long!“ Wernicke steckte den winzigen Apparat wieder ein. Die angsterfüllten Augen Ruth Fantins verfolgten seine Bewegungen. Oder sahen sie nichts – waren sie in eine unbestimmte Ferne gerichtet? „Ich mußte es tun“, formten ihre Lippen langsam das bittere Geständnis, „sonst hätten sie Dr. Brown …“ Sie brach ab und schüttelte mutlos den Kopf. Der Wagen hatte die Nebenstraße erreicht. Der Winker pendelte. „Man hat Sie gezwungen?“ Ihre Gedanken waren bei dem Manne, für den sie zur Helferin von Verbrechern geworden war – aber sie mußte es sagen. „Sonst hätten die gemeldet, daß Dr. Brown vorbestraft ist und –“ „Verfluchte Schweinerei!“ Der Fahrer schrie auf und riß verzweifelt das Steuer herum. Aber schon war es geschehen – mitten in der Kurve. In wahnsinnigem Tempo raste der Buick-Tiger in die langsam herankommende Autokette hinein – wich scharf nach rechts aus – kam auf die Graskante – ins Schleudern. Ruth Fantin duckte sich instinktiv und hielt sich eisern fest. Die Straße mit dem kleinen Wäldchen rechts davon wurde vor dem Wagen hochgerissen – der Himmel rutschte nach hinten ab – in einem phantastischen Karussell überschlug sich alles – noch einmal – der Karren landete aufheulend an der Böschung – die Wagentür neben ihr sprang auf. 43
„Erbarmen!“ Vorsichtig richtete sie sich auf. Die beiden Männer rührten sich nicht. Der Fahrer lehnte blutend an der zertrümmerten Seitenwand. Das Heulen in ihren Ohren erstarb – der Druck im Hinterkopf wich – mit überdeutlicher Schärfe hämmerte plötzlich ein Befehl: „Fliehen – fliehen!“ auf sie ein. Sie riß sich hoch und sprang aus dem Wagen. Hinter ihr brodelte wild die Erregung auf. Und der knallrote Packard kam herangeschossen … * Sie rannte in den kleinen Wald hinein und ließ sich auch nicht von den Rufen der Unfallzeugen davon abhalten. Das letzte, was diese Leute von der Szene sahen, war der unheimlich scharf bremsende Packard und der Kerl im Regenmantel. Er flog geradezu aus dem Wagen und eilte ihr nach. Ruth Fantin blieb verschwunden. Daran änderten auch alle Flüche des wieder zum Leben erwachten Steuermannes nichts. „Ich will mein ganzes Leben lang nur noch reines Wasser saufen“, versprach er hoch und heilig, fügte dann aber rasch hinzu: „Wenn wir sie nicht wieder erwischen!“ Kurz darauf trafen Oberstleutnant Mortimer und Jim an der Unfallstelle ein. Jim blieb im Wagen sitzen, während der Sicherheitshäuptling – seine billige, selbstgedrehte Zigarette in der Hand – die beiden Helden verfrachtete. „Pech gehabt“, empfing sie Jim und lächelte böse. „Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, Martin.“ Der Fahrer winkte trübe ab. „Hätte nicht passieren dürfen, Chef. Hoffentlich haben die Brüder nichts gemerkt, daß wir von der Polizei sind.“ „Das ist auch meine Befürchtung!“ seufzte Wernicke. „Habt ihr etwas Trinkbares an Bord?“ 44
„Selterswasser“, knurrte Mortimer. Fritz rieb sich den schmerzenden Schädel und sah seinen Kameraden schuldbewußt von der Seite an. Jim würde kein Wort sagen, aber es war scheußlich, so neben ihm sitzen zu müssen. Es wurde kaum gesprochen, bis sie im Arbeitszimmer des Oberstleutnants einigen untröstlichen Herren von der Weltpolizei gegenüberstanden. „Das kann böse Folgen haben, Kommodore“, sagte Kriminalrat Valenta, ein dürrer Südamerikaner, mit einer eigenartigen Betonung. Jim zündete sich ruhig seine ‚Maza Blend’ an. „Ich habe die Verantwortung übernommen, Herr Kriminalrat, und bin mir dieser Tatsache bewußt.“ „Wieder einmal ist VEX-3 den Verbrechern in die Hände gefallen.“ Der Südamerikaner rang die Hände. „Wissen Sie, was das bedeutet, Sir?“ Jim sah das Nervenbündel verächtlich an. Bevor er antworten konnte, trat ein Angestellter ein. „Kommodore – Leutnant Nelson, Mondabteilung des Sicherheitsdienstes, bittet um eine persönliche Unterredung.“ „Nelson – kenne ich nicht.“ Fragend sah er den Oberstleutnant an, der überrascht die Augenbrauen hob. „Einer meiner fähigsten jungen Offiziere, Jim!“ „Dann werde ich mir den Jungen mal ansehen, Mortimer. Vielleicht veranlassen Sie inzwischen, daß die Presse von dem ‚Kampf zweier Gangsterbanden um eine schöne Wissenschaftlerin’ unterrichtet wird. Sie soll es ganz groß herausstellen.“ Mortimer hob abwehrend die Hände gegen Kriminalrat Valenta, der wieder aufgeregt dazwischenfunken wollte, und spielte mit seinem Tabaksbeutel. „Versprechen Sie sich etwas davon, Jim?“ „Viel!“ antwortete Jim energisch und ging in das Neben45
zimmer. Dort nahm Leutnant Nelson Haltung an und machte seine Meldung. „Sie haben ein persönliches Anliegen, Leutnant?“ Ben Nelson hielt ruhig dem Blick Jim Parkers stand, obwohl er sich etwas unsicher fühlte. „Wenn Sie erlauben, Kommodore – ich kenne Miß Fantin, und bitte um meine Abkommandierung zur Weltpolizei!“ Jim lächelte fein und hielt Nelson die silberne Dose mit den Venussteinen hin. „Zigarette?“ „Thank you!“ Der Leutnant bediente sich. „Ich möchte Miß Fantin gern helfen. „Sie war in der letzten Zeit immer sehr bedrückt, und ich habe vorhin einiges beobachtet.“ Er konnte sein Feuerzeug nicht finden, und der Kommodore hielt ihm ein Streichholz hin. „Wie ist denn so die Stimmung unter den Mitarbeitern Klingelhöfers?“ „Die Stimmung ist nicht schlecht, Kommodore – sehr wohl fühlen diese Erdhasen sich ja nicht auf dem Mond.“ „Kann ich mir denken! Kennen Sie einen Dr. Brown?“ „Er ist so gut wie verlobt mit ihr“, erwiderte Nelson erbittert, und als der Kommodore ihn fragend ansah, fügte er rasch hinzu: „Mit Miß Fantin, meine ich.“ „Ach darum!“ Jim trat vor eine große Wandkarte und fuhr nachdenklich mit dem Zeigefinger in Nordafrika herum. Offenbar war ihm ein Gedanke gekommen. „Es wird besser sein, wenn ich nicht zum Mond fliege.“ Impulsiv drehte er sich um und hob den Hörer vom Telefon ab. „Mortimer – nehmen Sie bitte Verbindung mit Captain Williams auf.“ Und zu Ben Nelson gewandt: „Sie können gleich hierbleiben.“ * „Ruth Fantin von einer Gangsterbande entführt. Kampf zweier Unterweltorganisationen um eine schöne Französin!“ Die klei46
ne Patty Swanson starrte mit ihren hilflosen Kinderaugen auf diese Schlagzeile der neuen Zehnstundenausgabe. Ihre Stimme schwankte. „Das ist doch furchtbar, Monkey!“ Der lange Pat Monkey hatte ihr diese Neuigkeit gebracht. Für ihn war das ein Vorwand gewesen, um endlich einmal in das Zimmer seiner Angebeteten eindringen zu können. Neugierig sah er sich um. „Nett haben Sie es hier!“ nickte er und seufzte ‚zufrieden. „Es wäre fein, wenn ich mich mal öfter bei Ihnen ausruhen könnte.“ „Aber man muß ihr doch helfen!“ Sie sprang auf und schrie es Pat ins Gesicht. Leise summte der Atomheizer, und draußen umgeisterte immer noch die Mondnacht mit eisigem, sternenfunkelndem Schweigen das große Mondwerk. „Sie kann doch nicht bei diesen Verbrechern umkommen!“ Pat war schwer von Begriff. Hingerissen verfolgte er ihren Temperamentsausbruch. „Wenn ich Sie so sehe“, sagte er begeistert, „erinnern Sie mich an einen ganz bestimmten Filmstar – Sie sehen dann so aus – glauben Sie es mir – wie – wie –“ „Sie sind doch ein Kamel!“ unterbrach sie ihn heftig. „Pat, Sie sind doch nicht hergekommen, um mir Komplimente zu machen.“ „Doch – das bin ich!“ grinste er treuherzig. Sie wurde rot. Selbstverständlich mußte man Ruth Fantin helfen, aber es war doch gut, daß man wenigstens noch einen Menschen in dieser Eintönigkeit hatte. „Bleiben Sie hier, Pat“, lächelte sie wesentlich freundlicher und faltete die Zeitung zusammen. „Setzen Sie sich doch – dort in der Flasche steht ein guter Gin –, ich bin gleich wieder zurück –“ Er zwinkerte ihr zu und streckte dann behaglich seine langen Glieder im Sessel aus. Als sie aus dem Zimmer ging, sah er ihr nach. „Von oben bis unten schwer in Ordnung“, grunzte er zufrieden. „Pat, mein Sohn – das ist dein Typ –“ 47
Patty rannte inzwischen durch zwei, drei Gänge und stand dann Captain Williams vom Sicherheitsdienst gegenüber, der hinter seinem Schreibtisch wuchtete und mißvergnügt auf einen Notizblock starrte. „Entschuldigen Sie, Captain, – ich bin Miß Fantins beste Freundin und um ihr Schicksal besorgt. Nein, danke vielmals – ich möchte mich nicht erst setzen.“ Das harte Gesicht des Sicherheitsmannes hellte sich etwas auf, als sie so ratlos und übereifrig vor ihm stand. „Haben Sie eine Aussage zu machen, Miß Swanson?“ Bevor sie antworten konnte, rasselte das Telefon. Er murmelte eine Entschuldigung und hob ab. „Captain Williams!“ Es war Dr. Brown, der in den letzten Stunden noch ernster und schweigsamer geworden war. „Verzeihung, Captain – ich wollte mich erkundigen, ob Sie bereits etwas über den Verbleib von Miß Fantin gehört haben.“ „Leider nicht!“ „Ich habe Ihnen dann noch etwas zu sagen – es ist besser, ich mache meinem Herzen Luft.“ Seine Stimme wurde noch brüchiger. „Ich habe das Gefühl, man trachtet mir nach dem Leben …“ Williams wurde aufmerksam. „Hier im Mondwerk?“ unterbrach er ihn verständnislos. „Haben Sie denn Feinde?“ „Ich weiß es nicht“, kam die unsichere Antwort. Und dann ereignete sich innerhalb weniger Sekunden etwas Erschreckendes. Der Captain hörte durch den Draht, wie auf der anderen Seite eine Tür geöffnet wurde. Jemand schien in Dr. Browns Arbeitszimmer zu treten. Brown begrüßte ihn. Was er sagte, war allerdings nur undeutlich zu verstehen, weil er offenbar den Hörer von sich abhielt. Wieder Schritte, die näherkamen. Dann wieder Dr. Browns Stimme: „Es ist gut, Fox – legen Sie es bitte auf meinen Schreibtisch – was wünschen Sie denn noch – was sehen Sie mich an?“ 48
Williams stand unwillkürlich auf. „Hallo, Brown – ist Ihnen nicht gut?“ Aber Brown sprach noch mit seinem Besucher. „So ist es gut, Fox. Ich werde es nachher dem Professor geben.“ Wieder ging drüben einer über den Fußboden. Und aus diesem monotonen Geräusch heraus wuchs plötzlich ein Gurgeln und ein Stöhnen – ein hartes Klirren – der Hörer war auf die Tischplatte gefallen –. Williams riß einen Schalter herunter und setzte sich in Bewegung. „Verzeihung, Miß Swanson – aber da stimmt etwas nicht –“ * „George!“ Ruth Fantin ging ruhelos hin und her. Kostbare Möbel waren um sie, und durch das schön geschwungene maurische Fenster klang das Rauschen hoher, schlanker Palmen herein. Irgendwo wurde auf einem Instrument gespielt, das sie noch nie gehört hatte. Es war eine traurige Melodie – verloren und doch fesselnd. Ruth konnte es nicht mehr hören – es peinigte sie, seit sie vor einigen Stunden aus einem totenähnlichen Schlaf erwacht war. „George, warum bist du mir auf einmal so fremd, warum bist du so weit weg von mir?“ Ein hartes Geräusch ließ sie herumfahren. Ein Mann war eingetreten – ein Bulle von Kerl, mit den Schultern eines Boxers und dem Gesicht eines Straßenräubers. „Für Pierre Meunier ist es eine verdammt große Ehre, mit einer so schönen und vornehmen Dame sprechen zu können“, verneigte er sich läppisch. „Sie wollen mir noch die Ampulle geben?“ „Sie sind sehr – höflich“, erwiderte sie langsam und spöttisch. „Wollen Sie mir nicht lieber erst sagen, wo ich mich befinde?“ 49
„Seien Sie froh, daß sich dieser elende Karren überschlug“, knurrte er gereizt. „Wer weiß, wo diese Brüder mit Ihnen geblieben wären.“ „Ihre Fürsorge ist rührend, Sir – aber in Ihren Kreisen gilt es wohl als Ruhmestat, einen Kollegen der Polizei zu entreißen?“ „Polizei?“ Er stutzte, die Adern auf seiner Stirn schwollen an, und der bullige Kopf schob sich noch weiter vor. Dann explodierte er und lachte – lachte, daß sein Schnapsatem ihr ins Gesicht knallte, und sie zurückweichen mußte. Er brüllte vor Vergnügen und freute sich wie ein Junge. „Polizei – oh, das ist wunderbar – da haben Ihnen die Gauner aber einen Bären aufgebunden – diese Gauner – oh –“ „Aber erlauben Sie …“ „Nehmen Sie es mir nicht übel, schöne Frau.“ Er beruhigte sich mühsam und wischte mit der Hand über das breite Gesicht. „Wenn es nicht so ernst wäre, könnte ich diese Burschen gern haben – Polizei – oh –“ Wieder platzte er los. Und das war gut; denn der neue Heiterkeitsausbruch gab Ruth Zeit, zu überlegen. Ihre Gedanken jagten sich. Es bestand gar kein Zweifel, daß sie in einem Polizeiwagen gesessen hatte. Aber dieser Verbrecher schien anderer Meinung zu sein. Und hatte nicht der kleine, trinkfeste Mann gesagt, man spiele den Gaunern eine Komödie vor? Hoppla, Ruth Fantin! „Sir!“ Sie machte eine Handbewegung, die Ihn verstummen ließ. „Ich freue mich, hier eine so gute Stimmung anzutreffen, aber wollen wir uns nicht ernsthaft unterhalten?“ „Wenn Sie es wünschen, schöne Frau.“ Unwillkürlich riß er sich zusammen. „Vielleicht bei einem guten Glas Wein?“ „Einverstanden!“ Wohl spürte sie, wie seine Blicke sie unverschämt abtasteten, aber sie empfand keine Angst vor diesem Schläger …
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* Captain Williams sprang mit einem wahren Hechtsprung auf die Tür von Dr. Browns Arbeitszimmer zu und riß sie auf. Hinter ihm folgten vier seiner Männer. „Brown! – Hallo –!“ Stöhnen drang ihnen entgegen – ein qualvolles, erstickendes Würgen. Stühle lagen herum, und die Schreibtischlampe, die restlos zerstört war. Nur ein schwaches Deckenlicht brannte. Hier mußte allerhand los gewesen sein. „Brown!“ „Hinter dem Schreibtisch, Captain!“ „Habe ihn schon!“ Williams war mit wenigen Schritten bei dem Gelehrten, der zusammengekrümmt zwischen dem Schreibtisch und einem Sessel lag, und sich wie im Krämpfe wand. Er war gelb im Gesicht. An seinem Halse zeigten sich Würgemerkmale. „Menschenskind – wer hat das mit Ihnen vorgehabt?“ „Luft“, stöhnte Brown, „ich ersticke –!“ Der Captain kniete neben ihm nieder und faßte seine Schultern. Einer seiner Leute rannte bereits zu einem Arzt. Williams riß ihm die Jacke und das Hemd auf. Brown bäumte sich hoch – als stemme er sich einer furchtbaren Qual entgegen. „Wer war es, Doc?“ „Fox, Captain – lassen Sie das Zeug untersuchen –“ Williams folgte seinem. Blick und entdeckte ein Glas, das umgestürzt auf dem Schreibtisch lag. Der Inhalt – anscheinend Tee – war fast ausgelaufen. Nur ein kleiner Rest schwamm noch trübe. „Sullivan, heben Sie das Glas auf – aber vorsichtig –“ Der Mann nickte und trat an den Schreibtisch. *
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Jim Parker erfuhr bereits eine halbe Stunde später von dem Anschlag auf Dr. Brown. Er hörte sich mit verschlossenem Gesicht den Bericht des Captains an. „Haben Sie Fox vernommen?“ Über den Sprechverkehr kam die Stimme Williams – verzerrt und geisterhaft. Der Empfang war auch heute schlecht. Jim mußte den Hebel auf der Tafel bis auf „Vollanschlag“ umlegen, um überhaupt etwas verstehen zu können. „Kurz, Parker – ich habe ihn aus dem Labor herausholen müssen, wo er eifrig an der Arbeit war und das Unschuldslamm spielen wollte. Er machte sich aber sofort verdächtig.“ „Inwiefern?“ Jim beugte sich noch weiter vor. Leise trat Fritz Wernicke hinter ihn. „Er gab an, seit zwei Stunden im Labor gearbeitet zu haben. Es stellte sich dann aber heraus, daß er in der bewußten Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz weilte und auf Gang 4 – also in der Nähe von Dr. Browns Arbeitszimmer – gesehen worden war.“ „Allein?“ „No – mit Dr. Wilson.“ „Peinlich für beide! Halten Sie mich bitte auf dem laufenden.“ Wieder drehte er auf der Verstärkertafel und schüttelte ärgerlich den Kopf. „Es wird heute nichts mehr, Williams. Die Verbindung ist zu schlecht. Noch eins: nehmen Sie diesen Fox ordentlich in die Zange, aber lassen Sie ihn dann wieder laufen.“ „Kommodore – das ist unmöglich!“ „Regen Sie sich nicht auf, Williams – lassen Sie ihn laufen und beobachten. Auch Dr. Wilson.“ „Okay!“ „Wie geht es Dr. Brown?“ „Den Umständen nach gut. Die Medizinmänner hoffen, ihn durchzukriegen. Nur über das Gift ist man sich noch nicht einig.“ 52
„VEX-3?“ „Diesmal nicht. Übrigens sagte Brown noch aus, er hätte schon vor seinem Anruf bei mir von dem Tee getrunken, und sei dann anschließend überfallen worden.“ „Bißchen viel auf einmal. Wenn die halbe NevadaBelegschaft hier aufkreuzt, werden wir vielleicht mehr erfahren.“ „Haben Sie was Bestimmtes vor, Kommodore?“ „Ich will Klingelhöfer und seine engsten Mitarbeiter zu einer Besichtigung von In Salah einladen. Mal sehen, was dabei herausspringt. So long, Captain!“ Er schaltete ab. Die unheimlichen Geräusche erstarben. Jim stand auf und sah seinen Getreuen an. „Alles mitbekommen, Fritz?“ Fritz Wernicke kaute an einer Zigarette, die er hier im Abhörraum der Radarzentrale nicht anstecken durfte. Sie waren in den letzten Tagen kaum weitergekommen. Jim wartete auf Nachricht von Ben Nelson, der in Tanger versuchte, die verlorengegangene Spur der Fantin wiederzufinden. Er hatte alles vorbereitet, um dem Leutnant sogleich zu Hilfe kommen zu können, wenn es soweit war. „Mitbekommen habe ich es schon“, nickte Wernicke ernsthaft und sah sich in dem großen kahlen Raum nach einer Flasche um. „Aber gefallen tut es mir nicht.“ „Mir auch nicht!“ „Brown muß etwas gewußt haben.“ „Möglich!“ Wernicke zwinkerte seinem berühmten Kameraden zu. „Weißt du, woran ich denken mußte, als ich Williams Bericht hörte?“ „Nun?“ „An den Kriminalfilm ‚Der Tod wartet an der Straßenecke’, den wir vor einigen Wochen sahen, und der gegenwärtig auf 53
dem Mond läuft. In ihm kommt eine ähnliche Szene vor. Da sieht man mal wieder, was Kriminalfilme anrichten können, wenn irgendein Blödmann ein Verbrechen begehen will.“ Jim antwortete nicht. Er zog sein Jackett über, und sie verließen die Station. Erst als sie im Wagen saßen und durch die breiten Straßen der Atomstadt fuhren, nahm er den Faden wieder auf. „Es ist sinnlos, von hier aus einen solchen Fall enträtseln zu wollen. Wir müssen zunächst einmal den Befund der Ärzte über Dr. Browns Vergiftung abwarten.“ „Eben!“ nickte Wernicke und tastete die Taschen ab, um hier etwas für seine durstige Seele zu finden. Als er nichts erwischte, pustete er mißbilligend vor sich hin. „Diese Kriminalfälle sind eine schreckliche Sache – man trocknet ein dabei. Fahren wir nach Hause?“ „Ins Büro.“ „Na, dann fahren wir ins Büro“, seufzte Wernicke gottergeben. „Aber eines möchte ich hiermit feststellen, edler Häuptling: wenn dieser Dr. Wilson glaubt, uns etwas vorzaubern zu können, kann er was erleben.“ „An dir ist wirklich ein Meisterdetektiv verlorengegangen“, lachte Jim, während er den Wagen geschickt an einem Lastzug vorbeimanövrierte. „Wie kommst du auf Wilson?“ „Klarer Fall: er ist mit Fox auf Gang 4 gesehen worden, er ist im Nevada-Krater als Streber bekannt, er ist dem Sicherheitsdienst schon verschiedene Male aufgefallen.“ „Und das genügt, um in deiner schwarzen Liste zu stehen. Na, warten wir ab.“ „Und trinken Schnaps!“ ergänzte der kriminalistisch begabte Steuermann und rieb sich erwartungsfroh die Hände. Aber sie kamen nicht mehr zu einer feuchtfröhlichen Stunde – im Büro wartete schon eine verschlüsselte Nachricht von Ben Nelson auf den Kommodore. 54
* „Trinken Sie noch ein Glas, schöne Frau?“ Der Boxer von Tanger war mächtig in Fahrt. Diese rassige Frau war ja gar nicht so zurückhaltend. Sie war ein spritziges Vollblut, mit dem auch ein Pierre Meunier reden konnte – zum Teufel! „Ich denke, Sie wollen mir noch die Stadt zeigen, Meunier?“ Und wie sie lächelte! Dem Boxer wurde warm dabei. Er beugte sich zum Rundfunkempfänger hinüber und schaltete ein. Faszinierend hämmerte eine Band los. Die „silver-boys“ aus dem ‚Tivoli’. „Kuba – Kuba – Stern im Ozean –“, sangen und wimmerten sie. Die klobigen Hände Meuniers drehten am Apparat. „Übertragung aus dem ‚Tivoli’ – wenn Sie nichts dagegen haben, fahren wir nachher mal hin.“ Sie hatte allerhand dagegen. Sie wollte raus aus dieser schmutzigen Atmosphäre. Aber die letzte VEX-3-Ampulle sollte wieder mit. Sie wollte sie der Weltpolizei auf den Tisch legen – und wenn es zehn Jahre Zuchthaus kostete. Und dann wollte sie mit Jim Parker über Dr. Brown reden – er mußte ihr helfen! Sie spielte ein gefährliches Spiel, aber sie würde es weiterspielen. „Ich will Ihre kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen“, lächelte sie wieder und legte ihre Beine übereinander. „Sie haben sicher viel zu tun.“ „Für Sie habe ich immer Zeit“, erwiderte er mit einer gefährlichen Vertraulichkeit und wollte seine Hand auf ihren Arm legen. Sie stand auf. „Ich möchte noch etwas ruhen, Sir. Das Geschäftliche hätten wir für heute erledigt. Hoffentlich genügt die Menge VEX-3, die ich Ihnen gab.“ 55
„Für die nächsten Überraschungen in In Salah reicht es“, grinste er. „Und dann kommt ja noch eine neue Sendung.“ „Ich kann mich beim S.A.T. nicht wieder sehen lassen, Meunier.“ Er sonnte sich in seiner eigenen Bedeutung. „Wir haben auf dem Mond noch mehr Leute sitzen. Aber bleiben Sie noch!“ „Bis nachher, Meunier.“ Sie war froh, als sie an der Tür war und diese dann von draußen schließen konnte. Ruhig und vornehm lag der schöne Flur mit den weiß-goldenen Wänden vor ihr. Durch das Fenster konnte man über einen gepflegten Vorgarten auf eine stille Gartenstraße sehen. Auf der anderen Seite ging langsam ein Mann in weißem Anzug vorüber. Er drehte gerade den Kopf, als mustere er verstohlen das Haus. Leutnant Nelson! Sie unterdrückte einen Aufschrei, trat an das Fenster und stützte sich auf. Ein heißes Gefühl der Dankbarkeit kam über sie. Sie war nicht mehr allein! Das konnte nur bedeuten, daß die Weltpolizei die richtige Spur gefunden hatte. Wenn man nun aber keinen Wert auf die Hilfe einer Ruth Fantin mehr legte und sie kurzerhand verhaftete? Ganz gleich, wie es kommen würde – sie war nicht mehr allein in diesem unheimlichen, vornehmen Hause! „Ben Nelson!“ Wenn der gute Ben gehört hätte, wie andächtig sie es sagte! Aber seine Freude wäre sinnlos gewesen; denn ihre Gedanken blieben doch bei dem Mann, den sie liebte … * „Dr. George Brown!“ Fritz Wernicke stand in der Kontrolle des Raketenflugplatzes und ließ die Mitarbeiter von Professor Klingelhöfer Revue passieren. Dr. Brown war auch dabei – der Tod hatte ihn noch ein56
mal aus den Fingern gelassen. Schwach und zitternd kam er zur Untersuchung. „How do you do, Wernicke – hoffentlich dauert es nicht lange.“ Wernicke schob ihm einen Stuhl hin, aber Brown ließ stehend die knappen Handgriffe über sich ergehen. Koffer. Taschen. Und dann eine Leibesvisitation. „Das soll kein Mißtrauen sein, Doc. Thank you!“ Mit flatternden Händen kleidete Brown sich wieder an. „Ich fasse es auch nicht so auf. Hoffentlich bekommt mir Nordafrika. Aber wenn ich Ruth Fantin nicht wiederfinde, ist doch alles sinnlos.“ „Nicht den Kopf hängen lassen, Doc! Der Nächste bitte!“ Durch eine Tür verließ Dr. Brown den Raum – durch eine andere segelte arrogant und überlegen der geschniegelte Dr. Wilson herein. ‚Na warte, mein Junge!’ dachte Wernicke. Koffer. Taschen. „Ausziehen, bitte!“ Der Überhebliche wurde bleich. „Aber ich bitte Sie – was erlauben Sie sich, Sir!“ „Halten Sie uns nicht auf!“ Leibesvisitation. Wernicke ließ sich viel Zeit und krempelte grinsend Unterhosen und Hemde um. Plötzlich faßten seine Finger einen harten, länglichen Gegenstand. Im Futter des Jacketts. Eine Ampulle? „Sie brauchen nicht herzusehen, Wilson.“ „Unverschämtheit!“ Eine Ampulle! Er konnte sich nicht täuschen. Bei allen Planeten – das war ein Fressen! Er nahm das elegante Kleidungsstück, eilte damit hinaus und ließ es durchleuchten. „Wahrscheinlich Gift“, stellte die Assistentin fest. „Vielleicht Rauschgift, oder … .“ „Thank you – es genügt mir!“ „Wollen Sie ihn festsetzen?“ 57
„Darf nicht!“ Wieder rein in den Kontrollraum. Dr. Wilson war wirklich sehr bleich und schien sich nicht wohl zu fühlen. Verständlich, Doc, verständlich! „Sie können sich anziehen. Es ist alles in Ordnung. Der Nächste, bitte!“ * Ben Nelson hatte Ruth Fantin gesehen. Nun schnippte er gereizt mit den Fingern. Schöne Frau, du bist in gefährlicher Gesellschaft! Es wird Zeit, daß wir dich herausholen. Ein fliegender Zeitungshändler kam auf ihn zu. „’Tanger News’, Sir?“ Ben kaufte sich gedankenlos ein Blatt und fuhr mit seinem Sportflitzer bis zum Spanischen Park, wo er den Kommodore treffen wollte. Er fuhr langsam und gab einem vorbeigleitenden Streifenwagen der Polizei einen Wink, auf die Straße zu achten. Der Polizeiapparat lief langsam an. „Sahara-Konferenz in In Salah!“ Diese Schlagzeile – nicht besonders knallig; denn sie brachte keine lärmende Sensation – stand über einem ausführlichen Bericht, aus dem hervorging, daß Delegierte aller beteiligten Staaten und Organisationen am Ausgangspunkt der Arbeiten zu wichtigen, zum Teil geheimen Besprechungen zusammenkommen würden. „Kuba – Kuba – Stern im Ozean –“ sang Ben Nelson den neuesten Song vor sich hin. „Und da wollen die Brüder wahrscheinlich einen großen Coup landen. Na, den Spaß werden wir ihnen verderben!“ Er lenkte den Wagen an den Ausgangspunkt des Spanischen Parks und wartete darauf, daß aus dem Gewimmel des vorbeiflutenden Verkehrs oder aus der Stille des Parks Jim Parker auftauchen würde. Schon ging der frühe Abend in die hereinbrechende Dämmerung über. Durch die Kronen der Bäume blitzten 58
vom jenseitigen Europa-Boulevard die ersten Neonschlangen der Amüsierlokale auf. Ben schaltete die Scheinwerfer ein. Abenteuerliche Gestalten in den Gewändern aller Rassen und Nationen eilten an ihm vorbei in den Park. Ängstliche Gemüter begannen um diese Tageszeit den Park zu meiden. Die blaue Stunde hüllte die Stadt ein. „Hallo, Nelson – schlafen Sie nicht!“ Jemand schlug ihm auf die Schulter, und als er langsam den Kopf wandte, sah er in Jim Parkers lachende Augen. Der junge Kommodore sah in seiner weißen, weiten Leinenhose aus wie ein Seeoffizier auf Landurlaub. „Melde mich zur Stelle, Spion!“ Sie schüttelten sich die Hände, und Jim stieg ein. „Fahren Sie weiter, Nelson! Man braucht uns hier nicht zu sehen.“ Nelson ließ den Wagen langsam anlaufen. „Ich habe Ruth Fantin gefunden“, berichtete er mit glücklicher Stimme, „aber wir müssen sie noch heraushauen.“ „Wo ist sie?“ „In einer Villa in der Atlantik-Street. Ich lasse das Haus überwachen.“ Jim sah nachdenklich in den leuchtenden Strom der Kraftwagen. Aus einem vorbeigleitenden Tanzlokal – „Gloria“ stand in giftgrünen Buchstaben über der schäbigen Eleganz – klang das welterschütternde: „Kuba – Kuba –“ „Wir müssen die Bande ausheben, bevor man uns in In Salah einen Streich spielt, Nelson.“ „Meine Meinung!“ nickte der Leutnant. „Habe eben die Zeitung gelesen. Hoppla, da ist was los!“ Der Sprechfunk meldete sich, und Jim klemmte sich den Kopfhörer um. „Hier Funkwagen 21. Soeben haben Meunier und eine Dame das Haus in der Atlantik-Street verlassen und Meuniers Wagen bestiegen. Der Wagen fährt in Richtung Spanischer Park davon.“ Das Jagdfieber packte Jim. 59
„Also hinter uns her!“ Schon wieder der Sprechfunk. „Hier Funkwagen 18. Wir beobachten den EuropaBoulevard. Vor dem ‚Tivoli’ fahren soeben Wagen mit Personen vor, die überwacht werden.“ „Hoppla!“ sagte Nelson wieder und schnippte mit den Fingern. „Die Clique scheint sich einen fröhlichen Abend machen zu wollen.“ „Solche Tanzvergnügen können leicht im Zuchthaus enden“, antwortete Jim ernst. „Wir müssen versuchen, den Gaunern die VEX-3-Ampulle wieder abzujagen. Den Rest kann die Polizei besorgen.“ Ben Nelson fügte energisch hinzu: „Und Ruth Fantin herausholen – das ist ebenso wichtig.“ „Das ist selbstverständlich.“ Jim warf ihm einen kleinen, prüfenden Seitenblick zu. „Dr. Brown wird sich freuen, seine zukünftige Frau unversehrt wiederzufinden.“ Worauf Ben Nelson verlegen und rot wurde und mit einem Seufzer antwortete. * Dr. Brown konnte man es nicht verdenken, daß er sich bei der Vorstellung in In Salah zurückhielt. Er sah noch sehr leidend aus, und die gnadenlose Hitze mit 41 Grad im Schatten, benahm auch den anderen den Atem. „Allah schütze Sie, meine Freunde!“ sagte Dr. Allahdah warm, wobei er sich tief verneigte. „Möge über unseren Besprechungen ein guter Stern walten.“ Über fünfzig Personen waren hier vor einem großen Zelt versammelt. Aus allen Erdteilen waren sie gekommen; denn das Sahara-Projekt sollte wieder ein mächtiger Zustoß des muskulösen Armes der ganzen Menschheit sein – ähnlich wie Außenstation und Venus-Siedlungen. 60
Erst nach einer guten halben Stunde trat der Araber auf die als Gäste geladenen Mitarbeiter des ‚Labor Nevada-Krater’ zu und reichte Professor Klingelhöfer die Hand. „Auch Sie seien mir willkommen, meine Herren!“ „Ich danke im Namen meiner Mitarbeiter, Herr Doktor. Zwar sind wir die Männer, die das furchtbare Gift herstellen, mit dessen Hilfe verantwortungslose Verbrecher versuchen, die Verwirklichung Ihres großen Werkes zu verhindern, aber wir haben ein großes Interesse daran, bei der Entlarvung dieser Kreaturen dabei zu sein.“ Unter buschigen Augenbrauen sah Dr. Allahdah ihn prüfend an. „Der Schatten des Bösen vermag das Licht nicht zu verdrängen.“ „Darf ich Ihnen Herrn Dr. Wilson vorstellen?“ Nichts merkte man Dr. Wilson davon an, daß er eine Flasche mit diesem Gift bei sich trug. Er war wirklich die personifizierte Überlegenheit. Weltmännisch verneigte er sich und machte einen vorzüglichen Eindruck. „Werden wir auch die Bohrstellen sehen können?“ fragte er höflich. „Daran wäre ich besonders interessiert.“ „Wir werden unseren Gästen nichts vorenthalten.“ „Und hier Herr Dr. Brown!“ Endlich. Brown konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er begab sich gleich nach der Vorstellung zur Ruhe. Dr. Allahdah bat die Delegierten in das Zelt, in dem bereits ein Konferenztisch mit Schreibblöcken aufgebaut war. Geräuschvoll und umständlich nahmen die Herren Platz. Als sich jedoch der Doktor zu seiner Begrüßungsansprache erheben wollte, trat Charbonnier, der kleine Südfranzose, auf ihn zu. „Drüben in der Verwaltungszentrale warten zwei Herren von der ‚North-Oil’, die Sie in einer wichtigen und unaufschiebbaren Angelegenheit zu sprechen wünschen.“ Dr. Allahdah nahm langsam seine Brille ab. „Ich verzichte 61
auf Gespräche mit der ‚North-Oil’“, sagte er hart. „Mit Brunnenvergiftern und Meuchelmördern konferiere ich nicht.“ Man wurde aufmerksam. Köpfe reckten sich vor. Füllhalter wurden wieder hingelegt. Es wurde so still, daß man das Singen des Ventilators als unerträglich empfand. „Brunnenvergifter?“ erkundigte sich ein Türke aufgeregt. „Wir haben bereits davon gehört, – aber Sie stellen hier eine schwerwiegende Behauptung auf, Dr. Allahdah.“ „Die Weltpolizei wird ihre Beweise liefern, meine Freunde.“ Und wieder zu dem Franzosen gewandt. „Monsieur Charbonnier, werfen Sie die Leute raus!“ „Das war unvorsichtig von Dr. Allahdah gesprochen“, sagte der Türke leise zu dem Vertreter des Iraks. „Hoffentlich hat diese brüske Abweisung keine Folgen.“ Charbonnier aber dachte nicht an solche Folgen. Für ihn war es ein Hochgenuß, diese aufgeblasenen Affen mit ihren dicken Diplomatenmappen in die Wüste schicken zu können. * „Bin mal gespannt, ob sie in In Salah etwas erreichen.“ Der Boxer von Tanger hatte schon wieder mächtig einen geladen, und Ruth Fantin sah mit Bewunderung und Herzklopfen, mit welcher Virtuosität dieser Bursche seine Karre durch das abendliche Gewimmel lenkte, ohne anzuecken. „Und wenn Dr. Allahdah nicht will, werden wir ihm morgen wieder die Suppe versalzen, – aber diesmal gründlich –“ Okay Meunier, plaudere aus, was du auf dem Herzen hast. Frauen sind doch die besten Detektive. Sie wußte genau, was sie nun wollte, die schöne Ruth. Sie wollte noch mehr erfahren und dann versuchen, auszubrechen. „Dr. Allahdah wird auf die Bedingungen Ihrer Auftraggeber wohl kaum eingehen“, gab sie zu bedenken und lehnte sich mit 62
betonter Lässigkeit zurück. „Hinter ihm stehen immerhin große Mächte.“ „Dann bekommt er morgen die dritte Spritze. Es ist schon alles vorbereitet. Du bist wirklich schön, Ruth.“ „Was ist vorbereitet?“ Sie lachte ihn wieder an, – es würgte scheußlich im Halse dabei, – aber sie lachte ihn an mit ihren makellosen Zähnen. „Schließlich gehöre ich doch nun dazu, Pierre. Achten Sie lieber auf Ihr Steuer!“ Aber eine Hand genügte Pierre Meunier zum Lenken, wenn er eine schöne Frau neben sich hatte. Und wenn sich nicht in diesem Augenblick rechts vom Wagen das pompöse Lockfeuer des ‚Tivoli’ knallig herangeschoben hätte, wären ihr seine plumpen Vertraulichkeiten wohl nicht erspart geblieben. „Wir sind da, Pierre!“ „Leider“, knurrte er. „Wenn ich nicht eine Verabredung mit meinen Leuten hätte, könnten wir nochmal die Runde fahren.“ „Steigen Sie gefälligst aus, mein Lieber!“ Er steckte seine Zigaretten ein und öffnete den Schlag. Auch Ruth sprang auf den Asphalt der Straße, die unter dem Lärmen der Angetrunkenen, dem Gekreische von geistig Halbstarken beiderlei Geschlechts und dem Gedränge der Passanten sich aufzubäumen schien. Das ‚Tivoli’-Portal trug ein famoses Sinnbild, das niemand übersehen konnte, der seine Nase in die Nachtluft steckte – einen Magneten mit zwei knallroten Herzen daran. Ein besseres Symbol für einen solchen Rummel hätte man nicht finden können. Die Gäste waren denn auch von einer Sorte, die diesem Niveau entsprach. Im besten Falle streiften sie noch eben mit dem Rockärmel die Grenze der Gutbürgerlichkeit. „Guten Abend, Pierre!“ Ein kleines, schiefgewachsenes Männlein mit grauen Haaren und einem altmodischen Kneifer, trippelte aus der schiebenden 63
Menge auf sie zu und dienerte. „Meine Verehrung, schönste aller Frauen!“ „Das ist Monsieur Latin“, grinste der Boxer, „unser Rechtsberater!“ Ruth reichte dem Alten lässig die Hand. „Haben Sie schon einen Rechtsberater nötig, Meunier?“ spöttelte sie. „In unseren Kreisen sind solche kluge Herren unentbehrlich“, erwiderte er. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen, wenn du länger bei uns bleiben willst.“ Ruth verstand, was er damit sagen wollte. Aber sie hatte gar nicht die Absicht, noch lange zu bleiben. Sie ließ es zu, daß er ihren Arm nahm, als sie mit dem komischen Latin das internationale Tollhaus betraten. Vor einer gläsernen Tür salutierte sogar ein Portier. „Die Herrschaften werden bereits erwartet!“ Meunier tippte ihm auf den Uniformrock. „Paß auf meinen Wagen auf, verstanden?“ Der Portier wußte Bescheid. Er winkte einem der herumlümmelnden Taugenichtse zu, und der setzte sich in Meuniers Wagen. Aber niemand achtete auf den weißen Sportflitzer, der mit aufgezogenem Verdeck in der Schlange der parkenden Wagen stand. Und auch nicht auf einen schmächtigen Mann, der Meunier haßerfüllt nachstarrte. * „Thunderstorm – da kann man doch das Kribbeln kriegen“ brummelte Ben Nelson. „Ruth Fantin am Arm eines berüchtigten Totschlägers – und dann hinein in das Sündenbabel!“ „Auf gefährlichen Wegen!“ nickte Jim. „Lange dürfen wir sie nicht allein lassen.“ „Hinterher!“ Jim hielt ihn zurück. „Augenblick – jetzt nicht unüberlegt 64
handeln, Nelson! Warten Sie, bis ich mit Kommissar Alvarez gesprochen habe …“ * Kommissar Alvarez leitete eine vor wenigen Tagen gebildete Sonderkommission, die sich nur mit dieser Affäre befaßte. Er stand in seinem Büro vor einer riesigen Stadtkarte. Sein silberner Bleistift führte immer engere Kreise um das Vergnügungsviertel. Hinter ihm lästerten seine Leute über diese Art der Inspiration und stießen sich grinsend an. „Nun beschwört er wieder den großen Geist!“ Dann schrillte ein Telephon in die andachtsvolle Tätigkeit hinein. Einer der Männer hob ab. „Chef, – Kommodore Parker!“ Alvarez drückte seine Zigarette im Ascher aus und nahm den Hörer. Die ruhige Stimme Jim Parkers klang auf. Der Kommissar hörte aufmerksam zu. „Sie sind nicht der Ansicht, daß die Brüder die Giftampulle im ‚Tivoli’ haben, Kommodore?“ „Ich nehme nicht an, daß ein Mann wie der Boxer ein solches Zeug bei sich trägt, – dazu dürfte er viel zu abergläubisch und zu feige sein –“ „Durchaus möglich“, mußte der Kommissar zugeben, „und betrüblich, weil wir uns dann eine Massenverhaftung im ‚Tivoli’ verkneifen müssen.“ „Nur, solange Meunier noch da ist. – nur er kann das Gift verborgen halten.“ Der silberne Bleistift tippte auf die Tischplatte. Im Hintergrund standen die Führer der zwei in Alarmbereitschaft liegenden Einsatzkommandos. „Aber wer weiß, wann wir die Bande wieder einmal auf einem Haufen haben.“ „Wenn wir die frohe Runde im ‚Tivoli’ nicht ausheben können, fangen wir die Gauner nachher einzeln ab. Ich werde mich 65
zunächst einmal an die Fersen dieses famosen Schlägers heften.“ „Hoffentlich finden Sie das VEX-3 in einem seiner Verstecke.“ „Davon bin ich überzeugt!“ Alvarez warf ein paar Notizen auf seinen Block. „Nun gut, Parker, dann handeln wir entsprechend. Geben Sie uns bitte gleich Nachricht, wenn Sie etwas herausgefunden haben. Hoffentlich ist Meunier so liebenswürdig, Sie mitzunehmen.“ „Auch davon bin ich überzeugt!“ lachte Jim. * „Schönste aller Frauen!“ Der schiefe Latin war ganz aus dem Häuschen. Sein goldener Kneifer tanzte auf der Nasenspitze hin und her – und in ihm spiegelte sich der wüste Rummel, der den ganzen Laden mit seinen drei Tanzsälen, den Flaggen aller Nationen und der flammenden Kostümierung der wildgewordenen ‚silver-boys’ durchtobte. „Das ist Betrieb – das ist Leben –“ „Ihr Leben?“ erwiderte Ruth unwillkürlich. „Pflegen Sie jeden Abend dieses vornehme Lokal zu besuchen?“ Oh, er war klug, der Alte, – und hinter seiner verkrampften Heiterkeit verbarg sich die Enttäuschung eines verpfuschten Daseins. Er verstand sofort, wie sie es meinte, und zuckte zusammen. Hilflos rieb er sich die Hände. Ruth tat ihre Bemerkung schon leid. „Setzen Sie sich doch“, forderte sie ihn freundlich auf. „Selbstverständlich, Latin“, grunzte Meunier großspurig. „Sie gehören doch zu uns.“ Seine Augen schweiften in die Runde. An einem Nebentisch hob man die Gläser. Feine Gentlemen saßen dort, – und Damen, die zu ihnen paßten. „Nachher – im roten Saal!“ rief einer dem Boxer zu. Meunier drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Heute abend wird nicht gespielt. Komm mal her, du Schakal!“ 66
Der Mann lümmelte sich lässig hoch und kam herübergeschlängelt. „Hast du Dokka und Kay Bescheid gegeben?“ „Sie sind um elf an der Brücke, Meunier.“ „Ich gebe dir nachher den Schlüssel, damit du in die Atlantik-Street fahren kannst.“ Robert schüttelte den Kopf. „Was soll ich denn dort?“ Meunier beugte sich vor. „Bist du denn blind? Sie sind uns doch auf der Spur.“ „Polizei?“ „Heilsarmee bestimmt nicht.“ Er winkte einen der Kellner heran und bestellte eine Lage Sekt von der teuersten Sorte, – und Nina Laurenzo sollte singen, der ‚Heiße Wüstenwind’. „Und was ist mit dir los, schöne Frau?“ Ruth riß sich zusammen. Ein beklemmendes Gefühl furchtbarer Angst wollte über sie kommen. Mit einer flüchtigen Handbewegung wischte sie die prüfende Aufmerksamkeit fort und ließ sich von dem alten Latin mit großer Grandezza eine Zigarette reichen. Meunier sprach weiter auf seinen Mann ein. „Wir brauchen diesmal nicht selber nach In Salah. Wir fangen ihn an der Brücke ab, nehmen das Gift in Empfang und fahren …“ Die Musik brach ab. In das Schweigen, das so plötzlich eintrat, daß es schmerzte, kündete ein Ansager die Sängerin an. Sie sollte „Kuba – Kuba –“ singen. „… verstanden, Robert?“ „Es ist alles klar, Meunier.“ Er nickte und verließ das Lokal. Ohne daß sie es wollte, folgten ihre Augen. Robert trat an der Tür zurück, um einem Eintretenden Platz zu machen. Der Mann, der wie ein vergnügungssüchtiger Fremder durch die Tischreihen ging, war Ben Nelson. Ruth nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, – ihre Hände zitterten – 67
Ben sah sich den traurigen Rummel an und grinste belustigt. Hier müßte man einmal aufräumen – ein Sturm müßte hier losbrechen und den Tempel leerfegen, der auch den ‚Heißen Wüstenwind’ vertreiben konnte. Singe nur, du fremde Katze! „Kuba – Kuba – Stern im Ozean –“ Und dort drüben saß Ruth Fantin. Welch ein Weg, schöne Frau – von der geachteten Wissenschaftlerin zur Tischpartnerin von Dunkelmännern. Aber du leidest, du fühlst dich hier nicht wohl. „Kellner!“ Einer im weißen Smoking verneigte sich und wies auf einen Tisch. „Was darf ich dem Herrn bringen?“ „Wein und Zigaretten.“ Während er die Weinkarte studierte, ging sein Blick wieder zu der Frau, die ihm nie so schön und hilflos vorgekommen war wie in dieser Stunde. „Nur beobachten“, hatte Jim Parker ihm gesagt, „nicht tanzen und andere Dummheiten machen.“ Nicht tanzen! Zum Teufel, sollte er denn mit ansehen, wie diese schmierigen Burschen mit ihr tanzten? „Bitte, der Herr.“ Ben nickte und hörte den roten Wein in das Glas plätschern. Seine Rechte faßte in die Jackettasche, wo der Taschensprecher steckte, den der Kommodore ihm mitgegeben hatte. Nicht tanzen. Und was sang diese angemalte Sängerin von internationalem Nachtbar-Ruf? „Kuba – Kuba – Stern im Ozean –“ * Die Melodie war auch draußen auf der Straße zu hören – dieser tolle, pochende Rhythmus und die dunkle Stimme der Sängerin. Jim pfiff sie leise vor sich hin, während er langsam auf und ab schlenderte. 68
„Haben Sie Feuer, Herr?“ Ohne mit der Wimper zu zucken, blieb Jim stehen und langte langsam in die Tasche. Dabei glitten seine Augen prüfend über den Mann, der vor ihm stand. Es war ein auffallend schmächtiger Bursche, dessen Gesicht geschwollen war. „Bitte!“ sagte er freundlich und hielt die kleine Flamme hin. „Sind Sie gestürzt?“ Das Feuer berührte die Zigarette und wurde aufgesogen. „No, nicht gestürzt“, antwortete der andere mit einer eigenartigen Betonung, „geschlagen hat er mich!“ „Das ist schlimm“, lächelte Jim, „so etwas sollte man sich nicht bieten lassen.“ „Wenn man aber schwächer ist als der Gegner?“ Jim klickte das Feuerzeug wieder zu. „Dann allerdings.“ Warum ging der andere nicht weiter. Wollte er etwas von ihm? Und da sagte der Schmächtige auch schon: „Meunier hat mich geschlagen, Herr Kommissar!“ Ach so, der hielt ihn für einen Kriminalbeamten. Nun, den Spaß sollte er haben. „Das ist ja sehr interessant, – aber warum erzählen Sie es mir, mein Lieber?“ „Ich bin doch Dokka!“ „Richtig!“ Jim schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Die Sache begann, auch ihm Spaß zu machen. „Mein Kollege Alvarez hat mir schon von Ihnen erzählt.“ Aber es war gefährlich, hier auf dem Europa-Boulevard solche Gespräche zu führen. Er gab dem anderen einen herrischen Wink und ging langsam weiter. Dokka folgte ihm. Als sie nach einigen hundert Metern bei Jims Wagen standen, fuhr der Unterweltler fort: „Ich lasse mich nicht schlagen, – ungestraft nicht –“ „Na also, strafen Sie ihn, – sehr fair ist so etwas ja nicht, aber …“ Dokka sah sich um. „Ich weiß, wo die Giftampulle ist!“ 69
* „Kuba – Kuba – Stern im Ozean –“ Endlich beendete der „Heiße Wüstenwind“ seinen wehmütigen Song. Scheinwerfer kreisten um eine schöne Gestalt – rot – violett. Dann senkte sich die kleine Bühne mit ihr. „Bravo – bravo – bravo!“ Auch Ben Nelson klatschte hingerissen Beifall. Sie konnte etwas, diese blonde Sängerin! Drüben am Tisch mit der feinen Gesellschaft applaudierte Ruth Fantin. Aber mitten im Knallen der zusammenklatschenden Hände zuckte sie zurück. „Ruth!“ Wer rief sie? Das war doch Georges Stimme. Aber wie war das möglich – seine Stimme – brüchig und furchtbar fremd? Und wieder kam das Gefühl einer rätselvollen Angst über sie. Sie sah wohl die bunten Scheinwerferbündel, die wie grelle Sonnen an den Wanden entlang huschten, aber vor ihren Augen weitete sich der Raum. Über dem „Tivoli“ kreisten die Sterne – über Tunis – über der Wüste – über In Salah – Und in In Salah geschah in dieser Stunde etwas, das der dunklen Affäre urplötzlich eine Wendung gab, die wohl kaum einer vermutet hatte. Es begann damit, daß ein brauner Diener die Treppe hinaufeilte, die zu den Gästezimmern führte. Vor der Tür Nr. 3 machte er halt und klopfte vorsichtig. „Herr – Herr – es ist etwas geschehen –“ Drinnen schnarchte jemand laut und anhaltend. Wieder klopfte der Diener. Aber erst, als er ein drittesmal geklopft hatte, riß das Schnarchen ab. „Zum Teufel – wer ist denn da?“ „Herr – Herr – es ist etwas geschehen –“ „Nanu?“ Dieser Jemand sprang aus dem Bett und kam mit bloßen Füßen an die Tür. „Ihr seht wohl Wüstengespenster, he?“ 70
„Der Herr Doktor Wilson ist schwer erkrankt.“ Nun wurde der Mann hinter der Tür endgültig wach. Es war Professor Klingelhöfer. Er hastete zurück, warf. seinen Schlafmantel über und kam herausgestürzt. „Diesmal Wilson – wo denn?“ „Unten im Zimmer mit den vielen Büchern.“ Also in der Bibliothek! Klingelhöfer hatte nie große Sympathien für den zurückhaltenden und arroganten Doktor Wilson empfunden, aber nun bubberte ihm doch das Herz. Der Diener eilte voran. Unten im Erdgeschoß wurde es bereits lebendig. Auf dem Flur stieß er auf Doktor Allahdah. „Man hat mich gerufen, Herr Professor“, verneigte er sich kurz. „Wir wollen hoffen, daß Allah seine Hand über ihn hält.“ „Was sollte mit ihm sein?“ „Ich hörte von einer akuten Herzmuskelschwäche. Unser Arzt ist bereits bei ihm.“ Aus der Bibliothek drangen leise Stimmen. Die Tür stand offen. „Doktor Person!“ Um ein Ruhesofa standen verschiedene Delegierte, die von der traurigen Nachricht aufgeschreckt worden waren, als sie von einer feuchtfröhlichen Runde zurückkehrten. Ein jüngerer Mann trat auf sie zu und machte eine resignierende Handbewegung. „Tja – da ist allerdings nicht mehr viel zu machen – sehen Sie –“ Und dann sah Klingelhöfer seinen Mitarbeiter. Doktor Franklin Wilson lag ohne Bewußtsein auf dem Rücken. Ehrlich erschüttert trat Klingelhöfer heran und nahm seine kraftlose Hand. „Das ist nicht nur die plötzlich eingetretene Schwäche“, berichtete der Arzt leise. „Der Mann ist ganz einfach fertig – seelisch und körperlich –“ „Es besteht keine Hoffnung mehr?“ „Unter solchen Umständen kaum noch. Ich warte auf den 71
Hubschrauber, der ihn nach Algier bringen soll, aber es ist nur, um unser Möglichstes zu versuchen.“ Und nach einer kurzen Pause: „Er will eben nicht mehr.“ Trostlos war es, so herumstehen zu müssen. Als der braune Diener wieder eintrat, atmete alles unwillkürlich auf. Doktor Allahdah, der bisher rücksichtsvoll im Hintergrund gestanden hatte, sah auf. „Ich nicht finden Doktor Brown“, berichtete der Diener. „Herr sind nicht mehr in In Salah.“ Allahdah schob die Augenbrauen zusammen. „Was heißt das, Ali?“ „Herr sind heute mit der Sonne abgeflogen.“ Der Araber wandte sich an Klingelhöfer, der ratlos die Schultern hob. Eine peinliche Stille entstand. Endlich winkte der junge Arzt den Gelehrten beiseite. Er zog einen Briefumschlag aus der Tasche. „Er ist an Sie adressiert, Professor – ich habe ihn bei Wilson gefunden.“ Ahnungsschwer riß Klingenhöfer das Papier auf. Er wußte die Augen aller auf sich gerichtet, und er nahm sich ungeheuer zusammen. Mit ruhigen Händen entfaltete er einen engbeschriebenen Briefbogen. Lange sah er auf die Zeilen, bevor er ihren bedeutungsvollen und furchtbaren Sinn erfaßte. „Darum also“, sagte er leise. „Darum also. Herr Doktor Wilson!“ * „Ich weiß, wo die Giftampulle ist.“ Dokka wollte seine Rache. Das Gesicht brannte ihm, und in seiner Seele bohrte der Haß. Jim atmete dreimal tief auf. Endlich eine Spur! Schweigend öffnete er den Schlag und ließ den Gauner einsteigen. Während der Wagen aus der Schlange her72
ausrollte, drückte Jim auf den Knopf des Taschensprechers. Hoffentlich verstand Nelson das Zeichen. „Ich werde Sie hinführen, Herr – aber nur, wenn …“ Jim sah ihn scharf an. „Nun?“ Dokka genierte sich furchtbar. „Da wäre zunächst noch ein kleiner Einbruch zu besprechen – eine Lappalie nur – aber ich möchte doch …“ „… um milde Beurteilung bitten“, lachte Jim. „Werden wir schon machen, mein Lieber. Aber veranstalten Sie keine Scherze mit mir – sonst werde ich verdammt sauer!“ „Ich will Meunier eins auswischen.“ „Denn man zu!“ Der Wagen fuhr den lichtübertobten Europa-Boulevard entlang, umkreiste einen großen Platz und bog dann in eine Nebenstraße ein. * „Darf ich bitten, gnädige Frau – Sie gestatten doch, Monsieur?“ Der Boxer hatte durchaus nicht die Absicht, einem anderen zu gestatten, mit der schönen Ruth zu tanzen. Sie gehörte zu ihm! So durfte ihm keiner kommen, und schon gar nicht so ein hergelaufener Grünschnabel. „Wer sind Sie denn?“ knurrte er mißtrauisch und goß sich schon wieder ein Gins hinter die Binde. „Wohl verlaufen, wie?“ Ben zuckte es in den Fäusten, aber er beherrschte sich und beachtete auch nicht den warnenden Blick der Fantin. „Sie haben mich sicher falsch verstanden“, lächelte er höflich. „Ich beabsichtige nicht, mit Ihnen ein langes Gespräch zu führen, sondern bat Sie nur um einen Tanz mit der Dame.“ So durfte man Pierre Meunier nicht kommen! Wer ihn kannte, wußte, daß er jetzt dicht vor einem seiner gefürchteten Ausbrüche war. Er schob sein Glas zurück und stemmte sich lang73
sam hoch. Seine Augen wurden ganz klein, aber die Stirnadern schwollen an. Ruth legte ihre Hand auf seinen Unterarm. „Nicht, Meunier“, bat sie, „wir dürfen nicht auffallen!“ Ben Nelson rührte sich nicht vom Fleck. „Ich möchte von Ihnen eine Antwort, Monsieur.“ Der bullige Kopf schoß vor. „Sie sollen sich zum Teufel scheren, – das ist meine Antwort!“ Schon wurde man aufmerksam, als ein Mann an den Tisch trat und seinem Boß etwas zuflüsterte. Gutes war es nicht; denn mit einem Schlage war der Boxer nüchtern und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. „Tanze mit ihm, Ruth!“ herrschte er sie an. Ben atmete tief auf, um ruhig zu bleiben. Er verneigte sich, als Ruth neben ihn trat und führte sie auf die Tanzfläche. „Was machen Sie hier?“ sagte sie leise. „Wissen Sie nicht, in welcher Gefahr Sie sich befinden?“ „In keiner größeren als Sie, Miß Fantin!“ Die Musik setzte mit einem langsamen Walzer ein, und er legte seine Hand auf ihren Rücken. „Im übrigen bin ich nicht zu meinem Vergnügen hier.“ „Sie sind bei der Weltpolizei?“ „Vorübergehend zu ihr abkommandiert.“ Er blickte flüchtig in die Runde. „Sie sehen, ich bin ganz offen.“ „Sie wollen mich verhaften?“ Nun kam wieder die furchtbare Ahnung eines drohenden, dunklen Schicksals über sie. Sie mußte an George denken, während sie sich willig von dem sehr sicher tanzenden Leutnant führen ließ. „Vorhin waren Sie nicht so schweigsam.“ „Wo?“ „Am Tisch mit den feinen Gentlemen.“ „Nelson!“ Sie schluckte und konnte kaum weitersprechen. „Ich weiß, was ich getan habe, und ich verstehe, daß Sie schlecht von mir denken müssen …“ 74
„Und das tut Ihnen weh?“ zwinkerte er gutmütig. „Yes“, gab sie wieder willig zu und sah weg. „Ausgezeichnet – aber nun seien Sie mal ruhig.“ Um sie brodelte ein Vulkan auf, der gleich losbrechen konnte. Hinter ihnen segelte der Boxer schwerfällig durch die Tischreihen und trommelte seine Leute zusammen. Er mußte eine verdammt schlechte Nachricht bekommen haben. In das Schluchzen der ‚Silver-Boys’ klangen laute Rufe. Dann ein Pfiff. Alles schwieg. Hier herrschten seltsame Kommandos. Alles blieb stehen – auch Ruth und Ben Nelson. Gespannt sahen sie auf einen Mann, der sich mit energischen Armbewegungen einen Weg durch die Neugierigen bahnte und auf sie zukam. „Macht Platz!“ grollte Meuniers Baßstimme auf. „Geht zur Seite, ihr Himmelhunde und laßt den Herrn durch.“ Sie wichen zurück. „Nun sollen mich doch alle Mondschlangen holen“, ächzte der Leutnant, als er den Mann erkannte. Ruth riß sich von ihm los und schrie auf. „George – George –“ Aber Doktor George Brown riß die Arme, die sich ihm entgegenstreckten, brutal an sich. Er sah aus, als wenn tausend Teufel hinter ihm her wären. „Los, Ruth – komm – komm –“ „Was ist denn?“ wimmerte sie auf und warf sich gegen Ihn. „Warum lassen sie dich nicht in Ruhe? Ich habe doch alles getan, was sie wollten!“ Pierre Meunier trat neben sie. Sein Gesicht war Hohn. „Es wird Zeit, Chef!“ sagte er leise. *
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„Da hätten wir sie!“ Jim Parker sagte es andächtig vor sich hin. Nun konnte wenigstens mit dieser kaum sichtbaren Menge Flüssigkeit, die in der winzigen Ampulle schwamm, kein Unheil mehr angerichtet werden. Dokka sah zu, wie seine Hände vorsichtig über das Ding tasteten. „Und das Zeug ist so gefährlich, Kommissar?“ Jim wickelte die Ampulle in ein Tuch und steckte das Knäuel in die Tasche. Dabei zwinkerte er dem schmächtigen Tagedieb zu. „Viel gefährlicher als Meunier.“ Dokka zuckte zusammen. „Nein, Herr – das gibt es nicht. Wenn er uns nun hier erwischt?“ Die kleine Dachkammer zeigte in dem schwachen Licht einer Deckenlampe ihre ganze Trostlosigkeit. Der Schatten der beiden Männer lag schwer auf den kahlen Wänden. Jim schüttelte den Kopf. „Hier also haust ein Unterweltshäuptling, wie?“ „Hier auch“, berichtigte Dokka. „Er hat vier Wohnungen in der Stadt. Von seinem Vermögen möchte ich nur ein Viertel haben.“ Jim hielt ihm die Zigarettendose hin. „Auf einen solchen Reichtum ruht kein Segen, mein Lieber. Stecken Sie sich lieber eine gute Zigarette an.“ Als die weißen Stäbchen brannten, knipste er das Licht aus. „Was soll das, Herr?“ „Mal sehen, ob wir noch Räuber und Gendarm spielen können“, lachte Jim. „Sie warten auf Meunier – das ist gefährlich!“ „Für ihn, Dokka – und vielleicht auch für andere!“ * „Die Maschine aus Algier kann jeden Augenblick eintreffen.“ Der junge energische Arzt von In Salah sah nachdenklich auf 76
den Schwerkranken, der vor ihnen, bleich und bewußtlos, auf dem Ruhesofa lag. Nur einige Minuten waren inzwischen vergangen, aber sie schienen stark genug, den Tod wenigstens aufzuhalten. „Besteht nicht doch noch eine kleine Hoffnung?“ fragte Klingelhöfer gepreßt. Doktor Person sah ihn aus schmalen Augen an. „Vielleicht“, erwiderte er kurz und gab ihm und Allahdah einen unauffälligen Wink. Sie gingen auf den Flur, wo Person sich an den Arzt wandte. „Sie werden bemerkt haben, daß ich den Kranken durch einen unserer Geheimpolizisten überwachen lasse.“ „Es ist mir aufgefallen.“ Der Weltbeauftragte hielt sein Zigarettenetui hin. Klingelhöfer bediente sich. Der Arzt lehnte ab. Sein braunverbranntes Gesicht war von einer fast schmerzhaften Schärfe, als er leise sagte: „Ich fürchte, für die Erkrankung Wilsons wird sich die Polizei interessieren müssen.“ Sie traten vor das Haus. Von dem kleinen Flugplatz herüber huschten Scheinwerfer und Buntfeuer durch die Nacht, um die angeforderte Maschine einzulotsen. Irgendwo heulte klagend ein Hund. Frierend stellte Klingelhöfer seinen Mantelkragen auf. „Die Polizei interessiert sich nur für Verbrechen, Doc.“ „Gewiß.“ Mit einer fahrigen Bewegung steckte Allahdah sein Zigarettenetui wieder weg. „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß an Wilson ein Verbrechen verübt worden sei?“ Doktor Person spürte die ungläubigen und spöttischen Blicke seiner Begleiter auf sich gerichtet, war aber eigenwillig genug, sich nicht beirren zu lassen. „Ich muß es annehmen“, erwiderte er ruhig. „Man hat vor Wochen versucht, auch Sie zu vergiften, Doktor Allahdah – und Wilson hatte ein halbgeleertes Glas vor sich stehen.“ 77
„Die Polizei wird das Glas untersuchen.“ „Ihre Spekulation widerspricht der Tatsache, daß in Wilsons Brief ein handfestes Geständnis steht“, schüttelte der deutsche Gelehrte heftig den Kopf. „Er bekennt sich als alleinschuldig an dem VEX-3-Schmuggel zur Erde und den Anschlägen auf die Bohranlagen.“ „Geständnisse können unter Zwang abgefaßt werden.“ „Doc, nun gehen Sie zu weit. Das sind vage Vermutungen. Was meinen Sie, Allahdah?“ „Auch mir fällt es schwer, den Gedankengängen unseres tüchtigen Medizinmannes zu folgen – aber sie sind nicht uninteressant –“ „Sie wollen sich nicht festlegen“, knurrte Klingelhöfer unwillig. „Wenn ich aber daran denke, wie unangenehm mir dieser Mann bereits im Nevada-Krater auffiel, und daß mein Mitarbeiter Brown beinahe sein Opfer geworden wäre …“ „Und dieser Doktor Brown?“ gab Person schlagfertig zurück. „Hat man nicht herausgefunden, daß die Giftmenge in seinem Teeglas niemals tödlich wirken konnte?“ „Sie wissen mehr als ich.“ „Ich interessiere mich für den Fall und habe mich mit einem Verbindungsoffizier der WP unterhalten. Und dieser Mann vermutete, daß Kommodore Parker eine ganz bestimmte Spur verfolgt …“ * „Wer ist denn dieser andere?“ „Abwarten, Dokka, und nicht soviel fragen. Kann nicht mehr lange dauern.“ Aber der leuchtende Zeiger seiner Armbanduhr glitt langsam weiter über die Zahlen und rundete eine Stunde. Unten lag ein Gemüseladen, und der süßliche Geruch verschiedener Obstsor78
ten drang durch die Bretter. Eine feine Umgebung! Wer hier eine Stunde lang im Dunkeln hocken mußte, hatte die Nase voll von jeder Verbrecherromantik. Als der Zeiger die volle Stunde anzeigte, meldete sich der Taschensprecher mit seinem Summton. Dreimal kurz – zweimal lang. Hoppla – nun wurde es gefährlich – „Was bedeutete das, Herr?“ kam es erregt aus der Dunkelheit. „Meunier ist aus dem ‚Tivoli’ verschwunden“, sagte Jim gelassen und nüchtern, als säße er Fritz Wernicke gegenüber und nicht diesem Dokka. „Die Polizei jagt ihn. Wahrscheinlich ist etwas schiefgegangen.“ „Und der andere?“ „Sie sollen nicht soviel fragen.“ Dokka atmete unruhig – ein keuchender Atem war es, der plastisch In der Dunkelheit stand. Plötzlich knarrte ein alter Stuhl. „Sitzenbleiben, Dokka!“ „Ich habe Angst, Herr!“ „Psst!“ Jim legte den Finger auf den Mund, obwohl der andere ihn nicht sehen konnte. Draußen auf dem engen Hof erklang ein merkwürdiges Tapsen. Dort schlich einer durch die Gegend und hielt das Fenster unter Kontrolle. Also hatten die Brüder doch etwas gemerkt! „Wir hätten nicht mit dem Wagen in die Gasse fahren sollen, Herr!“ „Richtig, mein Lieber, das war ein Fehler, den wir jetzt schleunigst gutmachen werden. Können Sie schießen?“ „Oh – Herr – nur, wenn es – sein – muß –“ „Ich gebe Ihnen gleich eine Pistole. Machen Sie keine Dummheiten damit.“ „Wenn es gegen Meunier geht, niemals!“ „Okay!“ 79
* Meunier hatte das „Tivoli“ verlassen. Schweigend und mit finsterem Blick. Es mußte wirklich allerhand schiefgegangen sein. George Brown achtete nicht darauf, daß angstvolle Hände verzweifelt über seine Schultern glitten – „Was wollte er von dir, George?“ „Belangloses.“ „Er kennt dich doch.“ „Flüchtig.“ Die ‚Silver-Boys’ hämmerten wieder los. Ihre peitschende Melodie setzte langsam wieder die Neugierigen in Bewegung, die mit lauernden Blicken um sie herumstanden. Leutnant Ben Nelson, der sich in achtbarer Entfernung gehalten hatte, trat entschlossen heran. „Es dürfte nicht gut für Miß Fantin sein, noch länger in dieser Bude zu bleiben. Hier kann noch allerhand in Scherben gehen.“ Brown löste sich aus seiner Starre und reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Nelson. Ohne Sie wäre Ruth in tausend Gefahren geraten. Ich freue mich, daß ich es noch eben geschafft habe.“ Ihre Augen trafen sich. Es war nichts Gutes in ihnen. Nelson schnippte mit den Fingern. „Sie waren in Sorge um Miß Fantin?“ fragte er ironisch. „Andere Sorgen habe ich nicht mehr. Komm jetzt, Ruth – es ist besser, wir gehen. So long, Nelson!“ Nelson verneigte sich schweigend und sah ihnen nach, bis die Glastür hinter ihnen zupendelte. Dann kramte er eine frische Zigarettenpackung hervor, mißhandelte gedankenlos die Glaspapierhülle und ging an die Bar. Vor dem Portal aber stiegen George Brown und Ruth in ei80
nen Bugatti. Seine Bewegungen waren von einer verhaltenen Nervosität. „George, was ist? Wohin fahren wir – nach In Salah?“ „Vielleicht!“ * Immer noch erklangen die Schritte vom engen Hof herauf. Es konnte nicht mehr lange dauern. Jim pfiff leise vor sich hin und holte seinen Atombrenner aus der Tasche. Seine Finger tasteten über die erhabenen Zahlen der Skala und schalteten das Instrument ein. Dann schoß ein hauchfeiner grüner Lichtstrahl auf den Fußboden und schnitt ihn auf. „Sie kommen, Herr!“ Wieder sprang der Angsthase von Tagedieb von seinem Stuhl hoch. „Sie sind gleich auf der Treppe.“ „Dann nehme ich sie vom Laden aus.“ „Wie wollen Sie hinunterkommen – das Fenster ist zu klein –“ Unten wurde es lebhaft – unter ihm im Laden. Also war es nichts mit dem Zweifrontenkrieg – oder – ja, nun schoben sich die Schritte den Flur entlang. Nun mußte er handeln, wenn er der schon heranrasenden Polizei den ganzen Haufen übergeben wollte. „Hier, Dokka – fangen –!“ Eine Pistole flog dem zitternden Helden in die Hände. Wahrscheinlich würde er sie nicht einmal gebrauchen. Denn schon klaffte der Bretterboden auf. Irgendwo im Laden waren undeutlich Schränke und Regale zu erkennen. Nach der Straßenseite zu türmten sich Säcke und Kisten. Auf dem Flur wurde laut gesprochen. „Ich werde sie ausräuchern“, schrie einer, und das konnte nur der Boxer sein. „Ausräuchern! Los, ihr Feiglinge, wir holen uns das …“ Ein Mann sprang in den Laden – landete vor dem Verkaufs81
tisch – riß die Glastür zum Flur auf. Meunier – schon auf der Treppe – wirbelte herum. Jim Parker hob seinen Atombrenner. „Monsieur Meunier, nicht wahr? Es ist mir eine große Ehre, Ihnen das Handwerk legen zu können. Hätte nicht übel Lust, Sie zu unseren Mondschlangen zu verfrachten. Damit wir uns richtig verstehen – meine Waffe ist gefährlicher als hundert Pistolen. Legen Sie Wert darauf, die Richtigkeit meiner Worte zu prüfen?“ Pierre Meunier legte keinen Wert darauf. * „Dieser Riesensprung hat dem alten Fuchs endlich das Genick gebrochen“, lachte Kommissar Alvarez und schüttelte Jim herzhaft die Hand. „Leider nur bildlich gesprochen.“ Sie waren in das Arbeitszimmer des Kommissars getreten. Jim atmete in der sachlichen Eleganz dieses Raumes ordentlich auf. Unruhig sah er auf die Armbanduhr. Ob Nelson Doktor Brown aus den Augen verloren hatte? „Die Überrumpelung der Bande war nicht weiter schlimm“, wehrte er bescheiden ab. „Schlimmer war die Stunde, die ich in der Dachkammer verbringen mußte.“ „Nicht schön, was?“ „Trostlos!“ Jim lehnte sich im Sessel zurück und trank mit großem Behagen den Kognak, den der Kommissar ihm eingeschenkt hatte. Seine Gedanken gingen zu Fritz Wernicke, der das Abenteuer nicht miterleben durfte, da es in der Atomstadt wieder neue Arbeiten und Aufgaben gab. „Trostlos und für unser Jahrhundert unglaublich!“ Ob Nelson immer noch nicht anrief? „Wissen Sie, wie ich mir vorkam?“ „Ich bin gespannt.“ „Wie der Held eines uralten Kriminalfilms. Wann endlich werden wir soweit sein, daß solche Stadtviertel, solche Nacht82
und Nebelhäuser verschwinden? Wir rackern uns ab, um unserer geplagten Menschheit eine bessere Zukunft zu bauen, wir haben Atomwerke, Venussiedlungen, Haus und Garten für jede Familie – und hier ersticken Menschen in Dachkammern, schmutziger Wäsche und Schnapsspelunken. So geht es noch in allen Weltstädten.“ „Ich verstehe Sie, Kommodore“, nickte der Polizeimann und strich über sein Glas. „Legen Sie noch zwei Jahrzehnte zu. Wir sind auf dem besten Wege! Auch hier in Nordafrika – denken Sie an Doktor Allahdah. Und denken Sie andererseits an den Urheber dieser Übeltaten.“ „An den denke ich sogar sehr intensiv“, lachte Jim grimmig. „Ich will dieser traurigen Komödie noch heute abend ein Ende bereiten.“ Alvarez sah ihn aufmerksam an. „Sie wissen mehr als wir, Kommodore. Es ist nicht gut, die Polizei lange im unklaren zu lassen.“ Rechts von ihm schrillte der Fernsprecher auf. Er nahm ihn ab, um gleich darauf den Hörer herüberzureichen. „Leutnant Nelson von der Weltpolizei!“ Jim stand auf und meldete sich. Die ‚Maza-Blend’ fiel unbeachtet in den Ascher. Eine erregte Stimme war zu hören. Jim nickte. „Ich komme, Nelson.“ Dann legte er wieder auf und nickte dem Kommissar zu. „Kommen Sie, Alvarez – ich möchte Ihnen den Großen Unbekannten nicht länger vorenthalten.“ * Und wieder eine wilde Jagd in einem rasenden Wagen, verfolgt von einer Meute jaulender Motorräder, geblendet von den Lichtfassaden der mitternächtlichen Stunde, die heranstürzten und am Wagen vorbeigerissen wurden. „Halt dich fest!“ 83
Instinktiv klammerte Ruth sich an die Rückenlehne. Halsbrecherisch riß Doktor Brown das Steuer herum. „Noch zwei Seitensprünge mehr und wir haben es geschafft“, grinste er böse. Über sein verzerrtes Gesicht legte es sich wie ein feuchtglänzender Schleier. Wie fremd er war – wie fremd – Sie duckte sich unter einer furchtbaren Angst. „Wenn man dich verfolgt, warum rufst du denn nicht die Polizei zu Hilfe?“ Was antwortest du darauf, Doktor Brown? Was antwortest du dieser Frau? Er lachte verächtlich. Das war seine Antwort. Und als er sah, wie sie sich in unfaßbarem Erstaunen aufbäumte, ließ seine Rechte los und packte ihren Arm. „Du bleibst bei mir – ich brauche dich noch –“ Das war alles, was er ihr zu sagen hatte. Sie verstand ihn. Sie begriff alles. Der Mann, für den sie durch tausend Feuer gegangen war, hatte mit ihr gespielt – und mit vielen anderen Menschen – George Brown war ein Verbrecher. Ruth zitterte unter diesem furchtbaren Schlag – aber er warf sie nicht um. Sie wandte sich nur ab. Es war ihr, als dehne sich zwischen ihr und diesem Mann eine Unendlichkeit aus. „Du warst sehr klug, George – klug und böse –“ „Wie ruhig du das sagst – tausend Teufel –“ Er ruckte vor und stierte auf einen grellen Scheinwerfer, der ihnen aus einer schmalen Seitenstraße entgegenkam. „Eingekreist – nun haben sie uns –“ Mit unnatürlicher Schärfe erfaßte sie, was nun kam. Sie sah seine schlanke kräftige Hand nach vorn greifen. Der Wagen kreischte in den Stand. Mit einem jähen Aufbäumen warf sie sich gegen den Schlag. *
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Minuten später. Durch die Nacht lief eine Frau. Ruth Fantin wußte nicht mehr weiter. Sie lief durch glitzernde, flimmernde, laute Straßen. In ihr war alles dunkel. Sie rannte mit Männern zusammen, die übermütig nach ihr griffen. Sie spürte es kaum. Sie wußte nur, daß nun alles aus war. Ruth Fantin konnte auch nicht mehr. Der Mann, der ihr alles bedeutete, hatte sie hohnlächelnd in tausend Abgründe gestürzt. Irgendwann riß die Erschöpfung ihr den Boden unter den Füßen fort. Der große Abgrund tat sich auf. Dunkel. Drohend. Stunden vergingen. Sterne kreisten. Mit den frühen Morgenstunden flaute der Amüsierbetrieb ab. In einem Park lag eine Frau – die Stirn an einer Steinkante aufgeschlagen – die Hände von Sträuchern zerrissen – Es wurde heller Vormittag, bevor man sie fand. Aus dem Dunkel des Abgrunds glomm für sie ein schwaches Licht auf. Als sie die Augen aufschlug, kniete Ben Nelson vor ihr. Seine Hände tasteten über ihre Stirn, und was er nicht aussprechen konnte, sagten seine Augen. „Ben – warum lassen Sie mich nicht liegen?“ Mit einem Heftpflaster schützte er ihre Wunde. Er wußte, daß für sie noch bittere Wochen kommen würden – keinen Tag aber würde er sie mehr allein lassen. „Ist es so gut, Ruth?“ Prüfend betrachtete er sein Werk. Der Anflug eines Lächelns glitt über ihr Gesicht, als sie seinen Eifer sah. „Yes – so ist es gut, Ben.“ „Wir werden es schon schaffen, Ruth“, sagte er leise. * George Brown war gewiß ein ausgezeichneter Schachspieler, aber er gehörte zu jenen, die es nicht fassen können, daß andere 85
auch etwas davon verstehen, und sich wundern, wenn man sie mit einigen überraschenden Zügen matt setzt. In einem abschließenden Bericht des Kommodores an den Sicherheitsdienst des S.A.T. und die Weltpolizei hieß es unter anderem: „… Brown ist eine eiskalte, berechnende Verbrechernatur. Er schreckte nicht davor zurück, die ehrliche Zuneigung einer Frau und ihre grenzenlose Hilfsbereitschaft zu mißbrauchen, indem er ihr die ihn bedrohende Existenz eines großen Erpressers vorgaukelte. Als ihm das gelang, versuchte er, auch die Weltpolizei mit ähnlichen Komödien zu bluffen, täuschte nicht nur einen Giftmordversuch gegen seine eigene Person vor, sondern verstand es auch, den Verdacht auf den wenig beliebten Doktor Wilson zu schieben, der ganz unter seinem Einfluß stand …“ – Ende –
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All die Fragen der Atomphysik, Raketentechnik, Weltraumschiffahrt und Weltstationen behandelt im Rahmen einer spannungsgeladenen Handlung
Die für Deutschland ganz neue Zukunftsserie erscheint 14tägig und ist überall im Zeitschriftenhandel oder direkt durch den Verlag Erich Pabel, Rastatt/Baden, erhältlich. Bisher sind 17 UTOPIA-Bände erschienen, die noch alle lieferbar sind. * Band 1: Strafkolonie Mond Das „Staatliche Atom-Territorium“ läßt die gefährlichen, bei der Gewinnung von Atomenergie anfallenden radioaktiven Nebenprodukte auf Anraten des Raumschiffkommodore Jim Parker nach dem Mond verfrachten. Die „Gelbe Union“ versucht, die Anlagen des S.A.T. auf dem Mond zu vernichten. Band 2: Die Macht des Unheimlichen Alarm und Schrecken in der Atomstadt. Die „Gelbe Union“ hat ihren Großangriff eröffnet. Eine geheimnisvolle, lenkbare Raumstation erscheint über Orion-City. Jim Parker wird als Geisel entführt. Man droht, ihn zu ermorden, falls Orion-City nicht seine geheimen Forschungsanlagen ausliefert.
Band 3: Panik im Weltall Ein interplanetarisches Verkehrsunternehmen rüstet in Detroit zur ersten „Vergnügungsfahrt“ in den Weltraum. Mit dreißig dollarschweren, abenteuerlustigen Passagieren an Bord startet das Raumschiff „Globetrotter“ zu einer „Spritztour ins Weltall“. Eine Reihe dramatischer Zwischenfälle bringt Raumschiff und Fahrgäste in eine äußerst gefährliche Situation. Band 4: Auf dem künstlichen Mond Jenseits der Grenzen der irdischen Atmosphäre entsteht eine kosmische Außenstation. Jim Parker und seine Männer müssen nicht nur mit den technischen Schwierigkeiten fertig werden, sondern sie haben es darüber hinaus mit geheimnisvollen Gegnern zu tun, die den künstlichen Mond in den Dienst zerstörerischer Pläne stellen wollen. Band 5: Kurierflug nach Orion-City Tim Wendler soll als Kurier die geheimen Forschungsergebnisse des mexikanischen Atomphysikers, Professor Varras, von der „Varras-Insel“ im Südatlantik nach der „Atomstadt“ OrionCity schaffen. Als er zusammen mit Iris Varras, der Tochter des Gelehrten, in seiner Kuriermaschine startet, ahnt er noch nichts von den verhängnisvollen Abenteuern, die auf ihn warten, und von dem schweren Verdacht, in den er geraten soll. Band 6: Kameraden zwischen Erde und Venus In ihm rüstet das Staatliche Atom-Territorium zur ersten Fernexpedition zu unserem Nachbarplaneten Venus. Unter Kommodore Jim Parker startet das modernste Weltraumschiff von
der künstlichen Raumstation aus zu seiner abenteuerlichen Fahrt, die von der gesamten Menschheit mit Spannung verfolgt wird. Band 7: Kampf um den Vulkan Ein großes technisches Projekt – die Gewinnung von Energie aus dem heißen inneren der Erde – soll verwirklicht werden. In Mexiko, dem Land der Vulkane, begibt sich der junge Geologe Harry Hilton an die Arbeit: Jim Parker, der Raumschiffkommodore, und sein treuer Gefährte Fritz Wernicke stürzen bei der Erprobung eines heuen Raketenflugzeugtyps über Mexiko ab und stoßen ebenfalls zu Hiltons Expedition. Die Männer haben eine Kette aufregender Abenteuer zu bestehen. Band 8: Das lautlose Grauen Im Gebiet der gigantischen Werkanlagen, die das „Staatliche Atom-Territorium“ der USA auf der Suche nach Uranerzen auf der Rückseite des Mondes angelegt hat, dreht eine Filmgesellschaft Außenaufnahmen für einen Raumfahrtfilm. Durch Bohrungen in einer neuen Schachtanlage aufgeschreckt* verlassen Schlangen unbekannter Art, die in unerforschten Höhlen unter der Mondoberfläche hausen Ihre Schlupf-Winkel und überfluten in großer Zahl das Werkgebiet von „Luna IV“. Band 9: Flucht vor dem Kometen Aus den Tiefen des Weltalls nähert sich ein mächtiger Komet. Die Astronomen rechnen aus, daß er die Erdbahn kreuzen und mit der Erde zusammenstoßen wird. Falsche Propheten kündigen bereits den Weltuntergang an. Der gewaltige Schweifstern
kann zwar der Erde nichts anhaben, da sie durch ihren dichten Luftmantel geschützt ist, aber der kosmischen Außenstation und den Anlagen auf dem Mond droht Vernichtung durch einen Hagel von Meteorsteinen aus dem Kometenkopf. Band 10: Abenteuer in Alaska Ein gewaltiger Meteorstein stürzt vom Himmel herab und schlägt in eine Hügelkette im Inneren von Alaska ein. Aus dem Einsturzkrater dringt eine unbekannte radioaktive’ Strahlung hervor, die sich über das Land ausbreitet und die Bewohner in höchste Gefahr bringt. Während skrupellose Gangster versuchen, die strahlende Materie zur Verwirklichung egoistischer Machtpläne in ihre Hand zu bekommen, setzt Jim Parker mit seinen Gefährten das Leben ein, um die geheimnisvolle Strahlung unmöglich zu machen und die furchtbare Gefahr zu bannen. Band 11: Wettflug zum Abendstern Das Staatliche Atom-Territorium der USA entsendet eine Raumschiffexpedition unter Kommodore Parker zum Planeten Venus, um Bodenschätze auszubeuten und die Möglichkeit einer Besiedlung des Planeten zu erkunden. Vor dem Start von der kosmischen Außenstation wird jedoch bekannt, daß ein Konkurrenzunternehmen ebenfalls zwei Raumschiffe auf die Reise geschickt hat, um den Plänen des S.A.T. zuvorzukommen und Besitz von dem Planeten zu ergreifen; Kommodore Parker versucht den Vorsprung der anderen einzuholen. Es kommt zu einem rasenden Wettflug durch 40 Millionen Kilometer Nichts, auf dem Jim Parker mit seinen Gefährten die aufregendsten Abenteuer zu bestehen hat.
Band 12: In den Dschungeln der Venus Die Raumschiffexpeditionen des Staatlichen Atom-Territoriums der USA und der Australian Industrial Company sind gleichzeitig auf Venus gelandet. Getrennt begeben sie sich an die Erforschung der feindlichen, unbekannten Welt des Planeten. Vor den Forschern und Wissenschaftlern eröffnen sich die Geheimnisse einer Umwelt, wie sie vor Jahrmillionen auch auf der Erde geherrscht hat. Im Augenblick größter Gefahr finden sich die Expeditionen der beiden rivalisierenden Mächtegruppen unwillkürlich zusammen. Band 13: Entscheidung in Sydney Nach seiner Rückkehr von der großen Venus-Expedition fliegt Kommodore Parker nach Australien, um an den Verhandlungen des Staatlichen Atom-Territoriums der USA mit der Australian Industrial Company teilzunehmen. Es geht um die Besiedlung und Erschließung des fernen Planeten, auf dessen Besitz beide Mächtegruppen Anspruch erheben. In Sydney und in den Raketenwerken in der großen Sandwüste wird Jim Parker mit seinen Gefährten in eine Kette rätselhafter Anschläge und aufregender Abenteuer verwickelt. Wird es ihnen gelingen, alle Gefahren zu besiegen, um eine Einigung zwischen den rivalisierenden Gruppen herbeiführen zu können? Band 14: Siedler auf fremdem Stern Mit dem rasend schnellen Anwachsen der Menschheit drohen der Erde ständig Gefahren durch Übervölkerung. Auf der Suche nach neuem Lebensraum beschließt das Staatliche Atom-Territorium der USA, auf dem Planeten Venus Land urbar zu machen. Kommodore Jim Parker geleitet den ersten
Transport freiwilliger Siedler in zwei Raumschiffen zum Nachbarplaneten der Erde. Nach menschlichem Ermessen sind alle Vorkehrungen für ein Gelingen des kühnen Plans getroffen worden – aber das ganze Unternehmen gerät in höchste Gefahr, als nach der Landung auf der Venus Gold entdeckt wird. Band 15: Das Rennen der Raketenfahrer An der Küste von Florida rüstet man zum ersten Raketenautorennen der Welt. Der junge Raketenwagen-Konstrukleur Dieter Helling, der auch ein Raketentriebwerk für Unterwasserfahrten erfunden hat, wird mitten aus den Vorbereitungen heraus auf geheimnisvolle Weise entführt. Seine Freunde Jim Parker und Fritz Wernicke setzen ihr Leben ein, um ihn selbst und seine Erfindung zu retten und seinem Wagen bei dem größten Rennen, das die Menschheit je erlebte, zum Siege zu verhelfen. Band 16: Planetoid Luzlfer Eine Flotte von zwölf mächtigen Planetenschiffen startet zur Venus, um Kolonisten in ihre neue Heimat zu befördern. Unterwegs im Weltraum erleidet eines von ihnen eine schwere Havarie und muß auf einem Planetoiden notlanden. Unbekannte Krankheitserreger, die auf dem kleinen Planeten gefunden werden, rufen eine Seuche unter den Passagieren hervor. Die Rückkehr zur Erde wird unmöglich. In einem rasenden Wettlauf zwischen dem neuesten Raumschiff „Meteor“ und dem Planetoiden, der sich den vernichtenden Strahlen der Sonne nähert, versucht Kommodore Jim Parker, den Bedrohten Rettung zu bringen.
Band 17: Bazillus L 13 Im tiefsten Asien rüstet der Diktator eines kriegerischen Staates zum Angriff auf seine Nachbarvölker. Mit Hilfe eines von seiner Idee besessenen Wissenschaftlers gelingt es ihm, eine neue, furchtbare Geheimwaffe zu entwickeln. Millionen friedlicher Menschen erleben die lähmende Drohung des bevorstehenden Bakterienkrieges. In der Stunde höchster Gefahr für die Menschheit schaltet sich Kommodore Parker ein und versucht, auf eigene Faust mit seinen Kameraden vom Staatlichen AtomTerritorium die verbrecherischen Pläne des Gegners zunichte zu machen.
Lesen Sie im nächsten (19.) UTOPIA -Band: Über verschiedenen Städten der Welt, vor allem über den geheimen Atomforschungszentren der USA, werden scheibenförmige Flugkörper unbekannter Herkunft gesichtet. Die Furcht vor den „Fliegenden Untertassen“, die schon einmal die Menschheit ängstigten, lebt wieder auf und verursacht Unruhe und Panik in aller Welt. Was verbirgt sich hinter den geheimnisvollen Wahrnehmungen? Sind es harmlose Naturerscheinungen, optische Täuschungen oder aber – Raumschiffe von anderen Planeten? Im Verein mit seinen Kameraden vom Staatlichen Atom-Territorium der USA und mit den tüchtigen Journalisten des „Chicago Star“ nimmt Kommodore Parker die schwierige Aufgabe in Angriff, das Rätsel der „Untertassen“ zu lösen und die Welt von einem Alptraum zu befreien. Sollten Sie die vorhergehenden UTOPIA-Bände 1 bis 17 bei Ihrem Zeitschriftenhändler nicht mehr erhalten, dann wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden). Senden Sie dabei den Geldbetrag (je Band 50 Pfg.) auf das Postscheckkonto Karlsruhe 224 46 ein. Aber hierbei nicht vergessen, die gewünschten Nummern auf der Rückseite des linken Zahlkartenabschnittes anzugeben. Auch können Sie den Geldbetrag in bar sofort Ihrer Bestellung beifügen.
Auf dem Wege zur Weltraumfahrt 18) Merkur, der sonnennächste Planet Welcher von den Planeten – nach dem Mond – das nächste kosmische Reiseziel sein wird, läßt sich nicht mit unbedingter Sicherheit voraussagen. Beginnen wir daher in unseren Betrachtungen mit demjenigen Planeten, welcher der Sonne am nächsten ist, mit Merkur. Über die Größe dieses Planeten und seinen Abstand von der Sonne haben wir in der 16. Folge schon einige Zahlen gelesen. Von seiner Oberfläche wissen wir wenig; denn Merkur steht der Sonne so nahe, daß man ihn günstigstenfalls kurze Zeit vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang in der Dämmerung und im Dunst des Horizonts beobachten kann. Wahrscheinlich dreht er sich während seines 38-tägigen Umlaufs um die Sonne nur ein einziges Mal um seine Achse, so daß die eine Hälfte des Planeten ewigen Tag hätte, die andere dagegen in endloser Nacht läge. In diesem Fall wäre Merkur gleichzeitig der heißeste und kälteste aller Planeten; denn während die Nachtseite nahezu die Temperatur des „absoluten Nullpunkts“ (-273 Grad Celsius) hätte, dürfte die Tagseite mindestens +350 Grad Celsius heiß sein. Eine nennenswerte Lufthülle ist keineswegs vorhanden, und ebenso fehlen Wasser und jegliche Lebensformen. Die Oberfläche des Merkur müssen wir uns ähnlich vorstellen wie das tote Antlitz unseres Mondes. Der sonnennächste Planet ist also eine sehr ungastliche Welt. Wir sehen schon an diesem Beispiel, daß nicht alle Planeten als Reiseziele der kommenden Weltraumfahrt geeignet sind. (Fortsetzung folgt)
Verlag und Druck, 1954: Erich Pabel, Rastatt in Baden (Mitglied des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger e. V.) – Die Bände dieser Serie dürfen nicht in Leihbüchereien verliehen, in Lesezirkeln nicht geführt und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. – Scan by Brrazo 08/2010